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Jean Baptiste Poqueline Molière Die Gaunereien des Scapin (Les Fourberies de Scapin) Deutsch von Jochen Thau Szenisch eingerichtet von Alexander Stefi

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Jean Baptiste Poqueline Molière

Die Gaunereien des Scapin (Les Fourberies de Scapin)

Deutsch von Jochen Thau

Szenisch eingerichtet von Alexander Stefi

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Personen

Geronte Argante Leandre, Sohn von Geronte Octave, Sohn von Argante Zerbinette Hyacinthe Scapin, Leandres Diener Sylvestre, Octaves Diener Nerine, Hyacinthes Amme

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Prolog: Scapin tritt vor den Zwischenvorhang vor das Publikum und sagt: Sehr verehrte Spectatori, wir präsentieren Ihnen heute ein unvergeßliches Speltakel im Stile der „Commedia d`el Arte“. Eine moralische Kommödie von Herrn Molière. (Über die Bühne geht Argante) Hier sehen sie Herrn Argante, verheiratet mit seinem Geldbeutel und der Gicht. Ein hartes Schicksal. (Über die Bühne geht Geronte) Und das ist Herr Geronte, rund wie ein Bär, verheiratet mit zwei Frauen und seinem Geld, also ein ähnliches Schicksal. (Aus allen Ecken springen Octave, Leandre, Zerbinette und Hyacinthe auf die Bühne) Und das sind die „Inamorati“, ohne die kein echtes Stück dieser Art existieren könnte. (Über die Bühne kommt Sylvestre) Und das ist Sylvestre, der Diener des Herrn Octave. Dick wie Zwei und nicht mit viel Geist gesegnet. (Bühne ist leer) Und jetzt geht´s los! Wir wünschen Ihnen einen schönen Abend. (verschwindet von der Bühne)

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= 3 = Erster Akt Erste Szene

Octave, Sylvestre

Octave: Das sind böse Nachrichten für ein liebendes Herz. Ich gerate da in eine peinliche Lage. Du hast also im Hafen erfahren, daß mein Vater zurückkommt?

Sylvestre: Ja, mein Herr. Octave: Daß er schon heute Morgen ankommt? Sylvestre: Heute Morgen, ja. Octave: Und daß er zurückkommt um mich zu verheiraten? Sylvestre: Ja. Octave: Mit der Tochter des Herrn Geronte? Sylvestre: Des Herrn Geronte. Octave: Und daß er deshalb seine Tochter von Tarent hierher geschickt hat? Sylvestre: Jaaaaa! Octave: Und du hast diese Nachricht von meinem Onkel? Sylvestre: Von Eurem Onkel, ja. Octave: Mein Vater hat sie ihm also in einem Brief... Sylvestre: Mitgeteilt, ja. Octave: Dann weiß mein Onkel also alles über mich und was inzwischen hier

vorgegangen ist? Sylvestre: Alles. Octave: Himmel! Laß Dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen! Sylvestre: Was soll ich Euch denn weiter sagen? Ihr habt doch alles behalten und wißt

es schon besser als ich. Octave: Dann gib mir wenigstens einen Rat, was ich in dieser ausweglosen Lage jetzt

tun soll! Sylvestre: Leicht gesagt. Ich brauchte selber einen Rat. Ich stecke doch in der

gleichen Klemme. Octave: Diese verteufelte Rückkehr bringt mich um! Sylvestre: Mich genauso. Octave: Wenn mein Vater die ganze Geschichte erfährt, wir ein Unwetter der

schrecklichsten Vorwürfe über mich niedergehen... Sylvestre: Vorwürfe! Vorwürfe! Ich wollte, ich käme auch so glücklich davon. Ich bin da

ein bißchen schlimmer dran Ich werde nämlich Eure leichtsinnigen Torheiten teuer bezahlen müssen. Eine Wolke von Stockschlägen schwebt über mir, und sie wird sich fürchterlich entladen...

Octave: Oh Himmel! Wüßt` ich nur einen Ausweg!... Sylvestre: Das hättet Ihr vorher bedenken sollen. Octave: Bitte, verschone mich jetzt mit deinen moralischen Weisheiten. Sylvestre: Ja, hättet Ihr mich nur mit Eurem Leichtsinn verschont... Octave: Was soll ich tun?... Wozu soll ich mich entscheiden?... Wer kann mir jetzt

noch helfen?...

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= 4 = Zweite Szene

Die Vorigen, Scapin

Scapin: Hallo! Was ist denn los, Herr Octave? Was gibt´s? Ihr seid ja ganz verstört. Was ist geschehen?

Octave: Ach, mein guter Scapin! Ich bin verloren. Ich bin verzweifelt! Ich bin der unglücklichste Mensch auf Erden!...

Scapin: Wieso denn das? Octave: Hast Du noch nicht gehört, was mir bevorsteht? Scapin: Nein. Octave: Mein Vater und Herr Geronte kehren zurück und wollen mich verheiraten. Scapin: Na und? Ist das so schlimm? Octave: Wenn Du nur wüßtest was mich dabei so beunruhigt Scapin: Aber es liegt doch nur an Ihnen daß ich es sogleich erfahre. Ich verstehe

mich ein wenig auf´s Trösten und ich bin immer bereit jungen Leuten bei ihren Sorgen beizustehen.

Octave: Ach, Scapin, könntest Du nur irgendwas erfinden, irgendeinen Plan, eine List mir aus meiner Not zu helfen, ich würde es Dir ein Leben lang zu danken wissen!

Scapin: Um ehrlich zu sein, es gibt so gut wie nichts, das mir nicht möglich wäre, wenn ich mich damit befasse. Der Himmel hat mir scheinbar die Fähigkeit verliehen meinen Geist stets beweglich zu halten und Wege und Umwege zu ersinnen, die der unwissende Pöbel Gaunereien nennt. Lauter Ignoranten. Ich kann, ohne mich zu loben, sagen, daß sich niemand neben mir so elegant darauf versteht Intrigen einzufädeln oder Streiche zu erfinden. Niemand versteht dies edle Gewerbe besser als ich. Aber leider... Undank ist der Welten Lohn... Seit dieser letzten ärgerlichen Geschichte hab ich mich von allem zurückgezogen.

Octave: Was für eine Geschichte? Scapin: Ich bekam es mit dem Gericht zu tun. Octave: Mit dem Gericht? Scapin: Wir hatten einen kleinen Streit. Octave: Du, mit dem Gericht? Scapin: Ja. Und man hat mich schändlich behandelt und verspottet, so daß ich

beschlossen habe nichts mehr zu tun. Schluß! Aus! Basta! Und nun zu Eurer Geschichte.

Octave: Du weißt, Scapin, daß mein Vater mit Herrn Geronte vor zwei Monaten eine Seereise antraten um gemeinsame Geschäfte zu regeln.

Scapin: Ja, das weiß ich. Octave: Und daß Leandre und ich von unseren Vätern zurückgelassen wurden. Ich

unter der Aufsicht Sylvestres... Sylvestre: Ja, ja, ja, ja... Octave: ...und Leandre unter Deiner Obhut. Scapin: Ja, und ich hab das hervorragend gemacht. Octave: Eines Tages begegnete nun Leandre einer jungen Zigeunerin, in die er sich

sofort verliebte.

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= 5 = Scapin: Ja, das weiß ich auch. Octave: Da ich sein bester Freund bin, weihte er mich natürlich in sein Geheimnis ein

und führte mich auch zu ihr um sie zu sehen. Ich fand sie wohl schön, aber nicht so wie er es sich gewünscht hätte. Er sprach von nichts anderem als von ihr, von ihrer Schönheit, ihrer Anmut, ihrem Geist, von dem Zauber ihrer Unterhaltung, die er mir entzückt Wort für Wort wiederholte und wart enttäuscht, wenn ich nicht mit derselben Begeisterung mit ihm schwärmte, seine hitzige Leidenschaft nicht teilte und tadelte mich immer wieder, daß ich so gleichgültig gegen seine Liebe sei.

Scapin: Noch seh ich nicht auf was das alles hinaus soll. Octave: Als wir eines Tages zu seiner Angebeteten unterwegs waren, hörten wir aus

einem kleinen Haus in einer abgelegenen Straße ein Wimmern und Schluchzen. Die Neugier trieb mich Leandre zu überreden mit mir hineinzugehen.

Scapin: Und weiter? Weiter? Octave: Wir traten in das Zimmer und sahen eine alte Frau die im Sterben lag. Und

bei ihr eine trauernde Dienerin und ein in Tränen zerfließendes junges Mädchen. Das schönste Geschöpf, daß man sich nur erträumen kann.

Scapin: Aha! Octave: Sie hatte nichts auf dem Leib als ein kurzes, ärmliches Röckchen und ein

dürftiges Leibchen... Auf dem Kopf eine gelbe Haube unter der ihr aufgelöstes Haar herabfiel. Jede Anrede hätte in diesem Zustand erbärmlich ausgesehen, aber sie war wie ein Bild von Anmut und Süße... Von ganz besonderem Liebreiz...

Scapin: Langsam merk ich wie das weitergeht. Octave: Wenn Du sie nur gesehen hättest, Scapin, Du wärst ebenso

dahingeschmolzen. Scapin: Ich zweifle nicht daran. Auch ohne sie gesehen zu haben glaube ich schon

jetzt daß sie reizend sein muß. Octave: Es war rührend, sie weinen zu sehen. Sie war in ihrem Schmerz fast

überirdisch schön. Scapin: Ich sehe das alles vor mir. Octave: Ich war den Tränen nahe, als sie sich über die Sterbende warf, die sie

Mutter nannte. Nie werde ich dieses Bild vergessen. Ich war tief bewegt. Scapin: Das klingt alles sehr rührend und ich verstehe, daß ihr dieses beseelte

Geschöpf gleich ins Herz schlosset. Octave: Ach, Scapin, ein Barbar hätte sie lieben müssen... Scapin: Ja, wer könnte sich auch dagegen wehren... Octave: Nach einigen tröstenden Worten verließen wir zögernd das Haus. Und als ich

Leandre fragte, wie ihm das Mädchen gefalle, antwortete er nur kalt und nüchtern, er fände sie recht hübsch. Diese Kälte verletzte mich so sehr, daß ich nicht wagte ihm zu sagen, wie tief meine Neigung zu ihr war.

Sylvestre: So, und wenn Ihr jetzt Eure Erzählung nicht abkürzt, Herr, werden wir morgen früh noch hier stehen. Laßt sie mich mit zwei Worten beenden. (zu Scapin) Sein Herz stand also von diesem Augenblick an in Feuer und Flammen. Er mochte nicht mehr leben, wenn er seinen geliebten Engel nicht

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= 6 = trösten durfte. Seine ständigen Besuche wurden aber von der Dienerin, die

nach dem Tode der Mutter deren Stelle einnahm, zurückgewiesen. Mein Herr war verzweifelt. Er flehte sie an, beschwor sie, alles umsonst. Sie sagte, das Mädchen sei zwar arm und hilflos, aber aus gutem Hause, und wenn er sie nicht heiraten wolle, würde sie seine Besuche nicht mehr dulden. Seine Liebe wurde dadurch noch heftiger. Er überlegte hin und her, verzweifelte, schwankte... Kurz, seit drei Tagen ist er mit ihr verheiratet.

Scapin: Bravo! Was blieb ihm übrig? Sylvestre: Ja. Aber jetzt denke an die unerwartete Rückkehr des Vaters, der erst in

zwei Monaten kommen wollte. Denk an den Onkel, der ihm unsere heimliche Heirat längst entdeckt hat. Denkt an die geplante andre Heirat mit der Tochter des Herrn Geronte von dessen zweiter Frau, die er in Tarent geheiratet haben soll.

Octave: Und dazu die Armut meines geliebten Mädchens und meine völlige Mittellosigkeit, ihr beizustehen...

Scapin: Ist das alles? Wegen solcher Kleinigkeiten laßt Ihr die Flügel hängen?Seid ihr denn noch zu retten? (zu Sylvestre) Schämt Du Dich nicht? Pfui, Teufel! Ein Kerl wie Du hat nicht genügend Witz im Kopf irgendeine kleine List zu erfinden, eine kleine Finte, um alles in die schönste Ordnung zu bringen? Ich wünschte, ich hätte schon früher einmal Gelegenheit gefunden unseren beiden Alten eine kleine Posse zu spielen. Ich war nicht größer als so (zeigt es) da hab ich schon ganz andre Dinge gedreht...

