Lebenserfahrung – Impulse für den Arbeitsalltag · für die Ausübung des Berufes wichtig sind,...

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142 Gesundheitsmanagement in der Praxis Jörg Funck, Bereichsleiter Personal der Provinzial Rheinland, Marita Krüssel, Gesundheitsmanagerin der Provinzial Rheinland; Prof. Dr. Una M. Röhr-Sendlmeier, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Psychologie, Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie Lebenserfahrung – Impulse für den Arbeitsalltag Zusammenfassung „Lebenserfahrung – Impulse für den Arbeitsalltag“ (kurz „LIA“) heißt das neue Programm, das die Provinzial Rheinland gemeinsam mit der Universität Bonn im Rahmen eines Forschungsprojekts erfahrenen Mitarbeitern 50+ anbietet. Es handelt sich hierbei nicht um eine fachspezifische Qua- lifizierung. Im Fokus steht die Förderung der Selbstwirksamkeits- und Kompetenzerwartung jedes Einzelnen. Die individuelle Aktivierung wird durch Gedächtnis- und Kompetenztraining, ergänzt durch ein Stressbewältigungsmodul erreicht. Als ganzheitliches Training konzipiert, greifen infor- mierende Elemente und praktische Übungen ineinander. Die Teilnehmer werden sich ihrer bereits vorhandenen Kompetenzen und Stärken – beruflich oder privat – bewusst. Hierdurch soll sich die subjektive Zufriedenheit vergrößern und das berufliches Engagement erhöhen. Die Universität führt dieses Programm mit verschiedenen Unternehmen durch. Aus den gesammel- ten Studienerfahrungen möchte die Provinzial Rheinland als übergeordnetes Ziel Prinzipien gelin- gender Weiterbildungsmaßnahmen für erfahrene Mitarbeiter ableiten. Warum das Ganze? Für ein Unternehmen, das stolz auf bald 180 Jahre Tradition zurückblicken kann, stellt der demo- graphische Wandel eine ganz besondere Herausforderung dar. Geringe Fluktuation und lange Be- triebszugehörigkeiten zeigen, dass sich die Belegschaft mit dem Unternehmen identifiziert. Jedoch rücken Fachkräftemangel und späterer Rentenbeginn den Erhalt von Arbeitsleistung und Motivation in einen besonderen Fokus. „Wir investieren in engagierte und kompetente Mitarbeiter.“ Mit dem 2014 veröffentlichten Leitbild und der Personalstrategie hat sich die Provinzial Rheinland klar positioniert: Als serviceorientierter Versicherer sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. „Der Erhalt der Leistungsfähigkeit und die individuelle Förderung sind wichtige Bestandteile der nachhal- tigen Personalarbeit“, sagt Personalchef Jörg Funck.

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Gesundheitsmanagement in der Praxis

Jörg Funck, Bereichsleiter Personal der Provinzial Rheinland, Marita Krüssel, Gesundheitsmanagerin der Provinzial Rheinland; Prof. Dr. Una M. Röhr-Sendlmeier, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Psychologie, Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie

Lebenserfahrung – Impulse für den Arbeitsalltag

Zusammenfassung

„Lebenserfahrung – Impulse für den Arbeitsalltag“ (kurz „LIA“) heißt das neue Programm, das

die Provinzial Rheinland gemeinsam mit der Universität Bonn im Rahmen eines Forschungsprojekts

erfahrenen Mitarbeitern 50+ anbietet. Es handelt sich hierbei nicht um eine fachspezifische Qua-

lifizierung. Im Fokus steht die Förderung der Selbstwirksamkeits- und Kompetenzerwartung jedes

Einzelnen. Die individuelle Aktivierung wird durch Gedächtnis- und Kompetenztraining, ergänzt

durch ein Stressbewältigungsmodul erreicht. Als ganzheitliches Training konzipiert, greifen infor-

mierende Elemente und praktische Übungen ineinander. Die Teilnehmer werden sich ihrer bereits

vorhandenen Kompetenzen und Stärken – beruflich oder privat – bewusst. Hierdurch soll sich die

subjektive Zufriedenheit vergrößern und das berufliches Engagement erhöhen.

Die Universität führt dieses Programm mit verschiedenen Unternehmen durch. Aus den gesammel-

ten Studienerfahrungen möchte die Provinzial Rheinland als übergeordnetes Ziel Prinzipien gelin-

gender Weiterbildungsmaßnahmen für erfahrene Mitarbeiter ableiten.

Warum das Ganze?

Für ein Unternehmen, das stolz auf bald 180 Jahre Tradition zurückblicken kann, stellt der demo-

graphische Wandel eine ganz besondere Herausforderung dar. Geringe Fluktuation und lange Be-

triebszugehörigkeiten zeigen, dass sich die Belegschaft mit dem Unternehmen identifiziert. Jedoch

rücken Fachkräftemangel und späterer Rentenbeginn den Erhalt von Arbeitsleistung und Motivation

in einen besonderen Fokus.

