Kryszat, Guido Eine Frau Mit Namen Zizizi

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Einleitendes zur altassyrischen Briefliteratur * In seinem wundervollen Artikel „Affect and Emotion“ 1 stellte Mogens Trolle Larsen vor wenigen Jahren einige der Besonderheiten der altassyrischen Briefliteratur heraus. Wir können mittlerweile mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß der Absender eines Briefes in aller Regel auch sein Schreiber war. Denn die Natur des Fernhandels, vor allem mit und in Anatolien, verlangte danach, daß eine möglichst große Anzahl der daran Be- teiligten in der Lage war, Schriftstücke zu lesen und auch selbst schriftlich zu fixieren. Im Gegensatz zu den Gegebenheiten in anderen Keilschriftkulturen und Epochen, wo z. B. das Verfassen eines Briefes schlicht und einfach Kosten verursachte, war das in der alt- assyrischen Gesellschaft häufig nicht der Fall. Folglich wurde vieles geschrieben und ver- schickt, was sonst kaum schriftlich festgehalten worden wäre. Dieses betrifft besonders Dinge des emotionalen menschlichen Miteinanders, die von Larsen besonders beleuchtet wurden. Seine Ausführungen stehen in der von ihm beschworenen Tradition Oppenheims, der betonte, daß Briefe „illuminate both the writer and the adressee as human beings, shed light on their expectations and fears, and on the settings in which they live“. 2 Innerhalb der altassyrischen Korrespondenz nehmen diese Briefe auch aus anderen Gründen eine Sonderstellung ein. Denn wenn wir aus Kanes ˇ viele Tafeln kennen, die nur Abschriften von Briefen in die Heimat sind, so sind das doch nur solche Briefe, die in der Hauptsache direkt, oft nur, mit den reinen Gegebenheiten des Handels zu tun haben und die somit als Gedächtnisstütze und zur Archivierung der eigenen Korrespondenz dienten. Abschriften solcher Briefe wie I 688 sind nicht darunter. Wir würden viele der aus den Handelsniederlassungen stammenden Äquivalente finden, wenn eines Tages in den ent- sprechenden Schichten in der Heimatstadt Assur gegraben werden könnte. Wie wir sehen werden, ist VS XXVI 33 offensichtlich ein Antwortschreiben auf einen solchen Brief, der aus Kanes ˇ nach Assur geschickt worden war. In vielen der oben erwähnten Kopien von Briefen finden wir die Aufforderung von Kaufleuten an die daheim gebliebenen Frauen: Guido Kryszat Eine Frau mit Namen Zizizi Altoriental. Forsch. 34 (2007) 2, 210–218 * Für Ilse Wegner in dankbarer Erinnerung an die stets freundliche Aufnahme bei meinen Besuchen in Berlin. 1 Larsen 2001. 2 Oppenheim 1967, bes. das Einleitungskapitel „Can these bones live?“, 54–67.

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Kryszat Eine Frau mit Namen Zizizi

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  • Einleitendes zur altassyrischen Briefliteratur*

    In seinem wundervollen Artikel Affect and Emotion 1 stellte Mogens Trolle Larsen vorwenigen Jahren einige der Besonderheiten der altassyrischen Briefliteratur heraus. Wirknnen mittlerweile mit einiger Sicherheit davon ausgehen, da der Absender eines Briefes in aller Regel auch sein Schreiber war. Denn die Natur des Fernhandels, vor allemmit und in Anatolien, verlangte danach, da eine mglichst groe Anzahl der daran Be-teiligten in der Lage war, Schriftstcke zu lesen und auch selbst schriftlich zu fixieren. ImGegensatz zu den Gegebenheiten in anderen Keilschriftkulturen und Epochen, wo z. B.das Verfassen eines Briefes schlicht und einfach Kosten verursachte, war das in der alt-assyrischen Gesellschaft hufig nicht der Fall. Folglich wurde vieles geschrieben und ver-schickt, was sonst kaum schriftlich festgehalten worden wre. Dieses betrifft besondersDinge des emotionalen menschlichen Miteinanders, die von Larsen besonders beleuchtetwurden. Seine Ausfhrungen stehen in der von ihm beschworenen Tradition Oppenheims,der betonte, da Briefe illuminate both the writer and the adressee as human beings,shed light on their expectations and fears, and on the settings in which they live.2