Sylvestre: Ich gebe zu, daß mir der Himmel nicht Deine Gaben verliehen hat und das ich nicht den Witz habe wie du, mich mit der Justiz einzulassen.

Octave: Da kommt meine reizende Hyacinthe!

Dritte Szene Die Vorigen, Hyacinthe

Hyacinthe Ach, Octave, ist es denn wahr was Sylvestre vorhin erzählte? Ihr Vater sei

auf der Heimfahrt und er will Euch verheiraten? Octave: Ja, schönste Hyacinthe. Und diese Nachricht hat mich sehr betrübt. Hyacinthe Octave! Octave: Ihr weint? Warum die Tränen? Mißtraut Ihr mir? Sprecht! Seid Ihr von

meiner Liebe nicht überzeugt? Hyacinthe Ja, Octave, ich bin es. Aber werdet Ihr mich auch immer lieben? Octave: Kann man Euch lieben ohne es für ein ganzes Leben zu tun? Hyacinthe Es heißt aber, Ihr Männer seid aber nicht so beständig wie wir. Eure

Leidenschaft ist nur wie eine Flamme, die auflodert, aber auch genauso schnell wieder erlischt.

Octave: Geliebte Hyacinthe, dann gleicht mein Herz nicht diesen Männern. Ich fühle in mir, daß ich Euch ewig lieben werde.

Hyacinthe Ich will es glauben. Ich zweifle nicht, daß Eure Wirte aufrichtig sind. Aber Ihr seid abhängig von Eurem Vater, der Euch mit einer Anderen vermählen will. Ich würde sterben, wenn ich das erleben müßte.

Octave: Hyacinthe, meine schöne Hyacinthe! Es gibt keinen Vater der mich zwingen

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= 7 = könnte mein Wort zu brechen, das ich gab. Lieber verlaß ich mein

Heimatland. Und jene Andere... Ohne sie gesehen zu haben, hasse ich sie schon. Und ohne grausam sein zu wollen, wünschte ich, daß das Meer sie für ewig von uns trennt. Denn ich kann Eure Tränen nicht sehen, ohne daß sie mein Herz zerreißen.

Hyacinthe Wie es auch kommen mag, ich will heiteren Sinnes mein Schicksal erwarten das mir der Himmel bestimmt.

Octave: Der Himmel ist mit uns. Hyacinthe Wenn Ihr mir treu seid, kann er nicht gegen mich sein. Scapin: (a pas) Das Mädchen ist nicht dumm. Und auch sonst ganz passable. Octave: Der Mann hier könnte uns schon helfen. Wenn er nur wollte. Scapin: Ich hab geschworen, mich mit der Welt so abzufinden, wie sie eben ist.

Aber... wenn Ihr beide mich schön bittet... Ich könnte schwach werden... Octave: Komm, ziere dich nicht! Also schön, ich bitte Dich mit meinem ganzen

Herzen, das Steuer von unserem kleinen Schiff zu übernehmen! Scapin: (zu Hyacinthe) Und Ihr sagt nichts? Hyacinthe: Bei allem, was Euch teuer ist, beschwör ich Euch unserer Liebe beizustehen! Scapin: Na ja, da kann ich gar nicht anders. Ich stehe zu Euren Diensten. Octave: (jubelt) Scapin!!! Scapin: Still jetzt! (zu Hyacinthe) Ihr geht und seid beruhigt. Die Sache hab ich

schnell im Griff. (Hyacinthe ab)

Vierte Szene

Die Vorigen, ohne Hyacinthe

Scapin: Und Ihr nehmt Euch jetzt zusammen. Ihr müßt dem Vater ruhig und sicher entgegentreten.

Octave: Gut gesagt. Ich zittere schon bei dem Gedanken ihm gegenüber zu stehen. Wie soll ich nur meine angeborene Schüchternheit überwinden?

Scapin: Wenn Ihr den ersten Stoß nicht mutig pariert, seid Ihr schon verloren. Er spürt Eure Schwäche und behandelt Euch wie ein Kind. Seid vor allem kühn.

Octave: Kühn... Aber wie? Scapin: Üben! Octave: Üben? Scapin: Ja, üben. Wir wollen es gleich mal versuchen. Octave: Ich will mein Möglichstes tun. Scapin: Recht so. Gehen wir Eure Rolle einmal durch. Als Erstes eine entschlossene

Miene. Den Kopf hoch. Octave: So? Scapin: Noch etwas kühner. Octave: So? Scapin: Ja, gut, gut. Das ist gut. Und nun stellt Euch vor, ich sei Euer Vater und

antwortet mir mutig, als ob es zu ihm selbst wäre. (verstellt seine Stimme, macht Argante nach) „Was, Du Galgenvogel, Du Taugenichts, mißratener, unwürdiger Sohn eines solchen Vaters wie mich! Du wagst es noch mir unter die Augen zu treten, nach einem solchen Streich, den Du mir in meiner

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= 8 = Abwesenheit gespielt hast? Ist das die Frucht meiner Mühen, Lumpenkerl?

Ist das der Gehorsam den Du mir schuldig bist?“ (zu Octave, normal) Na los, los! (wieder verstellte Stimme) „Du hast die Unverschämtheit, Du Halunke, Dich ohne die Einwilligung Deines Vaters zu verheiraten? Hinter meinem Rücken? Antworte, Du Schuft! Antworte, sag ich Dir! Ich will Deine sauberen Entschuldigungen hören!“ (normal) Aber was ist denn los, zum Teufel? Ihr macht den Mund ja gar nicht auf!

Octave: Mir war, als hört ich meinen Vater selbst! Scapin: Eben! Deshalb sollt Ihr ja nicht wie ein dummer Junge dastehen. Octave: Ich wird mich jetzt zusammennehmen. Scapin: Wirklich? Octave: Ja, wirklich. Noch mal. Scapin: Da kommt Euer Vater. Octave: Himmel! Ich bin verloren! (Läuft davon, ab) Scapin: He, Herr Octave! Bleibt doch! Herr Octave! (zu Sylvestre) Weg ist er. Eine

seltene Art von Mut. Nun schön, empfangen wir den Alten. Sylvestre: Was soll ich ihm jetzt sagen? Am besten gar nichts. Laß mich reden. (beide ziehen sich zurück)

Fünfte Szene Argante, Scapin, Sylvestre im Hintergrund

Argante: Hat man so was schon erlebt! Scapin: Er weiß schon Bescheid und die Sache regt ihn so auf, daß er mit sich selber

schimpft. Argante: So eine Frechheit! Ich möchte wissen, was er mir über diese saubere

Hochzeit erzählen wird. Scapin: Wir haben schon darüber nachgedacht. Argante: Ob sie wohl wagen, es zu leugnen... Scapin: Wir denken gar nicht daran. Argante: Oder sich zu entschuldigen... Sca pin: Das könnte eher zutreffen. Argante: Oder werden sie mich mit leeren Reden abspeisen... Scapin: Man wird sehen. Durchaus möglich. Argante: Aber alle Reden werden ihnen nicht helfen. Scapin: Warten wir`s ab, Argante: Ich lasse mir nichts vormachen. Scapin: Das würde ich nicht beschwören. Argante: Ich werde diesen Taugenichts von Sohn einfach erst mal in Sicherheit

bringen. Scapin: Das soll unsere Sorge sein. Argante: Und diesen Gauner Sylvestre, den prügle ich erst mal richtig durch! Sylvestre: Ich wußte es doch, daß er mich nicht vergißt... Argante: Aha, da bist Du ja! Ich habe Dir Leandre anvertraut! Scapin: Sieh da, der Herr Argante! Ich bin erfreut, daß Ihr zurück seid! Argante: Guten Tag, Scapin. (zu Sylvestre) Aber scheinbar hab ich den Bock zum

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= 9 = Gärtner gemacht! Was geht hier vor? Scapin: Es geht Euch gut, wie ich sehe! Argante: (beachtet ihn nicht) Du sagst kein Wort, Bursche? Kein Wort? Scapin: Und die Reise? Ist sie gut verlaufen? Argante: Mein Gott, sehr gut1 Laß mich doch erst mal diesen Kerl hier beschimpfen... Scapin: Ihr wollt schimpfen? Argante: Ja, schimpfen. Scapin: Schimpfen! Ja, mit wem denn? Argante: Mit diesem Taugenichts! Scapin: Warum? Argante: Hast Du nicht gehört, was sich nach meiner Abreise hier zugetragen hat? Scapin: Nun ja, von einer kleinen unwichtigen Geschichte habe ich schon gehört. Argante: Unwichtige Geschichte? Eine derartige Schamlosigkeit! Scapin: Ihr habt nicht ganz Unrecht. Argante: Eine bodenlose Frechheit! Scapin: Das läßt sich nicht leugnen. Argante: Ein Sohn verheiratet sich ohne die Einwilligung seines Vaters! Ein Skandal! Scapin: Darüber läßt sich vieles sagen. Ihr tätet wirklich besser, keinen Lärm zu

schlagen. Argante: Der Ansicht bin ich ganz und gar nicht!Im Gegenteil. Ich werde so laut Lärm

schlagen, daß es jeder hören soll! Habe ich nicht alle Ursache zornig zu sein? Scapin: Ja, das habt Ihr. Auch ich war es anfangs, als ich von der Geschichte erfuhr.

Ich war völlig auf Ihrer Seite und habe Eurem Sohn gehörig die Leviten gelesen. Fragt ihn nur, was für Vorwürfe ich ihm gemacht habe, wie ich ihn heruntergeputzt habe, weil er seinem Vater so wenig Respekt erweise. Und daß er ihm eher die Füße küssen müsse. Ihr selber hattet ihn nicht besser herabkanzeln können. Aber dann sagte er mir, daß er im Grunde wohl gar nicht so Unrecht hat, wie man es gerne glauben möchte.

Argante: Was erzählst Du mir da? Er hat gar nicht so Unrecht, sich mit der Erstbesten zu verheiraten?

Scapin: Was wollt Ihr? Das Schicksal trieb ihn dazu. Argante: Aha! Ein schöner Grund. Auf diese Weise kann also einer alle möglichen

Verbrechen begehen, betrügen, stehlen, morden und sagen, das Schicksal habe ihn dazu getrieben!

Scapin: Mein Gott, Ihr nehmt meine Worte viel zu philosophisch. Ich meine, er wurde durch die Macht der Umstände in diese Geschichte gezogen...

Argante: Und warum hat er sich hineinziehen lassen? Scapin: Soll er schon so klug sein wie Ihr? Er ist noch jung und die Jugend die ist

ungestüm. Das beste Beispiel ist unser Leandre, der es trotz meiner guten Lehren und Ermahnungen noch ärger trieb als Euer Sohn. Ich möchte wetten, daß Ihr in Eurer Jugend auch kein Engel wart. Es geht die Runde, daß Ihr kein Kostverächter bei den Damen gewesen seid und schnell mit einer Schönen einig wart. Heute Die und morgen die Andere.

Argante: Nun ja, ich gebe es zu. Aber ich habe nie die Grenzen überschritten! Galante Abenteuer ja, aber nie bin ich so weit gegangen wie er.

Scapin: Was soll er denn tun? Er sieht ein junges Ding, sie will ihn wohl, denn daß er

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= 10 = von allen Frauen geliebt wird, hat er von Euch. Er findet sie reizend, macht

ihr Besuche, sagt ihr Schmeicheleien, seufzt und ist ein glühender Verehrer. Sie ergibt sich seinem Werben. Er treibt sein Glück weiter und die Verwandten überraschen ihn in flagranti. Und zwingen ihn gewaltsam und bewaffnet, sie zu heiraten. (Pause; Sylvestre pfeift leise bewundernd durch die Zähne) Wär`s Euch lieber gewesen, er hätte sich umbringen lassen? Es ist noch immer besser verheiratet zu sein als tot!

