lebenszeit - Zeitung für Diskurs & Ethik am Lebensende - Ausgabe #6 - Letzte Wünsche

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Geschenke kaufen und dabei Gutes tun Ihr Einkauf hilft - in über 1.500 Shops www.ricam-hospiz.de Zeitung für Diskurs & Ethik am Lebensende leben s zeit Ausgabe #6 Winter 2012/2013 Mit Nachrichten aus dem Ricam Hospiz Aus den Wunschzetteln Sterbender Letzte Wünsche 4 Motorrad fahren 4 Currywurst essen 4 Silvester feiern 4 Modell bauen 8 Nordkap-Reise Die Bücher-Bestenliste des Ricam Hospizes 2012 Dankeschön-Bücher für Spender im literarischen Adventskalender ! Illustration © Elke R. Steiner www.steinercomix.de

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In der Winterausgabe 2012/2013 erzählen wir von den letzten Wünschen Sterbender. Die "lebenszeit" ist eine Zeitung, die in Berlin erscheint und den Blick auf Themen wirft, die im Alltag oft ausgeblendet werden: Sterben, Tod und Trauer... Herausgegeben wird sie von der Ricam gemeinnützigen Gesellschaft für Lebenshilfe und Sterbebegleitung mbH.

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Geschenke kaufen und dabei Gutes tunIhr Einkauf hilft - in über 1.500 Shops www.ricam-hospiz.de

Zeitung für Diskurs & Ethik am Lebensende lebenszeit

Ausgabe #6 Winter 2012/2013

MitNachrichtenaus dem

Ricam Hospiz

Aus den Wunschzetteln SterbenderLetzte Wünsche

4 Motorrad fahren4 Currywurst essen4 Silvester feiern4 Modell bauen8 Nordkap-Reise

Die Bücher-Bestenliste des Ricam Hospizes 2012Dankeschön-Bücher für Spender im literarischen Adventskalender !

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02 lebenszeit Ausgabe #6 Winter 2012/2013Blick und Klang

Musiktherapie lindert seelisches und körperliches Leid

Die Musiktherapeutin Astrid Steinmetz wendet sich Sterbenden zu – mit ihrer Stimme, Klängen und Rhythmus.

„Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“ Dieser Satz Victor Hugos gilt im Ricam Hospiz auf besondere Weise. Dort gehören Klang und Musik zum therapeutischen Ange-bot für Sterbende. Gerade dann, wenn Sprache an Grenzen stößt, kann Musik helfen, emotionale Not zu lindern.Angstgeweitete Augen, nach Luft rin-gend, so sitzt sie auf ihrem Bett: Eva Paul, Mitte fünfzig hat einen Tumor in der Lunge, nicht mehr heilbar. Die Zeit, die ihr bleibt, lebt sie an einem Ort, an dem alle wissen, wie kostbar jeder Au-genblick ohne Beschwerden ist. Es ist das Ricam Hospiz, 1998 als erstes sta-tionäres Hospiz Berlins von Bürgern für Bürger gegründet.Atemnot, keine Luft mehr bekommen – das bedeutet Todesangst. Und Todes-angst führt zu noch größerer Atemnot. Ein Teufelskreis.Evas Ehemann sitzt bei ihr, kann nur schwer seine eigene Panik unterdrü-cken. Die Pflegekräfte haben Erfahrung mit diesen Situationen. Wenn aber die

Angst der Patienten nicht zu lindern ist, ziehen sie die Musiktherapeutin Astrid Steinmetz hinzu.Als sie den Raum betritt, merkt sie so-fort, hier hilft kein Gespräch. Sie greift zunächst die Hände der Patientin und hält sie fest. Dann legt sie eine Hand auf Evas Rücken und beginnt, den Atem-rhythmus mit ihrer Stimme zu beglei-ten. Dabei senkt sie allmählich das Tem-po ihres Gesangs. Auch Evas Atmung verlangsamt sich. Sie schließt die Au-gen. Bald darauf legt sie sich erleichtert aufs Bett. Astrid Steinmetz nimmt ein Musikinstrument zur Hand und streicht über die Saiten. Evas Atmung vertieft sich. Nach einer Weile liegt sie ruhig und entspannt, mit gelöstem Gesicht. „Sie hat auch mich beruhigt“, sagt Evas Ehemann später, „Ich habe mich wie in einer Art Traumzustand gefühlt.“ Astrid Steinmetz verabschiedet sich von Eva Paul und ihrem Mann. „Sie waren mir so nah“, sagt ihr Eva, „meine Atmung hat sich wie von selbst beruhigt und auch diese schreckliche Angst ist weg.“Musiktherapie ist ein bedeutendes er-

gänzendes Angebot im Ricam Hospiz. Sie steht bei Bedarf allen 15 Patientin-nen und Patienten offen. Musiktherapie ist keine Kassenleistung, für Patienten kostenlos und finanziert sich wie auch viele andere Angebote im Ricam Hospiz nur durch Spenden.Pro Therapietag kostet die Musikthe-rapie im Ricam Hospiz 185 Euro. Sie braucht Paten, die sie dauerhaft si-chern. Seit Jahren fördert Johann Stad-ler die Musiktherapie im Ricam Hospiz. Auch seine Frau verstarb hier. „Dieses wunderbare Angebot der Musikthera-pie möchte ich mit meinem bescheide-nen Beitrag unterstützen, um nun auch vielen anderen Menschen, die schwere Abschnitte ihres Lebens durchleben, Freude und glückliche Momente zu er-möglichen.“ mti

Möchten auch Sie die Musiktherapie im Ricam Hospiz unterstützen?

Spendenkonto: 44 004 901 GLS Bank Kennwort: Musik

Einen letzten Wunsch kann man einem Menschen nicht ab-schlagen. So ein letzter Wunsch kann sehr unterschiedliche Formen annehmen, etwa den Genuss einer besonderen Spei-se, eine Begegnung mit einer bestimmten Person, den Be-such eines schönen oder wichtigen Orts und anderes mehr. Oft geht es dann nicht nur um einen zeitlich letzten Wunsch, sondern um etwas, das an die Tiefenschichten des zu Ende gehenden Lebens, ja des Lebens überhaupt rührt – also um einen letztlich tragenden Wunsch.

Menschen, die einen Sterbenden begleiten, fragen vielleicht eher: Was braucht dieser Mensch vor dem Tod? Darin klingt – gerade im Angesicht des Todes – mit, dass nach den letzten Tagen, Wochen, Monaten vor dem Tod gefragt wird. Aber die Frage kann auch viel weiter verstanden werden. Jegliches Le-ben ist vor dem Tod und geht unweigerlich auf ihn zu. Dann könnte die Frage heißen: Was braucht der Mensch überhaupt? So allgemein diese erste Antwort damit ausfällt, so wahr ist sie meines Erachtens auch: Der Mensch braucht in der Lebenszeit, die in besonderer Weise vom nahenden Tod ge-zeichnet ist, genau das, was er auch sonst zum Leben wirklich braucht.

