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Lernen und Entwicklung 11/2 Aufgaben und Ziele des Faches Pädagogik hat als wesentliches Ziel die Aufklärung über Erziehungsprozesse, um Menschen zu einem verantwortlichen Leben in dieser Zivilisation zu befähigen. … Das Unterrichtsfach Erziehungswissenschaft ermöglicht als ein Fach des gesell-schaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes in besonderer Weise, das Angewiesensein der Gesellschaft und des Einzelnen auf Erziehung und Bildung zu verdeutlichen und die gesellschaftlichen und individuellen Bedingungen für erzieherisches Handeln aufzuzeigen.

Im Rahmen des erziehungswissenschaftlichen Unterrichts werden gesellschaftliche Leitvorstellungen vom mündigen Bürger diskutiert, Probleme der Konsensbildung innerhalb pluraler Gesellschaften reflektiert und Wege zu einer Erziehung aufgezeigt, die Mündigkeit ermöglicht. Individualisierung und Globalisierung sind gesellschaftliche Entwicklungen, die Schülerinnen und Schüler veranlassen, die Bedingungen persönlicher Entfaltung in sozialer, d. h. auch interkultureller Verantwortung zu reflektieren und im Unterricht Hilfen zum Gewinnen eines eigenen Standortes zu erfahren.

… Der Lehrplan Erziehungswissenschaft geht vom unauflösbaren Zusammenhang von Theorie und Praxis aus. Deshalb hat Erziehungswissenschaft als allgemein bildendes Fach sowohl wissenschaftsbezogene als auch handlungsbezogene, d. h. handlungspropädeutische Aufgaben wahrzunehmen.

Lehrplan EW Mein STAND PUNKT! Ziel: - Richtung eines Veränderungsprozesses - Erstrebter Zustand

Bezogen auf die Thematik ´Lernen und Entwicklung´ sollen die Schülerinnen und Schüler

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Die Schule als Feld im bourdieuschen Sinne, als eine soziale Arena, in der sich die Gesellschaft reproduziert …

Die Schule als pädagogisches Feld, in der die Entfaltung und Gestaltung der Schülerpersönlichkeit im Vordergrund steht …

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Genuin pädagogische Fragestellungen

Die Pädagogik thematisiert die Beziehung zwischen Erzieher und zu Erziehenden. Ihr kommt die Doppelrolle zu, sowohl Bildungs- und Erziehungszusammenhänge zu erforschen, als auch – als Handlungs-wissenschaft – darüber zu reflektieren, wie Bildungs- und Erziehungspraxis gestaltet und verbessert werden kann .

(Vgl. wikipedia)

Le

rne

n

Modellvorstellungen des Lernens implizieren Erziehungspraktiken! Wie lässt sich das Erzieherverhalten eines überzeugten Behavioristen kennzeichnen? Welches Menschenbild liegt diesem Ansatz zu Grunde? Wie ´erlebt´ das Kind ein solches Erzieherverhalten, was wird es lernen? Welches Verständnis von Erziehung ist charakteristisch? …

Vgl. Blickwinkelfragen 10

En

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klu

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Im Erziehungsprozess stehen sich zwei autonome Systeme (z.B. Kind, Erwachsener) gegen-über, sie bilden eine inter-autonomische Beziehung. Erziehung ist mehr als Begleiten und Unterstützen, aber zugleich auch weniger als Formen und Prägen. Der Zu-Erziehende muss von Anfang an als „Seiender“ sowie als „Werdender“ geachtet werden, der auf Unterstützung und Begleitung angewiesen ist und dem Selbstständigkeit unter der Vorgabe humanistischer Werte ermöglicht werden muss. Erziehung leistet einen entscheidenden Bei-trag einer Bildung zum Subjekt in solidarischer Verantwortung.

Heinz Dorlöchter

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Heinz Dorlöchter – Lernen und Entwicklung 3

Kursthema: Lernen und Entwicklung

Wer nicht lernt … - - -

Nur wer lernt … - - -

Das Wort "lernen" stammt aus dem Germanischen (leis) und bedeutet "Spur, Bahn, Furche". Gotisch lais" heißt: "ich habe nachgespürt". Aus diesem gemeinsamen Stamm erwachsen die Begriffe "lehren = wissend machen", "lernen = wissend werden" und "leisten = nachgespürt haben". Diese Erkundung zeigt, dass lernen, lehren, leisten und Wissen zusammengehören. In der ursprünglichen Bedeutung "nachspüren" wird aktive Selbststeuerung als bewegende Kraft herausgestellt. Das Ziel von "lernen" ist Wissen zu erlangen, d.h. durch Leistung in einem Prozess der Veränderung den Zustand des Nichtwissens zu verlassen, geleitet von jemandem, der wissend macht, der lehrt. Dieses Lehren ist verwandt mit einer anderen Wortfamilie: "weisen" = wissend machen (jemanden unterweisen) und "wissen" = gesehen haben, erkennen. Zwischen "weisen" und "wissen" liegen Zeit und Arbeit, lernend einer Spur nachzugehen.

