Lehr- und Forschungsstandort der Schmerzmedizin 2.Teil Sonderausbildung für Intensivpflege OÄ Dr....

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Lehr- und Forschungsstandort der Schmerzmedizi n 2.Teil Sonderausbildung für Intensivpflege OÄ Dr. Gabriele Graggober, MSc Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin UK St. Pölten St. Pölten, 17.09.2015

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Lehr- und Forschungsstandort der

Schmerzmedizin2.Teil

Sonderausbildung für Intensivpflege

OÄ Dr. Gabriele Graggober, MSc

Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin

UK St. Pölten

St. Pölten, 17.09.2015

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Inhaltsübersicht 1. Teil

I. Allgemeines I.I. Schmerzphysiologie u. Schmerzarten I.II. Schmerzmessung

II. Medikamentöse Schmerztherapie

III. fakultativ: 1. Das Serotoninsyndrom

2. Fallbeispiele2

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Inhaltsübersicht 2. Teil

▪ IV. Perioperative Schmerztherapie

▪ V. Nichtmedikamentöse Schmerztherapie

V.1. Akupunktur V.2. Kommunikation mit Patienten V.3. Medizinische Hypnose in der Schmerztherapie

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IV. 1. ALLGEMEINES UND WIEDERHOLUNG

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Definition:

Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.

(International Association for the Study of Pain)

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Schmerzmanagement in der Pflege▪ Expertenstandard vom dt. Netzwerk für

Qualitätsentwicklung in der Pflege –Begründung:

▪ „Durch eine rechtzeitig eingeleitete, systematische Schmerzeinschätzung, Schmerzbehandlung sowie Schulung und Beratung von Patienten/Betroffenen und ihren Angehörigen tragen Pflegefachkräfte massgeblich dazu bei, Schmerzen und deren Auswirkungen zu kontrollieren bzw. zu verhindern.“

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77Descartes 1596 -1650

Somatotopie

Schmerzbahn

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Schmerzverarbeitung

▪ ein Sinnesreiz wird von einem Rezeptor aufgenommen

▪ nachgeordnete neuronale Strukturen vermitteln subjektive Empfindungen

▪ im Kortex findet die bewusste Wahrnehmung statt, mit kognitiver Einordnung und Verarbeitung

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4 Komponenten der Schmerzverarbeitung

▪ sensorisch – diskriminative Komponente

▪ affektive Komponente

▪ kognitive Komponente

▪ autonome und somatosensorische Komponente

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Sensorisch – diskriminative Komponente

▪ Wahrnehmung von Reizort, Reizstärke, Reizdauer und Art des Reizes (Stich, Schlag, Hitze…..)

▪ das laterale Schmerzsystem = laterale Thalamuskerne – projizieren in den somatosensorischen Kortex (somatotop)

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Affektive Komponente

▪ leidvolles, gelegentlich lustvolles Erleben des Ereignisses „Schmerz“ im individuellen emotionalen Kontext

▪ durch den anterioren cingulären Kortex (ACC) und den insulären Kortex vermittelt

▪ auch die Amygdala spielt eine wichtige Rolle in der affektiven Schmerzverarbeitung (emotionales Lernen)

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Autonome und somatosensorische Komponente

▪ vegetative und motorische Reflexantwort auf den Schmerzreiz, z.B. Schwitzen, Tachykardie, Wegziehreflex

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Kognitive Komponente

▪ Einordnung des Schmerzes vor dem individuellen Horizont aus Erfahrung, gegenwärtiger Stimmung und bestimmter Erwartung

▪ der mediopräfrontale Kortex kann dabei die Aktivität von ACC und Insel modulieren – auch mit endogener Schmerzinhibition assoziiert

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▪ Schmerzmatrix

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▪ Aktivierte Schmerzmatrix

 Derbyshire, S.W.G.; Whalley, M.G.; Stenger, V.A. & Oakley, D.A. (2004). Cerebral activation during hypnotically induced and imagined pain. NeuroImage, 23, 392- 401.

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Pain is, what the patient says, it is.Cicely Saunders,1980

Schmerz ist eine subjektive Erfahrung!

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Die Bedeutung des Schmerzes beeinflussende Faktoren:

▪ Kultur

▪ Religion

▪ Alter

▪ Geschlecht

▪ Persönliche Schmerzerfahrungen

▪ Sozialer Status

▪ Soziale Ziele

▪ Persönliche Ziele

▪ Bildung

▪ intellektuelle Kapazität

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Schmerzarten

Akuter Schmerz - Schmerzdauer unter 3 Monaten

Chronischer Schmerz - Schmerzdauer länger als 3 Monate

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Akuter Schmerz

wird von einer Erregung des Sympathikus und Angst begleitet,er dient der Anpassung und warnt vor Gefahr.