Argante: Man hat mir die Sache ganz anders erzählt. Scapin: Fragt nur den da. (zeigt auf Sylvestre) Er wird das selbe sagen. Argante: (zu Sylvestre) Er ist zum Heiraten gezwungen worden?! Sylvestre: Gezwungen, so ist es. Scapin: Warum sollt ich Euch belügen? Argante: Er hätte gleich zu einem Notar gehen und protestieren müssen. Scapin: Das wollte er nicht tun. Argante: Es wäre mir durchaus jetzt leichter die Ehe aufzulösen. Scapin: Die Ehe aufzulösen? Argante: Natürlich. Scapin: Das werdet Ihr nicht tun. Argante: Das werde ich nicht tun? Scapin: Nein, sag ich. Argante: Warum nicht? Habe ich als Vater nicht das Recht auf meiner Seite? Allein

schon aus dem Grund, daß man meinen Sohn mit Gewalt gezwungen hat! Scapin: Das wird er niemals eingestehen. Argante: Nicht eingestehen? Scapin: Nein. Argante: Mein Sohn? Scapin: Euer Sohn. Soll er etwa sagen, er sei aus Furcht der Gewalt gewichen und

habe sich zwingen lassen? Das wäre eine Schande für ihn. Er würde sich eines Vaters, wie Ihr es seid, eines solchen Mannes, unwürdig erweisen.

Argante: Das sind doch Possen. Scapin: Er ist es seiner und Eurer Ehre schuldig, vor aller Welt zu erklären, daß er

freiwillig geheiratet habe. Argante: Und ich bestehe darauf, daß er um meiner und seiner Ehre Willen das

Gegenteil sagt! Scapin: Ucd bin sicher, daß er es nicht tun wird. Argante: Ich werde ihn dazu zwingen. Scapin: Er tut`s nicht, sag ich Euch. Argante: Er wird es tun, oder ich enterbe ihn! Scapin: Ihr? Argante: Ja, ich! Scapin: Ach, geht doch! Argante: Wieso? Scapin: Ihr enterbt ihn doch nicht! Argante: Ich enterbe ihn nicht? Scapin: Nein. Argante: Nein?

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= 11 = Scapin: Nein! Argante: Das wäre ja noch schöner, wenn ich meinen Sohn nicht enterben könnte! Scapin: Ich sage Euch, Ihr tut es nicht! Argante: Wer soll mich daran hindern? Scapin: Ihr selber. Argante: Ich? Scapin: Ihr habt doch nicht das Herz dazu. Argante: Das hab ich wohl! Scapin: Ihr scherzt. Argante: Ich scherze nicht! Scapin: Die väterliche Liebe wird für Euren Sohn sprechen. Argante: Das wird sie nicht! Scapin: O doch! Argante: Nein, sag ich Dir! Scapin: Ihr seid doch von Natur aus viel zu gut. Argante: Ich bin nicht gut! Ich bin sogar sehr böse, wenn ich will! Brechen wir ab. Mir

läuft die Galle über. (zu Sylvester) Und Du hol mir jetzt meinen Sohn, Du schuft! Ich geh inzwischen zu Herrn Geronte, um ihm mein Mißgeschick zu klagen.

Scapin: Wenn ich Euch irgendwie nützlich sein kann, Ihr habt nur zu befehlen, mein Herr!

Argante: Ich danke Dir. (im abgehen) Warum hab ich nur diesen einen Sohn? Die Tochter, die mir der Himmel nahm, würde ich jetzt sofort zu meiner Erbin machen... (ab)

Sechste Szene Scapin, Sylbvestre

Sylvestre: Du bist ein Teufelskerl, Scapin, das muß ich gestehen. Die Sache hast Du

hübsch eingefädelt. Und wir sind schon halb auf dem Weg. Jetzt fehlt uns nur das Geld, denn wir haben Gläubiger, die darauf warten.

Scapin: Laß mich nur machen. Ich bringe den Karren schon zu laufen. Laß mich überlegen. Vor allem brauche ich einen begabten jungen Mann, der dabei eine Rolle spielen soll. Moment, Sylvestre!... Zieh Dir mal die Mütze ins Gesicht! Steh gerade. Einen Fuß vor. Geh auf und ab. Nicht latschen, schreiten. So wie ein König auf dem Theater etwa. Roll mal die Augen. Brüll. (Sylvestre tut alles was von ihm verlangt wird) Ach was, ich kenne Mittel dein Gesicht und deine Stimme zu verwandeln. Komm. (beide ab)

V O R H A N G

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= 12 = Zweiter Akt Erste Szene

Geronte, Argante

Geronte: Ganz gewiß, bei gutem Wind werden unsere Leute schon heute hier eintreffen. Aber wenn meine Tochter nun ankommt, wird sie die Lage weniger erfreulich vorfinden als wir sie geplant hatten, denn was Ihr mir von Eurem Sohn erzählt habt wirft alle unsere Pläne uber´n Haufen.

Argante: Macht Euch darum keine Sorgen. Ich verspreche Euch, jedes Hindernis aus dem Weg zu räumen. Und ich bin auch schon auf dem besten Wege dazu.

Geronte: Wenn Ihr meine Meinung wissen wollt, Herr Argante: die Erziehung der Kinder ist ein Geschäft, das sehr ernsthaft betrieben sein will.

Argante: Ohne Zweifel. Aber was soll das heißen? Geronte: Das soll heißen daß das schlechte verhalten der jungen Leute meist in der

Erziehung liegt, die ihre Väter ihnen gaben. Argante: Ja, da sind wir völlig gleicher Meinung. Aber was wollt Ihr damit sagen? Geronte: Was ich damit sagen will? Argante: Ja. Geronte: Nun, wenn Ihr, als rechtschaffener Vater, Euren Sohn öfters mal tüchtig

bei den Ohren genommen hättet, würde er Euch heut nicht solche Streiche spielen.

Argante: Schön. Habt Ihr es denn auch so bei Eurem Sohn gehalten? Geronte: Natürlich. Ich stehe dafür daß mir sowas bei ihm nicht passieren kann. Argante: Und wenn nun dieser Sohn, den Ihr so rechtschaffen bei den Ohren

genommen habt, es heute ärger triebe als meiner? Geronte: Wieso? Argante: Wieso? Geronte: Was soll das heißen? Argante: Das soll heißen, daß man nicht gleich damit beginnt die Fehler der Anderen

zu verdammen und lieber erst mal damit beginnt vor seiner eigenen Tür zu kehren.

Geronte: Ich verstehe diese Reden nicht. Argante: Man wird sie Euch schon noch erklären. Geronte: Habt Ihr vielleicht etwas über meinen Sohn gehört? Argante: Das könnte schon sein. Geronte: Habt Ihr etwas erfahren? Argante: Scapin hat mir die ganze Sache nur angedeutet. Ihr könnt ihn ja näher

befragen. Was mich betrifft, ich muß jetzt zum Notar um Rat zu holen und alles Erforderliche in die Wege zu leiten. Lebt wohl. (ab)

Zweite Szene Geronte, dann Leandre

Geronte: Was mag das sein, mein Sohn triebe es ärger als sein Sohn? Was kann er ärgeres treiben? Ich denke, ohne die Einwilligung des Vaters zu heiraten

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= 13 = übertrifft alles, was man sich vorstellen kann! Leandre: Mein Vater! Geronte: Ah, da bist Du ja! Leandre: Welche Freude, Euch wieder zu sehen! Geronte: Sachte, sachte! Wir wollen erst von Dingen reden die mir wichtiger

erscheinen. Leandre: Nein, laßt Euch erst umarmen und... Geronte: Sachte, sachte, sag ich! Sachte! Leandre: Wie, mein Vater, Ihr wollt nicht daß ich Euch vor Freude umarme? Geronte: Nun, ich glaube, wir haben noch zusammen noch ein Hühnchen zu rupfen. Leandre: Und das wäre? Geronte: Sieh mir in die Augen. Leandre: Wie? Geronte: Sieh mir fest ins Gesicht! Leandre: Nun, und? Geronte: Was ist hier vorgegangen. Leandre: Was hier vorgegangen ist? Geronte: Ja, was hast Du während meiner Abwesenheit getan. Leandre: Was soll ich getan haben, Vater? Geronte: Ich will nicht, daß Du etwas getan haben sollst, ich frage, was Du getan hast! Leandre: Ich habe nichts getan, worüber Ihr Grund hättet zu klagen. Geronte: Nichts? Leandre: Nein. Geronte: Du bist sehr selbstsicher. Leandre: Weil ich ganz unschuldig bin. Geronte: Scapin hat mir aber von dir erzählt. Leandre: Scapin!!! Geronte: Aha! Das Wort läßt Dich erröten! Leandre: Er hat Euch etwas von mir erzählt? Geronte: Hier ist nicht der Ort die Sache zu verhandeln. Wir werden sie später

untersuchen. Mach, daß Du nach Hause kommst. Ich komme gleich nach. Oh, Kerl, wenn Du mir Schande machst, verleugne ich Dich als meinen Sohn! Und wage es nie wieder, mir unter die Augen zu treten! (ab)

Leandre: Oh, dieser Schuft von einem Diener! Mich zu verraten! Dieser Gauner, der selber das größte Interesse daran haben sollte, alles zu verheimlichen, was ich ihm anvertraut habe! Geht hin und plaudert alles meinem Vater aus! Aber ich schwöre beim Himmel, diese blöde Posse soll nicht ungestraft bleiben!

Dritte Szene Leandre, Octave, Scapin

Octave: Scapin, wie soll ich Dir nur danken für alle Deine Bemühungen! Was wäre aus mir geworden ohne Deine Hilfe? Der Himmel hat Dich geschickt. Du bist ein echter Schatz, Scapin!

Leandre: Da bist Du ja! Halunke! Gut, daß ich Dich hier treffe! Scapin: Danke, danke! Zuviel der Ehre.

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= 14 = Leandre: Du machst noch schlechte Witze? Das wird Dir gleich vergehen. (zieht den

Degen) Scapin: (auf Knien) Herr! Octave: Leandre! (springt dazwischen) Leandre: Nein! Haltet mich nicht zurück! Scapin: Mein Herr! Octave: Was wollt Ihr tun? Leandre: Ihm geschieht nur recht! Laßt mich! Ich ersticke an meinem Zorn! Octave: Bei unserer Freundschaft, Leandre, tut es nicht! Scapin: Was hab ich Ihnen denn getan, mein Herr? Leandre: Was Du mir getan hast, Schurke? Octave: Ruhe! Ruhe! (hält ihn) Leandre: Nein, Octave! Auf der Stelle soll er seinen Verrat eingestehen! Und daß er

ein elender Schuft ist! Er hat mir einen bösen Streich gespielt! (zu Scapin) Du hast wohl geglaubt daß Deine Schandtat nicht ans Tageslicht kommt? Aber jetzt sollst Du sie mit eigenen Worten hier bekennen! Oder ich stoße Dir den Degen durch den Leib!

Scapin: Ach, Herr, könntet Ihr das wirklich übers Herz bringen? Leandre: So sprich! Scapin: Ich sollt Euch was getan haben, Herr? Leandre: Ja, Du Schuft! Und Du weißt nur zu gut, was! Scapin: Ich versichere, Herr, ich weiß von nichts! Leandre: Du weißt von nichts? (zieht wieder den Degen) Octave: Leandre! (hält ihn wieder zurück) Scapin: Nun, so will ich Euch gestehen, daß ich mit ein paar lustigen Freunden das

Fäßchen spanischen Wein ausgetrunken habe, das Ihr vor ein paar Tagen zum Geschenk bekamt. Ich bohrte ein Loch in das Faß und goß Wasser rundherum, damit Ihr glauben solltet, es sei ausgelaufen.

Leandre: Du warst also dieser Lump! Scapin: Ja, zu dienen... Leandre: Und ich hatte deshalb einen ärgerlichen Streit mit der Magd! Scapin: Ich bitte Euch recht sehr um Verzeihung. Leandre: Nur gut, daß ich das jetzt erfahre. Doch darum geht es nicht im Augenblick. Scapin: Nicht darum? Leandre: Nein. Etwas anderes, weit schlimmeres. Das weißt Du ganz genau. Scapin: An etwas schlimmeres erinnere ich mich nicht. Leandre: Du willst also nicht reden! (zieht) Octave: Leandre, bitte! Scapin: Halt! Da fällt mir doch etwas ein! Als Ihr mich vor drei Wochen am Abend zu

der schönen Zigeunerin schicktet, die Ihr liebt, um ihr eine kleine Uhr zu bringen, ich erinnere mich... Ich kam wieder, die Kleider voller Schmutz, mit blutiger Nase und sagte Euch, mich hätten Räuber überfallen, mich verprügelt und mir die Uhr gestohlen. Ich... äh... ich... hatte sie aber selbst behalten, Herr...

Leandre: Meine Uhr? Du hast meine Uhr behalten? Scapin: Nur um Euch zu dienen! Ich weiß doch nie wie spät es ist!

