Leisten- und Narbenhernien Trends in der minimal invasiven...

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AMBULANTE CHIRURGIE 2 · 2009 31 Fortbildung Leisten- und Narbenhernien Trends in der minimal invasiven Hernienchirurgie K LAUS P EITGEN Die möglichen Operationsverfahren in der Leisten- und Narbenhernienchirurgie haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt: Sieben bis acht Verfahren bei Leistenhernien und vier bis fünf Methoden bei Narbenhernien sind heute populär. Ähnlich verhält es sich mit den zur Verfügung stehenden Netzma- terialien. Hier konkurrieren zahlreiche Materialien und Anwendungsspezifikationen miteinander. Kombi- niert man die Methoden- mit der Materialvielfalt, entsteht ein recht unübersichtliches Bild. Für alle Opera- tionsverfahren mit Netzen gilt, dass eine ausreichende Abdeckung der Bruchlücke, nervenschonendes Operieren und der Einsatz großporiger Netze die Komplikationsrate niedrig halten. Diese Forderungen lassen sich besonders durch minimal invasive Operationsverfahren verwirklichen. Abbildung 1: Instrumente und Materialien für die TEPP-Operation Leistenhernien Im Bereich der endoskopischen Leisten- hernienchirurgie konkurrieren eine Viel- zahl unterschiedlichster Produkte und Philosophien miteinander. Netzgewicht (leicht versus schwer), Porengröße (fein versus grob), Material (Polypropylene, Polyester, teilresorbierbare Mischmateri- alien, Titanbeschichtung) und Netzkon- figuration (plan, anatomisch vorgeformt, dreidimensional) können vom Anwender ausgewählt werden. Unterschiedlich wird auch die Frage der Netzfixierung gehand- habt: Hier finden sowohl fixierungslose Methoden als auch fixierende Verfahren mit diversen Tackern und Klebern An- wendung; eine entscheidende Evidenz konnte bisher kein Verfahren untermau- ern. Wir bevorzugen seit Jahren mit gutem Erfolg ein anatomisch vorgeformtes, drei- dimensionales nicht-resorbierbares Zwei- Komponenten-Polyester-Netz (Abb. 2), das bei der Operation nicht fixiert wird. Die Europäische Herniengesellschaft hat 2008 erstmalig internationale evi- denzbasierte Empfehlungen für die Be- handlung von Leistenbrüchen vorgestellt. Diesen zufolge sollten alle erwachsenen Männer mit einer symptomatischen Leis- tenhernie unabhängig vom Hernientyp mit einem Netzverfahren operiert wer- den. Hierbei gelten die Lichtenstein- Technik sowie die endoskopischen Ver- fahren TAPP (transabdominale präperi- toneale Patchplastik) und TEPP (totale extraperitoneale Patchplastik) als die Ver- fahren der Wahl zur Versorgung der primären einseitigen Leistenhernie. Trotz dieser Empfehlung bevorzugen wir in unserer Klinik bei jungen Erwachsenen mit Leistenhernie ohne weitere Risiko- faktoren oder ohne besondere Patienten- präferenz weiterhin primär eine Shoul- dice-Operation, um eine Fremdkörper- implantation in allzu frühem Lebensalter zu vermeiden. Als allgemein akzeptiert und gesichert gelten weiterhin die Forderungen, dass AC0902_31_38_FB_Hernienchirurgie31 31 AC0902_31_38_FB_Hernienchirurgie31 31 03.04.2009 10:34:19 03.04.2009 10:34:19

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Fortbildung

Leisten- und Narbenhernien

Trends in der minimal invasiven HernienchirurgieKLAUS PEITGEN

Die möglichen Operationsverfahren in der Leisten- und Narbenhernienchirurgie haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt: Sieben bis acht Verfahren bei Leistenhernien und vier bis fünf Methoden bei Narbenhernien sind heute populär. Ähnlich verhält es sich mit den zur Verfügung stehenden Netzma-terialien. Hier konkurrieren zahlreiche Materialien und Anwendungsspezifikationen miteinander. Kombi-niert man die Methoden- mit der Materialvielfalt, entsteht ein recht unübersichtliches Bild. Für alle Opera-tionsverfahren mit Netzen gilt, dass eine ausreichende Abdeckung der Bruchlücke, nervenschonendes Operieren und der Einsatz großporiger Netze die Komplikationsrate niedrig halten. Diese Forderungen lassen sich besonders durch minimal invasive Operationsverfahren verwirklichen.

