Krysmanski, H.J. - Die Fünfziger: Franchising the American Way of Life

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    (Vorabdruck eines Kapitels

    aus nebenstehendem Buchprojekt)

    Die Fnfziger:

    Franchising the American Way of Life

    Franchising war eine amerikanische Erfindung der fnfziger Jahre. Ein pfiffiger Ge-schftsmann, der eine Dienstleistung oder ein Produkt entwickelt hatte, vermietete oderverleaste seine Idee unter einem bestimmten Namen und Erscheinungsbild an andere

    unternehmungslustige Leute, die selbstndig werden wollten. War ein solcherFranchi-se-Geber erfolgreich, breitete sich der neue Betriebstyp schnell aus. Im gnstigsten Fallekonnte daraus ein weltweites Netzwerk von Franchise-Nehmern werden. Der Erfinder

    behielt die strikte Kontrolle ber Planung und Realisierung des Angebots. Seine Ge-winnbeteiligung war betrchtlich. Er lieferte Rohstoffe, Ausrstung, Werbematerial undvor allem eine 'Philosophie' des Konsumierens. Am Ende stand das Logo einer solchenAbsatzorganisation fr die einzig denkbare Weise, wie man Frikadellen a oder Limo-nade trank, ja wie man berhaupt it und trinkt. Die Arbeit aber taten die anderen.

    Weiwrste und Hamburger

    An einem Januartag des Jahres 1956 traf in den Bayerischen Motorenwerken bei Mn-chen ein junger amerikanischer Soziologe ein. Sein Name war Charles Wright Mills. Eswar sein erster Europa-Trip. Der Forscher, der sich schon mit einem Buch ber dieSchicht der neuen Angestellten (White Collar) einen Namen gemacht hatte, wollte beiBMW keine Befragungen durchfhren oder sich ber die Lage deutscher Facharbeiterinformieren. Im Gegenteil: Er absolvierte einen 14-tgigen Mechanikerkurs, um sein neuerworbenes BMW-Motorrad selbstndig warten zu knnen. Von Mnchen war er be-geistert. Seine Frau und er kleideten sich in Loden. Nach Hause schrieb er: "Mein liebs-tes Restaurant, ob in Europa oder in Amerika, ist die III. Klasse Gaststtte im MnchnerHauptbahnhof.

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    http://www.uni-muenster.de/PeaCon/Hirten&Woelfe.htm
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    Zur gleichen Zeit stie ein gewisser Ray Kroc zu den Brdern Mac und Dick McDonald,die in San Bernardino, Kalifornien, ein neuartiges Fastfood-Restaurant betrieben. 1952hatten sie eine erste Franchise ihrer Geschftsidee verkauft. Ray Kroc forcierte das

    Franchising-Geschft: 1958 gab es 80, 1960 schon 228McDonald's. Dann bootete Krocdie Brder ziemlich brutal aus dem aufstrebenden Unternehmen aus. Seit 1971 prangte

    das Logo auch an Lokalen in Deutschland, zuerst in Mnchen und bald berall. 1984starb Ray Kroc als mehrfacher Milliardr und Begrnder eines Franchise-Konzerns,dessen 30 000McDonald's heute in 121 Lndern tglich 60 Millionen Menschen bedie-nen.

    Ray Kroc und C. Wright Mills waren zwei Amerikaner, wie sie gegenstzlicher nichtsein konnten. Krocs Business-Credo lautete: "Hier frit Ratte Hund und Hund Hund. Ichkille sie und ich werde sie killen, bevor sie mich killen." C. Wright Mills aber, der trink-feste 40-jhrige Hne aus Texas, verfate in den sechs Jahren, die ihm nach diesem ers-ten Besuch in Mnchen noch zu leben blieben, einige der schrfsten Kritiken des ameri-

    kanischen Geschftsmodells, die je aus dem Herzen der USA gekommen sind.

    Mills war nach Europa geflchtet. Denn im April 1956 sollte sein neuestes Buch er-scheinen, The Power Elite eine Analyse der amerikanischen Machteliten. Er hatte In-formationen, die eigentlich auf der Strae lagen, ber die Reichen und Mchtigen zu-sammengetragen. Die Amerikaner hatten sich ja schon immer eindringlich fr ihre Ober-schicht interessiert. Aber Mills' Interpretationen waren gewagt. Sie schrten durch einegenaue Beschreibung der Rolle der amerikanischen Eliten nach dem Zweiten Weltkrieg

    berechtigte Zweifel, ob die amerikanische Gesellschaft noch eine funktionierende, aufInteressenpluralismus grndende Demokratie war. Das Wort von der 'Plutokratie', vonder Herrschaft der Reichen, das schon lange in der Luft lag, war durch diesen Pauken-

    schlag von einem Buch konkret geworden. Und es war, als ob Mills in jenen Wochen dieAngst vor der eigenen Courage auf seiner BMW in den engen Kurven der Alpenstraen

    bekmpfen wollte.

    The Power Elite wurde einer der grten und kontroversesten Sachbuch-Bestsellerseiner Zeit. Kritiker der groen amerikanischen Bltter fielen zwar ber das Buch her.Aber in den mittleren Konzern-Etagen, in vielen Washingtoner Ministerien, unter denWerbeleuten der Madison Avenue und vor allem an den Colleges und Universittenwurde das neue Buch begierig aufgenommen und zustimmend diskutiert. berall auf derWelt, wo die amerikanische Botschaft vonFreedom and Democracy Fu zu fassen be-

    gann, kamen bersetzungen von The Power Elite auf den Markt. Mills hatte mit seinemBuch - vermutlich ohne es selbst ganz genau zu wissen - nicht nur eine soziologischeAntwort auf die Frage geliefert, wer eigentlich und letztenendes in Amerika herrscht,sondern zugleich auch das Rezept formuliert, wie man in einer modernen Industriege-sellschaft westlichen Zuschnitts, in einer parlamentarischen Demokratie die Herrschaftder Wenigen sichern kann, ohne da es den Massen sonderlich auffllt.

    Auf dieser Grundlage jedenfalls bauten die Geld- und Machteliten der USA in denfolgenden Jahrzehnten das erfolgreichste Franchise-Unternehmen der Geschichte auf,ein politisches Fastfood-Imperium, das weltweit plutokratische Klopse in weichen De-mokratiebrtchen vertrieb und noch heute vertreibt.

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    Ruhige Zeiten

    Verglichen mit der Gegenwart waren die Fnfziger, was die Machtspiele der Superrei-chen betrifft, eine nahezu harmlose Periode. Der 1952 gewhlte Prsident Dwight D.Eisenhower wollte sich mit seinem Programm einerpolitics of tranquility (einer Politik

    der Beschaulichkeit) bewut vom sozialpolitischen Aktivismus der Roosevelt-Truman-Epoche abheben. Die Karten wurden neu gemischt, aber ohne allzu groes Aufsehen.

    Die Rooseveltschen Reformen nach der groen Wirtschaftskrise und auch die gewal-tigen Planungsanstrengungen des Zweiten Weltkriegs hatten das traditionelle Establish-ment durcheinander gewirbelt. Die alten Zeiten, in denen wenige reiche Familien in je-der Metropole und in jedem Bundesstaat die rtlichen Regierungen fest im Griff hatten,waren vorbei. Neue Gruppen drngten an die Schaltstellen der amerikanischen Gesell-schaft: Washingtoner Brokraten und Konzernmanager, medienwirksame Politiker und

    politische Generle, Gewerkschaftsfhrer und die Chefs von FBI und CIA. Auch Wis-senschaftler, deren Nimbus durch die Entfesselung der Kraft des Atoms ebenso wiedurch eindrucksvolle Planungsentwrfe einer neuen Gesellschaft gewachsen war, woll-ten an Entscheidungen ber die Geschicke der Nation beteiligt werden.

    Darber hinaus brachten der Kalte Krieg, die neue Verantwortung der Amerikaner frden Gang der Welt und nie gekannte auenwirtschaftliche Perspektiven vllig neuartigeInteressengegenstze in die amerikanische Gesellschaft. Kurz und gut: es schien aufeinmal nicht mehr so ganz klar, wer 'oben' ist und wer 'unten', welche Gruppen das Sa-gen hatten und woher der Wind wehte. Die amerikanische Gesellschaft schien eine 'plu-ralistische' geworden zu sein. Manche sahen im amerikanischen Establishment - in denFords, Rockefellers und Du Ponts - nur noch "eine kirchenhnliche Institution, die eine

    Mittlerrolle zwischen den konkurrierenden Krften in unserer Gesellschaft spielt". (Silku. Silk 1981, 7)

    Whrend der Fnfziger stiegen die Wochenlhne der Fabrikarbeiter um 50 Prozent.Die traditionelle 'Pyramide' der Einkommensverteilung sah immer mehr wie eine Zwie-

    bel aus, deren Bauch von einer gut verdienenden Mittelschicht gefllt wurde. Es mochteeine Zeit des Pluralismus sein, es war aber auch eine Periode des plattesten Konformis-mus. "Nichts ist entlarvender", so der Kolumnist James Reston, "als die Debatte von1830 im Reprsentantenhaus ber den griechischen Unabhngigkeitskampf gegen dieTrkei mit der Griechenland-Trkei-Debatte des Kongresses aus dem Jahre 1947 zu

    vergleichen. Die erste verluft wrdig und eloquent, die Argumente schreiten von derDarlegung der Prinzipien ber die Erluterung zur Conclusio; die zweite ist ein Durch-einander von Behauptungen, voller Irrelevanz und Geschichtsklitterung." (New YorkTimes, Jan 31, 1954) Prsident George Washington las 1783 VoltairesBriefe und LockesOn Human Understanding; Eisenhower, knapp zweihundert Jahre spter, vergngte sichmit Cowboy- und Detektivgeschichten. (Mills 1963, 604)

    Doch trotz allem, schrieb damals ein Beobachter, sangen in diesem Himmel des kon-formistischen Pluralismus die Engelschre noch immer mit einem Oberklassenakzent.Denn letztlich ging es nicht um Kultiviertheit, sondern um Macht. Und C. Wright Millshatte mit The Power Elite dazu die Partitur geliefert. Dieser Akt der Aufklrung hatteeine Vorgeschichte. Mills hatte sich nmlich gemerkt, wie ein deutscher Emigrant, Franz

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    Neumann, den Amerikanern schon 1942 in einem damals vielbeachteten Buch (Behe-moth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944) bedeutet hatte, da Kei-me faschistischer Herrschaftsformen in allen modernen Industriegesellschaften zu findenwaren. Selbst in Roosevelts New Dealfanden sich Zge, die nicht nur zuFreedom and

    Democracy sondern, wie im Deutschland der Weimarer Zeit, auch zu einem autoritren

    Regime, zu Formen faschistischer Herrschaft fhren konnten. Denn hier wie dort prg-ten Monopole, eine zentralisierte Brokratie, selbstbewute Berufspolitiker und, nichtzuletzt, selbstbewute Generle mit politischen Ambitionen die Gesellschaft. Und solcheGruppierungen hatten immer eine Tendenz, hierarchisch und hinter verschlossenen T-ren Macht und Einflu auszuben.

    Prsident Dwight D. Eisenhower brachte 1960 in seiner Abschiedsrede diese Gefahrauf den Punkt: "Die Verbindung eines riesigen Militrestablishments mit einer gewalti-gen Rstungsindustrie ist eine neue Erscheinung in der Geschichte Amerikas. DerEinflu - konomisch, politisch, sogar geistig - ist sprbar in jeder Stadt, jedem Bundes-

    staat, jedem Regierungsbro. Vor allem unsere Regierungsgremien mssen wir vor derbewuten oder unbewuten bernahme unberechtigter Machtbefugnisse durch den Mili-tr-Industrie-Komplex schtzen. Denn das Potential fr ein unheilvolles Anwachsen vonMacht am falschen Ort besteht und stabilisiert sich. Nur eine wache und informierte f-fentlichkeit kann dafr sorgen, da diese mchtige industrielle und militrische Vertei-digungsmaschinerie an unsere friedlichen Methoden und Ziele gebunden bleibt, damitSicherheit und Freiheit gemeinsam gedeihen knnen." (Vexler 1970, 235)

    Little Boxes

    Trotz solcher Warnungen post festum war es der rapide wachsende Militr-Industrie-

    Komplex, der denAmerican Dream jener Jahre erst mglich machte. Nach dem 'Verlust'Chinas an Mao-Tse-Tung und nach dem Koreakrieg vereinte der Kampf gegen denKommunismus alle Krfte. Mitte der Fnfziger arbeiteten ber 40 000 Rstungsbetriebeim Auftrag der Regierung. Ende des Jahrzehnt ging bereits mehr als die Hlfte derStaatsausgaben an das Militr. Und blicken wir weiter, so verfgte das Pentagon in denSiebzigern ber ein greres konomisches Potential als die 75 grten Konzerne derUSA. Schon whrend Eisenhowers Prsidentschaft gab es Kritiker, die davon sprachen,da in den USA eine permanente Kriegswirtschaft installiert worden sei. Und tatschlichwar Eisenhowers Antwort auf die Rezension von 1956-57, mehr Gelder in die Rstungzu stecken, statt, wie seinerzeit Roosevelt, zivile ffentliche Projekte zu frdern.

