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Katja Subellok und Anja Starke Leitlinien des Interdisziplinären Mutismus Forums (IMF) für die Mutismustherapie Selektiver Mutismus als interdisziplinäres Phänomen Selektiver Mutismus (SM) ist eine mit Angst assoziierte Kommunikationsstö- rung der frühen Kindheit, die durch ein konsequentes Schweigen in spezifischen sozialen Situationen gekennzeichnet ist, obwohl das betroffene Kind über aus- reichende Sprach kompetenzen verfügt (Starke & Subellok, 2015). Die Kernsymp- tomatik des Schweigens kann personen-, orts- oder situationsabhängig auftre- ten und interindividuell stark variieren. Manche Kinder sprechen nur mit sehr wenigen Personen und schweigen etwa KURZBIOGRAFIE Priv.-Doz. Dr. Katja Subellok (Diplom- Pädagogin. Sonderpädagogin. Sprachtherapeutin) studierte. promovierte und habilitierte an der Universität Dortmund. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Sprache 6 Kommunika- tion eier Fakultät Rehabilitationswis- senschaften an der Technischen Uni- versität Dortmunel. Seit 2008 leitel sie elas elortige Sprachtherapeutische Ambulatorium. Ihre Arbeits- lInel Forschungsschwerpunkte: selektiver Mutismus, Stottern, Beratung und Angehörigenarbeit. Supervision. Therapie- und Unterrichtselielaktik. mit allen außerhalb der Kernfamilie. Andere hingegen sprechen auch außer- halb der Familie mit einzelnen Men- schen wie zum Beispiel FreundInnen und zeigen eine ausgeprägte nonverbale Kommunikation. Am häufigsten tritt das Schweigen jedoch in Bildungskontexten wie Kita oder Schule sowie in Gegenwart fremder Personen oder in neuen Situati- onen auf (Ford, Sladeczeck, Carlson, & Kratochwill, 1998). In der Fachliteratur werden verschiedene Untergruppen von SM vorgeschlagen, die etwa den Onset des Schweigens oder auch begleitende Erscheinungsbilder fokussieren (siehe im Überblick Katz-Bernstein, 2011). In einer Studie mit über 100 selektiv mu- tistischen Kindern konnten Cohan und KollegInnen (2008) drei Subgruppen empirisch identifizieren: (1) ängstlich mit leicht oppositionellem Verhalten, (2) ängstlich mit begleitenden sprachlichen Auffälligkeiten und (3) ausschließlich ängstlich. Diese Unterteilung weist auf die deutliche Häufung weiterer komor- bider Auffälligkeiten bei Kindern mit SM hin, wobei Formen von Ängstlich- keit und sprachliche Auffälligkeiten am häufigsten sind Word et al., 1998; Kristensen, 2000; Sharp, Sherman, & Gross, 2007). Des Weiteren treten häufig Regulationsstörungen von Schlaf, Es- sen, Ausscheidungsfunktionen oder der Verhaltenskontrolle auf (Katz-Bernstein, 2011; Kristensen, 2000; Stein hausen & Juzi, 1996). Um einem solch varianten- reichen und komplexen Phänomen in der klinischen Praxis - und auch in der Forschung - erfolgreich begegnen zu können, ist die Expertise unterschiedli- cher Fachdisziplinen erforderlich. Die (differenzial-ldiagnostische Abklä- rung ist eine Domäne der Kinder- und Ju- gendpsychiatrie resp. -medizin. Für die Behandlung des SM gibt es zwei evidente therapeutische Zugänge: Psychotherapie und Sprachtherapie/Logopädie (Katz- Bernstein & Subellok, 2009). Im eng- lischsprachigen Raum befassen sich in erster Linie Kinder- und Jugendpsycho- therapeutinnen mit der Behandlung von SM. Maßgeblich kommen hier kognitiv- behaviorale Therapiemethoden zum Ein- satz (Starke & Subellok, 2015). Einzelne sprachtherapeutische bzw. kombinierte Ansätze lassen sich ebenfalls ausma- chen (etwa Smith & Sluckin, 2015; Sage & Sluckin, 2004; Johnson & Wintgens, 2001). In Deutschland haben sich in den letzten Jahren vor allem in der sprach- therapeutischen Disziplin spezifische Therapieansätze für die Behandlung von SM im Ki ndes- und Jugendalter etabliert. Dazu gehört die Systemische Mutismus- Therapie (SYMUT; Hartmann, 2013), die Kooperative Mutismus-Therapie (KoMut; Feldmann, Kopf, & Kramer, 2011) und die Dortmunder Mutismus Therapie mortMuT; Subellok, Katz-Bernstein, Bahrfeck-Wichitill, & Starke, 2012). Der sukzessive Aufbau der sprachlichen Kommunikation ist dabei allen Konzep- 106 Logos Jg . 23 I Au'g.2 I 2015 I 106·109

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Katja Subellok und Anja Starke

Leitlinien des Interdisziplinaumlren Mutismus Forums (IMF) fuumlr die Mutismustherapie

Selektiver Mutismus als interdisziplinaumlres Phaumlnomen Selektiver Mutismus (SM) ist eine mit Angst assoziierte Kommunikationsstoumlshyrung der fruumlhen Kindheit die durch ein konsequentes Schweigen in spezifischen sozialen Situationen gekennzeichnet ist obwohl das betroffene Kind uumlber ausshyreichende Sprach kompetenzen verfuumlgt (Starke amp Subellok 2015) Die Kernsympshytomatik des Schweigens kann personen- orts- oder situationsabhaumlngig auftreshyten und interindividuell stark variieren Manche Kinder sprechen nur mit sehr wenigen Personen und schweigen etwa

KURZBIOGRAFIE Priv-Doz Dr Katja Subellok (DiplomshyPaumldagogin Sonderpaumldagogin Sprachtherapeutin) studierte promovierte und habilitierte an der Universitaumlt Dortmund Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Sprache 6 Kommunikashytion eier Fakultaumlt Rehabilitationswisshysenschaften an der Technischen Unishyversitaumlt Dortmunel Seit 2008 leitel sie elas elortige Sprachtherapeutische Ambulatorium Ihre Arbeits- lInel Forschungsschwerpunkte selektiver Mutismus Stottern Beratung und Angehoumlrigenarbeit Supervision Therapie- und Unterrichtselielaktik

mit allen auszligerhalb der Kernfamilie Andere hingegen sprechen auch auszligershyhalb der Familie mit einzelnen Menshyschen wie zum Beispiel FreundInnen und zeigen eine ausgepraumlgte nonverbale Kommunikation Am haumlufigsten tritt das Schweigen jedoch in Bildungskontexten wie Kita oder Schule sowie in Gegenwart fremder Personen oder in neuen Situatishyonen auf (Ford Sladeczeck Carlson amp Kratochwill 1998) In der Fachliteratur werden verschiedene Untergruppen von SM vorgeschlagen die etwa den Onset des Schweigens oder auch begleitende Erscheinungsbilder fokussieren (siehe im Uumlberblick Katz-Bernstein 2011) In einer Studie mit uumlber 100 selektiv mushytistischen Kindern konnten Cohan und KollegInnen (2008) drei Subgruppen empirisch identifizieren (1) aumlngstlich mit leicht oppositionellem Verhalten (2) aumlngstlich mit begleitenden sprachlichen Auffaumllligkeiten und (3) ausschlieszliglich aumlngstlich Diese Unterteilung weist auf die deutliche Haumlufung weiterer komorshybider Auffaumllligkeiten bei Kindern mit SM hin wobei Formen von Aumlngstlichshykeit und sprachliche Auffaumllligkeiten am haumlufigsten sind Word et al 1998 Kristensen 2000 Sharp Sherman amp Gross 2007) Des Weiteren treten haumlufig Regulationsstoumlrungen von Schlaf Esshysen Ausscheidungsfunktionen oder der Verhaltenskontrolle auf (Katz-Bernstein 2011 Kristensen 2000 Stein hausen amp Juzi 1996) Um einem solch variantenshy

