LaKo 2008- Europa

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Beschlussbuch 7. ordentliche Landeskonferenz des Juso-Landesverbandes NRW www.nrwjusos.de Bonn 31.5.2008 bis 01.06.2008 Für ein solidarisches NRW! Modern geht auch sozial!

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Beschlussbuch7. ordentliche Landeskonferenz des Juso-Landesverbandes NRW

www.nrwjusos.de

Bonn31.5.2008 bis 01.06.2008

Für ein solidarisches

NRW!

M o d e r n geht auch s o z i a l !

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

Beschlüsse EUROPA

1 NRW für ein Soziales Europa

2 Leitlinien der Entwicklungszusammenarbeit des Landes NRW: EZ ist keine Wirtschaftsförderung

3 EU-Verfassung

4 Verbot von Streubomben

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Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008

Beschluss E1

NRW für ein Soziales Europa

Einleitung

JungsozialistInnen verpflichten sich der Idee eines zusammenwachsenden Europas. Dabei gehören sie der Bewegung an, welche die Europäische Integration in den letzten Jahrzehnten konsequent voran-getrieben hat. Die höchste Errungenschaft ist die, dass innerhalb eines halben Jahrhunderts die Geißel der Menschheit – der Krieg – zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union undenkbar ge-worden ist. Gleichwohl kam es in den letzten Jahrzehnten auf dem europäischen Kontinent zu Kriegen und waren Mitgliedstaaten der Europäischen Union an militärischen Einsätzen auf der ganzen Welt beteiligt.

Mit der Europäischen Union ist ein weltweites einmaliges Integrationsprojekt entstanden, welches noch nicht am Ende steht. Noch sind Fragen offen. Für uns JungsozialistInnen steht fest: Die Europä-ische Union ist mehr als eine Freihandelszone. Unser Anspruch an Europa ist ein internationalistischer, der das Gemeinsame über das Nationalstaatliche stellt. Die Vereinigten Staaten von Europa waren schon längst Vision der Sozialdemokratie, bevor die ersten Schritte wirtschaftlicher Zusammenarbeit durch die Nachkriegsregierungen unternommen wurden. Uns verbindet mehr, als der freie Tausch von Gütern und Dienstleistungen. Uns verbindet der Wille, Konflikte friedlich und mit zivilen Mitteln zu lö-sen. Uns verbindet der Wille, die Demokratisierung der staatlichen Institutionen und der gesellschaft-lichen Teilsysteme voran zu treiben. Uns verbindet der Wille, den wachsenden Wohlstand der Union zu nutzen, um Armut endlich zu überwinden.

Hier liegt jedoch noch ein weiter Weg vor uns. Die derzeitige auf wirtschaftliche Aspekte beschränkte Politik der EU fördert vor allem den wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen den Staaten Europas. Dabei wird zwar die globale Position im Wettbewerb auf Kosten anderen Weltregionen verbessert, soziale Standards und die Sicherung staatlicher Einnahmen innerhalb der EU jedoch ruiniert. Nationale Gren-zen sind heute zwar in vielerlei Hinsicht schon bedeutungslos geworden, doch hat dies vielschichtigen Einfluss auf den nationalen Wohlfahrtsstaat: Die Waren-, Dienstleistungs-, und Finanzmärkte sind in-ternationalisiert und verschärfen den Wettbewerb um Standorte und an den Standorten selbst, der auch über den Faktor Arbeitskosten ausgetragen wird. Durch die Europäisierung wurden Handlungs-spielräume vom Nationalstaat auf die transnationale Ebene verlagert. Dies jedoch ohne den demo-kratischen Instanzen der EU echte Kompetenzen in der Sozialpolitik zu geben. Bedeutende Prozesse werden durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes angestoßen, der dabei vorrangig die in den Verträgen dominierende Binnenmarktlogik umsetzt.

Für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar: Wirtschaftliche und soziale Integration sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb müssen wir uns parallel zu den Bemühungen eines sozialen Aus-gleichs im Inland, zusätzlich auf allen Ebenen für den Aufbau eines Systems des sozialen Ausgleichs en-gagieren. Eine Solidarisierung der Arbeitnehmerschaft auf europäischer Ebene ist der effektivste Weg, um den sozialen und ökologischen Standards ruinierenden Standortwettbewerb einzudämmen, ohne die Logik der Kooperation im Handel und des wachsenden Wohlstands zu gefährden.

Mit Blick auf Sozialstaatlichkeit hat die EU durch die Lissabon-Strategie einen parlamentsunabhän-gigen Prozess in Gang gesetzt, der nationale Systeme in einen Wettbewerb setzt, mit dem Ziel, den eu-ropäische Raum selbst wettbewerbsfähiger zu machen. Wettbewerbsfähigkeit darf nicht Selbstzweck sein und scheidet für uns als Paradigma für Wohlfahrtsstaatlichkeit aus, weil es die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet. Eine zunehmende Zahl der Europäer lebt unterhalb der Armutsgrenze. Millionen von Bürgern in der EU sind von Arbeitslosigkeit betroffen. In den Ländern, in den Arbeitslo-senzahlen zeitweilig gesenkt werden konnten, geht dies auf Kosten der Qualität von Arbeit. Von guter Arbeit kann keine Rede sein. Insbesondere Jugendliche sind von schlechten bis menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen betroffen. Männer und Frauen sind in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt noch weit davon entfernt, gleichberechtigt behandelt zu werden.