    So stie Eisenhowers Abschiedswarnung vor einem Militr-Industrie-Komplex auftaube Ohren. Die Wirtschaft brummte. Nur 6 Prozent der Weltbevlkerung waren Ame-rikaner, aber sie produzierten und konsumierten ber 30 Prozent der Gter und Dienst-leistungen. Das Bruttosozialprodukt der USA stieg whrend der Fnfziger um 51 Pro-zent. Das lag nicht nur an den Rstungsausgaben, sondern auch am enormen Ansteigendes heimischen Konsums. Die aus den Kriegen zurckgekehrten GIs grndeten Famili-en, die Suburbs wimmelten von Kindern. In den Fnfzigern wurden 29 Millionen neueAmerikaner wurden geboren. Die Geburtenrate war so hoch wie die indische. DieBaby

    Boomers betraten eine nationale Szene der Massenproduktion und des Massenkonsums,wie sie die Welt noch nicht gekannt hatte.

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    Die neue Konsumgesellschaft wurde durch das angetrieben, was die Amerikaner dietelevision industry nannten. Aber dieses neue Medium frderte nicht nur eine Massen-kultur des Verkaufens und Unterhaltens. Hier entstand auch ein gewaltiges Machtin-strument in den Hnden der amerikanischen Elite. 1946 gab es in den gesamten USAerst 17 000 Fernsehgerte, 1953 besaen bereits zwei Drittel der amerikanischen Haus-

    halte mindestens einen Apparat. Von Anfang an beeinflute diese neue 'Bewutseins-Industrie' die politischen Kampagnen. 1952 setzte mit Eisenhower erstmals ein Prsi-dentschaftskandidat TV-Werbung ein. Die Spots wurden von einem Menschen namensBruce Barton produziert, der zuvor durch religise TV-Kampagnen bekannt gewordenwar. Und mglicherweise war es wirklich so, da Richard

    Nixon 1960 die Prsidentschaft verlor, weil er auf den Bild-schirmen wie ein 'sinistres Eichhrnchen' wirkte.

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    Der Aufstieg der Mittelschichten, der Kultus der Jugend-

    lichkeit und vor allem das Fernsehen galten vielen als Zei-

    chen dafr, da die amerikanische Gesellschaft gleichfr-mig geworden war, da die 'sozialen Unterschiede' sicheingeebnet hatten, da ein Zeitalter des Konformismus an-gebrochen war. Und in der Tat, um 1960 lebten ungefhr 30Prozent der Amerikaner - 55 von 180 Millionen - in denneuen Suburbs. Das Lied, das der Protestsnger Pete Seegerdamals sang, beschreibt diese Welt frustrierter Hausfrauen,entfremdeter Konzernsklaven und unzhliger Barbecueswie kein anderer Text (vgl. Insert). Und doch: die ganzeWirklichkeit sah anders aus.

    Erstmals fiel im Zusammenhang mit den enormen Pro-duktivittssteigerungen das Wort 'Automation'. Die Kyber-netik, die Wissenschaft und Technik von selbstregulieren-den elektronischen Mechanismen zur Steuerung komplexer(industrieller und militrischer) Operationen wurde erfun-den. Das Zeitalter der Computer brach an. Die blue-collarworkers begannen, in den neuen Automaten eine Konkur-renz zu sehen, die ihre Arbeitspltze vernichtete. DieSchicht derwhite-collar workers dagegen, der neuen Angestellten, sah mit den 'intelli-genten Maschinen' ihre Chancen steigen. Die meisten neuen Jobs gab es fr College-

    Absolventen. In den Konzernen - und an den Universitten - entstanden neue Abteilun-gen fr 'Forschung und Entwicklung'. Und oft waren diese 'F&E'-Institute mit dem Mili-tr-Industrie-Komplex verbandelt. Die Kritik an dieser Vermischung militrischer undziviler Forschung beflgelte die Campus-Revolten der Sechziger.

    LITTLE BOXESLittle boxes on the hillside,Little boxes made of ticky tackyLittle boxes on the hillside,Little boxes all the same,There's a green one and a pink oneAnd a blue one and a yellow oneAnd they're all made out of ticky tackyAnd they all look just the same.

    And the people in the housesAll went to the universityWhere they were put in boxesAnd they came out all the sameAnd there's doctors and lawyersAnd business executivesAnd they're all made out of ticky tackyAnd they all look just the same.And they all play on the golf courseAnd drink their martinis dryAnd they all have pretty childrenAnd the children go to school,And the children go to summer campAnd then to the universityWhere they are put in boxesAnd they come out all the same.

    And the boys go into businessAnd marry and raise a familyIn boxes made of ticky tackyAnd they all look just the same,There's a green one and a pink oneAnd a blue one and a yellow oneAnd they're all made out of ticky tackyAnd they all look just the same.

    Words&music Malvina Reynolds, 1962

    Doch wovor viele und schlielich auch Eisenhower warnten, das galt anderen als eineglnzende Geschftsidee, die vor allem im auenpolitischen Interesse der USA weiter-zuentwickeln war. Letztlich ging es nicht nur um die Vor- und Nachteile eines 'Militr-Industrie-Komplexes'. Die Reichen und Superreichen begannen in den Fnfzigern zulernen, wie sie in einer immer komplexeren Welt der Massenmedien, des Aktieneigen-tums, der Werbung, des Massenkonsums sowie eines wachsenden Selbstbewutseins der

    Mittelschichten ihren gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Einflu bewahren

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    Seit den Fnfzigern war es dann Manhattan, wo der auffllige Wohnkonsum der Rei-chen neue Zeichen setzte. Ein Ergebnis des Baubooms jener Jahre war das United Nati-ons Plaza: Mit 38 Stockwerken war es Mitte der Sechziger das hchste Wohngebudeder Stadt, gelegen vis vis vom UN-Hauptquartier. Der Kaufpreis fr ein Apartment mitdreieinhalb Zimmern lag bei 25 900 Dollar, fr eine Wohnung mit neun Rumen bei 166000 Dollar, jeweils mit eigenem Fahrstuhl, Kaminen und Wendeltreppe und jedem er-denklichen Luxus; die monatlichen Unkosten betrugen zwischen 248 und 1590 Dollar.(Heute kosten, auch wenn ein Dollar aus dem Jahr 1960 inflationsangepat rund sechsDollar im Jahre 2002 entspricht, derartige Immobilien in Manhattan gut und gern dasZwanzigfache.) Ein rundes Drittel der Bewohner leistete sich Umbauten, lie Wndeniederreien, neue auffhren, Sulen und Absttzungen einziehen und den ursprngli-

    chen Grundri verndern. Einige Kufer erwarben gleich mehrere der zunchst 335 ein-6

    und mehren konnten. Sie schufen sich neue Institutionen und Instrumente zur Befriedi-gung ihrer legendren Habgier. Sie fanden aber auch Wege, ihre Trume und wohlwol-lenden Zukunftsentwrfe wirksam zur Geltung zu bringen, im 'Kampf gegen den Kom-munismus' und auf dem Weg zur Globalisierung. Ein neuer Faschismus wurde aus die-sem so entstehenden Gefge von Interessen und Einflunahmen nicht, wohl aber ein

    weltweites Netzwerk von Wlfen und Hirten. Und dieses Netzwerk fand allmhlich auchseine Sprache.

    Wie werde ich Milliardr?

    C. Wright Mills beschrieb die Anfnge dieser Neuformierung der amerikanischen Geld-und Machteliten im Hochgefhl einer jungen Wissenschaft, die mit Forschungen berdas Leben der Menschen in groen Industrie- und Militrorganisationen eine steile Kar-riere an den Universitten und in der Politikberatung hinter sich hatte. Jeden Wochentagfuhr der junge Soziologe per Motorrad von seinem Huschen am Rande New Yorks zur

    Columbia University im oberen Teil Manhattans. Von Morning Heights, jener Erh-hung, auf der die renommierte Universitt liegt, hat man einen prchtigen Fernblick aufden Central Park und die ihn umgebenden Appartment- und Brotrme, in denen dasLeben derVery Rich und derCorporate Rich, wie Mills sie nannte, damals eine neueWendung nahm.

    Die meisten Reichen lebten noch auf Landsitzen unterschiedlichen Zuschnitts. Da gabes den Compound, ein Areal von Landgtern mit vielen Residenzen der verschiedenenMitglieder einer extensiven Grofamilie; dann ein Netz verstreuter Landgter im Besitzeiner einzigen Familie; ber die gesamte USA verteilte Gter, oft fnfzig oder mehr, auf

    denen sich die verschiedenen Linien einer groen Familie tummelten; schlielich einvereinzeltes prchtiges Landgut, gewhnlich Wahrzeichen fr den neuen Reichtum einerAufsteigerfamilie. "Man sollte dabei stets bedenken", schrieb Ferdinand Lundberg, "daein Landgut nur das geographische Zentrum der Familie ist. Hinzu kommen Stadthuser,verschiedene Gter in den Provinzen und im Ausland; viele reiche Amerikaner besitzenentweder in Europa oder in Lateinamerika Lndereien, und einige haben sich in Nordaf-rika eingekauft, besonders in Marokko. Eine Funktion dieser groen Gter ist natrlich,Schauer zu erregen und auf diese Art und Weise eine soziale Distanz zwischen dem Be-sitzer und 'denen da drauen' zu schaffen." (Lundberg 1969, 432)

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    zelnen Apartments und verbanden sie miteinander, so da riesige Rume entstanden,ganze Stadthuser hinter einer schlichten Glas- und Aluminiumfassade. Die Bewohnersolcher Luxustrme waren damals noch sehr homogen. Unter den Eigentmern von 860United Nations Plaza befanden sich noch keine prominenten Leute vom Theater, keine

    bekannten Gesichter aus dem Fernsehen und nur ein Schriftsteller - Truman Capote. 71

    Prozent der Bewohner kamen aus der Geschftswelt: Senior-Vizeprsidenten, Exekutiv-Vizeprsidenten, Prsidenten und Aufsichtsratsvorsitzende. Der groe Rest waren An-wlte, Verleger, Vertreter von Stiftungen und politischen Interessengruppen. Die NewYork Times schrieb dazu: "Was im 'United Nations Plaza' wohnt, insbesondere im stli-chen Flgel, ist so etwas wie die Macht-Elite." (Lundberg 1969, 440f)

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    Der amerikanische Kapitalismus war also, wie Mills lakonisch feststellte, immer noch

    eine perfekte Maschine zur Herstellung von Millionren, und nicht nur von bloen Mil-lionren, sondern auch und vor allem von Milliardren. Nur diejenigen, die nicht weiterals bis zur eigenen Nasenspitze blicken wollten, und dazu gehrten leider auch viele

    Soziologen, glaubten, da die ganze Welt eine 'nivellierte Mittelstandsgesellschaft' ge-worden war. Nichts konnte falscher sein. Allerdings hatte der durch die Kriegsanstren-gungen whrend des Zweiten Weltkriegs bewirkte tiefgreifende Umbau Amerikas einenneuartigen Typus des 'reichen Mannes', neue Formen der Macht und neue Privilegien-strukturen hervorgebracht. So simpel-selbstherrliche Figuren wie die eines John D. Ro-ckefeller, Andrew Carnegie, J. Pierpont Morgan und Henry Ford waren pass.

