Kündigung eines Schwerbehinderten durch den Betriebserwerber in der Insolvenz

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Zitiervorschlag: von Roetteken, jurisPR-ArbR 46/2014 Anm. 1 ISSN 1860-1553 juris GmbH, Gutenbergstraße 23, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: [email protected] Der juris PraxisReport sowie die darin veröffentlichten Anmerkungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden. © juris GmbH 2014 Herausgeber: Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D. Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D. 46/2014 Erscheinungsdatum: 19.11.2014 Erscheinungsweise: wöchentlich Bezugspreis: 10,- € monatlich zzgl. MwSt. Inhaltsübersicht: Anm. 1 Voraussetzungen für Anforderungsprofil im öffentlichen Dienst Anmerkung zu BAG, Urteil vom 06.05.2014, 9 AZR 724/12 von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG Anm. 2 Notwendige Durchführung des BEM keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Zurruhesetzungsverfügung Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 05.06.2014, 2 C 22/13 von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG Anm. 3 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei bisheriger Dienststelle Anmerkung zu ArbG Berlin, Urteil vom 01.07.2014, 16 Ga 8789/14 von Christoph J. Burgmer, RA, FA für Arbeitsrecht und FA für Medizinrecht, burgmer rechtsanwälte, Düsseldorf Anm. 4 Kündigung eines Schwerbehinderten durch den Betriebserwerber in der Insolvenz Anmerkung zu BAG, Urteil vom 15.11.2012, 8 AZR 827/11 von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA für Arbeitsrecht, King & Wood Mallesons LLP, Frankfurt am Main / Dr. Johanna Gerstung, RA'in, Allen & Overy LLP, Frankfurt am Main Anm. 5 Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder Anmerkung zu LArbG Hamm, Beschluss vom 23.06.2014, 13 TaBVGa 21/14 von Dr. Martin Wolmerath, RA Anm. 6 Berücksichtigung eines unechten Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung beim Streitwert Anmerkung zu BAG, Beschluss vom 13.08.2014, 2 AZR 871/12 von Werner Ziemann, Vors. RiLArbG

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Zitiervorschlag: von Roetteken, jurisPR-ArbR 46/2014 Anm. 1ISSN 1860-1553

juris GmbH, Gutenbergstraße 23, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: [email protected] juris PraxisReport sowie die darin veröffentlichten Anmerkungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil darf (auch nichtauszugsweise) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden.© juris GmbH 2014

Herausgeber: Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.

46/2014

Erscheinungsdatum:19.11.2014 Erscheinungsweise:wöchentlich Bezugspreis:10,- € monatlichzzgl. MwSt.

Inhaltsübersicht:

Anm. 1 Voraussetzungen für Anforderungsprofil im öffentlichen DienstAnmerkung zu BAG, Urteil vom  06.05.2014, 9 AZR 724/12von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG

Anm. 2 Notwendige Durchführung des BEM keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungfür eine ZurruhesetzungsverfügungAnmerkung zu BVerwG, Urteil vom  05.06.2014, 2 C 22/13von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG

Anm. 3 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei bisherigerDienststelleAnmerkung zu ArbG Berlin, Urteil vom  01.07.2014, 16 Ga 8789/14von Christoph J. Burgmer, RA, FA für Arbeitsrecht und FA für Medizinrecht, burgmerrechtsanwälte, Düsseldorf

Anm. 4 Kündigung eines Schwerbehinderten durch den Betriebserwerber in derInsolvenzAnmerkung zu BAG, Urteil vom  15.11.2012, 8 AZR 827/11von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA für Arbeitsrecht, King & Wood Mallesons LLP,Frankfurt am Main / Dr. Johanna Gerstung, RA'in, Allen & Overy LLP, Frankfurt am Main

Anm. 5 Kündigungsschutz für BetriebsratsmitgliederAnmerkung zu LArbG Hamm, Beschluss vom  23.06.2014, 13 TaBVGa 21/14von Dr. Martin Wolmerath, RA

Anm. 6 Berücksichtigung eines unechten Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigungbeim StreitwertAnmerkung zu BAG, Beschluss vom  13.08.2014, 2 AZR 871/12von Werner Ziemann, Vors. RiLArbG

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Voraussetzungen für Anforderungsprofilim öffentlichen Dienst

Leitsätze:

1. Der Arbeitgeber des öffentlichen Diensteshat im Konkurrentenklageverfahren sach-lich nachvollziehbar darzulegen, dass seineFestlegung des Anforderungsprofils den An-forderungen der zu besetzenden Stelle ent-spricht und den gestellten Anforderungenkeine sachfremden Erwägungen zugrundeliegen.

2. Er genügt seiner Darlegungslast zum ge-stellten Anforderungsprofil nicht dadurch,dass er auf die in der Ausschreibung genann-te Vergütungs-/Entgeltgruppe verweist. Al-lein aus der angestrebten Eingruppierungkann nicht der Schluss gezogen werden, diezu besetzende Stelle erfordere tatsächlichsämtliche für die angestrebte Eingruppie-rung notwendigen Merkmale.

Anmerkung zu BAG, Urteil vom  06.05.2014,9 AZR 724/12von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG

A. Problemstellung

Der Neunte Senat des BAG hatte über das Be-gehren eines Stellenbewerbers im öffentlichenDienst zu entscheiden, trotz mangelnder Erfül-lung des ausgeschriebenen Anforderungsprofilsin das Auswahlverfahren einbezogen zu wer-den.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war Diplom-Ingenieur (FH) der Fach-richtung Architektur und in der Entgeltgrup-pe E 12 (TVöD/VKA) im Bereich Gebäudewirt-schaft der Beklagten beschäftigt. Diese beab-sichtigte die Besetzung der Stelle eines Inge-nieurs bzw. einer Ingenieurin im gleichen Ar-beitsbereich in der Abteilung Objektmanage-ment und der Aufgabe, die Stellvertretung derSachgebietsleitung zu übernehmen. Die Stel-le sollte nach der EG 13 bzw. der Besoldungs-gruppe A 13, höherer Dienst, eingruppiert wer-den. In der Ausschreibung wurde unter anderemein abgeschlossenes Studium einer Universität

bzw. Technischen Hochschule in der Fachrich-tung Architektur oder Bauingenieurwesen ver-langt. Der frühere Stelleninhaber besaß ledig-lich einen Fachhochschulabschluss. Die Beklag-te lehnte die Einbeziehung des Klägers in dasAuswahlverfahren mangels Erfüllung des Anfor-derungsprofils ab und wurde darin sowohl vomArbeitsgericht wie auch vom Landesarbeitsge-richt bestätigt. Die Revision des Klägers hatteErfolg.

Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechunggeht das BAG davon aus, ein Arbeitgeber imöffentlichen Dienst dürfe für die Besetzung ei-ner Stelle ein arbeitsplatzspezifisches Anforde-rungsprofil aufstellen und auf diese Weise dieMöglichkeiten eines Zugangs zum entsprechen-den öffentlichen Amt einschränken. Dement-sprechend darf der Arbeitgeber solche Bewer-ber vom Zugang und damit vom weiteren Aus-wahlverfahren ausschließen, die das Anforde-rungsprofil – in seinen zwingenden Merkmalen– nicht erfüllen.

Das jeweilige Anforderungsprofil unterliegt al-lerdings nach Auffassung des BAG ungeach-tet des Beurteilungsspielraums – richtigerwei-se wohl des Organisationsermessens – einer ge-richtlichen Kontrolle mit der Konsequenz, dassein fehlerhaftes Anforderungsprofil zur Fehler-haftigkeit der darauf gestützten Auswahlent-scheidung führt. Inhaltlich verlangt das BAG,das Anforderungsprofil müsse bezogen auf dieAnforderungen der zu besetzenden Stelle sach-lich nachvollziehbar sein. Es dürften keine sach-fremden Erwägungen angestellt worden sein.

Nimmt der Arbeitgeber zur Rechtfertigung desAnforderungsprofils lediglich Bezug auf die be-absichtigte Eingruppierung und dort vorgesehe-nen Bildungsvoraussetzungen, genügt das füreine nachvollziehbare Begründung eines ent-sprechenden Merkmals nicht. Für den konkre-ten Fall verneint das BAG die Notwendigkeiteiner wissenschaftlichen Hochschulausbildungfür die Wahrnehmung der ausgeschriebenenStelle. Der Verweis auf die Eingruppierungs-voraussetzungen sei schon deshalb fehlerhaft,weil die Eingruppierung der Stellenbesetzungim Hinblick auf die auf der Stelle wahrzuneh-menden Tätigkeiten nachfolge.

Den Wunsch des Arbeitgebers, durch das forma-le Kriterium eines wissenschaftlichen Studiumsals Zugangsvoraussetzung das Auswahlverfah-

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ren zu vereinfachen, hält das BAG für unbeacht-lich, weil diesem Aspekt jeder Bezug zu dentatsächlichen Anforderungen der zu besetzen-den Stelle fehle, und die Vereinfachung des Aus-wahlverfahrens kein Selbstzweck sei, sondernsich ebenfalls an Art. 33 Abs. 2 GG messen las-sen müsse. Art. 33 Abs. 2 GG gewähre dem Ar-beitgeber nicht das Recht, ohne nachvollziehba-re Gründe eine Stelle mit überqualifizierten Be-werbern bzw. Bewerberinnen zu besetzen.

Der Hinweis des Arbeitgebers auf die Mög-lichkeit eines flexibleren Personaleinsatzes vonMitarbeiter/innen mit wissenschaftlichem Hoch-schulabschluss sei vorliegend schon deshalbunbeachtlich, weil schon nicht dargelegt sei,dass eine solche Flexibilität für die ausgeschrie-bene Stelle tatsächlich möglich sei, wie sie aus-sehen solle, und warum die angestrebte Flexibi-lität konkret eine wissenschaftliche Hochschul-ausbildung erfordere. Im Übrigen lässt das BAGoffen, ob die Möglichkeit eines flexibleren Perso-naleinsatzes aufgrund einer wissenschaftlichenHochschulausbildung ein entsprechendes Merk-mal im Anforderungsprofil sachlich rechtferti-gen könne.

C. Kontext der Entscheidung

Das Urteil des BAG stellt eine konsequenteFortentwicklung der bisherigen Rechtsprechungdar, rückt allerdings den Aspekt stärker in denVordergrund, dass Anforderungsprofile unge-achtet ihrer verfassungsrechtlichen Zulässig-keit ihrerseits einer – eingeschränkten – gericht-lichen Kontrolle unterliegen. Dies ergibt sich un-mittelbar aus Art. 25 lit. c des InternationalenPakts über bürgerliche und politische Rechte(BGBl II 1973, 1523), weil danach das allgemei-ne und gleiche Recht auf Zugang zu öffentli-chen Ämtern ohne unangemessene Einschrän-kungen zu gewährleisten ist. Daraus folgt bun-desgesetzlich, dass nur angemessene Anforde-rungen den Zugang beschränken dürfen. Ange-messen kann eine Anforderung nur sein, die ineinem sachlich nachvollziehbaren Zusammen-hang mit den auf dem entsprechenden öffent-lichen Arbeitsplatz zu verrichtenden Aufgabensteht und sich darüber rechtfertigt. Was sichdanach nicht rechtfertigen lässt, kann nicht In-halt der zwingenden Merkmale eines Anforde-rungsprofils werden. Aspekte, die lediglich diePersonalauswahl vereinfachen sollen oder ei-ne nicht näher begründete Qualifikationsbevor-ratung betreiben wollen, müssen deshalb für

die Entwicklung eines Anforderungsprofils un-berücksichtigt bleiben.