reichen und komplexen Phaumlnomen in der klinischen Praxis - und auch in der Forschung - erfolgreich begegnen zu koumlnnen ist die Expertise unterschiedlishycher Fachdisziplinen erforderlich Die (differenzial-ldiagnostische Abklaumlshyrung ist eine Domaumlne der Kinder- und Jushygendpsychiatrie resp -medizin Fuumlr die Behandlung des SM gibt es zwei evidente therapeutische Zugaumlnge Psychotherapie und SprachtherapieLogopaumldie (KatzshyBernstein amp Subellok 2009) Im engshylischsprachigen Raum befassen sich in erster Linie Kinder- und Jugendpsychoshytherapeutinnen mit der Behandlung von SM Maszliggeblich kommen hier kognitivshybehaviorale Therapiemethoden zum Einshysatz (Starke amp Subellok 2015) Einzelne sprachtherapeutische bzw kombinierte Ansaumltze lassen sich ebenfalls ausmashychen (etwa Smith amp Sluckin 2015 Sage amp Sluckin 2004 Johnson amp Wintgens 2001) In Deutschland haben sich in den letzten Jahren vor allem in der sprachshytherapeutischen Disziplin spezifische Therapieansaumltze fuumlr die Behandlung von SM im Ki ndes- und Jugendalter etabliert Dazu gehoumlrt die Systemische MutismusshyTherapie (SYMUT Hartmann 2013) die Kooperative Mutismus-Therapie (KoMut Feldmann Kopf amp Kramer 2011) und die Dortmunder Mutismus Therapie mortMuT Subellok Katz-Bernstein Bahrfeck-Wichitill amp Starke 2012) Der sukzessive Aufbau der sprachlichen Kommunikation ist dabei allen Konzepshy

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IMF-Leitlinien fuumlr die Mutismustherapie bei Kindern und Jugendlichen

1 Verstaumlndnis von selektivem Mutismus Selektiver Mutismus wird als eine Strategie zur Regulation der zwischenmenschlichen Kommunikation verstanden Das Schweigen ist Ausdruck eines - subjektiv sinnvollen - Umgangs mit Konflikten Aumlngsten oder Belastungen fuumlr die aktuell keine wirksameren Handlungsalternativen zur Verfuumlgung stehen

2 Bedingungshintergruumlnde des Schweigens Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung des Schweigens spielen entwicklungsbedingte lebensgeschichtliche undoder systemische Faktoren (z B familiaumlre oder schulische Situation) eine Rolle

3 Ausgangsposition Positive Unterstellung Es wird grundsaumltzlich davon a~sgegangen dass KinderJugendliche mit selektivem Mutismus - wie alle Menschen - sprechen und mit anderen erfolgreich kommunizieren moumlchten da dies ein soziales Grundbeduumlrfnis ist

4 Moumlglichst fruumlhe therapeutisChe Maszlignahmen Je laumlnger das Schweigen besteht desto fester ist es in der Identitaumlt des KindesJugendlichen verankert Interventionen im Kindergartenalter Sind besonders Erfolg versprechend und wirken praumlventiv Langzeitfolgen wie zum Beispiel Depressionen und generalisierten Angststoumlrungen entgegen

5 Interaktions- und Kommunikationskompetenz als Basis fuumlr das Sprechen Nonverbale Kommunikationswege bilden die Basis fuumlr das Sprechen und sind damit impliziter Bestandteil einer MutismustherapieSie stehen zu Beginn einer Therapie im Fokus damit die KinderJugendlichen grundlegende kommunikative Prozesse erweitern und festigen Daraufkann Verbalitaumlt aufgebaut werden

6 Druck nehmen und entlasten In der Anfangsphase der Therapie wird zunaumlchst der Druck zu sprechen genommen Der jeweilige Ist-Zustand wird akzeptiert Die KinderJugendlichen werden darin unterstuumltzt die eigenen Beduumlrfnisse wahrzunehmen um daruumlber dem spaumlteren Sprechen den Weg zu bahnen

Therapeutische Vorgehensweisen 7 Bei Vorschulkindern wird das Schweigen nicht zwingend thematisiert und ihnen bewusst gemacht Vielmehr kommen kleine Kinder oftmals intuitiv im gemeinsamen Spiel uumlber gezielte therapeutische Beziehungs- und Entwicklungsangebote ins Sprechen Spaumltestens ab dem Schulalter wird das Schweigen immer mit den KindernJugendlichen thematisiert Uumlber ein methodenintegrierendes therapeutisches Vorgehen wird mit ihnen ein systematischer Aufbau des Sprechens angestrebt

Mitbestimmung8 Wege und Ziele der Therapie werden gemeinsam mit den KindernJugendlichen abgestimmt und ausgehandelt Derdie Therapeutln ist Expertln fuumlr Ideen und Vorschlaumlge auf dem Weg zum Sprechen das schweigende Kind dieder schweigende Jugendliche ist wiederum Expertln fuumlr sich und kann nur selbst entscheiden welche Schritte essie in welchem Tempo gehen will

9 Identitaumltsbildung Selektiver Mutismus beeinflusst auch immer die Identitaumltsentwicklung lm Rahmen der Therapie soll sich das Kind dieder Jugendliche von ihrerseiner vom Schweigen bestimmten Identitaumlt hin zu einer kommunikativ kompetenten Person entwickeln Ziel ist ein selbstbestimmtes und situationsangemessenes Sprechen

10 Respekt vor dem Entwicklungstempo Jedes Schweigen hat seine individuelle Entwicklungsgeschichte und jeder Therapieprozess ebenso Der Weg zum Sprechen braucht Zeit und kann auch von Innehalten und Umwegen bestimmt sein

11 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Ergaumlnzende (medizinische psychologische) Fachdiagnosen koumlnnen notwendig sein um den selektiven Mutismus von anderen Stoumlrungen abzugrenzen oder Komorbiditaumlten aufzudecken sowie entsprechende therapeutische Maszlignahmen einzuleiten Eine Beteiligung verschiedener Fachdisziplinen am Therapieprozess erfordert ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen

12 Kooperation mit Eltern Selektiver Mutismus zeigt sich im Spannungsfeld zwischen dem System der Familie und dem Auszligenkontext Die Eltern werden ressourcenorientiert und kooperativ am Therapieprozess beteiligt

