LEBEN MIT DEM NEUEN ORGAN - Dialyse-Online · Herz Lunge Leber Nieren 347 198 9623 1.882 359 395...

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Informationsbroschüre für Patienten Organtransplantation LEBEN MIT DEM NEUEN ORGAN Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e.V.

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Organtransplantation

LEBEN MIT DEMNEUEN ORGAN

Bundesverband für

Gesundheitsinformation und

Verbraucherschutz

– Info Gesundheit e.V.

V O R W O R T

Die Organtransplantation ist im vergangenen Jahrzehnterwachsen geworden. Sie ist nicht länger sensationellesSchlagzeilenthema der Medizin, nunmehr ist sie einetabliertes, wenn auch weiterhin die Menschen tiefbewegendes Behandlungsverfahren. Eine Vielzahl vonMenschen, bei denen ein dauerhafter Ausfall derNierenfunktion die Lebensqualität schwer beeinträch-tigt oder deren sich abzeichnendes Versagen vonLeber, Herz oder Lunge ihr Leben bedroht, erhoffensich durch eine gelungene OrgantransplantationErleichterung und gesundes Weiterleben. Pro Jahr wer-den in Deutschland mehr als 2.300 Nieren, 600Lebern, 500 Herzen, 200 Bauchspeicheldrüsen und 100Lungen transplantiert. Etwa 90 Prozent aller Nieren-transplantate arbeiten bzw. 90 Prozent der Empfängervon Leber- und Herztransplantaten leben nach einemJahr und haben danach eine zufriedenstellendeLangzeitprognose. Die notwendige medikamentöseTherapie ist wirksam und verträglich und hat heutekeine absolut inakzeptablen Nebenwirkungen mehr.

Der medizinische Fortschritt in Technik, Organisation und medika-mentöser Therapie könnte Zufriedenheit aufkommen lassen, weil dieAussicht auf Erfolg, d.h. längerfristige Funktion des transplantiertenOrgans, ausgezeichnet ist, wenn da nicht ein schwerwiegendes „Aber“wäre. Die Grenze der Transplantationsmedizin wird heute ganz über-

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Professor Dr. med. Ulrich FreiDirektor der medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Intern. IntensivmedizinUniversitätsklinikum Charité CampusVirchow-Klinikum Berlin

wiegend vom Mangel an geeigneten Organen markiert und nicht vommedizinisch Machbaren. Trotz aller Bemühungen der vergangenenJahre, trotz Verabschiedung eines Transplantationsgesetzes stagnierendie Organspenderzahlen in Deutschland und bewegen sich im Vergleichzu einigen Nachbarländern auf einem enttäuschenden Niveau, wennman den Vergleich zu Österreich, Belgien oder Spanien heranzieht.Nimmt man die Daten dieser Länder, wäre eine Steigerung der Organ-transplantation in Deutschland um 50-100 Prozent noch möglich. Es istbislang der gesundheitlichen Aufklärung nicht gelungen, auch nur einenTeil der Bevölkerung dazu zu bringen, sich zu Lebzeiten über ihreBereitschaft Gedanken zu machen, nach dem Tode ein Organ zu spen-den. Kampagnen, die alle Bevölkerungsschichten erreichen, wie zurSchluckimpfung oder zur HIV-Aufklärung, lassen auf sich warten. Sobesteht nur vorsichtiger Optimismus, dass sich nun mit dem Abschlussder Verträge nach dem Transplantationsgesetz mit einer bundesweitenOrganspendeorganisation die Zahlen verbessern. Auf einem weiterenFeld gibt es ebenfalls Anlass zu Optimismus. Die Organspende vomLebenden, die bereits in der Nierentransplantation pro Jahr ca. 15 Pro-zent der Transplantationen ermöglicht, wird nun zunehmend auch einePerspektive in der Lebertransplantation, wo man gelernt hat, dass dieSpende eines Teils der Leber nicht nur für Kinder, sondern auch für Er-wachsene eine Alternative zum sicheren Tod sein kann. Hier darf manauf die ersten Ergebnisse gespannt sein.

Diese Broschüre soll dazu beitragen, dass betroffenePatienten, aber auch eine breitere Öffentlichkeit mehrerfahren über die Möglichkeiten der Organtransplanta-tion, über die damit verbundenen konkreten Frageninsbesondere auch zur Therapie und die mit ihrverknüpften Auswirkungen auf das Leben desPatienten. Damit soll die Hoffnung auf ein Organ ver-bunden werden mit der optimistischen Aussicht aufeinen guten Verlauf.