Für den Arbeitgeber des vom BAG entschie-denen Verfahrens ergab sich dies im Übrigenauch aus § 8 Abs. 5 LGG NRW. Danach hat sichdie Ausschreibung ausschließlich an Anforde-rungen der zu besetzenden Arbeitsplatzes aus-zurichten. Folglich dürfen andere Anforderun-gen schon kein Gegenstand der Ausschreibungwerden, müssen also auch im darauf aufbau-enden Auswahlverfahren unberücksichtigt blei-ben.

Eine gewisse Abweichung von der bisherigenRechtsprechung des Neunten Senats liegt indem Umstand, dass sich aus den Merkmaleneiner Entgeltgruppe kein Anforderungsprofil er-geben kann, da die Eingruppierung eine Fol-ge der übertragenen Tätigkeiten auf einem be-stimmten Arbeitsplatz ist, aber nur die entspre-chenden Tätigkeiten maßstabbildend für dasAnforderungsprofil sein können. Die Ausführun-gen im Urteil des BAG vom 21.01.2003 (9 AZR72/02 - ZTR 2003, 463, 464) lassen sich auchdahin verstehen, dass die in den Merkmaleneiner Entgeltgruppe genannten Anforderungenein Anforderungsprofil darstellen können. Dasgilt richtigerweise nur dann, wenn diese An-forderungen nachvollziehbar und angemessensind.

Das BAG setzt sich nicht mit der These desBVerwG auseinander, wonach jedenfalls für denZugang von Beamtinnen und Beamten zu ei-nem öffentlichen Amt auf das angestrebte sta-tusrechtliche Amt abzustellen und eine Ausrich-tung auf die besonderen Anforderungen einesbestimmten Dienstpostens grundsätzlich unzu-lässig sei (BVerwG, Beschl.  v. 20.06.2013 - 2VR 1.13 - ZBR 2013, 376, 378  f. Rn.  24  ff.).Maßgebend für diese – neue – Sichtweise desBVerwG ist aus seiner Sicht das Laufbahnprinzip(Rn. 28 des genannten Beschlusses). Da es fürdie Besetzung von Stellen mit Arbeitnehmernbzw. Arbeitnehmerinnen nicht gilt, konnte sichdas BAG eine Auseinandersetzung mit diesemAspekt ersparen. Im Falle einer statusgruppen-übergreifenden Auswahl wird es der Auseinan-dersetzung jedoch nicht ausweichen können.

Dabei wird allerdings zu berücksichtigen sein,dass der Verweis auf laufbahnrechtliche Anfor-derungen für ein bestimmtes Statusamt und da-mit auch auf ein bestimmtes Bildungsniveau

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seinerseits einer gerichtlichen Kontrolle auf ih-re Angemessenheit und Nachvollziehbarkeit un-terliegt, auch wenn dies in der Rechtsprechungdes BVerwG bisher nicht thematisiert wurde.Aus §  18 Satz 1 BBesG und entsprechendemLandesbesoldungsrecht ergibt sich in Konkreti-sierung von Art.  33 Abs.  5 GG das Gebot derfunktionsgerechten Besoldung, das seinen Aus-gang ebenfalls bei den jeweiligen Aufgaben ei-nes Dienstpostens nimmt, daraus die nötigenAnforderungen ableitet und diese sachgerechtunter Zuordnung zu einem Amt (Besoldungs-gruppe) bewertet. Soweit diese Vorgehenswei-se beachtet und ggf. auf ihre Angemessenheithinsichtlich der zugangsbeschränkenden Wir-kungen kontrolliert wird, lassen sich ähnlicheResultate wie vorliegend vom BAG gewonnenerzielen. Verfehlt wäre es dagegen, ungeprüftdas jeweilige statusrechtliche Amt zum Aus-gangspunkt der zulässigen Anforderungen zunehmen, ohne die Rückfrage zu stellen, ob die-se Anforderungen für die auf dem Arbeitsplatzwahrzunehmenden Aufgaben als sachgerechtund angemessen eingestuft werden können.

D. Auswirkungen für die Praxis

Öffentliche Arbeitgeber werden stärker daraufachten müssen, ausgehend von den konkretenAufgaben eines zu besetzenden Arbeitsplatzesnur die dieser Aufgabenwahrnehmung vernünf-tigerweise korrespondierenden Anforderungenpersönlicher und fachlicher Art zum Gegenstandeines Anforderungsprofils bzw. einer Ausschrei-bung zu machen, soweit es um die Aufstel-lung zwingender Merkmale eines solchen Pro-fils geht, deren Verfehlung zum Ausschluss ausdem Auswahlverfahren führen muss. Insoweitempfiehlt sich auch eine entsprechende Do-kumentation, um besser den Nachweis führenzu können, dass keine sachfremden Erwägun-gen eingeflossen sind. Soweit ein künftiger fle-xibler Personaleinsatz erleichtertet werden soll,bedürfen die damit zusammenhängenden wei-teren Anforderungen ihrerseits einer nachvoll-ziehbaren Begründung. Das schließt die Dar-legung ein, welche anderweitigen Einsatzmög-lichkeiten überhaupt in Betracht kommen kön-nen, und ob die konkrete Anforderung auch ge-eignet ist, die entsprechende anderweitige Ein-satzmöglichkeit zu ermöglichen oder doch zuerleichtern. Diese Einschränkung ist auch imHinblick auf § 6 Abs. 3 BGleiG zu beachten, deres gestattet, im Bereich der Bundesverwaltungneben den arbeitsplatzspezifischen Anforderun-

gen auch auf das Anforderungs- oder Qualifi-kationsprofil einer Laufbahn bzw. eines Funkti-onsbereichs abzustellen. Diese Regelung setztausdrücklich voraus, dass eine solche zusätz-liche Beschränkung der Zugangsmöglichkeitenim Hinblick auf mögliche künftige Funktionender Bewerber/innen erfolgt. Derartige Möglich-keiten müssen nachvollziehbar vor der Aus-schreibung aufgezeigt worden sein, um daraufgestützt entsprechende Anforderungen stellenzu dürfen.

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Notwendige Durchführung des BEM keineRechtmäßigkeitsvoraussetzung für eineZurruhesetzungsverfügung

Leitsätze:

1. Die Verpflichtung, ein betriebliches Ein-gliederungsmanagement anzubieten (§  84Abs.  2 Satz 1 SGB  IX), gilt auch bei Be-amten. Die Durchführung des betrieblichenEingliederungsmanagements ist aber keineRechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Ver-setzung eines Beamten in den Ruhestandwegen dauernder Dienstunfähigkeit.

2. In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeitenstehen das betriebliche Eingliederungsma-nagement und das Zurruhesetzungsverfah-ren in einem zeitlich gestaffelten Stufenver-hältnis. Ist ein betriebliches Eingliederungs-management ordnungsgemäß, aber erfolg-los durchgeführt worden, liegen regelmäßighinreichende Anhaltspunkte für eine an denBeamten gerichtete Weisung vor, sich aufeine mögliche Dienstunfähigkeit ärztlich un-tersuchen zu lassen.

Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom  05.06.2014,2 C 22/13von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG

A. Problemstellung

Der 2. Senat des BVerwG hatte sich aufgrundder von ihm selbst zugelassenen Revision mitder Frage zu befassen, welche Folgen die unter-bliebene Durchführung eines betrieblichen Ein-gliederungsmanagements (BEM) auf die Verset-zung eines Beamten bzw. einer Beamtin in denRuhestand wegen Dienstunfähigkeit hat. Die

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zweitinstanzlichen Verwaltungsgerichte hattendurchweg negative Auswirkungen auf den Zur-ruhesetzungsbescheid verneint (vgl. von Roet-teken, jurisPR-ArbR 37/2012 Anm. 5), sodass in-soweit ein Klärungsbedarf durch das BVerwG of-fensichtlich war.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das BVerwG geht zunächst davon aus, dass dieVerpflichtung aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, ei-nem Beamten bzw. einer Beamtin bei Vorliegender tatbestandlichen Voraussetzungen ein BEManzubieten, auch für die Angehörigen dieserStatusgruppe gilt. Das war in der obergerichtli-chen Rechtsprechung angezweifelt worden. Der2. Senat schließt sich damit der vom 6. Senatdes BVerwG in der personalvertretungsrecht-lichen Rechtsprechung angenommenen Ausle-gung des § 84 Abs. 2 SGB IX an (BVerwG, Be-schl. v. 04.09.2012 - 6 P 5.11 - ZTR 2013, 103,104 Rn.  12). Gleichzeitig nimmt der 2. Senatdes BVerwG an, dass § 84 Abs. 2 SGB IX auchfür nicht behinderte Beschäftigte gilt. Insoweitschließt sich das BVerwG der Auslegung desBAG (Urt. v. 12.07.2007 - 2 AZR 716/06 - ZTR2008, 273, 274 Rn. 35) an.

Zur Rechtfertigung dieser Auslegung beziehtsich der 2. Senat des BVerwG insbesonde-re auf das von ihm angenommene zeitlicheStufenverhältnis der Vorschriften zum Ange-bot und Durchführung eines BEM im Verhält-nis zu den beamtenrechtlichen Regelungen zurDienstunfähigkeit und ihren Folgen (§§  44  ff.BBG, §§  26  f. BeamtStG und entsprechendesLandesrecht). Danach greift der Mechanismusdes BEM oftmals früher ein als das dienstrecht-liche Instrumentarium, wofür beispielhaft auf§  44 Abs.  1 Satz 2 BBG verwiesen wird. Zu-dem seien die sich aus dem BEM ergebendenReaktionsmöglichkeiten nicht auf den auf dasabstrakt funktionelle Amt bezogenen Dienst-unfähigkeitsbegriff ausgerichtet, sondern ziel-ten auf eine Analyse der bestehenden Arbeits-bedingungen im Hinblick auf die gesundheitli-chen Einschränkungen der/s Beschäftigten, umMöglichkeiten einer leidensgerechten Anpas-sung des bestehenden Arbeitsplatzes auszulo-ten. Bezugspunkt der Dienstunfähigkeit ist fürdas BVerwG dagegen das jeweilige abstrakt-funktionelle Amt.

Könne der durch §  84 Abs.  2 SGB  IX vorge-gebene Suchprozess keine alternativen Weiter-

beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen, lägenregelmäßig ausreichende tatsächliche Anhalts-punkte für die ernsthafte Besorgnis der Dienst-unfähigkeit vor. Dann schließe sich das dienst-rechtliche Verfahren einer Prüfung der Zurru-hesetzung an das erfolglose BEM an. Insge-samt sieht das BVerwG im BEM eine Konkretisie-rung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht,mit dem ein gesetzlich verankertes Frühwarn-system etabliert wird. Könne damit keine Ver-besserung erzielt werden, schließe sich dasdienstrechtliche Verfahren mit seinem Instru-mentarium insbesondere in Gestalt von §  44Abs. 6 BBG an.

Das Angebot und die Durchführung eines BEMstellen ungeachtet dessen nach Auffassung desBVerwG keine Voraussetzung für die Rechtmä-ßigkeit einer Zurruhesetzungsverfügung dar.Das soll sich schon daraus ergeben, dass § 84Abs. 2 SGB  IX im Unterschied zu § 85 SGB  IXdie Rechtsfolge seiner mangelnden Beachtungnicht regele. So führe die Nichtbeachtung des§ 84 Abs. 2 SGB  IX nach Auffassung des BAGallein noch nicht zur Unwirksamkeit der Kün-digung eines Arbeitsverhältnisses. Im Weite-ren referiert das BVerwG die Rechtsprechungdes BAG, wonach die Nichtbeachtung von § 84Abs. 2 SGB IX – nur – zu einer Verschiebung derDarlegungs- und Beweislastverteilung in einemauf die Kündigung bezogenen Gerichtsverfah-ren führe. Das muss für das öffentliche Dienst-recht nach Auffassung des BVerwG erst rechtgelten. Die Annahme einer zwingenden Rechts-widrigkeit der Zurruhesetzungsverfügung beimangelnder Beachtung von § 84 Abs. 2 SGB IXsei mit dem Regelungssystem des BBG nicht inEinklang zu bringen. Die in § 44 Abs. 1 Satz 1BBG angeordnete Rechtsfolge stehe nicht un-ter dem Vorbehalt, dass zuvor ein BEM durch-geführt worden ist. Stehe die Dienstunfähigkeitfest und sei auch keine anderweitige Verwen-dung mehr möglich, sei für die Durchführungdes BEM kein Raum mehr. Des Weiteren sei diein § 84 Abs. 2 SGB IX enthaltene Verpflichtungkein Bestandteil des auf den Erlass einer Zurru-hesetzungsverfügung gerichteten Verwaltungs-verfahrens i.S.d. § 9 VwVfG. Das in § 84 Abs. 2SGB IX vorgesehene Verfahren sei im Verhältniszum Zurruhesetzungsverfahren ein eigenstän-diges Verfahren. Beide Verfahren seien nichtmiteinander rechtlich verknüpft.

