Lebensmitteltechnologie - THINK ING. kompakt - Ausg. 2/10

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kompakt Ausgabe 2 | 2010 Thema: Lebensmitteltechnologie Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure »» I N T R O Lieben Sie Lebensmittel? Deutschland lebt zwar vom Export, aber im eigenen Land wird auch eine ganze Menge hineingeschaufelt – Lebens- mittel aller Art nämlich. Essen ist schließlich das wichtigste menschliche Grundbedürfnis. Das macht die Lebensmittelindus- trie zu einer krisensicheren Bran- che, die mit naturwissenschaftlich- technischem Know-how ständig auf der Jagd ist nach optimalen und innovativen Nahrungsmitteln. Schon unsere Vorfahren brau- ten Bier, brachten mit Hefe einen Teig zum Gären oder machten aus Milch und Bakterienkulturen guten Käse. Heute muss man all das nicht mehr selbst machen, sondern aufwändige industrielle Prozesse fertigen Lebensmittel in Großserie. Ganz gleich, ob es sich um Marmelade, Toastbrot, Kartoffelknödel, Lakritzschnecken oder Biojoghurt handelt. Stan- dardisierte Markenprodukte sind überall verfügbar. Aber genauso wie jeder Hobby- koch dauernd seine Rezepte ver- bessert, arbeiten die Ingenieurin- nen und Ingenieure der Lebens- mitteltechnologie ständig an neuen Produktionsverfahren und Herstel- lungsmethoden. Die vorliegende kompakt-Ausgabe macht Ihnen diese spezielle Ingenieur-Fachrich- tung so richtig schmackhaft. // Ein Butterkeks hat 52 „Zähne“, aus 10 Litern Milch lässt sich 1 Kilogramm Käse herstellen, eine Salatgurke be- steht zu 97 Prozent aus Wasser und der Campari verdankt seine rote Farbe einem kleinen Insekt namens Cochenille-Laus. Aber wie backt man Kekse mit Zähnchen? Wa- rum wird aus Milch Käse? Verwässern Gurken den Salat? Und wie kommt die Laus in den Alkohol? Kurioses und Unerwartetes gibt es so einiges im Zusammenhang mit Lebensmitteln, aber das Erstaunlichste überhaupt ist, wie komplex deren Herstellung heutzutage geworden ist. Das ahnt man nicht nur beim Gang durch die prall gefüllten Regal- reihen der Supermärkte, sondern der beste Indikator dafür ist im- mer noch ein Blick in die eigenen Kühl- und Vorratsschränke. Dort zeigt sich in kühlem Licht oder sanftem Chaos der persönliche Lebens- mittelkonsum: Das Aufback- brötchen und die Nuss-Nougat- Creme zum Frühstück, ein Müsliriegel oder probiotischer »» P O R T R Ä T Wenn’s um die Wurst geht Bei Stefan Franzke dreht sich alles um die Wurst. Der 45-jäh- rige Elektrotechnikingenieur hat als technischer Leiter für alle Produktionsbetriebe beim Wurst- und Fleischwarenhersteller Zimbo ein enorm breites Aufgaben- spektrum. »» weiter S. 3 + 4 »» PRODUKTE Innovationen für den Magen Für 150 Milliarden Euro haben die Deutschen im Jahr 2009 gefuttert. Die riesige Ernährungsbranche freut sich über den Umsatz und ver- sucht, mit neuen Produkten Appetit aufs Geldausgeben zu machen. »» weiter S. 5 + 6 Joghurt zwischendurch, das Schnitzel für den Toaster, die Null-Kalorien-Cola zum Durstlö- schen, ein paar Kartoffelchips zum Knabbern, die Gummibärchen zur Belohnung und abends dann die Pizza und das Speiseeis aus dem Tiefkühl- fach. Ge- gessen wird immer. Per- manent nehmen wir Lebensmit- tel zu uns und vertrauen auf deren Qualität. Längst sind das kaum noch Rohprodukte vom Acker oder Apfelbaum, sondern zum Großteil fertig verarbeitete und aus ver- schiedenen Rohstoffen nach standardisierten Die Technik und die Tiefkühlpizza Ingenieurinnen und Ingenieure der Lebensmitteltechnologie entwickeln Nahrung – gesund, schmackhaft, preisgünstig, haltbar, naturbelassen und funktional »» E R N Ä H R U N G S I N D U S T R I E »» weiter S. 2 © Moonrun, Fotolia © Dalmatin.o, Fotolia © Foto oben: Dirk Banowski, Photocase Nestlé Deutschland AG