Außerdem entwickelt sich die EU immer mehr zur „Festung Europa“, anstatt ein multikulturelles Euro-pa zu entwickeln. Wir fordern ein für nicht-europäische Kulturen offenes Europa.

1. NRW will Gute Arbeit in ganz Europa!Unser Leitbild - die gerechte Arbeitsgesellschaft – gilt für alle ArbeitnehmerInnen in Europa. Gerecht entlohnt, demokratisiert und geschlechtergerecht. Entscheidend ist für uns, Brüche im Arbeitsleben

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abzusichern. Ein Instrument dafür ist für uns die Arbeitsversicherung, die Flexibilität und Sicherheit in der Erwerbs- und Lebensbiografie garantiert.

Einer Aushöhlung des nationalen Arbeitsrechts und der Arbeitsbedingungen, wie zunächst in der Dienstleistungsrichtlinie geplant, erteilen wir eine Absage. Stattdessen müssen auf europäischer Ebe-ne hohe Standards für Mindestnormen im Arbeitsrecht erlassen werden.

Auf der Basis der Verträge entwickelt sich Europa allmählich zu einem einheitlichen Arbeitsmarkt. So wie der Binnenmarkt eine Kompetenz der Union ist, sollte auch die Schaffung von Regeln für diesen grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt Kompetenz der Union sein. Es zeigt sich, dass Mindesteinkom-menssysteme für die menschliche Würde europaweit von maßgeblicher Bedeutung sind. Hier geht es um den Kampf gegen Armut. Dabei ist ein einheitlicher EU-Mindestlohn ebenso dysfunktional wie ein starrer Mindestlohn, der keinerlei Anpassung nach oben erlaubt. Wir fordern die Einführung eines na-tionalen Mindestlohns in allen EU-Mitgliedstaaten, der sich am jeweiligen nationalen Durchschnitts-lohn orientiert.

Weitere Flexibilisierungsformen wirken der Fragmentierung des Arbeitsmarktes in Europa nicht ent-gegen. JungsozialistInnen in NRW unterstreichen die im Grünbuch „Ein modernes Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ genannten Gefahren und lehnen ab, dass Arbeitsrecht dem Wirtschaftsrecht untergeordnet wird. Flexicurity kann für uns nicht heißen, dass es immer mehr Fle-xibilität, aber immer weniger Sicherheit gibt. Zudem glauben JungsozialistInnen, dass Flexibilisierung für die Schaffung von Arbeitsplätzen keine Voraussetzung ist. Dies geschieht durch makroökonomische Politik. Flexicurity muss aus unserer Sicht die Gleichbehandlung der verschiedenen ArbeitnehmerInnen sicherstellen. Flexicurity erfordert deshalb Maßnahmen für ein besseres Gleichgewicht zwischen Ar-beits- und Privatleben: Bezahlter Elternurlaub, bessere Regeln für Betreuung, usw. Weiterhin fordern wir, Betriebsräte und die arbeitende Bevölkerung in ihren Rechten zu stärken. Ein Soziales Europa kann nur mit starken und handlungsfähigen Gewerkschaften verwirklicht werden. Dafür brauchen wir eine institutionelle Stärkung der Mitbestimmung und der Gewerkschaften in den EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Union. Ein Mindestniveau beim Streikrecht und die Gründungsfreiheit für Gewerk-schaften müssen in allen EU Staaten eingehalten werden. Dies sind die Kernarbeitsnormen der Inter-nationalen Arbeitsorganisation ILO, die nach wie vor nicht in allen 27 EU Staaten umgesetzt sind. Die Möglichkeit der betrieblichen Mitbestimmung in europäischen Kapitalgesellschaften ist unsere Ab-sicht. Auch müssen die Eurobetriebsräte EBR institutionell gestärkt werden. Eine Überarbeitung der entsprechenden EU-Richtlinie ist dringend notwendig. Durch sie muss sichergestellt werden, dass transnationale Kollektivvereinbarungen rechtsverbindlich sind, wie es der Vorschlag der EU Kommis-sion dazu vorsieht.

Es sind Höchstarbeitszeiten durch die EU festzulegen. Ein absolutes Maximum von 40 Wochenstunden in allen EU Mitgliedsstaaten ist aus unserer Sicht die Obergrenze. So werden sich die gesundheitliche Situation und die Arbeitsbedingungen für viele ArbeitnehmerInnen in Europa deutlich verbessern. Da-rüber hinaus werden Millionen von neuen Arbeitsplätzen geschaffen, die nationalen Sozialversiche-rungssysteme entlastet und Wachstum generiert.

Ein gemeinsamer Arbeitsmarkt in der EU erfordert, Instrumente zu schaffen, die die Übertragung der Anwartschaften auf Rentenansprüche ermöglicht. Europäische Konten für Leistungsansprüche aus den Sozialkassen sind notwendig.