Das soll insbesondere für die Einleitung des Ver-fahrens gelten, da bereits die Anordnung der

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ärztlichen Untersuchung zur Prüfung der Dienst-fähigkeit substanzielle Zweifel an der dau-ernden Dienstfähigkeit der/s Betroffenen vor-aussetze. Diese liegen nach Auffassung desBVerwG jedenfalls dann vor, wenn ein BEM-Ver-fahren erfolglos durchgeführt wurde.

Soweit bei der vom Verwaltungsgericht vorzu-nehmenden Prüfung einer anderweitigen Ver-wendungsmöglichkeit i.S.d. §  44 Abs.  1 Satz3 BBG (§  26 Abs.  2, 3 BeamtStG) die Anfor-derungen an eine schlüssige Darlegung desDienstherrn über das Fehlen solcher Verwen-dungsmöglichkeiten nicht im entsprechendenSinn abgeschlossen werden könne, gingen ver-bleibende Zweifel zulasten des Dienstherrn.Allerdings entlaste es den Dienstherrn, wennein durchgeführtes BEM keine alternativen Be-schäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt habe.

C. Kontext der Entscheidung

Das Urteil des BVerwG liegt im Wesentli-chen auf der Linie der bisherigen Rechtspre-chung der zweitinstanzlichen Verwaltungsge-richte (zur vereinzelt gebliebenen Gegenauffas-sung vgl. VG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.03.2014- 9 K 3892/11.F Rn. 33 f.). Im Unterschied zurRechtsprechung der Oberverwaltungsgerichtegeht das BVerwG allerdings eindeutig davonaus, dass § 84 Abs. 2 SGB IX neben den dienst-rechtlichen Regelungen zum Verfahren bei Ver-setzungen in den Ruhestand wegen Dienstfä-higkeit anzuwenden ist. Insoweit ist eine Klä-rung eingetreten, die bisher trotz der an sicheindeutigen Rechtsprechung des 6. Senats desBVerwG noch nicht allgemein anerkannt war.

Die Frage nach dem Verhältnis von § 84 Abs. 2SGB  IX zu den dienstrechtlichen Bestimmun-gen über die Voraussetzungen und das Verfah-ren einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähig-keit beantwortet das BVerwG im Sinne der bis-herigen obergerichtlichen Rechtsprechung (zurvereinzelt gebliebenen Gegenauffassung vgl.VG Frankfurt a.M., Urt.  v. 28.03.2014 - 9 K3892/11.F; von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361;Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl.,§ 84 Rn. 71). Danach bleibt die mangelnde Be-achtung des § 84 Abs. 2 SGB IX verfahrensrecht-lich ohne Folgen für das Zurruhesetzungsver-fahren, da die gleichwohl erlassene Zurruheset-zungsverfügung allein deshalb nicht rechtswid-

rig ist, also aus diesem Grund nicht der gericht-lichen Kassation verfällt.

Soweit das BVerwG für seine Auffassung aufdie mangelnde Regelung der Rechtsfolge ei-nes Verstoßes gegen §  84 Abs.  2 SGB  IX hin-weist und dafür auf die aus seiner Sicht ab-weichende Regelung des § 85 SGB IX verweist,greift die Argumentation zur kurz. Welche Fol-gen die fehlende Zustimmung des Integrati-onsamtes zu einer Arbeitgeberkündigung hat,ist weder in §  85 SGB  IX noch an andererStelle geregelt, sondern Ergebnis einer Ausle-gung des Vorbehalts der vorherigen Zustim-mung. Eine klare Rechtsfolgenregelung enthal-ten insoweit lediglich §  102 Abs.  1 Satz 3BetrVG, §§  79 Abs.  4, 108 Abs.  2 BPersVG.Vergleichbare Regelungen für die Beendigungöffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse fehlen,was das BVerwG allerdings nicht gehindert hat,aus dem Erfordernis einer vor der Beendigungdurchzuführenden Beteiligungsverfahrens aufdie Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit der ent-sprechenden Beendigungsmaßnahme zu schlie-ßen, wenn das entsprechende Beteiligungs-verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführtworden war (st. Rspr. seit BVerwG, Urt.  v.01.12.1982 - 2 C 59.81 - ZBR 1983, 189; vonRoetteken in von Roetteken/Rothländer, Beam-tStG, §  23 Rn.  457, m.w.N.). Es ist daher inder bisherigen Rechtsprechung des 2. Senatsdes BVerwG kein allgemeiner Grundsatz dahinaufgestellt worden, dass die gesetzliche Vorga-be zur Einhaltung eines bestimmten Verfahrenshinsichtlich der Auswirkungen seiner mangeln-den Beachtung stets eine konkrete Rechtsfol-genregelung für ein anderes Verfahren voraus-setzt.

Soweit aus §  85 SGB  IX im Hinblick auf dasErfordernis einer vorherigen Zustimmung desIntegrationsamtes abzuleiten ist, dass einenachträgliche Zustimmung wirkungslos bleibenmuss, hätte sich das BVerwG die Frage vorle-gen müssen, ob nicht aufgrund der zeitlichenund sachlichen Voraussetzungen für die Ein-leitung und Durchführung eines BEM herzulei-ten ist, dass dieses Verfahren dem Zurruheset-zungsverfahren zwingend vorausgehen muss.Der 2. Senat des BVerwG gesteht dies jeden-falls für die Mehrzahl der Fallgestaltungen zuund geht insoweit zutreffend von einem stu-figen Verhältnis des BEM (als zuerst einzulei-tendem Verfahren) im Verhältnis zum Zurruhe-setzungsverfahren aus. Dann aber hätte sich

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das BVerwG die Frage stellen müssen, ob sichnicht aus der von ihm angenommenen Zuord-nung des § 84 Abs. 2 SGB IX zur Fürsorgepflichtauch ein entsprechendes Recht der/s Betroffe-nen auf die vorrangige Einleitung und ggf. auchdie Durchführung eines BEM ergibt, da §  84Abs. 2 SGB IX nicht nur eine objektivrechtlicheVerfahrensnorm darstellt (ebenso unter Bezugauf Art. 5 RL 2000/78/EG und die jüngere Rspr.des EuGH zum Behindertenbegriff VG Frankfurta.M.; von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361). Indiesem Fall wäre aus § 84 Abs. 2 SGB IX zumin-dest die Nebenpflicht abzuleiten, mit der Einlei-tung und Durchführung eines Zurruhesetzungs-verfahrens zu warten, bis entweder das BEMdurchgeführt oder ein entsprechendes Angebotdes Dienstherrn abgelehnt worden ist (von Ro-etteken, a.a.O.; Düwell in: Dau/Düwell/Joussen,SGB IX, § 84 Rn. 71).

Die Auffassung des BVerwG zum Stellenwertdes BEM steht allerdings in Übereinstimmungmit der Rechtsprechung des BAG, die vomBVerwG sachlich zutreffend referiert wird. Aller-dings leidet die Auffassung des BAG hinsicht-lich der mangelnden Folgen eines unterlasse-nen BEM auf eine Arbeitgeberkündigung unterden gleichen Mängeln, da auch insoweit igno-riert wird, dass der Arbeitgeber im Falle einerkrankheitsbedingten Kündigung vor Aussprucheiner solchen Kündigung vorrangig seine Ver-pflichtungen aus § 84 Abs. 2 SGB IX zu erfüllenhat und darauf auch ein individueller Anspruchbesteht. Stattdessen wird die Problematik überdie Verschiebung der Darlegungs- und Beweis-last auf den Arbeitgeber gelöst. Das entwertetdie Bedeutung des BEM erheblich und hat in derbisherigen Praxis dazu geführt, dass § 84 Abs. 2SGB IX meist folgenlos ignoriert werden kann.

Das BVerwG übernimmt den Ansatz des BAGund macht dem Dienstherrn lediglich deutlich,welche Vorteile er aus einem durchgeführtenBEM erlangen kann, nämlich die Klärung derZweifel an dauernden Dienstunfähigkeit undden Ausschluss anderweitiger Beschäftigungs-möglichkeiten.

Soweit das BVerwG den Bezugspunkt des BEMnur im konkreten Arbeitsplatz der/s Betroffenensieht, während die Beurteilung der Dienstunfä-higkeit auf den Bereich des abstrakt-funktionel-len Amtes und damit auf eine größere Zahl vonTätigkeiten bezogen sei, scheint diese Ausle-gung unmittelbar dem Wortlaut des § 84 Abs. 2

Satz 1 SGB  IX zu entsprechen, da dort aus-drücklich von der Erhaltung des Arbeitsplatzesdie Rede ist. Eine derartige Verkürzung wird je-doch dem Zweck der Regelung in keiner Wei-se gerecht, wie die Regelung in §  84 Abs.  1SGB IX zeigt. Es geht auch in § 84 Abs. 2 SGB IXum den Erhalt des Beschäftigungsverhältnissesselbst, nicht um die leidensgerechte Anpassungdes bisherigen Arbeitsplatzes (Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 84 Rn. 32; von Roet-teken, ZBR 2013, 325; 361).

Unbehandelt bleibt im Urteil des BVerwG, dasssich § 84 Abs. 2 SGB IX jedenfalls für einen Teildes davon erfassten Personenkreises als Teil-umsetzung von Art. 5 RL 2000/78/EG darstellt(von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361, m.w.N.).Insoweit hat der EuGH mehrfach entscheiden,dass eine Beendigung eines Beschäftigungsver-hältnisses dann gegen die RL 2000/78/EG ver-stößt, wenn gegenüber einem Menschen mit ei-ner Behinderung nicht zuvor die Verpflichtun-gen aus Art. 5 RL 2000/78/EG erfüllt worden sind(zuletzt EuGH, Urt.  v. 11.04.2013 - C-335/11u.a. - ZBR 2013, 341, 344 Rn. 67 „Ring u.a.“).Da der Kläger des vom BVerwG entschiedenenVerfahrens mehr als ein Jahr dienstunfähig er-krankt war, bevor er in den Ruhestand versetztworden war, hätte sich einerseits die Frage ge-stellt, ob er dem Schutzbereich der RL 2000/78/EG unterfällt, anderseits die Frage, in welchemAusmaß die Erfüllung der in Art. 5 RL 2000/78/EG geregelten Pflichten in ihrer Ausgestaltungdurch § 84 Abs. 2 SGB IX eine zwingende Vor-aussetzung für die Beendigung des Dienstver-hältnisses darstellen. Das BVerwG hat sich we-der die entsprechenden Fragen gestellt, noch –insoweit folgerichtig – erwogen, ob insoweit ei-ne Vorlage an den EuGH entsprechend Art. 267AEUV geboten war.

Die gleichen Fragen stellen sich in Bezug aufArt. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 27 UN-BRK.