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Abends schnell eine Tiefkühlpizza in den Ofen schieben und zehn Minuten später in knusprigen Teig beißen. Oder zwischendurch genussvoll den gesunden Biojoghurt löffeln. Auf die Erzeugnisse moderner Lebensmitteltechnologie möchte niemand verzichten. Doch wie kommt die Pizza ins heimische Tiefkühlfach und das Milchprodukt in den praktischen Plastikbecher? Und vor allem - wer steckt dahinter? Das neue THINK ING. kompakt zeigt Tätigkeitsfelder für Ingenieurinnen und Ingenieure in der Nahrungsmittelindustrie.

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kompaktAusgabe 2 | 2010

Thema: Lebensmitteltechnologie

Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure

»» I N T R OLieben Sie Lebensmittel? Deutschland lebt zwar vom Export, aber im eigenen Land wird auch eine ganze Menge hineingeschaufelt – Lebens-mittel aller Art nämlich. Essen ist schließlich das wichtigste menschliche Grundbedürfnis. Das macht die Lebensmittelindus-trie zu einer krisensicheren Bran-che, die mit naturwissenschaftlich-technischem Know-how ständig auf der Jagd ist nach optimalen und innovativen Nahrungsmitteln. Schon unsere Vorfahren brau-ten Bier, brachten mit Hefe einen Teig zum Gären oder machten aus Milch und Bakterienkulturen guten Käse. Heute muss man all das nicht mehr selbst machen, sondern aufwändige industrielle Prozesse fertigen Lebensmittel in Großserie. Ganz gleich, ob es sich um Marmelade, Toastbrot, Kartoffelknödel, Lakritzschnecken oder Biojoghurt handelt. Stan-dardisierte Markenprodukte sind überall verfügbar. Aber genauso wie jeder Hobby-koch dauernd seine Rezepte ver-bessert, arbeiten die Ingenieurin-nen und Ingenieure der Lebens-mitteltechnologie ständig an neuen Produktionsverfahren und Herstel-lungsmethoden. Die vorliegende kompakt-Ausgabe macht Ihnen diese spezielle Ingenieur-Fachrich-tung so richtig schmackhaft. //

Ein Butterkeks hat 52 „Zähne“, aus 10 Litern Milch lässt sich 1 Kilogramm Käse herstellen, eine Salatgurke be-steht zu 97 Prozent aus Wasser und der Campari verdankt seine rote Farbe einem kleinen Insekt namens Cochenille-Laus. Aber wie backt man Kekse mit Zähnchen? Wa-rum wird aus Milch Käse? Verwässern Gurken den Salat? Und wie kommt die Laus in den Alkohol?Kurioses und Unerwartetes gibt es so einiges im Zusammenhang mit Lebensmitteln, aber das Erstaunlichste überhaupt ist, wie komplex deren Herstellung heutzutage geworden ist. Das ahnt man nicht nur beim Gang durch die prall gefüllten Regal-reihen der Supermärkte, sondern der beste Indikator dafür ist im-mer noch ein Blick in die eigenen

Kühl- und Vorratsschränke. Dort zeigt sich in kühlem Licht oder sanftem

Chaos der persönliche Lebens-mittelkonsum: Das Aufback-brötchen und die Nuss-Nougat-Creme zum Frühstück, ein Müsliriegel oder probiotischer

»» P O R T R Ä TWenn’s um die Wurst geht Bei Stefan Franzke dreht sich alles um die Wurst. Der 45-jäh-rige Elektrotechnikingenieur hat als technischer Leiter für alle Produktionsbetriebe beim Wurst- und Fleischwarenhersteller Zimbo ein enorm breites Aufgaben-spektrum. »» weiter S. 3 + 4

»» P R O D U K T EInnovationen für den Magen Für 150 Milliarden Euro haben die Deutschen im Jahr 2009 gefuttert. Die riesige Ernährungsbranche freut sich über den Umsatz und ver-sucht, mit neuen Produkten Appetit aufs Geldausgeben zu machen. »» weiter S. 5 + 6

Joghurt zwischendurch, das Schnitzel für den Toaster, die Null-Kalorien-Cola zum Durstlö-

schen, ein paar Kartoffelchips zum Knabbern, die

Gummibärchen zur Belohnung und

abends dann die Pizza

und das Speiseeis aus dem Tiefkühl-fach.