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= 15 = Leandre: Aha, nette Geschichten erfahre ich da. Ich habe einen seltsam treuen

Diener, das muß ich sagen. Aber noch immer ist es das nicht, was ich wissen will!

Scapin: Immer noch nicht? Leandre: Nein, Schuft! Nein! Bist Du zu feige es zu erzählen? Scapin: Verdammt! Leandre: Ich warte nicht mehr lange! Scapin: Ich habe weiter nichts getan! Ich wüßte nicht... Leandre: Meine Geduld ist am Ende! (zieht wieder den Degen) Scapin: Halt! (schlägt sich vor den Kopf) Wie konnte ich das vergessen! Da ist noch

was. Besinnt Ihr Euch noch auf den Wegelagerer der Euch vor einem halben Jahr nachts verprügelte und wie Ihr auf der Flucht dann in ein Kellerloch gefallen seid und Euch fast den Hals gebrochen habt?

Leandre: Und ob ich mich erinnere. Scapin: Das Schreckgespenst, Herr... war ich... Leandre: Warst Du?... Was?... (will auf ihn los) Scapin: (schnell) Ja, Herr! Aber nur um Euch einen kleinen Schreck einzujagen!

Damit Euch die Lust vergeht, uns Nacht für Nacht herumzuhetzen, wie´s Eure Art ist. Damit Ihr einmal selber spürt, wie einem da zu mute ist...

Leandre: Ich werde mich zur rechten Zeit an Deine Gaunereien erinnern, verlaß Dich darauf. Doch jetzt wirst Du mir endlich gestehen, was Du meinem Vater erzählt hast!

Scapin: Eurem Vater? Leandre: Ja, meinem Vater, Du Verräter! Scapin: Aber den hab ich seit er zurück ist noch gar nicht gesehen! Leandre: Lügst Du mich auch nicht an? Du hast ihn nicht gesehen? Scapin: Ganz bestimmt nicht! Leandre: Ganz bestimmt nicht? Scapin: Er wird es selbst bezeugen können! Leandre: Ich habe es aber doch aus seinem Munde! Scapin: Dann hart er - es tut mir leid - nicht die Wahrheit gesagt.

Vierte Szene Die Vorigen, Sylvestre

Sylvestre: Gnädiger Herr, ich bringe eine schlechte Nachricht für Euch. Leandre: Wie? Welche Nachricht? Sylvestre: Die Zigeuner sind gerade dabei, Zerbinette zu entführen. Sie selbst hat

mich mit Tränen in den Augen gebeten, es Euch zu sagen. Und wenn Ihr nicht in zwei Stunden das geforderte Geld für sie bringt, ist sie Euch für immer verloren.

Leandre: In zwei Stunden, sagst Du? Sylvestre: Jawohl, in zwei Stunden. (zögernd ab)

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= 16 = Fünfte Szene

Leandre, Scapin, Octave

Leandre: Mein lieber Scapin, hast Du gehört? Du mußt mir helfen! Scapin: Mein lieber Scapin! Plötzlich bin ich wieder der liebe Scapin. Jetzt, wo man

mich braucht. Leandre: Komm, Scapin! Ich will Dir auch alles verzeihen, was Du mir soeben

gestanden hast. Selbst wenn mich noch Ärgeres erwartet, es ist schon verziehen.

Scapin: Nein, nein! Verzeiht mir gar nichts! Stoßt mir den Degen durch den Leib, wie Ihr es eben wolltet! Stoßt zu! Das befreit mich von aller Schuld!

Leandre: Scapin, ich beschwöre Dich! Du rettest mir mein Leben, wenn Du mir hilfst! Du rettest meine Liebe!

Scapin: Nein, nein! Macht es nur kurz. Erstecht mich. Leandre: Erstechen, Unsinn! Dafür bist Du mir viel zu teuer. Ich brauche Deine

Dienste, Dein Genie, diese wunderbare Gabe mit der Du jede Schwierigkeit erledigst!

Scapin: Erstecht mich lieber, das ist besser. Leandre: Ich flehe Dich an!... Octave: Es muß etwas für ihn geschehen, Scapin! Scapin: Nach dieser Beschimpfung? Leandre: Vergiß meine Heftigkeit, bitte! Octave: Auch ich bitte Dich. Scapin: Nein, der Schmerz sitzt zu tief in mir. Octave: Überwinde Deinen Groll. Leandre: Kannst Du mich in dieser grausamen Lage verlassen? Scapin: Mir solche Schmach anzutun. Leandre: Ich habe Unrecht, ich gestehe es. Scapin: Mich einen Schuft, Galgenvogel, Spitzbuben, Schurken zu nennen. Leandre: Es tut mir herzlich leid. Scapin: Mir den Degen durch den Leib rennen zu wollen... Leandre: Ich bitte Dich herzlich um Verzeihung! Wenn ich es zu Deinen Füßen

abbitten soll, so werfe ich mich hier vor Dir auf die Knie und beschwöre Dich noch einmal: verlaß mich nicht!

Octave: (kniet gleichfalls) Scapin, laß Dich erweichen! Scapin: Steht auf. Ein andermal seid nicht so fix. Leandre: Versprichst Du mir jetzt beizustehen? Scapin: Ich will´s versuchen. Leandre: Wir dürfen keine Zeit verlieren. Scapin: Keine Sorge. Wieviel braucht Ihr? Leandre: Fünfhundert Taler. Scapin: (zu Octave) Und Ihr? Octave: Zweihundert Pistolen. Scapin: Ich werde dieses Geld Euren Väter abknöpfen. (zu Octave) Was den Euren

betrifft, so ist die Sache schon vorbereitet. (zu Leandre) Und bei Eurem werde ich, trotz seines Geizes, noch schneller ans Ziel kommen. Denn Ihr

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= 17 = wißt, der Mann hat, Gott sei Dank, kein Überfluß an Verstand. Und solche

Fälle bringt man schnell zur Strecke. Das darf Euch nicht kränken, denn Ihr seid ihm überhaupt nicht ähnlich. Und obendrein wird überall gemunkelt daß er nur pro forma Euer Vater ist.

Leandre: Scapin, ich bitte Dich! Scapin: Ich weiß, ich weiß! Doch wer macht sich heutzutage noch daraus ein

Gewissen?... (zu Octave) Doch da sehe ich Euren Vater kommen. Mit dem wollen wir den Anfang machen. (zu beiden) Laßt mich jetzt allein. (zu Octave) Und Ihr schickt mir den Sylvestre her. Er soll jetzt seine Rolle spielen. (Beide ab)

Sechste Szene Scapin, Argante

Scapin: (zu sich) Er scheint in Gedanken versunken Argante: (Zu sich) Keine Rücksicht, keine Überlegung! Sich in eine solche Heirat

einzulassen1Diese leichtsinnige Jugend... Scapin: Ihr Diener, mein Herr! Argante: Guten Tag, Scapin. Scapin: Ich sehe, die Geschichte mit Eurem Sohn macht Euch viel Kummer. Argante: Kummer?! Sie macht mich wütend! Scapin: Ja, so ist das Leben. Widerstände und Widrigkeiten. Man muß immer damit

rechnen. Mir fallen da die Lehren eines alten Philosophen ein, die ich vor langer Zeit einmal hörte.

Argante: Lehren? Was für Lehren? Scapin: Ja. Ein Familienvater sollte, sooft er sich seines Hauses entfernt, sobald er

wiederkehrt, auf alle Widrigkeiten gefaßt sein. Er soll glauben, sein Haus sei Abgebrannt, sein Geld gestohlen, sein Weib sei tot, sein Sohn zum Krüppel geschlagen und seine Tochter entehrt. Und wenn er dann bei seiner Heimkehr sieht, daß nichts von all dem geschehen, sollte er sein Glück preisen. Ich hab mir diese Regel wohl gemerkt und danke meinem Schöpfer wenn ich bei meiner Heimkehr von meinem Herren nicht mit Vorwürfen und Schimpfworten empfangen werde, mit Stockschlägen, Fußtritten und Peitschenhiebe.

Argante: Ja, aber diese unerwünschte Heirat durchkreuzt all meine Pläne. Und ich hab auch schon einen Advokaten zu Rate gezogen um diese Ehe aufzulösen.

Scapin: Um Himmelswillen! Keine Advokaten! Ihr stecht da in ein Wespennest! Ihr wißt doch was es hierzulande mit Prozessen auf sich hat. Ich rate Euch, die Sache anders anzupacken.

Argante: Du hast ja recht. Aber auf welche Weise? Scapin: Ich wüßte schon wie. Als ich Euch vorhin in Eurem Kummer sah, empfand ich

ein tiefes Mitleid und dachte an ein Mittel, wie dem abzuhelfen sei. Es ist wirklich ein Jammer mit anzusehen wie rechtschaffene Väter von ihren Kindern betrübt werden. Ich hatte immer schon eine besondere Zuneigung für Euch.

Argante: Ich bin Dir sehr verbunden.

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= 18 = Scapin: Hört zu. Ich suchte kurz den Bruder des Mädchens auf, welches Euer Sohn

geheiratet hat. Das ist ein Raufbold von Beruf. Einer von den Leuten, die stets den Degen in der Hand, vom Töten reden und gewissenlos einen Menschen abstechen, so wie man ein Glas Wein hinunter gießt. Ich brachte also das Gespräch auf diese Heirat und ich erklärte ihm, wie leicht diese – mit Gewalt geschlossene – Heirat zu lösen wäre. Und daß Euer väterliches Recht und Euer Geld und Eure freunde bei der Justiz ein großer Vorteil für Euch wären. Ich redete und redete, bis er schließlich bereit war, gegen ein kleines Sümmchen zu der Lösung dieser Heirat zuzustimmen. Er wird sich also leicht abfinden lassen.

Argante: So. Wieviel verlangt er denn? Scapin: Nun ja, viel, viel zu viel! Argante: Wieviel denn? Scapin: Ungeheuer hoch. Argante: Nun?... Scapin: Er sprach von fünf- bis sechshundert Pistolen. Argante: Fünf- bis sechshundert Stockschläge kann er haben. Der Kerl macht sich

wohl lustig?! Scapin: Das hab ich auch gesagt. Ich wies die Forderung natürlich zurück und gab

ihm deutlich zu verstehen, daß Ihr kein solcher Narr sein würdet, dem man einfach so fünf oder sechshundert Pistolen aus der Tasche mogeln könnte. Nach vielem hin und her kamen wir schließlich zu folgender Lösung: er müsse zur Armee und brauchte, um sich auszurüsten, etwas Geld. Er wäre also quasi gezwungen anzunehmen was man ihm böte. Kurz, er brauchte ein Reitpferd. Ein etwa taugliches kostet um die sechzig Pistolen.

Argante: Gut, das soll er haben. Scapin: Dazu Sattel, Zaumzeug und Gewehr, das kommt nochmal auf gut zwanzig

Pistolen. Argante: Zwanzig und sechzig sind achtzig. Scapin: Richtig. Argante: Viel Geld. Doch einverstanden. Scapin: Dann braucht er auch ein Pferd für seinen Burschen, was nochmals dreißig

Pistolen kostet. Argante: Ach was, er soll zum Teufel gehen! Keinen Heller kriegt er! Gar nichts!

Überhaupt nichts! Scapin: Aber mein Herr! Argante: Nein, nein! Der Kerl ist unverschämt! Scapin: Soll denn der Bursche hinterherlaufen? Argante: Was schert mich das? Er kann gehen wie und wohin er will und sein Herr

hinterher. Scapin: Mein Gott, wie kann man sich an so einer Kleinigkeit stoßen! Laßt Euch nur

nicht auf einen Prozeß ein! Zahlt lieber was er will, um nicht in die Hände der Justiz zu fallen!

Argante: Gut! Soll er auch noch die dreißig Pistolen haben. Scapin: Dann, meinte er, fehlt noch ein Maultier für das Gepäck. Argante: Der Teufel soll ihn holen samt seinem Maultier! Was zu viel ist, ist zu viel!