D. Auswirkungen für die Praxis

In der Praxis wird damit zu rechnen sein, dassmangelnde Beachtung der sich aus § 84 Abs. 2SGB  IX ergebenden Verpflichtungen nach wievor überwiegend folgenlos bleiben wird, soweites um Maßnahmen zur Beendigung des Be-schäftigungsverhältnisses geht. Für Entlassun-gen macht dies das Urteil des OVG Münstervom 07.01.2013 (6 A 2371/11 - DÖD 2013, 126)deutlich. Nicht geklärt ist, in welchem Umfang

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jurisPR-ArbR 46/2014

sich das BVerwG der vom OVG Münster im An-schluss an den BGH (Urt.  v. 20.12.2006 - RiZ(R) 2/06 - NVwZ-RR 2007, 328) vertretenen Auf-fassung anschließt, dass eine im Ermessen ste-hende Entlassung wegen mangelnder Bewäh-rung aus gesundheitlichen Gründen ermessens-fehlerhaft sein kann, wenn zuvor die Anforde-rungen des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht beachtetwurden.

Unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob eineEntscheidung des Dienstherrn, wegen längererkrankheitsbedingter Dienstunfähigkeit auf einedauernde Dienstunfähigkeit zu schließen, wie in§ 44 Abs. 1 Satz 2 BBG bzw. § 26 Abs. 1 Satz2 BeamtStG vorgesehen, fehlerhaft ist, wennihr kein Angebot eines BEM und im Fall derZustimmung der/s Betroffenen dessen Durch-führung vorausgegangen ist. Da die Entschei-dungen nach §  44 Abs.  1 Satz 2 BBG bzw.§  26 Abs.  1 Satz 2 BeamtStG in der Ermes-sen des Dienstherrn gestellt sind, spricht vie-les dafür, dass derartige Tatbestandsfeststel-lungen ermessensfehlerhaft sind, wenn §  84Abs. 2 SGB IX unbeachtet geblieben ist.

Unbeantwortet ist ferner die Frage, welche Aus-wirkungen die mangelnde Beachtung von § 84Abs. 2 SGB IX auf die im Ermessen stehendenEntscheidungen des Dienstherrn zur anderwei-tigen Verwendung entsprechend §  26 Abs.  1Satz 3, Abs. 2, 3 BeamtStG hat, ob derartige Ent-scheidung ggf. ermessensfehlerhaft sind, wiedies in der Rechtsprechung des BVerwG für diemangelnde Beachtung von § 95 Abs. 2 Satz 1SGB IX angenommen wird (vgl. zu § 95 Abs. 2SGB  IX BVerwG, Urt. v. 21.06.2007 - 2 A 6.06- Schütz BeamtR ES/A II 1.4 Nr 154 Rn.  32,m.w.N. ). § 26 BeamtStG unterscheidet sich in-soweit von § 44 BBG, der in Abs. 1 Satz 3 jedeZurruhesetzung ausschließt, wenn eine ander-weitige Verwendung möglich ist.

Eine Korrektur der Rechtsprechung desBVerwG, aber auch der des BAG wird nach demderzeitigen Diskussionsstand nur über eine Vor-lage an den EuGH oder eine Verfassungsbe-schwerde zu erreichen sein, oder der Gesetzge-ber fügt in das SGB IX die von der Rechtspre-chung vermissten klaren Rechtsfolgenregelun-gen ein, um die tatsächliche Beachtung von § 84SGB IX zu gewährleisten.

Positiv zu vermerken ist, dass die Anwendungvon § 84 Abs. 2 SGB IX auch im Vorfeld von Zur-

ruhesetzungsverfahren höchstrichterlich klar-gestellt ist. Es ist Aufgabe der Beschäftigtenver-tretungen, die Einhaltung der entsprechendenVerpflichtungen konsequent und frühzeitig ein-zufordern.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Ent-scheidung

Zwingende Voraussetzung für die Feststellungder Dienstunfähigkeit ist nach Auffassung desBVerwG die vorherige Feststellung der amtsbe-zogenen Anforderungen auf der Grundlage desdem abstrakt-funktionellen Amtes zuordenba-ren Kreises von Amtsaufgaben. Der individuel-le Gesundheitszustand ist in Bezug zu den ent-sprechenden Anforderungen zu setzen, um aufdieser Grundlage zu beurteilen, ob und in wel-chem Umfang noch Dienstfähigkeit besteht. DieBestimmung dieser Anforderungen ist die not-wendige Voraussetzung, um dauernde Dienst-unfähigkeit anzunehmen. Darauf soll es nachAuffassung des BVerwG jedoch dann nicht an-kommen, wenn der Beamte bzw. die Beamtinauf absehbare Zeit keinen Dienst leisten könne(Rn. 34 des Besprechungsurteils). Das soll ins-besondere dann der Fall sein, wenn der/die Be-troffene gar nicht auf der Dienststelle erschei-nen könne. Darin liegt eine unzulässige Ver-allgemeinerung, weil es durchaus Beschäftigtegibt, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Ein-schränkungen nicht mehr, jedenfalls nicht mehrregelmäßig oder für den überwiegenden Teil derArbeitstage der Dienststelle bei ihr erscheinenkönnen, um Dienst zu leisten. Für diesen Per-sonenkreis bleibt jedoch im Hinblick auf Art. 5RL 2000/78/EG bzw. Art. 27 UN-BRK, ggf. auchim Hinblick auf § 81 Abs. 4 SGB  IX zu prüfen,ob er seinen Dienst entweder in Teildienstfähig-keit (§  27 BeamtStG, §  45 BBG), ggf. in Kom-bination mit teilweiser oder gar überwiegenderTelearbeit (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 2BGleiG) verrichten kann (vgl. VG Frankfurt a.M.,Beschl. v. 21.12.2009 - 9 L 3763/09.F - AGG-ESB.II.6 § 81 SGB IX Nr. 11).

Soweit es um die Bestimmung der Anforde-rungen des abstrakt-funktionellen Amtes geht,muss zudem beachtet werden, dass damit imHinblick auf die Verwendung der entsprechen-den Kriterien zugleich Entlassungsbedingungeni.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG bzw. Art. 3 Abs. 1 lit. cRL 2000/78/EG aufgestellt werden. Der EuGHhat den Übertritt in den Ruhestand als Entlas-sung i.S.d. RL 2000/78/EG eingeordnet (EuGH,

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Urt. v. 21.07.2011 - C-159/10, C-160/10 - NVwZ2011, 1249 Rn.  34 = AGG-ES E.III.11 Art.  6RL 2000/78/EG Nr.  20 „Fuchs u.a.“). Gleicheswird für die Versetzung in den Ruhestand geltenmüssen.

Die beruflichen Anforderungen für eine Fortset-zung der dienstlichen Tätigkeiten können alsEntlassungsbedingungen Menschen mit einerBehinderung unmittelbar oder auch mittelbarbenachteiligen, so dass die Rechtfertigungsvor-aussetzungen des § 8 Abs. 1 AGG bzw. des § 3Abs. 2 AGG, jeweils i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG er-füllt sein müssen (vgl. BAG, Urt. v. 22.05.2014 -8 AZR 662/13 - NZA 2014, 924 Rn. 32 ff.). Der-artige Anforderungen sind nur dann angemes-sen i.S.d. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 2 AGG, wenn sieden Anforderungen des Art.  5 RL 2000/78/EGbzw. des Art. 27 UN-BRK genügen (BAG, Urt. v.22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - NZA 2014, 924, 927Rn.  42). Diese Perspektive wird vom BVerwGnicht näher angesprochen, wird in der Praxis je-doch zur Vermeidung einer nach § 7 Abs. 1 AGGverbotenen Benachteiligung durch eine Entlas-sung bzw. Zurruhesetzung zu beachten sein.

3

Einstweilige Verfügung aufWeiterbeschäftigung bei bisherigerDienststelle

Orientierungssätze:

1. Eine Entscheidung, mit der ein Arbeitneh-mer für die Dauer von sechs Monaten mitdem Ziel der Versetzung abgeordnet wird,ist nicht mangels Begründung rechtswidrig.Es handelt sich vielmehr um die Ausübungdes arbeitgeberseitigen Weisungsrechts ineiner besonderen Form, die nicht in derschriftlichen Weisung selbst begründet wer-den muss. Sie verstößt auch nicht gegen denGleichbehandlungsgrundsatz.

2. Ein Gericht, das eine für die Entscheidungmaßgebliche Gesetzesnorm für verfassungs-widrig hält, kann nicht durch Art 100 Abs. 1GG gehindert sein, vor der im Hauptsache-verfahren einzuholenden Entscheidung desBVerfG vorläufigen Rechtsschutz zu gewäh-ren, wenn dies im Interesse eines effekti-ven Rechtsschutzes geboten erscheint unddie Hauptsache dadurch nicht vorwegge-nommen wird. Dies ist jedoch nur dann der

Fall, wenn deutliche Anhaltspunkte für eineklar erkennbare Verfassungswidrigkeit derentsprechenden Norm bestehen.

3. Es ist Arbeitnehmern grundsätzlich zu-mutbar, einer arbeitgeberseitigen Weisungzunächst Folge zu leisten, auch wenn siefür rechtswidrig gehalten wird. Die Überprü-fung der Weisung kann im Hauptsachever-fahren geltend gemacht werden, stellt aberkeinen Verfügungsgrund für eine einstweili-ge Verfügung dar.

Anmerkung zu ArbG Berlin, Urteil vom 01.07.2014, 16 Ga 8789/14von Christoph J. Burgmer, RA, FA für Arbeits-recht und FA für Medizinrecht, burgmer rechtsan-wälte, Düsseldorf

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit der Frage derZumutbarkeit einer Abordnung zu einer ande-ren Behörde als Erprobung auf der Grundlagevon § 37a StUG. Außerdem wird zur Reichweiteder Prüfungskompetenz des erkennenden Ge-richts im vorläufigen Rechtsschutz Stellung ge-nommen, wenn sich der Kläger auf die Verfas-sungswidrigkeit der Norm beruft, die zu einerihn betreffenden Maßnahme (Versetzung) er-mächtigt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten im vorläufigen Rechts-schutz um den Erlass einer einstweiligen Ver-fügung mit dem Inhalt, die beklagte Behördedes BStU zu verpflichten, den Kläger bis zu ei-ner rechtskräftigen Entscheidung in dem Haupt-sacheverfahren weiterhin als Verwaltungsange-stellten in der Behörde zu beschäftigen. Er warbisher Mitarbeiter der Beklagten und dort alsPförtner eingesetzt und früher Objektschützerfür das ehemalige MfS.  Die Beklagte ordneteden Kläger für die Dauer von sechs Monatenzum BVA (Bundesverwaltungsamt) ab. Es wur-de erklärt, die Abordnung erfolge mit dem Zielder Versetzung. Eine weitergehende Begrün-dung enthielt das Schreiben nicht. Der neueEinsatzort lag etwa 500 Meter vom bisherigenArbeitsplatz des Klägers entfernt. Die Abord-nung erfolgte auf der Grundlage des § 37a StUG,den der Gesetzgeber als eine Ergänzung desStUG im Jahre 2011 beschlossen hatte. Die Vor-

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schrift regelt, dass die Beschäftigung ehemali-ger MfS-Mitarbeiter in der Stasi-Unterlagenbe-hörde nicht erfolgen und die entsprechendenMitarbeiter nach einer Zumutbarkeitsprüfung inandere Behörden versetzt werden sollten.

Der Personalrat und der Hauptpersonalrat derBeklagten hatten der ursprünglichen Abord-nung von ehemaligen MfS-Mitarbeitern nicht zu-gestimmt, so dass die Beklagte die Einigungs-stelle anrief. Diese entschied, dass der Haupt-personalrat seine Zustimmung nicht hätte ver-weigern dürfen. Die Einigungsstelle regte an,von einer Abordnung abzusehen, wenn der be-troffene Beschäftigte bei Beginn der Maßnah-me 63 Jahre und älter sei. Der Anregung folg-te die Beklagte. Der Kläger wurde danach zuder beabsichtigten Abordnung angehört und hatsich schriftlich dagegen gewandt. Die Beklagtenannte danach dem Kläger ihre Gründe für einFesthalten an der beabsichtigten Abordnung.Der Personalrat des BVA hat der Abordnung fürdie Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel derVersetzung in das Bundesverwaltungsamt zu-gestimmt.