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vertrauen auf deren Qualität. Längst sind

das kaum noch Rohprodukte vom Acker oder Apfelbaum, sondern zum Großteil fertig verarbeitete und aus ver-schiedenen Rohstoffen nach standardisierten

Die Technik und die TiefkühlpizzaIngenieurinnen und Ingenieure der Lebensmitteltechnologie entwickeln Nahrung – gesund, schmackhaft , preisgünstig , haltbar, naturbelassen und funktional

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Links zum Studium

Man muss nicht unbedingt ein Fan von gutem Essen sein, um Lebensmitteltechnologie zu studieren, vielmehr sollte man eine gute Portion Mathe, Physik, Chemie und Mikrobiologie ver-dauen können. Auch der Hunger auf technische Verfahren zur Verarbeitung von Lebensmitteln muss vorhanden sein. Denn es ist damit zu rechnen, dass der erste Gang des Menüs an der Hochschule aus Lehrveranstal-tungen zu Lebensmittel- und Rohstoffkunde, Lebensmit-telanalytik und Mikrobiologie sowie Ernährungswissenschaft besteht. Vorlesungen und Seminare zu den Grundlagen der Verfahrenstechnik, zu Werkstoffen und Verpackungen, Mess- und Regeltechnik, ma-thematischer Statistik oder der Qualität pflanzlicher Erzeugnisse stehen sicherlich auch auf der Speisekarte. Als Hauptgerichte in den weiterführenden Semes-tern folgen Häppchen wie Maschinen- und Apparatebau, Prozessautomation, Biotech-nologie, Qualitätssicherungs- und Analysemethoden sowie Lebensmittelhygiene oder Öko-nomie der Ernährungsindustrie.

Hier eine kleine Auswahl:Den Bachelor-Studiengang Lebensmitteltechnologie und Le-bensmittelwirtschaft hat die Hoch-schule Bremerhaven im Angebot.www1.hs-bremerhaven.de/lw/

Sowohl den Bachelor in Le-bensmitteltechnologie, als auch den Master in Food Processing kann man an der Hochschule Fulda erwerben.www.hs-fulda.de/index.php?id=695

Auf lebensmittelspezifische Studiengänge ist die Hochschule Weihenstephan spezialisiert: Lebensmitteltechnologie, Lebensmittelmanagement, Wirtschaftsingenieurwesen, Agrarmarketing und vieles mehr.www.hswt.de/info.html

Lebensmitteltechnologie oder Lebensmittelchemie mit Bachelor-Abschluss gibt’s an der Technischen Universität Berlin.www.tu-berlin.de/?id=7001

Rezepten hergestellte Produk-te. Verkaufsfertig und schön verpackt. Kaum jemand denkt aber darüber nach, welch langen Weg diese industriell hergestellte Nahrung zurücklegt, bevor sie dem Verbraucher in ihrer schicken Hülle ins Auge springt, auf dem Teller landet und letztlich im Magen verschwindet. Hinter dieser Unmenge an appetitli-chen Produkten verbirgt sich

eine ganze technische Wissen-schaftsdisziplin und ein Heer von Ingenieurinnen und Ingenieuren. Denn moderne Lebensmittel-herstellung ist ohne das Zusam-menspiel verschiedener Ingeni-eur- und Naturwissenschaften undenkbar geworden. Das erfor-dert interdisziplinäre Kenntnisse aus vielen Fachrichtungen. Zum einen theoretisches Basis-Know-how aus den Bereichen Physik, Chemie und Mikrobiologie, um neue Methoden und neue Produkte zu erproben und zu erforschen. Zum anderen eine Menge sehr konkreter Anlagen-technik zum Zerkleinern, Pressen, Mischen, Abfüllen, Haltbar-machen und Verpacken. Auch Verfahrenstechnik zum Erhitzen oder Kühlen und biochemische Verfahren zum Herbeiführen der gewünschten Prozesse wie Gä-rung, Gerinnung oder Konservie-rung sind enorm wichtig. Einen hohen Stellenwert hat zudem die Rohstoffauswahl und der sich immer mehr durchsetzende Trend der ökologisch einwand-freien Nahrungsmittel, bei denen ganz besonders auf den Erhalt der Nährstoffe, die schonende Verarbeitung und ernährungs-physiologische Aspekte geachtet werden muss. Permanente Qualitätskontrollen, ansprechen-

