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Der Brancheninformationsdienst der Filmstiftung NRW Ausgabe 4 – Juni 2010 Schwerpunkt Der Ton macht den Film Ausblick Int. Filmkongress Interview mit Shirin Neshat Vorschau Filmschau- plätze NRW Dreharbeiten

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Der Brancheninformationsdienst der Filmstiftung NRW

Ausgabe 4 – Juni 2010

Schwerpunkt

Der Ton machtden Film

Ausblick Int. Filmkongress

Interview mitShirin Neshat

Vorschau

Filmschau-plätze NRW Dreharbeiten

• letter104_01-13 11.06.2010 13:47 Uhr Seite 1

newsletter 3/2010 – Location2

Auf der Location-Seite des

Newsletters finden Sie in jedem

Heft einen bebilderten Gruß

aus einer Stadt der Region.

Diesmal stammen die Fotos aus

dem Kreis Düren, dem neuen

und damit 35. Mitglied des

Netzwerkes Filmstädte NRW.

Offiziell wird der Kreis am

28. Juni während des Internatio-

nalen Filmkongresses anlässlich

der Ausstellungseröffnung

„Locations und Motive in NRW“

in den Kreis der filmfreundlichen

Kommunen aufgenommen.

Die Ausstellung in der Kölner

Messe zeigt neben Bildern aus

Düren auch die 30 Siegerfotos

des Filmstiftung-Wettbewerbs

„Auf der Suche nach dem perfek-

ten Motiv“. Die Bilder auf der

Location-Seite und viele mehr fin-

den Sie auch in der Motivdaten-

bank www.locationnrw.de.

Grüße aus dem Kreis Düren

Einwohner: 270.000

Realisierte Projekte (Auswahl):

„Fräulein Stinnes fährt um die Welt",

„Bastard", „Alarm für Cobra 11",

„Barfuss“

Treffer in der Motivdatenbank

www.locationnrw.de: 22

Josef Kreutzer

Tel. (02421) 222389;

[email protected]

Winfried Plum

Tel. (02421) 222756;

[email protected] ZimmerService, Markus Zimmer

Tel. (0177) 340 66 92;

[email protected]

Udo Wüllenweber,

Tel. (0211) 1577074;

[email protected]

ZeitRaumRechercheLocation

Stefan Möller,

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• letter104_01-13 11.06.2010 13:47 Uhr Seite 2

Gott schenke uns Ohrenlider!“, flehte Kurt

Tucholsky schon in den 1920er Jahren, die

man später nicht umsonst auch die Roaring

Twenties nannte. Ein Zuviel an Lärm und ein Zu-

wenig an Stille scheint also kein exklusives Phä-

nomen unserer Zeit zu sein.

Ohrenlider wären auch im Kino eine feine

Sache, wenn es auf der Leinwand mal wieder

viel zu laut scheppert, klirrt, klappert, knallt und

pufft, weil die Ton-Crew den Kinobesuchern be-

weisen möchte, was an Sound-Effekten heut-

zutage so alles möglich ist. Vielleicht ist das aber

auch nur ein verzweifelter Hilferuf der Ton-Leu-

te: „Hört her! Uns gibt es auch noch! Wir ma-

chen einen tollen Job, aber kaum einer merkt

es!“

Zum Glück sind solche Kakophonien in Dol-

by Digital die Ausnahme. Die meisten Misch-

tonmeister arbeiten mir ihrer Crew so gut, dass

man ihr Werk kaum bemerkt. Und wahrschein-

lich ist das genau das Dilemma, an dem so vie-

le Departments leiden. Je perfekter ihre Leistung,

desto perfekter geht sie unbemerkt in dem Ge-

samtkunstwerk Film auf. Am Ende sind dann nur

noch wenige Experten in der Lage, die Einzel-

leistungen wieder auseinander zu dividieren und

zu würdigen.

Zum Glück wächst in den letzten Jahren die

Bereitschaft, die Leistungen der Departments

höher wertzuschätzen. Das gilt auch für den

Ton: Den Deutschen Filmpreis in dieser Katego-

rie gibt es bereits seit 1982, beim Europäischen

Filmpreis ging 2009 die Auszeichnung Bester

künstlerischer Beitrag an die Ton-Leute der fran-

zösischen Produktion „Un Prophet“. Im selben

Jahr gewann „Lebanon“ bei den Ophir Awards,

dem israelischen Filmpreis, neben vielen ande-

ren auch den Preis für den besten Sound, der

bei Torus Film in der Kölner Südstadt entstand

– eine tontechnische Herausforderung für ei-

nen Film, der fast ausschließlich im Inneren ei-

nes Panzers spielt. Mein Tipp: Nutzen Sie Ihre

Augenlider, wenn „Lebanon“ im Herbst in die

deutschen Kinos kommt, und hören sie genau

hin, wie exakt da gearbeitet wurde.

Torus finden Sie selbstverständlich auch im

aktuellen Newsletter wieder, in dem wir Ihnen

in unserem Ton-Schwerpunkt die Szene in Nord-

rhein-Westfalen vorstellen möchten. Wir reden

mit Jörg U. Lensing, Filmprofessor an der FH

Dortmund und Autor des Buches „Sound-De-

sign/Sound-Montage/Soundtrack-Kompositi-

on: Über die Gestaltung von Filmton“, über die

Theorie und mit Mischtonmeister Guido Zettier,

der 2009 für seine Arbeit an „Nordwand“ den

Deutschen Filmpreis erhielt, über die Praxis. Wei-

tere Themen sind das Verhältnis von O-Ton und

Sound-Design im Dokumentarfilm, die Zukunft

der Geräuschemacher, die Abhängigkeit der

Qualität vom Budget und ein Exkurs über

Soundcollagen im Hörspiel. Und dann erzäh-

len wir Ihnen noch die Geschichte des Wilhelm-

schreis, den amerikanische Tonleute bis heute

immer wieder als Insider-Gag in zahlreiche Hol-

lywood-Produktionen schmuggeln.

Darüber hinaus bietet das Heft wieder die

bewährten Informationen aus und über die

Branche in NRW mit Meldungen und aktuellen

Dreharbeiten sowie einen Rückblick auf Cannes,

wo mit „Uncle Boonmee Who Can Recall His

Past Lives“ eine Produktion die Goldene Palme

gewann, die von den Kölner Firmen Geißendör-

fer Film und Match Factory koproduziert wur-

de. Wir blicken voraus und präsentieren das Pro-

gramm des Internationalen Filmkongresses der

Filmstiftung, der vom 26. bis 29. Juni im Rah-

men des medienforum.nrw in Köln stattfindet.

Dazu liefern wir ein Interview mit der iranischen

Filmemacherin Shirin Neshat, deren Film „Wo-

men without Men“ während des Kongresses in

den KinoSpecials zu sehen ist, sowie einen Über-

blick über das Filmland Spanien, das in diesem

Jahr Gastland des Filmkongresses ist.

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht

Rüdiger Bertram

Chefredakteur

Editorial – [email protected] 3

Schwerpunkt: Der Ton macht den Film

Stille, die manhören kann

4 Meldungen Branche, Kinos, Festivals, Preise

8 Filmkultur aus Barcelona„gestern, heute, morgen“: Die Kolumne von Heiko R. Blum

11 Open-Air quer durch NRWFilmSchauPlätze NRW 2010

13 MEDIA Documentary Campus Masterschool

14 Auf dem SprungDie Seite für den Filmnachwuchs

mit einem Porträt von Bogdana Vera Lorenz

Ausblick: Internationaler Filmkongress

16 Aufschwung mit KassenschlagernEine Einführung in das Filmland Spanien,

dem Gastland des Internationalen Filmkongresses

16 Alle Filme, Diskussionen und TermineDas Programm des Internationalen Filmkongresses

17 „Ich mag Farben nicht besonders“Interview Shirin Neshat („Women without Men“)

Schwerpunkt: Der Ton macht den Film

18 „Wir sehen mehr, wenn wir hören“ Interview Jörg U. Lensing

18 Brüllende Löwen für heulende WindeInterview Guido Zettier

20 Geschäfte mit dem guten TonDie Filmton-Szene in NRW

21 Ton von Hand oder vom Band? Die Zukunft der Geräuschemacher

22 Aufbruch war gesternDer Sound im Hörspiel

23 Wirklichkeit hören O-Ton und Sound-Design im Dokumentarfilm

23 Ein Schrei geht um die WeltBerühmte letzte Worte: der Wilhelmsschrei

24 Dreharbeiten in NRW

26 Asyl in MalaysiaSetbesuch „Dschungelkind“

27 Mit besten EmpfehlungenNeue Kinofilme der Filmstiftung NRW

10 Impressum

Inhalt

Der nächste Newsletter erscheint Ende Juli und do-

kumentiert als Sonderausgabe alle Diskussionen

und Events des Internationalen Filmkongresses und

der filmrelevanten Veranstaltungen des medien-

forum.nrw. Ab dem 26. Juli ist das neue Heft on-

line unter www.filmstiftung.de zu finden.

Sonderausgabe Juli-HeftInternationaler Filmkongress

Shirin Neshats „Women without Men“ läuft am 27. Juni in den KinoSpecials des Internatio-nalen Filmkongresses und startet am 1. Juli in den deutschen Kinos. Foto: NFP

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• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 3

Maranto: Ludwigs-burg – Paris – KölnIm Mai stand Hollywood-Star Sharon Stone

eine Woche lang in Köln für „Largo Winch 2“

vor der Kamera. Nach der Vorlage des belgi-

schen Comicbuches „Largo Winch“ spielte sie

eine Staatsanwältin, die sich mit Tomer Sis-

ley als Largo Winch einen erbitterten Macht-

kampf liefert. Das Gerling-Quartier diente stell-

vertretend als Kulisse für den Sitz der Verein-

ten Nationen in Genf. Die Verfolgungsjagden

wurden allerdings u.a. in Thailand, Hongkong

und Belgien gedreht. Ausführender Produzent

der Koproduktion von Pan-Européenne, Pa-

ris, mit Wild Bunch Germany, München,

und Climax Films, Brüssel, war die Kölner

Maranto Films, die die Produzenten Reza

Baher und Nicole Ringhut 2009 gegründet

hatten. Die beiden haben eine ähnliche Lauf-

bahn hinter sich, deren Schnittstelle die Film-

akademie Baden-Württemberg in Lud-

wigsburg war. Baher studierte dort nach einem

wirtschaftswissenschaftlichen Studium an der

Uni Köln und diversen Jobs als Jungproduzent

International Producing. Ringhut studierte in

Wiesbaden und Toulouse Medienwirtin und ab-

solvierte in Ludwigsburg sowie Paris die deutsch-

französische Masterclass. Von 2004 bis 2008

war sie bei Pan-Européenne Head of Internatio-

nal Finance und verantwortete die Projektfinan-

zierung und Koordination der internationalen

Koproduktionen. Zu ihren betreuten Filmen ge-

hörte u.a. „Largo Winch 1“. Vor diesem Hinter-

grund können Baher und Ringhut selbstbewusst

auftreten: „Der USP unserer Firma ist die kom-

plementäre langjährige nationale und interna-

tionale Erfahrung.“

Auch zukünftig will sich Maranto Films als

deutscher Koproduktionspartner und Service

Produzent an internationalen Projekten betei-

ligen. Zugleich wollen Baher und Ringhut eige-

ne nationale und internationale Kino- und Fern-

sehfilme produzieren. Die erste eigene Produk-

tion war der Psychothriller „Bastard“ (AT), der

im März und April in Köln und Umgebung ge-

dreht wurde. Für das Langfilmdebüt von Regis-

seur Carsten Unger agierten in den Haupt-

rollen u.a. Martina Gedeck, Thomas Thie-

me, Hanns Zischler und Matthias Koe-

berlin. Auch Ungers Karriere begann in Lud-

wigsburg, wo er Regie studierte. Koproduziert

wurde „Bastard“ mit dem SWR und Gifted

Films, die Baher 2005 wiederum in Ludwigs-

burg gegründet hatte. Ringhut: „Mit unseren

Projekten bringen wir die Regionen Stuttgart und

NRW einander näher“.

Maranto,

Tel. (0221)16853004;

[email protected]

Motivschutz: saubere LösungÄrger mit Film- und Fernsehleuten hat es immer

dann gegeben, wenn sie für angemietete Dreh-

motive zwar bezahlt, dann aber „verbrannte Er-

de“ hinterlassen hatten – Schmutz und Schäden

an der Einrichtung. Damit soll es mit dem Ein-

satz der Kölner Firma Motivschutz vorbei sein.

Wolfgang Ennenbach, von Haus aus Kulis-

senbauer, und Jan Feil, gelernter Requisiteur,

bieten eine weltweit einzigartige Dienstleistung

an, die der Crew beim Dreh an Originalmotiven

die Arbeit erleichtert und den Motivgebern ei-

nen reibungslosen Ablauf garantiert. Ihr Service

beginnt mit der Motivbesichtigung und seiner

fotografischen Dokumentation mit einer Nicon

D3. Präventiv werden auf den Böden Schmutz-

fangmatten verlegt, gegebenenfalls farblich pas-

send zum Farbton des Bodens. Zur aktiven Dreh-

betreuung zählt auch die Ausgabe von Überzieh-

schuhen. Zum guten Schluss wird abgebaut, ent-

sorgt und abgenommen. Inzwischen haben vie-

le Film- und Fernsehfirmen auf Ennenbachs und

Feils Motivschutz zurückgegriffen, darunter et-

wa die Colonia Media für ihre Köln- und Mün-

ster-„Tatorte“ und Brainpool für „Zwei Weih-

nachtsmänner“. Auch der Spezialversicherer Cat-

lin hat die Marktlücke erkannt und bietet Film-

firmen eine bis zu 100-prozentige Reduzierung

der Selbstbeteiligung an, wenn sie den Kölner

Motivschutz in Anspruch nehmen. Details unter

www.motivschutz.tv.

Motivschutz,

Tel. (0221) 4924743;

[email protected]

Cine-Mobil: Neuer Mann, neuer OrtIm März hat Marco Stolzenburg die Kundenbetreuung des Kölner Standortes der Cine-Mo-

bil GmbH übernommen, die ab sofort in den neuen Räumen im Bell-Gewerbehof in der Wilhelm-

Mauser-Straße 47 beheimatet ist. Auf rund 325 Quadratmetern bietet die Cine-Mobil dort um-

fangreiches Equipment – vom Verleih von Kamera-, Licht- und Bühnentechnik bis zu Fahrzeugen

und Generatoren – für Kinofilme, TV-Movies, Serien und Werbung an.

„Mit unseren neuen Räumlichkeiten in Köln-Ehrenfeld haben wir einen idealen Standort ge-

funden, der ausreichend Platz bietet und ausgesprochen verkehrsgünstig gelegen ist“, erklärt Cine-

Mobil-Geschäftsführer Jörg Baumgart zufrieden. „Zusammen mit der fachlichen Erfahrung von

Niederlassungsleiter Marco Stolzenburg und seinem Team können wir bestmöglichen Service für

den ständig wachsenden Bedarf an Filmtechnik in NRW anbieten.“

Cine-Mobil, Tel. (0221) 37954840; [email protected]

Rickers zu RuhrSoundSeit März ist Hans-Martin Rickers neuer

Geschäftsführer der RuhrSoundStudios in

Dortmund. Er folgt Mike Krüger, der zu Stu-

dio Hamburg wechselte. Rickers ist zugleich

Kaufmännischer Leiter der Kölner Pictorion

Das Werk GmbH. Zuvor arbeitete er in glei-

cher Position bei der Kölner Grundy Light En-

tertainment GmbH, be-

sorgte das kaufmännische

Management von Verona

Pooth und war Kaufmännisch-

er Leiter und Projektsteuerer der

Magic Media Company

MMC.

RuhrSound,

Tel. (0231) 917600;

[email protected]

Granderath zum NDRKölner Produzenten sind gefragt: Nach Reinhold Elschot, der 2009 als Fernsehspielchef von

der Kölner Network Movie zum ZDF ging, übernimmt nun auch Christian Granderath ei-

ne herausragende Position beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Zum 1. September wird er neu-

er Leiter der NDR-Abteilung Fernsehfilm, Spielfilm und Theater. Er folgt Ex-Fernsehspielchefin Do-

ris J. Heinze, der die Anstalt im September letzten Jahres wegen Betrugsverdachts fristlos ge-

kündigt hatte. Granderath volontierte beim damaligen Südwestfunk in Baden-Baden und wur-

de 1991 als Fernsehfilm-Redakteur übernommen. 1996 wechselte er nach Köln, wo er zunächst

als Producer bei der vormaligen Dom Film und der vormaligen Westdeutschen Universum

Film arbeitete. 2000 wurde der gebürtige Westfale Produzent der Colonia Media, die ihn 2006

zum Prokuristen ernannte. Anfang 2008 übernahm Granderath die Leitung der Teamworx-Nie-

derlassung Köln. Zu seiner umfangreichen Filmographie gehören neben „Tatort“-Produktionen Fil-

me wie „Allein unter Frauen“, „Der Totmacher“, „Die Polizistin“, „Wut“ und zuletzt „Kongo“.

Thevissen mit eigener Firma

Nach knapp sieben Jahren als Produzentin und

geschäftsführende Gesellschafterin bei der Köl-

ner RheinFilm gründete Juliane Thevissen

im April in der Domstadt ihre ei-

gene Firma thevissen filmpro-

duktion mit Sitz in der Mozart-

straße 15. „Die Freude am Her-

stellen von Filmen in der gesam-

ten Breite; Fernsehen, Kino und

Koproduktionen – bleibt und geht

weiter“, verspricht Thevissen, die

neben einer deutsch-französi-

schen Kino-Koproduktion derzeit auch das Fern-

sehspiel „Mein Sohn Ben“ von Regisseur Mar-

kus Fischer für den WDR (Redaktion: Frank

Tönsmann) mit Corinna Harfouch und Jes-

sica Schwarz in den Hauptrollen entwi-ckelt.

Mit der Kölner Regisseurin Erica von Moel-

ler entsteht parallel das Nachkriegsdrama „Eli-

sabeth Selbert“, das 2011/2012 in Bonn und Kas-

sel realisiert werden soll. Neben der Produktion

von nachhaltigen Fernsehspielen für deutsche

Sender, sind langfristig europäische Kino-Kopro-

duktionen im Arthouse-Bereich geplant. Ein wei-

terer Schwerpunkt soll, wie in den Jahren zuvor,

die Nachwuchsförderung und Zusammenarbeit

mit jungen Filmemachern bleiben.