13 Einbezug aller Kontexte und Systeme Der Einbezug aller Fachpersonen (Erzieherinnen Lehrkraumlfte weitere Therapeutinnen) ist wichtige Grundlage jeder MutismustherapieAnfangs wird ein gemeinsames Verstaumlndnis des Schweigens hergestellt um auf dieser Basis die Rollen einzelner Personen im Therapieprozess zu vereinbaren Eine Vernetzung mit der Schule impliziert das gemeinsame Abwaumlgen eines etwaigen Nachteilsausgleichs

14 Qualifikation von Therapeutinnen Fachpersonen unterschiedlicher Disziplinen koumlnnen fuumlr eine spezifische Therapie des selektiven Mutismus zustaumlndig sein (va Sprachtherapeutinnen Logopaumldlnnen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen Heilpaumldagoglnnen) Entscheidend fuumlr die Qualitaumlt des therapeutischen Angebotes sind eine

~ialisierung auf das Stoumlrungsbild sowie eine supervisoris~he Begleitung der Fachpers~nen

Abbildung 1 IMF-Leitlinien fuumlr die Mutismustherapie bei Kindern und Jugendlichen

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ten gemeinsam Unterschiede ergeben sich in den theoretischen Grundlagen und in der detaillierten Ausgestaltung der Therapie insbesondere fuumlr die vershyschiedenen Altersgruppen Empirische Ergebnisse zur Effektivitaumlt therapeutishyscher Vorgehensweisen bei selektivem Mutismus gibt es bislang nur sehr weshynig Erste Studien weisen jedoch auf die Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Therapieansaumltze hin (Bergman Gonzashylez Piacentini 5 Keller 2013 Oerbeck Johansen Lundahl 5 Kristensen 2012 Oerbeck Stein Pripp 5 Kristensen 2014) Die im deutschsprachigen Raum primaumlr eingesetzten Therapiekonzepte enthalten allesamt auch kognitiv-behavishyorale Vorgehensweisen Der empirische Nachweis der Effektivitaumlt dieser Konzepshyte steht jedoch noch aus

Orientierung fuumlr die klinische Arbeit uumlber Leitlinien und Rahmenempfehlungen Solange die Mutismusforschung noch in den Anfaumlngen steht und ein Beleg empirischer Evidenzen fuumlr einzelne Beshyhandlungsansaumltze nicht vorliegt wird die Therapielandschaft (in Deutschland) auch variantenreich sein Eine qualishytaumltssicherende Orientierung fuumlr die klishynische Arbeit koumlnnen Leitlinien oder Rahmenempfehlungen geben die von Berufsverbauml nden u n terschiedl ich ster Fachdisziplinen Arbeits- oder Interesshysensgemeinschaften oder Fachverbuumlnshyden formuliert werden Daruumlber erfolgt in der Regel eine jeweilige Standortshybestimmung und Klaumlrung des eigenen Therapieverstaumlndnisses wobei auf die aktuelle Fachdiskussion bzw den Forshyschungsstand referiert wird Die bekanntesten Leitlinien fuumlr divershyse Stoumlrungsbilder im medizinisch-psyshychiattischen Bereich sind die Leitlinien der Arbeitsgemeinschat der wissenshyschatlichen medizinischen Fachgesellshyscharten (AWMFgt Fuumlr den selektiven Mutismus werden die Leitlinien derzeit uumlberpruumlft In der bisher vorliegenden AWMF-Leitlinie werden von der Deutshyschen Gesellschaft fuumlr Kinder- und Jushygendpsychiatrie und -psychotherapie ausfuumlhrliche Hinweise fuumlr eine (psyshychiatrische) Differenzialdiagnostik soshy

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wie Therapie im ambulanten und (teil-) stationaumlren Bereich gegeben moumlpfner Schmidt 5 Stein hausen 2007) Im USshyamerikanischen Raum liegen Leitlinien von der Selective Mutism Group fuumlr die Behandlung von selektivem Mutismus vor (SMG o J) Im Gegensatz zu den AWMF-Leitlinien fokussieren sie deutshylicher das Verstaumlndnis des selektiven Mutismus und eine multimodale Theshyrapie die an den Beduumlrfnissen und Beshydarfen des Kindes ansetzt Ebenso wird die Bedeutung einer interdisziplinaumlren Zusammenarbeit in der Behandlung des selektiven Mutismus hervorgehoshyben Im deutschsprachigen Raum hat die Mutismus Selbsthilfe Deutschland eV die Stultgarter Rahmenempehlungen zur Mutismus-Therapie (SRMTJ herausshygegeben (Hartmann Kaiser Kaufhold Lange 5 Muumlller 2013) Diese sollen es Eltern Angehoumlrigen und Betroffenen ermoumlglichen Therapien zu bewerten und kritisch zu hinterfragen Ebenso haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren Fachpersonen unterschied licher Disziplinen zum Interdisziplinaumlren Mushytismus Forum - JMF (mutismus-imfde) zusammengeschlossen und Leitlinien fuumlr die Mutismustherapie formuliert die 2014 auf der ersten IMF-Tagung in Bad Nenndorf der Fachoumlffentlichkeit praumlsenshytiert wurden

IMF-Leitlinien Das Interdisziplinaumlre Mutismus Forum versteht sich als informelle Kooperashytionsplattform von therapeutisch und wissenschaftlich taumltigen Fachpersonen des Vereins StillLeben e V Hannover des Sprachheilzentrums Werscherberg in Bissendorf des Sprachheilzentrums im Gesundheitszentrum Glantal in Meishysenheim sowie des Sprachtherapeutishyschen Ambulatoriums derTU Dortmund Wichtigste Anliegen des IMF sind der kollegiale Austausch und die gemeinsashyme Arbeit an der Verbesserung der Vershysorgungssituation selektiv mutistischer Kinder und Jugendlicher sowie deren Familien Die Kooperation umfasst die Bereiche Praxis Forschung Aus- und Weiterbildung sowie Oumlffentlichkeitsarshybeit Die Mitglieder verbindet eine geshymeinsame Grundhaltung im Hinblick

auf das Phaumlnomen Mutismus und die Arbeit mit den Betroffenen die im forshymulierten Selbstverstaumlndnis und in den IMF-Leitlinien zur Mutismustherapie bei Kindern und Jugendlichen (s Abb 1) zum Ausdruck kommen Ausgangspunkt dieshyser Leitlinien ist eine Sichtweise auf den SM als subjektiv sinnvolle Regulationsshystrategie der zwischenmenschlichen Kommunikation um Konflikte Aumlngste oder Belastungen zu bewaumlltigen Zenshytrale weitere Momente sind der Resshypekt vor der Stoumlrung und dem individushyellen Entwicklungstempo eines jeden Betroffenen wobei im therapeutischen Setting eine Interaktions- und Kommushynikationskompetenz als wichtige Basis fuumlr spaumltere Sprechleistungen fokussiert werden Eine interdisziplinaumlre Perspekshytive ist ebenso zentral wie der Einbezug verschiedenster Lebenskontexte in die Therapie