    Yankees und Cowboys

    Erinnern wir uns. Rockfellers Standard Oil kontrollierte um 1900 90 Prozent des ameri-kanischen ls und war der erste multinationale Konzern berhaupt. Rockefeller machte

    heimliche Deals mit den Eisenbahnen, bestach Senatoren und betrieb Industriespionage.Seine Schlger nahmen sich der Gewerkschaften an. Am Ende war Rockefeller, umge-rechnet, fast dreimal so reich wie Bill Gates heute. Carnegie machte sein Vermgen mitl, Bessemer-Stahl und Eisenbahnschienen. Seine Devise: "Put all your eggs in onebasket and then watch that basket."('Packe alle deine Eier in einen Korb und dann paauf den Korb auf.') Er schrieb Bcher voller naiven Fortschrittsglaubens. Seine Stahlar-

    beiter muten 12 Stunden arbeiten. Mit seinem Namen ist die blutigste Streikunterdr-ckung der amerikanischen Geschichte, 1892 in Homestead, Pennsylvania, verbunden.Doch nach dem Verkauf seines Imperiums wurde Carnegie der erste groe Philanthrop,grndete weltweit 2800 Bibliotheken und stand am Anfang der Entwicklung eines mch-tigen Konzernstiftungswesens. J.P. Morgan schlielich begrndete die amerikanische

    Bankenmacht. Er trieb Eisenbahnaktien auf die gleiche Weise hoch wie heute die Hed-ge-Fonds Software-Aktien. An faire Konkurrenz glaubte er nicht. Schon damals gerietendie grten Industriekonzerne der USA unter die Kontrolle von Wall Street. Henry Forderfand das Flieband und den gut bezahlten Fabrikarbeiter, der sich die von ihm ge-

    bauten Model Ts auch leisten knnen sollte. Ford richtete aber auch ein SociologicalDepartmentein, um den Schnaps-Konsum seiner Arbeiter zu kontrollieren und die Ge-werkschaften zu bekmpfen. Er hatte Sympathien fr Adolf Hitler.

    New Dealund Zweiter Weltkrieg hatten diese Kultur milliardenschwerer Autokraten -nicht aber ihre Milliarden und die der anderen groen Familien - hinweggefegt. Allmh-

    lich entstand eine weitgehend gesichtslose Konzern-Elite der Corporate Rich. Sie be-

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    gann mit ihrer geballten Geldmacht, mit ihrer Organisationserfahrung und auch mit ihrerWeltkenntnis ein Regime zu errichten, wie es die bisherige Weltgeschichte noch nichtgekannt hatte. (Mills 1956, 94)

    Wie konnte diese neue Geldelite - z.T. aus der alten - entstehen? Seit altersher gab es

    fr den Ursprung groen Reichtums in privaten Hnden zwei Erklrungsanstze. Deneinen hatte einst Honor de Balzac in dem Diktum zusammengefat, da hinter jedemgroen Vermgen ein groes Verbrechen steht. Die Frage lag nahe, und sie ist seitherimmer wieder gestellt worden, worin in dieser Aufschwungphase der USA die zu sol-chem Reichtum fhrenden Verbrechen bestehen konnten. Die zweite Erklrung hatte dersterreichische konom Joseph Schumpeter formuliert: die neuen Giganten seien Mn-ner, die im ewigen Sturm der Innovationen, der im Kapitalismus tobe, voraussegelten.Hier war dann die Frage, welche besonderen Erfindungen seit den Fnfzigern den (ame-rikanischen) Kapitalismus beflgelten. Wir werden weiter unten auf diese Frage zurck-kommen. Unstrittig war auerdem, da in diesem Milieu die Figuren des Rubers und

    des Innovators nicht unbedingt Gegenstze darstellten, sondern oft in ein und derselbenPerson zusammentrafen. (Mills 1956, 95f)

    Mills hatte fr jede der letzten drei Generationen oder 30-Jahre-Perioden Informatio-nen ber die jeweils 90 reichsten Individuen Amerikas gesammelt. Insgesamt ergabensich so drei Listen mit insgesamt 275 Mnnern und Frauen, die jeweils ber mindestens30 Millionen Dollar Vermgen verfgten. Wohlgemerkt, diese Zahlen beziehen sich aufdie Fnfziger und vermitteln insofern absolut und relativ einen irrefhrenden Eindruck.Wenn beispielsweise der Spitzenreiter von 1900, John D. Rockefeller, fr jene Zeit miteinem Vermgen von einer Milliarde Dollar angesetzt wurde, so entspricht das nachheutigem Wert ungefhr 200 Milliarden Dollar. Geht man weiter, so nahm im Jahre

    1925 Henry Ford I den ersten Platz ein. Fr die Fnfziger selbst war zu Zeiten von Millsdie Informationslage noch schwierig. Er nannte die Namen von H.L. Hunt und einesweiteren Texaners, Hugh Roy Cullen, und stellte Vermutungen an ber zwei bis dreiweitere Milliardre, deren die Finanzbiographen seiner Zeit einigermaen sicher waren.(Mills 1956, 102ff) Zehn Jahre spter hatte Ferdinand Lundberg mehr ber diese Gruppeherausgefunden und kompilierte aussagekrftigere Listen. J. Paul Getty beispielsweise,der kalifornische lmagnat, stand dort ganz oben. Doch viele der reichsten Amerikanerhaben es bis heute verstanden, unsichtbar zu bleiben. Den Grund dafr formulierte Get-ty: "Siebzig Prozent meiner Post besteht aus Bettelbriefen. Einige bitten, andere fordern,manche drohen."

    Es war bemerkenswert fr die Fnfziger, da das neue, sichtbare groe Geld unterTexashten daher kam. l war das Lebenselixier des industriellen Aufschwungs gewor-den, das galt natrlich fr das Massenkonsumgut Automobil, aber auch fr die chemi-sche Industrie und immer wieder fr den militrisch-industriellen Komplex, der immerdeutlicher seine geostrategischen Ziele um diese Ressource plante. Texas aber bedeutetel, und so begannen die Sdstaaten dem industriellen Nordosten mit seinen Stahl- undKohlewerken den Rang abzulaufen. Amerikanische Milliardre hatten ihren Reichtumimmer in persnliche politische Macht, in Privatmacht umgewandelt. Und nun waren dieTexaner dran. Die Umwandlung von Geld in Macht vollzog sich einerseits ber 'Phi-lanthropie', andererseits ber direkte politische Spenden. Hugh Roy Cullen (1881-1957)

    hatte 1947 die Cullen Foundation gegrndet, die mit 160 Millionen Dollar Startkapital

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    (entspricht ca. 1 Milliarde in heutigen Dollar) medizinische Forschung und Bildungs-programme untersttzte. Bis zu seinem Tode 1957 hatte er angeblich 90 Prozent seinesVermgens auf diese Weise gespendet. Er hatte damit dazu beigetragen, da das Univer-sittswesen unter privaten Einflu geriet. Und durch seine jahrelange Funktion alsDirektor derBoy Scouts of America drfte auch vielen Jungs eingeimpft worden sein,

    da Amerika seinen Way of Life seinen Milliardren verdankte. Aber nicht nur das:Cullen gehrte auch zu den frhen Frderern eines jungen Kongreabgeordnetennamens George Bush (Sr.).

    Der lbaron H.L. Hunt war zur gleichen Zeit zweifellos derjenige Milliardr, der sicham sichtbarsten in die Politik einmischte. Seinem persnlichen Freund, dem Senator undKommunistenjger Joseph McCarthy, stellte er seinen Radiosender als Plattform zurVerfgung. Es gab nur wenige ultrarechte Aktivitten, in denen nicht ein paar HuntscheDollar steckten. Hunt hielt die Washingtoner Regierung und die groen Stiftungen frdurchsetzt mit antiamerikanischen Elementen. Rassenintegration, wie sie die Brger-

    rechtsbewegung zu fordern begann, war ihm gleichbedeutend mit Kommunismus. Hinterden Kulissen war Hunt aber auch ein Frderer Richard Nixons, des damaligen Vizepr-sidenten. Man kann sagen, da dies die ersten Versuche des groen Geldes aus den Sd-staaten waren, sich Reprsentanz auf der nationalen politischen Bhne zu verschaffen.Die texanischen 'Cowboys' profitierten vom Rstungswettlauf und spter von der Inva-sion in Vietnam, fhlten sich aber von den 'Yankees' nicht ernstgenommen. (Oglesby1984) brigens: H.L Hunts Shne Lamar, Nelson Bunker und William Herbert wurdenEnde der Siebziger notorisch, als sie erfolglos versuchten, den Weltmarkt fr Silber zumonopolisieren. Sie muten den Bankrott erklren. Der grere Teil der Familie Huntaber blieb bis in die Neunziger auf den Listen der reichsten Amerikaner, die dasForbes-

    Magazine bis heute regelmig verffentlicht.

    Erbauer und Titanen

    In der Schicht der Superreichen, also der Schicht oberhalb derChief Executive Officers(s.u.), landen ja erst die wirklichen Konzerngewinne. Statistisch mgen die Milliardresich einnebeln; als mythische Gestalten aber sind sie in der amerikanischen und globalenMedienlandschaft omniprsent. Time Magazine nennt sie Builders&Titans, die Erbauerund Titanen des zwanzigsten Jahrhunderts, die uns "aus dem industriellen Zeitalter insdigitale Zeitalter katapultiert" haben. (Time, Dec 7, 1998)

    In den Fnfzigern wurde, wie gesagt, immer mehr Geld nicht mit Stahl, nicht einmalmit Chemie und Aluminium, sondern mit Produkten aus dem ther gemacht. David Sar-noff legte mit seinem Radio-Imperium RCA die Grundlagen des massenmedialen Gold-rauschs. Die neuen Medien brachten den Mythos derBuilders&Titans direkt in dieWohnzimmer der Massen. Die Reichen und Superreichen waren auf einmal sofa-nah.Die unerreichbare Ferne schien berspielt. Und hochbezahlte Stars aus den FilmfabrikenHollywoods, die selber wie Fliebandarbeiter arbeiten muten, wurden Identifikationsfi-guren fr Trume von einem reichen Leben, an dem sie selbst nur tragisch beschrnkt,als Mtressen oder Gigolos, teilnahmen.

    Charles Merrill predigte aufcountry fairs und inshopping centers die Botschaft vom

    Aktienbesitz fr kleine Leute und machte Amerika zur Shareholder Nation. Stephen

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    Bechtel baute in den dreiiger Jahren den Hoover Damm, legte nach dem Zweiten Welt-krieg die Pipelines in Saudi-Arabien und errichtete 1951 das erste Atomkraftwerk. DieBechtel-Corporation wurde zum Synonym fr amerikanische Baustellen berall auf derWelt. Walt Disney schuf nicht nur Dagobert Duck, sondern ein Unterhaltungsimperium.Lucky Luciano war der erste Gangster-Milliardr. William Levitt erfand die Massenpro-

    duktion von billigen Reihenhusern und machte so die amerikanischensuburbs mglich.Leo Burnett brachte Werbeindustrie und Fernsehen zusammen. Aus Thomas WatsonsBromaschinenfabrik wurde der erste Computer-Gigant, IBM.

    Mills hatte damals noch nicht den Abstand, den wir heute haben, um die Rolle man-cher dieser 'Beweger' richtig einzuschtzen. Aber er mhte sich nach Krften, mit gngi-gen Klischees aufzurumen. So stimmte es einfach nicht, da die Superreichen seinerZeit Miggnger waren. Zwar war die Zahl der sogenannten Couponschneider im Lau-fe der Zeit gestiegen, von einem Anteil von 14 Prozent im Jahre 1900 und 17 Prozent1925 bis auf 26 Prozent im Jahre 1950. Aber auch das war nur ein Viertel der Aller-

    reichsten. Und was bedeutete schon Mue? Sie mute ja nicht, wie bei Philosophen oderKnstlern, in intellektuelle Kreativitt mnden. Selbst dmmste Gedanken, auf demSonnendeck einer Superyacht produziert, wanderten aus dem Milieu der Superreichen indie Gesellschaft und konnten dort unmittelbar zu materieller Gewalt werden: als Stoff,aus dem sich Verwirrung ber die wahren Verhltnisse dieser Welt stiften lie, als Stofffr die Mythen der Unterhaltungsindustrie. (Mills 1956, 108)

    Andere Klischees betrafen den Weg nach Oben. Betrachtete man nur die legalen We-ge - und nicht auch die ersten Milliardrs-Mafiosi wie Lucky Luciano -, so gab es zweitypische Verlufe, den groen Sprung und die geschickte Ansammlung von Vorteilen."Niemand aber", schrieb Mills, "ist in die Region der groen Vermgen aufgestiegen,

    indem er sich mhsam durch die brokratischen Hierarchien der groen Konzerne hoch-gearbeitet hat." (Mills 1956, 112) Die Mnner in den grauen Flannellanzgen bliebenirgendwo unterhalb der 'eigentlichen' oberen Rnge hngen. Das galt natrlich vor allemfr die Fnfziger. Denn in den folgenden Jahrzehnten bauten ehrgeizige Aufsteiger ge-nau in diese Konzernbrokratien Wendeltreppen, Seilwinden und schlielich geheimeLifts ein, die es gar manchem von ihnen gestatteten, den CEO-Status zu einer Bereiche-rungsmaschinerie auszubauen, deren Mechanismen erst in der Gegenwart allmhlichdurchsichtig werden.