Für einen gelungenen Einstand der neuen

Firma sorgt am 9. September der Kinostart von

„Zarte Parasiten“ (Regie: Christian Becker

und Oliver Schwabe), der von Thevissen pro-

duziert wurde und seine Weltpremiere 2009 auf

dem Festival in Venedig feierte.

thevissen filmproduktion,

Tel. (0221) 56957987;

[email protected]

newsletter 4/2010 – Meldungen4

Der Psychothriller „Bastard“ war die erste eigene Produktion der Firma Maranto Films.Foto: Maranto

Nicole Ringhut und Reza Baher: die Gründer vonMaranto Films. Foto: Maranto

JulianeThevissen, Foto: thevis-sen film

Hans-MartinRickers,Foto: RuhrSound

• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 4

Filmstiftung NRW:Kein Einreichterminim Juli Aufgrund des bevorstehenden Geschäftsführer-

Wechsels haben die Geschäftsführung und die

Gremien der Filmstiftung NRW beschlossen,

die im August geplante Sitzung der Förderjury

nicht stattfinden zu lassen. Damit entfällt auch

der Einreichtermin 8. Juli für alle Arten der Pro-

jektförderung. Der nächste Einreichtermin ist

damit der 16. September.

Filmstiftung NRW, Tel. (0211) 930500;

[email protected]

Movie Park unter spanischer Flagge

Nach Warner Bros., Six Flags und Palamon Capital Partners hat der Movie Park Ger-

many in Bottrop-Kirchhellen mit der Parques Reunidos erneut einen neuen Eigentümer. Das

Unternehmen mit Sitz in Madrid ist zweitgrößter Betreiber von Freizeitparks in Europa und hinter

Disney World und der britischen Merlin Entertainments Group die Nummer Drei in der

Welt. Zum Movie Park gehören nicht nur wechselnde Hollywood-Charaktere, ein 4 D-Kino und

allerlei Fahrgerät, sondern auch ein 1.851 Quadratmeter großes Filmstudio, in dem u.a. die Kino-

filme „Klimt“ und „Krabat“ gedreht wurden. Zum Studio gehören außerdem Produktionsbüros und

ein kleines Preview-Kino. Die Vermietung des Studios läuft über Movie Park Germany. Im Übrigen

haben die neuen Eigner alle 80 fest angestellten Mitarbeiter übernommen, darunter 14 Auszubil-

dende. Hinzu kommen 650 Saisonarbeiter. Im vergangenen Jahr hatte der europaweit größte Film-

und Entertainment-Park 1,3 Millionen Besucher.

Movie Park, Tel. (02045) 899-0; [email protected]

Köln: Film-Messeim AugustVom 11. bis 12. August findet im Kölner Cine-

dom die Film-Messe Köln statt, zu der An-

meldungen noch bis zum 4. August möglich

sind. Auf dem Branchentreff für „Filmverleiher,

Kinobetreiber und kinoaffine Unternehmen“

präsentieren mehr als zehn Verleiher Filme, Sze-

nen-Zusammenschnitte und Trailer von zukünf-

tigen Projekten. Zu den teilnehmenden Verlei-

hern gehören u.a. Senator, Prokino, NDF,

Tobis und Central Film. Die Anmeldeunter-

lagen und weitere Infos unter www.film-

messe-koeln.de.

Cannes 2010

Bankenviertel und Townships ander CroisetteDie Aussprache des doppelten H in Christoph

Hochhäuslers Nachnamen ist für Franzosen

ein kaum zu überwindendes Hindernis. Selbst

Cannes-Chef Thierry Frémaux, der regel-

mäßig komplizierteste Namen bewältigen muss,

stolperte gehörig bei der Premiere von Hoch-

häuslers „Unter dir die Stadt“ in dem vollbeset-

zten Salle Debussy des Festivalpalasts. Was er

über den zum zweiten Mal in der renommierten

Reihe Un Certain Regard vertretenen Regisseur

sagte, ließ das Publikum noch mehr aufhorchen:

Cannes liebe das deutsche Kino, versicherte Fré-

maux, um gleich hinzuzufügen, dass der

nächste Film des 37-Jährigen bestimmt

nicht mehr in der Nebenreihe laufen

werde. Das konnte man fast als Ver-

sprechen werten, dass Hochhäusler mit

seinem nächsten Langfilm im Wettbe-

werb des Festivals vertreten sein wird.

Verdient hat er sich diese Vorschus-

slorbeeren mit einem weiteren formal

ebenso makellosen wie wagemutigen

Film, der von der Recherche und Produk-

tion her allerdings weitaus aufwändiger

war als seine beiden vorhergehenden

Werke „Milchwald“ und „Falscher Beken-

ner“, der genau wie „Unter dir die Stadt“

von der Kölner Heimatfilm produziert und

von der Filmstiftung NRW gefördert wurde.

Hochhäusler erzählt die Geschichte einer Amour

fou im Frankfurter Bankenmilieu. Dass Irrational-

ität und Leidenschaft gerade in einer Welt, in

der scheinbar nur Geld und Macht zählen, im-

mer knapp unter der Oberflächliche lauern, zeigt

der Film in bestechenden Bildern aus dem In-

neren der Frankfurter Bankhäuser. Hinter viel

Glas wird hier Transparenz nur vorgegaukelt.

Gerade wer ganz oben in der Hierarchie steht,

ist in der Lage, Intrigen zu spinnen und

geheimen Obsessionen nachzugehen.

Wie schon bei „Falscher Bekenner“ war die

Aufnahme von „Unter dir die Stadt“ gerade in

der französischen Presse positiv. Variety-Kritik-

er Boyd van Hoeij wertete ihn als „immer in-

teressant“ und nannte Regie und Schauspielleis-

tung „beeindruckend“. Am traditionellen

Presseessen der Filmstiftung im Fischrestaurant

Astoux & Brun nahmen Hochhäusler, Pro-

duzentin Bettina Brokemper und die bei-

den Hauptdarsteller Nicolette Krebitz und

Robert Hunger-Bühler teil. Filmstiftungs-

Geschäftsführerin Claudia Droste-Deselaers

lobte aus diesem Anlass besonders Brokemper,

die auch in für unabhängige Produktionsfirmen

schwierigen Zeiten Mut bewiesen habe. Die

Filmstiftung NRW sei zufrieden, es dieses Jahr

mit „Unter dir die Stadt“ und „Life, Above All“

von Oliver Schmitz mit zwei sehr unter-

schiedlichen Filmen in die offizielle Auswahl von

Cannes geschafft zu haben.

In der Tat gehen die beiden Filme inhaltlich

und stilistisch völlig verschiedene Wege.

Während Hochhäusler mit kühler Präzision Fig-

uren zeigt, die alle Annehmlichkeiten einer

Wohlstandsgesellschaft selbstverständlich in

Anspruch nehmen können, erzählt der gebür-

tige Südafrikaner Schmitz die Geschichte eines

zwölfjährigen südafrikanischen Mädchens, das

jäh in die Erwachsenenwelt geworfen wird, als

die Mutter an Aids erkrankt. Das Drama wurde

vom Publikum in Cannes mit stehenden Ova-

tionen gefeiert und gewann den Prix François

Chalais, mit dem Filme ausgezeichnet werden,

die sich in besonders gelungener Weise mit dem

aktuellen Weltgeschehen auseinandersetzen.

„Life, Above All“ war bereits der vierte Film des

Regisseurs, der für Un Certain Regard aus-

gewählt wurde.

Auch die Spur des diesjährigen Gewinners

der Goldenen Palme führt nach NRW. Kopro-

duziert wurde „Uncle Boonmee Who Can Re-

call His Past Lives“ von der Hans W.

Geißendörfer Film- und Fernsehproduk-

tion und des Kölner Weltvertriebs Match Fac-

tory. Regie führte der Regisseur mit dem mo-

mentan wohl zungenbrecherischsten Namen

des Weltkinos: der Thailänder Apichatpong

Weerasethakul.

Deutscher Kinder-hörspielpreis: Jetzt bewerbenNoch bis zum 1. August sind Bewerbungen für

den mit 5.000 Euro dotierten Deutschen

Kinderhörspielpreis möglich. Mit dem Preis,

den die ARD gemeinsam mit der Film-

stiftung NRW und in Zusammenarbeit mit

der Stadt Wuppertal ausschreibt, soll der

beste Originalstoff oder die beste Adaption für

Kinderhörspiele gewürdigt werden. 2009 erhielt

Maja Nielsen den Preis für „Feldpost für

Pauline“, eine Produktion des WDR.

Neben den Landesrundfunkanstalten der

ARD und DRadio können sich auch Verlage,

Autoren und Hörspiel-Produzenten bewerben.

Die eingereichten Werke müssen nach dem

1. Juli 2009 veröffentlicht bzw. gesendet wor-

den sein oder einen festen Sende- oder Veröf-

fentlichungstermin bis zum 31. Dezember 2010

nachweisen. Jeder Bewerber darf nur eine Pro-

duktion mit einer maximalen Länge von 90

Minuten einsenden.

Die kompletten Ausschreibungsunterlagen

können unter www.filmstiftung.de herun-

tergeladen werden.

Köln: Zum Videoguckenins Museum

„Bild in Bewegung“ ist der Titel ein-

er Ausstellung, mit der das Kölner Mu-

seum Ludwig noch bis zum 31. Ok-

tober seine umfangreiche Film- und

Videosammlung der Öffentlichkeit

zugänglich macht. Zu sehen sind 55

raumgreifende Installationen und rund

270 Arbeiten, die über Videosichtplätze

abrufbar sind. Die Überblicksausstellung

mit den Werken vieler berühmter

Videokünstler will nicht nur die

Geschichte des bewegten Bildes in der

Kunst, sondern auch von seinen

vielfachen Inspirationen durch den Film

erzählen. Die Ausstellung stellt außerdem

Fragen nach „dem Einfluss des Kinos und

seinen erzählerischen Strategien, dem

Dokumentarischen als künstlerische Hal-

tung und dem Verhältnis von Video und

Film zum Ausstellungsraum“. Mehr In-

fos unter www.museenkoeln.de/

museum-ludwig

Meldungen – newsletter 4/2010 5

Heiter in Cannes (v.l.): Lerato Mvelase, Khomotso Manyaha und Harriet Manamela, dieHauptdarstellerinnen aus „Life, Above All“.Foto: Hubert Bösl/Festival de Cannes

Fototermin auf dem roten Teppich: (v.l.) Bettina Brokemper, Nicolette Krebitz,Christoph Hochhäusler (mit Kind), Robert Hunger-Bühler und Van-Lam Vissay bei der Premiere von „Unter dir die Stadt“ in Cannes. Foto: Filmstiftung

Videokunst und Film im Dialog: Szene aus Maria Lassnigs „Kantate“ (1992, oben) und aus Paul Sharits „T,O,U,C,H,I,N,G“ (1968). Fotos: Maria Lassnig/The Estate of Paul Sharits

• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 5

Exposed: Debütszum Dritten

Exposed ist das Festival für Debütfilme und

wird vom 23. bis 28. November zum dritten Mal

in Köln stattfinden. Der Schwerpunkt der Film-

schau, organisiert aus dem Umfeld des Film-

clubs 813 sowie dem von Stephan Sarasi

gegründeten Vereins Neue Blicke Köln, liegt

auf dem europäischen Nachwuchsfilm. Neben

der zwölfteiligen europäischen Reihe werden zu-

dem im Kölner Programm auch drei heimische

Debüts präsentiert sowie – in diesem Jahr als

spezieller Fokus – Filme aus Österreich.

Noch bis zum 5. August können Filme-

macher ihre ersten und zweiten Langfilme bei

den Organisatoren einreichen. Näheres zu den

Konditionen findet sich unter www.exposed-

filmfestival.de.

NRW baut Brücken nachKroatienFilmForumZadar heißt ein neues Fe-

stival, mit dem Ruhrgebiets-Regisseur

Sergej Stanojkovski Nordrhein-

Westfalen und die RUHR.2010 mit

der Stadt Zadar an der kroatischen

Adriaküste verbinden will. Das Festival,

das in der letzten Augustwoche unmit-

telbar vor Venedig stattfindet, soll sei-

nen Fokus auf europäische Koproduk-

tionen richten und auch NRW-Filme im

Programm haben. Ziel ist es, „in Zadar

ein Forum für kreative Kräfte zu schaf-

fen“, so Stanojkovski, dessen preisge-

krönter Debütfilm „Kontakt“ auf über 50

internationalen Festivals lief. Die

RUHR.2010 und ihr 2010Lab sind

Partner des FilmForumZadar und wer-

den eigens einen Zadar-Channel schal-

ten, der über die Entwicklung der dor-

tigen Kreativwirtschaft, das Filmforum

und die Zusammenarbeit mit NRW be-

richtet.

Mit seiner Oberhausener Produkti-

onsfirma SSP GmbH produziert Sta-

nojkovski für die RUHR.2010 außerdem

eine Mini-Dokuserie über kreative Men-

schen. Die Porträts, u.a. über Rainer

Komers, Werner Nekes oder Hel-

ge Schneider sind auf dem Portal

www.2010lab.tv der Kulturhaupt-

stadt zu sehen.

SSP, Tel. (0208) 3866134;

[email protected]

„Themba“: Doppelte Ehrung in EmdenRund eine Woche vor der WM in Südafrika gewann „Themba“, Stefanie Sycholts geförder-

dertes Drama um einen aidskranken Fußballer, auf dem Internationalen Filmfest Emden-

Norderney sowohl den Bernhard Wicki-Preis als auch den DGB-Filmpreis. Der Kinofilm,

der von Zeitsprung und Rheingold Films produziert wurde, startet am 5. August in die deut-

schen Filmtheater. Der NDR-Nachwuchsfilmpreis des Festivals ging an die ebenfalls geförderte Drei-

ecksgeschichte „Renn, wenn du kannst“ von Dietrich Brüggemann. Die Koproduktion

der Wüste Film West mit WDR, SWR und Arte ist bereits ab dem 29. Juli in den deutschen

Kinos zu sehen.

Stummfilmtage in Bonn: 2010 und dann?

Bei Stummfilmen macht nicht der Ton den Film. Live-Begleitmusik jedoch kann den Takt vorgeben

und die Vorführung zu einem Erlebnis machen, das auch gegenüber großen 3D-Leinwandevents

bestehen kann. Das beweist seit Jahren eindrucksvoll das Bonner Sommerkino mit seinen In-

ternationalen Stummfilmtagen, die vom Förderverein Filmkultur Bonn e. V. mit Un-

terstützung des Filmmuseums München organisiert werden. Vom 12. bis zum 22. August wer-

den auch in diesem Jahr allabendlich bekannte und unbekannte Stummfilmklassiker aus aller Welt

im Arkadenhof der Universität Bonn in restaurierter Version vorgeführt und mit zum Teil

speziell komponierter Live-Musik begleitet. Rund 15.000 Besucher nutzen jedes Jahr dieses Ange-

bot, dessen Zukunft nun aber bedroht ist. Die Sparliste der Stadt Bonn sieht für die Stummfilm-

tage 2011 eine Kürzung von 40.000 auf Null Euro vor. Neben der Stadt sind an der Finanzierung

die Filmstiftung NRW, das BKM sowie Sponsoren und Eigenmittel beteiligt.

Eröffnet wird das Open-Air-Erlebnis in diesem Jahr mit einem besonderen Highlight: Fritz Langs

„Metropolis“. Für die Musikbegleitungen der Filme sind namhafte Stummfilmmusiker mit kleiner

Besetzung eingeladen, die auch Stummfilm-Entdeckungen, etwa aus dem Iran, begleiten werden.

Mehr Infos über Sparpläne und das Programm unter www.film-ist-kultur.de.

RUHR.2010: Nochmehr FilmschätzeEin besonderes Highlight erwartet die Besucher

im Rahmen des Sommerfestes zur Kulturhaupt-

stadt RUHR.2010 am 19. Juni. In der Henrichs-

hütte in Hattingen wird in Zusammenarbeit mit

Arte/ZDF der restaurierte Stummfilm „Schlagen-

de Wetter“ aufgeführt. Die neu komponierte Mu-

sik des Bochumer Komponisten Georg Grae-

we wird live vom WDR-Rundfunkorchester un-

ter der Leitung von Titus Engel begleitet. Der

von Karl Grune 1923 inszenierte Film wurde

im Ruhrgebiet an Originalschauplätzen gedreht

und erzählt das Drama einiger verschütteter Berg-

leute. Die Filmvorführung ist Teil des Projektes

„grubenklang.reloaded“.

An drei Terminen präsentiert das „Theater

der Welt 2010“ im Rahmen der RUHR.2010 ein

mit den Filmemachern Lav Diaz aus den Phil-

ippinen, dem Palästinenser Elia Suleiman („Di-

vine Intervention“) und Tsai Ming-Liang (Sil-

berner Bär 1997 für „Der Fluss“) aus Malaysia

hochrangig besetztes Filmprogramm. Die Regis-

seure suchen ihre Filme selbst aus und stehen

nach der alle gängigen Formate sprengenden

Vorführung zur Diskussion bereit. Am 4. und 5.

Juli sind sie zu Gast im Essener Filmstudio Glück-

auf, am 11. und 12. Juli im Mülheimer Rio. Al-

le Details zu den zwischen zwei und neun Stun-

den dauernden Vorführungen finden sich un-

ter www.theaterderwelt.de.

Den Sommer über wird die Online-Ausstel-

lung des europäischen Kurzfilms Europe in

Shorts regelmäßig erweitert. In qualitativ hoch-

wertigen Internetstreams erlauben die kuratier-

ten Kurzfilme spannende Einblicke in das vielfäl-

tige Schaffen des europäischen Films. Der eige-

ne Channel des Kulturhauptstadtprojekts

www.2010lab.tv präsentiert neben den Kurz-

filmen zudem Interviews mit allen Regisseuren so-

wie weitere in Zusammenarbeit mit dem Film-

verlag Schnitt betreute Artikel zu den Filmen.

newsletter 4/2010 – Meldungen6

Das Logo des diesjährigen Filmfests in Zadar. Foto: SSP

„Themba“: Gastdarsteller Jens Lehmann in seinem Kinodebüt beim Training südafrikanischer Talente. Foto: Zeitsprung

Premiere in Hattingen: die restaurierte Fassung des Stummfilms „Schlagende Wetter“ mit Live-Musik. Foto: Grubenklang reloaded

• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 6

Unlimited suchtkurze FilmeDer 31. Juli ist die Deadline für Anmeldungen

zum europäischen Kurzfilmfestival unlimited,

zu dem die kurzfilmfreun.de in diesem Jahr

vom 23. bis 28. November wieder nach Köln

einladen. Einreichungen für die Wettbewerbe

und Sonderprogramme sind sowohl als Sich-

tungskopien (DVD) als auch über www.reel

port.com möglich. Mehr Infos unter www.

unlimited-festival.de.

kurzfilmfreun.de,

Tel. (0221) 67774116;

[email protected]

Filmhaus Köln:Made for China Auch in China besteht Bedarf an Weiterbildungs-

angeboten im Bereich Film. Deshalb fliegen Pe-

ter Klas, Geschäftsführer des Kölner Film-

hauses, und Jun Yan, Kurator des im Filmhaus

beheimateten Filmfestivals Visions of China,

Mitte Juni nach Shanghai und werben im Rah-

men des Shanghai International Film Fe-

stivals für ein Angebot aus Köln. Die Weiter-

bildung „Film made in Germany“, die im Herbst

erstmals stattfinden soll, wurde speziell für Film-

schaffende aus China entwickelt. Die

Lehrinhalte des zweimonatigen Seminarangebo-

tes vermitteln Dozenten des Kölner Filmhauses

und des Filmhauses Babelsberg als Koope-

rationspartner. Dazu zählen u.a. Regisseur und

Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, Kame-

ramann Jost Vacano, Michaela Grützen,

Vizepräsidentin der Hochschule für Fernse-

hen und Film München, Produzentin Son-

ja B. Zimmer und Regisseur Wolfgang

Groos, dessen Film „Hangtime“ auch auf dem

Shanghai International Festival gezeigt wird. Ne-

ben den Seminarinhalten soll den chinesischen

Filmstudenten auch ein Überblick über die deut-

sche Produktionslandschaft gegeben werden.