Abbildung 1: Instrumente und Materialien für die TEPP-Operation

LeistenhernienIm Bereich der endoskopischen Leisten-hernienchirurgie konkurrieren eine Viel-zahl unterschiedlichster Produkte und Philosophien miteinander. Netzgewicht (leicht versus schwer), Porengröße (fein versus grob), Material (Polypropylene, Polyester, teilresorbierbare Mischmateri-alien, Titanbeschichtung) und Netzkon-figuration (plan, anatomisch vorgeformt, dreidimensional) können vom Anwender ausgewählt werden. Unterschiedlich wird auch die Frage der Netzfixierung gehand-habt: Hier finden sowohl fixierungslose Methoden als auch fixierende Verfahren mit diversen Tackern und Klebern An-wendung; eine entscheidende Evidenz konnte bisher kein Verfahren untermau-ern. Wir bevorzugen seit Jahren mit gutem Erfolg ein anatomisch vorgeformtes, drei-dimensionales nicht-resorbierbares Zwei-Komponenten-Polyester-Netz (Abb. 2), das bei der Operation nicht fixiert wird.

Die Europäische Herniengesellschaft hat 2008 erstmalig internationale evi-denzbasierte Empfehlungen für die Be-handlung von Leistenbrüchen vorgestellt. Diesen zufolge sollten alle erwachsenen Männer mit einer symptomatischen Leis-tenhernie unabhängig vom Hernientyp mit einem Netzverfahren operiert wer-den. Hierbei gelten die Lichtenstein-

Technik sowie die endoskopischen Ver-fahren TAPP (transabdominale präperi-toneale Patchplastik) und TEPP (totale extraperitoneale Patchplastik) als die Ver-fahren der Wahl zur Versorgung der primären einseitigen Leistenhernie. Trotz dieser Empfehlung bevorzugen wir in unserer Klinik bei jungen Erwachsenen

mit Leistenhernie ohne weitere Risiko-faktoren oder ohne besondere Patienten-präferenz weiterhin primär eine Shoul-dice-Operation, um eine Fremdkörper-implantation in allzu frühem Lebensalter zu vermeiden.

Als allgemein akzeptiert und gesichert gelten weiterhin die Forderungen, dass

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bei den endoskopischen Verfahren die Netzgröße von 15 x 10 cm nicht unter-schritten und Rezidivhernien bei Er-wachsenen mit einem Netzverfahren versorgt werden sollten. Leistenhernien-rezidive nach offener Operation sollten endoskopisch und Rezidive nach endo-skopischer Operation offen in der Lich-tenstein-Technik versorgt werden (Tab. 2), um bevorzugterweise bei der Rezi-divoperation in nicht vorpräpariertem Gewebe zu arbeiten.

Bilaterale Hernien sollten aus medizi-nischen und ökonomischen Gründen endoskopisch versorgt werden. Dabei ist bei Fehlen von Kontraindikationen (Zu-stand nach Prostata-Operation, Unter-bauchmittelschnitt, etc.) die TEPP-Ope-ration eindeutig das vorteilhafteste Ver-fahren. Kugel-Patch, Plug-and-Patch-Repair (Rutkow) und andere seltenere Verfahren sind Alternativen zur Lichten-stein-Operation, die in unserer klinischen Routine keine Rolle spielen. Allerdings führen wir vermehrt Operationen bei eingetretenen Komplikationen nach die-sen Verfahren durch. Hier ist die lapa-

roskopische Plug-Entfernung mit an-schließender TAPP-Operation unsere Methode der ersten Wahl (Abb. 4). Bei großen nichtreponiblen Skrotalhernien, nach größeren Unterbaucheingriffen und bei Kontraindikationen für eine Vollnar-kose ist die Lichtenstein-Technik unab-hängig vom Alter das Verfahren der Wahl.

Bei allen Erwachsenen zwischen circa 40 und 80 Jahren erfolgt in unserer Kli-nik eine TEPP-Operation (Abb. 1–3),

im sehr hohen Lebensalter erfolgt bevor-zugt die Lichtenstein-Operation. Dies bedeutet in unserer Versorgungsrealität, dass 80% der Leistenhernien mit der TEPP-Methode und jeweils circa 10% mit den Methoden nach Shouldice und Lichtenstein versorgt werden (Tab. 2).