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Chronischer Schmerz

bleibt über die Dauer des normalen organischen Heilprozesses hinaus bestehen und es besteht kein adaptiver Nutzen mehr.Begleitsymptome: Angst Depression Schlafstörungen

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Folgen unzureichender Schmerzbehandlung: Physische Beeinträchtigung

Körperliche SchwächeEingeschränkte Mobilität ImmobilitätSelbstpflegedefizitKörperliche UnruheVegetative DysregulationMuskelschwund – MuskelverkürzungGestörte AtmungGestörter KreislaufGestörte VerdauungInfektanfälligkeit und Wundheilungsstörung

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Folgen unzureichender Schmerzbehandlung:Psychische Beeinträchtigung

SchlafstörungApathie Erschöpfung und TagesmüdigkeitDepressionStimmungsschwankungenVerzweiflungUnruheGestörte KonzentrationVerbitterung, Frustration

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Folgen unzureichender Schmerzbehandlung:Soziale Beeinträchtigung

Abhängigkeit - von der Familie - von den Medikamenten - vom Gesundheitssystem Verlust der sozialen Kompetenz Probleme am Arbeitsplatz Soziale Isolation Zukunftsangst

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Einteilung nach der Pathophysiologie• Nozizeptiver Schmerz entsteht durch

mechanische, thermische oder chemische Stimulation der Nozizeptoren

• Neuropathischer Schmerz ist ein chronischer Schmerzzustand, der durch Schädigung des zentralen und/oder peripheren NS hervorgerufen wird

• Psychogener Schmerz

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Sonderform: Mixed Pain

• Tumorschmerzen (bei Infiltration von neuronalen Strukturen)

• Chronische Rückenschmerzen• CRPS I (ohne Nervenverletzung)

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Nozizeptorschmerz

▪ somatisch: oberflächlich (Haut)

tief (Muskeln, Knochen…)

▪ visceral (Eingeweide)

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Nozizeptoren▪ Sinneszellen, die auf die Wahrnehmung noxischer

Reize spezialisiert sind

▪ sie detektieren mechanische, thermische und chemische Reize

▪ ihre sensorischen Endigungen liegen in der Haut, den Gelenken und Organen

▪ „schlafende“ Rezeptoren können durch Sensibilisierung (Entzündungsmediatoren) aktiviert werden

▪ Nozizeptoren besitzen auch eine efferente Funktion27

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▪ lange Axone leiten das Schmerzsignal durch die Spinalnerven in die Hinterhörner des RM, wo die Nozizeptoren ihre Synapsen bilden

▪ die nachgeschalteten RM-Neurone verlaufen durch den jeweils kontralateralen Vorderseitenstrang zum Gehirn

Nozizeptoren

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Nozizeptoren und Entzündung

▪ Nozizeptoren haben starken Einfluss auf ihre Umgebung

▪ Bei Entzündung kommt es zur Freisetzung von Substanzen, die durch Modulation von sensorischen Endigungen die Schmerzempfindlichkeit erhöhen

▪ Hyperalgesie

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Viszeraler Schmerz▪ DEFINITION UND ALLG. MERKMALE

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sind diffus lokalisiert,

werden häufig übertragen (Referred Pain),

sind meist nicht mit aktuellen Traumen korreliert,

werden bevorzugt von vegetativen und motorischen Reflexen begleitet,

sind mit der Erregung somatischer und viszeraler Afferenzen korreliert, werden häufig von nicht schmerzhaften, schlecht mitteilbaren Empfindungen begleitet (auch als Prodromi)

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Eine rasche Dehnung der Kapsel eines soliden Organs

Eine abnormale Erweiterung oder Kontraktion der Hohlwand

Eine Dehnung oder Quetschung der Ligamenta, Gefäße oder des Mesenteriums

Eine Ischämie der viszeralen Muskulatur

Eine direkte Einwirkung oder Folge chemischer Noxen auf die Mukosa

Sog. funktionelle Ursachen

Viszeraler Schmerz• URSACHEN

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GRUNDTYPEN DES VISZERALEN SCHMERZES

1. Ein bohrender „heller“, plötzlich einsetzender, stärkster Schmerz mit Todesangst und Vernichtungscharakter (z.B. Peritonitis, Herzinfarkt, akute Pankreatitis).

2. Kontraktionsschmerzen eines abdominellen Hohlorgans im Sinne von Koliken zeigen sich als heftigste wellenförmige, wehen- und krampfartige Schmerzen mit vegetativen Symptomen (z.B. Übelkeit).

3. Dumpfe, drückende, schlecht lokalisierbare Schmerzen von leichter bis mittelschwerer Stärke, durch anhaltenden Charakter sehr quälend(z.B. Leberkapseldehnung, Reizdarm, ...).

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4. Brennende Schmerzen, meist langsam beginnend, in der Intensität deutlich geringer, keinen sofortigen Behandlungswunsch auslösend(z.B. Schleimhautreizung bei Gastritis, Duodenitis oder Ösophagitis).

Der Verlauf kann akut, subakut oder chronisch sein.