    Innerhalb der altassyrischen Korrespondenz nehmen diese Briefe auch aus anderenGrnden eine Sonderstellung ein. Denn wenn wir aus Kanes viele Tafeln kennen, die nurAbschriften von Briefen in die Heimat sind, so sind das doch nur solche Briefe, die in derHauptsache direkt, oft nur, mit den reinen Gegebenheiten des Handels zu tun haben unddie somit als Gedchtnissttze und zur Archivierung der eigenen Korrespondenz dienten.Abschriften solcher Briefe wie I 688 sind nicht darunter. Wir wrden viele der aus denHandelsniederlassungen stammenden quivalente finden, wenn eines Tages in den ent-sprechenden Schichten in der Heimatstadt Assur gegraben werden knnte. Wie wir sehenwerden, ist VS XXVI 33 offensichtlich ein Antwortschreiben auf einen solchen Brief, deraus Kanes nach Assur geschickt worden war. In vielen der oben erwhnten Kopien vonBriefen finden wir die Aufforderung von Kaufleuten an die daheim gebliebenen Frauen:

    Guido Kryszat

    Eine Frau mit Namen Zizizi

    Altoriental. Forsch. 34 (2007) 2, 210218

    * Fr Ilse Wegner in dankbarer Erinnerung an die stets freundliche Aufnahme bei meinen Besuchen inBerlin.

    1 Larsen 2001.2 Oppenheim 1967, bes. das Einleitungskapitel Can these bones live?, 5467.

  • Lasse das Haus gut bewacht/bewahrt sein!. Diese Aufforderung meinte nicht etwa nur,da man sozusagen abends die Tr sorgfltig verschliet, sondern bezog sich vor allemauch auf die Geschfte der Firma (das Wort Haus bezeichnet ebenfalls die Familie, be-sonders auch diese als Handelsunternehmen). Auch um dieser Aufforderung nachkom-men zu knnen, mute eine Frau zweifelsohne schreiben und lesen knnen.

    Zu den von Larsen angefhrten Beispielen solch emotional geprgter Briefliteraturzhlt auch I 6883, ein Brief einer sich in einer persnlichen Krise emotional wie materiell befindenden jungen Frau in Assur an ihre Eltern, mglicherweise auch Adoptiveltern, diesich in Anatolien aufhalten. Obwohl in letzter Zeit wiederholt aufgenommen, wurden I 688 und VS XXVI 33 seit der Erstpublikation von I 688 nie wieder miteinander in Verbin-dung gebracht. Schuld daran trgt der stark beschdigte Briefkopf von VS XXVI 33, derbislang nicht korrekt ergnzt werden konnte.4

    I 688 5 Die Vorgeschichte

    Folgend noch einmal der Text, der sozusagen einen Einstieg in das Verhltnis von Ziziziund ihrem Vater/Ziehvater Imdlum gibt. Z. 420 und 2730 sind von Larsen 2001, 283 inUmschrift und bersetzung wiedergegeben.

    Vs. 1 a-na Im-d-DINGIR Istar-ba-s-t q-bi4-maum-ma Zi-zi-zi-maS-du-na a-ha-t

    5 me-ta-at a-ni :A-al-DGma-ri-is.-l a-le-e-maKI ma-ma-an

    10 -l a-ta-w[u] ma-ma-ansa-ba-am -l

    u.K. i-da-namRs. a-bi4 a-ta be-l a-ta

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    3 Larsen 2001, 283f. Publiziert wurde der Text von Hecker Kryszat Matous 1998, 273f.4 Veenhof kannte bei seiner Publikation von VS XXVI 33 den Prager Text I 688 noch nicht und konnte