2. Für wirtschaftliche und soziale Steuerung Die europäischen Wohlfahrtstaaten sind über Jahrzehnte gewachsen, haben dabei sehr unterschied-liche Strukturen und Eigenheiten entwickelt und lassen sich nicht durch externen Druck aneinander angleichen. Dies ist uns bewusst. Es gibt 27 Staaten mit unterschiedlichsten Gesetzen und politischen Traditionen. Trotzdem finden sich allerorts gleiche Errungenschaften, an die wir anknüpfen können. Um Soziales Europa zu sein, muss die EU nicht alle Systeme einander anpassen, sondern Mindeststandards setzen, deren Paradigmen die der Teilhabe und der menschenwürdigen Existenz aller sind. Eine breite öffentliche Daseinsvorsorge, die Absicherung der großen Lebensrisiken und Elemente der Wirtschafts-demokratie sind für uns der Kern des Sozialen Europa, zu dem es Referenzen in den nationalen Wohl-fahrtsstaaten gibt. Unser Anspruch an europäische Wohlfahrtsstaatlichkeit ist folglich derselbe wie an nationalstaatliche: Der Einzelne muss vor den Kräften und Wirkweisen des Marktes geschützt und in seinem individuellen Lebensentwurf abgesichert werden. Soziales Europa darf für uns weder heißen, dass die Nationalstaaten sämtliche Probleme im sozialen Bereich auf die europäische Ebene abwälzen, noch dass die EU durch schleichenden und nicht legitimierten Kompetenztransfer die nationale Zu-ständigkeit in der Sozialpolitik untergräbt und die nationalen sozialen Sicherungssysteme aushöhlt. Diesen Anspruch muss die Europäische Union für alle Menschen erfüllen. Dazu müssen Kompetenzen auch im Bereich der Sozialpolitik verlagert werden, deren demokratisch legitimierte Ausübung ist je-

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doch Bedingung. Solidarität und Sozialstaatlichkeit gehören als vorrangige Ziele in eine Verfassung für Europa.

Die Europäische Union braucht eine Wirtschaftsregierung. Eine makroökonomische Steuerung auf europäischer Ebene leistet dann einen entscheidenden Beitrag für das Soziale Europa, wenn sie die Nachfrage durch Fiskal- und Geldpolitik stärkt. Voraussetzung ist eine bessere gemeinsame Steuerung zwischen EU und Mitgliedsstaaten. Europa braucht mehr nachhaltiges Wachstum und Steuer-, Sozial- und Umweltnormen, die für alle Mitgliedsstaaten Standards setzen und den Wettbewerb nach unten ausschließen. Eine europäische Besteuerung von Unternehmen setzt diesen Standard und macht die EU zugleich handlungsfähiger. Die Lohnstückkosten in NRW sind in den letzten Jahren deutlich stärker als in anderen Ländern der Europäischen Union gesunken. Diese Entwicklung ist international fatal, da sie den Druck auf andere Länder ebenfalls Kosten zu senken, erhöht. Die Binnenwirtschaft bleibt ohne Belebung, da Kaufkraft schwindet. Nach Jahren des neoliberalen Trommelfeuers gegen staatli-che und gesellschaftliche Regulierung der Wirtschaft und den deshalb erfolgten Einschnitten bei den staatlichen Finanzierungsgrundlagen macht sich zudem der Ausfall des Staates auch als Impulsgeber für die Binnenkonjunktur bemerkbar. Starken Einfluss auf diese Entwicklung hat in entscheidendem Maße das Fehlen einer gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialpolitik auf europäischer Ebene. Die Geld- und Kreditpolitik der Europäischen Zentralbank ist nicht in eine europäische beschäftigungspolitische Strategie eingebunden, sondern hat als einziges Ziel die Geldwertstabilität. Diese Einseitigkeit gilt es zu überwinden.

Die EU braucht eine neue steuerpolitische Kompetenz. Wir fordern die Harmonisierung der Körper-schaftssteuern, um den Wettkampf zwischen den verschiedenen Staaten so zu gestalten, dass er nicht auf dem Rücken der Schwächeren und auf Kosten der Umwelt ausgetragen wird. Die Einführung von niedrigen Flatratesteuern und sinkende Unternehmenssteuern erzwingen eine zunehmende Beschnei-dung des Staates in allen europäischen Ländern und bedingt die stereotype Rhetorik des Sachzwangs, welche auch bei der letzten in Deutschland durchgeführten Unternehmenssteuerreform erklang. Der wachsende Wohlstand entgleitet so zunehmend der gesellschaftlichen Kontrolle. Das erste Ziel bei der Einführung einer europäischen Körperschaftssteuer muss sein, die Ermessungsgrundlage zu harmoni-sieren. Als zweiter Schritt folgt die Festlegung der Mindestsätze und Korridore. Perspektivisch ist ne-ben der EU Körperschaftssteuer auch eine Harmonisierung anderer Steuern notwendig, wie bspw. der Einkommensteuer.