Damit verbunden sind auch Besuche der wich-

tigsten deutschen Filmhochschulen.

Kölner Filmhaus, Tel. (0221) 2227100;

[email protected]

Filmstiftung NRW:RichtlinienSeit dem 27. Mai sind modifizierte Richtlinien

der Filmstiftung NRW in Kraft. Wesentliche

Neuerung der Überarbeitung ist eine einheitli-

che Richtlinie für alle Förderbereiche, also so-

wohl P1 als auch P2. Außerdem gelten Fernseh-

förderung, Nachwuchsförderung und Stoffent-

wicklungsförderung ab sofort als eigenständi-

ge Förderarten.

Die aktuellen Richtlinien können ab sofort

online unter www.filmstiftung.de/

Download/richtlinien.php herunter gela-

den werden. Für Nachfragen stehen die Mitar-

beiter der Filmstiftung NRW im Düsseldorfer

Medienhafen gerne zur Verfügung.

Filmstiftung NRW, Tel. (0211) 930500;

[email protected]

Förderpreis Schnitt:Jetzt einreichenAuch zum zehnjährigen Jubiläum von Film+,

dem Kölner Forum für Filmschnitt und Mon-

tagekunst, wird ein Förderpreis Schnitt für Nach-

wuchseditoren ausgerufen. Ausgestattet wird er

in diesem Jahr vom Kulturwerk der VG Bild-

kunst mit einer Dotierung in Höhe von 2.500

Euro. Editoren, die noch nicht mehr als einen

Langfilm geschnitten haben, können ihre max-

imal 20-minütigen Arbeiten noch bis zum 30. Juli

bei Film+ einreichen – Teilnahmebedingungen

sowie das nötige Formular gibt es unter

www.filmplus.de. Das vom Filmverlag

Schnitt in Zusammenarbeit mit der Film-

stiftung NRW und der Stadt Köln veranstal-

tete Forum wird vom 26. bis 29. November mit

seinem Programm aus Diskussionen und Filmvor-

führungen wieder in den Kinos OFF Broadway

sowie im Filmforum NRW stattfinden. Die No-

minierungen der Schnitt Preise in den Kategorien

Spielfilm, Dokumentarfilm und Förderpreis wer-

den Ende September bekannt gegeben.

Film+, Tel. (0221) 2858706;

[email protected]

Oberhausen: Kurzes vom MeeresgrundMit der Preisverleihung endeten die 56. Inter-

nationalen Kurzfilmtage Oberhausen

am 4. Mai in der Lichtburg. Während die

Hauptpreise des Festivals dieses Jahr nach

Schweden („Madame & Little Boy“ von Mag-

nus Bärtås), Großbritannien („Monolog“ von

Laure Prouvoust) und Israel/Niederlande/

Polen („Mur i wieza“ von Yael Bartana) gin-

gen, hielt die Begeisterung an diesem tradition-

sreichen Festival auch 2010 unvermindert an.

Über 1.000 Akkreditierte aus 45 Ländern be-

suchten im Mai das Festival, dessen berühmtes

Manifest im kommenden Jahr 50. Geburtstag

feiern wird. Zudem verzei-chnete das Festival-

team um Leiter Lars Henrik Gass mit rund

18.400 Besuchern sogar eine minimale

Steigerung zum Rekordjahr 2009. Entscheiden-

den Anteil daran hatte auch die extrem beliebte

Sonderreihe „Vom Meeresgrund: Das Experi-

ment Film 1898-1918“. Meist bis zum letzten

Sessel waren die Programme ausverkauft, was

am Einlass manches Mal zu tumultartigen

Szenen führte. Insgesamt fast 500 Filme in den

offiziellen Präsentationen, dazu 5.500 Kurzfilme

im Markt, zahlreiche Podien und Nebenver-

anstaltungen: Die Kurzfilmtage, die ihre Marke

in einem geplanten Kurzfilm-Portal künftig auch

online ausbauen möchten, wie Gass bei der

Eröffnung in einer Präsentation verriet, zeigten

von Abnutzung keine Spur. Die Fortsetzung fol-

gt vom 5. bis 10. Mai 2011.

Alle Preisträger – darunter auch Florian

Riegel, der mit „Holding Still“ den NRW-Wett-

bewerb gewann: www.kurzfilmtage.de.

Kurzfilmtage, Tel. (0208) 8252652;

[email protected]

Meldungen – newsletter 4/2010 7

EIN FILM VON SHIRIN NESHAT

„Bilder von bestechender Schönheit“Frankfurter Allgemeine Zeitung

WOMEN WITHOUT MEN„Dieser Film hat mich zutiefst berührt.“

ANG LEE – Jurypräsident der 66. Mostra di Venezia

AB 1. JULI 2010 IM KINO

VENEDIG 2009SILBERNER LÖWE FÜR BESTE REGIE

SCHULVORSTELLUNGEN SIND AB 21. JUNI 2010 MÖGLICHBildungsmaterial steht auf www.womenwithoutmen-derfilm.de zum Herunterladen bereit.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an: [email protected]

WWM_AZ_135x175:Layout 1 07.06.2010 10:54 Uhr Seite 1

AN

ZE

IGE

Szene aus „Monolog“, einem der Gewinnerfilme der Kurzfilmtage Oberhausen. Foto: Laure Prouvoust

Premiere in Hattingen: die restaurierte Fassung des Stummfilms „Schlagende Wetter“ mit Live-Musik. Foto: Grubenklang reloaded

• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 7

Münsterland: „Du bist Provinz“Das Vorurteil, dass die Provinz „provinziell, rück-

ständig, miefig und eng“ ist, will der Filmser-

vice Münster.Land mit der Aktion „Du bist

Provinz" ein für allemal ausmerzen. Der Start-

schuss fiel bereits im Juni 2009 mit einer Reise

durch das Münsterland, bei der 27 Künstler al-

ler Sparten aus der Region und aus Overijssel be-

gannen, sich intensiv mit ihrem Lebensmittel-

punkt, der Provinz, auseinanderzusetzen. Die Er-

gebnisse dieser Auseinandersetzung, die bis heu-

te andauert und an der sich inzwischen 41 Künst-

ler beteiligen, werden nun vom 29. Juni bis 4. Ju-

li in Münster in einer Ausstellung, einer Filmrei-

he und bei einem Frühschoppen erstmalig ge-

zeigt , ehe sie in der zweiten Jahreshälfte auch

in der niederländischen Provinz zu sehen sind.

Filmservice Münster.Land,

Tel. (0251) 4921380;

[email protected]

Orientierungskurs:BerufswunschSchauspieler

In Hamburg finden die Orientierungskurse für

angehende Schauspieler der Schule für

Schauspiel Hamburg bereits seit zehn

Jahren statt. In Köln feiert das Angebot, das in

Zusammenarbeit mit dem hiesigen Jondral

Künstlermanagement organisiert wird, im

Juli Premiere. Vom 15. bis 18. Juli soll der 250

Euro teure Orientierungskurs helfen, her-

auszufinden, „ob man neben Talent auch aus-

reichend Mut, Disziplin und Ausdauer für ein

Leben auf der Bühne oder vor der Kamera mit-

bringt“. Erfolgreiche Absolventen des Kurses,

der ein schauspielerisches Grundlagentraining

vermitteln soll, können das dreijährige Studium

in Hamburg auch ohne Aufnahmeprüfung be-

ginnen.

„Viele junge Leute träumen davon, auf der

Bühne zu stehen oder in einem Film mitzuspie-

len. Im Orientierungskurs unterstützen wir sie,

den Berufswunsch spielerisch auf die Probe zu

stellen“, so Michaela Uhlig, Gründerin und

Geschäftsführerin der SSH.

Weitere Infos unter www.schauspiel

schule-hamburg.com

medienforum.nrw:Vernetzt mit der Insel Großbritannien gilt als einer der attraktivsten

Zielmärkte für die Film- und Fernsehwirtschaft

in NRW. Jetzt können sich hiesige Produzenten

auf neue Art mit britischen Kollegen vernetzen.

Die Verbindungen werden durch das Projekt

„Creatives Go UK“ geknüpft, das am 30. Juni

auf dem medienforum.nrw vorgestellt wird

– in Anwesenheit britischer Experten. Für den

17. bis 19. November steht dann eine Koope-

rationskonferenz in London auf dem Plan.

„Creatives Go UK“ ist eine gemeinsame Initia-

tive des AHP Creative’s Desk und der

Stabsstelle Medien der Stadt Köln. Weitere

Partner sind der VFFVmedia, das Medien-

cluster NRW und die IHK Köln. Weitere In-

fos gibt es auf http://tinyurl.com/Creati-

vesGoUK

Hörspielpreis der Kriegsblinden

Ausgezeichnete Hörcollagezum Mauerfall

„Niemand würde behaupten, dass die Welt untergeht, wenn die Sen-

der ein Hörspiel weniger im Jahr produzieren. Ich bin dieser Niemand.“

Thilo Reffert, der diesjährige Preisträger des Hörspielpreises der

Kriegsblinden nutzte seine Dankesrede für eine Liebeserklärung an

das Radio und ein Plädoyer für das Hörspiel, denn – so Reffert: „Es gibt

den Stimmen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden.“ Überreicht

wurde der Hörspielpreis, der vom Bund der Kriegsblinden

Deutschlands und der Filmstiftung NRW vergeben wird, durch

den Bundesvorsitzenden Dieter Renelt am 6. Juni in Bad Godesberg.

Reffert erhielt den Preis für sein vom MDR produziertes Stück „Die Si-

cherheit einer geschlos-

senen Fahrgastzelle“, in

dem er – vermischt mit

damaligen O-Tönen

und unterlegt mit ei-

nem gewitzten Kom-

mentar– die Reise seiner

Mutter und seiner

Schwester wiederholt,

die sich am 9. Novem-

ber 1989 in einem

Wartburg von Magde-

burg aus in Richtung

deutsch-deutscher

Grenze aufmachten.

„Das Stück ist ein klei-

nes Denkmal für zwei

Frauen, die gezeigt haben, dass Geschichte sich nicht ereignet, son-

dern dass man sie gestalten kann“, lobte denn auch Anna Dünne-

bier, die Vorsitzende der Jury, Refferts Hörspiel-Collage in ihrer Lau-

datio. Detlef Rentsch, stellvertretender Hörfunkdirektor des MDR,

betonte in seiner Rede, dass der Preisträger erst der siebte ostdeutsche

Autor ist, der mit dem Hörspielpreis bedacht wurde, und erinnerte an

die Verleihung 1967, als die Auszeichnung an den DDR-Autor Rolf

Schneider ging und für politische Verstimmung sorgte. NRW-Staats-

sekretär Michael Mertes schloss sich in seiner Wertschätzung des

Mediums dem Preisträger an: „Die öffentlich-rechtlichen Sender müs-

sen und können sich die Kunstform Hörspiel leisten.“

Der 1970 in Magdeburg geborene Reffert schreibt seit 2000 Thea-

ter- und Hörstücke und ist der 59. Preisträger des Hörspielpreises der

Kriegsblinden. Zu den vor ihm ausgezeichneten Autoren gehören u.a.

Christoph Schlingensief, Heinrich Dürrenmatt und Elfriede

Jelinek.

VFFVmedia: Lounge geöffnetAuf dem medienforum.nrw eröffnet der Verein VFFVmedia er-

neut seine Produzentenlounge, in der am 29. Juni Sendeverantwort-

liche über Programmbedarfe sprechen. Referenten sind u.a. Katja Ho-

fem-Best, Geschäftsführerin des ProSiebenSat1-Senders Sixx, und

Wolfgang Pütz, Programmchef des österreichischen Senders Ser-

vus TV. Die Moderation übernimmt Elisabeth Neumann vom Me-

dienbüro Rheinland.

VffVmedia, Tel. (0221) 57775-0; [email protected]

Dokus: Programmtipps aus dem Netz Für ihre neue Website www.allesbestens.org durchforsten die Me-

dienjournalisten Susanne Wankell, Brigitte Knott-Wolf und Fritz

Wolf von Düsseldorf aus die TV- und Radioprogramme auf der Su-

che nach Dokumentarfilmen und Radiofeatures. Ihre Fundstücke prä-

sentieren sie „durchaus subjektiv“ und ohne Quotenorientierung als

regelmäßige Programmtipps auf ihrem Portal, das den schönen Un-

tertitel „Hören und Sehen für Fortgeschrittene“ trägt. Angestrebt ist,

neben den Kritikern auch die Autoren der vorgestellten Dokus und Fea-

tures zu Wort kommen zu lassen. Für interessierte User gibt es die Mög-

lichkeit, einen Newsletter mit Doku- und Featureempfehlungen zu abon-

nieren.

In seiner Kolumne „gestern, heute, morgen“ blickt

der Kölner Filmjournalist Heiko R. Blum

im Newsletter zurück und nach vorne

und widmet sich dabei sowohl aktu-

ellen Filmthemen als auch Geschichten

abseits des Tagesgeschäfts. Anlässlich

des Gastlandes Spanien beim Internationalen

Filmkongress erzählt er vom Aufbruch iberischer

Filmemacher nach Francos Tod.

Filmkultur aus Barcelona

Barcelona im Juli 1978: Es ist ein drückendheißer Sommer. Wenige Ki-

lometer von Taragona entfernt war gerade ein Benzinlaster in einen

Campingplatz gerast und hatte ein Blutbad angerichtet. General Franco

war knapp drei Jahre tot, da begann im Filmgeschäft des Landes eine Auf-

bruchstimmung. Während die Produzenten in Madrid die Kinos mit Hi-

storien-, Horror- und Pornofilmen bombardierten, wurde Barcelona zum

Zentrum einer alternativen Filmkultur. Dort verstand man schon früh, die

strenge Zensur unter Franco zu umgehen.

Der Filmkünstler Ventura Pons, Jahrgang 1945, hat mehr als 20 Fil-

me gedreht, die sich vorwiegend mit gesellschaftlichen Außenseitern, vor

allem mit Homosexuellen, beschäftigten, wie das schwul-lesbische Dra-

ma „Früchte der Liebe“ oder das Psychodrama „Geliebter Freund“. Sein

herausragender Stil wurde auf fast allen internationalen Festivals gerühmt

– vor allem auf der Berlinale.

Pons lebt in einer bescheidenen Wohnung mitten in seiner Geburts-

stadt Barcelona. Hier treffen wir uns zu einem Gespräch. Neben dem gro-

ßen, überladenen Schreibtisch steht ein Schneidetisch, an dem er uns sei-

nen letzten Film vorführt. Es ist der Dokumentarfilm „Ocana“, der auf dem

Filmfestival in Cannes in der Reihe „Un Certain Regard“ große Beachtung

fand und prämiert wurde. Pons lässt einem homosexuellen Maler völli-

ge Freiheit, sich über sein hartes Leben und das Verständnis von der Welt

auszudrücken. Man sieht Ocana in einer Art selbst inszenierten Drag-

Queen-Prozession singend und halbnackt die Rambla entlanglaufen. We-

nige Jahre nach den Dreharbeiten dieses aufregenden Porträts stirbt Oca-

na auf tragische Weise.

Pons hatte – wie er sagt – in einer so genannten Freiheit nach zehn Jah-

ren Theaterarbeit seinen ersten Film gedreht. „Ich versuchte, immer wich-

tige Ideen im Kleinen umzusetzen, wie übrigens viele meiner Kollegen – et-

wa Pedro Olea, im Gegensatz zum Trivialkino meiner Kollegen aus Madrid.“

Zu Beginn der neunziger Jahre wurden dann Regisseure wie Bigas Lu-

na, Fernando Trueba oder Pedro Almodóvar bekannt. Trueba erhielt 1993

für die erotische Komödie „Belle Epoque“ mit Penélope Cruz einen Os-

car, Almodóvar wurde 2000 für den besten fremdsprachigen Film („Al-

les über meine Mutter“) und 2003 für das beste Original-Drehbuch („Sprich

mit ihr“) mit dem Akademiepreis ausgezeichnet. Zur Mitte des Jahrzehnts

trat eine neue Generation von Filmemachern in Erscheinung, unter ihnen

Julio Médem und Isabel Coixet. Schon die Erstlingsfilme der so genann-

ten „neuen Welle“ erregten in der internationalen Cineasten-Szene be-

sonderes Interesse. Andere Regisseure richteten ihren Blick auf Spanien,

indem sie etwa einer mystischen Naturbetrachtung (Julio Médem mit „Va-

cas – Kühe“), einem Rückgriff auf den Film Noir (Alejandro Amenábar mit

„Faszination des Grauens“) oder einem sozialkritischen Realismus (Iciar Bol-

laín und León de Aranoa) frönten, der durchaus auch heitere Töne an-

schlagen konnte. Wenige Jahre später waren diese Regisseure dann welt-

weit so bekannt, dass sie in internationalen Großproduktionen Hollywood-

stars wie Nicole Kidman (Alejandro Amenábars „The Others“, 2001) oder

Tim Roth (Isabel Coixets „The Secret Life of Words“, 2005) für Hauptrol-

len verpflichten konnten. Und Fernando León de Aranoa, der solide er-

zählte und hervorragend gespielte Sozialdramen dreht, konnte sich 2002

beim Filmfestival in San Sebastián für seine Tragikomödie „Montags in der

Sonne“ den Hauptpreis abholen.

newsletter 4/2010 – Meldungen8

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Heiko R. Blum, Foto: Heike Herbertz

Claudia Droste-Deselaers (Filmstiftung, l.), Jury-Vorsitzende Anna Dünnebier und Dieter Renelt (Bund der Kriegsblinden, r.) mit dem diesjährigen Preisträger Thilo Reffert. Foto: Heike Herbertz

• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 8

Dt. Kamerapreis: DieNominierungen stehenInsgesamt 35 Kameraleute und Editoren sind in sechs

Kategorien für den 20. Deutschen Kamerapreis

nominiert, der am 27. Juni im Rahmen des medien-

forum.nrw in Köln verliehen wird. In der Kategorie Ki-

nospielfilm darf dabei Feo Aladags geförderte NRW-

Produktion „Die Fremde“ auf zwei Preise hoffen. Sowohl

Kamerafrau Judith Kaufmann als auch die Editorin

Andrea Mertens sind für die renommierte Auszeich-

nung vorgeschlagen. Sie konkurrieren dabei u.a. mit Ka-

meramann Martin Gschlacht und dessen Bildgestal-

tung für Shirin Neshats „Women without Men“, mit

der Kameraarbeit von Rainer Klausmann für „Soul

Kitchen“ von Fatih Akin sowie mit Patrick Epplers

Montage von „Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung“.