    die Adressatin von VS XXVI 33, wie wir jetzt wissen identisch mit der Absenderin von I 688, unmg-lich richtig ergnzen. Er schlug damals vor, den Namen in Z. 3 [Ku-z]i-zi zu lesen, da eine Person diesesNamens im Archiv des Kaufmannes Imdlum, dem VS XXVI 33 und I 688 entstammen, wiederholt belegt ist (VS XXVI, S. 20). Eine ebenfalls innerhalb der Texte des Imdlum-Archivs bezeugte PersonSi/ezizi kann trotz des sehr hnlich klingenden Namens nicht mit Zizizi identisch sein, da sie bereits in weitaus frheren Texten der Schicht II auftritt als Zizizi. Die Schreibung fr diese Person ist stets S-zi-zi, die Belege sind: AKT I 62A: 4, 8. B: 6, 10; ICK I 181: 18; ICK II 29 + 55 = Hlle zu ICK II 58und ICK II 68 + 116 = Hlle zu ICK II 69.

    5 Der Doppelpunkt in den Umschriften gibt einen Worttrenner wieder, ein Schrgstrich zeigt an, dadie folgenden Zeichen in der darunter stehenden Zeile stehen.

  • 15 um-m a-tii-na u4-me-emsa t.up-p ta-sa-me-a-nit.up-p-am l-p-ta-mat.up-p-am : a-wa-tim

    20 dam-q-tim l-p-ta-mais-t-en6 i-nas. -ha-ri-k lu-ub-l-mali-bi4-k d-name-na-an s.-ha-ri-k

    25 l ta-l-qo.K. e-na-ni-a li-q-ma

    t.up-p-k li-li-kam-mal.S. li-ba-am d-na[m]

    su-ma e-s. -s t.up-p[-k]30 l i-li-kam a-mu-a-at! (ta)

    13) An Imdlum und Istar-bast, folgendermaen Zizizi: 413) Siduna, meine Schwe-ster, ist tot. Und jetzt ist auch Al-t.ab krank. Ich kann nicht mehr. Mit niemandem kann ichsprechen und niemand gibt mir etwas zur Sttigung. 1422) Du bist doch mein Vater undmein Herr, (und) du bist doch meine Mutter: Am Tage, da ihr meine Tafel hrt, schreibtmir eine Tafel. Schreibt mir eine Tafel mit guten Worten und einer eurer Diener soll sieherbringen! 2330) Erbarme (wenigstens) du dich meiner! Du darfst nicht (nur) das Flehen deiner Diener erhren, erhre (auch) mein Flehen! Deine Tafel soll kommen unddann erbarme dich meiner! Wenn nicht sehr schnell eine Tafel von dir kommt, dann werdeauch ich sterben.

    Kommentar:

    Z. 12: Veenhof 2002, 801a schlgt vor, hier [l]i-ba-am zu lesen und dieselbe Wendung wiein Z. 23 li-bi4-k d-nam anzusetzen. Tatschlich ist die Tafel hier ganz leicht beschdigt,doch schien mir bei der Kollation der Tafel in Prag der Platz nicht ausreichend um aus demsa ein li zu machen, so da ich bei der Lesung der Erstedition bleiben mchte, zumal auchdie hier durchaus passend scheint.

    Z. 14f.: Zizizi spricht die Adressaten hier deutlich als mein Vater und meine Mutteran.

    Z. 15ff.: Der Gebrauch des Zeichens ti hier sowie in Z. 23 und 28 ist auffllig. Das b-lichere wre t. Doch spiegelt sich hier wohl eine innerhalb der Familie weitergegebeneSchreibtradition wieder, s. Kryszat 2004, 30f. bes. Anm. 142.

    Z. 23: Die Phrase libbam nadanum wird in der Regel mit einen Gefallen erweisen wiedergegeben. Doch scheint mir dies hier und auch an anderen Stellen zu schwach, so daich eher eine Wendung wie sich jemandes erbarmen erwarten mchte. Die bersetzungmit dem zustzlichen du soll der Emphase mit dem ungewhnlichen Suffix der 2. Personhinter libbum Rechnung tragen.