3. NRW will die demokratische EUEin soziales Europa wird sich nur durch ein demokratisches Europa erreichen lassen. Die existierenden Ungleichgewichte lassen sich mit den Mitteln und Möglichkeiten einer parlamentarischen Demokratie überwinden. Die Krise der Europäischen Union ist ganz entscheidend eine der Transparenz und der Demokratie. Staatliche Macht wird durch die europäische Integration nicht mehr nur nationalstaat-lich sondern auf mehreren Ebenen ausgeübt. Dabei gehen Entscheidungsprozesse der demokratischen Kontrolle verloren. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist gering, denn das demokratisch legi-timierte Parlament hat nur geringe Kompetenzen und direkte Beteiligungsformen kommen nicht vor. Wir fordern ein Europäisches Parlament, das in allen Bereichen mitentscheiden kann, Initiativrecht für europäische Gesetze besitzt und wichtigstes Entscheidungsorgan wird. Der Rat muss Mehrheitsent-scheidungen in allen Politikbereichen treffen können, um die Blockade sozialer Initiative durch ein-zelstaatliche Vetos unmöglich zu machen. Eine vom Parlament gewählte und diesem verantwortliche Kommission, in der die politisch gewählten AmtsträgerInnen die Bürokratie kontrollieren, ist unsere Forderung. Europa muss mehr Demokratie wagen und in seinen vertraglichen Grundlagen fest veran-kern, sonst verliert es seine Legitimität. Wachsende antieuropäische Stimmung, die zur ernsten Be-drohung des weiteren Zusammenwachsens werden kann, ist heute schon die Folge der verschlepp-ten Demokratisierung. Brüsseler Politik wird wahrgenommen als Bürokratie und als top-down Politik. Nach wie vor wird in der Kommission der Illusion eines unabhängig von parteipolitischen Positionen existierenden europäischen Allgemeininteresses angehangen. Viele Gesetzgebungsinitiativen gehen an den Bedürfnissen und Anforderungen der BürgerInnen völlig vorbei, auch und insbesondere weil wirtschaftliche Ziele vor alle anderen Politikziele gestellt werden.

Wir wollen die Macht der Lobbyisten in Brüssel stärker kontrollieren. Ein Faktor bei der Übermacht von wirtschaftlichen Beweggründen gegenüber sozialen ist die Macht wirtschaftlicher Akteure. Politische Entscheidungen werden auf europäischer Ebene von Hunderten von Akteuren vorbereitet und ziehen sich über Jahre hin. Abgesehen von einigen wenigen mächtigen Nichtregierungsakteuren sind es vor allem Unternehmen und Branchenverbände, welche über die notwendigen Finanzmittel und das Per-sonal verfügen, solche Prozesse zu verfolgen und erfolgreich zu beeinflussen. Viele für Bürgerinnen und Bürger unverständliche Entscheidungen aus Reihen der Europäischen Kommission, des Rates, aber auch des Europäischen Parlaments gehen auf den langen Atem der Lobbyisten zurück. Dem haben die tradi-tionellen VertreterInnen von sozialen Aspekten, von Nichtregierungsorganisationen wie der Arbeiter-

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wohlfahrt und Attac, über Gewerkschaften bis zu WissenschaftlerInnen nicht viel entgegen zu setzen. Arbeitsgruppen der Europäischen Kommission und des Rates zur Vorbereitung von Gesetzesentwürfen und zur Umsetzung von Rechtsakten gewähren WirtschaftsakteurInnen und LobbyistInnen einen privi-legierten Zugang. Diese vertreten jedoch nicht die Interessen der UnionsbürgerInnen, die sie im Rahmen von Wahlen artikuliert haben, sondern werden ausschließlich von den Interessen der Unternehmen oder anderen GeldgeberInnen getrieben. Wohl hat die EU ergänzend zum Sozialen Dialog den zivilen Dialog, der eine Brücke zwischen Bürgern und Organen schaffen soll, eingerichtet. Dieser soll die reprä-sentative mit der partizipativen Demokratie verbinden, Expertise aus der Zivilgesellschaft an Rat und Kommission herantragen und der Erarbeitung praktikabler Lösungen, die auf breite gesellschaftliche Akzeptanz stoßen, dienen. Die Institutionen dieses Dialoges – der Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Kontaktgruppen - spielen in der Brüsseler Machtkonstellation jedoch eine untergeordnete Rol-le. Die Tatsache, dass die Union Geldbeträge an NGOs zahlt, damit diese sich mit Stellungnahmen am Lobbyismus beteiligen können, ist ein Eingeständnis in die Unausgewogenheit der Kräfte, aber nicht zielführend. Wir fordern Instrumente zur Herstellung der Transparenz im Lobbying.

4. … und der Rest der Welt?Wer soziale Gerechtigkeit und Wohlstand für alle fordert, kann nicht akzeptieren, dass dies auch jen-seits der mächtigen Bollwerke des Europäischen Binnenmarktes auf der Strecke bleibt. Das friedliche Europa garantiert Frieden nach innen und nach außen. Dabei ist Frieden immer mehr als die Abwe-senheit von Krieg. Europa muss die zivile Friedenspolitik ins Zentrum seines internationalen Handelns und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik rücken. Entwicklungszusammenarbeit braucht in der Europäischen Union auch finanziell ein größeres Gewicht. Internationale Solidarität überwindet nationale und kontinentale Grenzen. Europa darf sich nicht nach außen abschotten, sondern muss Verantwortung übernehmen für einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen. Daher fordern wir, den Umgang mit Flüchtlingen, gerade an den Süd- und Ostgrenzen der EU, hinsichtlich Humanität und Menschenrechten stärker zu kontrollieren und ggf. die Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen auf Seiten von Behörden, Polizei etc. verschärfen zu lassen. Besonders für Flüchtlinge aus Krisengebieten muss das Bleiberecht einfacher zu erhalten sein. Aus deutscher Sicht ist auch die Rückabschiebung ins EU-Ersteinreiseland nicht akzeptabel und darf nicht weiter praktiziert werden.