„Wir investieren in engagierte und kompetente Mitarbeiter.“ Mit dem 2014 veröffentlichten Leitbild

und der Personalstrategie hat sich die Provinzial Rheinland klar positioniert: Als serviceorientierter

Versicherer sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. „Der

Erhalt der Leistungsfähigkeit und die individuelle Förderung sind wichtige Bestandteile der nachhal-

tigen Personalarbeit“, sagt Personalchef Jörg Funck.

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Dies gilt selbstverständlich für alle Mitarbeiter und in Zeiten des demographischen Wandels insbe-

sondere für Mitarbeiter und Führungskräfte 50+. Weiterbildung soll und darf nicht jenseits der 50

aufhören.

Rund 40 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Provinzial Rheinland sind über 50 Jahre

alt und prägen damit erheblich das Unternehmen. Ihr Wissen und ihre Leistung gilt es für das Unter-

nehmen zu erhalten. Dabei ist Weiterbildung ein wichtiger Aspekt zur Motivation, Förderung und

Stärkung. Analysen und Erfahrungen zeigen, dass insbesondere Mitarbeiter 50+ hohe Ansprüche

an ein Weiterbildungsprogramm stellen, das sie persönlich weiterbringen soll.

Auf der Suche nach einem passgenauen Angebot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 50+, das

motiviert mitzumachen und die Eigenverantwortung jedes Einzelnen stärkt, ist die Kooperation mit

dem Institut für Psychologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zustande gekommen.

Was ist „LIA“?

„Lebenserfahrung – Impulse für den Arbeitsalltag“ (kurz „LIA“) heißt das Programm, das die Uni-

versität Bonn entwickelt hat und das die Provinzial Rheinland nun zusammen mit der Universität im

Rahmen eines Forschungsprojekts erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 50+ anbietet. Für

Marita Krüssel, Gesundheitsmanagerin der Provinzial Rheinland, ein Programm mit hoher Relevanz

und Mehrwert: Es zielt darauf ab, das berufliche Selbstvertrauen zu fördern und individuelle Kom-

petenzen bewusst zu machen.

Dabei geht es um drei Leitfragen:

» „Wie kann ich Stress effektiv bewältigen?“

» „Wie kann ich meine geistige Fitness in Alltag und Beruf erhalten?“

» „Wo liegen meine persönlichen Stärken?“

Das Besondere an diesem Programm ist, dass es ausdrücklich nicht nur die Fähigkeiten schult, die

für die Ausübung des Berufes wichtig sind, sondern dass die Teilnehmer auch persönlich von den

einzelnen Elementen profitieren. So soll der Einzelne Antworten auf die oben genannten Fragen

finden und sich seiner Kompetenzen und Stärken – beruflich und privat – bewusst werden.

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Es soll die subjektive Zufriedenheit der Teilnehmer vergrößern und ihr berufliches Engagement erhö-

hen. Dazu greifen in dem ganzheitlichen Training informierende Elemente und praktische Übungen

ineinander. Durch kurze theoretische Einführungen in die jeweiligen Themengebiete erlangen die

Mitarbeitenden wichtiges Hintergrundwissen für anschließende praktische Übungen, die zusam-

men in der Gruppe durchgeführt werden. Spielerisch wird etwas für die geistige und körperliche

Gesundheit getan: egal, ob beim Erlernen eines Strategiespiels, beim Konzentrationstraining, den

Entspannungs- oder Koordinationsübungen. Immer wird vor allem Wert darauf gelegt, dass die

Teilnehmer das nötige Handwerkszeug erlangen, um die kurzen Übungen auch jederzeit außerhalb

des Kurses, am Arbeitsplatz oder zu Hause, durchführen zu können.

Das Trainingsprogramm erstreckt sich in wöchentlichen Einheiten von 2,5 Stunden über insgesamt

15 Wochen. Zu Beginn und am Ende der Reihe absolvieren die Teilnehmer einen Test bezüglich

ihrer geistigen und körperlichen Fitness; außerdem wird eine Kontrollgruppe, die an dem Programm

nicht teilgenommen hat, „getestet“. Ein Vergleich der Ergebnisse wird Aufschluss über den Erfolg

von „LIA“ geben.

Wie sind die ersten Erfahrungen?

An dem Programm haben bei der Provinzial Rheinland 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 50+

teilgenommen. Die Mischung aus Theorie und Praxis wurde von den Beteiligten als sehr abwechs-

lungsreich empfunden.

Ein Teilnehmer berichtet: „Ich hatte vor der ersten Sitzung ein komisches Gefühl, an einem ‚Ü-

50-Seminar‘ teilzunehmen“. Während der Weiterbildungsmaßnahme wurde jedoch die Altersho-

mogenität der Gruppe bei den Gedächtnis- und Konzentrationsübungen von vielen als angenehm

empfunden, denn mit 50+ lernt es sich eben anders als mit 20. Gerade in Gruppen mit gleicher

Altersstruktur kann ein intensiver Austausch über den beruflichen Werdegang und mögliche Pers-

pektiven stattfinden. So sind dann auch die Rückmeldungen sehr positiv. Die Teilnehmer fühlen sich

motiviert „Dinge zu machen, die man sonst nicht mehr machen würden“. Gleichzeitig sind sich die

„LIA“-Teilnehmer aber einig, dass Inhalte wie Stressmanagement und Selbstreflektion jeden etwas

angehen, egal ob die 50-jährige Mitarbeiterin oder den 20-jährigen Azubi.