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  • Der Text lt vermuten, da Imdlum und Istar-bast sich in Anatolien aufhalten, eine Situation, die sich spter ndern soll. Auch der Fund der Tafel in Kanes weist darauf hin,da es sich wohl um einen aus Assur nach Anatolien geschriebenen Brief handelt. In diesem Schreiben eine Kopie eines nach Assur gesendeten Schreibens zu vermuten,scheint sehr gewagt. Man fragt sich, wer der erkrankte Al-t.ab ist. Die verstorbene Schwester Siduna jedenfalls findet an keiner anderen Stelle des Imdlum-Archivs, immer-hin eines der grten bekannten Archive aus Kanes, Erwhnung.

    Jahre spter VS XXVI 33

    Die letzte Behandlung des Textes findet sich bei Michel 2001, 475 als Nr. 355, siehe dortauch zu lterer Literatur. Ihre Bearbeitung unterscheidet sich von untenstehender vor allem durch ein anderes Verstndnis der ersten 5 Zeilen. Ab Z. 14 fngt scheinbar eine bisdahin noch nicht angesprochene Episode an. Leider ist dieser Teil der Tafel sehr stark zerstrt und die Anzahl der fehlenden Zeichen kann nur annhernd bestimmt werden, soda es sich hier nicht um mehr als einen ersten Versuch handeln kann. Folgend der Textmit bersetzung:

    Vs. 1 [um-ma Im-d]-lm-ma (Ras.: a?-na?)[ Istar-ba]-s-t-ma[a-na Zi-z]i-zi q-bi-mau[m-m-ki] a-bu-ki

    5 -l [:] t-de8-i : i-nu-ma-na mu-tim : A-al-DGa-d-nu-ki-ni : 5 ma-na K.BABBARag-mur (Ras.) is-t A-al-DGmu-ut-ki : i-mu-t--/ni

    10 [n]u-a-um : e-hu-uz-ki-ma[5] ma-na-ma K.BABBAR : a-na[su-m a-ha-z]i-ki[ag-mu-ur-ma ] x-a-am[ -u]m

    (Rest Vs. Anfang Rs. abgebr.)Rs.

    1 [(Spuren nur eines Zeichens)][(x)] x l a a ma : a-na-ku[] me-er--a : i-nae-n-ki : -l k-ab-t-ni

    5 su-ma-m-in4 : a-na-ku me-er--a : i-nae-n-ki! (k) : k-ab-t-ni a-na-ku : ki-mame-er--a-tim -k-\bi-it-ki-m-in4

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  • 10 is-ta-na a-limki a-li-k-nii-bi-s-i : a-mur-masu-m : -l ta-az-ku-riDAM~ : E-na-ma-nim : i-na

    15 [.t]-a : m-nam tal-q-ma[] x du sa mu x [] x-du-um s[a (x)][] is-t-nu-ma

    l.S. [ a-na l] a-wi-lim ta!?(ri)-[s-ku-ni-ma x (x)]20 [l li-bi i-li]-im-ma Istar-ba-[s-t me-ta-at]

    [x x x ] i-na IGI -l : a-bi4-su En-[ma]-ma-[num][me-et x (x)] l ta-sa-ki-ni-ni : ta-ta-[l?-ak?]

    15) [Folgendermaen Imd]lum [und Istar-b]ast [an Ziz]izi: [Deine] M[utter] und deinen Vater hast [d]u doch gar nicht gekannt! 513) Als ich dich dem Al-t.ab zur Gattin gegeben habe, habe ich 5 Minen Silber ausgegeben. Und nachdem Al-t.ab, dein Gatte, ge-storben war, hat dich ein Einheimischer geheiratet und wieder habe ich [5] Mine Silber frdeine [Hochzeit ausgegeben ]. (Rest der Vs. und Beginn der Rs. zerstrt) 19) Ich[und] meine Shne, wir waren in deinen Augen nicht wichtig. Wenn ich und meine Shnein deinen Augen wichtig gewesen wren, dann htte auch ich dich fr wichtig befunden,wie eine echte Tochter. 1013) Nachdem ich zur Stadt (zurck)gegangen war, habe ich(nur) Verluste erfahren und du hast meinen Namen nicht mehr ausgesprochen. 1415)Was hat die Gattin des Ennamanum aus meinem [Haus] genommen/bekommen? 1618)(Sinnvolle bersetzung nicht mglich) 1922) [] hast du zum Nicht-[Mann gemacht.Leider Got]tes [ist] Istar-ba[st tot]. (Auch) E[nna]ma[num] ist in den Augen der Gtter seiner Vter [tot]. Du darfst/wirst mich nicht (zum Nicht-Mann?) machen. Du bist (doch)[fortgegangen]!