    Aber auch die Superreichen selbst, so abgeschirmt sie auch blieben, konnten nicht

    mehr ohne die Industrie- und Staatsbrokratien operieren, die whrend des New Dealund im Weltkrieg entstanden waren. Aufgrund ihrer Statusvorteile und der berzeu-gungskraft des Geldes machten sie sich diesen komplexen Unterbau der verschiedenstenOrganisationen allerdings viel besser als jeder Emporkmmling zunutze. Schon seit demgroen Brsencrash von 1929 hatte die kleine reiche Oberschicht mithilfe von Rechts-experten innerhalb und auerhalb des Regierungsapparats die Steuergesetzgebung undandere staatliche Regulierungen intensiv beeinflut. Unter dem Schleier der patrioti-schen Kriegs- und Nachkriegsanstrengungen waren diese kleinen Korrekturen desRechts- und Regulierungssystems immer grer geworden. Bald konnte auf einer breitenKlaviatur gespielt werden, ob es um die Umorganisation oder Zusammenlegung vonKonzernen ging oder um die Art und Weise der Vergabe von Rstungsauftrgen oder

    um die Filterung bestimmter Informationen fr die ffentlichkeit.

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    Dazu, schrieb Mills, benutzten die Very Rich bei ihrer Verwandlung in die Corporate

    Rich vielfltigste Tarnkappen und Tarnfarben, allein um die "im Kern vllig verantwor-tungslose Natur ihrer Macht zu verbergen". Was stellten sie nicht alles an, um sich etwadas Image eines Kleinstadtjungen zuzulegen, der es zu etwas gebracht hatte; oder das

    Image des 'staatsmnnischen Industriellen' oder des 'Groen Erfinders', der Arbeitspltzeschuf, aber letztlich einer wie du und ich geblieben war. (Mills 1956, 117) Unter demStrich jedoch war folgendes geschehen: "Als Familien und als Individuen bleiben dieSuperreichen ein integraler Bestandteil der hheren Regionen des amerikanischen Wirt-schaftslebens, genauso wie die Spitzenmanager der Grokonzerne. Was, wie ich glaube,geschah, ist lediglich eine Reorganisation der begterten Klassen, die sich, zusammenmit den Beziehern der hchsten Gehlter, eine neue 'corporate world' der Privilegien undVorrechte geschaffen haben." (Mills 1956, 147)

    Gleichwohl treibt es einem fast Trnen der Rhrung in die Augen, wenn man die

    Zahlen ber das Ausma des damaligen Reichtums mit den heutigen, ungleich unver-schmteren Verteilungsverhltnissen vergleicht - und zwar selbst dann, wenn man dieseBetrge mit dem Faktor 6 oder 8 multipliziert, um den Inflationsausgleich zu berck-sichtigen. Die berhmte Schere ist auf dramatische Weise weiter auseinandergegangen,die Unterschiede zwischen dem oberen 1 Prozent oder den oberen 10 Prozent auf dereinen und den unteren Schichten auf der anderen Seite haben stellare Ausmae ange-nommen. Aber nehmen wir C. Wrights Mills akribische Rechnung aus den Fnfzigernzur Kenntnis: "An der Spitze der amerikanischen konomie in der Mitte des Jahrhun-derts gibt es ungefhr 120 Leute, die ein Einkommen von jhrlich mehr als 1 MillionDollar haben, weitere 379 Leute kommen auf 500 000 bis 1 Million Dollar. 1383 Leuteverdienen zwischen 250 000 und 499 999 Dollar. Und unterhalb dieser Gruppe gibt es

    ein breiteres Fundament mit Einkommen zwischen 100 000 und 249 999 Dollar." (Mills1956, 150)

    Reiche und Superreiche

    Wie knnen wir Reichtum definieren? Ferdinand Lundberg unterschied in seinem be-rhmten Buch aus den Sechzigern zwischen den Reichen und den Superreichen. Er sag-te: Die Reichen mgen zwar ber sehr viel (und oft schnell erworbenes) Geld verfgen;sie leben aber immer noch in der Gefahr, alles oder einen groen Teil ihres Vermgens

    pltzlich wieder zu verlieren; die Superreichen dagegen knnen absolut ruhig schlafen;ihre Vermgen sind so riesig, so weit verzweigt, so gut plaziert, auch so gut versteckt,

    da dieser Planet schon zerplatzen mte, damit auch sie mit leeren Hnden dastnden.(Lundberg 1968)

    In den Vereinigten Staaten vereinen fnf Prozent der Bevlkerung inzwischen min-destens 60 Prozent des nationalen Reichtums auf sich. Damit aber nicht genug. Das o-

    berste 1 Prozent unter ihnen ist in den letzten Jahren noch einmal dramatisch reichergeworden als die folgenden 4 Prozent. Und das Top-Viertel dieses 1 Prozent schlielichhebt noch schneller ab als die folgenden 0,75 Prozent. In den offiziellen Statistiken zurEinkommensverteilung jedoch tauchen diese 1 bis 5 Prozent berhaupt nicht auf. Siescheinen nicht zu existieren.

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    Als das U.S. Census Bureau im Dezember 1997 berichtete, da in den letzten zwanzigJahren die wohlhabendsten 20 Prozent der US-Bevlkerung ihre Einkommen (damalsdurchschnittlich 117 500 Dollar jhrlich) um 30 Prozent (inflationsbereinigt) gesteigerthtten, so da ihr Einkommen damit 13 mal hher als das der rmsten 20 Prozent (9 250Dollar jhrlich) sei, wollten einige Journalisten wissen, ob sich denn unter jenen oberen

    20 Prozent nicht auch die amerikanischen Milliardre verbergen und ob die amtlichenStatistiker ber diese Gruppe nicht genauere Auskunft geben knnten. Die Statistikerantworteten verlegen, da niemand, der mehr als 300 000 Dollar im Jahr verdiente, vonden Erhebungen erfat worden war. Das lag daran, gestand man kleinlaut, da ein Jah-reseinkommen von 300 000 Dollar die grte Ziffer war, welche die Computer der Be-hrde berhaupt erfaten. Und selbst als dieses Limit 1999 auf eine Million angehobenwurde, fielen die damals real existierenden 190 Milliardre und mehreren Tausend Mul-timillionre mit Vermgen ber 300 Millionen Dollar (um nur die zu nennen) aus derStatistik heraus. Jenes quantitative Limit von 300 000 Dollar aber, von dem ab die Com-

    puter bis in unsere Tage hinein blind wurden, stammte noch aus den Fnfzigern! (Krys-manski 2001, 134f)

    Zurck zu C. Wright Mills. Anfang der Fnfziger gab es also 13 822 Menschen inden USA, die gegenber den Finanzbehrden ein Jahreseinkommen von ber 100 000Dollar angaben. Das war seinerzeit die Grenze des Ringes, innerhalb dessen die 'beken-nenden Konzernreichen' unter sich waren. Und diese Grenze war nicht ganz beliebig.Denn an der Spitze der Einkommenspyramide steigt der Anteil des Einkommens ausVermgen gegenber dem Einkommen aus faktischer unternehmerischer Ttigkeit be-ziehungsweise aus Gewinnentnahmen. Einkommen aus Vermgen aber konnte in derWelt der Konzerne schon immer gut kaschiert werden. Das 'erklrte Einkommen' derReichen hatte somit eine eher symbolische Funktion, die besagte: bis hierher und nicht

    weiter drfen soziale Unterschiede dokumentiert werden. Oberhalb dieser Grenze blie-ben die Dinge im Dunkeln. Die erklrten Spitzeneinkommen deuteten lediglich auf dieExistenz einer vermgenden Klasse, nicht auf das Ausma der Vermgen selbst. Dage-gen galten die in der Welt der reinen Lohn- und Gehaltsempfnger erfaten Einkom-mensunterschiede zugleich als das Ma fr bestehende Ungleichheiten in der amerikani-schen Gesellschaft. Und nach diesem Mastab erschien sie dem Rest der Menschheit alsausgesprochen egalitr. Dahinter aber entfalteten sich die wirklichen - und inzwischenskandalsen - 'Einkommens'-Unterschiede zwischen den Corporate Rich und dem Restder Amerikaner. (Mills 1956, 150f)

    Citizen Kane und die Steuergesetze

    Mills war einer der ersten Soziologen, die sich mit etwas so Banalem wie Steuerschlupf-lchern fr Reiche beschftigten. Erst heute beginnen wir zu erkennen, welches Ausmadiese Steuerprivilegien - damals in ihrem Larvenstadium - angenommen haben. DiesesThema wird in spteren Kapiteln immer wieder auftauchen. Eines der wichtigstenSchlupflcher, die sich damals abzeichneten, war die Anrechnung des Einkommens auflangfristige Kapitalgewinne: "Wenn ein Topmanager seine Vorzugsaktien verkauft, wirdder damit erzielte Gewinn nicht als Einkommen, sondern als Kapitalgewinn gewertet,das heit, der Betreffende hat nach Steuern doppelt so viel gewonnen, als wenn er dengleichen Betrag als Gehalt oder Dividende bezogen htte. Wer langfristige Kapitalge-

    winne (long-term capital gains) geltend macht, zahlt Steuern nur auf 50 Prozent dieses

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    Gewinns." (Mills 1956, 152) Sehr frh gab es auch schon eine 'Minderungsgutschrift'(depletion allowance) auf Einkommen aus l-, Gas- und Erzvorkommen.

    Doch zum Scheunentor, wenn nicht zum Golden Gate der Steuervermeidung wurdedas Stiftungswesen. In den Zwanzigern gab es vielleicht 250 Stiftungen in den gesamten

    USA. 1950 waren es schon Tausende. Stiftungen werden im allgemeinen als autonomeNon-Profit-Einrichtungen definiert, die gemeinntzigen Zwecken oder, wie es in deramerikanischen Gesetzgebung heit, dem 'Wohlergehen der Menschheit' dienen. Stif-tungen verwalten Vermgenswerte, die sie durch steuerfreie Schenkungen oder Hinter-lassenschaften erhalten haben. In Wirklichkeit aber war die Grndung von Stiftungen,schrieb Mills schon damals, oft der bequemste Weg zur Steuervermeidung. Viele Stif-tungen operierten geradezu als Privatbanken der Stifter, und nicht selten bestand dieGemeinntzigkeit zunchst nur darin, eigenen Verwandten unter die Arme zu greifen.Auerdem begannen schon in der Fnfzigern Grounternehmen, Forschungsstiftungenzu grnden, die anstelle eines angeblichen Gemeinwohls allein den Entwicklungspro-

    grammen des eigenen Betriebes zugute kamen. (Mills 1956, 154f)

    ber die groen amerikanischen Stiftungen - allen voran die Carnegie,FordundRo-ckefellerFoundations - wird immer wieder zu berichten sein. Sie waren frh im Visiervon Untersuchungsausschssen des amerikanischen Kongresses. Ren A. Wormser, Ge-neralsekretr des Reece Committee von 1953, schrieb damals: "In den Hnden dieservernetzten und sich selbst verewigenden Gruppe ist unvergleichliche Macht konzentriert.Anders als Unternehmensmacht wird sie nicht durch Aktionre, anders als Regierungs-macht wird sie nicht durch Parlamente, anders als Kirchenmacht wird sie nicht durcheinen festen Wertekanon kontrolliert." (Wormser 1958/1993, viii)