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HerzLunge

Leber Nieren

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L E B E N M I T E I N E M N E U E N O R G A N

Versagt ein lebenswichtiges Organ, bleibt oftmals als einzigeMöglichkeit die Transplantation eines Spenderorgans. Rund 4.000Menschen erhalten jährlich allein in Deutschland ein neues Organund damit die Chance, ihr Leben relativ beschwerdefrei zu gestal-ten. Für Dialyse-Patienten bedeutet eine neue Niere, dass sie wie-der unabhängig von medizinischem Gerät leben können und auchweniger auf die Ernährung achten müssen. Bei Herz- und Leber-patienten ist die Transplantation lebensrettend, denn medizinischeGeräte können die Funktion dieser Organe nur kurze Zeit überneh-men.

Doch auch nach der Transplantation müssen Patienten medizinischbetreut werden: Ein Transplantat bedeutet letztendlich die lebenslangeEinnahme von Medikamenten. Zwar wird per Computeranalyse fürjeden Patienten individuell das Spenderorgan ausgesucht, das am bes-ten passt. Abstoßungsreaktionen treten aber nur dann nicht auf, wennSpender und Empfänger so nahe verwandt sind wie eineiige Zwillinge.Alle anderen Organempfänger müssen so genannte immunsuppressiveMedikamente einnehmen, welche dafür sorgen, dass der Körper dasTransplantat akzeptiert.

Es gibt noch immer zu wenigSpenderorgane. Schwarz: Pa-tienten auf der Warteliste;gelb: transplantierte Organe(ohne Lebendspende) Daten Eurotransplant 2002

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E I N P I L Z B R I N G T D E N D U R C H B R U C H

Die Entdeckung immunsuppressi-ver Medikamente gehört zu dengrößten Errungenschaften im Be-reich der Transplantationsmedizin.Bereits um 1900 hatten Ärzte undForscher erste Erfahrungen in derTransplantationsmedizin gemacht.Drei Jahrzehnte feilten die Chirur-gen an Operationstechniken, bevorsie 1930 resigniert aufgaben. Zwarnahmen die meisten Transplantateihre Funktion auf, dann aber zerstörte „eine rätselhafte Krankheit“die neuen Organe bereits nach wenigen Wochen.

Erst 1940 begann man zu verstehen, dass das körpereigene Immunsys-tem das Transplantat abstieß. Es wurden Tests entwickelt, mit derenHilfe nun geeignete Spenderorgane ausgewählt werden konnten. DieImmunreaktionen gegen das Transplantat wurden zunächst durch Rönt-genstrahlungen und sehr hohe Dosen von Cortison bekämpft. DieKombination von Azathioprin, einer in den Zellstoffwechsel eingreifen-den Substanz, und Cortison machte dann ab Anfang der 70er Jahreeine klinische Transplantation möglich. Die Ergebnisse waren jedochunzureichend und die Risiken für die Patienten hoch. In den 70er Jah-ren wurde dann aus einem Pilz ein erster Vertreter einer neuen Klassevon Immunsuppressiva, nämlich das Ciclosporin, isoliert. Diese Sub-stanz greift in die Signalvermittlung in Immunzellen (Lymphozyten)ein. Damit konnten Abstoßungsreaktionen gezielter verhindert werden,ohne das gesamte Immunsystem in Mitleidenschaft zu ziehen. Wäh-rend vor der Entdeckung von Ciclosporin nur etwa die Hälfte der Trans-plantate nach einem Jahr noch funktionierte, liegt die Zahl heute beiüber 85 Prozent. Die Verfügbarkeit von Ciclosporin machte in den 80erJahren die weltweite Ausbreitung auch einer erfolgreichen Herz- undLebertransplantation möglich.

Der Pilz Tolypocladium inflatumGams enthält Ciclosporin.

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E I N E S C H W E R E E N T S C H E I D U N G

Seit der Entdeckung von Ciclosporin und der konsequentenWeiterentwicklung der immunsuppressiven Therapie durch dieEntdeckung weiterer hochwirksamer Medikamente können Ab-stoßungsreaktionen nun gut kontrolliert werden. Dennoch ist dieEntscheidung zur Transplantation für Patienten ein schwerer Schritt.

Denn obwohl Herz-, Leber- oderNierenpatienten oftmals über Jahrehinweg eine ständige Verschlech-terung ihres Gesundheitszustandesbemerkt und erlitten haben, istdoch der Moment, in dem der Arztzum ersten Mal die Möglichkeiteiner Transplantation zur Sprachebringt, ein Schock. Für vielePatienten ist es eine große Hilfe,mit bereits Transplantierten zusprechen. Am Ende der Broschüre

befinden sich Adressen von Selbsthilfeorganisationen, die kontak-tiert werden können.