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= 19 = Ich gehe vor Gericht! Scapin: Gnädiger Herr!... Argante: Nein, so laß ich mich nicht rupfen. Scapin: Herr, so ein Mauleselchen!... Argante: Nicht mal auf einen Esel laß ich mich ein! Scapin: Bedenkt, mein Herr... Argante: Nein, lieber prozssiere ich! Scapin: Ach, Herr, bedenkt doch nur die Kniffe und Ränke der Justiz! Betrachtet

nur die Ämter und Instanzen, diese langweiligen Verhandlungen! Wollt Ihr Euch wirklich in die Klauen dieser gierigen Raubtiere begeben? Gerichtsdiener, Prokuratoren, Anwälte, Advokaten, Schreiber, Referendare, Richter, Kopisten!... Keiner von diesen macht sich ein Gewissen daraus dem besten Recht dieser Welt ins Gesicht zu schlagen. Da bringt ein Gerichtsdiener Euch falsche Vorladungen und Ihr werdet daraufhin verurteilt und wißt nicht einmal, warum! Ihr Verteidiger verständigt sich mit der Gegenpartei um Euch für ein hübsches Stück Geld sitzenzulassen! Ihr Advokat, gleichfalls bestochen, wird sich nicht einfinden! Der Protokollführer unterschlägt Akten! Nein, Herr Argante, Ihr tätet gut vor dieser Hölle zu fliehen! Der bloße Gedanke eines Prozesses könnte mich schon bis nach Indien jagen!

Argante: Was soll das Maultier kosten? Scapin: Für das Maultier, für sein Pferd und das des Burschen, für das Sattelzeug

und die Waffen und für eine Kleinigkeit, die er seiner Wirtin schuldet, verlangt er alles in allem zweihundert Pistolen.

Argante: Zweihundert Pistolen?! Scapin: Ja. Argante: Ich prozessiere. Scapin: Überlegt doch... Argante: Ich gehe zum Gericht. Scapin: Ihr stürzt Euch in... Argante: Ich prozessiere! Basta! Scapin: Aber auch zum prozessieren braucht man Geld! Ihr braucht es für die

Vorladung, für die Kontrolle, für den Prokurator, für die Gerichtsräte und Bevollmächtigten! Ihr braucht es für die Zeugenaussagen und die Plädoyers der Advokaten, für das Recht, die Aktenstücke zurückzufordern und für die gerichtlichen Abschriften, für die Unterschrift und Ausfertigung der Kopisten und die Beglaubigungen! Ohne von all den Geschenken zu sprechen die man auf allen Seiten von Euch erwartet! Ich rate Euch, gebt diesem Mann sein Geld und alles ist ausgestanden!

Argante: Wieviel...? Zweihundert Pistolen? Scapin: Glaubt mir, Ihr kommt dabei noch gut weg. Ich hab das alles einmal

durchgerechnet. Wenn Ihr dem Menschen zweihundert Pistolen gebt, habt Ihr am Ende hundertfünfzig gespart. Und obendrein habt Ihr die ganzen Mühen, Laufereien und Sorgen nicht. Ich kenne die Advokaten. Die haben ein loses Maul und machen sich noch lustig über Euch. Ich zahlte lieber die dreihundert Pistolen als zu ertragen daß man hinter meinem Rücken gemeine

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= 20 = Witze macht. Argante: Das kümmert mich überhaupt nicht! Tut, was Ihr wollt. Aber an Ihrer Stelle würde ich niemals prozessieren. Und ich zahle keine zweihundert Pistolen! (hinter der Bühne hört man

Sylvestre: „He! Holla! He!“ brüllen) Scapin: Ah, da kommt der Mann selber von dem wir reden!

Siebente Szene Die Vorigen, Sylvestre (verkleidet)

Sylvestre: He, Du, Scapin! Führ mich mal zu Argante, dem Vater von Octave! Scapin: Warum, mein Herr? Sylvestre: Ich hab gehört, er will prozessieren, um die Heirat meiner Schwester für

Null und Nichtig zu erklären! Scapin: Ich weiß nicht, ob er das will, aber er will auf keinen Fall die zweihundert

Pistolen zahlen, die Ihr fordert. Das sei zuviel, sagt er. Sylvestre: Kreuzhimmerdonnerwetter! Dem Kerl zerbrech ich alle Knochen, wenn ich ihn

erwische! Ich schlag ihn kurz und klein! Scapin: Oh, mein Herr, Ihr werdet einen Mann finden, der keine Furcht kennt! Sylvestre: (lacht dröhnend) Alle Wetter, das wollen wir doch erst mal sehen! Dem renn

ich gleich den Säbel durch den Leib! (zeigt auf Argante) Wer ist der Mann da?

Scapin: Der ist es nicht, Herr. Der ist es nicht. Sylvestre: Ist er etwa ein Freund von ihm? Scapin: Im Gegenteil! Er ist sein ärgster Feind! Sylvestre: Sein ärgster Feind? Scapin: Ja. Sylvestre: Alle Wetter, das ist mir lieb! (zu Argante) Ihr seid also auch ein Feind von

diesem Argast? Scapin: Ich verbürge mich dafür. Sylvestre: Schlagt ein, schlagt ein! (reicht Argante die Hand) Ich gebe Euch mein Wort

und schwör bei meiner Ehre, bei meinem Säbel, bei allen Flüchen die noch über meine Lippen kommen: noch vor Sonnenuntergang werde ich diesen Schuft Argante aus der Welt geschafft haben. Verlaßt Euch nur auf mich!

Scapin: Mein Herr, Gewalttätigkeiten werden hier im Lande nicht geduldet. Sylvestre: Das ist mir gleich! Ich habe nichts zu verlieren! Scapin: Aber er steht nicht allein! Er hat Freunde, Verwandte, Diener die ihm bei

jedem Angriff zur Seite stehen! Sylvestre: Das ist mir gerade recht! (zieht) Hölle und Teufel! Wäre er doch schon hier,

mit seiner ganzen feigen Sippschaft! Und wären es ihrer dreißig! Was, ihr Halunken? Ihr habt die Kühnheit mit mir anzubinden? Ich will Euch Mores lehren! (sticht nach allen Seiten) Da und da und da! Drauf! Zugestoßen! Pardon wird nicht gegeben! Steht, Halunken, steht! Ihr Kanaillen! Da habt Ihr Euren Teil! Ihr wollt es ja nicht anders! (auf die beiden zu) Da, pariert mir dieses noch! Und den! Und diesen! Hasenfüße! Ihr reißt ja aus! Steht, zum Henker! Steht!

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= 21 = Scapin: Herr, wir gehören doch nicht dazu! Sylvestre: Das sollte jeden warnen, der Streit mit mir sucht! (ab)

Achte Szene Argante, Scapin

Scapin: Da seht Ihr wieviel Menschen der Kerl allein wegen zweihundert Pistolen umbringen würde. Der kennt kein Erbarmen.

Argante: Scapin! Scapin: Ich höre. Argante: Ich will die zweihundert Pistolen geben Scapin: Das freut mich für Euch. Argante: Führe mich zu ihm hin. Ich hab das Geld bei mir. Scapin: Gebt es nur mir. Die Ehre verbietet Euch jetzt vor ihm zu erscheinen,

nachdem Ihr ihn so getäuscht habt. Es könnte sein daß er Euch erkennt. Und dann, fürchte ich, würde er noch mehr verlangen.

Argante: Ja, aber ich wäre sehr gerne dabei, wenn er mein Geld einstreicht. Scapin: Ihr traut mir nicht? Argante: Doch, doch, aber... Scapin: Beim Himmel! Bin ich ein Spitzbube oder ein ehrlicher Mann? Es geht nur

eins von beiden! Warum sollte ich Euch betrügen? Habe ich an der Sache ein anderes Interesse als das Eure und das Eures Sohnes? Wenn Ihr mir nicht mehr vertraut, mach ich gar nichts mehr. Und Ihr könnt Euch einen anderen suchen der bereit ist, Eure Angelegenheiten durchzufechten!

Argante: Na gut, nimm`s! Scapin: Nein, Herr! Vertraut mir Euer Geld nicht an! Es ist besser, Ihr sucht Euch

einen anderen. Argante: Mein Gott, so nimm schon! Scapin: Nein, sag ich Euch! Traut mir nicht! Wer weiß, ob ich Euch nicht um Euer

teures Geld prellen will! Argante: Nimm, sag ich, und laß uns nicht länger streiten. Aber laß dir eine Quittung

geben! Scapin: Versteht sich! Der Kerl hat`s doch nicht mit einem Dummkopf zu tun! Argante: Ich erwarte Dich bei mir zu Hause. Scapin: Seid unbesorgt! Ich komme! (Argante ab) So, einen hätten wir. Jetzt kommt

der andere dran. (man hört Geronte kommen) Kaum zu glauben! Da kommt er schon! Es scheint, der Himmel treibt mir einen nach dem anderen in mein Netz!

Neunte Szene Scapin, Geronte

Scapin: (lamentiert) Oh Himmel, welches Unglück! Der arme Vater! Der unglückselige Geronte! Was wird er nun tun?

Geronte: (zu sich) Was spricht er da von mir? Scapin: Wenn ich nur wüßte, wo ich Herrn Geronte jetzt finde! Geronte: Was gibt es denn, Scapin?

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= 22 = Scapin: Ich such und such ihn. Alles vergebens. Geronte: Hier bin ich ja! Bist Du denn blind daß Du mich nicht siehst? Scapin: Ach, gnädiger Herr... Geronte: Was ist? Scapin: Herr, Euer Sohn... Geronte: Nun? Mein Sohn...? Scapin: Ein seltsamen Mißgeschick hat ihn betroffen. Geronte: Was für ein Mißgeschick? Scapin: Ich fand ihn vorhin ganz traurig über irgendwas, was Ihr ihm gesagt hattet.

Ich weiß nicht was, ich weiß nur, daß Ihr mich unglücklicher Weise da mit hineingezogen habt. Um auf andere Gedanken zu kommen gingen wir am Hafen spazieren. Dort fielen unsere Augen auf eine prächtige Galeere und ein junger, hübscher Türke lud uns ein sie zu besichtigen. Also stiegen wir hinauf. Er war voller Liebenswertigkeit und ließ uns Erfrischungen reichen, herrliches Obst und den köstlichsten Wein den man sich denken kann...

Geronte: Und? Was ist daran so betrüblich? Scapin: Wartet nur ab. Während wir aßen, ließ er die Anker lichten und wir waren

bald auf offener See. Dort ließ er mich in ein Boot steigen und schickte mich hierher um Euch zu sagen daß, wenn Ihr ihm nicht auf der Stelle durch mich fünfhundert Taler schickt, er Euren Sohn als Sklaven mit nach Algier schleppt. Es ist ein Jammer! So ein Jammer!

Geronte: Fünfhundert Taler... F ü n f h u n d e r t T a l e r ? ? ? Scapin: Ja, gnädiger Herr. Und er hat mir nur zwei Stunden Zeit dafür gegeben. Geronte: Oh, der verdammte Türke bringt mich um! Scapin: Es liegt an Ihnen, Herr, jetzt keine Zeit zu verlieren, um Euren Sohn, den

Ihr so zärtlich liebt, aus der Sklaverei zu erretten! Geronte: Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen! Scapin: Darauf war er wohl nicht gefaßt. Geronte: Lauf, Scapin, lauf und sag dem Hund von einem Türken daß ich ihm die Justiz

auf den Hals hetze! Scapin: Die Justiz? Auf offener See? Macht Ihr Euch lustig? Geronte: Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen! Scapin: Manchmal lenkt ein blindes Schicksal unseren Weg... Geronte: Scapin, jetzt mußt Du zeigen, daß du ein treuer Diener bist! Scapin: Wie, mein Herr? Geronte: Geh einfach hin und sag dem Türken, er soll meinen Sohn herausgeben und

Dich an seiner Stelle behalten, bis ich das Geld zusammen habe, das er fordert!...

Scapin: Herr, was bildet Ihr Euch ein? Glaubt Ihr im Ernst, der Türke ist so dumm, einen armen Teufel wie mich gegen Ihren Sohn zu tauschen?

Geronte: Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen! Scapin: Meine Güte, er hatte doch keine Ahnung von dem Unglück, das ihm

bevorstand. Bedenkt bitte, die Zeit ist bald um! Geronte: (zögernd) Du sagst er verlangt... Scapin: Fünfhundert Taler! Geronte: Fünfhundert Taler... Hat der Kerl denn kein Gewissen?