Die heutige Politik der EU ist, bezogen auf die ärmsten Regionen der Welt, kontraproduktiv, Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit werden durch die Folgen „ranghöherer Politiken“ zerstört, Armutsredu-zierung und verantwortungsvolle Staatsführung sind nach wie vor Schlagwörter der Sonntagreden. Die Praxis der nicht-reziproken Handelsliberalisierung und des Europäischen Protektionismus darf nicht fortgesetzt werden. Dies bedeutet konkret: Wir fordern, dass Europäische Handelspolitik im multilate-ralen Rahmen – dem der World Trade Organisation – bleiben muss. Vorraussetzung für eine Handelspo-litik im Rahmen der WTO Grundsätze erfordert allerdings, dass auch die WTO soziale Mindeststandards anerkennt und diese nicht länger als protektionistische Maßnahme abstraft. Der Umgang mit Lebens-mitteln innerhalb der Europäischen Union muss angesichts der Effekte für den Weltmarkt dringend überdacht werden. Unter dem Label „Bio“ erfährt die Landwirtschaft einen Wandel hin zum Energie- und Kraftstofflieferanten. Unter anderem dies führt zur Verteuerung von Lebensmitteln. Weizen als Futtermittel wird inzwischen durch Soja ersetzt. Die Sojaproduktion hat die Rinderzucht inzwischen als Hauptursache der Tropenwaldzerstörung abgelöst. Die sich in weiten Teilen fortführende verfehlte Politik der Agrarmarktsubventionierung zeigt angesichts akuter Engpässe der Lebensmittelversorgung in den ärmsten Ländern, wie fatal die Europäische Protektion gewesen ist. Leistungsfähige Landwirt-schaften haben sich dort nie bilden können. Wir fordern die Abschaffung der EU-Agrarmarktsubventionen und eine Handelspolitik die auf Koopera-tion mit und nicht Ausbeutung armer Länder zielt.

5. Für die Europäische SozialdemokratieWir wollen eine europäische Partei werden! Die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) soll die Mut-terpartei aller europäischen SozialdemokratInnen werden. Die Forderung nach einer sozialdemokra-tischen europaweiten Bewegung darf nicht weiter eine Phrase bleiben. Die SPE muss gestärkt werden. Den neoliberalen und neokonservativen Kräften, dem durch die Lissabon Strategie zum Selbstzweck erhobenen Wettbewerbsparadigma und der einseitigen, auf die wirtschaftliche Integration bezogene Einigung kann nur eine schlagfertige und kraftvolle sozialdemokratische Bewegung auf Europäischer Ebene entgegen treten. Wir müssen der Vorreiter der Politisierung Europäischer Politik sein – ein Ge-spenst muss umgehen in Europa. Die bisherigen Strukturen der europäischen sozialdemokratischen Parteien sehen aber vor, dass der Eintritt in die nationale Sozialdemokratische Partei nicht gleich dem Eintritt in die SPE ist. Sozialdemokratische Parteien aller Länder leben von ihrer Mitgliederstärke. In diesem Punkt hat die SPE noch lange nicht ihr Potenzial ausgeschöpft. Jedes Mitglied einer Partei, die Teil der SPE ist, muss mit dem Eintritt in die Nationale Partei auch die persönliche Mitgliedschaft in der SPE erhalten. Die Mitgliedschaft in der SPE muss für SozialdemokratInnen in Europa die Regel sein! Dies ist auch eine Voraussetzung dafür, dass den Europawahlen endlich der Charakter einer nationalen

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Nebenwahl genommen wird. Die SPE spielt in Wahlkämpfen zurzeit keine Rolle. Die Rolle der SPE in der politischen Rekrutierung von KandidatInnen für das Europäische Parlament, der Nominierung von KommissarInnen, hohen BeamtInnen und anderen Gremien muss gestärkt werden. Die gemeinsame Liste für die Europawahl sollte zukünftig auf dem SPE-Kongress verabschiedet werden. Jungsozialis-tInnen sind sich sicher: Die Zeit ist reif für eineN europäischeN sozialdemokratischeN Spitzenkandi-daten/In für das Amt des/der Kommissionspräsidenten/In. Wir fordern die SPD dazu auf, dies endlich einzusehen und aktiv hierfür zu werben.