(Horst Oelze, Dem Lernen auf der Spur, in: Lernende Schule, Friedrich Verlag, Heft 7/1999, 2. Jg., S. 1)

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Heinz Dorlöchter – Lernen und Entwicklung 4

Warum ist es wichtig zu wissen, was Lernen ist und wie es ´funktioniert´?

Warum ist es wichtig, Entwicklungs-vorgänge zu kennen? - - -

Wenn es heißt, dass Hans nicht mehr lerne, was Hänschen nicht gelernt habe, dann kommt in diesem Alltagswissen die auch wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnis zum Ausdruck, dass wir zu bestimmten Zeiten besonders disponiert für bestimmte Lernfortschritte sind. Damit wird zugleich unterstellt, dass Lernen als relativ dauerhafte Verhaltensänderung unter der Perspektive einer Abfolge notwendiger Lernfortschritte beschrieben werden kann. Der Begriff der Entwicklung ist für diese Perspektive zentral. Er ergänzt und erweitert den Begriff des Lernens als Verhaltensänderung um die Frage, ob und in welcher Weise sich das Lernen von der Geburt bis zum Tod nach einer bestimmten zielgerichteten Logik, d. h. in einer bestimmten, für das biologische System Mensch typischen Abfolge von Lernfortschritten vollzieht.

Franzjörg Baumgart (Hrsg.): Entwicklungs- und Lerntheorien. Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn 1998, S. 11, 12 PHOENIX, S. 226

Double-Mind-Map

Lernen Entwicklung

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Heinz Dorlöchter – Lernen und Entwicklung 5

Peter Baumgartner, Sabine Payr: Lernen mit Software. Studien Verlag 1999. Einen Überblick über Lerntheorien: Kategorie Behaviourismus Kognitivismus Konstruktivismus

Hirn ist ein Passiver Behälter Informationsverarbeitendes "Gerät"

Informationell geschlossenes System

Wissen wird Abgelagert Verarbeitet Konstruiert

Wissen ist Eine korrekte Input-Output-Relation

Ein adäquater interner Verarbeitungsprozess

Mit einer Situation operieren zu können

Lernziele Richtige Antworten Richtige Methoden zur Antwortfindung

Komplexe Situationen bewältigen

Paradigma Stimulus-Response Problemlösung Konstruktion

Lehrer ist Autorität Tutor Coach, (Spieler)Trainer

Feedback Extern vorgegeben Extern modelliert Intern modelliert

… Tabelle: Lernparadigmen

https://bscw.uni-duisburg-essen.de/pub/bscw.cgi/d1279650/kapitel/kap_5/kap_5.html (auch Hinweise auf Videoclips)

http://dsor.uni-paderborn.de/de/forschung/publikationen/blumstengel-diss/Lerntheorien.html

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Heinz Dorlöchter – Lernen und Entwicklung 6

Seitenzahlen beziehen sich auf PHOENIX Bd.1 / 2005

Lernen

Behaviorismus Konstruktivismus Kognitivismus Klassische Konditionierung 233 Operante Konditionierung 242 Lernen als konstruktiver Prozess

Erziehungskonzept: Triple P 253 Aufbau kognitiver Strukturen 335 Bruner: Entdeckendes Lernen 281ff. Neurobiologie 316 Lernen am Modell Kinder als Forscher 277f. 295 Ausubel: Expositorisches Lehren 283f. Piaget 263 Spieltheorie und Schulkonzept 289ff. Reggio Pädagogik 292 Montessori 351 Entwicklung und Lernen aus der Sicht des Kindes

Entwicklung

Eine Pädagogik vom Erzieher aus! ……. Eine Pädagogik vom Kinde aus!

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Heinz Dorlöchter – Lernen und Entwicklung 7