In der Kategorie Kurzfilm sind zwei Produktionen der

Kunsthochschule für Medien Köln nominiert: Für

den Kurzfilm „dresdenprag“ erhielten sowohl Kamera-

mann Matteo Coco als auch Editor Frederik Geis-

ler eine Nominierung, während Editorin Sabine Her-

pich auf die Auszeichnung für ihre Arbeit an „Wanna-

Be“ hoffen darf.

Eine komplette Liste der Nominierten stellt die Web-

site www.deutscher-kamerapreis.de zum

Download bereit. Eine Auswahl der nominierten Pro-

duktionen läuft auch in diesem Jahr wieder im Rahmen

des Festivals Großes Fernsehen am 26. und 27. Ju-

ni im Kölner Cinedom. Der Ehrenpreis des Deutschen

Kamerapreises geht in diesem Jahr übrigens an die Fir-

ma ARRI, „das Synonym für großes Kino“, so Chri-

stoph Augenstein, Geschäftsführer des Vereins Deut-

scher Kamerapreis Köln e.V.

Den haben Sie garantiert noch nicht gesehen. 38 verschiedene Farbkombinationen von Dach und Karosserie, farblich abgestimmteFelgen, ausgefallene Dachdesigns und unzählige Interieur-Varianten machen nahezu jeden CITROËN DS3 zu einem Unikat.Noch mehr Einzigartiges entdecken Sie am besten bei einer ausgiebigen Probefahrt.

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Meldungen – newsletter 4/2010

A N Z E I G E

9

Der kleine Cem (Nizam Schiller) beim Freitagsgebet: Szene aus dem Film „Die Fremde“, der für zwei Kamerapreise nominiert ist. Foto: Majestic

• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 9

newsletter 4/2010 – Meldungen10

ImpressumHerausgeberin:Tanja Güß

Chefredakteur: Rüdiger Bertram

CvD: Anna Koskoda

Redaktion: Oliver Baumgarten, Katharina Blum, Peter Hanemann (A.R.T.)Wolfgang Hippe (A.R.T.)Christian Seebaum

Autoren dieser Ausgabe: Uwe Mies, Michael Dlugosch, Anna Koskoda,Günter Jekubzik, Heiko R.Blum, Frank Olbert, Heike Meyer-Döring (ME-DIA), Uwe Scheele

Redaktionsassistenz: Lena Kraan

Gestaltung/Layout: alfred friese + inrhein

Titel:„Women without Men“; Foto: NFP

Redaktionsschluss:4. Juni 2010

Anzeigenbetreuung:Lena Kraan,Tel. (0211) 9305024

Anzeigenschluss für die nächste Ausgabe:6. Juli 2010

Der newsletter ist kostenlos und kann bei der Filmstif-tung NRW wahlweise alsPrint-Version oder als PDFabonniert werden.

Sobald das PDF zumDownload zur Verfügungsteht, werden Sie per Mailinformiert.

Die Berücksichtigung vonTerminen richtet sich nachdem Erscheinen desNewsletters im Internet.

Das kann leider dazu füh-ren, dass Termine bereitsüberholt sind, wenn dieDruckausgabe des News-letter ausgeliefert wird, bietet aber die größt-

mögliche Aktualität für die Download-Nutzer. Wir bitten dafür um Verständnis.

Danke an alle Produzenten, Sender & Verleiher für ihre Unterstützung und die Bilder zu ihren Filmen.

Tel.: (0211) 93 05 00Fax: (0211) 93 05 085Kaistraße 1440221 Dü[email protected]

Kate Winslet galt schon vor „Der Vorleser“

in ihrem Heimatland nicht nur als Star, sondern

auch als Wirtschaftsfaktor. Mit Hilfe eines nach

ihr benannten Algorithmus belegte das UK

Film Council ihren Wert für die heimische Fil-

mindustrie. Ein Ergebnis, dem Thorsten Hen-

nig-Thurau problemlos folgen kann, denn mit

Zahlenkolonnen kennt sich der gelernte

Betriebswirt ebenso aus wie mit dem

Filmgeschäft. Seit dem Jahr 2000 befasst er sich

mit „Erfolgsfaktoren des Films“. Der Ansatz des

Professors für Marketing ist international, denn

er lehrt nicht nur an der Westfälischen Wil-

helms-Universität in Münster, sondern auch

an der City University of London und hat

den US-Markt fest im Blick. Nach der Analyse

von bisher etwa 2.000 Filmen hat der Market-

ing-Experte gut 300 Faktoren herausdestilliert,

mit deren Hilfe er den Kassenerfolg eines Films

vorhersagen kann. Seine mögliche Fehlerquote

liegt derzeit bei rund 20 Prozent. Immerhin sei

das besser als vergleichbare Quoten bei der Ein-

führung von Joghurt oder Bier, tröstet er.

Sein Konzept geht von der Annahme aus,

ebenso berücksichtigt wie „uninformierte Infor-

mationskaskaden“ (Mund-zu-Mund-Propa-

ganda) oder einfache ökonomische Kennzahlen

– etwa auf wie vielen Leinwänden der Film

gelaufen oder wie hoch sein Werbebudget ist.

Am Ende steht die Formel BEV = (RPS - RPO) x

0,4886. Das Kürzel BEV bedeutet den Wert der

Marke, RPS das prognostizierte Einspielergeb-

nis, RPO das eines zum Vergleich herangezo-

genen Films. Die sogenannte OLS-Regression,

ein statistisches Verfahren, minimiert

Schätzfehler. Der Faktor 0,4886 entspricht dem

durchschnittlichen Anteil der Gesamteinnahmen

über alle Verwertungskanäle, der an das Film-

studio fällt. Mathematikern dürfte das etwas

sagen, deutsche Filmproduzenten sind dagegen

noch etwas skeptisch. „Sie glauben, ihr Wert

liege darin, das Gefühl für einen guten Filmstoff

zu haben“, meint Hennig-Thurau. „Wenn ein

Algorithmus nun ein besseres Näschen hätte,

wären sie ihren Job los.“ Dabei gesteht er dur-

chaus zu, dass ein Kunstwert einzigartig ist, aber

„als Produkt folgt es auf dem Markt eben

ökonomischen Regeln“. Auch wenn es „unfass-

bar schwierig“ sei, bestimmte Faktoren wie et-

wa den aktuellen 3D-Trend messbar zu machen,

ist der „Blockbuster-Professor“ doch verhalten

optimistisch. Sein Resümee: „Ein toller Film kann,

muss aber nicht finanziell erfolgreich zu sein.“

dass Marken für das

Pub l i kum immer

wichtiger werden. „Die

erfolgreichsten Filme“,

so Henning-Thurau,

„sind deshalb Fortsetzungen von Kinoerfolgen

sowie Adaptionen von Büchern, Comics und

Videospielen.“ Qualität spiele „natürlich“ eine

Rolle, auch die „kulturelle Nähe“ zum Thema.

Eine Schlüsselvariable ist „Star-Power“, d.h. der

durchschnittliche Umsatz der letzten drei Filme

der Hauptdarsteller. Die Filmkritik wird von ihm

FilmSchauPlätze

Open-Air-Kino querdurch NRW

Sommer, laue Abende und Kino unter freiem

Himmel: Das kann man dank der Filmstiftung

NRW in diesem Sommer wieder an 13 Orten in

NRW erleben, wenn diese sich in FilmSchauPlät-

ze verwandeln. Neun davon liegen am Rhein-Her-

ne-Kanal, der in diesem Sommer zum Kulturka-

nal wird. Die Filmstiftung kooperiert dabei mit

dem KulturKanal, einem Projekt der Kulturhaupt-

stadt Europas RUHR.2010. Die Filmpalette spannt

in diesem Jahr einen großen Bogen über ameri-

kanische Blockbuster bis zu europäischem Auto-

renkino und deutschen Komödien.

Die Filme sind immer auf den Ort der Vorfüh-

rung abgestimmt: Die Fußballkomödie „Männer

wie wir“ läuft etwa im Stadion Niederrhein, „Zu-

rück in die Zukunft II“ auf dem Rathausvorplatz

in Heiligenhaus. Lokale Partner bieten dazu ein

buntes Rahmenprogramm an: So wird der Open-

Air-Kinoabend zu einem besonderen Erlebnis. Ein

kurzer Vorfilm, der in NRW produziert wurde, läu-

tet jeden Abend ein. Bei allen Filmvorführungen

ist der Eintritt frei.

Das detaillierte Programm zu allen Veranstal-

tungen (Organisation: Anna Fantl) ist zu finden un-

ter: www.filmschauplaetze.de.

25. AugustRecklinghausen; Stadthafen The Beach

Der Star als Wirtschaftsfaktor: Kate Winslet undDavid Kross in „Der Vorleser“. Foto: Senator

Erfolgsformel aus Münster:BEV = (RPS - RPO) x 0,4886

Donnerstag, den 24. Juni

Takiye – Spur des Terrors

in Kooperation mit derFilmstiftung NRW19:30 - 21.00 UhrWDR, 90 Min.

Metalocalypse

21:30 - 22:45 UhrTurner Broadcasting SystemDeutschland, 6 x 11 Min.

Freitag, den 25. Juni

Die letzten 30 Jahre

in Kooperation mit derFilmstiftung NRW19:00 - 20:30 UhrWDR, 90 Min.

Geschichte der Ozeane

21:00 - 22:30 UhrZDF, 90 min.

Samstag, 26. Juni

Lost in Religion

11:00 - 11:55 UhrGebrueder BeetzFilmproduktion, 52 Min.

The Day After

13:30 - 14:20 UhrNational Geographic Channel,50 Min.

Leverage

15:00 - 16:30 UhrVOX, 2 x 42 Min.

Solange du schliefst

17:00 - 18:30 UhrZDF, 90 Min.

Go West - Freiheit um

jeden Preis

19:00 - 21:10 UhrProSieben, 126 Min.

Zone of Separation

21:45 - 24:00 UhrRTL Crime, 2 x 60 Min.

SPECIAL: DEUTSCHER

KAMERAPREIS 2010

(Nominierte Beiträge)16:00 - 21:30 Uhr

Sonntag, den 27. Juni

Auf den Spuren der

Samurai

11:00 - 12:30 UhrHISTORY, 90 Min.

Dance Academy

13:00 - 13:50 UhrZDF, 2 x 23 Min.

The No. 1 Ladies

Detective Agency

14:30 - 16:20 UhrHBO, 110 Min.

Der Uranberg

17:00 - 18:30WDR, 90 Min.

Die Akte Golgatha

19:00 - 20:30 UhrRTL, 90 Min.

You Don`t Know Jack

21:00 - 22:30 UhrHBO, 90 min.

SPECIAL: DEUTSCHER

KAMERAPREIS 2010

(Nominierte Beiträge)13:00 - 16:30 Uhr

Mehr Infos unter

www.medienforum.nrw.de

Festival Großes Fernsehen im Kölner Cinedom im Rahmen des medienforum.nrw

TV auf der Leinwand

Stipe Erceg (l.) und Erhan Emre in „Takiye“, dem Eröffnungsfilmdes Festivals Großes Fernsehen. Foto: WDR/Bernd Spauke

13. JuliDatteln; Grünanlagen

zwischen Rathaus und Hermann-

Grochtmann-Museum 12 m ohne Kopf

21. JuliWuppertal; Historisches ZentrumTanzträume

• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 10

13. JuliDatteln

Grünanlagen zwischen Rathaus und Hermann-Grochtmann-Museum

12 m ohne Kopf

14. JuliEssen

SchurenbachhaldeRenn, wenn du kannst

15. JuliCastrop-Rauxel

RiadDie Fremde

16. JuliGelsenkirchen

NordsternparkDie Päpstin

20. JuliRamsdorf

Freibad Mamma Mia

21. JuliWuppertal

Historisches ZentrumTanzträume

22. JuliHerne

Künstlerzeche Unser Fritz 2/3Bang Boom Bang

1. AugustOberhausen

Stadion NiederrheinMänner wie wir

2. AugustWaltrop

Schiffshebewerk Henrichenburg Fluch der Karibik I

24. AugustHeiligenhaus

Rathausplatz Zurück in die Zukunft II

25. AugustRecklinghausen

Stadthafen The Beach

27. AugustHamm

Martin-Luther-PlatzDer Vorleser

29. AugustBottrop

Altes Ruderhaus am Rhein-Herne-Kanal

Lauf um Dein Leben

29. AugustBottrop; Altes Ruderhaus

am Rhein-Herne-Kanal Lauf um Dein Leben

27. AugustHamm; Martin-Luther-PlatzDer Vorleser

25. AugustRecklinghausen; Stadthafen The Beach

24. AugustHeiligenhaus; Rathausplatz Zurück in die Zukunft II

2. AugustWaltrop; Schiffshebewerk

Henrichenburg Fluch der Karibik I

1. AugustOberhausen; Stadion NiederrheinMänner wie wir

22. JuliHerne; Künstlerzeche Unser Fritz 2/3Bang Boom Bang

16. JuliGelsenkirchen; NordsternparkDie Päpstin

15. JuliCastrop-Rauxel; Riad

Die Fremde

14. JuliEssen; SchurenbachhaldeRenn, wenn du kannst

FilmSchauPlätze – newsletter 4/2010

20. JuliRamsdorf; Freibad Mamma Mia

11

• letter104_01-13 11.06.2010 13:48 Uhr Seite 11

Zehn Jahre Documentary Campus“ – so

lautet das Motto des nächsten interna-

tionalen Symposiums, das der Verein Do-

cumentary Campus e.V. vom 10. bis 12.

September 2010 für die europäische Do-

kumentarfilmbranche in München organi-

siert. Geplant ist ein Pitching Forum sowie

Case Studies, Podiumsdiskussionen, Scree-

nings und vieles mehr. Anmeldungen sind

unter www.documentary-campus.com

möglich.

50 Seminare, Symposien und Work-

shops mit international renommierten Ex-

perten hat Documentary Campus bereits für

Dokumentarfilmschaffende in den letzten

Jahren organisiert, um sowohl Profis als

auch talentierte Nachwuchskräfte an den

internationalen Markt für Non-Fiction-Pro-

gramme heranzuführen und konkurrenzfä-

hig zu machen. Das Herzstück von Docu-

mentary Campus ist die neunmonatige Ma-

sterschool, die im Rahmen von vier ein-

wöchigen Workshops in unterschiedlichen

europäischen Städten stattfindet. Europa-

weit werden 15 Teilnehmer (Autoren, Re-

gisseure, Produzenten und Redakteure) aus-

gewählt, um unter professioneller Betreu-

ung ihre dokumentarischen Projekte für ein

internationales Publikum zu entwickeln. Da-

zu bietet die Masterschool ein marktnahes

Training in den Bereichen Drehbuchentwick-

lung, internationale Koproduktion, Finan-

zierung und Vertrieb. Anschließend gibt es

ein Abschlusspitching. Zusätzlich kann ein

Praktikum in einer internationalen Produk-

tions- oder Vertriebsfirma absolviert werden.

Anmeldeschluss ist der 30. Septem-

ber 2010. Die Bewerbung ist mit bis zu

zwei Projekten möglich.

Ergänzend zur Masterschool betreibt

Documentary Campus die Web-Plattform

www.reelisor.com, die mit einem Bran-

chenkalender, Nachrichten, Links und Fort-

bildungsangeboten die Doku-Community

auf dem Laufenden hält und zusätzlich die

Möglichkeit bietet, neue Projekte und Trai-

ler der internationalen Branche vorzustel-

len.

70 Prozent der Masterschool-Projekte

wurden bislang realisiert, darunter einige

Dokumentarfilme aus NRW. Zwei werden

aktuell produziert: „Taste the Waste“ von

Produzent und Regisseur Valentin Thurn

(Thurnfilm) und Koproduzentin Astrid

Vandekerkhove (SCHNITTSTELLE,

Köln) sowie „White Blood“ von Regine

Dura, eine internationale Koproduktion der

Kölner Lichtblick Film- und Fernseh-

produktion. Für die MEDIA-Seite des

Newsletters erzählen die Teilnehmer von ih-

ren Erfahrungen.

Warum haben Sie sich fürdie Teilnahme am Documentary-Campus-Programm entschie-den? Regine Dura: Ich hatte zuvor zwei

Jahre in London gearbeitet, u.a. in der Stoff-

entwicklung und im Dokumentarfilmbe-

reich. Aus London brachte ich die Idee für

meinen Dokumentarfilm mit und die Neu-

gierde auf eine internationale Mischung und

den geballten Erfahrungsaustausch, den der

Documentary Campus versprach.

Jeden ersten Montag im Monat treffen sich

Schauspieler in Berlin, Hamburg, München

und Köln zum BFFS-Stammtisch. Mit über

1.350 Mitgliedern ist der 2006 gegründete

Bundesverband der Film- und Fernsehschau-

spieler heute nicht nur der größte Interessen-

verband seines Berufszweiges, sondern auch

der gesamten nationalen Film- und Fernsehin-

dustrie. Die Zahl der Berufsschauspieler in

Deutschland kann nur geschätzt werden. Hein-

rich Schafmeister, Mitglied des BFFS-Vorstandes,

beziffert für 2007 die Zahl der sozialversiche-

rungspflichtigen Beschäftigten in der Berufs-

gruppe Darstellende Künstler laut Institut für Ar-

beitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bun-

desagentur für Arbeit (BA) auf 20.141, wozu

neben Schauspielern auch Bühnenleiter, Regis-

seure, Sänger, Tänzer und künstlerische Bühnen-

hilfen gehören.

Man kann also von 10.000 professionellen

Schauspielern ausgehen, die auf der Bühne wie

vor der Kamera versuchen, von diesem Beruf

so gut wie möglich zu leben. Die Zahl der deut-

schen Schauspieler, die hauptsächlich in Film

und Fernsehen arbeiten, schätzt der BFFS auf

5.000.

Die Entwicklung der Arbeitsbedingungen

innerhalb dieser Berufsgruppe sieht Florian Stieh-

ler, Pate des Kölner BFFS-Stammtisches, proble-

matisch: Gagen gingen zurück, die Szenen oder

Einstellungen pro Drehtag seien dagegen stei-

gend. Diese Situation ginge zwangsläufig zu La-

sten der Qualität.

„Anstelle von qualitativ hochwertigen Fil-

men werden preiswertere Formate mit Richtern

und Köchen gesendet. Eine fatale Entwicklung!

Auf lange Sicht werden diese Sender ihre Kund-

schaft verlieren, sie werden austauschbar. Dau-

erhafte Kundenbindung erreicht man nur durch

Identifikation mit einem hochwertigen Pro-

dukt!“, sagt auch Julia Beerhold, Mitglied des

BFFS-Vorstandes.