de Verpackungen, reibungslose Distribution und schnelle Reak-tionen auf Veränderungen der Verbrauchergewohnheiten sind zudem charakteristisch für die gesamte Branche der Lebens-mitteltechnologie. So breit wie das Spektrum aller Ingenieurdisziplinen, die hier ineinanderwirken, sind auch die möglichen Berufschancen, die

sich nach einem erfolgreich ab-solvierten Studium ergeben: bei Großkonzernen oder mittelstän-dischen Fabriken im verarbeiten-den Ernährungsgewerbe, aber auch im Lebensmittelhandel, bei Maschinenherstellern oder Zulieferern, in Prüfungs- und Forschungslaboren, in der Landwirtschaft und Futtermit-telindustrie, bei Verbänden und Institutionen oder in verwandten Bereichen wie Biotechnologie, Pharma- oder Kosmetikindustrie.

In jeder dieser Branchen können sich Ingenieure und Ingenieurinnen wiederum in ei-nem von vier großen Bereichen spezialisieren: In der Produkt-entwicklung, auch „Food-Design“ genannt, geht es beispielsweise um einen neuen

Energie-Drink, für den nach zahlreichen Experimenten die richtigen Zutaten und Technolo-gien gefunden werden müssen. Im Qualitätsmanagement gilt es Problemen auf die Schliche zu kommen, den Herstellungspro-zess zu dokumentieren und die Verantwortung für die Endpro-dukte zu übernehmen. In der Produktion müssen die vollau-tomatisierten Anlagen effizient laufen, aber auch überwacht, gewartet, gereinigt und repa-riert werden. In der Forschung schließlich beschäftigt man sich mit konkreten Anwendungen oder naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung – vom stabilsten Schaum für den Moh-renkopf bis hin zur Isolierung einer chemischen Verbindung.

Ganz egal, in welchem Bereich der Lebensmitteltech-nik man landet, ob man an exotischem Speiseeis forscht, vitaminreiche Kaugummis herstellt, eine Limonade mit Baumwollgeschmack braut, Öko-Babykost abfüllt, Süßigkei-ten ohne Kalorien entwickelt oder das über ein Jahr haltbare Schnitzel verpackt, eine einfa-che Prämisse gilt für alle inno-vativen Lebensmittel von heute: Sie müssen lecker sein, gesund, preiswert, lange haltbar und ansprechend aussehen. Die Experten der Lebensmittel- technologie arbeiten mit der richtigen Technik an all diesen

Kriterien. Der gute Geschmack bleibt aber die Nummer Eins. Einmal probiert, für immer verführt. Warum nicht? Wenn’s schmeckt? Vielleicht kommt manch einem der Appetit auf ein Studium der Lebensmittel-technologie ja beim Essen. //

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»» Fortsetzung von S. 1: Die Technik und die Tiefkühlpizza

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Mayonnaise ohne Cholesterin – eins von Tausenden von Produkten, an dem im Bereich der Lebensmitteltechnologie geforscht wird Mayonnaise ohne Cholesterin – eins von Tausenden von Produkten, an dem im Bereich der Lebensmitteltechnologie geforscht wird

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Genuss frisch verpackt»» P O R T R Ä T

Für den Genießer kommt es auf den Inhalt an, bei Stefan Franzke ist es nicht nur der, sondern auch die Verpackung. Ob es die Thüringer Rostbratwurst ist, die im Sommer auf den Grill kommt, oder die Schinken-Fleischwurst für Zwischen-durch – alles dreht sich beim Elektrotechnikingenieur um die Wurst. Denn der 45-Jäh-rige ist technischer Leiter für alle Produktionsbetriebe beim Wurst- und Fleisch-warenhersteller Zimbo.