Drei Wünsche möchte ich konkret benennen und umreißen. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. So steht es schon auf den ersten Seiten der Bibel. Das Grundbedürfnis des Menschen, nicht allein zu sein, hat hier Eingang gefunden in die göttliche Schöpfungsordnung. Doch bedarf es für die menschliche Sehnsucht nach einem Gegenüber nicht un-bedingt einer auf Gott bezogenen Begründung. Aus eigener Erfahrung kennt der Mensch dieses Sehnen. Und gerade, wo sich der Einzelne als defizitär, unvollkommen oder gar hilflos erfährt, stellt sich der Wunsch ein, Ergänzung erleben zu dür-fen. Dass (mindestens) ein Mensch nicht nur im Leben, son-dern auch auf dem Weg des Sterbens da und nahe ist, mich berührt, mich sogar liebt, zählt auf jeden Fall zu den letzten Wünschen.

Trotz Nähe und Zuwendung kann ein letzter Wunsch sein, Ruhe zu finden. Darunter zählt neben einer äußerlichen, zuerst vielleicht akustischen, Ruhe gewiss auch das Freisein von Schmerz. Ruhe gibt Gelegenheit, mir selbst, dem ande-ren, meinem gelebten Leben, in all dem vielleicht gar Gott zu begegnen; andauernde oder sogar unerträgliche Schmerzen hingegen behindern diese notwendige Ruhe. Sie erleichtert es, letzte Fragen besprechen, Offenes klären oder Unversöhn-tes wieder verbinden zu können. Andersherum aber können erst diese letztgenannten Dinge eine Ruhe ermöglichen, die die Hinterbleibenden als tiefen Frieden empfinden. Nur im stillen Wasser ist der Grund sichtbar. In gleicher Weise ermög-licht Ruhe – auch Allein sein dürfen – zu sehen: andere Men-schen, aber auch mich selbst, erst recht aber den „Bodensatz“ meines Lebens.

Zumindest für den religiösen Menschen wird auch das Ge-bet zu den letzten Wünschen gehören. Und zwar nicht nur das eigene oder gemeinschaftliche Gebet, sondern auch die Zusicherung eines anderen, für den sterbenden Menschen zu beten. Hierin drückt sich die unverbrüchliche Gemeinschaft der Menschen untereinander auch angesichts einer Situati-on aus, in der eben nichts anderes mehr getan werden kann. Zugleich führt auch das Gebet in seinen je unterschiedlichen Formen den Sterbenden nicht nur zu Gott, sondern auch zu seinen Mitmenschen und sich selbst.

Je länger ich über letzte Wünsche nachdenke, um so deutli-cher wird mir: Eine allgemein gültige Antwort ist schwer. Viel hängt von der einzelnen Person und ihrer Umwelt ab, nicht zuletzt in besonderer Weise davon, wie sie ihr Leben gelebt hat. Das führt mich aber doch zurück zu meinem ersten Ant-wortversuch: Ich möchte gern so sterben, wie ich gelebt habe. Nur werde ich dann wohl so leben müssen, wie ich sterben möchte.

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Was braucht der Mensch vor dem Tod?Gastkommentar von Pfarrer Martin Kalinowski

Pfarrer Kalinowski ist Pfarrer der katholi-schen Gemeinde St. Clara in Berlin-Neu-kölln. Er ist einer der Seelsorger im Ricam Hospiz.

Brauchen weltliche Menschen auch Seelsorge? von Johannes Schlachter, Hospizleitung

Wie werden Patienten und Angehörige spirituell im nicht konfessionell gebundenen Ricam Hospiz begleitet? Mit solchen Fragen hat sich das Ricam Team im vergange-nen Jahr beschäftigt. Es genügt nicht darauf zu vertrau-en, dass jeder weiß, was ihm gut tut. Selbstverständlich machen wir den Patienten im pflegerischen und medizi-nischen Kontext Angebote. Aber wie können spirituelle Angebote aussehen ohne missionarisch zu sein?Gelebte Spiritualität des einzelnen Mitarbeiters vermit-telt den Patienten und Angehörigen ein Gesprächsan-gebot. Gemeinsam auf der Suche sein. Gemeinsam das Nichtwissen aushalten. Das sind unsere ersten Ansätze.Wir sind sehr froh, darüber hinaus von Seelsorgern un-terstützt zu werden, die auf einen Kaffee ins Hospiz kom-men, um so sichtbar für die Patienten zu sein. Aus dem erwächst manch seelsorgerischer Kontakt.Ich möchte mich herzlich bei den Seelsorgern für ihre Zeit und für ihre offenen Ohren bedanken.

Astrid Steinmetz ist Musiktherapeutin. Sie hat neben ihrem Diplom in Musiktherapie weitere Ausbildungen absolviert, u.a. ist sie NLP-Master und wingwave (R) Kommunikations-trainerin.

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Ausgabe #6 Winter 2012/2013 03lebenszeit

Machen auch Sie letzte Wünsche möglich!Jeden Tag braucht das stationäre Ricam Hospiz mindestens 365 Euro aus Spenden, damit Menschen schmerzarm und gut umsorgt leben können, bis zuletzt. Sichern Sie unseren 15 Patientinnen und Patienten genau einen Tag Mensch-lichkeit im Hospiz. Werden Sie Tagespate! Wählen Sie beispielsweise Ihr Firmenjubiläum, einen Geburtstag oder einen anderen Tag, der Ihnen wichtig ist, und spenden Sie für diesen Tag die Summe von 365 Euro! Wenn Sie mögen, stellen wir Ihre Patenschaft auf diesen Seiten oder auf unserer Website vor - mit einem Bild, einem Musikstück oder einem Video Ihrer Wahl. www.ricam-hospiz.de/engagement/tagespaten

Letzte Wünsche

Mit den Augen hören – das ist manch-mal nötig, um von einem Wunsch überhaupt zu erfahren. Die Krankenschwester Kerstin Buhse er-innert sich an die letzte Ausfahrt mit Bernd Schaffernicht

Das Leuchten in seinen Augen war mein Antrieb. Das muss ich zugeben Das erste Mal sah ich es in seinem Blick als das Wort Motorrad fiel. Wir verständigten uns mit Händen und Füßen und mit Stift und Papier. Der Tumor in seinem Rachen hatte ihm die Stimme genommen. Er atmete über eine Ka-nüle, die in seinem Hals steckte. Und ohne Schmerzpumpe, die dauerhaft Morphin in den Blutkreislauf förderte, ging gar nichts mehr. Seit einigen Tagen war er Patient im stationären Ricam Hospiz. Wie wir auf das Motorrad-Thema gekommen sind, weiß ich gar nicht mehr genau. Aber woran ich mich ge-nau erinnere, war die Begeisterung in seinem Blick.