Beim Abwägen des Für und Wider und der Frage nach dem richtigenZeitpunkt für eine Transplantation sollte aber beachtet werden, dassabhängig vom Organ meist einige Zeit vergeht – bei Nieren Jahre bisein geeignetes Spenderorgangefunden ist. Die Entscheidungsollte daher nicht allzu langeaufgeschoben werden. Je besserder Gesundheitszustand ist,desto besser übersteht einPatient die Operation und dieersten anstrengenden Wochendanach.

Hat sich der Patient zur Trans-plantation entschlossen, begin-

� Bluttests

� EKG

� Lungenfunktionstests

� Röntgen (Kopf, Oberkörper)

� Blutdruck

� EEG

� neurolog. Untersuchung

Zu den Untersuchungen vorder Transplantation gehören:

Angehörige sollten in die Ent-scheidungsfindung mit einbe-zogen werden.

Die „passende” Niere – Übereinstimmung der Gewebemerkmale zwischen Spender und Empfänger

3 Gewebemerkmalestimmen nicht überein.

– Nicht geeignet –

1.

2 Gewebemerkmalestimmen nicht überein.

– Geeignet mit Einschränkung –

2.

6 Gewebemerkmalestimmen überein.

– Besonders geeignet –

3.

nen zunächst umfangreiche medizinische Untersuchungen. Dazugehören Blutuntersuchungen, bei denen nicht nur die Blutgruppe, son-dern auch bestimmte Gewebemerkmale (die so genannte HLA-Typisierung) festgestellt werden. Bei der körperlichen Untersuchungwird neben dem Ausmaß der Grunderkrankung (also des Herz-, Leber-oder Nierenleidens) auch der allgemeine Gesundheitszustand dokumen-tiert.

Die Ergebnisse dieser ausführlichen Untersuchung wird der Arzt mitdem Patienten besprechen. Falls die Untersuchung ergeben hat, dasseine Transplantation sinnvoll und möglich ist, werden die Daten anEurotransplant weitergegeben. Es gibt jedoch auch Patienten, denenman von einer Transplantation abraten muss, weil die erhoffte Verbes-serung der Lebensqualität damit nicht erreicht werden kann oder weildas unmittelbare Risiko unvertretbar hoch ist.

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Entscheidend für eine erfolgreiche Transplantation ist eine möglichstgroße Übereinstimmung der Gewebemerkmale. Dies sind Oberflächen-strukturen, die sich auf den meisten Körperzellen finden. Das Immun-system kann anhand dieser Strukturen zwischen fremd und körperei-gen unterscheiden. Bei jedem Menschen können derzeit 6 bis 8 ver-schiedene Gewebemerkmale bestimmt werden.

D I E W A R T E L I S T E

Per Computer sucht nun Eurotransplant nach einem geeignetenSpender. Aus Sicht des Patienten bedeutet dies, dass je nach Organnun Tage, möglicherweise aber auch Jahre vergehen können, bis einpassendes Transplantat gefunden ist. Allerdings wird die Dringlich-keit berücksichtigt. Tritt also ein akuter Notfall ein, der eine baldigeTransplantation erforderlich macht, so wird dies im Computer ver-merkt.

Steht ein Patient auf der Warteliste, muss er Tag und Nacht erreichbarsein, da er sich gegebenenfalls in sehr kurzer Zeit in der Transplanta-tionsklinik einfinden muss. Ein Handy ist also ebenso wie eine für dieZeit des Klinikaufenthalts bereitgestellte Tasche empfehlenswert.

D E R A N R U F

Entnommene Organe sind nur begrenzt haltbar. Kommt der erwar-tete Anruf, dass ein Spenderorgan zur Verfügung steht, muss alles

sehr schnell gehen. DasTransplantationszentrumorganisiert meist die Fahrtzur Klinik. Die erste Fragewird aber immer die nach In-fektionen sein. Sollte derPatient zum Zeitpunkt desAnrufes erkrankt sein, musser dies dem Arzt umgehendmitteilen. Unter Umständenist eine Transplantation dannnicht möglich. Das Spender-organ kann in diesem Fall aneinen anderen Empfänger ver-mittelt werden.

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Herz oder Leber müssen innerhalbweniger Stunden transplantiert wer-den. Steht ein Organ zur Verfügung,muss sich der Patient schnellstmög-lich in die Klinik begeben.