Die SPE muss zu einer echten Europapartei werden, die ein ambitioniertes sozialdemokratisches Pro-gramm ausarbeitet und umsetzt. Dies kann nur erreicht werden, wenn in allen Gremien Mehrheitsent-scheidungen zur Pflicht werden und nicht versucht wird, auf alle Partikularinteressen der Mitglieds-parteien einzugehen. Die derzeitige Zusammenführung aller sozialdemokratischen Parteien unter dem Dach der SPE ist mit keinem nachweislichen Nachteil verbunden. Doch ist die Vorteilhaftigkeit zurzeit rein technischer Natur. Oftmals erfolgen die programmatischen Aussagen auf einem sehr ober-flächlichen Niveau. Die SPE hat einen Anspruch auf programmatische Eigenständigkeit. Sozialdemo-kratische und sozialistische Akteure müssen auf der europäischen Ebene Hand in Hand arbeiten. Im Ministerrat und im Europäischen Rat sitzen zumeist an erster Stelle Vertreter von Regierungen, die nationale Interessen vertreten. Der Einfluss der SPE auf sozialdemokratische Mitglieder in diesen Gre-mien ist noch zu schwach. Die Wahlprogramme zur Europawahl sollten nicht mehr auf der nationalen, sondern auf der Europäischen Ebene verfasst werden. Auch die der Sozialdemokratie nahestehende Akteure im breiten Feld der Europäischen Zivilgesellschaft müssen einbezogen werden in die Anstren-gungen, ein sozialeres Europa aufzubauen.

6. Was kommt nach Lissabon?Zum Selbstzweck der Anfang des Jahrtausends durch die Europäischen Regierungschefs eingestielten Lissabon Strategie mutierte das Paradigma des Wettbewerbs. Dabei muss jedoch klar sein: Der Sozial-staat braucht nicht mehr Wettbewerb um gute und schlechte Risiken, sondern weniger; insbesondere dann, wenn Paradigma des sozialstaatlichen Wettbewerbs zuerst die Wirtschaftlichkeit ist. Soziale Si-cherung ist deshalb öffentliches Gut und öffentliche Aufgabe, nicht Privileg Weniger. Deshalb bedarf die europäische Sozialpolitik der Neuausrichtung: Das heißt, sie nicht unter der Binnenmarktpolitik zu begreifen, sondern deren Verwerfungen gerade auszugleichen. Europa braucht soziale Mindeststan-dards und ein gemeinsames Sozialmodell, keinen Wettbewerb der Systeme.

Die Lissabon Strategie beinhaltete wohl soziale Ziele, doch war die verbindliche Durchsetzung dieser nicht vorgesehen. Während mit Sanktionen makroökonomisches Verhalten der Mitgliedsstaaten be-legt wird – die Maastricht-Kriterien, die wie ein Damokles-Schwert über den Volkswirtschaften hängen – basieren die sozialen und ökologischen Ziele auf soft-power-Instrumenten. Diese sind im Rahmen der sogenannten Offenen Methode der Koordinierung (OMK) best-practise-Modelle, Rankings, Gentlemen Agreements und policy-learning. Dieses Methoden-Set hat in den letzten Jahren den Europäischen Sta-tistikern viel Arbeit beschert, ansonsten aber keine Wirkung hinterlassen. Es muss eingestanden wer-den, dass die Offene Methode der Koordinierung gescheitert ist. Auf unverbindlicher Basis lässt sich ein Soziales Europa nicht schaffen. Solidarität und Sozialstaatlichkeit gehören deshalb als vorrangige Ziele in eine Verfassung für Europa.

JungsozialistInnen fordern schon heute die Entwicklung einer Strategie für die Zeit nach Lissabon. Spä-testens 2010 muss ein neues Zeichen gesetzt werden. Ziel muss sein, die Europäische Union zu einem Sicherer des Friedens nach innen und außen zu machen, zu einem Zusammenschluss zur Bekämpfung der Armut, zur gerechten Verteilung des wachsenden Wohlstandes, der guten Arbeit und der Gleichheit der Lebenschancen zu machen. Mit dieser Idee werden wir in die Europawahl schreiten. Dafür Arbeiten wir mit Nachdruck für den Zusammenschluss aller sozialdemokratischen Bewegungen in Europa zu einer kraftvollen sozialdemokratischen und europaweiten Bewegung.

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Beschluss E2

Leitlinien der Entwicklungszusammenarbeit des Landes NRW:

EZ ist keine Wirtschaftsförderung!

Wir fordern den SPD Landesvorstand und die SPD Landtagsfraktion in NRW auf, sich eingehend mit den neuen Leitlinien der Entwicklungszusammenarbeit des Landes NRW zu beschäftigen und perspekti-visch ein neues Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit zu entwickeln um Fehlentwicklungen zu korrigieren. Hierzu muss der Dialog mit zivilgesellschaftlichen Akteuren gesucht werden. Bezüglich einer Neuausrichtung der EZ in NRW stellen wir fest:

Die Landesregierung in NRW hat im August 2007 neue Leitlinien für ihre entwicklungspolitische Arbeit beschlossen. Damit wird die nordrhein-westfälische Entwicklungszusammenarbeit und entwicklungs-politische Informations- und Bildungsarbeit auf neue Basis gestellt und anders als vorher ausgerich-tet.

NRW gibt jährlich 19,2 Mio. Euro für Entwicklungszusammenarbeit aus. Als Bundesland mit rund 18 Mio. Einwohnern und seiner Wirtschaftskraft ist es im Europäischen Vergleich ein Bundesland mit wei-ter steigendem Einfluss. Das noch von Johannes Rau geprägte Verständnis der nordrhein-westfälischen Entwicklungszusammenarbeit wurde damit durch ein neues Dokument abgelöst. Die Jusos NRW be-grüßen eine rundsätzliche Überarbeitung der Leitlinien und erkennen an, dass dies in den vergangenen Jahren verschleppt wurde. Der Landesverband der Jusos NRW stellt jedoch fest, dass die neuen Leit-linien den derzeitigen globalen Herausforderungen nur unzureichend gerecht werden und dem ent-wicklungspolitischen Grundverständnis der Jusos, das im Zuge der Afrika-Kampagne des Juso Landes-verbandes in 2006-2007 erarbeitet wurde, in weiten Teilen entgegen laufen. Deshalb fordern wir:

Erstens: Globale Zusammenhänge müssen stärker reflektiert werden.