Bei ausreichender Erfahrung und Stan-dardisierung des Operationsablaufes darf davon ausgegangen werden, dass die im-mer wieder tradierten Argumente, die TEPP-Methode sei zu teuer, dauere län-ger als andere Verfahren und sei klinisch-ökonomisch nachteilig, klar widerlegt werden können. Dies zeigt eine Analyse der von uns 2007 operierten Patienten mittels der Daten aus dem Krankenhau-sinformationssystem (KIS) (Tab. 3). Hier erwies sich die TEPP-Operation als schnellstes (weil unkompliziertestes) Ver-fahren und erzielte unter stationären Bedingungen sogar minimal höhere Er-löse. An Verbrauchsmaterialien fällt le-diglich das zu implantierende Netz (wie auch bei der Lichtenstein-Operation) und der Hautkleber an, Einmalmateri-alien werden nicht verwendet (Abb. 1 und 2).

Technik der TEPP-OperationDurch eine ipsilaterale paraumbilikale Inzision von 12 mm wird die vordere Rektusscheide mit Langenbeck-Haken dargestellt und inzidiert. Der Rektusmus-kel wird durch die Haken auseinander-gedrängt und dadurch die hintere Rek-tusscheide exponiert. Entlang der hin-teren Rektusscheide wird nun eine 10-mm-Trokarhülse mit einem stumpfen Obturator in den Präperitonealraum ein-gebracht und dann der präperitoneale Raum durch CO2-Insufflation sowie op-tisch kontrollierte stumpfe Präparation mit der Laparoskopie-Optik präpariert. Alternativ kann dies auch durch ein in gleicher Technik eingebrachtes Ballon-system erfolgen, was wir allerdings seit Jahren nicht mehr durchgeführt haben.

Jetzt werden zwei 5-mm-Trokare in den Präperitonealraum eingebracht, einer in der Mittellinie zwischen Nabel und Symphyse und der andere im Bereich des kontralateralen McBurney-Punktes. Un-ter Sicht der epigastrischen Gefäße und der Vasa testicularia sowie des Ductus deferens wird der Raum lateral der epi-gastrischen Gefäße durch eine Inzision

Leisten- und Narbenhernien

Aktuelle Materialien in der Leistenhernienchirurgie

Polypropylen

Polyester

Polypropylen titanbeschichtet

Polytetrafluorethylen (ePTFE)

Polypropylene + Polyglactin

Polypropylene + Poliglecaprone

] Tabelle 2

Aktuelle Methoden in der Leistenhernienchirurgie

Endoskopische Methoden TAPP TEPP

Konventionelle Methoden Shouldice Lichtenstein Plug and patch (Rutkow, Perfix etc.) Kugel-Patch Hernia-System u.a.

] Tabelle 1

Abbildung 2: Anatomisch adaptiertes PolyesterLeisten-Netzsystem (Parietex®)

Aktuelle Zahlen und Fakten

Etwa ein Viertel der Männer und 3% der Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Leistenhernie. Schät-zungen zufolge wurden letztes Jahr weltweit etwa 20 Millionen Leisten-hernien operiert. In Deutschland werden derzeit etwa 275.000 Leisten-brüche und knapp 100.000 Bauch-wandbrüche jährlich operiert, allein in Nordrhein-Westfalen wurden im Jahre 2003 51.336 Leistenbrüche operativ behandelt. Im Arbeitsalltag eines Allgemeinchirurgen nimmt die Hernienchirurgie etwa 10–15% des jährlichen Arbeitsaufkommens ein.

Wurden 1995 in Deutschland noch etwa 75% der Leistenhernien mit einem offenem Nahtverfahren ver-sorgt, so liegt der Anteil heute noch bei circa 25%. Die im Jahr 2003 in den USA durchgeführten 800.000 Leis-tenbruchoperationen verteilten sich auf folgende Verfahren: Lichtenstein 37%, Plug-repair 34%, endoskopische Verfahren (TAPP/TEPP) 14%, andere Netzverfahren 8%, offene Nahtver-fahren 7%.