    Kommentar:

    Z. 13: Am Ende der Zeilen 1 und 2 findet sich jeweils ein -ma um einen vorhergenann-ten Sprecher zu bezeichnen, das lt fr den Adressaten nur die Z. 3. In den meisten Fllen ist das -ma allerdings nur an den letztgenannten der Sprecher angehngt. Hier jedoch finden sich hinter dem -ma in Z. 1 noch Spuren einer Rasur, wohl a-na. Zusammenmit der Tatsache, da in dem Brief stets nur eine Person, und zwar mit Ausnahme des Genusfehlers in Z. 7 immer nur eine 2. Sg. fem. angesprochen wird, bleibt nur die hier vor-geschlagene Lsung. An der Ergnzung der Namen kann es aufgrund des Kontextes undder Verbindung mit I 688 ebenfalls keinen Zweifel mehr geben. Die bisherige Auffassungdes Briefkopfes Imdlum(-ma) an A(-ma) und B pat nicht zum blichen Gebrauch von-ma in Briefkpfen.

    Z. 4f.: Michel nimmt das erhaltene a-bu-ki grammatisch korrekt als Nom. an, stecktdann jedoch in der Schwierigkeit, das davorstehende nicht auflsen zu knnen, welchesaber das a-bu-ki mit dem davor stehenden verbinden sollte. Damit sollte die vor demWorttrenner in Z. 5 zu erwartende Verbform im Plural stehen, was jedoch nicht der Fall ist.

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  • Daher tendiere ich eher dazu, a-bu-ki nicht als Nom. aufzufassen, sondern wie z. B. in CCTIII 41a, 24f.: a-bu-k a-s-e (wegen meines Silbers) werde ich deinen Vater (fordernd) ansehen. Sollte hier ein hnlicher Fall vorliegen, stellt sich die Frage wer oder was mitdem Vater durch verbunden werden mu. Am Beginn von Z. 5 sind noch Spuren von einem winzigen waagerechten Keil zu sehen, der aber offensichtlich radiert worden ist. Esfolgen die Anfnge von 2 parallelen aber verschobenen Waagerechten, mehr ist nicht zusehen. Ich mchte in diesen Spuren den Anfang von um sehen und in Einklang mit denPlatzverhltnissen zu u[m-m-ki] ergnzen. Da aber keine plurale Verbform vorliegt, kannauch hier bereits nur eine 2. Sg. fem. gemeint sein. Die vorgeschlagene Ergnzung zu -l[][t]-de8-i hast Du nicht gekannt macht Sinn und pat perfekt zu den Zeichenspuren.

    Z. 19 ff.: Die gesamte linke Seite ist aufgrund der starken Zerstrung sinngem nichtzu erfassen. Das einzig sichere scheint die Erwhnung des Namens von Istar-bast zu sein.Grundstzlich bleibt festzuhalten, da unklar ist, wie viele Zeichen zu Beginn der Zeilender linken Seite fehlen, aber 2 bis max. 4 scheinen realistisch. In Z. 19 und 20 fehlen amEnde mindestens 56 Zeichen, in den letzten beiden Zeilen mindestens 2. In Z. 19 gibt esmindestens zwei Mglichkeiten fr eine sinnvolle Ergnzung. Die erste lt das erste Zeichen der Verbform ri stehen und zwingt dann aber zu einer Lesung tal- um so die 2. Sg.fem. zu erhalten. In dem Fall drfte es sich wohl um eine Form von laqaum handeln, wiein Z. 15. Die zweite Mglichkeit, nmlich ta ! statt ri zu lesen, lehnt sich an das vorher-gehende a-wi-lim an und ist inspiriert von der sakanum-Form in der letzten Zeile. DiePhrase jemanden zum ,Nicht-Mann machen ist altassyrisch hufig zu finden und ist einsehr starker Ausdruck, der auch in der Imdlum-Familie Verwendung findet.6 Es scheinenin dieser Wendung verschiedene Nuancen zum Ausdruck zu kommen, alles, was einenfreien Assyrer zu einem awlum macht, wird in dieser Phrase negiert. Aber hufig scheintauch Blamage oder die Annahme von Unzuverlssigkeit der betroffenen Person mitzu-schwingen. Der Versuch der Ergnzung zu ta-ta[-l?-ak?] fut auf dem Eindruck, daImdlum in seinem Schreiben offensichtlich einen Schlustrich in der Beziehung zu Ziziziziehen will: Du bist (doch) fortgegangen (und jetzt lebe damit!). Zizizi ist ja tatschlichnach Anatolien gegangen. Diese Vorschlge sind darum bemht, einen sachlich sinnvollenZusammenhang zu erstellen.