    Hinter dem liberalen Gewlk von Freedom and Democracy also trmte sich derSachverhalt, da es fr praktisch jedes Gesetz, das dem groen Geld Steuern auferlegte,ein Mglichkeit des Ausweichens oder Minimierens gab. Doch das war bei weitem nichtalles. Der Reichtum der corporate elite beruhte zwar auf Vermgen und den entspre-chenden legalen und illegalen Vermgensoperationen. Doch zu Vermgen und Ein-kommen gesellte sich mit der Zeit ein ganzes Privilegiensystem von perks (Anreizen),

    fringe benefits (Zusatzvorteilen) und 'unternehmenskulturellen Selbstverstndlichkeiten',die C. Wright Mills damals sozusagen in statu nascendi beobachten konnte. Die Kon-zerneliten hatten begonnen, sichtbare und unsichtbare Mauern um sich zu ziehen. Dahin-ter gab es freie Gesundheitsvorsorge; Kostenerstattung fr die Mitgliedschaft in exklusi-

    ven Clubs; kostenlose Bereitstellung von Rechtsanwlten, Steuer- und Finanzberatern;Rume und andere Baulichkeiten zur Betreuung und Unterhaltung von Kunden und Gs-ten; Restaurants fr das Spitzenpersonal; private Erholungseinrichtungen wie Golfpltze,Schwimmbder und Fitnestudios; Firmenwagen, Firmenflugzeuge und - heute geradezueine Wachstumsbranche - Firmenyachten. (Mills 1956, 157f)

    Der neue Lifestyle der Corporate Rich faszinierte auch Hollywood. Die Fnfzigersind die Bltezeit der sogenanntenBusiness Movies. Orson Welles hatte mit Citizen Ka-ne zwar schon 1941 das Leben eines Business-Heroen mystifiziert; aber das war eher einAbgesang auf den Typus des Robber Baron der Vorkriegszeit. In der neuen Welt derKonzerneliten hingegen frbten Schlachtfelderfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg dasMilieu der Aufsichtsrte. Die Spitzenmanager planten bernahmekampagnen, kalkulier-

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    ten Verluste und 'Tote' ein, milderten ihren Kampfstre durch einen schtzenden Kranzfeldherrenhafter Privilegien, vom bedingungslosen Gehorsam der Untergebenen bis zumkommandierenden Blick aus chromblitzenden Bros in den hchsten Wolkenkratzer-Etagen. In dem FilmExecutive Suite, dem neben The Man in the Gray Flannel Suit ty-

    pischsten Hollywoodprodukt dieser Periode, kommt auch der quasi-feudale Anspruch

    der neuen Chief Executive Officers zum Ausdruck. Sie inszenieren sich wie Aristokra-ten, sogar wie Royals, und bedeuten dem Rest der Welt, da, wie zu Zeiten des Gottes-gnadentums, doch bitteschn gerade die teuersten Dinge wie Schlsser, Dienerheere undluxurise Infrastrukturen ihresgleichen 'frei' zur Verfgung stehen sollten.

    Kein Einflu ohne Netz

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    Abb.1Policy Formation Process

    Doch selbst diese unerhrten Privilegien des Konsums waren, so Mills, nur Peanuts ver-glichen mit der 'institutionellen Macht', die der reorganisierte Reichtum der Fnfziger indie Waagschale werfen konnte. Zunchst einmal und ganz allgemein war es den Kon-zerneliten gelungen, die nationale politische Ebene mit einem Netzwerk von Einflua-

    genturen zu berziehen. Ein paar Jahrespter fate William Domhoff in sei-nem berhmt gewordenen Buch Who

    Rules America? dieses Netzwerk ineinem Schaubild zusammen. (Abb.1)

    Zur Erluterung: Die Durchsetzung zentraler po-

    litischer Entscheidungen und Strategien wird hier

    nicht, wie in der ffentlichen Mythologie propagiert,

    als ein Ergebnis parlamentarisch-demokratischer

    Prozesse gesehen, die letztlich vom Whler, vomVolkssouvern, ausgehen. Domhoffs umfangreiche

    Untersuchungen deuten vielmehr darauf hin, da die

    'Richtlinien der Politik' (policy formation process)

    von einem ganz anderen 'Souvern' bestimmt wer-

    den, denjenigen Gruppen nmlich, die ber Geldmacht verfgen. Insofern stehen dann am Anfang des Gesetzge-

    bungsprozesses erstens der alte und neue 'Superreichtum' (private wealth); zweitens die Wirtschaftskraft der grten

    Konzerne (corporations). Durch den Einsatz von Frdermitteln, miteinander verknpfte Direktorate, Forschungsauf-

    trge, durch Personalpolitik usw. bestimmen diese beiden Gruppen die politische Willensbildung. Vermittelt wird das

    Ganze ber ein System von formellen und informellen Institutionen, in denen sich auch die 'Verwissenschaftlichung'

    der modernen Industriegesellschaft widerspiegelt. So spielen die Universitten (weitgehend abhngig von privaten

    Zuwendungen) und die privaten Denkfabriken der groen Stiftungen (foundations) die zentrale Rolle bei der Problem-

    analyse. Durch einen klugen Einsatz von Geld und Personal kann schon hier die Richtung der Analysen beeinflut

    werden. Die so entstehende 'Definition von Wirklichkeit' ist dann die Grundlage fr die 'wirklichen' Entscheidungen

    im Rahmen von 'Planungsgruppen'. Diesepolicy planning groups - Carroll Quigley (s.u.) hat sie auch alsRound Table

    Groups bezeichnet - stellen die machtpolitischen Kerne des Einflusystems der Geld- und Machteliten dar. Wir wer-

    den immer wieder auf solche Gruppen stoen. Insgesamt sind sie wenig erforscht - und stehen ihrer ganzen Natur

    nach der zuverlssigen Erforschung auch gar nicht offen. Auf jeden Fall aber war viele Jahrzehnte, und sicher in den

    Fnfzigern, das Council on Foreign Relations eine solche zentrale Planungsgruppe. Aus diesen informellen Kronrten

    der Macht, wo die eigentlichen Entscheidungen getroffen werden, geht es dann in die staatlichen und ffentlichen

    Bereiche, einmal des Kongresses, zum anderen der Massenmedien. Hier mssen Konsens organisiert und die ffentli-

    che Meinung formiert werden. Und damit hat dieser ganze Proze dann die Gesetzgebungsmaschinerie, die Legislati-

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    ve und Exekutive und Judikative so weit vorbereitet und vorgeprgt, da relativ sichergestellt ist, da nur Regelungen

    und Gesetze der ursprnglichen 'Auftraggeber' realisiert werden. (Domhoff 1967)

    Greifbarer, aber eigentlich nur als eine Indizienkette zu gebrauchen, waren die Spen-der und Spendensummen, die damals den politischen Parteien zugute kamen. Nach In-

    flationsausgleich (multipliziert mit dem Faktor 6 bis 8) hneln die damaligen Summendenen, die heute verffentlicht werden. Und genau wie heute war die Vermutung berech-tigt, da es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs handelte, des Eisbergs einer unab-lssigen Umsetzung von Geldmacht in politische Geflligkeiten. 1952 fhrten fr dieRepublikanische Partei die Rockefellers die Spenderliste mit 94 000 Dollar an, es folg-ten die Familien der Du Ponts (74 000 Dollar), der Pews (65 000 Dollar), der Mellons(54 000 Dollar), der Weirs (21 000 Dollar), der Whitneys (19 000 Dollar), der Vander-

    bilts (19 000 Dollar) usw. Zu den Spendern der Demokratischen Partei gehrten die Wa-de Thomsons aus Nashville (22 000 Dollar), die Kennedys (20 000 Dollar), Albert M.Greenfield aus Philadelphia (16 000), die Marshall Fields (10 000 Dollar) usw. (Mills

    1956, 166f) - Betrachten wir, aus heutiger Sicht, die Rolle einiger dieser Familien in deramerikanischen Politik.

    Die Du Ponts erwarben, wie wir in den voraufgehenden Kapiteln gesehen haben, ih-ren Reichtum schon im 18. und 19. Jahrhundert. Sie waren immer dem Bundesstaat De-laware verbunden, der ersten frheren Kolonie, welche die amerikanische Verfassung(eine Verfassung der Geschftsleute) ratifizierte. Es gehrt zur amerikanischen Folklore,da das reiche Delaware praktisch Privateigentum der Familie Du Pont ist. In den Zwan-zigern schon hatte die Familie 25 Prozent der Aktien von General Motors in ihren Besitzgebracht. In den Dreiigern investierten die Du Ponts extensiv in Nazi-Deutschland,allein der von dieser Familie kontrollierte GM-Konzern war mit 30 Millionen Dollar an

    IG Farben beteiligt. Und es war allgemein bekannt, da IG Farben einer der Finanziersder NSDAP war. Auch pro-Hitler Gruppen in den USA wurden von der Du Pont Familieuntersttzt. Nach dem Krieg profitierte die Familie von der durch GM betriebenen Ver-hinderung ffentlicher stdtischer Massentransportsysteme. Und schlielich war es einDu Pont, der whrend der Eisenhower-Prsidentschaft dem Bau des National System of

    Interstate and Defense Highways vorstand, zusammen mit Eisenhowers Verteidigungs-minister (und frheren GM-Prsidenten) Charles Wilson.

    Damals und hier also begann jene Abhngigkeit desAmerican Way of Life vom Erd-l, die heute das geopolitische Zentralproblem geworden ist.

    Das Kerngeschft der Du Pont Dynastie aber war die chemische Industrie und hierwiederum hatte sie einen groen Stein im Atomkraftgeschft. "Ihre Chemiefirma hatgeholfen, die Atom- und Wasserstoffbomben fr die Regierung zu produzieren, sie be-treibt die einzige Anlage fr schweres Wasser, Tritium und waffenfhiges Plutonium.Jahrelang war Du Pont einer der grten Vertragsnehmer der amerikanischen Regierungfr Nuklearanlagen und durch den Kauf von Conoco (Continental Oil Company) besitztsie inzwischen riesige Uranium-Reserven und Uranium-Verarbeitungsanlagen." (Colby1984, 12) In letzter Zeit ist deutlich geworden, das Du Pont inzwischen einer der grtenVerursacher von Umweltverschmutzuung durch Nuklearabflle ist.

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    Die Rockefellers gehren zum Felsenbett des American Way of Life. Sie tauchen prak-tisch in jedem Kapitel unseres Buches auf. Der Grnder der Dynastie war in seinen Ta-gen der Inbegriff desRobber Baron, der fr seine Skrupellosigkeit und Rcksichtslosig-keit gehat wurde wie kein anderer. Immerhin wurde das von ihm angehufte Vermgenzur Grundlage einer der wichtigsten Geldaristokratien des Jahrhunderts. Senator Robert

    Taft aus Ohio, selbst ein Vertreter des groen Kapitals aus dem Mittleren Westen, warnach seiner Niederlage auf der Wahl-Konvention der Republikaner 1952 so verrgert,da er ausrief: Every Republican candidate for president since 1936 has been nomina-ted by the Rockefeller Chase Bank. ('Jeder republikanische Prsidentschaftskandidatseit 1936 wurde von der Rockefeller Chase Bank nominiert.') Vor allem aber bte dieRockefeller-Familie ihren Einflu aus ber die Exekutiv-Ebene der von ihr finanziertenInstitutionen, etwa die Rockefeller Foundation. So wichtige 'Technokraten der Politik'wie Walt Rostow, auenpolitischer Berater von Johnson, Henry Kissinger, Nixons undFords Auenminister, und Zbigniew Brzezinski, der auenpolitische Berater von Carter,waren Produkte von Rockefeller Instituten und Denkfabriken. Mittels solcher Personen,aber auch durch direkte Einflunahme, waren die Rockefellers an den meisten epochalenEntscheidungen der amerikanischen Politik beteiligt.