Der Kläger hält § 37a StUG für verfassungswid-rig. Er meint, die Versetzung sei schon aus for-meller Sicht unwirksam, da es an einer Begrün-dung fehle, es gebe auch keine dienstlichenGründe. Ihm könne eine Versetzung nicht zu-gemutet werden, da er ohnehin schon durchdie Diskussion über die Verwendung ehemali-ger MfS-Mitarbeiter beim Stasiunterlagenbeauf-tragten derart gelitten habe, dass er erhebli-che gesundheitliche Beeinträchtigungen habe,die durch die Durchführung der Abordnung nochverstärkt würden. Die Beklagte hält § 37a StUGfür verfassungskonform. Dem Kläger sei zumut-bar, bis zur Klärung der Rechtsfragen im Haupt-sacheverfahren seine Tätigkeit aufzunehmen.

Das ArbG Berlin hat den zulässigen Antrag desKlägers als unbegründet zurückgewiesen.

Der Umstand, dass die Entscheidung, den Klä-ger abzuordnen, in dem Schreiben selbst nichtbegründet worden sei, begründe nicht dieRechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Wei-sung. Es handele sich vielmehr um die Aus-übung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechtsin einer besonderen Form, die nicht in derschriftlichen Weisung selbst begründet werdenmuss, da hierfür die Grundsätze des Arbeits-

rechtes und nicht des Verwaltungsrechtes gel-ten.

Eine Verfassungswidrigkeit von § 37a StUG kön-ne im Eilverfahren nicht festgestellt werden, dadeutliche Anhaltspunkte für eine evidente Ver-fassungswidrigkeit der Norm des §  37a StUGnicht klar erkennbar seien. Die Vorschrift seivom Gesetzgeber beschlossen und vom Bun-despräsidenten unterzeichnet worden, so dasses eingehender Prüfung bedürfe, ob eine solche,nach langer Diskussion gefundene Regelungmit dem Grundgesetz vereinbar sei. Diese ein-gehende Überprüfung sei in Ermangelung evi-denter Anhaltspunkte für eine Verfassungswid-rigkeit der anzuwenden Vorschrift dem Haupt-sacheverfahren zu überantworten. Eine eviden-te Rechtswidrigkeit könne auch nicht festge-stellt werden. Vielmehr habe der Kläger im Vor-feld seine Bedenken schriftlich geäußert, derPersonalrat und der Hauptpersonalrat der Be-klagten hatten mit umfangreicher Begründungder Abordnung widersprochen und die Eini-gungsstelle habe sich mit den Argumenten in-tensiv beschäftigt. Auch habe der Personalratdes BVA nach Prüfung seine Zustimmung erteilt.

Die Abordnung sei auch zumutbar. Zwar liegehier keine Versetzung vor. Die Abordnung seiaber als milderes Mittel in § 37a StUG mitent-halten. Im vorliegenden Fall habe sich die Be-klagte zunächst bewusst für das mildere Mittelentschieden, um zu erproben, ob eine anschlie-ßende Versetzung auch tatsächlich zumutbarsei. So habe es in der Vergangenheit durchausschon Fälle gegeben, in denen die Abordnungzurückgenommen worden sei. Die Versetzungals solche sei also mitnichten bereits beschlos-sen gewesen.

Der Umstand, dass die Beklagte die von der Ei-nigungsstelle vorgeschlagene Altersgrenze be-achte, sei sachgerecht. Die Verwendung einerStichtagsklausel mache die Regelung nicht un-wirksam. Solche Klauseln seien notwendig undbewegten sich im Rahmen des Ermessens derBehörde.

Schließlich sah das Gericht auch keinen Verfü-gungsgrund, sondern stellte fest, es sei Arbeit-nehmern grundsätzlich zuzumuten, einer ar-beitgeberseitigen Weisung zunächst Folge zuleisten, auch wenn sie sie für rechtswidrig hiel-ten. Abweichungen von diesem Grundsatz wür-den von der Rechtsprechung nur in bestimmten,

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vom Arbeitnehmer darzulegenden und glaub-haft zu machenden Ausnahmefällen angenom-men, in denen der Arbeitnehmer ein gesteiger-tes Abwehrinteresse habe. Dies könne der Fallsein, wenn sich die Weisung etwa als offensicht-lich unwirksam herausstellen sollte, sich der Ar-beitnehmer erheblichen Gesundheitsgefahrenaussetzen würde, die Tätigkeiten sein berufli-ches Ansehen irreparabel schädigten oder ihnin schwere Gewissenkonflikte bringen würden.All dieses sei hier nicht gegeben. Der Sachvor-trag des Klägers in Bezug auf mögliche Repres-salien am neuen Arbeitsplatz wegen seiner frü-heren Tätigkeit für das MfS sei zwar subjek-tiv nachzuvollziehen, aber unsubstantiiert undnicht glaubhaft.

Angesichts der Gesamtumstände (der grund-sätzlichen Beibehaltung der Tätigkeit, keineEntgeltminderung, Entfernung zum neuen Ar-beitsplatz von lediglich 500 Metern) erschei-ne eine Versetzung nicht so gravierend, dassder Kläger sich hiergegen schützen müsse. Essei dem Verfügungskläger vielmehr zuzumuten,die neue Tätigkeit zunächst anzutreten und sei-ne Rechte im Hauptverfahren zu vertreten.

Der Kläger hat Berufung beim LArbG Berlin-Brandenburg eingelegt (Az.: SaGa 1468/14).

C. Kontext der Entscheidung

Das ArbG Berlin bezieht sich in seinen Ausfüh-rungen zum Verfügungsgrund im Zusammen-hang mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebersauf die gefestigte Rechtsprechung, dass einefür rechtswidrig gehaltene Weisung, sofern sienicht evident rechtswidrig ist, zunächst zu befol-gen ist. Die eingehende Überprüfung der Recht-mäßigkeit der Weisung sei dem Hauptsachever-fahren vorbehalten (so auch LArbG Frankfurt,Urt. v. 15.02.2011 - 13 SaGa 1934/10 Rn. 49;LArbG Hamm, Urt.  v. 05.02.2008 - 11 SaGa4/08; LArbG Chemnitz, Beschl.  v. 26.10.2005- 2 Sa 641/05). Eine Ausnahme von diesemGrundsatz werde nur dann gemacht, wenn derArbeitnehmer ein gesteigertes Abwehrinteres-se, beispielsweise bei irreparabler Rufschädi-gung durch die Befolgung der Weisung, besit-ze (so auch LArbG Mainz v. 09.02.2011 - 7 Ta4/11 Rn. 35; LArbG Hamm, Urt. v. 05.02.2008- SaGa 4/08; LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v.12.08.2008 - 16 SaGa 1366/08). Das ArbG Ber-lin schließt sich in seiner hier besprochenen Ent-scheidung dieser wohl als herrschende Meinung

zu bezeichnenden Rechtsprechung vorbehalt-los an und verneint ein gesteigertes Abwehrin-teresse des Verfügungsklägers und damit auchden Verfügungsgrund und die Notwendigkeit ei-ner Entscheidung im Eilverfahren.

Außerdem wird der Beschluss des BVerfG vom24.06.1992 (1 BVR 1028/91) zur Vorlagepflichtim Eilverfahren in die Entscheidungsfindungeinbezogen. Das ArbG Berlin machte jedoch vonder ihm eingeräumten Kompetenz, vor der imHauptsacheverfahren einzuholenden Entschei-dung des BVerfG zunächst vorläufigen Rechts-schutz zu gewähren, keinen Gebrauch. Es sahhierzu keine Veranlassung, da die in Rede ste-hende Norm des §  37a StUG nicht evidentrechtswidrig schien.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des ArbG Berlin zeigt, wieschwierig es ist, den Verfügungsanspruch imvorläufigen Rechtsschutz bzw. Eilverfahren aufdie Rechtswidrigkeit einer gesetzlichen Vor-schrift zu stützen. Die Instanzgerichte werdennur selten willens und in der Lage sein, ei-ne Rechtsnorm als evident rechtswidrig zu be-zeichnen. Insoweit verlangte man auch nahe-zu Unmögliches, denn die Prüfung der formel-len und materiellen Verfassungsmäßigkeit ei-ner Vorschrift ist kompliziert und zeitaufwendig.Zeit indes ist im Eilverfahren kaum vorhanden,so dass der Vortrag, eine entscheidungserheb-liche Norm sei rechtswidrig, nur höchst seltenverfangen dürfte.

Im Übrigen sollte der Sachvortrag, wie eigent-lich immer, hinreichend substantiiert sein, umihn gegenüber dem erkennenden Gericht glaub-haft zu machen. Es zieht sich wie ein roterFaden durch die Entscheidungen der Gerichte,dass vorgebrachte Gründe mangels Substanti-iertheit nicht tragen. So war es auch hier. DerVerfügungskläger behauptete einfach, ihm wür-den Repressalien aufgrund seiner Tätigkeit alsObjektschützer für das MfS zu Zeiten der DDRdrohen, falls man ihn in eine andere Behördeversetzte. Belegen konnte er diese Behauptungfreilich nicht, so dass er auch insoweit keinenVerfügungsanspruch glaubhaft machen konnte.

Nachdem die Abordnung zum BVA nur auf Zeiterfolgte, hätte das ArbG Berlin noch diskutierenkönnen, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürf-nis im Eilverfahren bestand. Die Maßnahme der

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Abordnung zum BVA war erkennbar nur zur Er-probung angeordnet worden. Eine Unumkehr-barkeit war nicht mit ihr verbunden, so dass einRechtsschutzbedürfnis im Eilverfahren eigent-lich gar nicht bestand. Hier legte das ArbG Ber-lin keinen sonderlich hohen Maßstab an. Diesgeschah wahrscheinlich vor dem Hintergrund,überhaupt erst in die Sachprüfung gelangen zuwollen, um dort detailliert dazulegen, warumvorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt werdenkönne.

4

Kündigung eines Schwerbehindertendurch den Betriebserwerber in derInsolvenz

Orientierungssatz:

Die von einem Insolvenzverwalter vor demEintritt eines Betriebsübergangs beim Inte-grationsamt beantragte und nach dem Be-triebsübergang an ihn zugestellte Zustim-mung zur Kündigung eines schwerbehin-derten Arbeitnehmers stellt keine dem Be-triebserwerber erteilte Zustimmung i.S.d.§ 85 SGB IX dar, auf die er sich zur Kündigungdieses Arbeitnehmers berufen kann.

Anmerkung zu BAG, Urteil vom  15.11.2012,8 AZR 827/11von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA undFA für Arbeitsrecht, King & Wood Mallesons LLP,Frankfurt am Main / Dr. Johanna Gerstung,RA'in, Allen & Overy LLP, Frankfurt am Main

A. Problemstellung

Nach §  85 SGB  IX bedarf die Kündigung desArbeitsverhältnisses eines schwerbehindertenMenschen durch den Arbeitgeber der vorhe-rigen Zustimmung des Integrationsamtes. ImFalle der positiven Bescheidung wird die Zu-stimmung durch Zustellung gemäß § 88 Abs. 2Satz 1 SGB  IX i.V.m. §  85 SGB  IX gegenüberdem Arbeitgeber erteilt. Befindet sich der Be-trieb in der Insolvenz, ist der Insolvenzverwalternach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX antragsbefugt.Geht der Betrieb aber noch während des lau-fenden Verwaltungsverfahrens auf einen Erwer-ber über, ist der Insolvenzverwalter bei Zustel-lung der Zustimmung nicht mehr kündigungs-befugt. Die Frage, ob sich der Betriebserwerber

als neuer Arbeitgeber auf eine vom Insolvenz-verwalter als Betriebsveräußerer vor Betriebs-übergang beantragte, aber erst nach Betriebs-übergang an den Insolvenzverwalter zugestellteZustimmung zur Kündigung berufen kann, hattedas BAG im vorliegenden Fall zu entscheiden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit ei-ner von der Beklagten ausgesprochenen or-dentlichen Kündigung. Der mit einem GdB von50 schwerbehinderte Kläger war seit 1989 beider W.-GmbH beschäftigt. Über deren Vermö-gen wurde durch Beschluss des Amtsgerichtsam 01.06.2010 das Insolvenzverfahren eröffnetund ein Insolvenzverwalter bestellt.