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= 23 = Scapin: Ein Gewissen schon. Das Gewissen eines Türken. Geronte: Weiß er denn nicht wieviel das ist, fünfhundert Taler? Scapin: Ja, Herr, er weiß, daß das eintausendfünfhundert Livre sind. Geronte: Glaubt denn der Halunke daß eintausendfünfhundert Livre so einfach auf der

Straße liegen? Scapin: Solche Leute urteilen nicht nach Vernunft. Geronte: Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen! Scapin: Ja, ja, mein Herr, Aber wer konnte das voraussehen? Um Himmelswillen, eilt

Euch! Geronte: Da, hier ist der Schlüssel zu meinem Schrank. Scapin: Schön. Geronte: Du öffnest ihn... Scapin: Ich öffne ihn... Geronte: Links findest Du einen großen Schlüssel zu meiner Bodenkammer. Scapin: Ja. Weiter, weiter. Geronte: Du raffst all die alten Kleider zusammen die dort in dem großen Korb sind,

verkaufst sie an den Trödler und Du hast das Lösegeld für meinen Sohn Scapin: Aber gnädiger Herr, wo denkt Ihr hin? Keine hundert Franken kriege ich

dafür. Und außerdem haben wir auch nicht die Zeit dazu. Geronte: Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen! Scapin: Wieviel unnützes Gerede. Laßt doch endlich die Galeere und bedenkt daß die

Zeit drängt! Ihr lauft Gefahr Euren Sohn zu verlieren! (jammert, zu sich) Ach, mein armer junger Herr! Wer weiß, ob ich Euch jemals wiedersehe! Und ob man Euch nicht vielleicht jetzt schon nach Algier schleppt! Der Himmel ist mein Zeige daß ich alles für Euch getan habe! Und wenn Ihr nicht frei kommt, ist einzig und allein die Hartherzigkeit Eures Vaters daran Schuld... (tut als wolle er abgehen)

Geronte: (schweren Herzens ruft ihm nach) Warte, Scapin...Ich will das Geld holen... Scapin: Aber eilt Euch! Schnell, ehe es zu spät ist! Geronte: (unschuldig) Vierhundert, sagtest Du doch...? Scapin: Nein, fünfhundert Taler! Geronte: Fünfhundert Taler... Scapin: Jaaa!!! Geronte: Was, Teufel, hatte er denn aber auch auf der Galeere zu suchen! Scapin: Ihr habt recht, aber macht nur schnell! Geronte: Konntet Ihr denn nicht woanders spazieren gehen? Scapin: Freilich. Aber macht nur, macht! Geronte: Ach, diese verwünschte Galeere... Scapin: (a pas) Die Galeere hat´s ihm angetan. Geronte: Da, Scapin... Ich dachte nicht daran, aber ich habe die Summe in Gold gerade

heute erhalten. Ich ahnte nicht, wie schnell ich sie wieder los werde... Nimm und kaufe meinen Sohn frei. (reicht ihm einen Beutel, den er im Folgenden immer wieder zurückzieht)

Scapin: Ja, gnädiger Herr. Geronte: Sag aber dem Türkenhund, er sei ein Leuteschinder! Scapin: Ja!

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= 24 = Geronte: Ein Straßenräuber! Scapin: Laßt mich nur machen! Geronte: Der mich um fünfhundert Taler prellt! Scapin: Ja, ich sage es ihm. Geronte: Daß ich sie ihm widerwillig gebe. Scapin: Schon recht. Geronte: Daß er es mir büßen wird, wenn ich ihn kriege! Scapin: Ja!... Geronte: So, (steckt den Beutel wieder ein) und jetzt gehe und befreie meinen Sohn.

(will abgehen) Scapin: He! Holla! Gnädiger Herr! Geronte: Was ist? Scapin: Wo ist denn das Geld? Geronte: Hab ich es Dir nicht gegeben? Scapin: Nein, Ihr habt es wieder eingesteckt! Geronte: Ach so, der Kummer macht mich ganz verdreht. Scapin: Das merkt man. Geronte: (gibt ihm endgültig den Beutel; im Abgang) Was, Teufel, hatte er denn aber

auch auf der Galeere zu suchen! Oh, diese verwünschte Galeere!... Hol doch der Teufel diesen Türkenhund... (ab)

Scapin: Er kann die fünfhundert Taler nicht verschmerzen die ich ihm abgeluchst habe. Aber wir sind noch nicht quitt. Er soll mir mit anderer Münze dafür zahlen daß er mich bei Leandre angeschwärzt hat.

Zehnte Szene Scapin, Octave, Leandre

Octave: Nun, Scapin, hast Du gute Nachrichten für uns? Leandre: Gibt es für meine Liebe noch Hoffnung? Scapin: Hier sind zweihundert Pistolen, die ich Eurem Vater aus der Tasche locken

konnte. Octave: Scapin, Du machst mich überglücklich! Scapin: Für Euch hab ich nichts tun können. Leandre: Dann ist alles für mich verloren. Ich mag nicht leben, wenn mir Zerbinette

genommen wird. (will ab) Scapin: He! Halt! Warum denn diese Eile? Leandre: Was bleibt mir noch übrig? Scapin: Noch hab ich alles in der Hand. Leandre: Siehst Du noch einen Weg? Scapin: Nur, wenn Ihr mir erlaubt, eine kleine Rache an Eurem Vater zu nehmen, und

zwar für einen Streich den er mir gespielt hat. Leandre: Alles, was Du willst! Scapin: Ich versprecht es mir vor Zeugen! Leandre: Ja. Scapin: Da sind die fünfhundert Taler. Leandre: Scapin, Du bist ein Engel.

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= 25 = Scapin: (bescheiden) Ja, das weiß ich. Leandre: Komm rasch, Octave, ich kann es kaum erwarten! Octave: Mir geht´s genauso. Kommt. (beide rennen ab; Leandre steckt den Kopf

wieder rein und kündigt an) Leandre: P a u s e !

V O R H A N G

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= 26 = Dritter Akt Erste Szene

Zerbinette, Hyacinthe, Scapin, Sylvestre

Sylvestre: Es ist der Wunsch der jungen Herren daß Ihr Euch nahe und beisammen seid.

Scapin: Und wir haben Anweisung es so einzufädeln daß Ihr Euch ganz zufällig hier trefft.

Hyacinthe: Eine hübsche Anweisung. Sie findet meinen Beifall. Und ich würde mich freuen wenn die Freundschaft zwischen den Männern, die uns lieben, auch uns verbindet.

Zerbinette: Oh, ich bin gern dabei. Und ich weise es nicht zurück, wenn die Freundschaft mich so liebevoll bestürmt.

Scapin: Und wenn man Euch mit Liebe bestürmt? Zerbinette: Mit der Liebe, das ist eine andere Sache. Man muß da mehr riskieren und ich

bin nicht sehr mutig. Scapin: Aber bei meinem Herrn, da werdet Ihr es doch wohl sein. Denn was er für

Euch getan hat, das müßte Euch doch mutig machen, seine Liebe ebenso zu erwidern.

Zerbinette: Nun, ganz trau ich ihm deshalb doch nicht. Ich bin von Natur aus heiter. Ich lache gern. Aber bei all dem nehme ich gewisse Punkte sehr ernst. Dein Herr täuscht sich, wenn er glaubt, er brauche mich nur losgekauft zu haben und daß ich ihm damit dann ganz gehöre. Da müßte er schon mit anderen Dingen kommen. Geld ist nicht alles. Und wenn ich seine Liebe erwidern soll, wie er sie wünscht, muß er mir erst seine Treue schenken. Ich brauche ein Pfand und gewisse feierliche Bräuche, die dabei unumgänglich sind.

Scapin: Genauso denkt er auch. Und ich wäre nicht der Mann sich mit dieser Sache abzugeben, wenn er anders dächte.

Wenn Du es sagst, will ich es glauben. Doch sehe ich von der Seite des Vaters gewisse Hindernisse.

Scapin: Die werden wir beseitigen. Hyacinthe: Ihr Schicksal ist dem meinen ähnlich. Wie schön daß uns Freundschaft jetzt

verbindet. Wir teilen gleiches Mißgeschick und gleiche Sorgen. Zerbinette: Ihr habt wenigstens den Vorteil daß Ihr wißt wer Eure Eltern sind. Mir geht

es nicht so gut. Keiner nimmt sich meiner an und ich weiß nicht, wie ich auf den Willen eines Vaters einwirken kann, dem Reichtum alles auf der Welt bedeutet.

Hyacinthe: Dafür habt Ihr den Vorteil daß man Euren Geliebten nicht zur Hochzeit mit einer anderen zwingen will.

Zerbinette: Ach, Wankelmut bei dem Geliebten wäre mir die geringste Sorge. Die Natur hat uns so reich beschenkt, ihn immer wieder zu erobern und zu fesseln. Aber was mir unerträglich scheint ist die väterliche Gewalt, gegen die all unsere Vorzüge nichts ausrichten können.

Hyacinthe: Ach, warum muß der zärtlichsten Neigung soviel Widerstand begegnen! Wie süß ist die Liebe wenn sie fessellos dem Zuge des Herzens folgen darf...

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= 27 = Scapin: Ach geht! Ruhe in der Liebe ist wie Windstille. Ist gefüllt mit Langeweile.

Das Leben muß Höhen und Tiefen haben und die Schwierigkeiten, die sich überall einschieben, fachen das Feuer an und erhöhen die Freuden.

Zerbinette: Ach, bitte, Scapin, erzähl und nochmal wie Du es angefangen hast dem alten Geizhals das Geld abzulocken. Du weißt wieviel Freude ich an solchen Dingen habe.

Scapin: Da ist Sylvestre. Er kann es ebenso gut wie ich erzählen. Er war ja dabei. Mir geht jetzt eine kleine Rache im Kopf herum die mir Spaß machen soll.

Sylvestre: Warum willst Du dir, aus bloßem Übermut, das aufladen? Scapin: Was kann ich tun? Die Sache reizt mich! Sylvestre: Wenn Du meinem Rat folgst... Scapin: Ich folge aber meinem. Sylvestre: Was, zum Teufel, kann Dir daran Spaß machen? Scapin: Und was, zum Teufel, treibt Dich mich daran zu hindern? Sylvestre: Weil ich Dir eine Tracht Prügel ersparen möchte. Scapin: Die geht auf meinen Rücken, nicht auf Deinen.. Gefahren haben mich nie

abschrecken können. Wer nicht wagt, kann nicht gewinnen. Geht jetzt. Ich komme bald nach.

Zerbinette: (im Abgehen mit den anderen) Wir werden Dich noch nötig haben, Scapin! (alle ab)

Scapin: Man soll mir nicht ungestraft sagen ich hätte Geheimnisse ausgeplaudert, die besser verborgen geblieben wären.

Zweite Szene Scapin, Geronte

Geronte: Nun, Scapin, was ist mit meinem Sohn? Scapin: Er ist in Sicherheit, Herr. Aber Ihr schwebt jetzt in der allergrößten

Gefahr und ich wäre ruhiger, wenn Ihr jetzt bei Euch zu Hause wäret. Geronte: Aber warum denn? Scapin: Der Bruder des Mädchens das Octave geheiratet hat! Er glaubt, daß Ihr nur

die Absicht habt Eure Tochter an die Stelle seiner Schwester zu setzen. Nur das sei der Grund diese Ehe zu lösen. Nun tobt er und hat fest beschlossen seine Wut an Euch auszulassen und Euch zu töten...

Geronte: Töten?... Scapin: ...Um seine Ehre zu retten. Alle seine Freunde sind unterwegs um Euch zu

finden. Durchweg Haudegen und Raufbolde. Ich selber habe schon Leute aus seiner Kompanie gesehen, die sich bei jedermann nach Euch erkundigten. In Rotten haben sie Euer Haus besetzt. Ihr könnt keinen Schritt weder nach rechts noch nach links tun ohne in ihre Hände zu fallen.

Geronte: (zitternd) Lieber Scapin, was soll ich jetzt tun? Scapin: Bei Gott, ich weiß es nicht! Ich zittere für Euch an allen Gliedern und...

Moment... Da... da... da... Geronte: Was ist?... Scapin: Ich dachte nur... nein, es war nichts. Geronte: Weißt Du denn kein Mittel mich aus dieser Not zu befreien?