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der hinteren Rektusscheide erweitert. Im Falle eines indirekten Bruchsacks erfolgt dessen Dissektion von den Testikularge-fäßen und vom Samenleiter bis weit nach dorsal. Bei einem direkten Bruch wird das Peritoneum aus der medialen Lücke herauspräpariert und dann durch einen Endo-Loop® verschlossen. Die femorale Bruchlücke wird überprüft und gegebe-nenfalls reponiert, ebenso wie die Fossa obturatoria. Anschließend wird ein ana-tomisch vorgeformtes, dreidimensionales nicht-resorbierbares Zwei-Komponenten Polyester-Netz (Parietex TECT 1510a®, Abb. 2) gerollt durch den 10-mm-Trokar eingebracht, entfaltet und so über die Iliakalgefäße faltenfrei drapiert, dass alle Bruchlücken satt überlappt werden. Dann wir eine Redondrainage einge-bracht und die präperitoneale Luft so abgelassen, dass durch das Laparoskop kontrolliert werden kann, ob das Netz faltenfrei korrekt durch das Peritoneum gefasst wird.

NarbenhernienDem statistischen Bundesamt zufolge werden knapp 50.000 Narbenhernien pro Jahr in Deutschland operiert, deren Rezidivrate insgesamt bis zu 50% er-reicht. Werden Netze bei Narbenherni-enoperationen genutzt, sinkt die Rezi-divrate auf immerhin noch 15%. Welt-weit werden jährlich circa eine Million Mesh-Implantationen bei Narbenherni-enoperationen durchgeführt. Die Indus-trie hat mehrere Netze entwickelt, die es aufgrund unterschiedlicher Grundlagen (Netzmaterial, Beschichtung, Netzstruk-tur) erlauben, diese auch intraperitoneal ohne die gefürchtete Adhäsionsbildung und Fistelentwicklung implantieren zu können. Neueste Entwicklungen sind „biologische Netzimplantate“, die aus bovinen, porcinen oder humanen Bin-degeweben produziert werden. Der Stel-lenwert dieser neuartigen Implantate ist aber noch weitestgehend unklar.

Als Standardoperation bei Narbenher-nien hat sich mittlerweile die konventi-onelle Sublay-Technik durchgesetzt, die neben vielen anderen Methoden (s. Gra-fik 1) zur Anwendung kommt. Wach-sender Popularität erfreut sich allerdings auch die laparoskopische netzgebundene Narbenhernienreparation, die oft als „lap-IPOM“ (laparoskopische intraperi-

Abbildung 3: Ablauf einer TEPP-Operation

Operationsmethoden, Operationszeiten und Case-Mix (CM)-Werte (Beispiel Knappschaftskrankenhaus Bottrop, 2007)

ICPM DRG Methode n Schnitt-Naht-Zeit

(Min.)

Verweildauer (Tage)

durchschn.CM pro Fall

5-530.32 5-530.72 5-531.32 5-531.72

G24z G25z G09z

TEPP 248 23,3(9–45)

2,21 0,755

5-530.30 5-531.30 5-530.70 5-531.70

G24z G25z G09z

Lichtenstein 46 34,5(19–61)

3,12 0,731

5-530.1 5-531.1 5-531.5 5-530.51 5-530.50

G24z G25z G09z Shouldice 39 39,1

(21–64)3,24 0,657

] Tabelle 3

Vorgehen nach Auftreten eines Hernienrezidivs nach TEPP-/TAPP-Operation

Vorgehen Vorteile Nachteile

erneutesTEPP-/TAPP-Repair

fl minimal invasiv (?)fl klare Diagnostik

fl technisch schwierigfl Präparation in Narbengewebefl Verletzungsrisiko erhöht

Lichtenstein-Operation fl technisch einfachfl „jungfräuliche“ Schicht

fl Leistenschnittfl evtl. diagnostisch unklare Situation

] Tabelle 4

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Fortbildung Leisten- und Narbenhernien

Abbildung 4: Beispiel für eine komplexe laparoskopische Revisionsoperation: Umwandlung einer Plug-Operation in eine TAPP-Hernioplastik

Abbildung 5: Laparoskopische IPOM-Operation mit Bruchlückenverschluss „suturing concept“