Die Ausrichtung einer eigenen Entwicklungszusammenarbeit des Landes NRW muss innerhalb eines multilateralen Rahmens erfolgen. Diesen Rahmen setzen die sogenannten Milleniumsentwicklungs-ziele der Vereinten Nationen. Diese sind ein umfangreiches Set von verschiedenen entwicklungspoli-tischen Zielen, auf welche sich 189 Regierungen der Welt in 2000 geeinigt haben. Der Schwerpunkt der Milleniumsentwicklungsziele liegt auf der Bekämpfung der Armut, was mit Blick auf die neuen Leitli-nien leide nur in der Rhetorik zu finden ist. Es ist unser Eindruck, dass die Milleniumsentwicklungsziele durch die Landesregierung kurzerhand als Überschrift gewählt wurden, ein Durchdeklinieren einzelner Maßnahmen anhand der Milleniumsentwicklungsziele aber ausbleibt. Es fällt auf, dass ansonsten die Ausgestaltung der Leitlinien mit Blick auf globale Zusammenhänge vage bleibt, wohl Zielvorstellungen wie „Good Governance“ genannt werden, die Ebene effektiver Instrumente aber keine Berücksichti-gung findet.

Stattdessen wollen wir:• Einen klares Bekenntnis der EZ des Landes NRW zum Schwerpunkt der Armutsreduzierung im Sinne

der Milleniumsentwicklungsziele, dass auch anhand der Maßnahmen, der Förderkriterien und der Partnerländer/-regionen erkennbar ist.

• Die klimapolitischen Bemühungen des Landes NRW und des im Wirtschaftsministerium angesiedel-ten Klimaschutzbeauftragten des Landes NRW müssen mit der EZ verzahnt werden. Es muss deutlich betont werden, dass die CO-2 Produktion des Energiestandortes NRW sich zukünftig besonders nach-teilig auf Entwicklungsländern an Küsten, auf kleinen Inseln und in von Desertifizierung betroffenen Regionen auswirken wird. Dabei müssen die entstehenden Kosten international gerecht verteilt wer-den. Es ist daher auch eine entwicklungspolitisch relevante Forderung, dass die Menge der Emissi-onszertifikate konsequent verringert wird und der Emmissionshandel auf die Sektoren Industrie und Verkehr ausgedehnt wird.

• Alle Maßnahmen des Landes und der Institutionen, an denen das Land Anteile hält – zum Beispiel die West-LB – müssen sich einem entwicklungspolitischen Mainstreaming unterziehen. Dies bedeutet, dass die negativen Wirkungen z.B. einer Bürgschaft auf Armutsreduzierung geprüft und in den Ent-scheidungsprozess einbezogen werden.

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Zweitens: Zivilgesellschaft beteiligen - Zivilgesellschaft stärken

Die in den Leitlinien betonte Intensivierung der Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen ist eine Farce. Der Wegfall von Mitteln für die kommunale EZ, die ausgebliebene Partizipation von Nichtregierungsorganisationen bei der Formulierung der Richtlinien und die erhebliche Mitteleinspa-rung beim Promotorenprogramm offenbaren Geringschätzung gegenüber der Zivilgesellschaft.

Stattdessen wollen wir:• Die Beteiligung der zahlreichen in NRW ansässigen Nichtregierungsorganisationen aus Humanitärer

Hilfe, Partnerschaft, EZ und Wissenschaft in ihrer wertvollen Expertise und praktischen Erfahrung muss schon bei der Politikformulierung erfolgen. Diese Organisationen zu reinen Durchführen staat-lich bestimmter EZ zu degradieren würde diese in die Rolle funktionalen Dilettanten drängen. Auch darf der Wert von Initiativen und Engagement für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit in den Kommunen nicht unterschätzt werden.

• Wir wollen Netzwerke stärken, welche das bürgerschaftliche Engagement bündeln und koordinie-ren um die Wirkung zu erhöhen. Wir wollen, dass Bildungsarbeit und Kampagnenarbeit in entwick-lungspolitischen Themen von der Zivilgesellschaft getragen werden. Staatliche EZ braucht starke Zivilgesellschaft als Korrektiv. Deshalb wollen wir Netzwerke fördern und unterstützen, welche die zahlreichen Inititiativen und NROs bündeln und in den Dialog mit Politik und Wissenschaft führen.

• Wir wollen gleiche Beteiligungschancen für Initiativen und NROs. Unter Berufung auf das Prinzip „Starke stärken – schwache Schwächen“ wurde die Zustimmung der etablierten, konfessionellen Entwicklungshilfe-Organisationen in NRW zu den neuen Leitlinien erkauft. Nichts anderes passiert aber, wenn die administrativen Schwellen einer Förderung immer höher angesetzt werden. Lang-fristig setzen sich so nur etablierte und ressourcenstarke Initiativen durch. Wir wollen jedoch eine heterogene Landschaft erhalten.