Für Filmschauspieler im mittleren und un-

teren Gagenbereich spricht der BFFS von 50 Pro-

zent Einkommenseinbußen. Sondergagen und

Buy-out-Verträge gehören zum Alltag. Dieser

Einkommensrückgang, so Rolf Berg, Pate des

Kölner BFFS-Stammtisches, sei nicht nur auf die

allgemeine wirtschaftlich schwierige Situation

zurückzuführen. „Ich wüsste nicht, welche Bran-

che noch mit solchen Einkommenseinbußen

rechnen muss“, so Berg.

In Fachkreisen wird im fiktionalen Bereich

von einem Produktionsrückgang von 20 bis 30

Prozent (TV-Movies 30 bis 40 Prozent) ausge-

gangen, so die Einschätzung des Janus Film-Pro-

duzenten Ivo Beck. Der Werbeetat der privaten

Sender ist in der zweiten Jahreshälfte 2008 um

sieben Prozent, für 2009 um weitere elf Prozent

eingebrochen (QUELLE: Goldmedia, TNS Infra-

test, erstellt von Journalist Guido Schneider im

Auftrag von acht Landesmedienanstalten). Die

öffentlich-rechtlichen Sender mussten im Jahr

2008, so der Geschäftsbericht der GEZ, einen

Rückgang der Gebühreneinnahmen von 38,4

Millionen Euro verkraften: Dennoch betrug das

Gebührenaufkommen immer noch 7,26 Milli-

arden Euro.

Bei der ARD wurde laut Bericht der Kom-

mission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der

Rundfunkanstalten (www.kef-online.de) im Zeit-

raum 2005 bis 2008 nur ca. 40 Prozent für den

Programmaufwand verwendet, einschließlich

aller Übertragungsrechte für Sportveranstaltun-

gen, Shows und anderer non-fiktionaler Forma-

te. Der BFFS sieht darin einen Missstand und ei-

ne Gefährdung des Sendeauftrages.

Wenn schon die Einnahmerückgänge durch

sinkende Produktionskosten kompensiert

werden, sollte zumindest eine Beteiligung der

Auswertungskaskade in Betracht gezogen wer-

den: DVD-Verkauf, Folgevergütungen etc. Theo-

retisch in allen Tarifverträgen der öffentlich-

rechtlichen Sender vorgesehen, wird diese aber

praktisch schlichtweg nicht angewendet. Zum

Vergleich: In den USA erkämpfte die Screen Ac-

tors Guild (SAG) eine Mindestgage für Schau-

spieler. So wird der Schauspieler nicht nur ab-

gesichert, sondern u.a. durch Auslandsverkäu-

fe auch am Erfolg seines Projekts beteiligt.

Dabei ist der Schauspieler-Nachwuchs be-

sonders hart betroffen durch den Rückgang der

Investitionen in fiktionale Stoffe. Jedes Jahr drän-

gen schätzungsweise 200 Abgänger von den

staatlichen Schauspielschulen sowie rund 600

bis 800 von den privaten Schauspielschulen und

Coaching-Instituten auf den Markt. Heinrich

Schafmeister sagt dazu: „Das wirklich Schlim-

me ist: Die Branche greift nur ab. Das heißt, sie

sät nicht, sie erntet nur. Was, bitteschön, tun

öffentlich-rechtliche Sender für den Nach-

wuchs?“

Ähnlich sieht es Antje Mairich, Patin des Köl-

ner BFFS-Stammtisches: „Ich habe das Gefühl,

dass die Produktionen Angst haben, neue Ge-

sichter zuzulassen. Aus Angst, nicht mehr ge-

nug Geld zu bekommen, greifen sie auf die im-

mer gleichen Schauspieler zurück – für die sie

andererseits auch höhere Gagen bezahlen müs-

sen und der Kuchen nicht gerecht verteilt wird.“

Dabei kann laut Michael Darkow von der

Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) gar

nicht bewiesen werden, dass ein berühmter

Schauspieler zwangsläufig auch Quote bringt.

Zum Abschluss des Stammtisches fasst

Heinrich Schafmeister noch einmal den Auftrag

des BFFS zusammen: „Wir haben uns auf die

Fahne geschrieben, Lohndumping und Arbeits-

bedingungen als Verband zu thematisieren und

anzugehen. Wir wollen bessere Arbeitsbedin-

gungen und Qualität. Wir wollen, dass unsere

Arbeit Wert hat, wir wollen sie wertschätzen,

und dann wollen wir auch Wert schöpfen.“

newsletter 4/2010 – Meldungen/MEDIA12

Antje Mairiches, Florian Stiehler, Julia Beerhold,Brien Dorenz, Heinrich Schafmeister und Rolf Berg(v.l.) beim BFFS-Stammtisch. Foto: casting-network

Zu Besuch beim Kölner BFFS-Stammtisch

ZuwenigGeld –zu vielTalent ?

VON TINA THIELE

• letter104_01-13 11.06.2010 13:49 Uhr Seite 12

Valentin Thurn: Aus Interesse am

Entwickeln einer Filmidee für ein internatio-

nales Publikum. Natürlich auch wegen des

Drucks auf dem heimischen Markt – die TV-

Budgets werden immer kleiner.

Mit welchem Projekt warenSie dabei?RD: Eingereicht hatte ich ein Projekt,

das mir am Herzen lag: „White Blood“. Es

erzählt die Geschichte eines rassistischen

afrikaansen Adoptionsunternehmens, dem

es 1948 gelang, abgesegnet durch deut-

sche Länderparlamente, 83 Kinder aufgrund

ihres „arischen Blutes“ nach Apartheid-Süd-

afrika zu verschiffen, wo sie in politisch

rechtsgerichteten burischen Familien auf-

wuchsen. Entgegengesetzt zur offiziellen

Version eines Kinderhilfsprogramms, das un-

terernährten deutschen Kriegswaisen eine

Zukunft geben wollte, war der eigentliche

Plan, das „schwarze“ Südafrika „weiß“ zu

bevölkern – mit „arischem Blut und guten

Genen“.

VT: Unser Projekt „Taste the Waste“

ist ein Dokumentarfilm über die globale Ver-

schwendung von Lebensmitteln.

Das Programm besteht ausvier Workshops, inklusive einesAbschlusspitchings, und einemPraktikum. Welche Erfahrungenhaben Sie damit gemacht? RD: Am interessantesten und spiele-

rischsten war für mich der „Storytelling“-

Workshop, in dem unsere Filmgeschichten

in immer neuen kleinen Pitching-Runden

zerpflückt wurden. In euphorischen Mo-

menten tauchte eine neue Perspektive am

Horizont auf, in deprimierten Zwischenzei-

ten lösten sich die Geschichten auf. Am En-

de war am Wichtigsten, offen zu sein und

sich selbst nicht zu ernst zu nehmen.

VT: Tolle Stimmung, gute Mischung

von Seminar-Orten in ganz Europa. Straf-

fes Programm, durchaus auch anstrengend.

Und ein emotionaler Hype zur Vorbereitung

der Pitches, wahrscheinlich notwendig, aber

sehr stressig, vor allem, wenn man das, wie

wir, noch nicht kennt. Auf ein Praktikum ha-

ben wir aus Zeitgründen verzichtet, unser

Projekt stieß direkt auf konkretes Interesse

von Seiten einer ganzen Reihe von Redak-

teuren, so dass wir keine vier Wochen nach

dem Abschlusspitch in Leipzig schon ein

zweites Mal auf dem Filmfestival in Amster-

dam ebenfalls erfolgreich pitchen durften.

Was hat dasProgramm Ihnen ge-bracht? RD: Ich habe während

des Documentary Campus

meine Redakteurin kennenge-

lernt, ein Glücksfall, und es ist

ein kleines Netzwerk an blei-

benden Kontakten und wich-

tigen Freundschaften daraus

entstanden, die mich und mei-

ne Arbeit am Projekt seither

begleiten.

VT: Das Wissen, wie

man TV-Sender in anderen

Ländern anspricht. Die Ernüch-

terung, dass das internationa-

le Geldsammeln äußerst

mühsam ist. Und die Bereiche-

rung, dass eine internationa-

le Bühne auch das eigene Filmprojekt öff-

net und auf eine höhere Ebene bringt.

Inwiefern ist die Teilnahmeam Documentary-Campus-Pro-gramm auch für Produzentensinnvoll?Astrid Vandekerkhove: Ein Team

Regisseur/Produzent ist ideal. Man kann als

Regisseur mit einer guten Idee auch allei-

ne starten, aber das Programm setzt den Fo-

kus auf den internationalen Markt und die

damit verbundenen Herausforderungen an

Produzenten, z.B. rechtliche Aspekte, der

Vertrieb oder die Senderlandschaft. Als Re-

gisseur/Produzenten-Duo kann man außer-

dem sofort gemeinsam die veränderten An-

forderungen an Regie und Produktion dis-

kutieren und auf ihre Machbarkeit abklop-

fen. Unser Projekt hat sich z.B im Laufe der

Masterschool immer weiter verändert, ist

größer geworden. Außerdem ist es für je-

den Produzenten spannend, den interna-

tionalen Markt kennenzulernen und durch

das Pitching-Training die bestmöglichen Ver-

kaufsargumente an den Start zu bringen.

Empfehlenswert für alle, die reinschnuppern

wollen: Im Anschluss an die Masterschool-

Workshops findet immer an einem Wo-

chenende eine „Open Training Session“

statt, an der jedermann teilnehmen kann.

Die Teilnahmegebühr ist moderat, das Vor-

tragsprogramm intensiv.

In welchem Entwicklungs-stadium befindet sich Ihr Projektaktuell? RD: Augenblicklich sind wir im

Schnitt, im Dezember haben wir in Südafri-

ka gedreht, im Juni folgt ein kurzer Dreh in

Deutschland.

VT: Wir haben gerade mit dem Dre-

hen begonnen. Die Zeit zwischen dem Ab-

schluss der Masterschool und dem Drehbe-

ginn war damit extrem kurz: nur fünf Mo-

nate. Der weitere Zeitplan erfordert von uns

jetzt auch höchste Konzentration und gu-

te Organisation, denn die ARD und rund

zehn weitere europäische Sender wollen

bereits rund um den „World Food Day“ am

16. Oktober 2010 senden.

Wem empfehlen Sie die Teil-nahme am Documentary Cam-pus? Mit was für einem Projektsollte man sich bewerben? RD: Ich finde, es soll sich jeder bewer-

ben, der an sein Projekt glaubt. Mitbringen

sollte man, wie bei allem, Neugierde und

einen langen Atem.

VT: Unbedingt vorher überlegen, wel-

ches Thema sich für ein internationales Pu-

blikum eignet. Also universelle Themen, die

möglichst einen grenzüberschreitenden Be-

zug haben, oder wenn nicht, dann so au-

ßergewöhnlich sind, dass es ein Interesse

über die Ländergrenzen hinaus rechtfertigt.

Die Campus-Jury wählt jedes Jahr eine brei-

te Mischung aus. Sie reicht von jungen

Nachwuchskräften, die gerade erst die Film-

hochschule abgeschlossen haben, bis zu ge-

standenen preisgekrönten Filmemachern,

die aber noch keine Erfahrung auf dem in-

ternationalen Markt haben.

Produzenten-

unterstützung:

TV-Ausstrahlung

28. Juni

Finanzierungs-

förderung i2i

Audiovisual

7. Juli

Vertrieb:

Selektive Verleihför-

derung

1. Juli

Video On

Demand / Digital

Cinema

Distribution

21. Juni

Promotion:

Marktzugang

30. Juni für Aktionen,

die zwischen dem

1. Januar 2011 und dem

31. Mai 2011 beginnen.

Training:

Continuous Training

9. Juli

Aktuelle MEDIA-Einreichtermine:

MEDIA newsletter 1/2009 13

Documentary Campus Masterschool

Ein Programm für Absolventenund alte Hasen

Valentin Thurn, Foto: SCHNITT-STELLE Köln / Thurnfilm

Regine Dura, Foto: privat

Astrid Vandekerk-hove, Foto:SCHNITTSTELLE Köln / Thurnfilm

„White Blood“: 1948 erreichte ein Schiffmit 80 blonden und blauäugigen KindernKapstadt, um mit „arischem Blut“ die weiße Minderheit aufzufrischen. Foto: privat

„Taste the Waste“: Ein Dokumentarfilm überdie globale Verschwendung von Lebensmitteln. Foto: SCHNITTSTELLE Köln / Thurnfilm

• letter104_01-13 11.06.2010 13:49 Uhr Seite 13

AV-Gründer-zentrum NRW: Staffelübergabe

„Staffelübergabe“ sei ein schöner Begriff, sagt

Kai Rosenkranz. „Er symbolisiert einen Fluss,

der niemals endet“, so der Geschäftsführer der

Nevigo GmbH und einer der Stipendiaten

2009 des AV-Gründerzentrums NRW, die

Ende Mai verabschiedet wurden und die Staf-

fel an die neuen Stipendiaten 2010 übergaben.

14 junge Gründer und Gründerinnen wurden

2009 mit einem finanziellen Zuschuss von bis

zu 10.000 Euro und einem umfangreichen Be-

ratungsprogramm unterstützt. Bisher waren es

zehn junge Unternehmer aus dem audiovisuel-

len Bereich, 2009 erstmals 14, weil vier weite-

re Stipendienplätze für die Bereiche Neue Me-

dien und Games vergeben werden konnten.

Rosenkranz selbst ist jemand, der im Grenz-

bereich zwischen Film und Games arbeitet. Aus

dem Stipendium heraus haben sich für ihn vie-

le wichtige Kontakte ergeben. Außerdem wur-

de ein Forschungsprojekt gegründet, das den

Technologietransfer der beiden Bereiche ergrün-

den will. „Das Stipendium hat meinen Horizont

erweitert“, sagt der 29-Jährige. Dank der hete-

rogenen Gruppe könne man viel voneinander

lernen. Das erhofft sich auch Kristina Löb-

bert, Produzentin der neuen Boogie-Film

und eine der 14 Gründerinnen, die 2010 in den

Genuss des Stipendiums kommen. Die 34-Jäh-

rige erhofft sich Unterstützung dabei, „eine un-

ternehmerische Vision zu entwickeln“. Sie

scheint auf einem guten Weg zu sein: In diesem

Jahr realisiert ihre Filmfirma mit „Romeos“ be-

reits den ersten Spielfilm.

Dass sich das AV-Gründerzentrum seit sei-

nem Start 2006 bewährt hat, darüber waren

sich bei der Feierstunde im Kölner Rathaus al-

le einig. Oberbürgermeister Jürgen Roters

versprach, die Unterstützung durch die Stadt

Köln auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten

fortzusetzen, und hofft, dass „die Stipendiaten

Köln erhalten bleiben“. NRW-Medienminister

Armin Laschet lobte den Willen zu wirtschaft-

lichem Aufstieg, die Innovationskraft und Krea-

tivität gerade der kleinen Unternehmen und

drückte allen Stipendiaten die Daumen, dass sie

ihre Träume verwirklichen können. Für Claudia

Droste-Deselaers, Geschäftsführerin der

Filmstiftung NRW, zeige sich der Erfolg des

AV-Gründerzentrums auch darin, dass von den

bisherigen 58 Stipendiaten noch 56 am Markt

seien. Horst Schröder, Geschäftsführer des

AV-Gründerzentrums, stellte anschließend die

14 neuen Stipendiaten vor und fand persönli-

che Worte, warum ihn die Bewerbungen über-

zeugt hätten. Die Palette der diesjährigen Grün-

der reicht vom Werbefilmer bis zu einer Produk-

tionsfirma für naturwissenschaftliche Dokus. Das

Land habe wegen der Stipendien für Games und

Neue Medien die Projektmittel um 50 Prozent

angehoben und gibt künftig 50.000 Euro zu-

sätzlich. Schröder: „Wir sind für die Zukunft ge-

rüstet.“

ifs: Summer Schoolmit UCLA

Mit zwei „ifs-Begegnungen Film“ begrüßt die

ifs internationale filmschule köln den

Frühsommer 2010. Am 15. Juni ist der Regis-

seur Niki Stein zu Gast, der zwischen dem 12.

und 16. Juni an der ifs einen Workshop für

Schauspieler gibt. Im Filmforum NRW läuft zu-

nächst sein Film „Die Konferenz“, ein Ensemble-

film von 2004 mit Senta Berger, Nina Pe-

tri und Günther Maria Halmer, gefolgt von

einem Filmgespräch mit Holger Borggrefe.

Eine Woche später, am 22. Juni, wird die Sum-

mer School „People on Sunday“ vorgestellt, ei-

ne Kooperation der ifs mit der UCLA Univer-

sity of California Los Angeles School of

Theatre, Film and Television. Gezeigt wird

zunächst der semidokumentarische Kinofilm

„Menschen am Sonntag“, bei dem 1930 spä-

tere Größen wie Billy Wilder, Curt und Ro-

bert Siodmak sowie Edgar G. Ulmer und

Fred Zinnemann zusammen arbeiteten. Im

Anschluss an das Screening präsentieren beide

Schulen ihr Projekt „People on Sunday“, eine

Summer School, in der deutsch-amerikanische

Teams in Anlehnung an den Klassiker in Köln un-

terwegs sein werden, um das aktuelle Lebens-

gefühl in der Großstadt in Kurzfilmen zu spie-

geln. Diese erste Summer School beider Film-

schulen findet vom 21. Juni bis 31. Juli in Köln

statt. Zu den renommierten Professoren der

UCLA School of Theatre, Film and Television ge-

hört der Filmwissenschaftler und Journalist Jan-

Christopher Horak. Präsentiert von der ifs

wird er am 24. Juni im Filmforum NRW einen

multimedialen Vortrag halten zum Thema „Film

und Avantgardekunst/Design: Saul Bass“. Die in

Englisch abgehaltene Veranstaltung bildet den

Auftakt zur neuen Reihe „Intermediale Lektio-

nen“ des Filmforums NRW, die im Herbst star-

tet und den kreativen Austausch zwischen Film

und anderen Künsten in den Mittelpunkt stellt.

Mit einem Screening, zwei Panels und einem

Info-Stand wird die ifs am 26. und 27. Juni beim

Medienfest präsent sein, das während des me-

dienforum.nrw im Kölner Mediapark statt-

finden wird. Während bei der moderierten Film-

vorführung am 26. Juni um 15 Uhr im

Filmhaus Kino vier aktuelle Kurzfilme von

Studenten bzw. Absolventen der Schu-

le zu sehen sein werden („21 kHz“ von

Alexandra Brodski, „Anderthalb“

von Anne Maschlanka, „Gisberta“

von Lisa Violetta Gaß und „Der ma-

gische Umhang“ von Claudia Rein-

hard), richten sich die beiden Panels vor

allem an potenzielle Neustudenten.

„Content für mobile Anwendungen“

heißt es am 26. Juni, während tags dar-

auf der neue Bachelor-Studiengang „Ka-

mera – Director of Photography“ vorge-

stellt werden wird. Der ifs-Infostand befindet sich

an beiden Tagen im Mediapark 7, Komed-Saal.