»Wieso soll ich ihm diese Jacke mitbringen?«, fragte mich seine Schwester erstaunt. Ich wusste einfach, es würde ihn freuen! Sie verstand und brachte die Jacke am nächsten Tag. Schwarzes Leder mit Fransen, auf der Rückseite ein Adler! Ich hängte die Kluft mit einem Bügel an den Infusionsständer. Er strahlte.

Jedem tat es gut, seine Freude miterleben zu dürfen. Und na-türlich auch mir. Und ich fragte mich, ob da nicht mehr drin war. »Noch mal Motorradfahren?« So schwach wie er sei, könne er doch ohnehin keine Maschine mehr halten. – »Ein Trike! Du sitzt hinten«, ermutigte ich ihn. Er schüttelte den Kopf und schrieb: »So viel Zeit habe ich nicht mehr!« Er zeigte zum Fenster. Draußen war es knackig kalt. Dezember. Noch mindestens drei Monate, bis die Motorradsaison wieder be-

ginnen würde. Er machte sich nichts vor; bis dahin würde er

nicht mehr leben. Das Leuchten verschwand. Vielleicht hätte ich

nicht dran rühren dürfen!

Ein Trike ist ein dreirädriges Motorrad, j e d e r vernünftige Besitzer meldet es nur in der warmen Saison an. Und dennoch probierte ich es. Ich wählte eine Nummer, wurde verbunden und schilderte, worum es ging. Am anderen Ende der Leitung – Stille. Dann die raue Antwort: »Mach ich!« – »Also vermieten Sie auch im Winter?« – »Nein. Aber das ist es wert, ein Saison-Kennzei-chen zu besorgen.« – »Was kostet das?« – »Nichts! Das ist Ehrensache!«Ich war überwältigt. Das Trike hatte ich. Nun kam weitere Rückendeckung von der Familie, der Ärztin, vom Team. Es war Zeit für die gute Nachricht! Ich ging zu ihm, erzählte ihm vom großen Ausflug nach Spandau. Und das Leuchten war wieder da, stärker als zuvor.

Dann kam der Tag. Waschküche. Glatteisgefahr. Alles stand auf der Kippe. Wir fuhren trotzdem nach Spandau. Die Ärztin Petra Anwar, seine Familie und Freunde. Und als wir ankamen, öffnete sich die Wolkendecke. Sonne und blauer Himmel, Easy Rider!

In den Tagen danach brauchte er viel weniger Schmerzmittel. Die Glückshormone wirkten im Blut. Es war die letzte Aus-fahrt. Als Dankeschön ließ er dem Trike-Vermieter einen Gut-schein schenken. Einen Monat später starb er.

Kerstin Buhse arbeitet heute als Koordinatorin im ambulan-ten Ricam Hospiz.

Letzter KarnevalLetzte Ausfahrt Sehnsucht

Bis zum Beginn des Karnevals waren es noch etliche Tage. Dennoch stand 14 Uhr eine festlich kostümierte Karnevals-gesellschaft am Empfang des Ricam Hospizes. Das Berliner Prinzenpaar, gefolgt von zwei Adjutanten und dem Fahrer, besuchte Jutta Kunz, Patientin im Ricam Hospiz und Schwie-germutter des Prinzen. Für sie ließ Frank I. den Karneval früher beginnen als üblich. Denn niemand konnte sagen, ob ihr bis zum 11.11. 11 Uhr 11 noch genug Zeit bleiben würde. Als Jutta Kunz den Besuch in ihrem Zimmer sah, war die Überraschung perfekt! Damit hatte sie nicht gerechnet. Gemeinsam mit ih-rer Tochter und ihrem Schwiegersohn eröffnete sie die Kar-nevalssaison im Ricam Hospiz. Jutta Kunz hatte den Karneval gemocht und aktiv in Berlin unterstützt. Frank I. und Claudia I. posierten mit ihrer Gefolgschaft, zwei Adjutanten und dem Fahrer des Karnevalsgefährts, für ein Foto. Jutta Kunz freute sich über den Besuch und tatsächlich war es gut, dass der Prinz nicht gewartet hatte. Denn in den Tagen darauf wurde sie zusehends schwächer. »Sie hätte gar nicht mehr die Kraft gehabt, den Besuch zu empfangen.«, sagte ihre Tochter, die liebevoll für ihre Mutter sorgte. »Ich bin sehr dankbar, dass sie uns alle in dieser schweren Zeit so unterstützt haben und dass meine Mutter mit uns im Ricam Hospiz diese letzte Zeit erleben konnte. Traurig und zugleich sehr schön, denn immer, wenn ich sie besuchte, fühlte ich mich, als würde die Zeit stehen bleiben. Manchmal wollte ich nur kurz etwas vor-beibringen und habe nicht bemerkt, dass ich sieben Stunden geblieben war. Nicht nur meine Mutter, auch ich selbst habe mich bei ihnen sehr umsorgt gefühlt. Das ist kaum in Worte zu fassen!«

Jutta Kunz starb begleitet von ihrer Familie am 14. November 2012 im Ricam Hospiz. mti

von Kerstin Buhse

o: Jutta Kunz mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn, dem Karnevalsprinzen - u: Jutta Kunz mit Prinzenpaar Frank I. und Claudia I. , 2 Adjutanten und Fahrer © Thomas Kierok

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04 lebenszeit Ausgabe #6 Winter 2012/2013Letzte Wünsche

Ich weiß gar nicht mehr, wer diese Idee zuerst hatte: Das neue Jahr an dem Ort begrüßen, an dem doch eher Abschiede stattfinden. Ohne diesen Gedanken genauer zu hinterfragen, hatte ich mich entschieden. Nur noch meinen Sohn überzeugen, Knabberzeug einkaufen - und es könnte losgehen.

Der Gedanke ließ mich trotzdem nicht los. Im Hospiz feiern, mit Bewohnern, die ihr letztes Silvester erleben, mit Angehörigen, denen so gar nicht nach Feiern zumute ist, da ihnen ein schwerer Verlust bevorsteht. So lange war ich doch noch nicht im Hospiz, um zu wissen, ob das geht. Ich begann zu zweifeln. Aber ich hatte mich entschieden. Und so sollte es sein.