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Keller und Layer

REFERRED PAIN

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Neuropathischer Schmerz

▪ bleibt auch dann noch bestehen, wenn keine Gewebeschädigung mehr vorliegt

▪ wichtige Rolle spielen Na – u. Ca-Kanäle der Neurone

▪ Glutamat und Aspartat↑ → NMDA Rezeptoren↑

▪ führt zu einer neuronalen Sensibilisierung im RM = zentrale Sensibilisierung

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Schmerzfasern

▪ Aδ – Fasern: dicke Axone, die von einer Myelinscheide umhüllt sind, schnellleitend (5-50m/s)

▪ C – Fasern: dünn und nicht myelinisiert, Reizleitung unter 1 m/s

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▪ Aδ – Fasern leiten den ersten Schmerz – oft stechend und brennend

▪ C – Fasern vermitteln den zeitlich verzögerten Schmerz – oft bohrend und dumpf

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IV. 2. Medikamentöse Schmerztherapie im perioperativen Setting

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Medikamentöse Schmerztherapie

▪ Bei leichten Schmerzen ist die alleinige Gabe von Nichtopioiden ausreichend

▪ Bei starken und mittelstarken Schmerzen sollen Opioide in Kombination mit Nichtopioidanalgetika verabreicht werden (Opioidverbrauch↓, Nebenwirkungen↓, Wirkdauer↑, Analgesie↑)

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▪ Analgetika mit vorwiegend peripherer Prostaglandin - Synthesehemmung: NSAR, Coxibe

▪ Analgetika mit vorwiegend zentraler Prostaglandin – Synthesehemmung: Paracetamol, Metamizol

NICHT OPIOIDANALGETIKA

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NSAR NEBENWIRKUNGEN Gastrointestinaltrakt

ZNS

Herz- Kreislauf

Lunge

Niere

Leber

Blutbild

Gerinnung

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Diclofenac ▪ Gute analgetische, antiphlogistische und antipyretische

Potenz

▪ Tagesdosis: 50 – 150mg beim Erwachsenen

▪ NW: Allergie, RR Abfall, GI NW, NI, Leberinsuff., Ödeme

▪ KI: Allergie, GI Ulzera – und Blutungen, NI, Kard. Insuff., Hypertonie, schwere Leberfunktionsstörung, Blutbildungs – und gerinnungsstörungen, im letzten Trimenon

▪ WW: Blutgerinnungshemmende Med., Cortison, SSRI, Lithiumhaltige Med., Kaliumsparende Diuretika

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Paracetamol ▪ schwache analgetische und gute antipyretische Potenz

▪ Dosierung: max. 4g/Tag (bei Erwachsenen)

▪ Wirkmaximum nach 90 Minuten

▪ Wirkmechanismus bis heute nicht ganz geklärt

▪ wenige KI (schwere Leberinsuffizienz, Allergie)

▪ keinen Einfluss auf respiratorische Funktion

▪ keine Veränderung der Blutgerinnung (?)

▪ kann bei Schwangeren verwendet werden

▪ keine Medikamenteninteraktionen

▪ cave: nicht mit 5-HT-3 Antagonisten kombinieren 44

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Paracetamol

In vielen Kombinationspräparaten ist Paracetamol enthalten, was die Gefahr einer akzidentiellen Intoxikation birgt - Gefahr des akuten Leberversagens

• toxische Wirkung durch N-Acetyl-p- benzochinonimin, das bei Abbau über CYP450 ensteht.• NAPQI → Glutathion → Niere• akute Paracetamolüberdosierung → Gluthation erschöpft → Leberzellnekrose• Alkoholabbau über dasselbe CYP – auch bei moderatem regelmäßigen Alkoholkonsum KEIN Paracetamol!

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Metamizol▪ Analgetisch, antipyretisch und spasmolytisch

▪ Darreichungsform: 1Kps. = 500mg

20 gtt = 1ml = 500mg

1 Supp. = 500mg/1g

1 Amp. = 2 ml = 1g

1 Amp. = 5 ml = 2,5g

▪ Maximaldosis: 4g/Tag

▪ Wichtigste Nebenwirkungen: Blutdruckabfall, allerg. Hautreaktion, Leukopenie, Agranulozytose (bei 1:1 Mio.- genetisch bedingt), Pyrazolonallergie

▪ Wichtigste Kontaindikationen: akute hepatische Porphyrie, Glucose-6-phosphatdehydrogenasemangel

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Empfehlungen zur Therapie mit NSAR

▪ So niedrig dosiert, so kurz wie möglich

▪ Kurzwirksame Formen präferieren

▪ KI (NI, Ulkusanamnese….) beachten

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Opioide▪ Systemische Applikation von Opioiden ist zentraler

Bestandteil der S3 Leitlinien

▪ Dosistitration bis die Schmerzintensität auf VAS ≤ 3 in Ruhe oder VAS < 5 bei Belastung gesenkt wird

▪ Es gibt grundsätzlich keine Tageshöchstdosen

▪ Opioid der Wahl zur postoperativen Schmerztherapie ist der reine µ-Rezptor-Agonist Piritramid

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Verstopfung,Übelkeit

OPIOIDE - Eigenschaften

kalkulierbareNebenwirkungen

Handhabung - Titration des Schmerzes- individuelle Einstellungsind nicht organschädigend

Kombinationen

wirken über spezifischenOpioidrezeptor Anwendung nur zur Analgesie

Kombinationenmit anderen

Medikamentengruppenmöglich

Atemdepression 49

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Analgetische ÄquivalenzOpioide bei chronischem Schmerz

70-100Fentanyl20-40Buprenorphin7.5Hydromorphon2Oxycontin1Morphin1/6Dihydrocodein1/8Tramadol