Erfolgte die Produktion lange noch in Handarbeit, wurde der Maschinenpark im Laufe der Zeit immer größer. Das Unternehmen hat die Produktion zudem in den 90er Jahren auf fünf Produk-tionsstandorte ausgeweitet und setzt dort bei allen Fer-

tigungsschritten modernste Maschinen ein. Das ist gerade im Bereich der Verpackungs-technik von großer Bedeu-

tung, wie Stefan Franzke erläutert: „Von der Wurst bis zum verpackten Endprodukt

versuchen wir den Automa-tisierungsgrad ständig zu verbessern. Das hat auch mit der Hygiene zu tun. Denn je

weniger Menschen mit dem Produkt in Berührung kom-men, desto besser ist es.“

Der Ingenieur muss bei der Wahl der Maschinen, die in der Produktion zum Einsatz kom-men, stets auf dem neusten Stand sein. Diese sind heute vorwiegend aus Edelstahl und müssen mit einem Hochdruck-reinigungsgerät gesäubert werden können. Das schrei-ben Hygienerichtlinien vor, die es einzuhalten gilt. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich in diesem Bereich der Maschinen eine Men-ge verändert“, sagt Franzke und nennt ein Beispiel: „Die Etikettierungstechnik der Verkaufspreise hat sich vom klassischen Drucksystem über das Heißprägeverfahren und das Inkjetsystem zur Laser-codierung entwickelt.“ Um bei derartigen technischen Neuerungen immer auf dem aktuellen Stand zu sein, ist es für Stefan Franzke wichtig, im

Der Elektrotechnikingenieur Stefan Franzke hat als technischer Leiter für alle Produktionsbetriebe bei Zimbo viele Prozesse im Blick

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Gut verpackt, bleibt länger frisch: Durch eine Wiederverschluss-Verpackungsanlage, wie hier im Zimbo-Werk im ungarischen Perbál, bleiben die Lebensmittel im Kühlschrank länger haltbar

Zur Fleisch- und Wurstproduktion wird unter anderem eine solche Maschine benötigt: der Tumbler

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regelmäßigen Austausch mit Ingenieurinnen und Ingenieu-ren der Maschinenhersteller zu stehen.

In seiner Abteilung ist er der einzige In-genieur und er genießt das Privileg auch ein wenig. „Die Wurstpro-duktion ist ein hochin-teressanter Bereich. Hier kann ich eigen-ständig arbeiten und es gibt viele Möglichkeiten den Weg zum Ziel einzuschlagen.“ Aber allein ist er ganz und gar nicht. Er ar-beitet mit Meistern, Technikern und technischen Leitern in den verschiedenen Produktions-stätten zusammen. Wenn sei-ne Kenntnisse in bestimmten Bereichen, wie der komplexen Luft-, Klima- und Kältetechnik, nicht ausreichen, kann er auf das Fachwissen exter-ner Ingenieurbüros oder ebender

Ma-schi-nenherstel-ler zurückgreifen.Die Wege der Informations-beschaffung sind hier kurz.

Weite Strecken muss Franzke hingegen zurücklegen, um die Produktionsstätten in Deutsch-land, Ungarn und Polen zu erreichen. „Drei bis vier Tage in

der Woche bin ich schon un-terwegs. Mit dem Auto fahre ich bis zu 80.000 Kilometer

im Jahr.“ Sein Aufgabenspek-trum vor Ort ist vielfältig. Neben der Planung, dem Aufbau und der Endabnahme neuer Anlagen muss er auch den laufenden Betrieb im Auge haben. Es geht um die Instandhaltung und Wartung bestehender Maschinen und den optimalen Energieeinsatz.

Denn die Produktion von Wurst- und Fleischwaren ist sehr ener-gieintensiv, weil die Lebens-mittel gekocht und wieder gekühlt werden müssen. „Es ist schon beachtlich, welche Potenziale man da finden und ausbauen kann“, sagt

Franzke über seine ständige Suche nach Möglichkeiten zur Energieeinsparung.

Aber auch der Einkauf von Energie und damit verbundene Verhandlungen mit Energieliefe-ranten fallen in sein Aufgabenge-biet. Wie übrigens auch ISO-Zertifizierungen, CO

2-Zertifikate, Patentanmeldungen, Preisver-handlungen mit Maschinenher-stellern und interne Besprechun-gen über Produktentwicklungen mit dem Marketing, Vertrieb und der Geschäftsleitung. „Der kauf-

männische Teil nimmt mittlerweile 50

Prozent meiner Arbeit ein“,

meint der

Ingenieur, der sich über Weiter-

bildungsmaßnahmen das nötige betriebswirtschaftliche Know-how angeeignet hat. Aber Stefan Franzke weiß ganz genau, dass sein Job ohne technischen Hintergrund nicht funktionieren würde. Es ist die Mischung aus beidem, die wichtig ist. Das zeigt dieses