    Auch das Vermgen der Pew Familie basierte auf Erdl, nmlich der Sun Oil Com-pany. Auch sie untersttzte in den Dreiigern Nazi-Organisationen in den USA. 1948grndete die Familie die Pew Charitable Trusts, die sich zunchst um die Frderungreligiser Organisationen kmmerten. Das Schwergewicht lag auf evangelikalen Bewe-gungen innerhalb des amerikanischen Protestantismus und ihren Bildungseinrichtungen.Vor allem dieBilly Graham Evangelistic Association, das Magazin Christianity Today,dieAmerican Bible Society und die Organisation World Vision sind Kinder der Pew Fa-milie. Heute stehen andere ultrakonservative Projekte im Zentrum, zum Teil in enger

    Verbindung mit derScaife Family Foundation von Richard Mellon Scaife (s.u.), insbe-sondere dieAmerican Family Foundation, eine, wie Beobachter sagen, Zentrale der ult-rakonservativen Gedankenkontrolle, eng verbunden mit dem Bush-Netzwerk. Untergeopolitischen Gesichtspunkten sehr interessant ist auch die Rolle des 1998 gegrndeten

    Pew Center on Global Climate Change, der fhrenden Frontgruppe von Industriekon-zernen - inzwischen sind es ber dreiig -, die sich Profite von hheren Energiepreisenversprechen, sollten sich kologische Prinzipien der Schadstoffkontrolle internationaldurchsetzen.

    hnlich wie die Pew Familie stand auch die Mellon Familie kaum im ffentlichen

    Rampenlicht. Ihr Vermgen wurde um 1900 mit Bankgeschften, Bergbau und Erdlgemacht. In den Zwanzigern gehrte sie zu den reichsten Familien der USA, und auchheute drfte sich ihr Vermgen im zweistelligen Milliardenbereich bewegen. Lange wares um die Mellons still, doch seit ungefhr dreiig Jahren ist vor allem Richard MellonScaife (geb. 1938) eine zentrale Figur bei der Formulierung der politischen Agenda deramerikanischen Machtelite. In den Siebzigern gingen seine Millionen in die sogenannte

    New Rightund deren wichtigsten Think Tank, dieHeritage Foundation, die sich das Zielgesetzt hatten, das 'liberale Establishment' in Washington und die liberalen Mediendurch eine neue, konservative Ordnung der Dinge abzulsen. Hillary Clintons Bemer-kung von dervast right wing conspiracy gegen ihren Mann bezog sich weitgehend aufdie Rolle von Richard Mellon Scaife. Einer von dessen engsten Kumpanen ist Newt

    Gingrich, Rechtsauen der Republikaner. Scaife hat bislang fast eine Milliarde Dollar in

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    konservative Kampagnen gesteckt, in einen war of ideas against American liberalism.Aber, merkt ein Journalist an, noch nie hat einer seiner Interviewer ihn ein Buch disku-tieren oder eine originre Idee uern hren. (Webber, Salon Magazine, Aug 3 2001)

    Auf Mills' Liste der Spender fr die Demokratische Partei tauchen neben den Kenne-

    dys u.a. auch die Marshall Fields auf. ber die Kennedys wird ausfhrlich im Kapitelber die Sechziger zu berichten sein. Im Gegensatz zu den Kennedys, deren Vermgenwhrend der Prohibition und in den Jahren desNew Dealentstand, stammte das Geld derMarshall Fields aus der Zeit derRobber Barons. Allerdings war deren Warenhauskettewegen ehrlicher und fortschrittlicher Geschftspraktiken wie Rckgabegarantien undgutem Service grogeworden. Und auch mit ihrem Einsatz fr soziale, kulturelle und

    politische Zwecke setzte die Familie Mastbe im System der Philanthropie. MarshallField III besipielsweise grndete 1940 in New York das Massenblatt PM, das bis Endeder Vierziger liberale, gewerkschaftliche und - was im New York vor Eintritt in denWeltkrieg gar nicht selbstverstndlich war - antifaschistische Positionen vertrat. Ein an-

    deres Mitglied der Field Familie, Ted Field (Jahrgang 1953), ging als unabhngigerFilmproduzent nach Hollywood, vervielfachte dort sein Vermgen und war verantwort-lich fr einige erfolgreiche und einige seltsame Filme, die jedenfalls nicht den kulturel-len und politischen Mainstream bedienten, sondern Zwischentne setzten, darunter Ku-riosa wieRevenge of the Nerds und Erfolge wie Mr. Holland's Opus, Three Men and A

    Baby und Jumanji.

    Die Frage, wie groer Reichtum sich Wege zum gesellschaftlichen und politischenEinflu bahnt, ist hochkompliziert. In den Fnfzigern wurde deutlich, da es neben poli-tischen Netzwerken, direkten Wahlkampfspenden und den vielfltigen Formen desSponsoring und der Philanthropie vor allem zu Strukturvernderungen im politischen

    System kam. Und zwar war eine zunehmende Angleichung der obersten Etagen vonWirtschaft und Politik zu beobachten. Sie waren hnlich organisiert und funktioniertennach dem Muster derCorporate World. Dies war ein typisch amerikanischer Vorgang.In Europa hatten sich in jahrhundertelangen Kmpfen zwischen den politischen undwirtschaftlichen Mchten jeweils spezifische Kulturen und Organisationsformen heraus-gebildet. Diesen zum Teil irrationalen Ballast gab es in den USA nicht. Die amerikani-sche Verfassung war im Kern eine Wirtschaftsverfassung. So kam es nicht nur zu prob-lemloseren Kontakten zwischen dem Personal der beiden Seiten, sondern auch zu sei-nem leichteren Austausch, zu einer Zirkulation der Eliten. Die Spitzenpolitiker hneltenCEOs, die CEOs waren von Mitgliedern des 'politischen Direktorats' (Mills) kaum zu

    unterscheiden; ein innerer Zirkel der Macht, in keiner Weise mehr der demokratischenKontrolle unterworfen, konnte ganz zwanglos entstehen. (Mills 1956, 167)

    Hatte nach dem Ersten Weltkrieg noch ein brutaler Konkurrenzkampf in der amerika-nischen Geschftswelt getobt, so saen die Widersacher whrend des Zweiten Welt-kriegs schon alle gemeinsam in unzhligen Komitees und Ausschssen und kurbelteneintrchtig die Kriegswirtschaft an. Sie kamen auch in Dauerkontakt mit dem Militrap-

    parat, der klugerweise viele dieser Geschftsleute zu Reserveoffizieren ernannte.Schlielich, unter Eisenhower, wurden immer mehr Konzernmanager unmittelbar inSchlsselpositionen der Washingtoner Administration geholt. Die Stimmen von Regie-rung und Wirtschaft vereinigten sich. Innenminister Douglas McKay rief am 29. April

    1953 vor derChamber of Commerce: "Wir sitzen doch hier im Regierungssattel nur, um

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    die Interessen von Wirtschaft und Industrie zu vertreten." Und ein Satz von Verteidi-gungsminister Wilson, vormals Prsident von General Motors, klingt noch immer derganzen Welt in den Ohren: "Was gut ist fr GM, ist auch gut fr die Vereinigten Staatenvon Amerika". (Mills 1956, 168)

    In der Millsschen Beschreibung der amerikanischen Konzernelite steckte ein allge-meines Geschfts- und Verhaltensmodell, das allmhlich nicht nur den wirtschaftlichen,sondern auch den politischen, militrischen und brokratischen Eliten berall auf derWelt zum Vorbild wurde. Wir wissen heute, da selbst die Politbros des zerfallendenRealsozialismus diesem Modell - Gorbatschow nannte es Perestrojka - nacheiferten.Auch in der Volksrepublik China macht diese Mischung aus 'Politbro' und 'Konzerneli-te' mobil. Zu Zeiten von Mills begaben die amerikanischen Konzerneliten sich zudemauf den Weg der 'Multinationalitt'. Immer hufiger begegneten sie auf ihren weltum-spannenden Geschftsreisen, ob in Saudiarabien, Malaysien, Japan oder Argentinien,ihren eigenen Klonen. Bald konnten diesem Fastfood-Elitismus auch die alten, traditio-

    nellen Geld- und Machteliten dieser Welt nicht mehr widerstehen. Das FranchisingdesAmerican Way of Wealth begann.

    Chief Executive Officers

    Betrachten wir eine Gruppe noch etwas genauer. Mit den Very Rich und ihrer Umwand-lung in die Corporate Rich war es ja nicht getan. Um diesen innersten Kreis hatte sicheine Schicht von Managern gebildet, die immer grere Bedeutung gewann. Als Chief

    Executive Officers (CEOs) der Unternehmen und Finanzinstitutionen waren sie zunchstund vorrangig mit der Mehrung und Verwaltung des Vermgens der Superreichen be-schftigt. Doch bald bildete die Gruppe der Spitzenmanager, die mit der Zeit zahlenm-

    ig stark anwuchs, eine eigene Corporate Culture heraus; und sie begann, ihr eigenesSppchen zu kochen.

    Inzwischen ist diese Gruppe mit negativsten Vorzeichen in den Schlagzeilen, weil sieber die Jahrzehnte Mittel und Wege gefunden hat, unabhngig von ihren Dienstleistun-gen fr die Corporate Rich eigene Wege zum Reichtum zu bauen. Angesichts des En-ron-Skandals und all der anderen Skandale, der Bilanzflschungen, Offshore-Operationen und Manipulationen des Aktienmarkts usw. wird deutlich, auf wie 'irregul-re' Weise sich diese Gruppe bereichert hat. Die Zeit(25/2002) spricht von den 'schamlo-sen Chefs'. DieNew York Times sieht derzeit in fast jeder Ausgabe den amerikanischenKapitalismus insgesamt in Gefahr.

    Wie fing das damals alles an? Mills rechnete Anfang der Fnfziger zu den CEOs je-weils die ein oder zwei Spitzenmanager der ungefhr hundert grten Konzerne derUSA; es handelte sich also um eine Gruppe von wenigen hundert Personen. Heute zhlt

    beispielsweise die Zeitschrift Fortune 500 Konzerne in dieser Kategorie auf, und dieGrenordnungen und Reichweiten sind ganz andere geworden. Folglich geht die Zahlder CEOs in die Tausende, ist aber immer noch, aus soziologischer Sicht, eine erstaun-lich bersichtliche Gruppe. Um 1950 betrug das Durchschnittsgehalt der 900 Spitzen-manager rund 70 000 Dollar jhrlich, die CEOs unter ihnen verdienten rund 100 000Dollar, das war etwa das 70-fache eines Facharbeiterlohns. Heute verdient der CEO ei-

    nes groen amerikanischen Konzerns im Durchschnitt 419mal mehr als einer seiner Ar-

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    beiter: 10,7 Millionen Dollar jhrlich. (Geneva Overholser,International Herald Tribu-ne 23.4.1999, 6)

    Fr die weitere Entwicklung entscheidend aber war schon damals, da im Unter-schied zu Lohn- und Gehaltsempfngern die 'Gehlter' der CEOs bei weitem nicht ihre

    einzige Einnahmequelle waren. Das erste, was Mills auffiel, war, da die CEOs begon-nen hatten, Aktienportefeuilles der eigenen Firmen zu akquirieren. "Es gibt viele Stellenin der Welt der Corporations, an denen man sicher vor Anker gehen kann, aber am si-chersten ist natrlich die Position des Eigentmers an einem Stck der Konzernwelt."Das sah dann 1952 so aus: Crawford Greenewalt, Prsident von E.I. Du Pont de Ne-mours and Co., mit 153 290 Dollar Gehalt und einem Jahresbonus von 350 000 Dollar;Harlow Curtice, damals einer der vier Vice Presidents von General Motors, 151 200Dollar Gehalt und 370 000 Dollar Bonus; Eugene E. Grace, Prsident von BethlehemSteel Corp., 150 000 Dollar Gehalt und 307 000 Dollar Bonus; und schlielich der da-malige Spitzenverdiener in der amerikanischen Industrie, Charles E. Wilson von GM,

    mit einem Jahresgehalt von 201 000 Dollar, 380 000 Bonus und Dividendenzahlungen(aus seinem Aktienbesitz) in unbekannter Hhe. (Mills 1956, 126-130)

    Es ist kein Zufall, da in jenen Jahren die Spitzenverdiener der Konzernelite aus denBereichen der Chemie, Nuklearenergie und vor allem aus der Automobilbranche stamm-ten. Das hatte mit dem Aufblhen der Rstungsindustrie zu tun, aber auch damit da dasAuto als Massentransportmittel durchgesetzt worden war. Im Hintergrund, sozusagen alsgeostrategische Konsequenz, bauten sich zudem Strategien zur Sicherung des Erdl-nachschubs auf, welche wiederum der Militarisierung der Wirtschaft nicht entgegen-standen. Entscheidend war auch, und dafr stand beispielsweise Crawford Greenwalt,die wachsende Bedeutung wissenschaftlicher Forschung und Entwicklung nicht nur fr

    die Strkung der USA im Kalten Krieg, sondern auch fr den Ausbau der wirtschaftli-chen Wettbewerbsfhigkeit. Auch Greenevalt, ein Chemie-Ingenieur, war aus der Ent-wicklungsabteilung von Du Pont aufgestiegen. Die Kriegserfahrungen hatten zudem aufdie Bedeutung guter Planung aufmerksam gemacht. Greenewalt: "Every moment spent in

    planning saves three or four in execution." ('Jeder Moment fr die Planung spart dreioder vier fr die Ausfhrung.')