Am Silvesterabend um 19 Uhr ging es los. Im Hospiz angekommen, erwartete uns ein wunder-schön geschmückter Wintergarten, aber er war leer. Genau das wollten wir ändern. Klopfen an alle Türen, ein Lächeln und die Frage: »Na, wollen wir gemeinsam Silvester feiern?« Ja, wir wollten. Nach kurzer Zeit war eine andere Stimmung. Im Wintergarten saßen einige Patienten und Angehörige da und wollten feiern.Wir wählten schöne Musik aus, für jeden das passende Getränk, öffneten die Knabbertüten, und die Feier konnte starten.

Zu der Zeit hatten wir im Hospiz eine junge Frau, deren Sohn genauso alt wie mein Sohn war, 10 Jahre. Das passte gut und diese beiden amüsierten sich den ganzen Abend auf »ihrer

Party«, auf der Terrasse. Es knallte, krachte und blitzte. Sie ließen voller Freude die Terrasse erleuchten und knallten, was das Zeug hielt. Die beiden hatten großen Spaß. Dieser Spaß und diese Freude übertrug sich auch auf die Mutter, die wusste, es ist ihr letztes Silvester mit ih-rem Sohn. Sie genoss sichtlich diesen fröhlichen und ausgelassenen Anblick, trotz der Trauer in ihrem Herzen.

Während es draußen knallte und blitzte, sprachen wir drinnen über das Leben und das Ster-ben. Und - auch das war möglich mit Patienten im Hospiz – über Wünsche für das Neue Jahr. Diese waren mit so viel Liebe und Hoffnung verbunden, für das eigene Leben, den Tod, aber besonders für Familie und Freunde.

Es war schön und berührend zugleich. Wir saßen bis weit in die Neujahrsnacht, sprachen und lachten. Wir hatten Freude an unserer Silvesterparty.

Als ich später meinen Sohn fragte, was ihm spontan zu Silvester im Hospiz einfällt, meinte er: »Naja, Party ist anders, aber es war schön!«

Toska Holtz ist Verwaltungsleiterin der Ricam gemeinnützigen Gesellschaft für Lebenshilfe und Sterbebegleitung mbH.

Letztes Feuerwerk mit Mamavon Toska Holtz

Wie feiert man Silvester im Hospiz? Was wünscht man einander?

Das letzte Gefecht»Ich soll sie wohl mit ihm basteln«, sagte ich zu einem Freund von mir, der mich ungläubig ansah. Es war ein Wunsch von ihm, sein letzter, wie sich später herausstellte. Die »Bismarck« wollte er fertigstellen. Das hatte er schon Karla Fest im Kran-kenhaus erzählt. Sie leitet das ambulante Ricam Hospiz. Als sie ihn kurz vor seiner Entlassung besuchte, erzählte er ihr von seiner Modellbau-Leidenschaft. Die »Bismarck« war 1936 das größte Schlachtschiff der Welt. Sie sank 1941 nach einem Ge-fecht mit der britischen Royal Navy. Ich hatte das im Internet gelesen, mir extra ausgedruckt, um gut vorbereitet zu ihm zu gehen. Und davon erzählte ich diesem Freund und er begann zu lachen: »Du willst ein Kriegsschiff basteln? Ausgerechnet Du?«Ich hatte einen Kurs gemacht, in Vorbereitung auf die ehren-amtliche Sterbebegleitung. Ein Jahr lang. Und Gerhard Beseler (Name von Red. geändert) war nun meine erste Begleitung. Als er mir die Wohnungstür öffnete, stand da ein hagerer, blasser Mann vor mir, anscheinend das, was von einem einst kräftigen Körper übrig bleibt nach der Di-agnose Lungenkrebs und 5 Chemos. Er bat mich freundlich herein. Im Schlafzimmer, oben auf dem Kleiderschrank stand der über ein Meter lange Rumpf des Schiffes. Ich hob es vorsichtig herunter und stellte es auf den Tisch. Er begann alle Bauteile auf dem Tisch auszubreiten und zu sortieren, was eine ganze Weile dauerte. Und dann sagte er: »Am besten… wir fangen mit den Türmen an!« Und ich fragte ahnungslos: »Welche Türme?« – Wie schön, dass ich so naiv war. Und er antwortete erstaunt: »Na, die Gefechtstürme!«Wer mich kennt, weiß, dass ich jahrelang aktiv in der Friedensbewegung tätig war und Kriegs-

spielzeug früher niemals gutgeheißen hätte. Hier aber ging es nicht um mich. Also antwortete ich ihm: »Ach so! Gefechtstür-me!« Und so begann ich zu leimen. Ich hörte seine Anweisun-gen und tat brav, was er sagte. Und dann war der erste Turm fertig. Er schob ihn prüfend über den Tisch und sagte anerken-nend: »Bündig!« Als ich eine Woche später wiederkam, öffnete er mir freude-strahlend die Tür und fragte: »Möchten Sie einen Kaffee?« Er-staunt, dass er wieder zu Kräften gekommen war, sagte ich: »Ja, gerne, mit Milch.« Er setzte den Kaffee auf und erzählte mir, dass er vieles bereits fertiggestellt habe. Durch unser ge-meinsames Basteln habe er so viel Elan bekommen und auch Vertrauen in seine Finger. Erst 3 Uhr nachts hatte er mit dem Basteln aufgehört. Auf dem Tisch standen fünf Gefechtstürme.

Viele andere Teile des Schiffes waren vorbereitet. Er holte die Farben und wir begannen zu streichen. Nun war ich nur noch seine Helferin. Er war völlig vertieft und selbstvergessen. Und während ich ihm beim Basteln zusah, wurde mir bewusst: »Das ist Hospiz! Ich tue etwas für mich völlig Nebensächliches und ein anderer gewinnt dadurch Augenblicke größter Intensi-tät.« Eine Woche später kam er wieder ins Krankenhaus. Ich besuchte ihn dort noch einmal. Dann starb er. Das Schiff ist wahrscheinlich nie fertig geworden. Aber das war nicht mehr wichtig.

Dorothea Ihme war Lehrerin und arbeitet seit Jahren ehrenamtlich in der Sterbebegleitung im Palliativen Hilfsdienst d.E.L.P.H.i.N. des ambulanten Ricam Hospizes.

von Dorothea Ihme

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Ausgabe #6 Winter 2012/2013 05lebenszeitLetzte Wünsche

von Margit Sumpf

Die letzte Currywurst

Wo gibt`s die beste Currywurst Berlins? Für Franz ist es ganz klar: am Herrmannplatz! Aber ohne fremde Hilfe kommt er dort nicht mehr hin. Margit

Sumpf erzählt von ihrer Reise mit Franz zum Hermannplatz, über ein unerwartetes Wiedersehen und die letzte Currywurst

Anfang September kam ein Anruf aus dem ambulanten Ri-cam Hospiz. Ob ich einen Patienten begleiten könne? Ein 57-jähriger Mann, schwer an Krebs erkrankt. Er sei schon recht schwach, wünsche sich aber dennoch jemanden, der mit ihm einen Ausflug im Rollstuhl mache.