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W E I T E R E U N T E R S U C H U N G E N

In der Klinik werden zunächst weitere Untersuchungen vorgenom-men. Die wichtigste ist eine neue Blutprobe, mit der die Verträg-lichkeit mit dem Spenderorgan festgestellt werden kann. DieseKreuzprobe zeigt nach drei bis sechs Stunden an, ob ein hohesAbstoßungsrisiko besteht. Ist dies der Fall, wird von einer Trans-plantation abgesehen.

Ungeachtet dessen laufen die Vorbe-reitungen für die Operation aufHochtouren. Wie bei jedem Eingriff,der unter Vollnarkose vorgenommenwird, klärt der Anästhesist denPatienten über Art und Dauer derBetäubung auf. Der Chirurg infor-miert über den Ablauf derOperation.

N A C H D E R O P E R A T I O N

Fast immer erwacht der Patient auf der Intensivstation. Dies hathauptsächlich zwei Gründe: Zum einen ist nach der Operation wienach jedem größeren Eingriff eine intensive Überwachung desGesundheitszustandes wichtig, zum anderen müssen nach einerTransplantation spezielle Hygienemaßnahmen eingehalten werden.Damit das körpereigene Immunsystem das transplantierte Organnicht wieder abstößt, werden immunsuppressive Medikamentemeist in einer Kombination von Cortison mit Ciclosporin (oderTacrolimus) und Azathioprin oder Mycophenolat verabreicht. DieDosierung ist in den ersten Tagen sehr hoch und der Patient damitbesonders anfällig für Infektionen.

Vor der Operation sindweitere Untersuchungennötig.

In der Zeit danach muss die Dosierung der immunsuppressivenTherapie individuell festgelegt werden. Das Risiko einer so genanntenakuten Abstoßung nimmt im Laufe der Zeit ab. So treten akute Organ-abstoßungen bei einer konsequenten immunsuppressiven Therapiezumeist nur in den ersten drei Monaten nach der Transplantation auf.Ein anderes Problem ist die chronische Abstoßung. Sie ist vereinfachtgesehen ein schnellerer Alterungsprozess des transplantierten Organs.Um diesen Prozess zu kontrollieren, ist eine niedrigere, aber dennochlückenlose Immunsuppression unabdingbar.

M E D I K A M E N T E

Während in der Zeit nach derTransplantation meist eine Kombi-nation hoch dosierter immunsup-pressiver Medikamente gegebenwird, kann die Therapie im Laufeder Zeit oft auf ein niedriger dosier-tes Arzneimittel reduziert werden.Dieses muss nun konsequent undstreng nach ärztlicher Anleitungeingenommen und kontrolliert wer-den. Jede Abweichung erhöht dasRisiko einer akuten oder chroni-schen Abstoßung.

CiclosporinImmer noch am häufigsten wird Ciclosporin als Basismedikamenteingesetzt. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen wirkt es sehrspezifisch: Der Wirkstoff verhindert Abstoßungsreaktionen, ohnedas gesamte Immunsystem in Mitleidenschaft zu ziehen. Zumanderen gehört es zu den am besten untersuchten Immunsuppres-siva, vor allem, was die Langzeitentwicklung transplantierterOrgane betrifft. Da Ciclosporin (Sandimmun) seit 1980 auf dem

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Medikamente – ein ständiger Begleiter.

Hemmung durch Ciclosporin

Hemmung der Freisetzung von T-Zell-Botenstoffen

Ausschüttung von T-Zell-Botenstoffen

AktivierungandererImmunzellen

Mechanismus der Abstoßungsreaktion und die Verhinderung durch Ciclosporin

1.

2.

Ciclosporin

Legende

körperfremde Zelle

T-Zelle

Immunzelle

ZellzerstörendeSubstanzen

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Bei Abstoßungsreaktionen erkennen besondere Immunzellen, die T-Zel-len, das fremde Organ anhand von Gewebemerkmalen und binden andiese. Das führt zu einer Aktivierung der T-Zelle, das heißt, sie schüt-tet bestimmte Botenstoffe aus, die wiederum anderen Immunzellen dasSignal geben, die betreffende Zelle zu zerstören. Ciclosporin wirkt aufdie T-Zelle. Der Pilzwirkstoff verhindert die Ausschüttung von Boten-stoffen, die andere Immunzellen aktivieren.