    Harlow Curtice, der Mann von GM, war 1955 Man of the Yearvon Time Magazine.Er war, was die soziale, politische und kulturelle Rolle der Autoindustrie betraf, der viel-leicht am strategischsten denkende Manager seiner Zeit. Es ging damals ja nicht nur dar-

    um, z.B. mit Milliarden-Zuwendungen den Gang des amerikanischen Universittssys-tems zu beeinflussen. Time schrieb: Harlow Curtice istMan of 1955 weil er erkannt hat,da er in seinem Job die Verantwortung fr die Fhrungsrolle der amerikanischen Ge-schftswelt bernehmen mu. In seinen Worten: "General Motors must always lead."Das waren nicht nur hohle Phrasen, sondern es ging darum, die Krfte einer wachsendenBevlkerung, steigender Sparguthaben, wachsender Suburbs und einer sich ber dasLand ausbreitenden Industrie auf den Kauf von mehr neuen Autos als jemals zuvor aus-zurichten - und damit in der Tat eine Gesellschaft, einen ganzen Way of Life zu formen.Und fr diese Aufgabe standen ihm bei GM Ressourcen zur Verfgung, welche die dermeisten Nationalstaaten bertrafen. Sagte Curtice: "People had money and credit. I think

    I pushed them off the fence to the right side." ('Die Leute hatten Geld und waren kredit-

    wrdig. Ich glaube, ich habe auf die richtige Seite des Zauns geschubst.')

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    Sein Chef, Charles E. Wilson, war unter Eisenhower Verteidigungsminister gewor-

    den. Das, wovor Eisenhower am Ende seiner Amtszeit warnte, ein verselbstndigter Mi-litr-Industrie-Komplex, war unter seiner gide ja erst entstanden: eine mchtige Alli-anz zwischen den Militr- und Konzerneliten, die sich nicht mehr einfach auf die Even-

    tualitt eines Krieges vorbereitete, sondern diesen Kataklysmus durch eine durchgngigeMilitarisierung der amerikanischen Gesellschaft geradezu vorbereitete. 1948 fhrte deramerikanische Kongre das Universal Military Trainingein, die fr die USA unerhrteallgemeine Wehrpflicht in Friedenszeiten. Das Militr wurde eine dauerhafte Sule derGesellschaft. Wenige Jahre zuvor hatte Charles E. Wilson, als Prsident von GM, dasKonzept einer 'permanenten Kriegswirtschaft' verkndet. Er wollte damit alle konomi-schen Probleme der Nachkriegszeit, insbesondere die drohende Arbeitslosigkeit, aufDauer lsen. In ihrem Port Huron Statementvon 1963 resmierten die revoltierendenStudents for Democratic Action (SDS) wenige Jahre spter: "Since our childhood thesetwo trendsthe rise of the military and the installation of a defense-based economy

    have grown fantastically." ('Seit unserer Kindheit haben sich diese beiden Trends - derAufstieg des Militrs und der Aufbau einer auf Rstung basierenden Wirtschaft - auf

    phantastische Weise verstrkt.')

    Um 1950 stammten bereits zwei Drittel der Spitzenmanager aus der Konzernweltselbst, aus den Etagen der teils stahlglnzenden, teils dsteren Wolkenkratzer, in denenStatuspanik herrschte und raketengleiche Aufstiege wie Abstrze an der Tagesordnungwaren. Dort also schlten sie sich heraus, die neuen leader. Die Spezialisten, die Fach-leute und 'Experten' blieben im mittleren Management hngen. 'Oben' aber tauchte, wieMills schrieb, the broadened man auf, was nur recht unschn mit 'Generalist' zu berset-zen ist. Es waren Menschen, welche ein Gefhl fr Macht und Zusammenhnge entwi-

    ckelt hatten, die wuten, wie ihre Vermgensbildung mit der Welt der Superreichen zu-sammenhing, die lernten, wie die politische Klasse gekauft werden konnte.

    Damals wurden auch die heute noch gltigen Mechanismen der Selbstrekrutierungdieser Konzernelite erfunden: Man wollte Kopien von sich selbst, und so wurde der

    Nachwuchs geradezu einem Proze der Indoktrinierung unterworfen. (Mills 1956, 139)Die Nachwuchsfrderungsprogramme der groen Konzerne reflektierten das Wertesys-tem der Arrivierten. (Wir werden auf solche Programme in spteren Kapiteln zu spre-chen kommen.) Eine derartige Bildung von Kohorten und mnnerbndischen Strukturenist bis heute ein Merkmal der Konzernwelt geblieben. Abgesehen von manchmal gera-dezu irrationalen Test- und Ausleseverfahren dienten auch die Ausbildungsgnge weni-ger der Wissensvermittlung als der Erzeugung eines Gemeinschafts- oder Insider-Gefhls. In diesem Sinne wurde massiv Einflu auf die Curricula und sonstigen Ange-

    bote von Colleges und Universitten genommen, um eine Managerelite fr Stabsfunkti-onen in den groen Konzernen heranzuzchten. (Mills 1956, 143)

    Offiziere als Chief Executives

    C. Wright Mills bestand darauf, in die Analyse der Konzerneliten auch das Militr ein-zubeziehen. Damals lie sich gar nicht bersehen, wie stark die gewaltige Militrma-schinerie des Zweiten Weltkriegs die Nachkriegszeit in allen Aspekten und nicht zuletzt

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    konomisch geprgt hatte. Der Anspruch, selbst zur Machtelite zu gehren, wurden vonvielen Generlen offen ausgesprochen.

    Der Koreakrieg (1950-53) bot in dieser Hinsicht einiges Anschauungsmaterial. Prsi-dent Truman und seine militrischen Berater hatten sich 1945 nach der Kapitulation Ja-

    pans - ausgelst durch die Atombombenabwrfe auf Nagasaki und Hiroshima - zusam-mengesetzt und Korea entlang des 38. Breitengrads geteilt. Der Sden wurde besetzt.Diese Zwangsmanahme erlaubte es, wenigstens den entwickelteren Teil Koreas vordem Einflu des Kommunismus zu bewahren. 1948 wurde in Sdkorea die RegierungSyngman Rhee installiert. Solche Aktionen waren mglich, weil die Niederlage der Ko-lonialmacht Japan ein Machtvakuum hinterlassen hatte. Ein Ausdruck des Willens deskoreanischen Volkes waren sie nicht, wie die Abwahl Rhees 1950 zeigte. Auch der '-

    berfall' Nordkoreas, der die Kriegshandlungen auslste, hatte eine komplexere Vorge-schichte als allgemein bekannt. Die koreanischen Wiedervereinigungsbestrebungen wa-ren stark. Manche sagten schon damals, der Krieg sei von amerikanischen Militrs pro-

    voziert worden, so der angesehene Journalist I.F. Stone in seinem Bchlein The SecretHistory of the Korean War (1952); auch David Halberstam geht in einem demnchsterscheinenden Buch auf diese Hintergrnde ein.

    Auf jeden Fall aber war der Koreakrieg eine erste Testgelegenheit fr zwei auenpoli-tische Konzepte, die dem militrischen Denken entsprangen: die Strategien des Con-tainment (der militrischen Eindmmung des Einflusses der Sowjetunion und Chinas)und des Rollback mittels atomarer Drohgebrden. Der Erfolg stellte sich prompt ein:

    Nach dem Ende des Koreakriegs gab es proamerikanische Regimes in Sdkorea undTaiwan. Die Aufrstung der USA, mit einer Verdreifachung des Militretats, hatte einenRiesensprung gemacht. Japan war als fester militrischer Bndnispartner installiert.

    Nordkorea war verwstet, die Volksrepublik China blieb bis auf weiteres vor den Torender UN. (Halberstam 1993, 62-78)

    Andererseits verlief die Integration des Militrs in die Machtelite keineswegs rei-bungslos. Sprichwrtlich wurde der Konflikt zwischen dem Oberbefehlshaber der ame-rikanischen Truppen in Korea, General Douglas MacArthur, und Prsident Truman. Ma-cArthur befrwortete den Einsatz von Flchenbombardierungen bis nach China hinein,Truman lehnte sie ab. Auch whrend des Wahlkampfs 1952 kritisierte MacArthur, indirekter Verletzung derU.S. Army Regulation 600-10, ffentlich die Politik der Truman-Regierung. Auf dem Wahlkongre der Republikanischen Partei bot er sich schlielich

    unverhohlen selbst als Prsidentschaftskandidat an. Bekanntlich wurde dann ein andererGeneral, der sogar noch im aktiven Dienst stand, tatschlich nominiert: Dwight D. Ei-senhower. Auf einmal, schrieb Mills, gab es etwas bis dato Unerhrtes: die Republikani-sche bzw. die Demokratische Partei hatten jeweils ihre eigenen Generle. Und als 1954Senator Joseph McCarthy eine Petition zugunsten der Ausdehnung der Kommunisten-verfolgung verfate, standen die Unterschriften einer ganzen Korona hoher Militrs dar-unter. "Wir Militrs", brstete sich MacArthur, "werden immer alles befolgen, was uns

    befohlen wird. Aber wenn diese Nation berleben soll, mssen wir uns auf den Soldatenverlassen, wenn der Staatsmann nicht das Richtige fr die Erhaltung des Friedens tut."(Mills 1956, 204)

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    Im Unterschied zu den meisten amerikanischen Politikern und vielen Managern aller-dings hatten die Militrs im und nach dem Zweiten Weltkrieg die Welt wirklich kennen-gelernt. Insofern wurde in den Fnfzigern kein politischer Bereich strker von den war-lords ('Kriegsherren') und ihrer militrischen Metaphysik beeinflut als die Auenpoli-tik. Hier verbndeten sich die militrischen Emporkmmlinge mit anderen interessierten

    Kreisen und drngten die traditionellen Vertreter einer zivilen Diplomatie an den Rand.Die Kunst der Diplomatie geriet in Mikredit. (Mills 1956, 205f) Bekanntlich hat sichdieser Gegensatz zwischenPentagon und State Departmentbis heute erhalten.

    Vor allem aber beeinfluten militrische Bedrfnisse das Tempo und die Form derder Wirtschaftsentwicklung. Es kam zu einer dramatischen Invasion von Generlen undAdmirlen in die Aufsichtsrte der amerikanischen Konzernwelt. Einige Beispiele: Ge-neral Lucius D. Clay, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Besatzungstruppen inDeutschland kommandiert hatte und dort schon als Militrgouverneur der amerikani-schen Besatzungszone ein politisches Amt bekleidete, wurde in den Fnfzigern Auf-

    sichtsratsvorsitzender der Continental Can Company; auch dem InvestmentbankhausLehmann Brothers war er verbunden, und er war Mitglied in vielen einflureichen'Clubs' (s.u.). General James H. Doolittle, Chef der8th Air Force kurz vor der Kapitula-tion Japans, wurde Vize-Prsident von Shell Oilund kmmerte sich dort um das Flug-wesen. Angeblich reiste er 1946 nach Schweden, um eine in Spitzbergen niedergegan-gene Fliegende Untertasse zu inspizieren. Auch gilt er als einer der Initiatoren der ultra-rechten John-Birch-Society. General Omar N. Bradley, Kommandeur der 12th ArmyGroup vor Berlin, wurde Aufsichtsratsvorsitzender von Bulova Research Laboratories;er war sich in dieser Eigenschaft nicht zu schade, als 'Armeegeneral Omar N. Bradley'eine ganzseitige Werbeanzeige zu unterzeichnen, die aus Grnden 'militrischer Not-wendigkeit' einen hohen Einfuhrtarif auf die Produkte konkurrierender Schweizer Uh-

    renwerke forderte. General Leslie R. Groves, Chef desManhattan Projekts fr den Bauder Atombombe, wurde in den Fnfzigern Vize-Prsident der DenkfabrikRemington

    Randund Chef der Abteilung fr Grundlagenforschung. (Mills 1956, 213f) Groves' Bio-graph Robert S. Norris beschreibt, wie dessen Erbe geheimer Operationen und einesweitgespannten militrischen Nuklearestablishments bis in unsere Tage weiterwirkt.(Norris 2002)