    Inhaltlicher Kommentar zu den Briefen

    Was erfahren wir nun aus VS XXVI 33? Imdlum hat scheinbar Schwierigkeiten, denBriefkopf zu formulieren, das zeigen die beiden Rasuren. Zwei Rasuren in so einem kurzen Abschnitt sind bei den uerst schreibgebten Mitgliedern der Familie auchwenn die Mglichkeit besteht, da Imdlum im Alter nicht mehr selbst geschrieben hat jedenfalls sehr ungewhnlich. Durch die Aussage in Z. 4f. wird deutlich, da dieser Briefdie direkte Antwort auf ein Schreiben ist, welches Zizizi vorher nach Assur geschickt haben mu (wo es wohl immer noch liegt). Es stellt sich weiterhin die Frage, ob der Aus-

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    6 So z. B. in KTS II 43, 42f. i-na e-en6 a-hi-im e[b-ri-im] a-na l a-wi-li-im ta-[s-ku-na-ni] In den Augen von Bruder und F[reund hast] du [mich] zum Nicht-Mann ge[macht]!

  • druck Mutter und Vater hast du doch gar nicht gekannt wrtlich zu nehmen ist. Falls dieAussage jedenfalls nicht wrtlich zu nehmen ist, ist Zizizi wohl als Adoptivtochter desImdlum anzusehen. Auch die Zeilen 39 lassen einen solchen Hintergrund vermuten.Aus Z. 10 f. wird ersichtlich, da Imdlum mittlerweile in die Stadt (Assur) zurckgekehrtist, whrend nun Zizizi in Anatolien weilt die Situation hat sich gegenber I 688 also um-gedreht. Hierdurch und durch die Erwhnungen von 2 Ehen der Zizizi wird klar, da Jahreins Land gegangen sein mssen, seit Zizizi ihren so verzweifelten Brief I 688 verfat hat.Ihr erster Ehemann war Al-t.ab, von dem sie einst schrieb, da auch er krank geworden sei(I 688, 6f.). Er war also der Ehemann von Zizizi, nicht der von Istar-bast, wie bislang an-genommen.7 Diese Annahme kam allerdings nur durch die bisherige Auffassung des Brief-kopfes zustande, die Istar-bast (und Kuzizi) als Adressaten vermuteten. Zizizis zweiterEhemann war ein Anatolier, nach allem was wir bisher wissen war sein Name Anuwa, derbisher entsprechend auch als Gatte von Istar-bast gegolten hatte. Er begegnet uns inner-halb des Archivs noch in LB 1217, 2. 68 und auerdem noch in TPAK I 59, 6. Auch derBrief LB 1217 verdient eine nhere Betrachtung, denn die Absenderin Istar-bast schreibtin dieser Reihenfolge an Anuwa, Puzur-Istar (ein Sohn Imdlums), Istar-bast(!) undAnana, dann spricht sie im folgenden Istar-bast und Anuwa noch einmal gesondert an, soda hier sicher kein Fehler vorliegt. Wir haben also 2 Personen dieses Namens, und eine istdeutlich mit Anuwa verbunden dem zweiten Mann von Zizizi. All dies legt die Ver-mutung nahe, da Zizizi ein Kosename einer jungen Frau war, deren Name eigentlichIstar-bast lautete. Gleiche Namen innerhalb einer Familie sind hufig, Papponymie trittregelmig auf, Homonymie z. B zwischen Onkel und Neffen ebenso. Es gibt keinenGrund anzunehmen, da diese Bruche nicht auch auf die Frauen der altassyrischen Ge-sellschaft angewandt wurden. Wenn (und falls die Stelle ist ja leider abgebrochen)Imdlum in Z. 20 sagt Istar-bast [ist tot] kann sich das entweder auf seine Mitabsenderinbeziehen und die starken Emotionen Imdlums so fr die Rasuren im Briefkopf verant-wortlich sein oder aber es bezieht sich auf seine aus der Verwandtschaft adoptierte Toch-ter, die jetzt fr ihn nicht mehr Istar-bast, wie zu Beginn, sondern nur noch Zizizi ist. Auchbei der Adressatin Istar-bast in TPAK I 59, ein Brief von Ikuppja, eines Vetters vonImdlum, drfte es sich aufgrund der Erwhnung von Anuwa um Zizizi handeln.