Markt ist, konnte die Wirksamkeit über einen sehr langen Zeitraumbeobachtet und weiter verbessert werden. Zudem bestehen guteKenntnisse über die akuten und langfristigen Nebenwirkungen.

Die Verbesserungen betreffen vor allem das Problem der Wirkstoffauf-nahme. Ciclosporin ist eine fettlösliche Substanz, was einige Besonder-heiten mit sich bringt. Wie viel vom Wirkstoff bei der Einnahme tat-sächlich ins Blut überging, schwankte zum Teil ganz erheblich – es warzum Beispiel abhängig vom Fettgehalt der Nahrung. Sinkt aber derWirkstoffgehalt im Blut, steigt durch diese Lücke in der Immunsuppres-

sion das Risiko vor allem chronischer Abstoßungsreaktionen. Dies führtletztendlich dazu, dass die Zeit, die das Transplantat funktioniert, un-nötig verkürzt ist. Das Problem konnte durch eine veränderte Zuberei-tung (Sandimmun Optoral) gelöst werden, die eine höhere Therapie-sicherheit gewährleistet.

Mittlerweile sind kostengünstige-re Nachahmerpräparate(Generika) auf dem Markt, dieauch den Wirkstoff Ciclosporinenthalten. Solche Substanzensollten jedoch nur angewandtwerden, wenn ihre Vergleich-barkeit unter verschiedenenBedingungen (Alter, Grund-erkrankung, Begleiterkrankungen,Zusammenwirken mit anderenMedikamenten) bei Patientennachgewiesen ist. Da jedeAbweichung vom individuellfestgelegten Therapieplan das

Risiko einer Abstoßungsreaktion erhöht, darf ein Wechsel der Präparatenur unter strenger medizinischer Kontrolle erfolgen.

Grundsätzlich sollte nie das Risiko medizinischer Komplikationenzugunsten finanzieller Erwägungen, wie Einsparungen imGesundheitswesen, eingegangen werden, bevor eine vergleichbareTherapiesicherheit bewiesen ist.1

TacrolimusDieser Wirkstoff greift in ähnlicher Weise wie Ciclosporin in dasImmunsystem ein. Auch bezüglich der Nebenwirkungen wie Beein-trächtigung der Nierenfunktion sind sich beide Wirkstoffe ähnlich.Kleinere Unterschiede bestehen hinsichtlich des Blutdruckverhal-

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1Ein Faltblatt (Original- und Nachahmerpräparate – „critical-dose-Medikamente“) zu dieserProblematik erhalten Sie beim BGV.

Bei Auswahl und Wechsel zwi-schen wirkstoffgleichen Medika-menten müssen Sicherheit undWohlergehen des Patienten imVordergrund stehen.

tens und der Beeinflussung des Fettstoffwechsels. Einige neurologi-sche Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen undZittern treten hingegen verstärkt unter Tacrolimus-Medikation auf.Zu erwähnen ist auch ein diabetogener Effekt. Tacrolimus ist seit1995 erhältlich.

CortisonCorticosteroide werden seit langem in der Transplantationsmedizineingesetzt. Neben einer leichten immunsuppressiven Wirkung verhin-dern sie vor allem durch ihre entzündungshemmende Wirkung dieGefahr einer Abstoßung. Zumeist werden in der ersten Zeit nach derTransplantation hohe Dosierungen eingesetzt, die später gesenkt wer-den bzw. auf die später teilweise ganz verzichtet werden kann.

AzathioprinAzathioprin ist ein Präparat der ersten Stunde. Seine immunsup-pressive Wirkung ist jedoch verglichen mit anderen Immunsuppres-siva eher gering und unspezifisch. Als so genannter Antimetabolithemmt es die Vermehrung von Zellen und damit auch von weißenBlutkörperchen, welche die Immunabwehr steuern. Als Nebenwir-kungen können daher schwere Störungen im Immunsystem (drasti-sche Abnahme der weißen Blutkörperchen) und damit ein erhöhtesInfektionsrisiko auftreten. Es wird häufig in der Kombinations-therapie mit Ciclosporin einge-setzt.

MycophenolatDer Wirkstoff greift ebenfalls indie Stoffwechselschritte zurLymphozytenvermehrung einund verhindert ähnlich wieAzathioprin die Vermehrungweißer Blutkörperchen, ist aberspezifischer. Mögliche Neben-wirkungen bei der Anwendungvon Mycophenolat sind Be-schwerden im Magen- und

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Regelmäßige Blutkontrollenhelfen, die Medikamenteexakt zu dosieren.