    In der Geschftswelt ging das Diktum um: Beschaff dir einen General. Denn welcherRegierungszweig gibt mehr Geld aus als das Militr? Und wer versteht mehr vom Wie-hern des Amtsschimmels als ein General oder Admiral? Also mach ihn zum Vorstands-

    vorsitzenden! (Mills 1956, 214f) Auch wissenschaftliche Forschung und technologischeEntwicklung waren aus der zivilen Wirtschaft in die Welt der Militrs ausgewandert.Schon in den Fnfzigern war das Militr der grte Finanzier und Lenker wissenschaft-licher Forschung. Das galt nicht nur fr die Kybernetik, die physikalische Grundlagen-forschung oder die Halbleiterentwicklung, sondern auch fr linguistische und ethnologi-sche Studien. (PE 216) Darber hinaus wurde die Liste der Militrs immer lnger, dieohne einschlgige Qualifikationen in die Verwaltungshierarchien von Colleges und Uni-versitten aufstiegen. So war General Eisenhower auf dem Weg zur Prsidentschaft Chefder Columbia University und Mitglied derNational Educational Association PolicyCommission. (Mills 1956, 219)

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    Noch viel interessanter jedoch war, wie die Militrs, zusammen mit ihrem Anhang undihren Frsprechern, ihre Metaphysik im Bewutsein der Bevlkerung zu verankern wu-ten. Zu diesem Zweck standen den Washingtonerwarlords ausgedehnte Kommunikati-onsmittel und PR-Operationen zur Verfgung. Tglich versorgten sie die Presse mit

    Nachrichten und Geschichten. Sie produzierten Texte und Aufnahmen fr Radio und

    Fernsehen. Sie besaen die grten Filmstudios der Ostkste (die sie 1942 Paramountabgekauft hatten). Alles, was in den Zeitungen oder im ther erschien und das Militr

    betraf, wurde sorgfltig erfat und analysiert; alles, was seitens des Militrs an die f-fentlichkeit kam, einschlielich der Schriften der pensionierten Generle selbst, wurdegegengelesen und zensiert. Die Kosten allein dieses Programms wurden 1954 auf 12Millionen Dollar geschtzt (das wren heute umgerechnet ca. 80 Millionen Dollar).(Mills 1956, 219f)

    So resmierte Mills auf die selbstgestellte Frage, ob es in den USA so etwas wie eineMilitrclique gibt: "Ja, es gibt eine Militrclique, aber man sollte sie genauer als Teil

    einer Machtelite bezeichnen, die aus Mnnern der Wirtschaft, der Politik und des Mili-trs besteht, deren Interessen einander immer nher gekommen sind. Und um die Rolledes Militrs in dieser Machtelite zu verstehen, mssen wir die Rolle des Konzernmana-gers und des Politikers in ihr ebenfalls verstehen. Und wir mssen verstehen, da hieretwas Neues im politischen System der USA geschehen ist." (Mills 1956, 224)

    Direktoren der Politik

    Einen weiteren, vielschichtigen Ring um den Saturn des privaten Reichtums bildete diepolitische Klasse. Dazu gehrten nicht nur die Spitzen der Regierung, der Parteien usw.,sondern auch andere Gruppen, die mit politics befat waren: Verbandsfunktionre,

    Rechtsanwlte, politische Beamte und die mageblichen Medienleute. Sie vermitteltenauf die eine oder andere Weise zwischen den oberen Zehntausend und den Massen. Siehielten das ganze System einigermaen stabil, indem sie sich nicht nur um denWohlstand der Superreichen, sondern auch um ein Minimum an Verteilungsgerechtig-keit kmmerten. Denn nicht zuletzt dieses ist die ureigenste Aufgabe der politischenKlasse.

    Dwight David Eisenhower (1890-1969) verkrperte ein neues amerikanisches Selbst-bewutsein. Der frhere Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkrfte in Europa undmilitrische Organisator der NATO hatte es im Zivilleben, wie erwhnt, zum Prsi-denten derColumbia University gebracht. Er hatte simple und feste Vorstellungen voneiner 'gerechten' und 'stabilen' amerikanischen Gesellschaft. Millionen junger Familienkonnten sich zum ersten Mal ein eigenes Haus und ein eigenes Auto leisten und warenmit den Segnungen des American Big Business hoch zufrieden. Dazu pate denn auchdie Tatsache, da in Eisenhowers Kabinett beispielsweise fast nur millionenschwereKonzernvertreter saen, drei davon - Charles E. Wilson, Arthur Summerfield und Doug-las McKay - mit engen Verbindungen zu General Motors. Adlai Stevenson, 'Ikes' demo-kratischer Konkurrent um die Prsidentschaft, konnte nur sagen: "The New Dealers haveall left Washington to make way for the car dealers." ('Die Vertreter des New Deal ha-

    ben in Washington Platz gemacht fr Autovertreter.') Aber Ike konterte - und es war eineberzeugende Formel fr Verteilungsgerechtigkeit in den Fnfzigern: "I will be a con-

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    servative when it comes to money matters and a liberal when it comes to human beings."('In Gelddingen bin ich ein Konservativer, bei Menschen ein Liberaler.')

    Auf dieser Grundlage hatten sich noch 1948 beide Parteien um Ike als ihren Prsident-schaftskandidaten bemht. Im Wahlkampf 1952 machte er die Opposition gegen das

    militrische Engagement der USA in Korea zu seinem zentralen Wahlkampfthema. DerTruman-Administration warf er Korruption und Nachgiebigkeit gegenber dem Kom-munismus vor. Eisenhowers Gegenkandidat, Adlai Stevenson, stammte zwar aus demOstksten-Establishment und sprach die intellektuelle Oberschicht an, konnte aber inkeiner Weise mit Ikes Popularitt (I like Ike) konkurrieren. Eisenhowers zweiter Mannwar Richard Nixon, der ganz offensichtlich von einer Millionrsclicque aus dem ultra-rechten Lager untersttzt und in die Rolle des Vizeprsidentschaftskandidaten gehievtworden war. Als dieser Hintergrund in den Medien zur Sprache kam, nutzte Nixon wh-rend des Wahlkampfs 1952 das Fernsehen fr seinen berhmten Checkers Speech. Darinmachte er das verschleiernde Zugestndnis, seiner Frau sei lediglich das Geschenk eines

    'einfachen republikanischen Wollmantels' und seiner Tochter ein schwarz-weier Co-ckerspaniel namens Checkers zugeflogen. Und an die Gefhle des TV-Publikums appel-lierend rief er aus: "I'm not going to break that little girl's heart by taking away thatdog." ('Ich werde nicht das Herz dieses kleinen Mdchens brechen und den Hund zu-rckgeben.')

    Eisenhower gewann in den Wahlen von 1952 mehr als 55 Prozent der Stimmen. So-ziale Gerechtigkeit bedeutete fr ihn, da der Prsident sich aus sozialen Reformpro-grammen heraushalten sollte. Das war scheinbar das genaue Gegenteil von Roosevelts

    New Deal und Trumans Fair Deal, pate aber zum Lebens- und Gerechtigkeitsgefhleiner Bevlkerung, die den grten wirtschaftlichen Aufschwung ihrer Geschichte erleb-

    te. Ikes Programm eines Dynamic Conservatism oder 'modernen Republikanismus' be-stand aus Haushaltskrzungen, Untersttzung von big business und der Rckfhrungvon zentralstaatlichen Aufgaben auf die Bundesstaaten und die kommunale Ebene. Ei-senhower wandte sich gegen den sozialen Wohnungsbau, staatliche Arbeitsbeschaf-fungsmanahmen, Umweltschutz und Landreformen (area development). Doch obgleicher sich als strikter Gegner einer defizitren Ausgabenpolitik gab, fhrten die wachsendenErfordernisse der Rstung, das neue Auslandsengagement sowie alle mglichen Subven-tions- und Spezialinteressen dazu, da am Ende der Eisenhower-Administration dashchste Staatsdefizit erreicht war, das die USA jemals in Friedenszeiten zu verzeichnenhatten.

    Berichtet man ber Macht und Herrschaft, wird daraus im allgemeinen eineGeschichte allein der politischen Klasse, der Prsidenten, der Senatoren usw. In dieserHinsicht waren die Fnfziger in der Tat reich an unvergelichen Charakteren, die sichdurchaus zur Mythenbildung eignen. Einige von ihnen werden wir durch die Jahrzehnteverfolgen knnen, allen voran Richard Nixon, in den Siebzigern das lebende Beispiel frdie irrelevant gewordenen 'reinen' Berufspolitiker. Mills hatte darauf bestanden, da die-se Gruppe, was die Ausbung wirklicher Macht betraf, schon in den Fnfzigern tenden-ziell auf Dienst(boten)funktionen fr die Geldmchtigen reduziert worden war. Anderer-seits betonte er, da sich jenseits der demokratischen Institutionen, insbesondere desKongresses, eine politische Elite herausgebildet hatte, die mit den Konzernherren und

    Kriegsherren nicht nur mithielt, sondern mit ihnen personell unauflslich verflochten

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    und zum Teil mit ihnen identisch war. Diese Gruppe nannte Mills das 'politische Direk-torat'.

    Das politische Direktorat bestand aus einer kleinen Gruppe von Mnnern, welche dieexekutiven Entscheidungen im Namen der Vereinigten Staaten von Amerika trafen. Zu

    diesen ungefhr 50 Mnnern gehrten der Prsident, der Vizeprsident, die Kabinetts-mitglieder, die Chefs der wichtigsten Ministerien, Behrden und Kommissionen sowieMitglieder des Beraterstabes des Prsidenten. Dieser Kreis ist bis heute kaum grergeworden. Die Wahlkmpfe drehten sich letztlich immer nur um die Besetzung dieserPositionen. Hier fanden und finden zwischen den verschiedenen Fraktionen der Geld-und Machtelite Interessenkmpfe bis aufs Messer statt. Hier zirkulierte diese Elite insich. Im Mai 1953 waren nur drei Mitglieder des politischen Direktorats berhaupt Be-rufspolitiker; zwei weitere hatten eine Karriere als politische Manager oder 'Macher'hinter sich. Ihre Namen sind heute vergessen. (Mills 1956, 231f)

    Alle brigen Mitglieder des 'politischen Direktorats' stammten aus dem Establish-ment: Die drei wichtigsten Positionen wurden gehalten von John Foster Dulles, Auen-minister, dem New Yorker Reprsentanten einer Rechtsanwaltskanzlei, die das interna-tionale Geschft fr die Morgan- und Rockfeller-Familien abwickelte; von George M.Humphrey, Finanzminister, einem Konzernmanager aus dem Mittleren Westen, der ei-nem aus dreiig Unternehmen bestehenden Firmenkomplex vorstand; von Charles E.Wilson, Verteidigungsminister, dem frheren Prsidenten von General Motors, einemder drei grten Konzerne der USA und grten Rstungsproduzenten. Dazu, wie erwhnt, zwei weitere Mnner von General Motors, ein fhrender Finanzier und Direktorder grten Bank Neuenglands und schlielich ein millionenschwerer Verleger aus Te-xas. (Mills 1956, 232)

    John Foster Dulles (1888-1959) war Enkel und Neffe frherer amerikanischer Au-enminister. 1919 gehrte er zur amerikanischen Delegation der Pariser Friedenskonfe-renz und war einer der engsten Berater Prsident Wilsons. Von 1945 bis 1949 war erDelegierter bei den Vereinten Nationen und 1951 Verhandlungsfhrer beim Friedensver-trag mit Japan. Als Eisenhowers Auenminister entwickelte er, immer um die Eindm-mung des Kommunismus besorgt, die Doktrin der 'massiven Vergeltung' mittels Nukle-arwaffen. Diese Abschreckungsstrategie wurde ergnzt durch ein immer dichteres Pakt-system. John Pilger, der angesehene britische Journalist, schreibt ber die heutigenAuswirkungen dieser Politik: "Der derzeitige Aufstieg Rumsfelds und seines Stellvertre-

    ters, Paul Wolfowitz, sowie seiner Mitarbeiter Richard Perle und Elliot Abrams bedeu-tet, da ein groer Teil der Welt offen von einem geopolitischen Faschismus bedrohtwird, der sich seit 1945 entwickelt und seit dem 11. September beschleunigt ... Dieseheutige Washingtoner Gruppe besteht aus authentischen amerikanischen Fundamentalis-ten. Sie sind die Erben von John Foster Dulles und Alan Dulles, jenen baptistischen Fa-natikern, die in den Fnfzigern das Auenministerium beziehungsweise die CIA lenkten.Sie zerschlugen in einem Land nach dem anderen Reformregierungen - Iran, Irak, Gua-temala; sie zerrissen internationale Vertrge wie die Genfer Indochina-Vereinbarungenvon 1954. Deren Sabotage durch John Foster Dulles fhrte geradewegs zum Vietnam-Krieg und zu fnf Millionen Toten. Jetzt verffentlichte (declassified) Dokumente zei-gen, da die USA seinerzeit zweimal nur e