    Bei der anderen Istar-bast aber, der m. E. alle anderen Belege zuzuordnen sind, handeltes sich kaum um die Tochter von Imdlum, wie bisher aufgrund der herkmmlichen Auf-fassung von VS XXVI 33 angenommen. Sie schreibt vor allem Briefe an die Shne vonImdlum, das spricht fr ein eher sptes Datum in Imdlums Karriere. Ich gehe davon aus,da es sich bei ihr um die Frau des Imdlum handelt.

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    7 So die beiden greren Studien, die sich bisher mit dem Imdlum-Archiv beschftigt haben, Ichisar1981 und Larsen 1982.

    8 In Umschrift mitgeteilt bei Ichisar 1981, S. 23 als Leiden No. 4.

  • Zur Datierung der Briefe

    Soviel wir wissen, war Imdlum seit dem Eponymat von Sukkallja (KEL 79) in Ana-tolien ttig.9 Seine Aktivitten in Kanes sind bis in das Eponymat von Assur-id (KEL 94)nachzuweisen, dem letzten Regierungsjahr von Sarrum-ken. Dann dauert es 9 Jahre, bisuns im Eponymat von Su-Suen (KEL 103) wieder datierbare Nachrichten von Imdlumerreichen, diesmal aus der Heimat Assur. Es ist das erste Regierungsjahr von Naram-Suenund es handelt sich um ein nur fragmentarisch erhaltenes Schreiben, in welchem der Frst (waklum) von Assur den Karum Kanes ber ein Urteil der Stadt Assur in Kenntnissetzt: Imdlum, der Sohn von Su-Laban, wird einen Anwalt nehmen und zum Karum Kanes schicken . Aus der Regierungszeit von Puzur-Assur II erreichen uns keine Nach-richten von Imdlum oder seinen sonst auch sehr gut bezeugten Brdern, lediglich seineShne sind aktiv. Das allerdings in weitaus bescheidenerem Mae als ihr Vater. I 688 solltealso vor KEL 94 entstanden sein, wahrscheinlich eher gegen Ende von Imdlums Zeit inAnatolien. VS XXVI 33 ist aus Assur geschrieben, dort war er (mit verschiedenen Ab-stechern in das syrische Gebiet) mindestens bis KEL 109, vielleicht lnger. ber das Datum seines Todes wissen wir nichts.

    Auf eine Person mit Namen Zizizi treffen wir in Texten aus Kanes noch dreimal: In AKTI 60A agiert sie als Glubigerin und leiht Anatoliern Silber, in AKT I 72 leiht sie einem Assyrer Geld, beide Urkunden sind undatiert, sprechen aber aufgrund von Archiv-zugehrigkeiten von derselben Person. Schlielich ist da noch die Urkunde TC III 250 ausdem Eponymat von Enna-Suen, Sohn von Iddi-abum, also 27 Jahre nach der letztenNachricht von Imdlum und nur 2 Jahre vor dem Ende der Siedlung der Schicht II desKarum Kanes. Sollte es sich hier tatschlich um dieselbe Zizizi handeln, wre dies dasletzte Lebenszeichen aus der Imdlumfamilie, das bislang bekannt ist.