Darmbereich, heftige Übelkeit und Durchfälle. Ein Magensaft resi-stentes Mycophenolsäure-Präparat, das den Wirkstoff erst imDünndarm freisetzt, ist derzeit bereits über die internationaleApotheke erhältlich.

AntikörperEs gibt mittlerweile verschiedene Antikörper, die sich gegen die beiAbstoßungsreaktionen beteiligten Immunzellen (Lymphozyten)richten und diese unschädlich machen. Abhängig vom Produk-tionsverfahren und der Zielrichtung verursachen diese Antikörperstärkere oder geringere Nebenwirkungen. Die Medikamente werdenaber hauptsächlich zur Verhinderung und Behandlung akuterAbstoßungsphasen eingesetzt.

D I E N A C H S O R G E

In der Regel müssen Patienten noch zwei bis drei Tage auf der In-tensivstation bleiben. Hier wird überwacht, ob das transplantierteOrgan seine Funktion aufnimmt. Bei Nierentransplantation kann esallerdings zwei bis drei Wochen dauern, bis das Organ richtigarbeitet. Dies sagt aber nichts über seine zukünftigeFunktionsfähigkeit aus.

Möglichst bald nach derOperation sollte der Patientaufstehen und – auch wenn eszunächst noch schwer fällt undschmerzhaft ist – ein paarSchritte gehen. Die Bewegunghilft, dem Risiko einerThrombose oder Lungenent-zündung vorzubeugen. Nacheinigen Tagen erfolgt zumeisteine Verlegung von der

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Sobald wie möglich sollte derPatient wieder aufstehen.

Intensivstation auf die nor-male Transplantationsstation.

Die nun folgenden Tage undWochen werden genutzt, umdie optimale Dosierung derimmunsuppressivenMedikamente individuell anden Einzelnen anzupassen.Daher wird der Blutspiegelvor allem in der ersten Zeitintensiv überwacht. Währendder Zeit der Genesung lerntder Patient auch, nach undnach Teile seiner Behandlungselbst zu übernehmen bzw.Verantwortung für dieTherapie zu tragen. Dazugehört u.a. die pünktlicheund exakte Einnahme der Me-dikamente – ansonsten würdeder langfristige Erfolg derTransplantation gefährdet.

Insbesondere muss derOrganempfänger in der Lagesein, Anzeichen einesAbstoßungsprozesses schnell

zu erkennen. Im Transplantationszentrum erhält der Patient ein sogenanntes Bilanzheft; in dieses werden regelmäßig relevante Werte wieBlutdruck, Puls, Temperatur und Gewicht eingetragen. Die Nachsorge-untersuchungen werden vom Transplantationszentrum festgelegt undsind unbedingt einzuhalten. Oftmals wird der Hausarzt in die Nachsor-ge eingebunden.

Wichtig ist für den Patienten auch, dass er bestimmte Hygienemaßnah-men einhält. Die immunsuppressiven Medikamente können zwar im

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Mögliche Anzeichen einesAbstoßungsprozesses

allgemein

� Müdigkeit, Abgeschlagenheit� Blutdruckanstieg� Schmerzen im

Transplantatbereich� Vergrößerung des

Transplantats� Gewichtszunahme� Beinschwellung auf der Seite

des Transplantats� Fieber

bei Nierentransplantation

� Abnahme der Urinmenge

bei Lebertransplantation

� Gelbfärbung der Haut oder der Augen

� heller Stuhlgang, dunkler Urin

Laufe der Zeit reduziert werden. Aber auch die geringere Dosis bewirkteine gewisse Anfälligkeit für Infektionen. Daher sollte der Patient daraufachten, dass er sich nicht leichtsinnig einer Ansteckungsgefahr aus-setzt. Unter einer immunsuppressiven Behandlung können selbst einfa-che Kinderkrankheiten wie z.B. Windpocken schwerwiegende Folgenhaben. Ansonsten kann der Patient die durch die Transplantationgewonnene Lebensqualität genießen.

N E U E L E B E N S Q U A L I T Ä T

BerufTransplantationspatienten können zumeist nach einigen Wochenoder Monaten der Schonung wieder in den Beruf zurückkehren.Allerdings sollten keine allzu schweren körperlichen Arbeiten ver-richtet werden. In manchen Fällen ist daher eine Umschulung sinn-voll. Rehabilitationszentren und Sozialdienste beraten in diesenFragen.