Plug im inneren Leistenring Plug-Entfernung

Situs nach Peritonealverschluss

Defekt nach Plug-Entfernung

Defektdeckung mit präperitoneal positioniertem Parietex-Mesh

Entfernter RUTKOW-Plug

Große Narbenhernie rechter Unterbauch bei Adipositas

Verschlossene Bruchlücke Fixierung des Parietex-IPOM-NetzesPostoperativer Situs nach laparoskopischer IPOM-Operation

Laparoskopischer Blick in die große Bruchlücke

Transabdominale Nähte zum Bruchlückenverschluss

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toneale onlay-Meshplastik) oder auch als „LVHR“ (laparoscopic ventral hernia repair) bezeichnet wird. Weniger bekannt ist allgemein, dass auch bei dieser Ope-ration, abgesehen von den unterschied-lichen eingesetzten Netzen und anderen technischen Varianten, zwei grundsätz-lich unterschiedliche Varianten dieser Operation durchgeführt werden. Bei der klassischen und etwas älteren Methode wird der Bauchdeckendefekt mit einem intraperitonealen und an den Bruchlü-ckenrändern mit einiger Überlappung eingebrachtem Netz überbrückt („brid-ging IPOM“). Die andere Variante be-inhaltet den laparoskopischen Bruchlü-ckenverschluss mit anschließender Ver-stärkung der geschlossenen Bruchlücke durch ein intraperitoneal über die ver-nähte Bruchlücke eingebrachtes und befestigtes Netz („suturing concept“ oder „suturing IPOM“). Dies bedeutet für die erstgenannte Methode eine immanente Hohlraumbildung mit potenzieller post-operativer hartnäckiger Serombildung und für die „suturing IPOM“-Methode eine Erhöhung der Operationskomple-xität durch die schwierigen und oft zeit-raubenden Nähte zum Bruchlückenver-schluss (Abb. 5).

Technik der laparoskopischen IPOM-OperationDer Zugang zum Peritoneum erfolgt prinzipiell in offener Technik, in der Re-gel weit lateral und so weit wie möglich von der Bruchlücke entfernt. Nach In-sufflation eines Pneumoperitoneums von 12 mmHg erfolgt die Exploration des Abdomens, die Einbringung weiterer Trokare und eine laparoskopische Adhä-siolyse, die im Einzelfall sehr zeitraubend sein kann.

Die Bruchlücke wird von Inkarzeraten befreit, je nach Bruchlückenlokalisation wird auch das Ligamentum teres hepatis durchtrennt und von der Bauchdecke disseziert (bei epigastrisch lokalisierter Bruchlücke) oder die präperitoneale Symphysenregion eröffnet und präpa-riert (bei suprasymphysär gelegener Bruchlücke). Die Bruchlücke(n) wird nun in einer extrakorporalen Nahttech-nik transabdominal mit Hilfe der Berci-Nadel (Firma Storz) und durch die Bruchlückenränder überwendlich ge-führten Nähten (1-er-TYCRON®-Fa-

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Fortbildung Leisten- und Narbenhernien

den) Schritt für Schritt verschlossen, wobei die Fäden extrakorporal unter Zug geknotet werden und die Knoten sub-kutanepifaszial zu liegen kommen. An-schließend wird ein nicht resorbierbares Netz mit Hydrogelbeschichtung (Parie-tex®) mit einigen Positionsfäden verse-hen und in das Peritoneum eingebracht. Das Netz wird so bemessen, dass es die verschlossene Bruchlücke um mindes-tens 5 cm in jede Richtung überlappt. Das Netz wird nun mit der hydrogelbe-schichteten Seite auf dem Peritoneum

liegend unter der verschlossenen Bruch-lücke ausgebreitet und dann mittels der Positionsfäden, die mit einem speziellen Fadenfänger (Endo-Close®) oder der Berci-Nadel transabdominal nach extra-korporal gezogen werden, so unter der verschlossenen Bruchlücke positioniert, dass die unbeschichtete Seite der Bauch-decke faltenfrei anliegt. Die endgültige Fixierung des Netzes an der Bauchdecke erfolgt dann mittels Stapler durch resor-bierbare schraubenzieherartige Staples (Absorba-Tack®).