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Schwach wirksame Opioide

▪ Tramadol

▪ Dihydrocodein

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Würzburger Schmerztropf

▪ Zusammensetzung:

600mg Tramadol3-4g Novalgin2,5g Droperidol (gegen Übelkeit) in 500ml NaCl

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Stark wirksame Opioide

▪ Pethidin

▪ Piritramid

▪ Morphin

▪ Nicomorphin

▪ Oxycodon

▪ Methadon

▪ Hydromorphon

▪ Fentanyl

▪ Alfentanil

▪ Sufentanil

▪ Remifentanil

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Morphin

▪ Bioverfügbarkeit nur ca. 30% bei oraler Aufnahme

▪ p.o.; i.v.; s.c. (in der Palliativmedizin)

▪ Opioid mit aktiven Metaboliten:

- M-6-Glucuronid (analg. wirksam)

- M-3-Glucuronid

▪ cave: Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz

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Piritramid

▪ µ-Agonist

▪ Analgetische Potenz beträgt 0,7

▪ wird fast vollständig in der Leber synthetisiert

▪ i.v.; s.c.;

▪ Therapeutische Einzeldosis bei Erwachsenen: 7,5 – 15mg i.v.; Tageshöchstdosis: 45 – 60mg

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Fentanyl ▪ 100fach stärker als Morphin

▪ Agonist am µ - Rezeptor

▪ i.v., transdermales therapeutisches System (TTS),oral-transmukosales therap. System

▪ Stick in Form von Fentanylcitrat

▪ Schnell wirksame Formen gegen Durchbruchschmerzen (Nasenspray, Stick, Lutschtablette) - In Österreich in der „No“ - Box!

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Fentanyl

▪ lipophil; wird im Fettgewebe eingelagert und wieder freigegeben („silent death“ – als späte Atemdepression im Sinne eines Reboundphänomens)

▪ Abbau erfolgt in der Leber (CYP 3A4)

▪ bei zunehmender Dauer der Anwendung von Fentanyl kommt es zur Akkumulation - „Kontextsensitive Halbwertszeit „ (beschreibt die Wirkdauer eines Medikamentes in Abhängigkeit von der Anwendungsdauer)

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Alfentanil

▪ Wirkt 1/3 – 1/4 –mal so stark wie Fentanyl; im Vergleich zu Morphin: 1:30

▪ Verwendung in der Anästhesie zu Kurzzeiteingriffen und zur „On-top-Analgesie“

▪ wird in der Leber metabolisiert, zu 70 – 80% über die Niere ausgeschieden

▪ NW: Bradykardie, Thoraxrigidität (langsame i.v. Gabe)

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Sufentanil▪ 7 – 10x stärker als Fentanyl, zu Morphin 1:1000

▪ analgetische und hypnotische Komponente

▪ ideal für Langzeitsedierung

▪ HWZ: 2,5 Stunden

▪ in der Leber und im Dünndarm abgebaut, über die Niere ausgeschieden

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Remifentanil▪ ultrakurz wirkender µ - Agonist: Wirkung setzt nach 1-2

min ein und hält ca. 3-4 min

▪ ein Reboundphänomen im Sinne einer Remorphinisierung ist ausgeschlossen

▪ mit der postoperativen Schmerztherapie muss schon intraoperativ begonnen werden

▪ NW: Thoraxrigidität

▪ Analgosedierung auf der Intensivstation

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Hydromorphon▪ µ-Rezeptor Agonist

▪ keine aktiven Metaboliten

▪ keine Dosisanpassung bei Organinsuffizienz

▪ nicht über CYP450 metabolisiert

▪ Hohe analgetische Potenz:5mal stärker als Morphin

▪ per os und i.v.

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Dosisäquivalente Opioidumstellung

1 AmpulleMorphin 10 mg/1 ml Injektionslösung

1 AmpullePiritramid 15 mg/2 ml Injektionslösung

1 AmpulleHydal® 2 mg/ml Injektionslösung

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Hydromorphon Morphin Piritramid

PEB <10% 20 – 35% 93 -95%

t 1/2 2,6 1,7 – 4,5 4 - 10

AktiveMetabolite

keine M6G nicht bekannt

Analgetische Potenz vsMorphin

1 : 5 1 : 1 0,7 : 1

Wirkeintritt i.v.Wirkeintritt s.c.

5 min 5 – 10 min

wenige Minuten 15 – 30 min

1 – 2 min max. 30 min

Wirkdauer 3 – 4 h 4 – 6 h 5 – 8 h

Parenterales Hydromorphon vs Morphin vs Piritramid

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Patientenkontrollierte Analgesie (PCA)

▪ Das Prinzip besteht darin, dass der Patient durch eine Schmerzmittelpumpe Zeitpunkt und Dosisintervall der Schmerzmittelapplikation selbst bestimmt.

▪ Voraussetzungen sind das geistige und manuelle Verständnis für die Pumpe und die Kooperationsfähigkeit des Patienten.

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PCA▪ Die PCA Pumpe darf niemals von anderen

Personen bedient werden!