Einige Tage später lernte ich ihn kennen. Die Krankheit hatte ihn gezwungen, ins Pflegeheim zu ziehen. Seit kurzem lebte er dort. Zu jung eigentlich für ein Pflegeheim, aber einen Platz im Hospiz hatte er nicht erhalten. Und zu Hause war nicht gut für ihn gesorgt.

„Nennen Sie mich ruhig Franz!“, sagte er kurz nach unserer Begrüßung. Er war ein sehr höflicher zurückhaltender Herr. Schmal und groß mit stoppeligen braunen Haaren und einem deutlich von der Krankheit gezeichneten knochigen Gesicht. Er trug sportliche Freizeitkleidung und Jogginghose. Er rauch-te Zigarillos und fragte mich, ob mich das störe. Ansonsten sprachen wir nicht viel. Ich habe nur wenig Persönliches über ihn erfahren. Noch vor kurzem habe er am Kottbusser Damm gewohnt, zurückgezogen. Das Aufgeben der eigenen Woh-nung sei schlimm für ihn gewesen. Er erzählte, er habe nur spärlichen Kontakt zu seinen beiden Schwestern . Kinder gab es keine. Was er früher mal gemacht habe? Da blieb er vage, zuletzt eine Umschulung, irgendetwas mit Computern. Im Pflegeheim fühlte er sich viel zu jung. Immer sei er nun ange-wiesen auf andere. Selbst um an die frische Luft zu kommen, war ein Rollstuhl nötig. Der Antrag für die Nutzung des Tele-busses lief noch und wer weiß, wie lange das dauerte. Und nun war ich da, eine Ehrenamtliche aus dem Ricam Hospiz, die ihm helfen konnte, mal raus zu kommen. Sein dringlichs-ter Wunsch war es, zum Hermannplatz zu fahren. Dort gebe es eine Imbissbude, die ein alter Kumpel betreibe. Ich hatte aber noch keine Erfahrung, wie das ist, jemanden im Rollstuhl

in öffentlichen Verkehrsmitteln zu begleiten. Ich machte mir ein wenig Sorgen, ob ich das schaffe. Deshalb schlug ich vor, erst mal einen kleinen Spaziergang zu machen. Wir müssten uns noch nicht gleich so weit weg wagen. So sind wir verblie-ben.

Unser nächstes Treffen, ein wunderschöner Septembernach-mittag. Und auf dem Weg zu ihm lebte dieses Gefühl in mir auf: „Wir probieren das jetzt! Das Wetter ist so schön, worauf warten wir! Besser nichts verschieben!“ Als ich ins Heim kam, saß er schon ausgehfertig im Rollstuhl und freute sich, als ich sagte: „Ich trau mich! Auf zum Her-mannplatz!“ Dann packte er sein Handy ein und seine Geld-börse, und so sind wir beide dann losgezogen.

Zuerst war es etwas holprig, aber auf dem Weg zur U-Bahn ging alles glatt und auch die U-Bahn-Fahrt war gar kein Pro-blem. So sind wir dann recht zügig am Hermannplatz gelan-det. Der Besitzer war da und ich habe bemerkt, was der für eine Scheu hatte – aber er hat sich gefreut und ihn begrüßt. Und er wusste auch, dass Franz krank war, aber er hatte frü-her wahrscheinlich ganz anders ausgesehen! So standen wir zu dritt und die beiden haben sich unterhalten. Dann zückte Franz sein Handy und es dauerte nicht lange, dann kam eine ganze Familie vorbei, das war ein Ehepaar zwischen 40 und 50 mit zwei halbwüchsigen Töchtern. Und die haben ihn ganz herzlich begrüßt, es schien mir, als seien das seine besten Be-kannten. Und da gab‘s dann ein Hallo und große Wiederse-hensfreude. Kurze Zeit später tauchte noch jemand auf, und dann kam ein bunt grell gekleideter Fahrradkurier mit einem Anhänger und die kannten sich alle und mir wurde klar, dass diese Menschen und dieser Ort für ihn ungemein wichtig waren. Franz sagte: „Du musst sie probieren, die beste Cur-rywurst der Stadt!“ Ein bisschen hab ich mich geniert, mich

einladen zu lassen, aber was blieb mir übrig, so charmant wie er mich bat!Erst nach anderthalb Stunden gingen wir. Er hatte den Kon-takt wieder aufgenommen. Und die Freunde versprachen ihn zu besuchen. Irgendwie hatte er ihnen mit diesem Wiederse-hen die Scheu genommen, wie man mit jemandem umgeht, der so schwer krank ist wie er. Am Fahrstuhl kam uns noch eine junge Frau nachgelaufen, die es offenbar nicht rechtzei-tig geschafft hatte, zum Imbiss zu kommen. Auf dem ganzen Heimweg wirkte er unglaublich glücklich über all diese Be-gegnungen, die ich ihm ermöglichen konnte. Mir schien es, dass er jetzt seine Kontakte aufgefrischt hatte nach einer Phase der Krankheit und Zurückgezogenheit, und jetzt hatten seine Freunde den Mumm ihn zu besuchen. Ich konnte nicht wissen, dass es für ihn ein Abschied war. An diesem wunder-schönen Septembernachmittag. Ein Tag ohne Tränen. Kein Gedanke an den Tod.

Als ich ihn in der Woche danach besucht habe, begriff ich, dass sich nach diesem Nachmittag das Zeitfenster für einen weiteren Ausflug geschlossen hatte. Es war wirklich nur die-ser eine Tag gewesen, für den er seine letzte Lebenskraft auf-gebraucht hatte. Er war nun sehr schwach, hatte auch ganz vergessen, dass wir uns verabredet hatten. Wir gingen nur kurz auf die Terrasse.

Eine Woche später ging er nicht ans Telefon. Also rief ich die Wohnbereichsleitung im Pflegeheim an und sie reichte ihm den Hörer. Franz sagte nur, es gehe ihm denkbar schlecht. Er starb noch in derselben Nacht.

Margit Sumpf arbeitet seit Jahren ehrenamtlich in der Ster-bebegleitung im Palliativen Hilfsdienst d.E.L.P.H.i.N. des am-bulanten Ricam Hospizes.