Perspektiven Die unterschiedlichen Leitlinien und Rahmenempfehlungen spiegeln die durchaus variantenreichen fachlichen Positionen und therapeutischen Heranshygehensweisen fuumlr das interdisziplinaumlre Phaumlnomen SM wider Das ist zunaumlchst einmal zu begruumlszligen wird doch daruumlber zumindest der Versuch unternommen eine Orientierung fuumlr die klinische Arshybeit zu geben und ihre Qualitaumlt zu ershyweitern Eine vergleichende Betrachtung dieser Leitlinien waumlre derzeit allerdings nicht ziel fuumlhrend da Referenzwerte etwa uumlber empirische Belege was denn tatshysaumlchlich in der Mutismustherapie wirkt

KURZBIOGRAFIE Anja Starke M Sc Klinische Linguisshytin ist wissenschaftliche Mitarbeiteshyrin im fachgebiet Sprache lind Komshymunikation an der TU Dortmund In ihrem Promotionsprojekt haI sie zum selektiven Mutismus bei mehrsprashychigen Kindern geforscht Weitere Lehr- lind forschungsschwerpunkle sind Sprach foumlrderung in Bildungsshykontexten sowie mat hematisches Lernen bei Kindern mit Sprachentshywiek lu ngsstiiru ngen

noch fehlen Eine gemeinsame intershydisaumlplinaumlre Leitlinie mehrerer Fachshygesellschaften Berufsverbaumlnden und Interessensgemeinschaften waumlre dann eine erstrebenswerte Perspektive soshybald Klarheit uumlber die Wirksamkeit der unterschiedlichen therapeutischen Herangehensweisen besteht Die intershydisziplinaumlre Leitlinie zur Diagnostik von (umschriebenen) Sprachentwickshylungsstoumlrungen (de Langen-Muumlller Kauschke Kiese-Himmel Neumann I] Noterdaeme 20121 ist hierfuumlr etwa ein nachahmenswertes Beispiel

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Autorinnen Priv-Doz Dr habil Katja Subellok

Anja Starke M Sc Klinische Linguistik Technische Vniversitaumlt Dortmund

Fakultaumlt Rehabilitationswissenscha ften Fachgebiet Sprache und Kommunikation

Sprachtherapeutisches Ambulatorium Emil-Figge-Str 50

44227 Dortmund Katjasubelloktu-dortmundde

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IMF-Leitlinien fuumlr die Mutismustherapie bei Kindern und Jugendlichen

1 Verstaumlndnis von selektivem Mutismus Selektiver Mutismus wird als eine Strategie zur Regulation der zwischenmenschlichen Kommunikation verstanden Das Schweigen ist Ausdruck eines - subjektiv sinnvollen - Umgangs mit Konflikten Aumlngsten oder Belastungen fuumlr die aktuell keine wirksameren Handlungsalternativen zur Verfuumlgung stehen

2 Bedingungshintergruumlnde des Schweigens Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung des Schweigens spielen entwicklungsbedingte lebensgeschichtliche undoder systemische Faktoren (z B familiaumlre oder schulische Situation) eine Rolle

3 Ausgangsposition Positive Unterstellung Es wird grundsaumltzlich davon a~sgegangen dass KinderJugendliche mit selektivem Mutismus - wie alle Menschen - sprechen und mit anderen erfolgreich kommunizieren moumlchten da dies ein soziales Grundbeduumlrfnis ist

4 Moumlglichst fruumlhe therapeutisChe Maszlignahmen Je laumlnger das Schweigen besteht desto fester ist es in der Identitaumlt des KindesJugendlichen verankert Interventionen im Kindergartenalter Sind besonders Erfolg versprechend und wirken praumlventiv Langzeitfolgen wie zum Beispiel Depressionen und generalisierten Angststoumlrungen entgegen

5 Interaktions- und Kommunikationskompetenz als Basis fuumlr das Sprechen Nonverbale Kommunikationswege bilden die Basis fuumlr das Sprechen und sind damit impliziter Bestandteil einer MutismustherapieSie stehen zu Beginn einer Therapie im Fokus damit die KinderJugendlichen grundlegende kommunikative Prozesse erweitern und festigen Daraufkann Verbalitaumlt aufgebaut werden

6 Druck nehmen und entlasten In der Anfangsphase der Therapie wird zunaumlchst der Druck zu sprechen genommen Der jeweilige Ist-Zustand wird akzeptiert Die KinderJugendlichen werden darin unterstuumltzt die eigenen Beduumlrfnisse wahrzunehmen um daruumlber dem spaumlteren Sprechen den Weg zu bahnen

Therapeutische Vorgehensweisen 7 Bei Vorschulkindern wird das Schweigen nicht zwingend thematisiert und ihnen bewusst gemacht Vielmehr kommen kleine Kinder oftmals intuitiv im gemeinsamen Spiel uumlber gezielte therapeutische Beziehungs- und Entwicklungsangebote ins Sprechen Spaumltestens ab dem Schulalter wird das Schweigen immer mit den KindernJugendlichen thematisiert Uumlber ein methodenintegrierendes therapeutisches Vorgehen wird mit ihnen ein systematischer Aufbau des Sprechens angestrebt

Mitbestimmung8 Wege und Ziele der Therapie werden gemeinsam mit den KindernJugendlichen abgestimmt und ausgehandelt Derdie Therapeutln ist Expertln fuumlr Ideen und Vorschlaumlge auf dem Weg zum Sprechen das schweigende Kind dieder schweigende Jugendliche ist wiederum Expertln fuumlr sich und kann nur selbst entscheiden welche Schritte essie in welchem Tempo gehen will

9 Identitaumltsbildung Selektiver Mutismus beeinflusst auch immer die Identitaumltsentwicklung lm Rahmen der Therapie soll sich das Kind dieder Jugendliche von ihrerseiner vom Schweigen bestimmten Identitaumlt hin zu einer kommunikativ kompetenten Person entwickeln Ziel ist ein selbstbestimmtes und situationsangemessenes Sprechen

10 Respekt vor dem Entwicklungstempo Jedes Schweigen hat seine individuelle Entwicklungsgeschichte und jeder Therapieprozess ebenso Der Weg zum Sprechen braucht Zeit und kann auch von Innehalten und Umwegen bestimmt sein

11 Interdisziplinaumlre Zusammenarbeit Ergaumlnzende (medizinische psychologische) Fachdiagnosen koumlnnen notwendig sein um den selektiven Mutismus von anderen Stoumlrungen abzugrenzen oder Komorbiditaumlten aufzudecken sowie entsprechende therapeutische Maszlignahmen einzuleiten Eine Beteiligung verschiedener Fachdisziplinen am Therapieprozess erfordert ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen

12 Kooperation mit Eltern Selektiver Mutismus zeigt sich im Spannungsfeld zwischen dem System der Familie und dem Auszligenkontext Die Eltern werden ressourcenorientiert und kooperativ am Therapieprozess beteiligt

13 Einbezug aller Kontexte und Systeme Der Einbezug aller Fachpersonen (Erzieherinnen Lehrkraumlfte weitere Therapeutinnen) ist wichtige Grundlage jeder MutismustherapieAnfangs wird ein gemeinsames Verstaumlndnis des Schweigens hergestellt um auf dieser Basis die Rollen einzelner Personen im Therapieprozess zu vereinbaren Eine Vernetzung mit der Schule impliziert das gemeinsame Abwaumlgen eines etwaigen Nachteilsausgleichs