Zum 01.07.2010 übernahm die Beklagte denBetrieb der W.-GmbH, und das Arbeitsverhältnisdes Klägers ging auf die Beklagte über. Bereitsam 23.06.2010 hatte der Insolvenzverwaltermit dem Betriebsrat der W.-GmbH einen Inter-essenausgleich mit Namensliste gemäß §  125Abs. 1 InsO vereinbart. Der Kläger war in der Lis-te der zu kündigenden Mitarbeiter aufgeführt.Nachdem der Insolvenzverwalter mit Schreibenvom 29.06.2010 beim zuständigen Integrations-amt einen Antrag auf Zustimmung zur ordentli-chen Kündigung des Klägers gestellt hatte, er-teilte dieses mit Bescheid vom 29.07.2010 dieZustimmung.

Nach ordnungsgemäßer Anhörung von Be-triebsrat und Schwerbehindertenvertretungkündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnismit dem Kläger am 17.08.2010 schriftlich zum31.03.2011.

Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. DieVorinstanzen gaben dem Kläger Recht. Das BAGfolgte der Begründung des Landesarbeitsge-richts und wies die Revision der Beklagten alsunbegründet zurück.

Die Kündigung sei nach § 85 SGB IX i.V.m. § 134BGB rechtsunwirksam, weil die Beklagte sie oh-ne die nach § 85 SGB IX erforderliche vorheri-ge Zustimmung des Integrationsamtes ausge-sprochen habe. Die dem Insolvenzverwalter –als damals Antragsbefugtem – erteilte Zustim-mung stelle keine der Beklagten erteilte Zustim-mung i.S.d. § 85 SGB IX dar. Das ergebe sich ausdem Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wo-nach „der Arbeitgeber“ die Zustimmung beim

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zuständigen Integrationsamt schriftlich zu be-antragen habe. Die Entscheidung des Integrati-onsamts, also auch die Zustimmung zur Kündi-gung, sei nach § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB IX „demArbeitgeber“ und dem schwerbehinderten Men-schen zuzustellen. Die Beklagte als kündigendeArbeitgeberin habe aber weder die Zustimmungzur Kündigung beim Integrationsamt beantragtnoch sei ihr von diesem der Zustimmungsbe-scheid zugestellt worden.

Nach Auffassung des BAG ändere auchder Übergang des Arbeitsverhältnisses am01.07.2010 gemäß §  613a Abs.  1 Satz 1 BGBauf die Beklagte daran nichts. Zum Zeitpunktdes Betriebsübergangs sei der Insolvenzverwal-ter Antragsteller gewesen. Die am 29.07.2010erteilte Zustimmung sei aber letztlich ins Leeregegangen, weil sie dem nicht mehr kündigungs-berechtigten Insolvenzverwalter und nicht – wiees § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB IX i.V.m. § 85 SGB IXverlange – dem Arbeitgeber erteilt worden war.

Das Gericht führte für dieses Ergebnis nebendem Gesetzeswortlaut auch Sinn und Zweckals Argument an. Demnach soll der Insolvenz-verwalter bei der Antragstellung auf den be-absichtigten Betriebsübergang hinweisen, da-mit das Integrationsamt das in seiner Entschei-dung über die Zustimmung zur Kündigung desschwerbehinderten Arbeitnehmers unter Betei-ligung des Betriebserwerbers nach den §§ 1, 12Abs. 1 Nr. 2 SGB X berücksichtigen kann. Dennim Falle eines Antrags während des Insolvenz-verfahrens unter Hinweis auf einen Interessen-ausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO seidas Ermessen des Integrationsamts nach Maß-gabe des § 89 Abs. 3 SGB  IX erheblich einge-schränkt, da die Zustimmung hier grundsätz-lich erteilt werden soll. Das Integrationsamt le-ge seiner Entscheidung gerade die nach den§§ 88, 89 SGB IX vom Arbeitgeber mitgeteiltenKündigungsgründe zugrunde.

C. Kontext der Entscheidung

Das BAG setzt mit der vorliegenden Entschei-dung seine Rechtsprechung zu den Rechtsfol-gen eines Betriebsübergangs fort. Nach § 613aAbs.  1 Satz 1 BGB gehen alle im Zeitpunktdes Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis-se und die sich hieraus ergebenden Rechte undPflichten auf den Betriebserwerber über. Schonfrüh hatte das BAG entschieden, dass ein neu-er Arbeitgeber so in das Arbeitsverhältnis ein-

tritt, wie er es im Zeitpunkt des Betriebsüber-gangs vorfindet (BAG, Urt. v. 22.02.1978 - 5 AZR800/76). Das gilt für bestehenden besonderenKündigungsschutz und für Kündigungsverbotemit Erlaubnisvorbehalt, wie bei § 85 SGB IX. SindKündigungen durch ein Verbot mit Erlaubnisvor-behalt eingeschränkt, gelten diese Einschrän-kungen auch für den Erwerber (BAG, Urt.  v.11.12.2008 - 2 AZR 395/07).

Das Gericht stellt für die Erteilung dieser Erlaub-nis in Form der Zustimmung nach § 85 SGB IXklar, dass auf der Ebene eines im Zeitpunktdes Betriebsübergangs noch laufenden Verwal-tungsverfahrens anschließend eventuell erteilteZustimmungen von Behörden – vorliegend desIntegrationsamts – nicht ohne weiteres dem Be-triebserwerber zugutekommen. Vielmehr hattedas BAG im vorliegenden Fall dem Betriebser-werber das Berufen auf die auf Antrag des Insol-venzverwalters erteilte Zustimmung verwehrt.

Der Senat macht in seiner Entscheidung deut-lich, dass Antragsteller und Kündigungsberech-tigter nicht zwingend ein und dieselbe Per-son sein müssen. Nach Auffassung des Ge-richts würde dies vielmehr dem Sinn undZweck der Insolvenzordnung – die Rettung vonUnternehmen(steilen) und eine Befreiung vonSchulden des Insolvenzschuldners – entgegen-stehen. Um dem Erwerber einen Neustart zu er-möglichen und im Vorgriff auf ein Erwerberkon-zept den Personalabbau in der Insolvenz zu er-möglichen, gelte es deshalb, die Voraussetzungeiner Beteiligung des Erwerbers zu beachten.

Der Unternehmenserwerb und die hiermit ein-hergehende Änderung der Rahmenbedingun-gen für die mögliche Kündigung sind für das In-tegrationsamt entscheidungserhebliche Tatsa-chen, die für die Erteilung oder Versagung ei-ner Zustimmung während des laufenden Ver-fahrens bekannt sein müssen. Erst dann kanndas Integrationsamt sein Ermessen tatsächlichausüben und ist nicht schon durch die Soll-Vor-schrift des § 89 Abs. 3 SGB IX (außer in Ausnah-mefällen) zur Erteilung verpflichtet.

Ob etwas anderes für ein bereits beendetesVerwaltungsverfahren mit Bescheid der Zustim-mung zur Kündigung des schwerbehinderten Ar-beitnehmers gilt, hat der Senat offengelassen.

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D. Auswirkungen für die Praxis

Der Insolvenzverwalter sollte im Falle eines be-reits eingeleiteten Antragsverfahrens zur Kündi-gung eines schwerbehinderten Arbeitnehmersschon vor Abschluss des Veräußerungsvertragsdas Integrationsamt informieren und auf ei-ne unverzügliche Beteiligung des Betriebser-werbers hinwirken. Genauso sollten interessier-te Erwerber sich frühzeitig über eventuell lau-fende Kündigungsverfahren schwerbehinderterArbeitnehmer informieren und mit der Verein-barung eines (zukünftigen) Erwerbs die sofor-tige Anzeige gegenüber dem Integrationsamtmit der Bitte um Beteiligung am Verwaltungs-verfahren aussprechen. Dann kann das Inte-grationsamt den Betriebserwerber am Zustim-mungsverfahren nach den §§ 1, 12 Abs. 1 Nr. 2SGB X beteiligen und nach erfolgtem Betriebs-übergang den Zustimmungsbescheid dem Be-triebserwerber als kündigungsberechtigten Ar-beitgeber zustellen. So könnte auch eine vomInsolvenzverwalter beantragte Zustimmung fürden zwischen Antragstellung und Zustimmungeintretenden Betriebserwerber Wirkung entfal-ten.

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Kündigungsschutz fürBetriebsratsmitglieder

Orientierungssatz zur Anmerkung:

Die kündigungsschutzrechtlich relevanteMitgliedschaft in einem betriebsverfas-sungsrechtlichen Organ besteht ab dem Tag,an dem die Stimmen vom Wahlvorstand be-triebsöffentlich ausgezählt wurden und fest-steht, dass der Betroffene eine ausreichen-de Stimmenzahl erhalten hat.

Anmerkung zu LArbG Hamm, Beschluss vom 23.06.2014, 13 TaBVGa 21/14von Dr. Martin Wolmerath, RA

A. Problemstellung

In seiner Entscheidung hatte das LArbG Hammder Frage nachzugehen, ab welchem Zeitpunktder besondere Kündigungsschutz von Betriebs-ratsmitgliedern besteht.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Streitgegenstand im einstweiligen Verfügungs-verfahren ist das Recht des Antragstellers, denBetrieb zum Zwecke der Wahrnehmung von Be-triebsratsaufgaben zu betreten.

Der Antragsteller gehörte dem bei der Antrags-gegnerin eingerichteten Betriebsrat seit 2010an. Dessen Amtszeit endete am 07.04.2014.Nachdem der Wahlvorstand am 12.03.2014ein Wahlausschreiben erlassen und diesesam 13.03.2014 an dem Schwarzen Brettdes Betriebsrats ausgehängt hatte, fand am14.05.2014 die Wahl des neuen Betriebsratsstatt, wobei es nur einen Wahlvorschlag gab.Die Auszählung der Stimmen erfolgte am Abenddesselben Tages in der Kantine des Betriebs.Dort war eine Liste mit den Namen der Wahlbe-werber aufgehängt. Auf dieser Liste wurde hin-ter dem Namen des betreffenden Kandidatenpro abgegebene Stimme ein Strich gesetzt. DerAntragsteller erhielt 124 Stimmen und belegtedamit den fünften von neun Plätzen.

Eine Auflistung des Wahlergebnisses mit dengewählten Betriebsratsmitgliedern wurde so-dann in der Kantine, etwa zehn Meter entferntvon dem Schwarzen Brett des Betriebsrats aus-gehängt.

Tags darauf wurde dem Antragsteller „außeror-dentlich und fristlos“ gekündigt. Zudem wurdeihm ein sofortiges Hausverbot erteilt.

Unter dem 19.05.2014 erließ der Wahlvor-stand ein Schreiben wonach er „aufgrundder rechtswidrigen Vorkommnisse wie etwader rechtswidrigen Wahlbeeinflussungen“ be-schlossen habe, „die Wahl als ungültig zu erklä-ren“.