Zur Person Stefan Franzke hat an der Fachhochschule in Dortmund Elektrotechnik mit dem Schwer-punkt Automatisierungstechnik studiert. Seine Diplomarbeit schrieb er bei einem Automo-bilhersteller über automatisierte Messverfahren von Schrauben und Bolzen in der Produktion. Trotz der Reize, die der Auto-mobilbereich hat, ist er froh, bei einem mittelständischen Unter-nehmen wie Zimbo gelandet zu sein. „In der Automobilindustrie war der Stab an Mitarbeitern groß, dort ging es teilweise darum, in einem Pflichtenheft über zwei Seiten eine bestimm-te RAL-Farbe zu beschreiben“, sagt Franzke, der nach dem Stu-dium direkt bei Zimbo begann.

Vor dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Ener-gieanlagenelektroniker, die er heute nicht missen will. „Das In-genieurstudium ist eine Sache. Ohne diese Berufsausbildung wäre es aber schwierig, viele Entscheidungen in der Praxis zu treffen. Das hilft mir sehr.“

abschließende Beispiel: Um dem Endkunden den Genuss einer Wurstscheibe möglichst lange zu gewähren, hat Franzke mit seinem Team und einem Maschinenhersteller eine Wiederverschlussverpackung entwickelt. „Die größte Her-ausforderung dabei war die Suche nach einem Kompro-miss zwischen Preisdruck und dem Marketing“, sagt Franzke, der schließlich den optimalen Produktionsweg einschlug, die technische Neuerung zu einem akzeptablen Preis umzusetzen. Damit waren beide, die Kauf-leute und der Ingenieur, zu-frieden – und auch die Kunden, bei denen sich die Wurst im Kühlschrank länger hält. //

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Dipl.-Ing. Stefan Franzke

Zum Zerkleinern und Vermengen bestens geeignet: Kutter sind auch bei der Großproduktion im Einsatz, wie hier im Zimbo-Werk in Börger im EmslandZum Zerkleinern und Vermengen bestens geeignet: Kutter sind auch bei der Großproduktion im Einsatz, wie hier im Zimbo-Werk in Börger im Emsland

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»» K U R Z - I N T E R V I E W» 10 Antworten in 10 Sätzen

Tilman Queins (40) arbeitete nach seinem Studium der Getränketech-nologie an der Fach-hochschule

in Geisenheim als Trainee und Assistant Winemaker in Rumä-nien und Australien. Es folgten mehrere Jahre als Betriebsleiter einer Sektkellerei. Heute arbeitet er als Betriebsleiter in der Wein-kellerei Valckenberg GmbH und ist gleichzeitig Geschäftsführer des Tochterunternehmens Wein-gut Liebfrauenstift GmbH. Ein guter Arbeitstag beginnt mit …einer gut gelaunten Begrüßung unter Kollegen.An Lebensmitteln und Getränken fasziniert mich ...die Vielfalt. Geschmack ist subjektiv, ihn für eine breite Masse zu finden und doch nicht einfach nur ein Durchschnittsprodukt zu produzie-ren, macht den Beruf interessant und fordert einen heraus. Es macht mich wahnsinnig, wenn …nicht akzeptiert wird, neue Wege zu wagen. Die Ingenieurausbildung in Deutschland …ist weltweit hoch geschätzt und bekannt.An meiner Tätigkeit gefällt mir ...der Umgang mit einem Natur-produkt. Jedes Jahr muss man mit anderen Voraussetzungen umgehen und sich auf diese neu einstellen.Entspannung finde ich …im Sport.Wenn ich nicht Ingenieur geworden wäre, …weiß ich nicht, ob ich so zufrieden mit meinem Beruf wäre.Ein Studium der Getränke-technologie... ist eine gute Möglichkeit, weltweit Kontakte zu knüpfen und auch weltweit tätig zu werden.Am liebsten trinke ich ...stilles Wasser zum Durstlöschen und einen guten Wein zum Abendessen. Als Rentner werde ich ...hoffentlich gesund mit meiner Familie glücklich sein. //

Nach Berechnungen des Statistischen Bundes-amtes erzielte die deutsche Ernährungsindustrie 2009 einen Umsatz von fast 150 Milliarden Euro. In 5.800 Betrieben arbeiteten 535.000 Beschäftigte. Damit zählt die Ernährungsindustrie zu den fünf größten Industriebranchen der Bundesrepublik. Die Lebensmit-telhersteller stehen aber einer zunehmenden Konzentration im Einzelhandel gegenüber, die im Jahr 2009 einen Rekordwert erreichte. Die fünf größten Le-bensmittelhändler vereinen jetzt rund 75 Prozent der Umsätze

auf sich. Gegen ALDI, REWE und Lidl haben Tante Emma und der Metzger um die Ecke eben kaum noch Chancen.