14 Qualifikation von Therapeutinnen Fachpersonen unterschiedlicher Disziplinen koumlnnen fuumlr eine spezifische Therapie des selektiven Mutismus zustaumlndig sein (va Sprachtherapeutinnen Logopaumldlnnen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen Heilpaumldagoglnnen) Entscheidend fuumlr die Qualitaumlt des therapeutischen Angebotes sind eine

~ialisierung auf das Stoumlrungsbild sowie eine supervisoris~he Begleitung der Fachpers~nen

Abbildung 1 IMF-Leitlinien fuumlr die Mutismustherapie bei Kindern und Jugendlichen

Logos Jg 23 I Ausg2 i 2015 I 106-109 107

ten gemeinsam Unterschiede ergeben sich in den theoretischen Grundlagen und in der detaillierten Ausgestaltung der Therapie insbesondere fuumlr die vershyschiedenen Altersgruppen Empirische Ergebnisse zur Effektivitaumlt therapeutishyscher Vorgehensweisen bei selektivem Mutismus gibt es bislang nur sehr weshynig Erste Studien weisen jedoch auf die Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Therapieansaumltze hin (Bergman Gonzashylez Piacentini 5 Keller 2013 Oerbeck Johansen Lundahl 5 Kristensen 2012 Oerbeck Stein Pripp 5 Kristensen 2014) Die im deutschsprachigen Raum primaumlr eingesetzten Therapiekonzepte enthalten allesamt auch kognitiv-behavishyorale Vorgehensweisen Der empirische Nachweis der Effektivitaumlt dieser Konzepshyte steht jedoch noch aus

Orientierung fuumlr die klinische Arbeit uumlber Leitlinien und Rahmenempfehlungen Solange die Mutismusforschung noch in den Anfaumlngen steht und ein Beleg empirischer Evidenzen fuumlr einzelne Beshyhandlungsansaumltze nicht vorliegt wird die Therapielandschaft (in Deutschland) auch variantenreich sein Eine qualishytaumltssicherende Orientierung fuumlr die klishynische Arbeit koumlnnen Leitlinien oder Rahmenempfehlungen geben die von Berufsverbauml nden u n terschiedl ich ster Fachdisziplinen Arbeits- oder Interesshysensgemeinschaften oder Fachverbuumlnshyden formuliert werden Daruumlber erfolgt in der Regel eine jeweilige Standortshybestimmung und Klaumlrung des eigenen Therapieverstaumlndnisses wobei auf die aktuelle Fachdiskussion bzw den Forshyschungsstand referiert wird Die bekanntesten Leitlinien fuumlr divershyse Stoumlrungsbilder im medizinisch-psyshychiattischen Bereich sind die Leitlinien der Arbeitsgemeinschat der wissenshyschatlichen medizinischen Fachgesellshyscharten (AWMFgt Fuumlr den selektiven Mutismus werden die Leitlinien derzeit uumlberpruumlft In der bisher vorliegenden AWMF-Leitlinie werden von der Deutshyschen Gesellschaft fuumlr Kinder- und Jushygendpsychiatrie und -psychotherapie ausfuumlhrliche Hinweise fuumlr eine (psyshychiatrische) Differenzialdiagnostik soshy

108 Logos Jg 23 I Ausg2 2015 106 - 109

wie Therapie im ambulanten und (teil-) stationaumlren Bereich gegeben moumlpfner Schmidt 5 Stein hausen 2007) Im USshyamerikanischen Raum liegen Leitlinien von der Selective Mutism Group fuumlr die Behandlung von selektivem Mutismus vor (SMG o J) Im Gegensatz zu den AWMF-Leitlinien fokussieren sie deutshylicher das Verstaumlndnis des selektiven Mutismus und eine multimodale Theshyrapie die an den Beduumlrfnissen und Beshydarfen des Kindes ansetzt Ebenso wird die Bedeutung einer interdisziplinaumlren Zusammenarbeit in der Behandlung des selektiven Mutismus hervorgehoshyben Im deutschsprachigen Raum hat die Mutismus Selbsthilfe Deutschland eV die Stultgarter Rahmenempehlungen zur Mutismus-Therapie (SRMTJ herausshygegeben (Hartmann Kaiser Kaufhold Lange 5 Muumlller 2013) Diese sollen es Eltern Angehoumlrigen und Betroffenen ermoumlglichen Therapien zu bewerten und kritisch zu hinterfragen Ebenso haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren Fachpersonen unterschied licher Disziplinen zum Interdisziplinaumlren Mushytismus Forum - JMF (mutismus-imfde) zusammengeschlossen und Leitlinien fuumlr die Mutismustherapie formuliert die 2014 auf der ersten IMF-Tagung in Bad Nenndorf der Fachoumlffentlichkeit praumlsenshytiert wurden

IMF-Leitlinien Das Interdisziplinaumlre Mutismus Forum versteht sich als informelle Kooperashytionsplattform von therapeutisch und wissenschaftlich taumltigen Fachpersonen des Vereins StillLeben e V Hannover des Sprachheilzentrums Werscherberg in Bissendorf des Sprachheilzentrums im Gesundheitszentrum Glantal in Meishysenheim sowie des Sprachtherapeutishyschen Ambulatoriums derTU Dortmund Wichtigste Anliegen des IMF sind der kollegiale Austausch und die gemeinsashyme Arbeit an der Verbesserung der Vershysorgungssituation selektiv mutistischer Kinder und Jugendlicher sowie deren Familien Die Kooperation umfasst die Bereiche Praxis Forschung Aus- und Weiterbildung sowie Oumlffentlichkeitsarshybeit Die Mitglieder verbindet eine geshymeinsame Grundhaltung im Hinblick

auf das Phaumlnomen Mutismus und die Arbeit mit den Betroffenen die im forshymulierten Selbstverstaumlndnis und in den IMF-Leitlinien zur Mutismustherapie bei Kindern und Jugendlichen (s Abb 1) zum Ausdruck kommen Ausgangspunkt dieshyser Leitlinien ist eine Sichtweise auf den SM als subjektiv sinnvolle Regulationsshystrategie der zwischenmenschlichen Kommunikation um Konflikte Aumlngste oder Belastungen zu bewaumlltigen Zenshytrale weitere Momente sind der Resshypekt vor der Stoumlrung und dem individushyellen Entwicklungstempo eines jeden Betroffenen wobei im therapeutischen Setting eine Interaktions- und Kommushynikationskompetenz als wichtige Basis fuumlr spaumltere Sprechleistungen fokussiert werden Eine interdisziplinaumlre Perspekshytive ist ebenso zentral wie der Einbezug verschiedenster Lebenskontexte in die Therapie

Perspektiven Die unterschiedlichen Leitlinien und Rahmenempfehlungen spiegeln die durchaus variantenreichen fachlichen Positionen und therapeutischen Heranshygehensweisen fuumlr das interdisziplinaumlre Phaumlnomen SM wider Das ist zunaumlchst einmal zu begruumlszligen wird doch daruumlber zumindest der Versuch unternommen eine Orientierung fuumlr die klinische Arshybeit zu geben und ihre Qualitaumlt zu ershyweitern Eine vergleichende Betrachtung dieser Leitlinien waumlre derzeit allerdings nicht ziel fuumlhrend da Referenzwerte etwa uumlber empirische Belege was denn tatshysaumlchlich in der Mutismustherapie wirkt