Ebenfalls am 19.05.2014 leitete der Antragstel-ler das vorliegende Verfahren ein, mit dem erden Zutritt zu dem Betrieb begehrt, um Be-triebsratsaufgaben erledigen zu können. DerAntragsteller hält die Kündigung mangels Be-triebsratsbeteiligung für unwirksam. Schließlichsei er am 14.05.2014 in den Betriebsrat gewähltworden.

Dem tritt die Antragsgegnerin mit ihrer Auffas-sung entgegen, dass es infolge der fehlerhaften

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Bekanntgabe des Wahlergebnisses nicht zu ei-ner Neuwahl des Betriebsrats gekommen sei.

In seiner Entscheidung folgt das LArbG Hammder Ansicht des Antragstellers und spricht ihmdas begehrte Zutrittsrecht zu.

Der Verfügungsanspruch folge aus § 78 Satz 1BetrVG, auch wenn diese Vorschrift nicht aus-drücklich einen darauf gerichteten Abwehran-spruch enthalte. Dieser ergebe sich aus demZweck der Regelung, die Erfüllung von Betriebs-ratsaufgaben namentlich durch ein Behinde-rungsverbot zu sichern.

Im Falle der (außerordentlichen) Kündigung desArbeitsverhältnisses eines Amtsträgers beste-he während der Dauer der Ungewissheit, obdie Kündigung wirksam ist, grundsätzlich keinRecht des betroffenen Betriebsratsmitglieds aufZutritt zu dem Betrieb. Insoweit sei von einer(zeitweiligen) Verhinderung i.S.d. §  25 Abs.  1BetrVG auszugehen. Etwas anderes gelte aus-nahmsweise bei Vorliegen einer offensichtlichunwirksamen Kündigung. Letzteres sei vorlie-gend der Fall. Zum Zeitpunkt des Zugangs derKündigung habe der Antragsteller den beson-deren Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz1 KSchG besessen, so dass die Antragsgegne-rin dem Zustimmungserfordernis nach § 103 Be-trVG hätte Rechnung tragen müssen. Schließ-lich bestehe die kündigungsschutzrechtlich re-levante Mitgliedschaft in einem betriebsverfas-sungsrechtlichen Organ bereits ab dem Tag,an dem die Stimmen vom Wahlvorstand be-triebsöffentlich ausgezählt wurden und fest-steht, dass der Betroffene eine ausreichendeStimmenzahl erhalten hat. Das sei am Abenddes 14.05.2014 erfolgt.

Unschädlich sei es, dass das Wahlergebnis vondem Wahlvorstand (bis heute) nicht in der ge-hörigen Form gemäß den §§ 23 Abs. 1 Satz 2i.V.m. 18 Satz 1 und 3 Abs. 4 Satz 1 WO bekanntgemacht worden sei, weil dies nur in der Kan-tine erfolgt ist – nicht aber an dem SchwarzenBrett des Betriebsrats, wo das Wahlausschrei-ben ausgehängt worden war.

Ein anderes Ergebnis ergebe sich selbst dannnicht, wenn man entscheidend auf die förmli-che Bekanntmachung nach den Vorschriften derWO abstellen würde. In dieser Konstellation ha-be der Antragsteller als Wahlbewerber den miteinem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Son-

derkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG gehabt.Wiederum sei eine Zustimmung zur Kündigungerforderlich gewesen.

Würde man der Rechtsprechung des SechstenSenats des BAG folgen, der entgegen der An-sicht des Siebten Senats maßgeblich an die ge-mäß § 29 Abs. 1 BetrVG vorzunehmende Konsti-tuierung des Betriebsrats anknüpft, dann sei am15.05.2014 noch kein (neuer) Betriebsrat vor-handen gewesen, der um Zustimmung hätte er-sucht werden können. Allerdings hätte es derAntragsgegnerin zur Vermeidung von betriebs-verfassungsrechtlichen Schutzlücken für Man-datsträger oblegen, vor Ausspruch der Kündi-gung in analoger Anwendung des § 103 Abs. 2BetrVG das Zustimmungsersetzungsverfahrenvor den Gerichten für Arbeitssachen erfolgreichdurchzuführen.

Nach alledem sei die außerordentliche Kündi-gung vom 15.05.2014 offensichtlich unwirksam,so dass dem Antragsteller das Recht zustehe,den Betrieb zum Zwecke der Erledigung von Be-triebsratsaufgaben zu betreten.

Dem stehe nicht entgegen, dass möglicherwei-se die Amtszeit des neu gewählten Betriebsra-tes immer noch nicht begonnen hat, weil dasWahlergebnis nicht in der gehörigen Form ge-mäß den §§ 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 18 Satz 1und 4 Abs.  4 Satz 1 WO am Schwarzen Brettdes Betriebsrats bekannt gegeben wurde. Statt-dessen habe der Wahlvorstand die Betriebsrats-wahl mit Schreiben vom 19.05.2014 für ungül-tig erklärt, ohne eine entsprechende Befugniszu besitzen. Denn auf der Basis des § 19 BetrVGseien ausschließlich die Gerichte für Arbeitssa-chen dazu berufen, eine erfolgte Betriebsrats-wahl für ungültig zu erklären – wobei angesichtsder im Verfahren vage gebliebenen Andeutun-gen keine Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit dererfolgten Wahl erkennbar seien.

Die geschilderten Pflichtverletzungen des Wahl-vorstands, namentlich der Verstoß gegen diezwingenden Normen zur Bekanntmachung desWahlergebnisses und auch zur Einberufung derersten Betriebsratssitzung, könnten nicht da-zu führen, die als Betriebsratsmitglieder ge-wählten und die Wahl angenommen haben-den Arbeitnehmer daran zu hindern, ihr Man-dat wahrzunehmen und eigeninitiativ dafür zusorgen, dass (endlich) die erforderlichen Schrit-

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te zur Konstituierung des Betriebsrates einge-leitet werden. Andernfalls hätte es der Wahl-vorstand durch unterlassene und möglicherwei-se erst durch eine gerichtliche Entscheidung zuerwirkende förmliche Handlungen in der Hand,den Beginn der Amtszeit eines Betriebsrats zuverzögern. Dies sei nicht von 18 Satz 1 WO ge-deckt.

Schlussendlich sei es für den Antragsteller alsgewähltes Betriebsratsmitglied zur Abwendungwesentlicher Nachteile nötig, umgehend Zutrittzu dem Betrieb zu erhalten, um dort seinen be-triebsverfassungsrechtlichen Aufgaben zeitnahnachkommen zu können.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung der erkennenden Kammerdes LArbG Hamm liegt auf der Linie der Recht-sprechung des BAG, setzt daran an und ent-wickelt sie weiter. Vor allem den in den Be-triebsrat gewählten Wahlbewerbern vermitteltder Beschluss Rechtssicherheit. Den Arbeitge-bern gibt die Entscheidung Rechtsklarheit, dasie nunmehr wissen, was bei einer Betriebsrats-wahl hinsichtlich der in den Betriebsrat gewähl-ten Arbeitnehmer in kündigungsrechtlicher Hin-sicht zu beachten ist, falls eine ordnungsgemä-ße Bekanntmachung des Wahlergebnisses un-terbleibt und/oder die Konstituierung des neugewählten Betriebsrats nicht erfolgt bzw. nochnicht passiert ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Beschluss des LArbG Hamm verdeutlichtzunächst, wie wichtig eine fundierte Schulungdes Wahlvorstands ist. Nur wer über das erfor-derliche Wissen verfügt, der kann sowohl beider Vorbereitung als auch bei der Durchfüh-rung der Betriebsratswahl Fehler vermeiden so-wie begangene Fehler reparieren. Dass so man-cher Arbeitgeber bisweilen geneigt ist, Fehlerdes Wahlvorstands zum eigenen Vorteil zu nut-zen, liegt auf der Hand. Das ist verständlich undauch nicht verwerflich, soweit die Grenzlinie desErlaubten nicht überschritten wird. Insoweit hatdas LArbG Hamm die Arbeitgeberin zu Recht inihre Schranken verwiesen.

Sträflich ist es ohne Wenn und Aber, wenn derWahlvorstand seine besondere Stellung miss-braucht und auf die Betriebsratswahl bzw. denneu gewähltem Betriebsrat und seine Arbeit

Einfluss zu nehmen versucht oder gar nimmt. In-soweit stellt das LArbG Hamm unmissverständ-lich klar: Dem Wahlvorstand steht es nicht zu,eine Betriebsratswahl für ungültig zu erklären.Auch kann er die in den Betriebsrat gewähl-ten Arbeitnehmer nicht daran hindern, ihren be-triebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachzu-kommen und bei Bedarf die Konstituierung desGremiums in die Wege zu leiten. Die Entschei-dung über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeiteiner Betriebsratswahl treffen allein die Gerich-te für Arbeitssachen. Das ist gut so und mussauch so bleiben.

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Berücksichtigung eines unechtenHilfsantrags auf Weiterbeschäftigungbeim Streitwert

Orientierungssatz:

Ist über den Antrag auf vorläufige Weiter-beschäftigung weder von den Vorinstanzennoch vom BAG entschieden worden, kommteine Berücksichtigung dieses Hilfsantragsbei der Streitwertfestsetzung nicht in Be-tracht.

Anmerkung zu BAG, Beschluss vom  13.08.2014,2 AZR 871/12von Werner Ziemann, Vors. RiLArbG

A. Problemstellung

Auf der Basis der ersten Fassung eines einheitli-chen Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichts-barkeit aus dem Jahre 2013 hat die Streitwert-kommission eine überarbeitete Fassung desStreitwertkatalogs (Streitwertkatalog 2014) er-stellt. Dieser sieht unter Nr. 12 und 24 für denAnspruch auf (Weiter-)Beschäftigung als Streit-wert ein Monatsentgelt vor. Für den tatsächli-chen Ansatz eines Monatsentgelts müssen je-doch Voraussetzungen gegeben sein, die nichtimmer gegeben sind, wie das BAG aufzeigt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien stritten in der dritten Instanz überdie Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigungund über den Antrag auf Weiterbeschäftigung.Das Verfahren wurde mit einem Prozessver-gleich erledigt. Das BAG setzte für die Erledi-

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gung der Bestandsschutzstreitigkeit das Viertel-jahresentgelt nach § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG an.Der Weiterbeschäftigungsantrag blieb ohne An-satz, während für den im Vergleich beigelegtenStreit über den Anspruch auf ein qualifiziertesZeugnis ein Monatsentgelt festgesetzt wurde.

Der Antrag des Klägers, ihn bis zum rechtskräf-tigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zuunveränderten Arbeitsbedingungen tatsächlichweiterzubeschäftigen, führte zu keiner Erhö-hung des Streitwerts. Der Antrag wurde als un-echter Hilfsantrag ausgelegt. Nach § 45 Abs. 1Satz 2 GKG werde ein hilfsweise geltend ge-machter Anspruch mit dem Hauptanspruch nurzusammengerechnet, soweit eine Entscheidungüber ihn ergeht. Dies gelte auch für einen un-echten Hilfsantrag. Der für die Gerichtsgebüh-ren maßgebende Wert gelte insoweit nach § 32Abs. 1 RVG auch für die Rechtsanwaltsgebüh-ren.

Im Streitfall war über den Antrag auf Weiterbe-schäftigung weder von den Vorinstanzen nochvom BAG entschieden worden. Er würde sich inder Revisionsinstanz zudem mit einer Beendi-gung des Kündigungsrechtsstreits objektiv erle-digen und beim BAG – weil durch diese Beendi-gung auflösend bedingt – schon deshalb nichtzur Entscheidung anfallen.