▪ Es sollten keine Dreiwegehähne verwendet werden

▪ Über denselben venösen Zugang sollte keine Infusion erfolgen

▪ Es sollte parallel zur PCA keine Analgetikainfusion stattfinden

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CADD-Legacy® PCA

Beutelfüllung: Piritramid (Dipidolor®) 150 ml (1mg=1ml)Bolus: 1,5mlSperrzeit: 10 Minuten

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Eine Kombination der i.v. Opioid - PCA mit Adjuvantien kann im routinemäßigen Einsatz nicht empfohlen werden.

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Als am besten geeignetes Verfahren zur postoperativen Schmerztherapie gilt die PCA.

Ein fixes Regime der Applikation eines Opioids nach festgelegten Zeitintervallen zeigt auch eine gute postoperative Schmerzkontrolle.

Eine nur nach „Abruf“ erfolgende Schmerztherapie ist heute obsolet.

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Koanalgetika

▪ Ketamin: in subanästhetischen Dosierungen

bei Hyperalgesie

intraoperativ eingesetzt übt es einen

schmerzpräventiven Effekt aus

▪ Gabapentin und Pregabalin :

klinische Studien noch ausständig

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Postoperative Schmerztherapie bei Patienten mit chronischen Schmerzen

▪ Planung der postoperativen Phase wichtig

▪ Pharmakologische Effekte einer Vormedikation beachten

▪ Genaue Schmerzanamnese – ev. Absetzen oder Umstellen der Medikation

▪ Ein Opioidentzug ist perioperativ unbedingt zu vermeiden!

▪ PCA ist das Verfahren der 1. Wahl (AWR!)

▪ Bei Opioidresistenz bzw. opioidinduzierter Hyperalgesie ist die Gabe von niedrig dosiertem Ketamin indiziert

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Postoperative Schmerztherapie bei Patienten mit chronischen Schmerzen

In der Praxis haben sich zwei Konzepte bewährt:

▪ Weiterführung der oralen/transdermalen Vortherapie in Kombination mit einer kurzfristigen Überbrückung durch eine PCA in üblicher Einstellung. Dieses Vorgehen ist vor allem bei kleinen Eingriffen indiziert.

▪ Ermittlung des voraussichtlichen Substitutionsbedarfs und Verabreichung dieser aus Sicherheitsgründen reduzierten Dosis als Dauer- oder Basalinfusion (Überwachung im AWR). Dieses Vorgehen ist vor allem bei grossen Eingriffen indiziert.

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Postoperative Schmerztherapie bei Patienten mit Substanzabhängigkeit▪ Hochrisikopatienten!

▪ Vermeiden bzw. unmittelbares Beseitigen einer körperlichen Entzugssymptomatik

▪ Exakte Erhebung der Suchtanamnese

▪ Gründliche Erhebung der Komorbiditäten

▪ Ausreichend perioperative Substitutionstherapie

▪ Ausschließlich reine Agonisten verwenden

▪ Modus der Wahl: PCA mit geringen Einzeldosierungen und fixem Sperrintervall

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Postoperative Schmerztherapie bei ehemaliger Abhängigkeit

▪ Exakte Erhebung der Suchtanamnese

▪ Gründliche Evaluation der Komorbidität

▪ Keine perioperative Substitutionstherapie

▪ Modus der Wahl: Regionalverfahren

▪ Strikte Vermeidung psychotroper Opioideffekte

▪ Großzügiger Einsatz von Nichtopioiden

▪ i.v. PCA mit reduziertem Bolus

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SCHMERZMESSUNG

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Schmerzmessung und Dokumentation

Jeder Patient soll bei Aufnahme nach aktuelle Schmerzen befragt werden.

(S3-Leitlinien 2007 „Akute perioperative und posttraumatische Schmerztherapie)

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Schmerzerfassung mit Schmerzskalen

▪ Visuelle Analogskala (VAS)

▪ Numerische Schätzskala (NRS)

▪ Verbale Schätzskala (VRS)

▪ „Smilies“

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Dokumentation von Schmerzen

▪ Schmerzmessung und Dokumentation vom Pflegepersonal

▪ Mindestens alle 8h

▪ Innerhalb der ersten 24h nach dem Eingriff engmaschig, z.B. alle 2h nach einem größeren Eingriff

▪ Bei neu aufgetretenen oder stärker gewordenen Schmerzen

▪ Vor und 30min nach einer nicht – pharmakologischen Intervention

▪ Vor und nach jeder Schmerzmittelgabe, analog zur Zeit bis zum vollen Wirkungseintritt, z.B. 15 – 30min nach i.v. Gabe bzw. 60min nach oraler Gabe

▪ Bis zum Erreichen des Schmerzschwellenwertes (VAS ≤ 3) oder Schmerzfreiheit ohne Therapie über 24h

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Interventionsgrenzen

▪ Ruheschmerz: ≤ 3

▪ Belastungsschmerz: < 5

▪ Cave: Schmerz ist ein Warnsymptom!