KURZBIOGRAFIE Anja Starke M Sc Klinische Linguisshytin ist wissenschaftliche Mitarbeiteshyrin im fachgebiet Sprache lind Komshymunikation an der TU Dortmund In ihrem Promotionsprojekt haI sie zum selektiven Mutismus bei mehrsprashychigen Kindern geforscht Weitere Lehr- lind forschungsschwerpunkle sind Sprach foumlrderung in Bildungsshykontexten sowie mat hematisches Lernen bei Kindern mit Sprachentshywiek lu ngsstiiru ngen

noch fehlen Eine gemeinsame intershydisaumlplinaumlre Leitlinie mehrerer Fachshygesellschaften Berufsverbaumlnden und Interessensgemeinschaften waumlre dann eine erstrebenswerte Perspektive soshybald Klarheit uumlber die Wirksamkeit der unterschiedlichen therapeutischen Herangehensweisen besteht Die intershydisziplinaumlre Leitlinie zur Diagnostik von (umschriebenen) Sprachentwickshylungsstoumlrungen (de Langen-Muumlller Kauschke Kiese-Himmel Neumann I] Noterdaeme 20121 ist hierfuumlr etwa ein nachahmenswertes Beispiel

Literatur Bergman R L Gonzalez A Piacentini J

amp Keller M L (2013) Integrated behavior Therapy [or Selective Mutism a randomshyized controlled pilot study Behaviour Research and Therapy 51 (10) 680-689

Cohan S L Chavira D A Shipon-Blum E l-litchcock c Roesch S c amp Stein M B (2008) Refining the classification of children with selective mutism a latent profile analysis Journal o CJinical Child S Adolescent Psychiatry 37 (4) 770-784

De Langen-Muumlller V Kauschke cKieseshyHimmel c Neumann K amp Noterdaeme M ()-Irsg) (2012) Diagnostik von lumshyschriebenen) Sprachentwicklungsstoumlrunshygen Eine interdisziplinaumlre Leitlinie Frankshyfurt Peter Lang Zugriff am 13042015 Verfuumlgbar unter httpwww awmforg u p loa d stx_ sz Iei tIi n ie n 0 49 -0 061_ 52k_ Sprachen twickl u ngss toeru ngen _Diashygnostik_2013-06_01pdf

Doumlpfner M Schmidt M H amp Steinhaushysen J-1-c (2007) Elektiver Mutismus (F94m In Deutsche Gesellschaft fuumlr Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psyshycho therapie ua (I-Irsg) Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Stoumlrungen im Saumluglings- Kindes- und Jushygendalter (5 303-310) Koumlln Deutscher Aumlrzte-Verlag

Feldmann D Kopf A amp Kramer J (2011) KoMut - Kooperative Mutismustherapie - Konzept einer handlungsorientierten Therapie fuumlr Kinder mit selektivem ivlushytismus Die Sprachheilarbeit 56 150-156

Ford M A Sladeczeck I E Carlson J amp Kratochwill T R (1998) Select ive mutism phenomenologica l characterisshytics School Psychology Quarterly 13 (3) 192-227

Hartmann B (2013) Gesich ter des Schweishygens Die system ische Mutismus-Therapie SYMUT Idstein Schulz-Kirchner

Hartmann B Kaiser M Kaufhold V Lange M amp Muumlller N (2013) Stuttgarshytel Rahmenempfehlungen zur MutismusshyTherapie (SRMH Mutismusde 104-6

Johnson M amp V intgens A (2001) The Seleclive Mutism Resource Manual Oxshyfordshire Speechmark

Katz-Bernstein N (2011) Selektiver Mushytismus bei Kindern Erscheinungsbilde Diagnostik Th erapie Muumlnchen Ernst Reinhardt

Katz-Bernstein N amp SubeJlok K (2009) Selektiver Mutismus bei Kindern Ein Thema fuumlr die Sprachtherapie Viertelshyjahresschrit fuumlr Heilpaumldagogik und ihre Nachbargebiete 78 (4)308-320

Kristensen H (200m Selective mutism and comorbidity with developmental disshyorderdelay anxiety disorder and elimishynation disorder Journal o the American Academy oChild S Adolescent Psychiatry 39 (2) 249-256

Oerbeck B Johansen 1 Lundahl K amp Kristensen 1-1 (2012) Selective mutism a home-and kindergarten-based intervenshytion for children 3-5 years a pilot study Clinical Child Ps)chology and Psychiatly 17 (3) 370-383

Oerbeck B Stein M B Pripp A H amp Kristensen H (2014) Selective mutism follow-up study 1 year after end of treatshyment Europeon Child 0 Adolescent Ps)shychiatry doi 101007500787-014-0620-1

Sage R amp Sluckin A (2004) Silent Chilshydren Approaches to Selective M utism Leicester Vniversity 01 Leicester

Sl1arp W G Sherman c amp Gross A 111 (2007) Selective mutism and anxiety a review ofthe current conceptualization 01 the disorder Journal oanxiety disorders 21 (4) 568-579

SMG (0 J) Position statement on SM treatshyment Zugriff am 08042015 Verfuumlgbar un tel httpwwwselecrivemutismorg saved-item sposition -sta te men t-on- smshytrea tment

Smith B R amp Sluckin A (eds) (2015) Tackling Selective MUlism London Philashydelphia Jessica Kingsley Publishers

Starke A S Subellok K (2015) Wenn Kinder nicht sprechen - Selektiver Mushytismus - Basisartikel SpracJoumlrderung und Sprachtherapie 4 W 2-7

Steinhausen H-c amp Juzi C (1996) Elecshytive mutism an analysis of 100 cases Journal othe American Academy oChild S Adolescent Psychiatry 35 (5) 606-614

Subellok K Katz-Bernstein N BahrfeckshyWichitill K amp Starke A (2012) DortMuT tDortmunder Mutismus-Therapie) eine (sprach-Hherapeutische Konzeption fuumlr Kinder und Jugendliche mit selektivem Mutismus LOGOS INTERDISZIPLIshyNAumlR 20 (2) 84-96

Autorinnen Priv-Doz Dr habil Katja Subellok

Anja Starke M Sc Klinische Linguistik Technische Vniversitaumlt Dortmund

Fakultaumlt Rehabilitationswissenscha ften Fachgebiet Sprache und Kommunikation

Sprachtherapeutisches Ambulatorium Emil-Figge-Str 50

44227 Dortmund Katjasubelloktu-dortmundde

Anjastarketu-dortmundde

UNABHANGIGE FINANZ UND VERSICHERUNGSBERATUNGseil 1983

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unsere Sonderpraumlmien und Tarife Berufshaftpflicht ab 50- euro nettojaumlhrlich