Da ist Erfindungsreichtum der Ingenieure gefragt, damit der große Hunger des Handels und

der Verbraucher gestillt wird.Anfang Februar fand in Köln zum 40. Mal die wichtigste inter-nationale Süßwarenmesse (ISM) statt. Zum Abschluss wurden aus 93 zur Auswahl stehenden neuen Produkten die Top-Inno-vationen gewählt. Den ersten Platz belegte ein süßes Sushi des belgischen Chocolatiers Rovacos. Der zweite Platz ging an eine

dunkle Schokolade des Schweizer Unternehmens Villars Cho-colatier, bei der Zucker durch den natürlichen Süßstoff Rebaudiosid-A, der aus der Steviapflanze gewonnen wird, ersetzt wurde. Eineinhalb Jahre betrug die Entwicklungszeit für diese gesunde Form der Süße. Platz drei schließlich ging an den deutschen Fruchtgummi-

Hersteller Mederer für den „Trolli Cheesecake“ – ein buntes Fruchtgummi, das nicht nur geschmacklich, sondern auch optisch an Käsekuchen erinnert. An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel laufen im

Bereich der Lebensmitteltechnologie viele aktuelle Forschungsprojekte. Eines davon beschäftigt sich mit Salbei, Klee und Arti-schocken. Und zwar sucht man neue Verfahren, um aus den als Heilkräuter bekannten Pflanzen Biowirkstoffe zu gewinnen. Nicht wie herkömmlich durch chemische Lösungsmittel, sondern mit CO

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Milliardenumsätze mit GaumenfreudenDie Ernährungsindustrie zählt zu den Top Five-Branchen in Deutschland – ihr Hunger auf technische Innovationen und neue Produkte ist aber trotzdem unstillbar

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Leckere Perspektiven für Ingenieure und Ingenieurinnen: die Lebensmittelindustrie zählt zu den fünf größten Industriebranchen der Bundesrepublik

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beliebten Crackern aber nicht nur der Fett- und Kaloriengehalt, sondern die beim Erhitzen entste-hende Substanz Acrylamid. Deshalb laufen beim DIL seit Jahren For-schungsprojekte in diesem Be-reich. Dadurch ergeben sich neue verfah-renstechnische Methoden zur Herstellung vorfrittierter Kartoffelproduk-te, optimierte Friteusensteu-erungen in Haushalt und Gastronomie und innova-tive Backver-fahren für Brot, Kleingebäck und Lebkuchen. Dem Acrylamid-gehalt geht es also an den Kragen und man kann wieder beruhigt Chips knabbern oder Pommes futtern. Nicht nur die Herstellung von Lebensmittelprodukten ist ein hochkomplexes Aufgaben-feld, auch der Reinigung der Maschinen und Anlagen

Wasser als Lösungsmittel oder chromatographischer Isolierung. Hört sich kompliziert an, dient aber ganz praktischen Zwecken: die antioxidative Wirkung der Pflanzen soll für bessere Be-kömmlichkeit von Lebensmitteln genutzt werden und man will Isoflavone isolieren, die bei der Prävention bestimmter Krebs-erkrankungen nützlich sind.