An ihrem freien Tag kamen sie ins Ricam Hospiz - das Team von Frank Gassen, dem Inhaber des Salons Mayfair Hairfa-shions, des Friseur-Salons direkt gegenüber dem Elefantentor am Zoologischen Garten. Als Frank Gassen durch einen Mit-arbeiter von der Arbeit des Ricam Hospizes erfuhr, wollte er auch einmal selbst etwas Gutes tun. Und so bot er an, Patien-ten und Mitarbeitern des Ricam Hospizes kostenlos die Haare zu schneiden. Das Angebot wurde gern angenommen. Pati-enten fühlten sich durch diese Aktion noch mehr umsorgt als sonst. Eine Patientin mochte sich mit ihrer neuen Frisur seit langem mal wieder im Spiegel betrachten. Eine andere Pati-entin meinte, wenn man sie jetzt so ansehe, sei klar, dass sie als Patientin offenkundig verwechselt wurde. Sie schaue so gut aus, dass niemand auf die Idee kommen würde, sie sei krebskrank. Und ein Patient bekam mit frischem Haarschnitt viel besser Luft, weil er sich so entspannt hatte. Frank Gassens junge Mitarbeiterinnen schienen anfangs noch etwas Berüh-rungsängste zu haben. Schließlich wussten sie nicht, was sie erwartet und ob sie den ganzen Tag durchstehen. Aber schnell konnten sie sich auf alles einlassen, weil sie merkten,

dass sich durch ihr Tun alle wohl fühlten. Das Ricam Hospiz bedankt sich ganz herzlich bei Frank Gassen und seinem Team. Der Hospizleiter Johannes Schlachter sagte:»Auch wenn es für die Patienten nur ein »kurzer« Augenblick war, wo ihnen das Fenster zum „normalen“ gesunden Leben offen stand, hat dieser Augenblick Nachwirkungen für uns und die Angehörigen – auch nachdem nun alle Patienten, die in den Genuss kamen, verstorben sind. Einen Friseurtermin organisieren wir selbstverständlich immer für die Patientin-nen, die das wünschen. Aber Teil einer gemeinschaftlichen Aktion zu sein, hat die Betroffenen auf ganz andere Art ermu-tigt. Das hat die Krankheit für kurze Zeit vergessen lassen.«

Der Salon möchte auch alle ehrenamtlichen Mitarbeitern für Ihre Arbeit anerkennen. Gutscheine im Wert von 10 Euro kön-nen bei Margrit Rosenberg abgeholt werden. Termine bitte direkt mit dem Salon vereinbaren!

Herzlichen Dank an Mayfair Hairfashions! www.mayfair-hairfashions.com

Ein letzter Schnitt

Mit einem frischen Haarschnitt fühlt sich jeder wohl. Das weiß das Team des Salons Mayfair-Hairfashions am besten. Bei ihrem Besuch im Ricam Hospiz

frisierten sie Patienten und Mitarbeitern kostenlos die Haare. Toska Holtz war mit dabei und erinnert sich an die besondere Spende zum Wohlfühlen

von Toska Holtz

Frank Gassen und sein Teambei der Mittagspause im Ricam Hospiz.

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06 lebenszeit Ausgabe #6 Winter 2012/2013Körper

von Vera Bartholomay

Wie gut Berührung tut, wissen wir alle. Aber insbesondere in Krisenzeiten und bei Krankheit kommt es ganz entscheidend auf eine Zuwendung durch Berührung an. Eine liebevolle und klare Geste der Nähe. Seit einiger Zeit öffnen sich Hospize für eine ganz besondere Art der Berührung – Therapeutic Touch (Heilsame Berührung). Auch das Ricam Hospiz gehört dazu.

Therapeutic Touch (TT) ist eine energeti-sche Behandlungsmethode inspiriert von Traditionen des Handauflegens, isoliert von glaubensorientierten Elementen, die auf viele befremdlich wirken. Es geht um die sanfte Berührung, die für einen Aus-gleich der körperlichen Energien sorgt.

TT wurde ursprünglich in den USA für die Krankenpflege entwickelt. Daher auch die für uns etwas fremde amerikanische Bezeichnung. Die Krankenschwester Do-lores Krieger und die Heilerin Dora Kunz wollten Pflegenden buchstäblich etwas „in die Hand“ geben - etwas, das Patienten gut tut und ganz natürlich in die tägliche Pflege eingebunden werden kann. Sie wa-ren beide fasziniert von den verschiede-nen Traditionen des Handauflegens und deren Erfolgen. Und sie wagten das Expe-riment, die Essenz des Handauflegens in einer relativ kurzen Lernzeit zu vermitteln. Von den guten und sogar messbaren Er-gebnissen waren sie selbst überwältigt. Seitdem haben mehr als 200.000 Perso-nen in 100 Ländern diese Methode ge-lernt. Die TT-Grundausbildung umfasst 3

Wochenend-Seminare und wird auch in Berlin angeboten. Mehrere Krankenhäu-ser in Berlin bieten diese Behandlungen an. Die Wirksamkeit von TT wurde vielfach wissenschaftlich nachgewiesen.

Was passiert während einer Behandlung?Wer heilsam andere berührt, wird inner-lich still und öffnet sich für die Signa-le, die der Körper des Patienten sendet. Dann streicht sie oder er langsam über das Energiefeld, das den Körper umgibt. In diesem Feld lassen sich körperliche Störungsbereiche mit den Händen gut spüren. Danach wird das gesamte Ener-giefeld mit streichenden Bewegungen angeregt. Zum Schluss legt der oder die Praktizierende Hände auf den Körper, besonders dort, wo Blockaden zu spüren waren, fügt Energie über die Hände hinzu oder löst Blockaden.

Die Wirkung stellt sich meist sofort ein. Fast immer ist eine große Entspannung festzustellen, der Patient wird ruhiger, at-met regelmäßiger und tiefer, Angst kann reduziert werden. Manche schlafen sofort ein. Manchmal können Schmerzen redu-ziert werden.

Im Ricam Hospiz arbeitet bereits eine Krankenschwester mit TT. Im kommen-den Jahr werden weitere Mitarbeiter in diese Methode eingeführt, damit sie bei ihrer Arbeit so viel wie möglich „in der Hand“ haben und das Team allmählich mit TT vertraut wird.

Wenn ein Kind sich stößt und wehtut, fasst es sich unwillkürlich an die schmerzende Körperstelle. Die aufgelegte Hand scheint den Schmerz zu lindern.