Und auch Interessenten für den Studien-

gang „Editing Bild & Ton“ können sich noch

im Sommer über das Studium informieren, das

zum Sommersemester 2011 starten wird. Am

16. Juli wird in den Räumen der Filmschule ei-

ne entsprechende Informationsveranstaltung

stattfinden. Für die Bewerbung haben Interes-

senten dann anschließend noch bis zum 1. Ok-

tober Zeit. Der Eintritt zu allen hier vorgestell-

ten Veranstaltungen ist frei. Nähere Informatio-

nen unter www.filmschule.de bereit.

ifs, Tel. (0221) 9201880;

[email protected]

KHM: Rundgang im JuliGleich vier Studenten der Kunsthochschu-

le für Medien Köln freuten sich über Aus-

zeichnungen bei den Internationalen Kurz-

filmtagen in Oberhausen. Der NRW-Wettbe-

werb wurde zu einem KHM-Heimspiel, da alle

drei Preise an Studierende der Kunsthochschu-

le gingen: Den von der NRW-Bank mit 1.000

Euro dotierten ersten Preis sprach die Jury Flo-

rian Riegel für seinen Diplom-Dokumentar-

film „Holding Still“ zu. Auf Platz zwei landete

Angelique Dubois’ Leverkusen-Western „Le-

genden“, während Lars Henning eine Loben-

de Erwähnung für seinen mit Elodie Bouchez

besetzten „Driving Elodie“ zugesprochen wur-

de. Eine weitere Lobende Erwäh-

nung schließlich erhielt Ingo Mo-

nitor von der Jugendjury des Festi-

vals für seinen Diplomfilm „Eni“.

Mitte Juli endet das Sommerse-

mester 2010 und wird gekrönt mit dem „Rund-

gang 2010 an der KHM“, ein Programm mit

Ausstellungen, Filmvorführungen, Konzerten

und Performances. Eröffnet wird das Sommer-

festival am 15. Juli in der Aula der Kunsthoch-

schule für Medien und dauert bis zum 18. Juli

an. Der Rundgang wird die Besucher auf einen

medial begleiteten Spaziergang durch die ver-

schiedenen Gebäude führen, auf die sich die

KHM verteilt: von der Mediathek im historischen

Overstolzenhaus am Rheingraben durch den

Neubau und „glasmoog“, den Ausstellungsraum

der KHM, bis zu den Räumlichkeiten entlang des

Filzengrabens. Ab Anfang Juli steht das detail-

lierte Programm online unter www.khm.de.

KHM, Tel. (0221) 201890;

[email protected]

ifs mit Spieltrieb

Im Jahre 2009 wurde an der Fachhochschu-

le Köln durch Gundolf S. Freyermuth und

Björn Bartholdy das Cologne Game Lab

gegründet, das seither in enger Zusammenar-

beit mit der ifs internationale filmschule

köln betrieben wird. Ziel des Instituts ist die Ent-

wicklung und Erforschung interaktiver Inhalte

sowie die Ausbildung für die Games-Branche.

Mithilfe der jüngst erfolgten Projektförderung

durch Medien.NRW wollen Cologne Game

Lab und ifs den Wissensaustausch zwischen

Film- und Games-Branche weiter forcieren und

die plattformübergreifende Entwicklung narra-

tiver Inhalte vorantreiben. So werden sie ge-

meinsam auf der internationalen Spieleentwick-

ler-Fachkonferenz GDC Europe im August ei-

ne Podiumsdiskussion zum Thema „What Ga-

me Education Can Learn from Film Education

(and vice versa)“ präsentieren. Außerdem bie-

tet das Cologne Game Lab ab Herbst 2010 den

künstlerisch-wissenschaftlichen Masterstudi-

engang „Game Development and Re-

search“ an, in dem neue Erzählformen wie das

„Interactive Drama“ eine zentrale Rolle spielen.

Die Bewerbungsfrist läuft bis zum 1. Juli. Mehr

Infos unter www.colognegamelab.de.

Cologne Game Lab, Tel. (0221)

82753095; [email protected]

New Talents in KölnVom 12. bis 20. Juni werden an über 20 Orten

in der Kölner Innenstadt Nachwuchskünstler aus

den Sparten Medienkunst, Film, Musik und De-

sign Einblicke in ihre Arbeiten geben. Die 2. Aus-

gabe der New Talents Biennale Köln stellt

mit ihrem Programm mehr als 50 Absolventen

der Kölner Kunsthochschule für Medien,

der ifs internationale filmschule, der

Hochschule für Musik und Tanz und der

International School of Design sowie der

Düsseldorfer Robert Schumann Hochschu-

le und der Kunstakademie vor. Zudem sind

internationale Gäste aus den europäischen Kul-

turhauptstädten 2010 geladen.

Das Programm im Bereich Film verteilt sich

auf drei Termine (13./16./18. Juni) und findet im

Filmforum NRW sowie in der Filmpalette statt.

Neben szenischen Lesungen zweier Drehbücher

der ifs-Studenten Lukas Pilz und René Schu-

macher stehen vor allem aktuelle Kurzfilme von

ifs- und KHM-Absolventen auf dem Pro-

gramm, darunter Festivalerfolge wie „Gisberta“

von Lisa Violetta Gaß oder „man stirbt“ von

Patrick Doberenz und Philipp Enders. Die

anschließenden Publikumsgespräche mit den Fil-

memachern moderiert Film-Dienst-Chefre-

dakteur Horst Peter Koll. Das gesamte Pro-

gramm ist online abzurufen unter www.

newtalents-cologne.de.

newsletter 4/2010 – Auf dem Sprung14

Daniela Schulz in „21kHz“ von AlexandraBrodski: Der Kurzfilm läuft am 26. Juni imFilmhaus Kino. Foto: ifs

„Legenden“ von Angelique Duboiswurde in Oberhausen ausgezeichnet.Foto: KHM

Staffelübergabe der Stipendiaten des AV-Gründerzentrums bei der Feierstunde

im Kölner Rathaus. Foto: M. Grande

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 14

eigene Stoffe zu entwickeln – und auch: wel-

che Stoffe mich interessieren.“ Also ergreift sie

selbst die Initiative, hat im Frühjahr gemeinsam

mit Ko-Autor Max Permantier das Exposé für ei-

nen Langfilm entwickelt, ein Science-Fiction-

Kammerspiel über Weltraumtouristen, deren

Reise einen desaströsen Verlauf nimmt. Und

schreibt außerdem mit Joseph Lippok an einer

schwarzen Komödie über Terrorismus. „Unse-

re Gegenwart unter die Lupe nehmen und sub-

versiv unterhalten“ sei ihr Ziel, sagt Bogdana Ve-

ra Lorenz. „Und ich glaube grundsätzlich nicht,

dass es Gut und Böse gibt.“ Oder eben: nur bei-

des zusammen. Wie bei dem Ethiklehrer, des-

sen Moral endet, wenn der Adrenalinrausch be-

ginnt.

vor dem Abitur – im Teppichlager gejobbt und

als Regaleinräumerin im Supermarkt, später im

Call Center eines Zeitungsverlages und im Früh-

stücksservice eines Hotel. Ihr Vater, der in der

DDR zunächst nicht studieren durfte und des-

halb Betonfacharbeiter gelernt hat, brachte ihr

Fliesenlegen, Mauern und Holzarbeiten bei –

ganz praktische Erfahrungen, die ihr heute hel-

fen, auch in schwierigen Situationen die Ruhe

zu bewahren.

Wie die Laufbahn als Regisseurin nun wei-

tergehen wird? „Am Anfang des Studiums hat-

te ich die Vorstellung: Man studiert, macht ei-

nen guten Abschlussfilm, und dann kommt ein

Produzent und bietet einem einen tollen Stoff

an, der zu einem passt.“ Die Jungregisseurin

muss lachen. „Aber im Laufe des Studiums ha-

be ich dann verstanden, dass es dazu gehört,

bei einer Berliner Fotografin fortführte. Aber:

„Weil ich in dieser Theaterwelt aufgewachsen

bin, war das, was ich am wenigsten machen

wollte, Kunst. Ich wollte dieses Universum gar

nicht betreten, weil ich dachte: Alle anderen sind

große Künstler und haben viel zu sagen, ich

muss die Welt überhaupt erst mal verstehen.“

Als diese Welt dann zugänglich wurde, die Mau-

er zwischen den beiden deutschen Staaten fiel,

war Bogdana Vera Lorenz gerade Teenagerin.

„Das Wendeerlebnis hat die Welt komplett auf

den Kopf gestellt, die Erfahrung zweier Syste-

me prägt seitdem meinen Blick auf die Dinge“,

erinnert sie sich.

Heute sieht Bogdana Vera Lorenz in den

Um- und Seitenwegen, die sie beschritten hat,

Vorteile, weiß sie die zusätzliche Berufs- und Le-

benserfahrung zu schätzen. So hat sie – noch

Es sei weniger die Gewalt gewesen, die sie

an der Geschichte von „Heimspiel“ (Dreh-

buch: René Schumacher) interessiert habe, sagt

Bogdana Vera Lorenz, als vielmehr das Doppel-

leben des Lehrers Vossen, der nach außen ei-

nen Schein aufrechterhält, der mit der Wirklich-

keit nichts zu tun hat. „Und ich wollte unbe-

dingt die höchstmögliche Herausforderung.“

Denn die Produktion – gefördert von der Film-

stiftung NRW und dem CNA Centre national

de l’audiovisuel Luxembourg – hatte es in sich:

80 Komparsen, aufwändige Prügelchoreogra-

fien, zehn Drehtage mit straffem Zeitplan, der

keine Ausreißer zuließ, da Hauptdarsteller Wo-

tan Wilke Möhring zeitgleich auch bei einer Pro-

duktion in Erfurt vor der Kamera stand und pen-

deln musste.

„Die Aufgabe, diese vielschichtige Geschich-

te zu erzählen und zum ersten Mal mehr als drei

Leute vor der Kamera zu inszenieren, habe ich

mir innerhalb der Schule zugetraut. Weil ich hier

auch Fehler machen konnte – und jemand da

war, der mich auffängt“, sagt die Regisseurin.

Allzu viele Fehler können es dann aber nicht ge-

wesen sein, wie die Einladungen nach Dresden,

Lünen, Saarbrücken, Oberhausen und jetzt auch

nach Straßburg und Tel Aviv beweisen.

Die in Ost-Berlin geborene Bogdana Vera

Lorenz absolvierte nach einem vorzeitig been-

deten Studium der Linguistik, Ethnologie und

Kulturwissenschaft zunächst

ein Volontariat als Journali-

stin, arbeitete anschließend

bei einem Berliner Privatsen-

der als Fernsehredakteurin.

Aber dann musste sie feststel-

len, dass etwas Wichtiges

fehlt. „Dann hat ein guter

Freund mir die richtige Frage

gestellt: Welche Geschichten

willst Du wirklich erzählen?

Und da habe ich gemerkt, dass ich Filme ma-

chen möchte und hier alles zusammen kommt,

was ich liebe – die Arbeit mit Bildern, mit Spra-

che und Musik, mein Interesse an Politik und

vor allem das gemeinsame schöpferische Arbei-

ten.“ Neben Jobs bei diversen Film- und Fern-

sehproduktionen als Praktikantin, Setaufnahme-

leitungs-Assistentin oder 3. Regieassistenz ent-

standen danach zwei Kurzfilme. Der eine han-

delt von einem Mann, der den Weg aus dem

Parkhaus nicht mehr findet, dabei eine merk-

würdige Begegnung hat und feststellen muss,

dass er eigentlich schon tot ist. Der andere er-

zählt eine märchenhafte Liebesgeschichte zwi-

schen einem Versicherungsvertreter und einer

Malerin. „Das war für mich ein Einstieg“, sagt

Bogdana Vera Lorenz, „und ich habe hilfreiches

Feedback zu meiner Arbeit bekommen. Das hat

mich ermutigt.“ Es folgte die Bewerbung an der

ifs – internationalen filmschule köln und das

dreijährige Regiestudium dort, das im Novem-

ber 2009 endete.

Dabei hätte, rückblickend betrachtet, der

Weg zur Regie viel kürzer sein können, ent-

stammt Bogdana Vera Lorenz doch einer aus-

gesprochenen Künstlerfamilie: Schon ihr Groß-

vater war Puppenspieler, ihre aus Bulgarien

stammende Mutter Bühnenbildnerin, Puppen-

theaterregisseurin und Theaterwissenschaftle-

rin, ebenso wie der Vater, der heute noch an

der Berliner Hochschule für Schauspielkunst

Ernst Busch Puppenspielkunst unterrichtet. Bog-

dana spielte Cello und Klavier, seit sie fünf war,

begann mit sieben zu fotografieren, was sie spä-

ter, neben dem Studium, mit einer Ausbildung

In der Schule spricht Ethik-Lehrer Vossen über „Auge um Auge und Zahn um Zahn“. Nach der

Schule tauscht er Theorie gegen Praxis und prügelt sich als Hooligan, bis die Knochen knacken.

„Heimspiel“ heißt der Abschlussfilm der ifs-Absolventin Bogdana Vera Lorenz, der im April den

Preis der deutschen Filmkritik als „Bester Kurzfilm 2009“ gewann und am 28. Juni im Showcase

des Internationalen Filmkongresses zu sehen ist.

Porträt Bogdana Vera Lorenz

Erfahrung aus zwei SystemenVON CHRISTIAN SEEBAUM

Auf dem Sprung – newsletter 4/2010 15

Bogdana Vera Lorenz, Foto: Kai Schulz

Prügelnder Ethiklehrer: Wotan Wilke Möhringspielt die Hauptrolle in „Heimspiel“. Foto: Kai Schulz

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 15

Das spanische Kino befinde sich „in einem

seiner schlechtesten Momente”, wetter-

te kürzlich der Chef des Fernsehsenders Tele-

cinco, Alejandro Echevarría. „Gewisse Produ-

zenten können und wollen kein unternehme-

risches Risiko eingehen und setzen voll auf Sub-

ventionen.” Er hatte sich mal wieder darüber

geärgert, dass sein Sender fünf Prozent seiner

Einnahmen in spanische und europäische Film-

produktionen investieren muss. Seit zehn Jah-

ren verlangt das der spanische Gesetzgeber von

allen TV-Sendern, die Filme ausstrahlen, die

nicht älter als sieben Jahre sind. 921 Millionen

Euro flossen auf diese Weise seither in spani-

sche Produktionen. Mit 50 Millionen Euro hat-

te Telecinco 2008 den Löwenanteil zu leisten,

noch vor dem öffentlich-rechtlichen TVE mit

37,5 Millionen Euro. Doch während TVE in die

Breite fördert und auch kleinere, anspruchsvol-

le Filmprojekte unterstützt, fließt das Geld der

Sender Telecinco und Antena 3 über ihre eige-

nen Produktionsfirmen in große, kommerziel-

len Erfolg versprechende Projekte.

Mit seiner Einschätzung der spanischen

Filmlandschaft liege der Telecinco-Chef völlig da-

neben, fand wenig überraschend der Präsident

des Verbands der Filmproduzenten (FAPAE), Pe-

dro Pérez. Die Einspielergebnisse im vergange-

nen Jahr hätten vielmehr den Aufschwung der

spanischen Filmindustrie belegt. In der Tat konn-

ten die 4.082 Kinosäle im Land, rund 300 we-

niger als vor vier Jahren, den freien Fall der Zu-

schauerzahlen stoppen und mit rund 110 Mil-

lionen verkauften Karten erstmals wieder leicht

zulegen. Die Einspielergebnisse stiegen nach An-

gaben des spanischen Filminstituts ICAA sogar

um gut acht Prozent auf 671 Millionen Euro.

Diese Mehreinnahmen sind sicher auch eine Fol-

ge des Booms der 3D-Leinwände: 311 waren

es Ende April dieses Jahres.

Marktanteil 2009: 15,6 Prozent

Aber auch der spanische Film legte zu. Nach-

dem 2008 kein gutes Jahr war und auch die in-

ternationalen Filmverkäufe stark rückläufig wa-

ren, änderte sich der Trend im vergangenen Jahr

dank der Kassenschlager „Ágora”, „Planet 51”

und „Celda 211”, die sich auch im Ausland gut

verkauften. Spanische Filme machten in spani-

schen Kinos mit einem Einspielergebnis von

104,4 Millionen Euro wieder deutlich mehr Kas-

se als im Vorjahr (plus 28 Prozent), ihr Markt-

anteil stieg von 13,2 auf 15,6 Prozent. Aber dem

Telecinco-Chef ging es mit seinen Äußerungen

wohl eher um die Flut von produzierten Filmen:

186 waren es 2009, davon 122 Spielfime, 60

Dokumentarfilme und vier Animationsfilme –

mehr als je zuvor. Und mit den Filmen ist auch

die Zahl der Produktionsfirmen innerhalb von

zehn Jahren von 64 auf 217 rasant gestiegen.

Viele davon finanzieren ihre Projekte mit

Subventionen des zum Kulturministerium ge-

hörenden Filminstituts ICAA, Beteiligungen der

Sender und Darlehen der staatlichen Kreditbank

ICO. 67 Millionen Euro stellte das ICAA 2008

zur Verfügung, 30 Millionen Euro flossen als

Darlehen und 50 Millionen Euro als vom Kas-

senerfolg abhängige Abschreibungshilfen. Auf

diese Weise können auch die großen Publikums-

erfolge auf öffentliche Gelder setzen. Maximal

800.000 Euro waren das bisher je Film. ICAA-

Leiter Ignasi Guardans will jetzt diese Hilfe auf-

grund der Sparzwänge der aktuellen Haushalts-

lage auf 400.000 Euro halbieren. Die akkumu-

lierten Mittel aus verschiedenen Fördertöpfen

sollen pro Film auf 1,5 statt bisher zwei Millio-

nen Euro begrenzt werden. Das entspricht der

Hälfte der Durchschnittskosten einer spanischen

Filmproduktion. „Verschmerzlich” findet FAPAE-

Präsident Pérez die Sparpläne von Guardans.

Scharf ins Gericht geht er jedoch mit Telecin-

co-Chef Echevarría. Der verkenne die Realität,

denn „die Gruppe, die er vertritt, erhält fünfmal

mehr öffentliche Gelder als die angeblich von

Subventionen profitierenden Produzenten”.

51 Koproduktionen in 2009

Die Global Player unter den spanischen Produk-

tionsfirmen, Telecinco Cinema und Antena 3

Films, erhalten nicht nur aufgrund der Kassen-

erfolge ihrer Blockbuster öffentliche Gelder, sie

beanspruchen auch einen Großteil der Investi-

tionen der Fernsehsender. So wurde die Tele-

cinco-Produktion „Ágora” von Regisseur Alejan-

dro Amenábar mit 50 Millionen Euro zum teu-

ersten Film der spanischen Filmgeschichte. Mit

3,4 Millionen Zuschauern und einem Einspiel-

ergebnis von 20,6 Millionen Euro bewegt sich

der monumentale Historienfilm auf Augenhö-

he mit den großen Hollywood-Produktionen,

die auch in Spanien den Markt bestimmen

(2009: 71,57 Prozent).