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Postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV)

▪ Inzidenz: 20 – 30% nach einer OP

▪ Risikofaktoren: weibliches Geschlecht, Kinder und Jugendliche zw. 6-16 Lj., volatile Anästhetika

▪ Behandlungsoptionen: Antiemetika: Dexamethason (Wirkeintritt erst nach 2h), 5-HT3-Antagonisten („Setrone“), das Neuroleptikum Droperidol (wirkt am Dopamin Rezeptor D2), Metoclopramid (extrapyramidale NW – nicht bei Kindern)Modifikation der Anästhesieverfahren: Verzicht auf volatile Anästhetika, Regionalanästhesieverfahren

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Regionalanästhesie

▪ Epiduralanalgesie: sowohl bei thorakalen als auch bei abdominellen EingriffenVorteile: Reduktion des systemischen Analgetikaverbrauches, Möglichkeit einer postoperative Frühmobilisierung, intensives Atemtraining, Vermeidung von Sensibilisierungsprozessen, die eine Schmerzchronifizierung einleiten könnten, Reduktion des paralytischen Ileus,..

▪ Zur postoperativen Schmerztherapie stehen noch eine Reihe weiterer regionalanästhetischer Verfahren zur Verfügung (axilläre, infraclaviculäre….Blockade, Ischiadikusblockade…

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VI. 3. Analgosedierung auf der Intensivstation

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Analgosedierung auf der Intensivstation

▪ Sedierung: Propofol, Benzodiazepine, Neuroleptika, Barbiturate

▪ Analgesie: Opioide, Ketamin, Nichtopioidanalgetika, Regionalanästhesie

▪ Adjuvant: Alpha-2-Agonisten (Clonidin, Dexmetedomidin)

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Analgosedierung auf der Intensivstation - Anforderungen

▪ Effektive Schmerztherapie mit schnellem Wirkungseintritt und kurzer Wirkdauer

▪ Keine Akkumulation oder keine aktiven Metaboliten

▪ Einfache Anwendung und Titration möglich

▪ Keine schwerwiegende kardiopulmonale Depression

▪ Von Organinsuffizienzen unbeeinträchtigte Metabolisierung

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Analgosedierung auf der Intensivstation

▪ Sedoanalgesie muß individuell festgelegt werden

▪ Analgesie und Sedierung müssen regelmäßig überprüft, dokumentiert und bei Bedarf angepaßt werden (NSR, VAS, Behavioral Pain Scale, Ramsay Sedation Score)

▪ Ziel ist ein kooperativer, angst- und schmerzarmer Patient

▪ Ziel ist ein rasches Weaning („fast track“) um Komplikationen zu vermeiden

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▪ Ramsey – Score zur Einschätzung der Sedierungstiefe

1. Patient ängstlich oder unruhig oder agitiert2. kooperativ, orientiert, ruhig3. reagiert nur auf Aufforderung4. brüske Reaktion auf leichtes Beklopfen der Glabella oder lauten akustischen Stimulus5. träge Reaktion auf leichtes Beklopfen der Glabella oder lauten akustischen Stimulus6. keine Reaktion auf leichtes Beklopfen der Glabella oder lauten akustischen Stimulus

„idealer“ Scoringwert: 3

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▪ Behavioral Pain Score

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V. Nichtmedikamentöse Schmerztherapie

V.1. Akupunktur V.2. Kommunikation mit Patienten V.3. Medizinische Hypnose in der Schmerztherapie

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V.1. Akupunktur

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Akupunktur▪ Teilgebiet der traditionellen chinesischen Medizin (TCM)

▪ Älteste schriftliche Erwähnung stammt aus dem 2. Jahrhundert v.Chr.

▪ Modell: Energie (Qi) fließt in definierten Bahnen (Meridiane)Gesundheit beruht auf einen Gleichgewicht der Qi Dynamik (Yin und Yang); Krankheit = Störung dieses Gleichgewichtes

▪ Rund 400 Akupunkturpunkte auf 12 Hauptmeridianen und 8 Extrameridianen + Extrapunkte

▪ Durch Einstechen der Nadel wird der Fluß des Qi beeinflußt

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Akupunktur

▪ Verfahren: Einstechen der Nadel in die Akupunkturpunkte Erwärmen der Punkte (Moxibustion) Massage der Punkte (Akupressur)

▪ Abwandlungen: Ohrakupunktur (vom franz. Arzt Nogier, 1954) koreanische Handakupunktur Laserakupunktur

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Akupunktur▪ Mögliche Indikationen:

Kopfschmerzen, Migräen Muskuloskeletale Erkrankungen Neuralgien Allergie Schlafstörungen Stärkung der Körperabwehr Geburtsvorbereitung Nikotinabusus u.v.m.

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Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)

▪ Elektromedizinische Reizstromtherapie mit mono- oder (meist) biphasischen Rechteckimpulsen (Wechselstrom) niedriger Frequenz, 2–4 Hz (Low), oder hoher Frequenz, 80–100 Hz (High), die vor allem zur Behandlung von Schmerzen (Analgesie) und zur Muskelstimulation eingesetzt wird. 

▪ Wirkungsweise: Gate Control Theorie, Aktivierung körpereigener Hemmmechanismen, gesteigerte Endorphinfreisetzung

▪ Bsp. für Indikationen: HWS- bzw. LWS – Syndrom, Migräne, Trigeminusneuralgie, Arthrosen ….