Der Hilfsantrag erhöhe im Streitfall auch denWert des gerichtlichen Vergleichs nicht. Nach§  45 Abs.  4 GKG gelte zwar bei einer Erledi-gung des Rechtsstreits durch Vergleich Absatz1 Satz 2 der Bestimmung entsprechend. Durchden Prozessvergleich sei über den Hilfsantragauf Weiterbeschäftigung aber selbst sinnge-mäß nicht „entschieden“ worden. Das Landes-arbeitsgericht hatte zuvor über ihn nicht ent-schieden, und die Parteien haben sich in dieserSituation auf eine Beendigung ihres Arbeitsver-hältnisses aufgrund der Kündigung geeinigt. Obsich dann, wenn das Landesarbeitsgericht überden Hilfsantrag positiv entschieden hätte, aus§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GKG etwas an-deres ergäbe, hat das BAG dahinstehen lassen.

Mit dem festgesetzten Mehrwert für den Ver-gleich in Höhe eines Monatsentgelts wurde derStreit der Parteien über den Inhalt eines demKläger zu erteilenden Arbeitszeugnisses berück-sichtigt.

C. Kontext der Entscheidung

Nach § 39 Abs. 1 GKG werden in demselben Ver-fahren und in demselben Rechtszug die Wertemehrerer Streitgegenstände zusammengerech-net, soweit nichts anderes bestimmt ist. Etwasanderes ist in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG für Hilfs-ansprüche geregelt. Danach wird ein hilfswei-se geltend gemachter Anspruch mit dem Haupt-anspruch nur zusammengerechnet, soweit eineEntscheidung über ihn ergeht. Betreffen die An-sprüche denselben Gegenstand, ist nach § 45Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren An-spruchs maßgebend.

Für den Weiterbeschäftigungsantrag geht dasBAG regelmäßig davon aus, dass dieser mit ei-nem Hilfsantrag geltend gemacht wird, auchwenn hiervon im Antrag nicht ausdrücklichdie Rede ist (BAG, Beschl.  v. 30.08.2011 - 2AZR 668/10, m. Anm.  Ziemann, jurisPR-ArbR20/2013 Anm.  2). Von der Unbedingtheit desAntrags geht das BAG dagegen nur aus, wennder Wille, einen unbedingten Antrag zu stel-len, ausdrücklich erklärt worden ist. Folgt mandieser Auslegungsmaxime, dann werden sämtli-che fortbestandsabhängigen Streitgegenständemit Hilfsanträgen geltend gemacht, z.B. Folge-kündigungen und Verzugsvergütung (TZA/Zie-mann, Streitwert und Kosten 1 A 15). In den ge-nannten Fällen entspricht es dem Interesse derklagenden Partei an einem kostenschonendenVorgehen. Auch bei anwaltlicher Vertretung derklagenden Partei kann ohne gegenteilige An-haltspunkte unterstellt werden, dass die kosten-schonendsten Anträge gemeint sind (näher Zie-mann, jurisPR-ArbR 20/2013 Anm. 2).

Mit dem Auslegungsergebnis „uneigentlicher“oder „unechter“ Hilfsantrag steht jedoch nochnicht fest, dass keine Streitwertaddition erfolgt.Denn seit langer Zeit ist umstritten, ob nur derechte oder auch der unechte Hilfsantrag derBemessungsnorm des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKGunterfällt. Der Zweite Senat geht erneut oh-ne weitere Begründung davon aus, dass §  45Abs. 1 Satz 2 GKG mit der Formulierung „hilfs-weise geltend gemachter Anspruch“ auch denunechten Hilfsantrag meint. Dies entspricht derwohl h.M. (vgl. nur LArbG Hamm v. 11.04.2007- 6 Ta 40/07; LArbG Düsseldorf v. 09.12.2002- 17 Ta 516/02; LArbG Düsseldorf, Beschl.  v.08.04.2003 - 17 Ta 139/03; LArbG Düsseldorf,Beschl.  v. 27.07.2000 - 7 Ta 249/00; LArbGMainz, Beschl.  v. 01.07.2004 - 5 Ta 104/04).

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Unter den in §  19 Abs.  1 GKG a.F. = §  45Abs. 1 GKG n.F. genannten „hilfsweise geltendgemachten Anspruch“ fällt danach auch ein un-eigentlicher Hilfsantrag (LArbG Frankfurt, Be-schl. v. 26.06.1997 - 6 Ta 25/97; LArbG Frankfurtv. 22.06.1995 - 6 Ta 404/95; LArbG Frankfurtv. 24.07.1995 - 6 Ta 266/95; LArbG Frankfurt v.18.08.1995 - 6 Ta 346/95; LArbG Düsseldorf, Be-schl. v. 27.07.2000 - 7 Ta 249/00; LArbG Düssel-dorf, Beschl. v. 08.11.1990 - 7 Ta 356/90; LArbGDüsseldorf, Beschl. v. 13.07.1989 - 7 Ta 165/89;LArbG Düsseldorf, Beschl.  v. 13.07.1989 - 7Ta 219/89; LArbG Mainz, Beschl. v. 21.06.1990- 9 Ta 104/90; LArbG Stuttgart, Beschl.  v.10.09.1987 - 3 Ta 114/87; a.A. LArbG Han-nover, Beschl.  v. 17.04.2001 - 3 Ta 118/01;LArbG München, Beschl.  v. 30.10.1990 - 5 Ta135/90; LArbG Köln, Beschl. v. 31.07.1995 - 13Ta 114/95; LArbG Köln, Beschl. v. 04.07.1995 -10 Ta 80/95; LArbG Mainz, Beschl. v. 16.04.1992- 10 Ta 76/92; LArbG Hamburg, Beschl.  v.26.03.1992 - 4 Ta 20/91; für den gleichgela-gerten Fall der Hilfsaufrechnung höchstrichter-lich geklärt, vgl. BGH, Beschl.  v. 25.09.2008- VII ZB 99/07). Für eine Differenzierung zwi-schen „echten“ und „uneigentlichen“ Hilfsan-trägen soll nach wiederholter Befassung des Ge-setzgebers mit dieser Frage kein Raum mehrsein. Ob ein Hilfsantrag für den Fall des Ob-siegens oder Unterliegens gestellt wird, ände-re nichts an dem Charakter als Hilfsantrag; ent-scheidend für die Anwendung von § 45 Abs. 1Satz 2 GKG sei nicht das wirtschaftliche (End-)Ziel der klagenden Partei, sondern die Abhän-gigkeit einer gerichtlichen Entscheidung von ei-ner innerprozessualen Bedingung (Creutzfeldt,NZA 1996, 956, m.w.N.).

Ebenfalls umstritten ist, ob über §  32 RVGdie Einordnung auch des unechten Hilfsan-trags unter §  45 Abs.  1 Satz 2 GKG verbind-lich ist für die anwaltliche Vergütung. Inso-weit wird von der h.M. angenommen, dass fürdie Rechtsanwaltsgebühren nichts Abweichen-des gilt (TZA/Ziemann, Streitwert und Kosten, 1A 408, m.w.N.). Dem schließt sich der Zweite Se-nat ohne nähere Begründung an. Das Ergebnisüberzeugt. In § 32 RVG wird nicht danach diffe-renziert, ob die Rechtsverfolgung oder Rechts-verteidigung im Hinblick auf eine Eventualkla-gehäufung mit besonderen anwaltlichen und/oder richterlichen Vorbereitungsarbeiten ver-bunden ist (BGH, Beschl. v. 25.09.2008 - VII ZB99/07, betr. Hilfsaufrechnung; OLG Karlsruhe,Beschl. v. 20.03.2007 - 7 W 1/07; OLG Hamm,

Beschl. v. 02.01.2007 - 19 U 48/06; LArbG Stutt-gart, Beschl. v. 10.11.2003 - 3 Ta 153/03; LArbGBerlin, Beschl.  v. 03.03.2004 - 17 Ta (Kost)6138/03; kritisch zum anwaltlichen Arbeitsauf-wand Zirnbauer, FA 2011, 130; LArbG Köln, Be-schl. v. 21.06.2002 - 7 Ta 59/02).

Die vergleichsweise Beilegung des Rechts-streits rechtfertigt keine streitwertmäßige Be-rücksichtigung des unechten Hilfsantrags aufWeiterbeschäftigung. Ein unechter Hilfsantragist entsprechend § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 45Abs.  4 GKG) streitwertmäßig nicht zu berück-sichtigen, wenn er nicht Gegenstand eines Ver-gleichs wird. Eine Entscheidung über den un-echten Hilfsantrag darf bei einem Urteil nur er-folgen, wenn der Eventualfall eintritt, wenn al-so dem Hauptantrag stattgegeben wird. Erst fürdiesen Fall stellt die klagende Partei ihren Hilfs-anspruch im Rechtsstreit zur Entscheidung. Ent-sprechendes gilt nach § 45 Abs. 4 GKG bei ei-ner vergleichsweisen Beendigung des Verfah-rens. Auch in diesem Fall muss der Eventual-fall eintreten, also eine positive Regelung zumHauptantrag, damit eine Regelung zum Fortbe-stand des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt ohneRücksicht darauf, ob der Vergleich – wie regel-mäßig – zum Ausgleich sämtlicher geltend ge-machter Ansprüche bestimmt ist und insoweitmittelbar auch den Hilfsanspruch umfasst undob sich Gericht und Parteien (vorsorglich) be-reits mit diesem Hilfsantrag befasst haben. DieGegenansicht übergeht die für den Gegenstanddes Rechtsstreits, an den sich die Bemessungdes Gegenstandswertes anschließt, vom Klägerzulässigerweise gesetzte Bedingung (vgl. OLGKöln, Beschl. v. 22.02.1996 - 18 W 57/95). DieWeiterbeschäftigungspflicht wurde im Streitfallim Vergleich nicht geregelt. Die Parteien einig-ten sich auf eine Beendigung zum Kündigungs-termin. Damit ist die von der klagenden Par-tei gesetzte Bedingung für den Hilfsantrag bzw.für die vergleichsweise Regelung des Hilfsan-spruchs, nämlich die Klärung der Unwirksam-keit der Kündigung, nicht eingetreten. Nicht ab-schließend geklärt ist insoweit, ob die Erledi-gung einer Bestandsschutzstreitigkeit regelmä-ßig einer Zusammenrechnung entgegenstehtoder ob in der Einigung über die Beendigungzugleich ein Verzicht auf eine Weiterbeschäfti-gung gesehen werden und deshalb eine Zusam-menrechnung bejaht werden kann.

Liegen die Voraussetzungen der Zusammen-rechnung vor, betrifft diese den Streitwert des

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Verfahrens und des Vergleichs (TZA/Ziemann,Streitwert und Kosten, 1 A 418), während derZweite Senat wohl nur von einer Erhöhung desVergleichswerts ausgeht.

Mit dem Ansatz für den Vergleichsmehrwert ori-entiert sich der Zweite Senat an Nr.  22.1 desStreitwertkatalogs 2014; der Inhalt des qualifi-zierten Zeugnisses war zwischen den Parteienstreitig.

D. Auswirkungen für die Praxis

Es muss damit gerechnet werden, dass dieregelmäßige Auslegung des Weiterbeschäf-tigungsantrags (und ggf. weiterer fortbe-standsabhängiger Anträge) als Hilfsantrag vonder Streitwertrechtsprechung aufgegriffen wird.Dies führte zu erheblichen Gebühreneinbußen,die nur durch ein Ausweichen in getrennte Kla-gen zu vermeiden wären. Es muss bezweifeltwerden, ob die über § 32 RVG angeordnete An-wendung von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG für die an-waltliche Vergütung der vom Anwalt zu leisten-den Tätigkeit gerecht wird. Der Verfasser hat ananderer Stelle folgende Fassung von § 32 RVGangeregt:

„Wird der für die Gerichtsgebühren maßgeben-de Wert gerichtlich festgesetzt, ist die Festset-zung auch für die Gebühren des Rechtsanwaltsmaßgebend. Ein hilfsweise geltend gemach-ter Anspruch wird jedoch mit dem Hauptan-spruch zusammengerechnet. Betreffen Haupt-und Hilfsanspruch denselben Gegenstand, istnur der Wert des höheren Anspruchs maßge-bend.“