Sexualität und KinderwunschDas oftmals durch Nieren-, Leber- oder Herzerkrankungen einge-schränkte Sexualleben normalisiert sich nach der Transplantation

wieder. Grundsätzlichspricht auch nichtsgegen eine Schwanger-schaft, vorausgesetzt,das Organ arbeitet sta-bil und der Gesund-heitszustand ist gut.Um dies abzuklären,sollte der Kinder-wunsch mit dembehandelnden Arztbesprochen werden. Be-fürchtungen, das Un-

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Grundsätzlich kann eine transplantierteFrau ein Kind bekommen. Eine Schwanger-schaft im ersten Jahr nach der Transplanta-tion sollte jedoch vermieden werden.

geborene könnte durch die immunsuppressiven Medikamentegeschädigt werden, sind unbegründet.

Falls kein Kinderwunsch besteht, sollten Frauen die Empfängnisver-hütung mit dem Arzt besprechen. Wegen eines möglichen negati-ven Effektes auf die Leber und den Blutdruck wird von derAntibabypille zumeist abgeraten. Die Spirale kann wegen der oftdamit verbundenen erhöhten Entzündungsgefahr nicht empfohlenwerden.

ReisenFür viele Patienten ist dieMöglichkeit, wieder reisenzu können, ein Stück wie-dergewonnene Lebens-qualität. Aber auch eineReise sollte zuvor mitdem Transplantationsarztbesprochen werden. Einegroßzügige Reserve anMedikamenten und einmöglicher unerwarteterZwischenfall müssen indie Planung mit einbezo-gen werden.

Reisen in Gebiete mit einem hohen Infektionsrisiko (Malaria, Cholera)sind nicht empfehlenswert. Treten starke Durchfälle auf, ist immer auchdie Aufnahme der Medikamente gefährdet. Bei Reisen in die Sonnesollte beachtet werden, dass einzelne Medikamente die Empfindlichkeitder Haut gegenüber der Sonne erhöhen. Zudem ist mit der Einnahmevon Immunsuppressiva ein höheres Risiko verbunden, an Hautkrebs zuerkranken.

ErnährungGrundsätzlich muss keine Diät eingehalten werden. Vorsicht istlediglich bei Grapefruits geboten. Diese enthalten Substanzen,

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Endlich wieder Urlaub – wichtigist aber eine gute Vorbereitungder Reise.

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welche die Aufnahme von Ciclosporin hemmen. Bei der Nahrungs-zubereitung sollte auf größtmögliche Hygiene geachtet werden. Dasheißt, Obst und Gemüse möglichst schälen oder zumindest sehrgründlich waschen.

Auf Salate und Obst, das (wie zum Beispiel Erdbeeren) am Bodenwächst, muss im ersten halben Jahr nach der Transplantation ver-zichtet werden. Das Risiko, mit Keimen aus dem Erdboden infiziertzu werden, ist zu groß. Tabu sind auch rohes Fleisch oderRohmilch.

SportSportliche Aktivitäten sind erwünscht – sie fördern die Gesundheit.Extreme Belastungen sollten jedoch vermieden werden, ebenso wieSportarten mit einer hohen Verletzungsgefahr wie beispielsweiseFußball oder Kampfsportarten. Ideal sind Wandern oderFahrradfahren.

HygieneGerade in den ersten sechs Monaten nach der Transplantation mussganz besonders auf die Hygiene geachtet werden, um Infektionen zuvermeiden. Dazu gehört selbstverständlich eine sorgfältige Körperhy-giene.

Regelmäßige leichte sportliche Betätigungen wie radfahren oderwandern sind für Transplantierte ideal.

Der Kontakt zu erkälteten oderan einer Infektion erkranktenPersonen sollte vermieden wer-den.

Auch Haustiere sollte man mög-lichst nicht anschaffen: Katzenkönnen Toxoplasmose überihren Kot übertragen, Papageieneine besonders schwere Formder Lungenentzündung.

Vorsicht ist auch bei Zimmerpflanzen geboten. Oftmals enthält dieBlumenerde Pilzkulturen. Wer hier auf Nummer sicher gehen will, sollteauf Hydrokultur umsteigen.

W O R A U F P A T I E N T E N A C H T E N M Ü S S E N

Regelmäßige Einnahme der Medikamente

Fieber- und Blutdruckkontrolle

Funktion des Transplantats prüfen

Dosierung der Medikamente kontrollieren und gegebenenfalls inAbsprache mit dem Arzt korrigieren

Komplikationen frühzeitig erkennen

Hygiene und Infektionsschutz

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Den Umgang mit einem Haustiersollte man mit seinem Arztbesprechen.