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Page 3: Leitlinien des Interdisziplinären Mutismus Forums (IMF ... · Katja Subellok und Anja Starke . Leitlinien des Interdisziplinären Mutismus Forums (IMF) für die Mutismustherapie

ten gemeinsam Unterschiede ergeben sich in den theoretischen Grundlagen und in der detaillierten Ausgestaltung der Therapie insbesondere fuumlr die vershyschiedenen Altersgruppen Empirische Ergebnisse zur Effektivitaumlt therapeutishyscher Vorgehensweisen bei selektivem Mutismus gibt es bislang nur sehr weshynig Erste Studien weisen jedoch auf die Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Therapieansaumltze hin (Bergman Gonzashylez Piacentini 5 Keller 2013 Oerbeck Johansen Lundahl 5 Kristensen 2012 Oerbeck Stein Pripp 5 Kristensen 2014) Die im deutschsprachigen Raum primaumlr eingesetzten Therapiekonzepte enthalten allesamt auch kognitiv-behavishyorale Vorgehensweisen Der empirische Nachweis der Effektivitaumlt dieser Konzepshyte steht jedoch noch aus

Orientierung fuumlr die klinische Arbeit uumlber Leitlinien und Rahmenempfehlungen Solange die Mutismusforschung noch in den Anfaumlngen steht und ein Beleg empirischer Evidenzen fuumlr einzelne Beshyhandlungsansaumltze nicht vorliegt wird die Therapielandschaft (in Deutschland) auch variantenreich sein Eine qualishytaumltssicherende Orientierung fuumlr die klishynische Arbeit koumlnnen Leitlinien oder Rahmenempfehlungen geben die von Berufsverbauml nden u n terschiedl ich ster Fachdisziplinen Arbeits- oder Interesshysensgemeinschaften oder Fachverbuumlnshyden formuliert werden Daruumlber erfolgt in der Regel eine jeweilige Standortshybestimmung und Klaumlrung des eigenen Therapieverstaumlndnisses wobei auf die aktuelle Fachdiskussion bzw den Forshyschungsstand referiert wird Die bekanntesten Leitlinien fuumlr divershyse Stoumlrungsbilder im medizinisch-psyshychiattischen Bereich sind die Leitlinien der Arbeitsgemeinschat der wissenshyschatlichen medizinischen Fachgesellshyscharten (AWMFgt Fuumlr den selektiven Mutismus werden die Leitlinien derzeit uumlberpruumlft In der bisher vorliegenden AWMF-Leitlinie werden von der Deutshyschen Gesellschaft fuumlr Kinder- und Jushygendpsychiatrie und -psychotherapie ausfuumlhrliche Hinweise fuumlr eine (psyshychiatrische) Differenzialdiagnostik soshy

108 Logos Jg 23 I Ausg2 2015 106 - 109

wie Therapie im ambulanten und (teil-) stationaumlren Bereich gegeben moumlpfner Schmidt 5 Stein hausen 2007) Im USshyamerikanischen Raum liegen Leitlinien von der Selective Mutism Group fuumlr die Behandlung von selektivem Mutismus vor (SMG o J) Im Gegensatz zu den AWMF-Leitlinien fokussieren sie deutshylicher das Verstaumlndnis des selektiven Mutismus und eine multimodale Theshyrapie die an den Beduumlrfnissen und Beshydarfen des Kindes ansetzt Ebenso wird die Bedeutung einer interdisziplinaumlren Zusammenarbeit in der Behandlung des selektiven Mutismus hervorgehoshyben Im deutschsprachigen Raum hat die Mutismus Selbsthilfe Deutschland eV die Stultgarter Rahmenempehlungen zur Mutismus-Therapie (SRMTJ herausshygegeben (Hartmann Kaiser Kaufhold Lange 5 Muumlller 2013) Diese sollen es Eltern Angehoumlrigen und Betroffenen ermoumlglichen Therapien zu bewerten und kritisch zu hinterfragen Ebenso haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren Fachpersonen unterschied licher Disziplinen zum Interdisziplinaumlren Mushytismus Forum - JMF (mutismus-imfde) zusammengeschlossen und Leitlinien fuumlr die Mutismustherapie formuliert die 2014 auf der ersten IMF-Tagung in Bad Nenndorf der Fachoumlffentlichkeit praumlsenshytiert wurden

IMF-Leitlinien Das Interdisziplinaumlre Mutismus Forum versteht sich als informelle Kooperashytionsplattform von therapeutisch und wissenschaftlich taumltigen Fachpersonen des Vereins StillLeben e V Hannover des Sprachheilzentrums Werscherberg in Bissendorf des Sprachheilzentrums im Gesundheitszentrum Glantal in Meishysenheim sowie des Sprachtherapeutishyschen Ambulatoriums derTU Dortmund Wichtigste Anliegen des IMF sind der kollegiale Austausch und die gemeinsashyme Arbeit an der Verbesserung der Vershysorgungssituation selektiv mutistischer Kinder und Jugendlicher sowie deren Familien Die Kooperation umfasst die Bereiche Praxis Forschung Aus- und Weiterbildung sowie Oumlffentlichkeitsarshybeit Die Mitglieder verbindet eine geshymeinsame Grundhaltung im Hinblick

auf das Phaumlnomen Mutismus und die Arbeit mit den Betroffenen die im forshymulierten Selbstverstaumlndnis und in den IMF-Leitlinien zur Mutismustherapie bei Kindern und Jugendlichen (s Abb 1) zum Ausdruck kommen Ausgangspunkt dieshyser Leitlinien ist eine Sichtweise auf den SM als subjektiv sinnvolle Regulationsshystrategie der zwischenmenschlichen Kommunikation um Konflikte Aumlngste oder Belastungen zu bewaumlltigen Zenshytrale weitere Momente sind der Resshypekt vor der Stoumlrung und dem individushyellen Entwicklungstempo eines jeden Betroffenen wobei im therapeutischen Setting eine Interaktions- und Kommushynikationskompetenz als wichtige Basis fuumlr spaumltere Sprechleistungen fokussiert werden Eine interdisziplinaumlre Perspekshytive ist ebenso zentral wie der Einbezug verschiedenster Lebenskontexte in die Therapie

Perspektiven Die unterschiedlichen Leitlinien und Rahmenempfehlungen spiegeln die durchaus variantenreichen fachlichen Positionen und therapeutischen Heranshygehensweisen fuumlr das interdisziplinaumlre Phaumlnomen SM wider Das ist zunaumlchst einmal zu begruumlszligen wird doch daruumlber zumindest der Versuch unternommen eine Orientierung fuumlr die klinische Arshybeit zu geben und ihre Qualitaumlt zu ershyweitern Eine vergleichende Betrachtung dieser Leitlinien waumlre derzeit allerdings nicht ziel fuumlhrend da Referenzwerte etwa uumlber empirische Belege was denn tatshysaumlchlich in der Mutismustherapie wirkt

KURZBIOGRAFIE Anja Starke M Sc Klinische Linguisshytin ist wissenschaftliche Mitarbeiteshyrin im fachgebiet Sprache lind Komshymunikation an der TU Dortmund In ihrem Promotionsprojekt haI sie zum selektiven Mutismus bei mehrsprashychigen Kindern geforscht Weitere Lehr- lind forschungsschwerpunkle sind Sprach foumlrderung in Bildungsshykontexten sowie mat hematisches Lernen bei Kindern mit Sprachentshywiek lu ngsstiiru ngen

noch fehlen Eine gemeinsame intershydisaumlplinaumlre Leitlinie mehrerer Fachshygesellschaften Berufsverbaumlnden und Interessensgemeinschaften waumlre dann eine erstrebenswerte Perspektive soshybald Klarheit uumlber die Wirksamkeit der unterschiedlichen therapeutischen Herangehensweisen besteht Die intershydisziplinaumlre Leitlinie zur Diagnostik von (umschriebenen) Sprachentwickshylungsstoumlrungen (de Langen-Muumlller Kauschke Kiese-Himmel Neumann I] Noterdaeme 20121 ist hierfuumlr etwa ein nachahmenswertes Beispiel