Letztlich soll „LIA“ auch dem Unternehmen nutzen und wird durch das Gesundheitsmanagement

und die Personalabteilung der Provinzial Rheinland eng begleitet. Der Systematik der kontinuierli-

chen Verbesserung folgend wird der PDCA-Zyklus angewandt. So wurde nach einer gemeinsamen

Planung (Plan) und ersten Durchführung des Seminars (Do) durch Gruppeninterviews und wissen-

schaftliche Untersuchungen (Check) erforscht, welche Weiterbildungsbausteine für die Zielgruppe

50+ geeignet sind und welche ihnen gut tun.

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In einem gemeinsamen Workshop stellten die Trainerinnen erste Ergebnisse der Studie vor. Gemeinsam

mit Unterstützung von Psychologen und Personalentwicklern der Provinzial Rheinland wurde die Über-

tragbarkeit des speziellen Programms (Act) auf das allgemeine Weiterbildungsprogramm diskutiert.

Abbildung 1: Die Stroop-Task als Beispiel einer Konzentrationsübung.

Gehen Sie die Tabelle spaltenweise durch und nennen Sie dabei so schnell wie möglich die Farben der Wörter.

Wichtig: Sie sollen nicht die Wörter selbst vorlesen, sondern nur die Schriftfarben nennen.

Das traue ich mir zu

Besonders das Besinnen auf Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nicht nur durch berufliche Tätigkei-

ten, sondern sozusagen durch Lebenserfahrung erlangt wurden, führte bei den Teilnehmern zu sehr

positiver Resonanz und zu gesteigertem Selbstwertgefühl. Unsere erfahrenen Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter genossen den Rückblick auf bereits Geleistetes und Erreichtes. Eine Teilnehmerin berich-

tete: „Ich fühle mich nicht zum alten Eisen zugehörig. Ich traue mir noch einmal etwas Neues zu.“

Manch Teilnehmer stellt sich nun sogar neuen beruflichen Herausforderungen innerhalb des Hauses.

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Wie geht es weiter?

Aus wissenschaftlicher Sicht wird es zu einer Erweiterung des Testfeldes kommen. Die Universität

Bonn führt das Programm auch in 2016 fort und wird „LIA“ in unterschiedlichen Unternehmen

durchführen. Die Ergebnisse werden durch die Universität Bonn wissenschaftlich ausgewertet; mit

den Ergebnissen der Trainings aus 2015 ist im Frühjahr 2016 zu rechnen. Prof. Dr. Una M. Röhr-

Sendlmeier, Uni Bonn, ist für das Programm verantwortlich und berichtet: „Als Universität ist es uns

ein besonderes Anliegen, unsere Trainings wissenschaftlich zu evaluieren. Wir können zeigen, dass

die Teilnehmer nach Ende des Trainings gesünder mit berufsbezogenen Anforderungen umgehen

und es schaffen, ihre kognitive Leistungsfähigkeit nachhaltig zu steigern.“

Durch den Dialog von Wissenschaft und Wirtschaft wünscht sich die Provinzial Rheinland neue

Impulse für das Weiterbildungsprogramm. So wird die Suche nach passgenauen Weiterbildungs-

möglichkeiten weitergehen. Für die Zielgruppe 50+ ist die Provinzial Rheinland mit „LIA“ einen

entscheidenden Schritt weiter gekommen.

Die positiven Erfahrungen der Trainerinnen und Teilnehmer führen dazu, dass unabhängig von der

wissenschaftlichen Auswertung zumindest für das Jahr 2016 „LIA“ mit zwei Seminarreihen Be-

standteil des Weiterbildungsprogramms der Provinzial Rheinland wird.

Aus den gesammelten Studienerfahrungen möchte die Provinzial Rheinland als übergeordnetes Ziel

Prinzipien gelingender Weiterbildungsmaßnahmen für erfahrene Mitarbeiter ableiten. Was letzt-

endlich daraus abgeleitet wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch vollkommen ergebnisoffen: ein

neues Seminar, eine Seminarreihe oder eine längerfristige Fortführung von „LIA“. Ziel ist es, ein

Seminar zu entwickeln, in dem sich die Zielgruppe 50+ wiederfindet.

Provinzial Rheinland Versicherungen

Die Provinzial Rheinland gehört zu den führenden deutschen Versicherungsunternehmen und ist

Marktführer in ihrem Geschäftsgebiet. Circa 2.100 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbei-

ter in der Düsseldorfer Zentrale und 2.500 Versicherungsfachleute in 652 Geschäftsstellen sowie 46

im Versicherungsgeschäft aktive Sparkassen engagieren sich für rund zwei Millionen Kunden in den

Regierungsbezirken Düsseldorf, Köln, Koblenz und Trier. Mit fast 6 Millionen Versicherungsverträ-

gen erzielt die Provinzial jährlich Beitragseinnahmen von über 2,4 Milliarden Euro.

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