Eine Erfahrung, die jeder kennt. Berührungen tun wohl und können sogar heilsam sein. Wissenschaftler haben die Tradition des Handauflegens näher

untersucht. Befreit von »Hokuspokus« bringt ein Therapie-Konzept die heilsame Berührung in Krankenhäuser und nun auch ins Ricam Hospiz

Heilsame Berührung

lebenszeit - Zeitung für Diskurs & Ethik am LebensendeHerausgeberRicam gemeinnützige Gesellschaft für Lebenshilfe und Sterbebegleitung mbHGeschäftsführung: Dorothea BeckerDelbrückstraße 22 12051 BerlinTel: 030-6288800 [email protected] und Redaktion Maik Turni (verantw.)Redaktionelle MitarbeitLektorat Dieter ZahnDruck Axel Springer AG, Druckhaus Spandau www.axelspringer.de/druckhaus-spandauAuflage 2.500Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank eGBLZ 430 609 67 Kto 44004901Bildnachweis soweit nicht anders angegeben © Ricam Hospiz, S.4 © pixelio.de l.:Roland Bollinger, r:DieterÜber unsere TitelseiteDie Titel-Illustration stammt von Elke R. Steiner. Erstver-öffentlichung im Deutschen Ärzteblatt Heft 4 01/09Elke R. Steiner lebt als Comiczeichnerin und Illustratorin in Berlin. Aufgewachsen in Bremen, studierte sie an der Kunstakademie sowie an der Fachhochschule Münster/ Westfalen und nahm an internationalen Comicsemina-ren in Erlangen und Luzern teil. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und ihre Comics im In- und Ausland aus-gestellt. Gelegentlich gibt sie ihre Erfahrungen in Comic-Workshops weiter. Seit 2004 ist sie dem Ricam Hospiz verbunden. www.steinercomix.de

impressum

Die Krankenschwester Gerlinde Scholdei ist bereits in TT ausgebildet und bindet es in ihre Arbeit ein

Foto oben: © Cathrin Bach - Konzept und BildFoto links: © privat

Vera Bartholomay

Vera Bartholomay ist Therapeutin und Lehrerin für Therapeutic Touch.Sie unterrichtet in Deutschland, Norwegen und in der Schweiz.

Weiterführende Informationen und eine kostenlose Kurzeinfüh-rung in TT erhalten Sie unter www.therapeutic-touch-bartholomay.com oder direkt bei der Autorin Tel: 0681-32344.

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Ausgabe #6 Winter 2012/2013 07lebenszeitNachrichten aus dem Ricam Hospiz

Internes mitgeteilt

Das Wohnungsbauunternehmen STADT UND LAND und der Lions Club Kurfürstendamm machen das Ricam Hospiz mobil! Bereits im letzten Jahr haben sie gemeinsam die Leasingkosten für einen Sko-da Fabia übernommen und dieses Fahrzeug ein Jahr lang dem Palli-ativen Hilfsdienst d.E.L.P.H.I.N. zur Verfügung gestellt. Nun haben sie diese Unterstützung um ein weite-res Jahr verlängert. d.E.L.P.H.i.N. ist eine Initiative des Ricam Hospizes und steht für: di-rekte Entlastung für Patienten zu Hause durch individuelle Nach-sorge. Der kostenlose Dienst be-sucht schwerstkranke Menschen zu Hause, nachdem sie erfahren haben, dass sie schwer krank sind, nach einem Krankenhausaufent-halt und selbstverständlich auch in Notfällen. Ziel ist es, ihnen zu er-möglichen, selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben bis zuletzt. Im d.E.L.P.H.i.N.-Team arbei-ten über 60 ehrenamtliche Mitar-beiterinnen und 3 hauptamtliche

K ra n k e n - schwestern. Die eh- renamtliche Mitarbeit ist für jeden möglich, der einen ein-j ä h r i - g e n V o r -

bereitungskurs im Ricam Hospiz absolviert hat. Gewissermaßen mit zum Team gehört nun der Skoda Fabia. Er ist ein wichtiges Hilfsmit-tel, um die täglichen Haus- und Be-ratungsbesuche überhaupt bewäl-tigen zu können. Dank gilt neben STADT UND LAND und dem Lions Club Berlin-Kurfürstendamm auch Skoda Deutschland. Das Unterneh-men hat für den einsatzfreudigen PKW ein günstiges Leasingmodell ohne Anzahlung und Schlussrate gewährt.

mti

Liebe Freunde des Ricam-Hospizes,

gerne gebe ich meine Begeisterung über den „Ball unter Sternen“ am 13. Oktober 2012 im Estrel Berlin weiter und hoffe Sie neugierig zu machen. Falls Sie in diesem Jahr noch nicht dabei waren, sollten Sie sich schon heute den Termin für den nächsten Galaball zugunsten des Ricam Hos-pizes vormerken: 2. November 2013 im Estrel Berlin!Lassen Sie sich nun von mir rück-blickend durch einen glanzvollen Abend begleiten:

Als nach dem Sektempfang der Ballsaal geöffnet wurde, stilvoll geschmückt mit Kandelaber und Blumen auf fein gedeckten Tischen, begann für mich das Ballereignis des Jahres! Durch den Abend führte der Magier Clemens Ilgner, der sich selbst sichtlich berührt zeigte, als er den Zweck des Abends vorstellte: die Musiktherapie. Sie zählt zu den wichtigsten ergänzenden Angebo-ten im Ricam Hospiz (S. 2)

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky rief als Schirmherr

der Gala die Gäste auf für die Mu-siktherapie zu spenden und mach-te den Anfang mit 1.500 Euro. Er versprach jedem Spender, der es ihm gleichtun würde, einen Buddy-Bären als Dankeschön. Daraufhin

spendete der Lions-Club Kurfürs-tendamm 10.000.- Euro. Insgesamt kamen inklusive der Kartenerlöse 25.000.- Euro zusammen. Damit ist die Musiktherapie ein weiteres Jahr gesichert. Allen Spendern sage ich hiermit meinen Dank im Namen der Gesellschaft der Freunde des-Ricam-Hozpizes e.V., die den „Ball

unter Sternen“ bereits zum siebten Mal veranstaltet hat.

Ein Gala-Abend ist nichts ohne Künstler. In diesem Jahr traten der Pianist Roland Hamann, der Come-dian Kai Eikermann, die A-Capella-Gruppe „Yeoman“ und die „Berliner Tenöre“ der Staatsoper und Deut-schen Oper auf und verzichteten dabei alle auf ihre Gage! „Es hat uns riesig gefreut, dass so eine hohe Summe an diesem Abend für die Musiktherapie des Ricam-Hospizes zusammen gekommen ist…“, sagte Yeomen-Sänger Absalom Reichardt, „…,denn Musik kann eine Sprache sein, die den Geist auch dann er-reicht, wenn die üblichen Kommu-nikationsformen nicht mehr mög-lich sind.“Schließlich eröffneten die Debü-tanten die Ballnacht mit einem Formationstanz zum Radetzky-marsch und einem anschließen-den Schneeballtanz. Die jungen Paare erhielten ihre Ausbildung in der ADTV Tanzschule Dieter Keller. Zur Musik des „Damenorchester Salome“ tanzten die Gäste bis in die Morgenstunden. Damen ohne Tanzpartner wurden von den Tän-zern der Agentur »be my dancer« elegant übers Parkett geführt.