Am Deutschen Institut für Le-bensmitteltechnik (DIL) knabbert man zwischendurch sicherlich gern ein paar Kartoffelchips. Schön braun, schmackhaft und gut geröstet – so wünschen es sich die Verbraucher. Gesund-heitlich bedenklich ist bei den

»» F A C H B E G R I F F EFood-Englisch & Ernährungs-Deutsch» Convenience Food: Convenience Food ist bequem dargereichtes Essen. Darunter fallen in erster Linie Tiefkühlfertig-gerichte wie Tiefkühlpizzen, aber auch andere vorgefertige Produk-te wie geschnittener Käse, Tüten-suppen und Backmischungen.» Sorbinsäure: Sorbinsäure ist ein Konservierungs-stoff, durch deren Hinzugabe unter anderem Backwaren, Margarine, Käse und Wurstwaren länger haltbar gemacht werden. Häufig werden auch die Salze der Sorbin-säure verwendet: Natriumsorbat, Kaliumsorbat und Calciumsorbat.» Ultrahocherhitzung:Ultrahocherhitzung wird am häufigsten bei Milch angewandt, aber auch bei Dosensuppen oder Eintöpfen, um die Produkte länger haltbar zu machen. Die Milch wird für wenige Sekunden auf bis zu 150 °C erhitzt und sofort auf circa 5 °C herunter-gekühlt. Das Ergebnis: H-Milch.»Food-Design: Food-Design ist ein In-Begriff, der die Entwicklung neuer Lebens-mittel beschreibt. Dazu gehört auch die Darstellung der neuen Lebensmittel in der Werbung. » Functional Food: Functional Food sind Nahrungs-mittel, die durch Nahrungser-gänzungsmittel wie Vitamine, Mineralstoffe, Bakterienkulturen und ungesättigte Fettsäuren angereichert sind und damit gesundheitsfördernd sein sollen. » Alkoholische Gärung: Alkoholische Gärung, auch Ethanol-Gärung, ist ein Vorgang, der bei der Herstellung von Getränken wie Bier und Wein eingesetzt wird. Der biochemische Prozess, bei dem Kohlenhydrate, vorwiegend Glucose, zu Ethanol und Kohlen-stoffdioxid abgebaut werden, ist auch in Backstuben gegenwärtig – und zwar bei der Herstellung von Broten und Kuchen mit Hefeteig.» Instant: Halbfertige Lebensmittel werden als Pulver, Granulat oder getrocknet angeboten und müssen nur noch durch Hinzuführen einer warmen oder kalten Flüssigkeit angerührt werden. Beispiele: Instant-milch, löslicher Kaffee, Kakao.

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So is(s)t DeutschlandEin großer Lebensmittelherstel-ler wie Nestlé möchte natürlich gern wissen, was die Deutschen gerne essen und wie sie essen. Deshalb wurden 2009 in einer Studie rund 4.000 Menschen zu ihrem Ernährungs- und Einkaufsverhalten befragt. Ergebnis: Rund 85 Prozent der Deutschen können Wunsch und Wirklichkeit gesunder und ausgewogener Ernäh-rung nicht in Einklang brin-gen. Außerdem kristallisieren sich sieben Ernährungstypen heraus: Die Leidenschaftslosen, die Problembewussten, die Gehetzten, die Nestwärmer, die modernen Multi-Optionalen, die Gesundheitsidealisten und die Maßlosen.Die Studie 2009 „So is(s)t Deutschland“ und auch die aktuelle für 2010 „So is(s)t Schule“ kann man auf der Nestlé-Website downloaden oder bestellen. Für Ingenieurin-nen und Ingenieure der Lebens-mitteltechnologie sicherlich eine wichtige Zielgruppen-Analyse.www.nestle.de/Home/Unternehmen/NestleStudie

kommt eine hohe Bedeu-tung zu. Schließlich haben

Keimfreiheit und Hygiene oberste Priorität im

Herstellungspro-zess. Besonders

schwierig ist das in Großbä-ckereien. Die pulver-förmigen Ingredien-zien und klebrigen Teige scheuen die Reini-gung mit Wasser. Deshalb wird hier eine bisher nur in der Biotech-nologie eingesetz-

te Technik verwendet:

Statt Wasser nutzt man zur Maschinenreinigung eine Art Gelatine-Film (eine konzentrierte Lösung mit

Hydrokolloiden). Das Ganze lässt sich nach kurzer Einwirkzeit zu-sammen mit den gebundenen Verunreinigungen problemlos von der Oberfläche abziehen. //

ImpressumVerantwortlicher Herausgeber:Arbeitgeberverband Gesamt-metall · Wolfgang Gollub · Leiter Nachwuchssicherung/THINK ING.Postfach 06024910052 Berlinwww.think-ing.de

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Eine Abfüllanlage ist der Beginn eines funktionierenden Recycling-Kreislaufs – nicht nur für Mineralwasser, sondern auch für PET-Flaschen