LERNEN UND ERZIEHUNG Mit Lernen bezeichnet man oft den Teil der Erziehung, der sich als Folge von Erziehungsprozessen bei dem zu Erziehenden einstellen soll. Ergebnisse der Hirnforschung und pädagogischen Psychologie zeigen auf, dass Lernvorgänge sehr viel komplexer sind, als es z.B. behavioristische oder kognitivistische Ansätze annehmen. So ist z.B. eine wichtige Erkenntnis, dass die Einflussnahme auf Lernprozesse nur bedingt möglich ist und die Struktur der Lernvorgänge keinem Schematismus folgt. Erziehung bewirkt also nicht unbedingt Lernen! Ein Lernbegriff, der dem hier skizzierten Paradigma unterliegt, lässt sich als ein Auseinandersetzungsprozess zwischen der dem Lerner zunächst ´äußeren Welt´ und seiner ´inneren Welt´ beschreiben, wobei die Koordinierungsleistung und die Bedeutungszuweisung als das eigentliche Lernen beschrieben werden kann. In diesem Sinne werden Lernprozesse auch häufig als Verstehensprozesse beschrieben, soll doch damit verdeutlicht werden, dass nur der Lerner eine Sinnzuweisung auf Grund seines Vorwissens und seiner Persönlichkeitsstruktur vornehmen kann. Die Neurobiologie hat gerade in der letzten Zeit eine Vielzahl von Daten zur Funktionsweise unseres Gehirns geliefert, einige seien hier aufgeführt: Eine einzige Nervenzelle in Ihrem Gehirn kann bis zu 20 000 Kontakte mit anderen Neuronen haben. Das bedeutet, dass sich im Gehirn Billionen von Synapsen befinden, die es zur komplexesten uns bekannten Struktur im gesamten Universum machen. Da jedes Neuron so viele Verbindungen mit anderen Neuronen hat, können Informationen im riesigen Netzwerk des Gehirns große Verbreitung finden. Auf jede Faser, die eine Verbindung nach außen darstellt (2,5 Millionen – Auge je eine Mill, Ohr einige Tausend, Haut, Mund, Nase) kommen 10 Millionen interne Verbindungen, das Gehirn ist also zu 99,9% mit sich selbst beschäftigt! Letztlich können diese Erkenntnisse helfen, sich eine fundierte Vorstellung im Sinne eines Modells über die Prozesse des Lernens zu machen: Unser Gehirn ist ein ganzheitlich orientiertes Netzwerk, eine Zentrale ohne Zentrum: „Der neuronale Prozess des Lernens besteht aus der Transformation von bereits aktivierbaren Aktivitätsmustern in modifizierbare Muster. Der Lernprozess tritt nicht additiv zu den anderen Prozessen hinzu, sondern er besteht aus der besonderen Modifikation dieser Prozesse durch Prozesse derselben Art. Lernen ist die operative Selbstveränderung des neuronalen und psychischen Systems“ (Jürgen Grzesik: Operative Lerntheorie, Klinkhardt 2002) Pädagogen und Psychologen werden von diesen Ergebnissen nicht sonderlich überrascht sein, die Parallelen zu J. Piaget sind evident, interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Zitat von Maria Montessori (Kinder sind anders):

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„Die Beobachtung des Kindes lehrt uns, dass es sich seine Intelligenz nicht langsam und von außen her aufbaut, wie dies eine mechanistische Psychologie annimmt … Das Kind ist ein aktiver Beobachter und nimmt mittels seiner Sinne Eindrücke von außen in sich auf. Das aber ist wesentlich anderes als die Behauptung, es empfange diese Eindrücke teilnahmslos wie ein Spiegel. Wer beobachtet, tut dies aus innerem Antrieb, aus einem Gefühl, auf Grund einer besonderen Vorliebe, und er wählt somit unter zahllosen Eindrücken ganz bestimmte aus.“ Lernen ist Auseinandersetzung (kontextbezogen), eine bedeutungsbildende Aktivität (Struktur- und Musterbildung), welche verstehensorientiert (auf Sinn angelegt) ist, an Vorerfahrungen anknüpft, ganzheitlich (den ganzen Menschen betreffend) und selbst gesteuert ist. Lernen ist Konstruktion von Bedeutung, Entdecken und Schaffen von Sinn. Jeder Mensch lernt anders, Lernen ist ein aktiver, konstruktiver und reflexiver Prozess, der in sozialen Kontexten stattfindet. Lernen ist ein sich entdecken in der Welt, die Lust an der Erweiterung des Seins! Ein pädagogisch orientierter Lernbegriff führt also bei der Berücksichtigung neurobiologischer Erkenntnisse zu einem konstruktivistischen und ganzheitlichen Verständnis von Lernen und bestätigt somit eigentlich die Einsichten einer guten Pädagogik. So formuliert Prof. Singer, Leiter des Max-Planck Institutes für Hirnforschung: „Das Beste, was man für ein Kind tun kann, ist, sorgfältig darauf zu achten, welche Fragen es stellt, und sie möglichst erschöpfend und eindeutig zu beantworten. Es ist weniger günstig, über die gestellten Fragen hinaus zu versuchen, mit einer Art Nürnberger Trichter soviel wie möglich ins Gehirn hineinzufüllen. Oft ist das sehr kontraproduktiv.“ Modelle von Lernvorgängen haben Auswirkungen auf das Menschenbild des Lernenden, für Erzieher ist es daher wichtig, sich mit Lern- und Entwicklungsvorgängen im Sinne der Ausweitung ihrer Empathiekompetenz auseinanderzusetzen, Fragen eines moralisch verantwortbaren Erzieherverhaltens sind damit aber noch nicht automatisch beantwortet! Die Auseinandersetzung mit Fragen einer guten Erziehung können durch die Neurobiologie interessante Impulse bekommen, beantwortet werden sie nicht!

PLT 2005 / Heinz Dorlöchter