Grafik 1Operationsmethoden der Narbenhernienchirurgie

„bridging“lap. IPOM

„suturing“lap. IPOM

onlay-Mesh

inlay-Mesh

sublay-Mesh

Laparoskopisch

Netzverfahren

Kombinations-verfahren

Naht + Netz

Nahtverfahren

Narbenhernien

Konventionell

Einzelknopf-nahtverfahren

FortlaufendeNahtverfahren

Faszienplastiken(Mayo, Dick, etc.)

Netzmaterialien für die Narbenhernienchirurgie

Produkt Material laparoskopisch konventionell

Proceed® Polypropylene Ja Ja

Parietex® Polyester Ja Ja

Sepramesh® Polypropylene + Polyglycolat Ja Ja

Gore-Mesh® pTFE Ja Ja

Composix® pTFE + Polypropylene Ja Ja

TiMesh® Polypropylene + Titan Ja Ja

Surgisis® Porcine Dünndarmmukosa Ja Ja

Permacoll® Porcines Hautkollagen Ja Ja

Tutomesh® Bovines Perikard Ja Ja

] Tabelle 5

Kindliche LeistenhernienEine Leistenhernie tritt bei 1–2% aller Kinder auf. Sie ist damit die häufigste chirurgische Erkrankung im Kindesalter. In erster Linie sind Kinder innerhalb des ersten Lebensjahres betroffen, meist Säuglinge unter sechs Monaten (bis zu 5%). Besonders hoch ist die Rate bei Frühgeborenen. Die kindliche Leisten-hernie ist fast immer angeboren. Der Bruchsack wird durch den nicht oblite-rierten Processus vaginalis peritonei ge-bildet. Die Hernie entsteht jedoch erst, wenn diese präformierte Ausstülpung des Bauchfelles zum Beispiel durch Darm, Netz, Ovar oder Tube gefüllt wird. Als Standardoperation gilt hier die hohe Ab-tragung des Bruchsacks ohne weitere Leistenverstärkung. Laparoskopische Methoden wurden bisher lediglich zur Diagnostik des kontralateralen Leisten-rings bei Kindern eingesetzt.

1998 berichtete Schier erstmals über den laparoskopischen Verschluss der kindlichen Hernie beim Mädchen unter Nutzung von 2-mm-Instrumentarium. Diese Methode hat mittlerweile eine brei-tere Anwendung in mehreren Kliniken gefunden, ohne allerdings allgemeine Akzeptanz zu erreichen. Die Vorteile der Methode sind die immer mögliche beid-seitige Diagnose und Therapie sowie die Vermeidung inguinaler Inzisionen und der Präparation des Samenstranges. Als nachteilig wird oft die Durchführung einer Laparoskopie beim Kleinkind auf-geführt, ohne dass dies jedoch objekti-vierbar ist, da Kleinkinder auch aus an-deren Gründen (z.B. bei Appendizitis) akzeptierterweise laparoskopisch operiert werden. Die Operation erfüllt alle Kri-terien einer erfolgreichen Leistenbruch-operation und konnte in den bisher be-kannten Publikationen mit mindestens gleichwertigen Ergebnissen im Vergleich zur klassischen Operation aufwarten.

Laparoskopische Herniorrhaphie des kindlichen Leistenbruchs Zunächst erfolgt eine Längsinzision in der Tiefe der Nabelgrube. Die Nabelfaszie wird mit zwei Moskitoklemmen gefasst und mit der Schere inzidiert, anschließend wird die Faszie mit der Moskitoklemme gespreizt und das Peritoneum eröffnet. Es folgen dann das Sichern der Faszienränder mit einem Faden und Einbringen der