Literatur Bergman R L Gonzalez A Piacentini J

amp Keller M L (2013) Integrated behavior Therapy [or Selective Mutism a randomshyized controlled pilot study Behaviour Research and Therapy 51 (10) 680-689

Cohan S L Chavira D A Shipon-Blum E l-litchcock c Roesch S c amp Stein M B (2008) Refining the classification of children with selective mutism a latent profile analysis Journal o CJinical Child S Adolescent Psychiatry 37 (4) 770-784

De Langen-Muumlller V Kauschke cKieseshyHimmel c Neumann K amp Noterdaeme M ()-Irsg) (2012) Diagnostik von lumshyschriebenen) Sprachentwicklungsstoumlrunshygen Eine interdisziplinaumlre Leitlinie Frankshyfurt Peter Lang Zugriff am 13042015 Verfuumlgbar unter httpwww awmforg u p loa d stx_ sz Iei tIi n ie n 0 49 -0 061_ 52k_ Sprachen twickl u ngss toeru ngen _Diashygnostik_2013-06_01pdf

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Hartmann B Kaiser M Kaufhold V Lange M amp Muumlller N (2013) Stuttgarshytel Rahmenempfehlungen zur MutismusshyTherapie (SRMH Mutismusde 104-6

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Kristensen H (200m Selective mutism and comorbidity with developmental disshyorderdelay anxiety disorder and elimishynation disorder Journal o the American Academy oChild S Adolescent Psychiatry 39 (2) 249-256

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Oerbeck B Stein M B Pripp A H amp Kristensen H (2014) Selective mutism follow-up study 1 year after end of treatshyment Europeon Child 0 Adolescent Ps)shychiatry doi 101007500787-014-0620-1

Sage R amp Sluckin A (2004) Silent Chilshydren Approaches to Selective M utism Leicester Vniversity 01 Leicester

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SMG (0 J) Position statement on SM treatshyment Zugriff am 08042015 Verfuumlgbar un tel httpwwwselecrivemutismorg saved-item sposition -sta te men t-on- smshytrea tment

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Starke A S Subellok K (2015) Wenn Kinder nicht sprechen - Selektiver Mushytismus - Basisartikel SpracJoumlrderung und Sprachtherapie 4 W 2-7

Steinhausen H-c amp Juzi C (1996) Elecshytive mutism an analysis of 100 cases Journal othe American Academy oChild S Adolescent Psychiatry 35 (5) 606-614

Subellok K Katz-Bernstein N BahrfeckshyWichitill K amp Starke A (2012) DortMuT tDortmunder Mutismus-Therapie) eine (sprach-Hherapeutische Konzeption fuumlr Kinder und Jugendliche mit selektivem Mutismus LOGOS INTERDISZIPLIshyNAumlR 20 (2) 84-96

Autorinnen Priv-Doz Dr habil Katja Subellok

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noch fehlen Eine gemeinsame intershydisaumlplinaumlre Leitlinie mehrerer Fachshygesellschaften Berufsverbaumlnden und Interessensgemeinschaften waumlre dann eine erstrebenswerte Perspektive soshybald Klarheit uumlber die Wirksamkeit der unterschiedlichen therapeutischen Herangehensweisen besteht Die intershydisziplinaumlre Leitlinie zur Diagnostik von (umschriebenen) Sprachentwickshylungsstoumlrungen (de Langen-Muumlller Kauschke Kiese-Himmel Neumann I] Noterdaeme 20121 ist hierfuumlr etwa ein nachahmenswertes Beispiel

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De Langen-Muumlller V Kauschke cKieseshyHimmel c Neumann K amp Noterdaeme M ()-Irsg) (2012) Diagnostik von lumshyschriebenen) Sprachentwicklungsstoumlrunshygen Eine interdisziplinaumlre Leitlinie Frankshyfurt Peter Lang Zugriff am 13042015 Verfuumlgbar unter httpwww awmforg u p loa d stx_ sz Iei tIi n ie n 0 49 -0 061_ 52k_ Sprachen twickl u ngss toeru ngen _Diashygnostik_2013-06_01pdf

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Ford M A Sladeczeck I E Carlson J amp Kratochwill T R (1998) Select ive mutism phenomenologica l characterisshytics School Psychology Quarterly 13 (3) 192-227

Hartmann B (2013) Gesich ter des Schweishygens Die system ische Mutismus-Therapie SYMUT Idstein Schulz-Kirchner

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Kristensen H (200m Selective mutism and comorbidity with developmental disshyorderdelay anxiety disorder and elimishynation disorder Journal o the American Academy oChild S Adolescent Psychiatry 39 (2) 249-256

Oerbeck B Johansen 1 Lundahl K amp Kristensen 1-1 (2012) Selective mutism a home-and kindergarten-based intervenshytion for children 3-5 years a pilot study Clinical Child Ps)chology and Psychiatly 17 (3) 370-383

Oerbeck B Stein M B Pripp A H amp Kristensen H (2014) Selective mutism follow-up study 1 year after end of treatshyment Europeon Child 0 Adolescent Ps)shychiatry doi 101007500787-014-0620-1

Sage R amp Sluckin A (2004) Silent Chilshydren Approaches to Selective M utism Leicester Vniversity 01 Leicester

Sl1arp W G Sherman c amp Gross A 111 (2007) Selective mutism and anxiety a review ofthe current conceptualization 01 the disorder Journal oanxiety disorders 21 (4) 568-579

SMG (0 J) Position statement on SM treatshyment Zugriff am 08042015 Verfuumlgbar un tel httpwwwselecrivemutismorg saved-item sposition -sta te men t-on- smshytrea tment

Smith B R amp Sluckin A (eds) (2015) Tackling Selective MUlism London Philashydelphia Jessica Kingsley Publishers

Starke A S Subellok K (2015) Wenn Kinder nicht sprechen - Selektiver Mushytismus - Basisartikel SpracJoumlrderung und Sprachtherapie 4 W 2-7

Steinhausen H-c amp Juzi C (1996) Elecshytive mutism an analysis of 100 cases Journal othe American Academy oChild S Adolescent Psychiatry 35 (5) 606-614

Subellok K Katz-Bernstein N BahrfeckshyWichitill K amp Starke A (2012) DortMuT tDortmunder Mutismus-Therapie) eine (sprach-Hherapeutische Konzeption fuumlr Kinder und Jugendliche mit selektivem Mutismus LOGOS INTERDISZIPLIshyNAumlR 20 (2) 84-96

Autorinnen Priv-Doz Dr habil Katja Subellok

Anja Starke M Sc Klinische Linguistik Technische Vniversitaumlt Dortmund

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