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= 28 = Scapin: Ich habe schon an eines gedacht, aber ich riskiere den Hals dabei. Geronte: Zeig Dich jetzt als treuer Diener! Verlaß mich nicht!! Bitte!!! Scapin: Wenn ich auch wollte, ich brächte es nicht fertig, Euch jetzt zu verlassen... Geronte: Du sollst dafür auch belohnt werden! Für`s erste schenke ich Dir diesen

Rock hier, wenn ich ihn noch eine Weile getragen habe. Scapin: Halt! Da fällt mir ein, was Euch retten könnte. Ihr kriecht da in diesen Sack

und dann... Geronte: (in Panik) Da! Da ist jemand!! Scapin: Nein, nein, niemand. Da mußt Ihr hineinkriechen und Euch mäuschenstill

verhalten. Ich bringe Euch dann wie ein Wäschebündel auf dem Rücken mitten durch die Feinde bis in Euer Haus. Und sind wir erst mal drin, dann können wir uns verbarikadieren bis Hilfe kommt.

Geronte: Ein guter Einfall. (kriecht in den Sack) Scapin: Das denk ich auch. Wartet nur ab. (à pas) Du sollst mir Dein Geschwätz noch

bezahlen, Kerl. Geronte: (streckt den Kopf aus dem Sack) Was sagst Du da? Scapin: Wir wollen Eure Feinde schön hinters Licht führen. So, nun kriecht tief

hinein, so tief, daß man Euch nicht sieht. Und vor allem rührt Euch nicht, was auch geschehen mag.

Geronte: (streckt wieder den Kopf aus dem Sack) Verlaß Dich nur auf mich. Ich gebe keinen Muks. (verschwindet endgültig im Sack)

Scapin: Jetzt still! Da kommt schon so ein Kerl. Himmel! Schrecklich, wie der aussieht! (mit verstellter Stimme) Geronte! Geronte!! Wo steckt denn dieser Saukerl? Wenn ich ihn finde, wird ich ihn auf der Stelle aufschlitzen! (zu Geronte im Sack, mit „seiner“ Stimme) Rührt Euch nicht! Keinen Laut! (verstellter Stimme) Ich werde ihn schon packen diesen Hund! Und wenn er sich in die Erde verkrochen hat! He! Du da! (immer abwechselnd „seine Stimme“ und die „verstellte Stimme) Zeigt Euch nicht! Wo steckt er denn, dieser Schubiak? Zeig Dich! Ihr sucht den Herrn Geronte? Ja, beim Teufel! Ja! Und warum, mein Herr? (brüllt und der Sack bewegt sich) Weshalb??? Ja, weshalb? Ich will ihn mit dem Knüppel hier zu Tode prügeln! He, hola, Leute wie meinen Herrn prügelt man nicht so einfach! Er ist ein Ehrenmann! Was? Dieser Medchenjäger, dieser Dreckskerl, dieser Schurke? (lacht dröhnend) Er ist weder ein Dreckskerl noch ein Schurke! Ihr solltet mit mehr Anstand von ihm sprechen! Halt Dein schiefes Maul, Du Schwachkopf! Ich lasse es nicht zu, daß mein Freund hier so grausam beschimpft wird! Was? Du bist sein Freund? Ja, das bin ich! Wunderbar! Da hast Du was für Deine Freundschaft! (schlägt auf den Sack und schreit, als ob er selbst getroffen sein würde) Au! Au!! Au!!! Hört auf! Genug! Au! Au!! Er bringt mich um!... So, bring ihm das mit schönen Grüßen von mir! Der Teufel soll diesen Burschen holen...

Geronte: (schaut zaghaft aus dem Sack) Ach, Scapin, ich kann nicht mehr... Scapin: Und ich, gnädiger Herr, bin wie gerädert... Mein armer Rücken... Geronte: Was jammerst Du denn? Er hat doch mich geschlagen... Scapin: Ja, und mich getroffen. Grün und blau bin ich... Geronte: Aber ich habe die Schläge doch gespürt! Und spüre sie noch immer...

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= 29 = Scapin: Ihr habt nur das Ende des Stockes abbekommen. Getroffen hat er mich. Geronte: Dann hättest Du wenigstens ein bißchen weiter weg treten können und mir

die Schläge ersparen... Scapin: Achtung, da kommt wieder einer! Oh je, der sieht aus wie der leibhaftige

Satan! (schiebt Geronte wieder rein in den Sack und das Spiel geht wieder los) Überall bin ich herumgesucht. Kein Menschenkerl zu finden! Hört ihr? Um Himmelswillen! Rührt Euch nicht! Und keinen Muks! He! Du! Ja, Du! Guck nicht so blöd aus Dein gesicht! Du wissen Wo Scheronk steckt, bittscheen! Geronte? Weiß ich nicht, kenn ich nicht!... Ich ihm nix tun, er nix braucht zu firchten. Nu a klein Bißl Priegel. Und zwei drei Mal stechen in Bauch. (brüllt vor Lachen) Aber ich versichere Euch, mein Herr, ich weiß nicht wo er ist!... Ach, Sack sein lebendig. Was sein in Sack? Eine Schweine? Nein, nein! Durchaus nicht! Ich will stechen von alle Seiten! Halt, halt! Nicht stechen! Dann Du zeigen was sein drin! Ich sehen willen! Es sind nur Kleider, die mir gehören. Du Liegner passen auf! Ich Dir schneid ab Zunge! Ich schwöre!!! Ausschitteln, Du Hund Du! Ihr habt nicht nachzusehen, was da drin ist! Daß Dich die Pest! Ausschitteln! Nein, es geht um meine Ehre! Scheen. Dann ich Dich werden priegeln. Hahaha! Prügeln? Ich lach mich schief! Au! Au! Au! Au! Hör doch auf!... Au! Au! Aufhören! Das tut doch weh! Jetzt meechtest Du haben genug, Du Schubiak! Ich werde schon finden wo sich der Scheronk verstecken. Und wenn sein in sieben Himmel! (Brüllt) Scheronk! (geht rasch ab) Scheronk! (Taucht rasch wieder auf)

Geronte: (steckt noch zaghafter den Kopf aus dem Sack) Aaaach, ich kann nicht mehr, Scapin!

Scapin: Ich glaub, ich brauche einen Arzt... Geronte: Warum schlagen sie nur alle so auf meinen Buckel herum? Scapin: Still! Ich glaub, da kommt ein halbes Dutzend angeschlichen. (steckt ihn

wieder tief rein in den Sack und beginnt das Spiel noch heftiger, mit verschiedenen Stimmen oder Akzenten) Vorwärts, folgt mir! – Der Kerl muß doch zu finne sei! – Schont Eure Beine nicht! – Wir müssen überall suchen! – Wohin gehen wir jetzt? - Nach rechts! – Nein, nach links! – Nein, hier lang! (zu Geronte) Haltet Euch um Gottes Willen gut versteckt! – He, da ist sein Diener! – Spitzbube Du, wo steckt Dein Herr? – Oh, meine Herren, laßt mich ganz ruhig meines Weges gehen! – Sag uns sofort, wo er steckt! – Schnell, halt uns nicht auf! – Nur langsam, meine Herren! (Geronte kommt sehr langsam aus dem Sack und schaut der weiteren Szene zu) Wenn Du uns nicht gleich sagst wo der Geronte ist, der Schuft, der Mädchenhändler, dann wird ein Hagelwetter von Stockschlägen auf Dich niederregnen! – Lieber will ich alles ertragen, als meinem Herren untreu werden! – Gut, Du willst also geprügelt werden. (Scapin dreht sich um und will losprügeln; sieht Geronte, erstarrt und läuft dann davon) Ohje! Da! Ohje!... (ab)

Geronte: Dieser Halunke!... Dieser Verbrecher!... Wollte mich umbringen... Aber das soll er mich bezahlen! Das schwör ich! (kurz ab)

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= 29 = Dritte Szene

Geronte, Zerbinette

Zerbinette: (lachend, atemlos) Ich kann nicht mehr! Ich muß ein bißchen Luft schnappen! Was ist der Alte doch für ein Narr! Läßt sich so auf den Arm nehmen und verspotten!... (lacht sich kaputt)

Geronte: Da gibt es nichts zu lachen! Die Geschichte ist überhaupt nicht lustig! Zerbinette: Was meint ihr, mein Herr? Geronte: Ich meine, daß man sich nicht über mich lustig machen soll? Zerbinette: Über Euch? Geronte: Ja, über mich! Zerbinette: Wer macht sich denn über Euch lustig? Geronte: Warum lacht Ihr mir dann ins Gesicht? Zerbinette: Ich lache nicht über Euch, sondern über eine Geschickte die ich eben gehört

habe. Es geht um einen Streich den ein Sohn seinem Vater gespielt hat. (lacht wieder) Einen Spaß, um ihm Geld aus der Tasche zu locken... (lacht weiter)

Geronte: Ein Sohn seinem Vater? Zerbinette: Ja! Eine tolle Geschichte! Ihr müßt sie hören! Sie ist wirklich saukomisch und

sie wird auch nicht lange geheim bleiben. Also hört zu. Mein Schicksal hat es so gewollt, daß ich unter Zigeuner lebte, also unter Leuten die von Provinz zu Provinz ziehen und sich mit vagabundieren, wahrsagen und ähnlichen Dingen beschäftigen. Und als wir vor Wochen in diese Stadt kamen, sah mich ein junger Mann und verliebte sich in mich. Und von diesem Augenblick an verfolgte er mich auf Schritt und Tritt. Er glaubte wohl, wie alle jungen Männer, er brauchte nur den Mund auftun, ein Wörtchen sagen und alles sei geregelt. Aber er stieß auf meinen Stolz und merkte, daß ich so schnell nicht zu gewinnen war. Also ließ er die Leute, die über mich wachten, von seiner Leidenschaft wissen und sie waren auch nicht abgeneigt mich ihm für eine gewisse Summe Geld zu überlassen. Das Unglück wollte nun aber daß mein Liebhaber sich in einer Lage befand in der man Söhne aus guten Häusern häufig sieht. Er war schlecht bei Kasse. Sein Vater war zwar reich, aber ein schrecklicher Geizhals. Der ekelhafteste Kerl den man sich denken kann. Sein Name ist... Vielleicht könnt Ihr mir helfen. Kennt Ihr einen Menschen von dieser Art hier in der Gegend?

Geronte: Nein. Aber weiter. Zerbinette: Irgendwas mit ro... ront... nein, Geronte! Ja, so heißt dieser Geldsack. Aber

weiter. Jetzt wird´s nämlich lustig. Die Zigeuner wollten heut nämlich die Stadt verlassen und ich wäre meinem Anbeter für immer verloren gewesen, wenn nicht der Diener in seinem Haus dem lieben, lieben Vater das Geld aus der Tasche geluchst hätte. Den Namen weiß ich nun genau. Er heißt Scapin. Ein Schatz an Klugheit und List. Ein ganz unvergleichlicher Mensch. Man sollte ihm ein Denkmal setzen. Hört nur weiter. Ich muß schon wieder lachen. (lacht) Hört wie er es angestellt hat. Er sucht also diesen Geldsack auf und erzählt ihm, er wäre mit seinem Sohn im Hafen spazierengegangen. (lacht wieder) Sie hätten da eine türkische Galeere gesehen und ein junger Türke

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= 30 = hätte sie zu einem köstlichen Frühstück auf das Schiff eingeladen. Doch

während sie speisten wurden die Anker gelichtet und sie befanden sich schnell auf offener See. Nun hätte der Türke ihn mit einem Boot zurückgeschickt mit dem Auftrag, dem Vater seines Herren zu sagen, er würde seinen Sohn nach Algier entführen, wenn er ihm nicht auf der Stelle fünfhundert Taler schickte. (lacht wieder) Nun sagt, ist das nicht ein toller Streich?? Stellt Euch die Angst des alten Knausers vor, den Kampf zwischen der väterliche Liebe und den fünfhundert Taler, die ihn wie Messerstiche in seinem Leib schmerzten... Er erfindet lächerliche Ausflüchte, will die Justiz auf´s offene Meer hinterherschicken. Er bittet Scapin sich an der Stelle des Sohnes auszuliefern. Er bietet fünf abgetragene Anzüge an, die keinen Heller mehr wert waren. Und nach allen Ausreden und stöhnen... Aber Ihr lacht ja gar nicht über meine Geschichte. Was sagt Ihr dazu?

Geronte: Ich sage daß der junge Mann ein Galgenvogel, ein Halunke ist, den sein Vater für diesen bösen Streich den er ihm gespielt hat gehörig bestrafen wird. Und das diese Zigeunerin eine leichtfertige Person ist, die einen Ehrenmann frech beleidigt. Aber er wird ihr schon beibringen was es heißt, Söhne aus achtbaren Familien zu verführen. Und daß der Diener ein Schuft ist, den Geronte noch heute an den Galgen bringen wird! (rasch ab)

Vierte Szene Zerbinette, Sylvestre, dann Argante

Sylvestre: Um Himmelswillen! Ihr seid uns so rasch entwischt! Wißt Ihr denn nicht, daß Ihr soeben mit dem Vater Eures Geliebten gesprochen habt?