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5-mm-Trokarhülse, die Insufflation eines Pneumoperitoneums von 8 mmHg und das Vorspiegeln in das Abdomen mit der 5-mm-30°-Optik. Die Operation wird in leichtet Kopftieflage-rung durchgeführt und alle einsehbaren Organe werden inspiziert, danach kommt die Inspektion beider Leisten. Nun werden zwei 14-G-Braunülen in der Medioklavikularlinie, leicht oberhalb der Spinae iliacae anteriores superiores unter laparoskopischer Kontrolle eingestochen und mit 2-mm-Nadelhaltern bestückt. Eventuell vorgefallene viszerale Organe wie Darm, Ovarien oder Omentum werden nun vorsichtig reponiert. Nun wird eine 4/0 Polypropylene-Naht transkutan knapp oberhalb des inneren Leistenringes der betroffenen Seite eingestochen und mit einem der beiden 2-mm-Nadelhalter nach intraabdominal gezogen. Die Ränder des offenen Processus vaginalis werden dann mit der Naht gefasst, entweder im Sinne einer Z-Naht oder einer Ta-baksbeutelnaht und dann intrakorporal geknotet. Ist die Hernie noch nicht vollständig verschlossen, kann nun noch einmal nach-gestochen und -geknotet werden. Beim Knaben muss einmal das Peritonealhäutchen zwischen Ductus deferens und Vena iliaca mitgestochen werden. Sind beide Seiten betroffen, wird dieser Vorgang auf der kontralateralen Seite wiederholt. Die Fäden werden dann abgeschnitten und entfernt. Unter laparoskopischer Kontrolle wird dann eine 2-ml-Scandicain-Quaddel epiperito-neal gesetzt und die Trokare entfernt. Der Faszienfaden am Na-bel wird geknotet. Dort wird auch eine subkutane Scandicain-Quaddel gesetzt und dann die Hautinzisionen mit Hautkleber adaptiert und versiegelt.

Seltene HernienNoch relativ unbekannt ist, dass gerade seltene abdominale Hernien wie zum Beispiel die Morgagni-, Larrey- oder die Bochdalek-Hernie oder auch die parastomalen oder lumbalen Hernien durch die minimal invasive Chirurgie behandelt wer-den können. Gerade weil diese Hernien in der Regel per La-parotomie nur relativ aufwendig erreicht und behandelt werden können, kommen hier die Vorteile der Zugangsminimierung durch die Laparoskopie voll zum Tragen. Die Behandlung besteht dabei in der Regel in der Reposition inkarzerierter Organe mit anschließendem Nahtverschluss der Bruchlücke und gegebenenfalls situationsbedingter Abdeckung oder in der Augmentation durch ein intraperitoneal platzierbares Netz (Abb. 7 und 8).

ZusammenfassungDie Hernienchirurgie konnte durch die Einführung und brei-tere Anwendung minimal invasiver Methoden und Prinzipien verbessert und bereichert werden. Die endoskopischen Verfah-ren TAPP und TEPP sind mittlerweile bei der Primär- und Rezidivleistenhernie des Erwachsenen gleichwertige Operati-onsverfahren der ersten Wahl.

Bei Narbenhernien gewinnt die laparoskopische Chirurgie an Bedeutung, da mittlerweile Materialien und Techniken entwickelt wurden, die eine intraperitoneale Platzierung, eine adäquate atraumatische Fixierung intraperitonealer Netze und den laparoskopischen Verschluss der Bruchlücken ermöglichen. Kindliche Leistenhernien können ebenfalls minimal invasiv durch den laparoskopischen Bruchsackverschluss nach Schier

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AMBULANTE CHIRURGIE 2 · 200938

Fortbildung

Abbildung 8: Laparoskopische Operation einer parastomalen Hernie

Abbildung 7: Laparoskopische Zwerchfellhernienoperation einer Morgagni-Hernie

Zwerchfellhernie Morgagni- und Larrey-Dreieck

Z. n. transabdominalem Bruchlückenverschluss Mesh-Augmentationsplastik

Parastomale Hernie rechtsParastomale Hernie rechts, Z. n. Adhäsiolyse und Bruchsackverschluss

Z. n. transabdominalem Bruchlücken-Nahtverschluss Z. n. modifizierter IPOM-Plastik

Abbildung 6: Laparoskopische Herniorrhaphie eines kindlichen Leistenbruchs nach Schier

Normalbefund Leistenbruch Naht der Bruchpforte Verschlossene Bruchpforte

versorgt werden, da entsprechend mini-aturisierte Instrumente diese Operation mit angemessenem Aufwand und Mini-mierung des Operationstraumas ermög-lichen. Diese Methode hat zurzeit aber noch nicht den Rang einer Standardope-ration erreicht.

Literatur beim Verfasser

Dr. med. Klaus PeitgenKnappschaftskrankenhaus BottropKlinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Zentrum für Minimal Invasive ChirurgieOsterfelder Str. 157, 46242 BottropE-Mail: [email protected]

Leisten- und Narbenhernien

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