Ihr Heinz Martuzalski (Vorstand der Gesellschaft der Freunde des Ricam-Hospizes e.V.) Mitte: Neuköllns Bürgermeister als Schirmherr überreicht der Gründe-rin des Ricam Hospizes 1.500 Euro als Spende. unten: Blick in den BallsaalFotos:© Cathrin Bach - Konzept und Bild

Ballereignis des Jahres

Bereits zum 7. Mal fand der »Ball unter Sternen« zugunsten des Ricam Hospizes im Estrel

Berlin statt. 25.000 Euro kamen für die Musiktherapie im Ricam Hospiz zusammen!

von Heinz Martuzalski

Bei einem Treffen vor dem Rathaus Neukölln übergeben der STADT UND LAND-Geschäftsführer Jürgen Marx (r) und Bernd Hempel (l), der Vorjah-res-Präsident des Lions Clubs Berlin-Kurfürstendamm den Skoda Fabia an Dorothea Becker, die Geschäftsführerin des Ricam Hospizes.

Ein Auto fürs Ricam Hospiz!

Das Wohnungsbauunternehmen STADT UND LAND und der

Lions Club Berlin-Kurfürstendamm sponsern auch 2013:

Die Debütanten der Tanzschule Dieter Keller und der Comedian Kai Eikermann mit vollem Körpereinsatz

Fotos:© STADT UND LAND - Klaus Dombrowsky

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ein Frohes Festund ein glückliches Neues Jahr!

Allen Förderern, Freunden, engagierten Mitarbeitern und Partnern des Ricam Hospizes

Mit diesem Gruß möchte ich mich bei - Dir, Ihnen, Euch - für das unermüdliche Engagement bedanken, unser Kleinod »Ricam Hospiz« zu hegen, zu pflegen und gemeinsam weiter zu gestalten.Das Ricam Hospiz wird im nächsten Jahr 15 Jahre alt. Fast mag man denken, dass wir nun aus dem Gröbsten raus sind. Aber von Jahr zu Jahr bleibt das Ricam Hospiz ein Abenteuer - ein Hospiz von Bürgern für Bürger, Jahr um Jahr auf deren Solidari-tät, auf Geld- genauso wie auf Zeitspenden angewiesen.

Durch das mitmenschliche Tun entsteht ein Rahmen, in dem sogar Wunder geschehen können. Am wenigsten verfügbar scheint die Zeit zu sein. Sie ist so kostbar, und doch verrinnt sie unerbittlich. Aber manchmal bleibt sie im Hospiz tatsächlich stehen für

Menschen, die sich voneinander verabschie-den müssen. Vielleicht sollte unsere Lebens-zeit daher viel eher mit einer Schneekugel statt mit einer Sanduhr gemessen werden - in der Schneekugel zählen wir keine Sand-körner, die verrinnen, dort zählen nur die Menschen, die uns wie gute Sterne im Laufe unseres Lebens begegnen und uns begleiten.

Ich wünsche - Dir, Ihnen, Euch - viele gute Sterne im Kreise der Familie und Freunde, vor allem Gesundheit, Lebensfreude und Lebensmut!

Deine, Ihre, EureDorothea BeckerGeschäftsführerin und Gründerin des Ricam Hospizes

Das Ricam Hospiz begleitet sterbenskranke Menschen und deren Angehörige zu Hause, im Pflegeheim, im Krankenhaus und im eigenen stationären Hospiz. 1998 von zwei Krankenschwestern mit der Hilfe vieler Berlinerinnen und Berliner gegründet, war es das erste vollstationäre Hospiz in Berlin. Mit seinem Palliativen Hilfsdienst d.E.L.P.H.i.N. unterstützt das ambulante Ri-cam Hospiz Menschen in ihrem Wunsch, trotz schwerer Krankheit daheim zu bleiben. Das Ricam Hospiz arbeitet eng mit Haus- und Fachärzten, Psychologen und Phy-siotherapeuten zusammen. Ein besonderes Angebot ist die Musiktherapie, die hilft, auch nonverbal körperliche Beschwerden und emotionale Not zu lindern.

Die laufenden Kosten des stationären Hospizes tragen nur zu 90 Prozent die Krankenkassen. Ein Zehntel muss aus Spenden finanziert werden. Das ambulante Hospiz mit seinem Palliativen Hilfsdienst d.E.L.P.H.i.N. erhält lediglich Zuschüsse zu den Personalkosten. Daher kann vieles von dem, was die Mitarbeiterinnen des Ricam Hospizes für Patienten und deren Familien tun, nur durch Spenden ermöglicht werden.Die Gründerin und Geschäftsführerin, Dorothea Becker, erhielt im Jahr 2008 das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement in der Hospizbewegung.

Das Ricam Hospiz ist engagiertes Mitglied im Deutschen Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) und im Hospiz- und PalliativVerband Berlin (HPV) .

Den Adventskalender gibt es gerade rechtzeitig für alle 24 Vorweih-nachtstage. Meine Kolleginnen und Kollegen stellen ihre Bücher 2012 vor und das schönste: Als kleines Dankeschön für Spender verlosen wir jeden Tag ein Exemplar an einen der Spender, der an diesem Tag online für das Ricam Hospiz gespendet hat, unabhängig von Höhe und Häufigkeit der Spende. www.ricam-hospiz.de

IHR EINKAUF HILFT - In über 1.500 Shops - Dieses Projekt gibt eine Anregung, wie man ohne eigenes Geld fürs Ricam Hos-piz in die Hand zu nehmen, Spenden für das Ricam Hospiz ermöglichen kann. Jedem Online-Einkauf über unsere Seite folgt automatisch eine Spende durch den beteiligten Shop. www.ricam-hospiz.de

DANKESCHÖN-Bücher im literarischen Adventskalender des Ricam Hospizes

P.S. Lassen Sie sich einladen, unsere Internetseite zu besuchen und entdecken Sie 3 gute Ideen:

Geschenke kaufen und dabei Gutes tun!

Auf unserer Seite finden Sie einen Zeitstrahl, in dem einige der Spender zu sehen sind, die 365 € gespendet haben, genau die Summe, die uns an jedem Tag des Jahres im stati-onären Hospiz an der Finanzierung fehlt. Dankbar sehe ich diese „gute Gesellschaft“ der Tagespaten an und hoffe, dass dieses Engagement Spaß macht und ansteckend ist. www.ricam-hospiz.de

Ein Tag Menschlichkeit - Werden Sie Tagespate!

Spendenkonto: 44 004 901GLS Gemeinschaftsbank eG - BLZ 430 609 67