    Was bleibt?

    Zizizis Vater Imdlum war kein Angehriger einer der fhrenden Familien Assurs, wiesie sich vor allem in der ausfhrlichen Version (= KEL A) der altassyrischen Eponymen-listen identifizieren lassen. Seine Familie tut sich zwar in mehreren Zweigen und Genera-tionen als uerst aktives Element in den Handelsunternehmungen der Assyrer hervor,doch stellt sie niemals einen der Jahreseponymen oder anderen lmu.10 Und so spiegeln dieZeilen von I 688 und VS XXVI 33 in seltener Weise Auszge aus 2 Episoden eines Gene-rationenkonfliktes der altassyrischen Mittelschicht wieder.

    Fr die altassyrische Welt kann nur noch einmal die nicht mehr ganz neue Erkenntnisfestgehalten werden, da in der gesamten lteren und weiteren Geschichte der Keilschrift-kulturen es keine andere Epoche gab, in der so viele Mitglieder einer Gesellschaft schrei-ben und damit auch lesen konnten. Dies war letztendlich der besonderen Form und Situa-

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    9 KEL: K(ltepe) E(ponym) L(ist). Zu den Eponymenlisten s. Veenhof 2003, eine Umschrift von KELA findet sich auf S. 610.

    10 Doch heiratet seine Schwester Taram-Kube den Jahreseponymen Innaja, Sohn von Elal.

  • tion des altassyrischen Fernhandels geschuldet. Diese besondere Schreibfhigkeit trafauch in hohem Mae auf die Frauen der altassyrischen Handelsfamilien zu, die in den meisten Fllen in Assur blieben, whrend die Mnner mit den groen Karawanen durchSyrien nach Anatolien zogen und auch innerhalb Anatoliens lange unterwegs waren.Diese Situation war die Grundlage dafr, da Briefe wie die hier betrachteten berhauptentstehen konnten und uns schlielich so nahe an die Menschen jener Zeit heranfhren,wie das nur mglich ist. Fr den Verfasser dieser Zeilen ist das Ende dieses kleinen Auf-satzes beinahe wie das vorlufige Ende einer Reise, die begann, als er I 688 vor mehr als 10 Jahren in Prag kollationierte und auf der Tontafel sinnend die Fingerabdrcke einerFrau mit Namen Zizizi betrachtete.

    Literatur

    Hecker, K. Kryszat, G. Matous, L., Kappadokische Keilschrifttafeln aus den Sammlungen der Karls-universitt Prag, Prag 1998.

    Kryszat, G., Zur Chronologie der Kaufmannsarchive aus der Schicht 2 des Karum Kanes Studien undMaterialien, OAAS 2, Leiden 2004.

    Ichisar, M., Les Archives Cappadociennes du Marchand Imdilum, Paris 1981.Larsen, M. T., Your Money or your Life! A portrait of an Old Assyrian Businessman, in: Societies and

    Languages of the Ancient Near East, Studies in Honor of I. M. Diakonoff, Warminster, 1982,214245.

    Larsen, M. T., Affect and Emotion, in: Veenhof Anniversary Volume, Studies presented to Klaas R.Veenhof on the Occasion of his sixty-fifth Birthday, PIHANS 89, Leiden 2001, 275286.

    Michel, C., Corrsepondance des Marchands de Kanish, LAPO 19, Paris 2001.Oppenheim, A. L., Letters from Mesopotamia, Chicago 1967.Veenhof, K. R., Notes on a new Volume of Old Assyrian Texts, JAOS 122.4 (2002), 797802.Veenhof, K. R., The Old Assyrian List of Year Eponyms from Karum Kanish and its chronological

    Implications, TTKY VI/64, Ankara 2003.

    Dr. Guido Kryszatc/o Institut fr gyptologie und AltorientalistikFB 07Johannes Gutenberg-Universitt D - 55099 Mainz

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