Drittens: Bildungsarbeit ausbauen

Wir befinden uns zurzeit in der UN-Dekade für nachhaltige Bildung. Die Leitlinien des Landes versuchen diesem multilateralen Rahmen gerecht zu werden, leisten dies aber nicht durchgehend. Die Bedeutung des Promotorenprogramms für die regionale Bildungsarbeit ist nicht reflektiert. Darüber hinaus gibt es weitere Defizite.

Wir wollen:• Neben dem Bundesprogramm „weltwärts“ muss der „Konkrete Friedensdienst“ als NRW-Landespro-

gramm aufgrund seiner komparativen Vorteile erhalten bleiben und in stärkerer Zusammenarbeit mit Trägern der Jugendarbeit und Bildungseinrichtungen ausgebaut werden. Auch muss in Vor- und Nachbearbeitung entwicklungspolitischer Auslandseinsätze junger Menschen mehr Qualitätssi-cherung stattfinden. Das von Johannes Rau erdachte Konzept ermöglicht jungen Leuten aus unter-schiedlichsten Hintergründen entwicklungspolitische Primärerfahrungen und trägt somit zur brei-ten Bildung eines Bewusstseins für globale Kooperation bei. Es muss darauf geachtet werden, dass die Zielsetzung der Programme des globalen Lernens nicht zusehends nur noch auf die Vergrößerung des Bewerberpools des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und seiner Vorfeld-organisationen abstellt.

• Es ist nicht die vordringlichste Aufgabe, an Schulen des Landes Spenden für die Entwicklungszusam-menarbeit einzusammeln. Vordringlichste Aufgabe ist die Durchdringung der Lehrpläne an NRW-Schulen mit den Inhalten des globalen Lernens um die Vorgaben der UN Dekade für nachhaltige Bildung mit Wirkungskraft zu implementieren. Auch hier sind zivilgesellschaftliche Akteure einzube-ziehen.

Viertens: Konzentration auf die LDCs sicherstellen - EZ ist keine unmittelbare Wirtschaftsförderung

Mit Ghana strebt NRW ein Partnerschaftsabkommen zu den Bereichen Wirtschaft, Infrastruktur, Wis-senschaft, Bildung, Gender, Sport und Kultur an. Dazu sollen Einwanderer und die Wirtschaft einge-bunden werden und als ‚‘Brückenbauer‘‘ wirken. Ebenso soll das Partnerschaftsabkommen mit der süd-afrikanischen Provinz Mpumalanga fortgeführt werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Ländern, die weniger weit entwickelt sind, ist grund-sätzlich zu begrüßen. Hierbei ist aber zu beachten, dass mit Ghana und Südafrika zwei Partnerländer ausgewählt wurden, die innerhalb Subsahara-Afrikas in Sachen wirtschaftliche Dynamik und Regierungsführung zwei Spitzenwerte aufweisen.Wir wollen:- Die Entwicklungszusammenarbeit des Landes NRW soll auf Armutsreduzierung hinarbei-ten. Dabei

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sind besonders die am wenigsten entwickelten Länder einzubeziehen. Eine Konzentration auf be-stimmte Maßnahmen ist zweckmäßig, aber eine reine Zusammenarbeit mit bereits relativ weit entwi-ckelten Ländern ist bei weitem nicht ausreichend.• Entwicklungszusammenarbeit entspringt im Kern dem Prinzip internationaler Solidarität. Kein Geld, das zuvor für Bildungsarbeit und kleine Initiativen aufgewendet wurde, sollte nun für große wirtschaft-liche Player aufgewendet werden um ihre Kampagnen im Zuge der Corportate Social Responsibility zu unterstützen. Vielmehr ist es Anliegen der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit den mündigen Verbraucher zu schaffen, der Konzerne selbst zur wünschenswerten Corporate Social Responsibility zwingt.• Die Stärkung einzelner Standorte in NRW durch die Ansiedlung von Institutionen multilateraler Or-

ganisationen oder der Wissenschaft mag ein Anliegen der Landesregierung sein, kann aber nicht dem Politikfeld der Entwicklungszusammenarbeit zugeschrieben werden. Dies ist reine Wirtschafts-förderung einzelner Städte und dient kaum dem Ziel der Armutsreduzierung in unseren Partnerlän-dern.

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Beschluss E3

EU-Verfassung

Die Landeskonferenz möge beschließen, sich im Falle des Zustandekommens einer EU-Verfassung für eine Verfassung oder ein ähnliches Dokument ohne einen Gottesbezug einzusetzen.

Beschluss E4

Verbot von Streubomben

Die SPD-Bundestagsfraktion aufzufordern einen Antrag ins Plenum einzubringen, indem die Bundesre-gierung aufgefordert wird, jegliche Art von Streubomben, unabhängig von einer Fehlerquote, zu ächten und sich für ein für ein generelles Verbot jeglicher Streubomben auf EU-Ebene und internationaler Ebene bis spätestens 2009 einzusetzen. Des Weiteren soll die Bundesregierung aufgefordert werden, jeglichen Einsatz von Streubomben, unabhängig von einer Fehlerquote, durch die Bundeswehr sofort einzustellen.