Mit nur fünf Produktionen, darunter mit

dem Knast-Thriller „Celda 211” (Regie: Daniel

Monzón) und der Persiflage „Spanish Movie”

zwei weitere Kassenschlager, erzielte die Tele-

cinco Cinema im vergangenen Jahr 36,8 Mil-

lionen Euro und einen Marktanteil von 35 Pro-

zent. Ihr folgt mit 21,5 Millionen Euro Einspiel-

ergebnis die Antena 3 Films, die neben zwei gut

besuchten Komödien mit dem Animationsfilm

„Planet 51” von Javier Abad, Jorge Blanco und

Marcos Martínez den weltweit erfolgreichsten

spanischen Film auf den Markt brachten. Als Ko-

produktion mit den USA und Großbritannien

hergestellt, ist der Film der größte Erfolg von ins-

gesamt 51 Koproduktionen in 2009. Während

britische Produzenten neben französischen, ita-

lienischen und deutschen schon länger zu den

bevorzugten Partnern des spanischen Films zäh-

len, hatte sich die Zusammenarbeit auf dem

amerikanischen Kontinent bisher stark auf Ar-

gentinien und Mexiko konzentriert. So hat Spa-

nien Anteil am derzeitigen Boom des lateiname-

rikanischen Kinos. Mit Guillermo de Toro ist ei-

ner der erfolgreichsten mexikanischen Regisseu-

re in Spanien als Regisseur und Produzent tä-

tig. Der in diesem Jahr Oscar-gekrönte Film „El

secreto de sus ojos” des argentinischen Regis-

seurs Juan José Campanella ist eine spanisch-

argentinische Koproduktion, an dem die um-

triebige Tornasol Films aus Madrid beteiligt war,

die im vergangenen Jahr elf Spielfilme produ-

zierte. Darunter weitere Koproduktionen mit La-

teinamerika und den spanischen Kassenschla-

ger „Mentiras y gordas” des jungen, in die Fuß-

stapfen des frühen Almodóvar tretenden Regis-

seur-Duos Alfonso Albacete und David Menkes.

Dass beim Geld bekanntlich der Spaß auf-

hört, hatte vor den Ausfällen des Telecinco-

Chefs im letzten Herbst eine Gruppe von Filme-

machern und Produzenten bewiesen. In einem

Brief an die EU-Kommission monierten sie, ei-

ne Novelle im spanischen Kinogesetz benach-

teilige kleine Produktionen. Brüssel blockierte

daraufhin alle Fördermittel des ICAA. Drehvor-

haben gerieten in Verzug, es gab böse Worte

von Regisseur und Produzent Gerardo Herrero

(Tornasol Films) über „Subventionsschmarotzer,

die Filme machen, die keinen interessieren”. En-

de Januar wies die EU die Einwände gegen das

Kinogesetz zurück, die Gelder des ICAA wur-

den freigegeben. Die Verzögerung ging in er-

ster Linie zu Lasten der kleinen Produktionen.

newsletter 4/2010 – Ausblick: Internationaler Filmkongress16

Das Programm der Filmstiftung NRW in Köln (26. – 29.6.)

Alle Filme, Diskussionen und Termine

Samstag, 26. Juni

KinoSpecials im Cinenova

18:30 Uhr Eröffnung Internationaler Filmkongress

SATTE FARBEN VOR SCHWARZ von Sophie Heldman

Sonntag, 27. Juni

KinoSpecials im Filmforum NRW

11:00 Uhr YUMURTA–EI, Regie: Semih Kaplano`́glu

14:00 Uhr SÜT–MILCH, Regie: Semih Kaplano`́glu

19:30 Uhr WOMEN WITHOUT MEN, Regie: Shirin Neshat

Montag, 28. Juni

Staatenhaus am Rheinpark, Lounge der Filmstiftung NRW, Koelnmesse

14:00 – 17:00 Uhr Locations und Motive in NRWVorstellung Kreis Düren als 35. Filmstadt und Eröffnung der Fotoausstellung der Siegerbilder des Wettbewerbs „Auf der Suche nach dem perfekten Motiv“

KinoSpecials im Filmforum NRW

17:00 Uhr SHOWCASEder ifs internationale filmschule köln, Kunsthochschule für Mund Fachhochschule Dortmund in Kooperation mit Unlimited,im Anschluss Gespräch mit Semih Kaplanoglu

19:30 Uhr BAL–HONIG, Regie: Semih Kaplano`́glu

Dienstag, 29. Juni

Paneldiskussionen im Staatenhaus am Rheinpark, raum

10:00 – 11:30 Uhr Technik vs. Content – 3D als neu

11:30 – 13:00 Uhr Filmland Spanien – Koproduktio

14:00 – 14:30 Uhr Crossmediale Produktion: InternKeynote Wendy Bernfeld, Rights Stuff BV

14:30 – 15:30 Uhr Vertriebswelt Internet – Filmdistribution und Verwertung im Netzin Kooperation mit der MEDIA Antenne Düsseldorf und dem film & fernsehproduzentenverband nrw e.V.

15:30 – 17:00 Uhr Ästhetische Innovation und neuin Kooperation mit der ifs und der KHM

Alle Infos, Termine und Daten en détail auch unter

www.filmstiftung.de/filmkongress

Das Filmland Spanien ist im Gegensatz zu Südamerika für viele deutsche Filmemacher terra incognita. Um mehr über das

Gastland des Internationalen Filmkongresses zu erfahren, haben wir den Filmjournalisten Uwe Scheele, der in Spanien lebt

und arbeitet, um eine kurze Einführung in die iberischen Sitten und Filmgebräuche gebeten.

Filmland Spanien

Aufschwung mitKassenschlagern

VON UWE SCHEELE

Teuerster Film derspanischen Filmge-schichte: „Ágora“ vonAlejandro Amenábar.Foto: Ascot Elite

I N T E R N A T I O N A L E R F I L M K O N

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 16

Welche Bereicherung brachteIhnen als Künstlerin in Sachen Foto-grafie und Video-Installation die Ar-beit an einem Spielfilm?

Das Kino als Kunstform hat mich schon im-

mer begeistert, weil es Geschichten erzählt. Und

genau dieser Aspekt war für mich die größte

Herausforderung. Denn mit Bildern, auch Be-

wegtbildern, hatte ich ja schon Erfahrung. Des-

halb war der Schritt von der konzeptuellen

Kunst hin zu Bildfolgen in erzählerischem Zu-

sammenhang besonders spannend für mich.

Sie hatten sich des Romans„Women without Men“ der irani-schen Schriftstellerin Sharnush Par-sipur bereits in Form der Video-In-stallation angenommen.Ja, insofern war ich bereits mit multime-

dialen Konzepten vertraut, und ich wusste auch,

dass Bewegtbildfolgen einen Anfang, eine Mit-

te und ein Ende verlangen. Diese Arbeiten wa-

ren aber noch sehr abstrakt und weit entfernt

von konventionellem Filmemachen. Aber es war

eine lehrreiche Vorstufe für meinen Spielfilm.

Es heißt ja: Ein Bild erzähltmehr als 1.000 Worte.Deshalb habe ich die Dialoge auch so

knapp wie möglich gehalten und der Aus-

druckskraft der Schauspieler vertraut.

Nun haben Sie sich einen sehrkomplexen Roman zur filmischenAdaption ausgesucht.Offen gestanden ging es mir eher so, dass

dieses Buch meiner bisherigen Arbeitsweise

durchaus entgegen kam, weil die Erzählstruk-

tur auf Dualitäten baut. Und dieses Konzept hat-

te ich zuvor schon erprobt, indem ich Männ-

lich gegen Weiblich stellte oder Natur mit Kul-

tur kontrastierte. Im Roman „Women without

Men“ wird etwa das Persönliche gegen die Ge-

sellschaft gestellt, Magie reibt sich mit Realis-

mus. Aber es ist alles in einen erzählerischen

Rahmen gefasst. Insofern konnte ich mit ge-

wohnten Komponenten arbeiten und hatte

diesmal sogar eine Geschichte dabei.

Beschreiben Sie bitte Ihr Kon-zept der Farbgebung.Dafür habe ich mich an Fotografien aus

den frühen 1950er Jahren orientiert, die ur-

sprünglich schwarzweiß waren und dann von

Hand coloriert wurden. Diesen künstlichen Look

wollte ich für die Traumsequenzen im Film er-

reichen. Die Gartenszenen wiederum sollten fast

schwarzweiß wirken, aber ich habe die Farben

lediglich abgeschwächt, weil der Garten ja le-

bendig und heimelig erscheinen sollte. Aber

grundsätzlich mag ich Farben nicht besonders,

und deshalb wurden alle kräftigen Töne für den

Film abgeschwächt.

Der ganze Film wirkt wie einTraum.Ach ja? Ich hatte eher auf eine Art Zwi-

schenbereich aus Magie, Traum und Psyche ge-

hofft; zumindest bewegt der Film sich auf ver-

schiedenen Ebenen und soll den Zuschauer ent-

sprechend auf eine Reise führen.

Welche Zielgrup-pe hoffen Sie, mit demFilm zu erreichen?Zunächst einmal sind da

die iranischen Zuschauer und

dann ganz generell Menschen,

die sich für Kino und Kunst in-

teressieren. Der Film ist eigent-

lich nicht auf einen elitären Zu-

schauerzirkel hin gemünzt und

könnte auch Leute erreichen, die

eigentlich nicht eine Galerie oder

ein Museum besuchen, um sich

meine Arbeiten anzuschauen.

Eine Veröffentlichung im Iranselbst ist da eher unwahrscheinlich?In Kinos ist das mit Sicherheit so. Aber es

gibt ja die Filmpiraten, und die haben den Film

bereits via Internet und mit Raubkopien dort in

Umlauf gebracht. Tatsächlich haben Iraner den

Film schon vor dem Kinostart in den USA in ih-

rem eigenen Land sehen können. Darüber bin

ich sehr froh. Denn Filme werden gemacht, da-

mit sie gesehen werden. Und dieser Film ent-

stand nicht, um Geld zu machen.

Gewisse Darstellungen vonNacktheit im Film dürften auch fürdas amerikanische Publikumschwierig sein.Oh ja, vor allem die Szene, wenn sich die

junge Frau in der Badeanstalt schrubbt. Solche

Szenen werden als verstörend empfunden und

sind für die meisten Amerikaner nicht akzepta-

bel. Im Iran ist die Lage einfacher: Darstellun-

gen von Nacktheit oder Sexualität sind schlicht

und ergreifend verboten.

Die visuelle Gestaltung erinnertan surrealistische Gemälde.Für mich ist der Film ein Gedicht. Seine al-

legorischen und symbolischen Bilder unterstrei-

chen das. Zugleich helfen diese lyrischen Stil-

mittel, die recht dunklen politischen Aspekte et-

was abzumildern.

Sehen Sie da eine geistige Ver-wandtschaft zwischen Ihrem Filmund „Persepolis“?Doch, allein schon deshalb, weil Marja-

ne Satrapi auch einen experimentellen Weg be-

schritt, indem sie ein neues Medium für sich

nutzte. Allerdings hat sie dabei Bilder aus ih-

rem eigenen, autobiografisch gefärbten Buch

in Film umgewandelt. Wir dagegen hatten ei-

ne Fremdvorlage, aus der heraus erst unsere

Filmadaption geschaffen werden musste. Ge-

meinsam ist beiden Filmen aber, dass sie

schwere Erfahrungen auf eine menschliche

Ebene herunterbrechen.

Gibt es persönlichen oderkünstlerischen Austausch mit ande-

ren iranischen Filmema-chern wie Abbas Kiarostamioder Mohsen Makhmalbaf?

Ja, wir sind miteinander be-

freundet. Und wenngleich wir in

verschiedenen Ländern leben,

kommen wir zu passenden Gele-

genheiten zusammen. Allerdings

unterscheidet sich deren Arbeits-

weise sehr von meiner, weil sie

konkret auf Realismus zielt, was

bei mir ja nicht der Fall ist. Außer-

dem leben einige Filmemacher im

Iran und haben insofern einen an-

deren Blick aufs Land als ich.

Eine Vernetzung mit Blick aufpolitischen Austausch ist nicht ge-geben?Nein, dem ist nicht so.

Werden Sie einen weiterenSpielfilm drehen?Ja, ich habe gerade meine Zusage auf die

Filmrechte an einem armenischen Roman des

Dichters und Schriftstellers Ismael Kadir gege-

ben. Das wird sicher interessant, weil das Buch

nichts mit dem Iran zu tun hat, und um Frau-

en wird es auch nicht gehen. Außerdem wer-

den wir in Englisch drehen.

Können Sie sich auch ein euro-päisches Projekt vorstellen?Liegt Armenien denn nicht in Europa? In

gewisser Weise doch schon, oder? Aber ein Film

in Deutschland wäre auch denkbar für mich.

Man ist dort sehr entgegenkommend mit Blick

auf kulturellen Austausch und Interesse. Das ha-

be ich ja schon durch die Unterstützung für

„Women without Men“ erfahren dürfen. Eine

solche Weltoffenheit im besten Sinne ist eher

selten anzutreffen. Dafür bin ich wirklich sehr

dankbar.

Ausblick: Internationaler Filmkongress – newsletter 4/2010 17

r Filmstiftung NRW in Köln (26. – 29.6.)

Diskussionen und Termine

Cinenova

ung Internationaler Filmkongress

N VOR SCHWARZ von Sophie Heldman

ilmforum NRW

URTA–EI, Regie: Semih Kaplano`́glu

MILCH, Regie: Semih Kaplano`́glu

EN WITHOUT MEN, Regie: Shirin Neshat

Rheinpark, Lounge der Filmstiftung NRW, Koelnmesse

Locations und Motive in NRWs Düren als 35. Filmstadt und Eröffnung der Fotoausstellung des Wettbewerbs „Auf der Suche nach dem perfekten Motiv“

KinoSpecials im Filmforum NRW

17:00 Uhr SHOWCASEder ifs internationale filmschule köln, Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) und Fachhochschule Dortmund in Kooperation mit Unlimited, im Anschluss Gespräch mit Semih Kaplanoglu

19:30 Uhr BAL–HONIG, Regie: Semih Kaplano`́glu

Dienstag, 29. Juni

Paneldiskussionen im Staatenhaus am Rheinpark, raum.fünf, Koelnmesse

10:00 – 11:30 Uhr Technik vs. Content – 3D als neue Chance?

11:30 – 13:00 Uhr Filmland Spanien – Koproduktion und Finanzierung

14:00 – 14:30 Uhr Crossmediale Produktion: Internationale Trends, Keynote Wendy Bernfeld, Rights Stuff BV

14:30 – 15:30 Uhr Vertriebswelt Internet – Filmdistribution und Verwertung im Netzin Kooperation mit der MEDIA Antenne Düsseldorf und dem film & fernsehproduzentenverband nrw e.V.

15:30 – 17:00 Uhr Ästhetische Innovation und neue Medien in Kooperation mit der ifs und der KHM

Alle Infos, Termine und Daten en détail auch unter

www.filmstiftung.de/filmkongress

Interview Shirin Neshat

Ich magFarben nichtbesonders

Die in New York lebende Künstlerin Shirin Neshat wurde 1957 im Iran geboren. Internationalen Ruf erwarb

sie sich mit Fotoreihen und Video-Installationen. Mit ihrem Kinodebüt „Women without Men“, das am

27. Juni in Köln in der Reihe KinoSpecials des Internationalen Filmkongresses zu sehen ist, gewann sie

prompt den Regiepreis in Venedig. Uwe Mies sprach mit der Künstlerin über Farben, Nacktheit und

Raubkopien im Kampf gegen die Zensur.

Shirin Neshat, Foto: NFP

N A T I O N A L E R F I L M K O N G R E S S

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 17

newsletter 4/2010 – Schwerpunkt18

Herr Lensing, worauf achtenSie, wenn Sie einen Film sehen?Im Kino bin ich erst einmal Zuschauer oder

audiovisueller Wahrnehmer, wenn Sie so wol-

len. Ich gebe mich der Gesamtwirkung von Bild

und Ton hin, die sich im Idealfall entfaltet. Die

Informationen von Bild und Ton müssen einan-

der ja nicht unbedingt entsprechen.

Kann man Sound sehen?Michael Chion spricht von „Synchrese“.

Darunter versteht er, dass jeder Klang, der mit

einem Bild interpoliert wird, automatisch mit

diesem Bild assoziiert wird. Bei einem Hörspiel

können wir uns eine imaginäre Bildwelt zu dem

Gehörten schaffen. Umgekehrt haben wir auch

ein aurales Gedächtnis. Wir ordnen Töne einem

bestimmten Ereignis und damit Bildern zu.

Hören soll stärker auf unsereGefühle wirken als Bilder.Mancher sagt das, aber Bilder wirken ja

auch. Viele Filmemacher entscheiden sich

manchmal für drastische Bilder, um starke Ge-

fühlsregungen zu erzielen. Spannender, weil

subtiler ist aus meiner Sicht eine semantische

Konnotation. Über den Sound schaffe ich da-

bei eine bestimmte Atmosphäre, die sich noch

gar nicht über das Bild vermittelt. Neben das vi-

suelle Storytelling tritt ein auraler Hinweis, den

ich unbewusst mitverarbeite. Das wird dann in

den besten Fällen zu einem parallelen auditiven

Storytelling.

Kann man im Gegenzug auchBilder hören?Mit einem bestimmten Bild assoziiert man

häufig einen bestimmten Klang. Weil der Film

über Jahrzehnte immer wieder bestimmte Mu-

siken zu bestimmten Momenten verwandt hat,

gibt es beim Zuschauer entsprechende Assozia-

tionsfelder. Zu einer epischen Kamerafahrt in

großer Landschaft gehört großes Orchester und

bombastischer Klang, zu einer Liebesszene sanf-

te Geigen. Diese Kulturtechnik haben wir ge-

lernt. Inzwischen ist es interessant geworden,

mit solchen Erwartungshaltungen auch kontra-

punktisch zu spielen.

Am Anfang war der Filmstumm… Der Film war nie stumm. Seit den ersten

öffentlichen Aufführungen wurde er von Mu-

sikern begleitet, erst mit Klavier, dann mit Kino-

Für Außenstehende wirkt dasSound-Department mit Sound-Desi-gner, Re-Recording Mixer (Mischton-meister), Sound-Editor und BoomOperator manchmal etwas verwir-rend. In Kurzfassung: Wie ist derWorkflow aufgebaut?Das Sound-Department kann man in zwei

Bereiche teilen und zwar in Originaltonaufnah-

me und Sound-Postproduktion, während sich

letztere wiederum in Tonbearbeitung und Mi-

schung gliedert. Es gibt zunächst den Original-

tonmeister, der mit seinem Assistenten, dem

Tonangler oder auch Boom Operator, am Set

den Originalton liefert. Dazu gehört es, vor al-

lem den Dialog unter Berücksichtigung der Orts-

begebenheiten so gut wie möglich auf Sprach-

verständlichkeit hin aufzunehmen.