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V.2. Kommunikation mit Patienten

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American Journal of Clinical Hypnosis

Volume 4, Issue 4, 1962

„Importance of Recognizing that Surgical Patients Behave as Though Hypnotized“

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Verbesserte Kommunikation mit ängstlichen Patienten bei Operationen

▪ Patienten im OP bzw. die in einer Notsituation sind in einem natürlichen Trancezustand und der ermöglicht eine besondere Form der Kommunikation – mehr bildhaftes und weniger rationales Verständnis

▪ Zustand ist durch eine veränderte Wahrnehmung, Kognition und Reaktion auf Suggestionen sowie durch Aktivierung und Deaktivierung in ganz spezifischen Hirnarealen gekennzeichnet

▪ Trancephänomene: fokussierte Aufmerksamkeit, wortwörtliches Verstehen, ideomotorische Reaktionen, selektive/partielle Amnesie, Dissoziation, Hyperästhesie/Hypästhesie, Katalepsie, gesteigerte Suggestibilität

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Verbesserte Kommunikation…▪ Suggestion leitet sich aus dem Lateinischen ab („suggestio“); ist

gleichbedeutend mit „Eingebung“ oder „Einflüsterung“ (Placeboeefekt, selbsterfüllende Prophezeiung, Werbung)

▪ Negativsuggestionen, die eine unangenehme Situation noch verstärken, sollen vermieden werden.

▪ Positivsuggestionen, die das Wohlbefinden des Patienten stärken, sollen gezielt eingesetzt werden.

▪ Man kann einen Nocebo- bzw. einen Placeboeffekt auslösen

▪ Aus klinischen Studien geht eindeutig hervor, dass präoperative Angst den Therapieerfolg ungünstig beeinflussen kann

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Verbesserte Kommunikation…

▪ Nocebo – Effekt: nach Verabreichung wirkstofffreier Präparate treten negative, krank machend Auswirkungen auf

▪ Placebo – Effekt: nach Verabreichung wirkstofffreier Präparate treten positive Veränderungen des subjektiven Befindens und von objektiv messbaren körperlichen Funktionen auf

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„Ich kenne nur wenige Heilmittel, die mächtiger sind als ein sorgsam gewähltes

Wort.“

Bernard Lown, weltberühmter Kardiologe aus den USA (geb. 1921): „Die verlorene Kunst des Heilens“

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Verbesserte Kommunikation…

▪ Negativsuggestionen vermeiden! Ist Ihnen übel? Ist Ihnen wirklich nicht übel?? Ich weiß, da tut immer höllisch weh…. Haben sie Schmerzen? Haben sie wirklich keine Schmerzen?? Sie müssen mit starken Nebenwirkungen rechnen…

▪ Das Hirn kann nicht nichtdenken!!!!!!!- Negationen wirken nicht!!!! Sie brauchen keine Angst zu haben… Der Schmerz wird nicht so stark sein… Sie müssen sich nicht aufregen….

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Verbesserte Kommunikation…▪ Auch durch Verneinung können bedeutungsvolle, negativ besetzte

Worte, wie Schmerz, „Angst“, „Brennen“, „Spritze“ oder „Stich“ nicht neutralisiert werden!

▪ Erwartungsangst wird negativer erlebt als der eigentliche Schmerz

▪ Für das Verständnis von Witzen und scherzhafter Wortspiele sind intellektuelle Leistung und rationales Denken notwendig, wie sie dem Pat. nur eingeschränkt möglich sind.

▪ Oft werden die Ankündigungen während der Narkoseeinleitung negativ formuliert – besser: positiv formulieren!

▪ Zu Verunsicherung führen Aussagen oder Fragen wie „Spüren sie schon etwas?“, „Versuchen wir einmal…, vielleicht hilft es…,

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Nocebo - Effekt▪ „Angstinduzierte Hyperalgesie“ – eine verbal

induzierte negative Erwartungshaltung kann den Schmerz wesentlich verstärken. Bei der Umsetzung von Angst in Schmerz spielt offensichtlich das vermehrt ausgeschüttete Cholezystokinin eine Schlüsselrolle.

▪ „Stresswörter“ führen zur Aktivierung der Amygdala und zur Auslösung negativer Emotionen mit Auswirkungen auf Herzkreislauf- und Immunsystem

▪ Bei Kinder ist zu beachten, daß eine negative Erwartungshaltung der Eltern das Schmerzempfinden wesentlich mitbestimmt.

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Verbesserte Kommunikation …

▪ Cave: die Aufklärung über medizinische Nebenwirkungen, wie juristisch gefordert stellt eine beachtenswerte Quelle von Negativsuggestionen dar.

▪ Die Angstauslösung kann jedoch durch eine Verknüpfung mit positiven Inhalten gemildert werden, z.B. dass, das seltene Risiko bei Weitem wettgemacht wird durch den Vorteil für sie…

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Verbesserte Kommunikation…

▪ Positivsuggestionen verwenden – im Sinne vom englischen „to suggest“, d.h. „eine Anregung geben“, „einen Vorschlag unterbreiten“, „eine Möglichkeit anbieten“

▪ Der Patient erhält eine Wahlmöglichkeit

▪ Seine Individualität und Selbstbestimmung wird respektiert

▪ Moderne Hypnotherapie nach Milton H. Erickson – indirekte Suggestionen…

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Verbesserte Kommunikation…

▪ Methoden aus der Hypnotherapie: „safe place“ bzw. für Kinder der „Zauberteppich“, Dissoziation (eine Distanzierung von der jetzigen Realität), Utilisation – z.B. Angst vor Kontrollverlust –Monitoring, Fokussierung nach Innen, Assoziationen, Reframing, Metaphern (z.B.: Hand auf ihren Schultern = Schutz)

▪ Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation

▪ Auch während Allgemeinanästhesie wirken Suggestionen. Als letzte zerebrale Funktion erlischt die auditive.