Zerbinette: Es muß wohl so sein. Wie konnte ich auch ahnen... Ich habe ihm die ganze Geschichte erzählt.

Sylvestre: Wie? Seine Geschichte? Zerbinette: Ja. Ich war so hingerissen davon, daß ich darauf brannte, sie

weiterzuerzählen. Sylvestre: Ihr seid sehr schwatzhaft. Zerbinette: Was tut´s? Nun weiß er´s eben. Um so schlimmer für ihn. Er hätte es so und

so erfahren. Uns mag das doch egal sein. Sylvestre: Trotzdem. Man sollte seine Zunge schon im Zaum halten. Vor allem, wenn man

von seinen eigenen Angelegenheiten spricht. Argante: (off) Sylvestre! Sylvestre: Geht jetzt. Mein Herr ruft mich. (Zerbinette ab) Argante: Ihr Schurken seid also alle miteinander verschworen, mich zu betrügen! Und

Ihr glaubt, das wird Euch gelingen? Sylvestre: Für Scapin kann ich nicht bürgen, gnädiger Herr, wenn er Euch einen Streich

spielt. Aber ich wasche meine Hände in Unschuld. Ich habe nichts damit zu tun!

Argante: Das wird sich schon zeigen. Ihr glaubt wohl, Ihr könnt mich zum Narren halten?

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= 31 = Fünfte Szene

Sylvestre, Argante, Geronte

Geronte: Ach, Herr Argante, ich bin ein geschlagener Mann. Man hat mir böse mitgespielt.

Argante: Mir geht es nicht anders, Herr Geronte. Auch mich hat fast der Schlag getroffen.

Geronte: Dieser Scapin, der Teufel soll ihn holen, hat mir durch Lug und Trug glatt fünfhundert Taler abgejagt.

Argante: Und mich hat dieser Strolch durch einen Gaunerstreich um zweihundert Pistolen geprellt.

Geronte: Doch das hat ihm nicht genügt. Er hat mich auf eine Weise behandelt, daß ich mich schäme es zu erzählen. Aber das soll mir der Bursche bitter büßen!

Argante: Ganz recht! Genauso soll er mir entgelten, was er mir angetan hat. Geronte: Ich werde exemplarisch an ihm Rache nehmen! Sylvestre: (a pás) Gebe der Himmel daß ich dabei mit heiler Haut davon komme!... Geronte: Aber das ist noch nicht alles, Herr Argante. Ein Unglück kommt selten allein.

Ich freute mich schon auf meine Tochter, auf die ich meine ganze Hoffnung setzte, und soeben erfahre ich daß sie schon lange von Tarent abgereist ist und wahrscheinlich mit dem Schiff, mit dem sie reiste, verunglückt ist...

Argante: Aber warum habt Ihr sie auch in Tarent zurückgelassen und Euch so um die Freude gebracht, sie um Euch zu haben?

Ich hatte dafür gute Gründe. Familienangelegenheiten zwangen mich bis jetzt meine zweite Heirat geheimzuhalten... (inzwischen ist Nerine aufgetaucht) Aber was sehe ich? (geht auf sie zu) Nerine!

Sechste Szene Die Vorigen, Nerine

Nerine: Ach, Herr Pandolph...! Geronte: Nenne mich Geronte und nicht mehr mit jenem Namen den ich gezwungen

war in Tarent anzunehmen. Nerine: Ach, wieviel Sorge hat uns gerade dieser Namenswechsel gebracht, bis wir

Euch endlich hier aufgefunden haben... Geronte: Wo ist meine Tochter und ihre Mutter? Nerine: Eure Tochter ist hier ganz in der Nähe, gnädiger Herr. Geronte: Schnell, hin zu ihr! Nerine: Aber ehe Ihr sie trefft, muß ich Euch um Vergebung bitten. In unserer Not

in der wir lebten – wir konnten Euch ja nicht finden – habe ich ihrer Heirat zugestimmt.

Geronte: Meine Tochter verheiratet? Nerine: Ja, Herr. Geronte: Und mit wem? Nerine: Mit einem jungen Mann. Er heißt Octave, der Sohn eines gewissen Herrn

Argante. Geronte: Oh, Himmel!...

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= 32 = Argante: Welcher Zufall!... Geronte: Schnell, führe uns schnell zu ihr! (zu Argante) Folgt uns, Herr Argante! (mit

Nerine ab) Argante: Wer hätte das gedacht! (auch ab) Sylvestre: Da sag noch einer, es gäbe keine Wunder!

Siebente Szene Sylvestre, Scapin

Scapin: Nun, Sylvestre, wie läuft die Sache? Sylvestre: Komm nur, ich habe Neuigkeiten für Dich. Die Geschichte mit Octave hat

sich erledigt. Es hat sich nämlich herausgestellt daß unsere Hyacinthe die Tochter des Herren Geronte ist.

Scapin: Die Tochter des Herrn Geronte?? Sylvestre: Ja. Der Zufall hat erfüllt was in der Weisheit der Väter beschlossen war.

Und die zweite Neuigkeit. Die beiden Alten haben sich in fürchterlichen Drohungen gegen Dich Luft gemacht. Besonders der Herr Geronte.

Scapin: Na und? Drohungen haben mir noch nie weh getan. Es sind Wolken die über unseren Köpfen dahinziehen.

Sylvestre: Ich will Dich nur warnen. Wenn sich am Ende Väter und Söhne in den Armen lägen, säßest Du ganz schön in der Patsche.

Scapin: Laß mich nur machen. Ich finde schon Mittel ihren Zorn zu dämpfen. Sylvestre: Da kommen sie. Mach Dich aus dem Staube. (Scapin ab)

Achte Szene Sylvestre, Geronte, Argante, Hyacinthe, Zerbinette, Nerine, dann

Octave

Geronte: Komm, mein Töchterchen, komm zu mir! Meine Freude wäre noch größer wen ich Deine Mutter bei dir sehen könnte...

Argante: Da kommt Octave ja wie gerufen. (zu Octave, der auftritt) Komm, mein Sohn. Komm, freue Dich mit mir über Deine glückliche Heirat. Der Himmel...

Octave: Nein, mein Vater. Eure Heiratspläne sind jetzt nicht mehr möglich. Ich kann mein Einverständnis Euch zu liebe einfach nicht heucheln. Man hat Euch sicherlich schon wissen lassen daß ich mich schon gebunden habe.

Argante: Ja, ja, doch weißt Du nicht... Octave: Ich weiß alles was ich wissen muß. Argante: Die Tochter des Herrn Geronte... Octave: Die Tochter des Herrn Geronte wird mir nie etwas bedeuten. Geronte: Sie ist ja... Octave: Nein, Herr, verzeiht, aber mein Entschluß steht fest. Geronte: So höre doch zu!... Octave: Nein, schweigt! Ich höre nichts! Argante: (beendet den Satz den Geronte begann) Deine Frau! Octave: Nein, sag ich Euch! Ich sterbe eher als meine geliebte Hyacinteh zu

verlassen! Ja, Ihr könnt machen was Ihr wollt, aber dieser hier habe ich

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= 33 = mein Herz versprochen. Ich werde sie immer lieben und ich will keine andere

zur Frau! Argante: Du sollst sie ja auch haben! Ja, bist Du denn ganz verbohrt? Hyacinthe: Ja, Octave! Dies ist mein Vater den ich wiedergefunden habe. Wir sind jetzt

aus aller Not! Geronte: Kommt zu mir in mein Haus. Da können wir in Ruhe über alles sprechen. Hyacinthe: Ach, Vater! Trennt mich nicht von meiner lieben Freundin. Ihr werdet sie

genauso lieben wie ich, wenn Ihr sie kennen lernt. Geronte: Wie? Ich soll diese Person bei mir aufnehmen, die dein Bruder Leandre liebt

und die mir vorhin soviel Frechheiten gesagt hat...? Zerbinette: Ich bitte, seid so gut, mein Herr, mich zu entschuldigen. Ich wußte doch

nicht, wer Ihr seid. Ich kannte Euch wirklich nur vom Hörensagen. Geronte: Vom Hörensagen?... Hyacinthe: Vater, die Liebe von Leandre zu ihr hat doch nichts Sträfliches. Und für

ihre Tugend stehe ich ein. Geronte: Nun, das wäre nicht übel! Am Ende soll ich noch meinen Sohn mit ihr

verheiraten, mit einem wildfremden Mädchen, einer Landstreicherin...

Neunte Szene Die Vorigen, Leandre

Leandre: Beklagt Euch nicht, mein Vater, daß ich eine Unbekannte liebe, von dunkler Herkunft und ohne Vermögen. Die Leute von denen ich sie freigekauft habe entdeckten mir soeben, sie sei aus dieser Stadt. Sie haben sie als vierjähriges Kind geraubt. Und dieses Armband, das sie mir gegeben haben, kann uns vielleicht gar Aufschluß geben über ihre Herkunft.

Argante: Dies Armband... Zeigt es mir... Gebt her... Bei Gott, welch wunderbare Fügung! Ja, es ist das Armband das der Goldschmied mir damals für sie angefertigt hat! Daran erkenne ich, es ist meine Tochter, die ich genau in jenem vierten Jahr verlor!... Ja, sie ist es? Jeder ihrer Züge sagt es mir! Mein liebes Kind!...

Hyacinthe: Beim Himmel, welch ein Wunder!

Zehnte Szene Die Vorigen, Sylvestre, dann Scapin

Sylvestre: Ach, meine Herren, ich bringe eine schlechte Nachricht! Geronte: Was ist geschehen? Sylvestre: Der arme Scapin... Geronte: ...ist ein gauner, den ich hängen lasse. Sylvestre: Die Mühe könnt Ihr Euch sparen. Als er an einem Neubau vorbeiging, ist ihm

der Hammer eines Maurers auf den Kopf gefallen und hat ihm den Schädel halb zerschlagen. Er ist nur schwach verbunden und hat sich mühsam hierher geschlagen. (Scapin stöhnt im OFF) Da ist er.

Scapin: (schwankt herein, den Kopf verbunden) Ach... ach... liebe Herren... Ach, Ihr seht mich in einem schlimmen Zustand. Aber ich wollte nicht sterben ohne vorher alle die um Verzeihung zu bitten, die ich vielleicht gekränkt habe. Ja,

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= 34 = liebe Herren, ehe ich aus der Welt gehe, beschwör ich Euch mit ganzem

Herzen mir alles zu vergeben, was ich Euch angetan habe. Und ganz besonders Herrn Argante und Herrn Geronte... Aaaaa...

Argante: Ich vergebe Dir. Geh hin in Frieden. Scapin: (zu Geronte) Aber Euch, gnädiger Herr, Euch habe ich am schlimmsten

mitgespielt durch die Schläge... Geronte: Sprich nicht mehr davon. Ich verzeihe Dir. Scapin: Jaja, es war doch eine große Frechheit, Euch mit dem Stock... Geronte: Laß gut sein!... Scapin: Noch sterbend finde ich große Reue, daß ich Euch mit dem Stock... Geronte: Mein Gott, schweig doch!... Scapin: Nein, diese Stockschläge, die ich Euch... Geronte: Schweig doch, sag ich Dir! Es ist alles vergessen! Scapin: Ach, welche Güte! Vergebt Ihr mir auch von Herzen die Stockschläge, die

ich Euch...? Geronte: Ja doch! Sprich nicht mehr davon! Es ist alles vergeben und vergessen! Scapin: Ach, Herr, ich fühle mich erleichtert durch diese Worte. Geronte: Ja. Aber ich verzeihe Dir nur unter der Bedingung daß Du stirbst! Scapin: Wie, gnädiger Herr? Geronte: Wenn Du nicht stirbst, nehme ich mein Wort zurück. Ach, da wird ich schon wieder ohnmächtig. Argante: Herr Geronte, um unserer Freude willen, müßt Ihr ihm ohne Bedingungen

vergeben! Geronte: Meinetwegen... Argante: Und jetzt wollen wir zu Abend essen, um unser Glück von Herzen zu

genießen. Scapin: Mich tragt ans Ende Eurer Tafel. Da will ich meinen Tod erwarten.

V O R H A N G