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L I T E R A T U R

Die Lebertransplantation – Informationsbroschüre für Patienten und AngehörigeMartina Sterneck, Pabst, ISBN 3-934252-06-0

Lebertransplantation – Wissenswertes für Patienten und AngehörigeAngelika und Bernd Markus, Pabst, ISBN 3-931660-02-8

Unternehmen LTX – Erfahrungen – Gedanken –Informationen mit und zu einer LebertransplantationJutta Alders, Pabst, ISBN 3-934252-00-1

Jetzt ist’s ein Stück von mir – Alles über OrgantransplantationenSybille Storkebaum, Kösel, ISBN 3-466-30434-2

Leben mit der neuen Niere – Ein Ratgeber für Patientenvor und nach der TransplantationKurt Dreikorn, Pabst, ISBN 3-928057-37-5

Transplantation – Leben durch fremde OrganeEckhardt Nagel, Petra Schmidt, Springer Verlag, ISBN 3-540-60525-8

Herzwechsel – Ein ErfahrungsberichtPeter Cornelius Claussen, Carl Hanser Verlag, ISBN 3-446-18524-0

Zaungasterinnerungen – Geschichte einer HerztransplantationUrsula Drumm, Buchverlag Norbert Drumm, ISBN 3-9804271-0-2

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A D R E S S E N

Arbeitsgruppe Organspende e.V. (AGO)Ameranger Straße 6, 83129 HöslwangTel.: 08055-336, Fax: 08055-8877, www.a-g-o.de

Bundesverband der Organtransplantierten e.V. (BDO)Paul-Rücker-Straße 20, 47059 DuisburgTel.: 0203-44 20 10, Fax: 0203-44 21 27, www.bdo-ev.de

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)Ostmerheimer Straße 220, 51101 KölnTel.: 0221-89 92-0, Fax: 0221-89 92-257, www.bzga.de

Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)Emil von Behring-Passage, 63263 Neu-IsenburgTel.: 06102-30 08-0, Fax: 06102-30 08-188, www.dso.de

Deutsche Herzstiftung e.V.Vogtstraße 50, 60322 Frankfurt a. MainTel.: 069-95 51 28-0, Fax: 069-95 51 28-313, www.herzstiftung.de

Deutsche Leberhilfe e.V.Luxemburgerstr. 150, 50937 Köln Tel.: 0221-28 299-80, Fax: 0221-28 299 81, www.leberhilfe.org

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A D R E S S E N

Deutsche Lungenstiftung e.V.Herrenhäuser Kirchweg 5, 30167 HannoverTel: 0511-21 55 110, Fax: 0511-21 55 113, www.lungenstiftung.de

Deutsche Nierenstiftung e.V.Postfach 3,69491 Hirschberg, Tel: 06 201-599 533, Fax: 06201-599 535, www.mannheim.de/nierenstiftung/

Deutsche Transplantationshilfe e.V.Postfach 1318, 29503 UelzenTel.: 0800-947 53236 (0800-wir leben), Fax: 05873-9 80 00 04www.transplantationshilfe.de

Dialysepatienten Deutschlands e.V. (DD)Weberstraße 2, 55130 MainzTel.: 06131-8 51 52, Fax: 06131-83 51 98, www.dialysepatienten-deutschland.de

Gemeinnützige Interessengemeinschaft Organspende e.V.Bruchweg 22, 34369 HofgeismarTel.: 05671-509724, Fax: 05671-509725, www.gios-organspende.de

Kuratorium Nierentransplantation (KFH)Martin-Behaim-Straße 20, 63263 Neu-IsenburgTel.: 06102-659-0, fax: 06120-359-344, www.kfh-online.de

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A D R E S S E N

Selbsthilfe Lebertransplantierter Deutschland e.V.Karlsbader Ring 28, 68782 Brühl Tel.: 06202-702613, Fax. 06202-702614www.lebertransplantation.de

Verband Organtransplantierter Deutschlands e.V. (VOD)Georgstraße 11, 32545 Bad Oeynhausen Tel. 05731-97 22 46, Fax 05731- 97 22 61, www.vod-ev.de

Diese Broschüre wurde überreicht von:

Abdruck, auch auszugsweise, nur mitGenehmigung des Herausgebers.ISBN 3 - 931281 - 16 - 7

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Bundesverband für Gesundheitsinformation undVerbraucherschutz – Info Gesundheit e.V.Geschäftsführer: RA Erhard HacklerGotenstraße 164 • 53175 BonnTel.: 0228/93 79 950 • Fax: 0228/3 67 93 90Internet: www.bgv-transplantation.de