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Positivsuggestionen bei der Präoxygenierung

▪ Statt: „Atmen sie tief ein und aus!“

▪ „Mit jedem tiefen Atemzug können sie den guten Sauerstoff aufnehmen, der so hilfreich für ihren Körper ist, und mit jedem Ausatmen können sie all die verbrauchte Luft loswerden, damit wieder Platz für einen tiefen Atemzug ist, mit dem sie den Sauerstoff – und alles, was ihnen jetzt gut tut – aufnehmen und mit dem Ausatmen können sie die verbrauchte – und alles, was sie jetzt nicht brauchen, alles, was sie stört – abgeben. Und einatmen: Ruhe und Zuversicht. Und ausatmen; Unruhe und Sorgen. Und ihr Körper weiß von allein, wie er mit dem Einatmen alles Hilfreiche aufnehmen und mit dem Ausatmen alles Belastende und Störende loswerden kann……

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Conclusio

▪ Vermeidung von unbedachten und negativen Suggestionen – dafür nötig ist eine empathische Vorstellungskraft, wie sie auf einen Patienten wirken können

▪ Versicherung von Begleitung und Sicherheit und die Aufrechterhaltung einer Kommunikation

▪ Einsatz von Positivsuggestionen sowie Anregungen patienteneigener innerer Bilder und Bewältigungsstrategien

▪ Ein behutsamer, respektvoller und individueller Umgang mit dem Patienten in dessen Extremsituation

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V.3. Medizinische Hypnose in der Schmerztherapie

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Medizinische Hypnose

▪ Hypnose ist ein veränderter Bewußtseinszustand (Entspannung, Zeitgefühl geht verloren, fokussierte Aufmerksamkeit…)

▪ Hypnose ist NICHT dem Schlaf gleichzusetzen.

▪ Die Auffassung, dass hypnotische Behandlungen signifikante und sinnvolle Veränderungen des Denkens, der Emotionen, des Verhaltens und der Wahrnehmung bewirken, kann generell als erwiesen und unumstritten gelten.

▪ Hypnose kann als Verfahren gesehen werden, bei dem eine Person (der Empfänger der Hypnose) von einer anderen Person (dem Hypnotiseur) dazu angeleitet wird, auf Suggestionen zur Veränderung des subjektiven Erlebens sowie der Wahrnehmung, des Empfindens, des Denkens oder des Verhaltens zu reagieren.

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Medizinische Hypnose

"Hypnose hilft auch dann, wenn alles andere versagt" James Braid, brit. Mediziner, 1795-1860

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Beispiele für Mythen und falsche Vorstellungen über Hypnose

▪ „Hypnose ist das gleiche wie Schlaf“

▪ „Der Therapeut hat die Kontrolle über den Hypnotisierten“

▪ „Nur willensschwache oder leichtgläubige Menschen können hypnotisiert werden“

▪ „Ein Hypnotisierter verliert völlig das Bewusstsein und hat nicht die geringste Erinnerung an das, was er unter Hypnose erlebt“

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Psychische Faktoren, die Schmerzen beeinflussen

▪ Katastrophisierung

▪ Überzeugungen

▪ Bewältigungsstrategien

▪ Adaptive Schmerzbewältigungsstrategie: positive Selbstverbalisation, Ignorieren der Schmerzen, Aktivbleiben trotz Schmerzen…)

▪ Maladaptive Kognitionen: katastrophisierende Kognitionen, Überzeugungen bezüglich der eigenen Beeinträchtigung und Schädigung, medizinische Heilungserwartungen, Bewältigungsstrategien des Sichschonens, des Ausruhens…

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Hypnose und Schmerz▪ Hypnose und hypnotische Analgesie wirken sich messbar auf alle

physiologischen Prozesse aus, die bei der Entstehung von Schmerz und Schmerzerleben eine Rolle spielen.

▪ Hypnose kann Entzündungsreaktionen in der Peripherie verringern, Modulationen nozizeptiven Inputs auf spinaler Ebene verändern und die Aktivität in Gehirnbereichen beeinflussen, die für die Schmerzverarbeitung zentral sind (Thalamus, S1 und S2, ACC Insel, PFC)

▪ Es gibt Anhaltspunkte, dass verschiedene Suggestionen ihrem jeweiligen Inhalt entsprechend auf bestimmte Gehirnbereiche wirken (Schmerzstärke vermindern, die affektive Komponente beeinflussen, Stärkung des Gefühls, den Schmerz beeinflussen zu können…)

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Hypnose und Schmerz

▪ Ziel der Therapie ist das Erlernen von Selbsthypnose

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DANKE!

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