Die eigentliche Sound-Postpro-duktion beginnt dann nach Beendi-gung des Bildschnitts?Genau, dann kommt der Supervising

Sound-Editor, in Deutschland meist in Personal-

union mit dem Sound-Designer, mit seinem

Team ins Spiel. Er behält technisch wie kreativ

das Gesamtkonzept im Auge, ist oft schon im

Drehbuchstadium dabei und tauscht sich meist

im Vorfeld mit Originaltonmeister, Bild-Editor

und Regisseur aus. Der Supervising Sound-Edi-

tor entscheidet und erstellt gemeinsam mit dem

Dialog-Editor nach Materialeingang zunächst

eine vorläufige ADR-Liste (Sprachsynchron-Li-

ste) jener Töne und Dialoge, die nicht ideal oder

störungsfrei am Drehort aufgenommen werden

konnten, die also synchronisiert werden müs-

sen. Für die Sprachsynchron-Aufnahmen wird

diese ADR-Liste mit dem Regisseur besprochen

und durch eventuelle dramaturgische Wünsche

ergänzt. Gleichzeitig werden die Atmosphären,

Soundeffekte, Geräusche und das Sound-De-

sign kreiert. Den Abschluss bildet heutzutage

die Mehrkanal-Mischung.

Die Bedeutung des Tons imFilm hat innerhalb der letzten 10 bis15 Jahre in Deutschland enorm zu-genommen. Woran liegt das?Das empfinde ich auch so. Sicherlich ha-

ben die meisten Zuschauer inzwischen bemerkt,

dass sich der Ton im Kino in den letzten Jahren

deutlich verbessert hat. Neben einer Steigerung

der Lautstärke hat die permanente Optimierung

der Klangqualität zu einer immer realistische-

Interview Jörg U. Lensing

Wir sehenmehr, wennwir hören

Interview Guido Zettier

BrüllendeLöwen fürheulendeWinde

Jörg U. Lensing, Foto: privat

Guido Zettier, Foto: privat

Guido Zettier ist freier Sound-Designer und Mischtonmeister bei den RuhrSound Studios in Dortmund

und hat Kinofilme wie „Hilde“, „Adam Resurrected“ oder „Die Fremde“ bearbeitet. Für seine

Tongestaltung von „Nordwand“ wurde er 2009 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Im Gespräch

mit Oliver Baumgarten beschreibt er die kreativen Seiten seines Berufes.

Sound-Design erzählt die Geschichte eines Films auf seine Weise, findet Professor Jörg U. Lensing von

der Fachhochschule in Dortmund. Wolfgang Hippe sprach mit dem Autor des Buches „Sound-Design/

Sound-Montage/Soundtrack-Komposition: Über die Gestaltung von Filmton“ über die Musik des

Stummfilms, über „Apocalypse Now“ und die Modernisierung des Kinotons.

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 18

ren Wiedergabe der Tonspur geführt. Durch den

Wandel von der Analogtechnik hin zur digita-

len Technik ist zudem vieles einfacher gewor-

den. Wir können heute komplexer, effektiver

und in höherer Qualität arbeiten.

Hat es auch damit zu tun, dassimmer mehr Regisseure die gestal-terische Bedeutung des Tons aner-kennen?Mit Sicherheit. Früher wurde der Filmton

sehr auf Originalton und Filmmusik reduziert.

Heutzutage sehen Regisseure, wie zum Beispiel

Tom Tykwer oder Hans-Christian Schmid, im Ton

eine dramaturgische Ebene, mit der sie bewusst

arbeiten wollen. Der Ton sollte meiner Meinung

nach nicht mehr nur als Realitätsfaktor des Bil-

des, sondern als Miterzähler mit großem dra-

maturgischen Potenzial alle Gestaltungsmög-

lichkeiten der Tonebene nutzen, wie Dialog,

Musik, Effekte, Stille, Raum, Frequenz und

Rhythmus.

Starten Gespräche mit solchenRegisseuren dann bereits in derDrehbuchphase oder erst nach demDreh, wenn das Material vorliegt?Mit den Regisseuren, mit denen ich regel-

mäßig zusammen arbeite, beginnen die Gesprä-

che schon vor dem Dreh. Darüber hinaus mer-

ke ich mittlerweile sogar, dass der Ton schon in

immer mehr Drehbüchern mitgedacht wird. In

der Arbeit mit Regisseuren geht es dann zu-

nächst darum herauszufinden, was sie mit ih-

rem Film ausdrücken wollen, und dann zu ent-

scheiden, mit welchen Stilmitteln ich das unter-

stützen kann. Und das muss beim Sound-De-

signer eben nicht immer mit Effekten verbun-

den sein, sondern auch mal mit einer filigranen

und harmonischen Dialogbearbeitung, die ei-

nem Film wie etwa „Die Fremde“ einen enor-

men authentischen Sog verleihen. Man wird in

den Film gezogen auch durch den Ton, durch

die Sprache, durch einzelne Geräusche, die nur

Akzente setzen. Ein Gegenbeispiel ist „Nord-

wand“. Dort war es wichtig, diese gewaltige Ei-

ger-Nordwand zu spüren, den Wind und die Be-

lastung. Das sind zwei extreme Gegensätze un-

seres Berufs: „Die Fremde“, eine konzentrierte,

reduzierte und konzeptionell dichte Arbeit, und

„Nordwand“, der voller kräftiger Elemente

steckt, die man am ehesten mit dem Begriff

„Soundeffektdesign“ umschreiben könnte.

Zu analogen Zeiten haben dieEditoren den Ton noch mitgemacht,mittlerweile nicht mehr, was zu Be-ginn zu Reibungen führte. Hat sichnach Ihren Erfahrungen die Bezie-hung entspannt?Absolut! Meine Erfahrungen der Zusam-

menarbeit sind in den letzten Jahren äußerst po-

sitiv. Ich werde während der Schnittphase oft

früh einbezogen, weil es zum Beispiel Proble-

me beim Originalton gibt und man dann ge-

meinsam entscheidet, ob man Nachsprecher

braucht. Beide Parteien verstehen zunehmend,

dass die Zusammenarbeit und die neue Arbeits-

teilung einen Zuwachs an Kreativität, Flexibili-

tät und vor allem Qualität bedeutet.

Die Arbeit des Sound-Designerserinnert an den Maler, der zwei Far-ben mischt und dadurch eine drit-te entstehen lässt. Das ist bei derTongestaltung ähnlich?Ein großes Abstraktionsvermögen gehört

zum Sound-Designer eindeutig dazu, um mit

fremden Elementen einen Sound dramatischer

oder sogar authentischer zu machen. Es ist oft

ein großes Experimentieren, durch das beispiels-

weise auch ein spezieller Sound für den Film

„The Flying Scotsman“ entstanden ist. Der Rei-

fensound setzte sich hier teilweise aus aufge-

nommenen Bienenschwärmen zusammen und

unterstütze so die extreme Geschwindigkeit des

Rades. Wichtig ist, dass das Gehirn des Zuschau-

ers die Bild- und Toninformationen schnell per-

fekt übereinbringen kann – wenn das passiert,

ist der Ton gut und richtig. Man baut als Sound-

Designer immer wieder auch mal seine eigene

Stimme mit ein, sei es in das Schnaufen eines

Pferdes oder in einen Todesschrei. Im Windge-

heul in „Nordwand“ habe ich zum Beispiel auch

Schreie eines meiner Assistenten verarbeitet, da-

zu jede Menge tierische Geräusche u.a. das Brül-

len von Löwen, um den Wind noch stürmischer

und aggressiver klingen zu lassen.

Wie kommt man auf solcheIdeen?Das Entscheidende ist, zu experimentie-

ren, dranzubleiben, Töne aufzunehmen und

auszuprobieren. Man muss dabei auch auf

Rhythmus und Frequenzspektrum eingehen,

Dialoge und Musik dürfen nicht beeinträchtigt

werden. Jeder Einzelton deines Sound-Designs

mag grauenhaft und unpassend klingen, im Ge-

samtklangbild aber können sie alle perfekt zur

Situation passen. Die Abstimmung zwischen

den Frequenzen muss stimmen.

Die Harmonie zwischen Tonund Bild geht ja oft so weit, dassman sich klaglos mit filmischenStandards abfindet, etwa dass be-stimmte Dinge, schnelle Bewegun-gen zum Beispiel, mit Sounds unter-legt sind, obwohl sie eigentlich garkeine Geräusche verursachen.Das ist ein heute gängiges Mittel, um den

Zuschauer auf Details der Erzählebene zu fokus-

sieren. Das übermäßige Reifenquietschen bei

fahrenden Autos ist z.B. dadurch entstanden,

dass diese hohe, schrille Frequenz des Quiet-

schens einfach etwas Gefährliches suggeriert.

Dadurch, dass er fast wie ein evolutionär ein-

gepflanzter Warnton klingt, wird er zum dra-

maturgischen Element. Das ist ein schönes Bei-

spiel dafür, dass Töne meistens im Unterbe-

wusstsein funktionieren. Nicht zuletzt das macht

sie auch so interessant.

Schwerpunkt – newsletter 4/2010 19

orgel, schließlich mit Orchester. Damals wurde

die ganze Geschichte der abendländischen Mu-

sik geplündert, um entsprechende Affekte zu

setzen. Es gab entsprechende Anleitungen für

den Kinopianisten, einen elegischen Viertakter

von Mahler, etwas Heiter-Spritziges von Cho-

pin, etwas Heroisches von Wagner. Die Musik

wurde genutzt, um einen gewissen Assoziati-

ons- und Gefühlsgehalt zu erreichen. Sprache

und Geräusche kamen erst eine Generation spä-

ter dazu.

Wo setzen Sie da die entschei-denden Einschnitte?Natürlich als erstes die Einführung des Syn-

chron-Tons 1928. Berühmt ist „The Jazzsinger“.

Interessanterweise waren die damaligen Filme

aber vor allem „Talkies“, also Filme, in denen un-

gewöhnlich viel gesprochen wurde. Die Ton-

technik wurde dann im Zuge des Zweiten Welt-

kriegs stark verbessert, was in den 1950er Jah-

ren aus dem Tonfilm einen qualitativ besseren

Tonfilm machte. Ein wirklicher Umbruch vollzog

sich erst Ende der 1970er Jahre. Eine neue Ge-

neration von Sound-Designern und Komponi-

sten fing damals an, eine andere Technik für ei-

nen anderen Sound zu entwickeln. Referenz-

filme sind hier „Apocalypse Now“, „Alien“ oder

„Star Wars“. Dazu kam die Erfindung des 5.1-

Surround.

Auch der Kinoton wurde jetztmodernisiert?Vielen ist gar nicht klar, dass wir in den Ki-

nos bis in die 1970er Jahre hinein nur ein Mo-

no-System hatten – mit einer Box hinter der

Leinwand. Viele große Filme dieser Zeit wie „Der

Pate I“ und „Der Pate II“ kamen zunächst nur

in Mono in die Kinos – „Alien I“ übrigens auch.

Einige Jahre versuchte man sich eher beschei-

den in Stereo+ Center, dann erfolgte Anfang der

1980er Jahre der Durchbruch der Surround-

Techniken. Ein Sprung, der vielleicht mit einer

Umstellung der Bildprojektion von 16 mm auf

70 mm zu vergleichen ist.

Und die Digitalisierung?In den Musikstudios stellte man sich schon

Anfang der achtziger Jahre um, während die

Filmstudios noch lange analog weiterarbeite-

ten. Die große Digitalisierung begann hier erst

in den Neunzigern. Der Meilenstein-Film dazu

ist „Matrix“, der für eine neue digitale Komple-

xität steht. Allerdings hat man komplexe Sound-

tracks vorher auch analog produziert, was müh-

samer war. Bei „Das Boot“ wurde schon ein

128er Track eingesetzt, aber eben analog. Der

Fortschritt bis heute ist enorm, was die Tech-

nik betrifft. Ein komplexer Soundtrack kann je

nach Qualität des Computers heute fast schon

mit bis zu 128 Spuren zuhause editiert werden!

Erstaunlicherweise sind viele Lösungen, die heu-

te erarbeitet werden, aber trotzdem allzu sim-

pel. Man nutzt vielfach die hochkomplexen

technischen Möglichkeiten immer noch so, als

hätte man nur einen dreispurigen Steenbeck

Perfo-Schneidetisch vor sich oder einen Twelf-

Step-Techno-Sequencer für die Musik.

Die digitale Technik hat dasSchaffen des artifiziellen Sounds er-leichtert. Wäre auch ein stärkererRealismus möglich?Filmsound ist nicht realistisch. Es geht im

Film nicht um Realismus, manche Filme sollen

dokumentarisch wirken und werden künstle-

risch entsprechend gestaltet. Viele gute aktu-

elle Dokumentarfilme sind äußerst formalistische

Filme. Selbst wenn Sie vom Set einen sehr, sehr

guten Sprechton oder O-Ton bekommen, kön-

nen Sie erst in der Postproduktion den komplet-

ten Soundtrack herstellen, der bis zu 80 Prozent

aus Atmos, Effekten, Geräuschen, Hintergrund-

geräuschen und musikalischen Atmos besteht.

Im Endeffekt geht es darum, den Zuschauer in

der Illusion zu wiegen, er habe es mit einer ge-

spiegelten, also künstlerisch gestalteten Reali-

tät zu tun.

Braucht man dafür im 21. Jahr-hundert noch Musik?Meiner Meinung nach nicht im herkömm-

lichen Sinn. Das ist ein überholtes Erbe des

Stummfilms. Mit Musik wird heute bei interes-

santen Arbeiten wie mit Farben gearbeitet, sie

wird in einem atmosphärischen Kontext einge-

setzt. Wir haben vielleicht Straßengeräusch,

Menschen im Hintergrund, und dann schleicht

sich so etwas wie ein harmonisierender Sound

ein, der eine leicht pulsierende oder flächendek-

kende Wirkung hat.

Findet sich die Bedeutung desTons auch in den Budgets wieder? In den ersten Kalkulationen ist der Sound

meist ausreichend berücksichtigt. Aber leider ist

der Sound in der Komplexität der Filmproduk-

tion das letzte Gewerk. Am Ende wird dann

häufig aus vorangegangenen Budgetgründen

weniger Zeit in die Postproduktion investiert. Da-

bei gibt es den großen Unterschied zwischen

Editing und Sound-Design. Editing versorgt im

Prinzip das Bild nur mit Tönen, die das, was man

sowieso sieht, unterstreichen – also Fahrgeräu-

sche für ein Auto, das fährt nach dem Motto:

See a dog, hear a dog. Das ist kein Sound-De-

sign, geschweige denn eine Soundtrack-Kom-

position. Sound-Design/Soundtrack-Komposi-

tion bedeutet, eine eigene Form des begleiten-

den und mitunter kontrapunktischen Storytel-

lings zu entwickeln, welches über die Bild-In-

formationen, den Bildfluss hinausgeht, seman-

tische Bedeutungen und Konnotationen ermög-

licht und sich kompositorisch in der Werkzeit

entwickeln kann und erst in der Wechselwir-

kung mit der Bildmontage zu einer Gesamtaus-

sage, einem Gesamtkunstwerk führt.

Jörg U. Lensing ist Professor für „Tongestaltung /Sound-Design“ an der FH-Dortmund. Er studierte Komposition an der Folkwang Hochschule Essen und bei Mauricio Kagel an der Musikhochschule Köln. Ständige Mitarbeit am „Theater der Klänge“ in Düsseldorf. Mehr unter www.film-sound-design.de

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 19

Der wohl geschichtsträchtigste Standort der

elektronischen Musikproduktion in NRW

ist die Kölner Annostrasse 86. Hier war zeitwei-

lig das Studio für elektronische Musik des WDR

untergebracht, in dem die Musik-Revolutionä-

re Karl-Heinz Stockhausen, Mauricio Kagel und

John Cage einst mit Ringmodulatoren, Rausch-

generatoren und Rückkopplungen experimen-

tierten. Seit 2006 ist das Gebäude in der Köl-

ner Südstadt Domizil der Torus Filmtonpostpro-

duktion. Die drei Geschäftsführer Stephan Col-

li, Falk Möller und Josef Steinbüchel wollen der

Tradition der technischen Innovationen treu

bleiben und haben sich deshalb im letzten

Herbst eine System 5 Konsole des amerikani-

schen Herstellers Euphonix angeschafft. Das

neue Mischpult basiert auf einem hybriden Kon-

zept, das Filmmischkonsole und umfassende

DAW-Steuerung auf der gleichen Bedienober-

fläche mit 64 physikalischen Kanalzügen inte-

griert und damit jede denkbare Arbeitsweise

ermöglicht. „Damit bieten wir auch internatio-

nal tätigen Filmmischtonmeistern ein vertrau-

tes Arbeitsumfeld in NRW“, verspricht Colli. Zu

den bei Torus abgeschlossenen Filmprojekten

gehören u.a. die Produktionen „Lebanon“ und

„Wüstenblume“.

In der Kölner Südstadt ist auch die 1990 von

Geschäftsführer Lothar Segeler und dem im letz-

ten Jahr verstorbenen Produzenten und Doku-

mentarfilmer Peter Krieg gegründete Soundvi-

sion GmbH geschichtsträchtig verortet. So konn-

te Wim Wenders, als er 2002 die Audiopost-

produktion seines Films „Viel passiert – Der BAP-

Film“ begleitete, aus dem Fenster auf das Ge-

burtshaus von Heinrich Böll und damit eines

Mentors seines Protagonisten Wolfgang Nie-

decken blicken. Soundvision war das erste kom-

plett digitalisierte Tonstudio in Deutschland. Für

die technische Entwicklung der letzten 20 Jah-

re stehen ein klassischer 35 mm-Filmprojektor

und – als jüngste Anschaffung – ein weiteres

Filmmischpult von Solid State Logic mit 192 Ka-

nälen. Organisatorisch ist eine Zweigstelle in der

Richmodstraße 31 hinzugekommen, wo Ton-

mischungen und Synchronisationen möglich

sind. Zu den in diesem Frühjahr bearbeiteten

Produktionen zählen u.a. „Takiye – Spur des Ter-

rors“, der am 24. Juni das Festival Großes Fern-

sehen in Köln eröffnet, und „Anduni“. Ko-Ge-

schäftsführer Tilo Busch: „Wir lassen nicht ab,

unseren Kunden die Bedeutung des Tons na-

hezubringen.“

Auch Dortmund hat seine Tonlagen, wo-

bei die überregional mitgehörten Töne meistens

aus den RuhrSoundStudios stammen. Das 1993

von Adolf Winkelmann gegründete Unterneh-

men hat sich mit 400 Filmvertonungen natio-

nal und international einen Namen gemacht –

von „Der fliegende Holländer“ bis zu „Die Frem-

de“, für die die komplette Sound-Postproduk-

tion geleistet wurde. Dafür steht u.a. ein 110

Quadratmeter großes THX-zertifiziertes Mi-

schungskino zur Verfügung. Seine sechs Studios

für die Tonbearbeitung hat RuhrSound an sei-

nen Kooperationspartner Guido Zettier vermie-

tet (siehe Interview Seite 18). Seit März hat Ruhr-

Sound mit Hans-Martin Rickers einen neuen Ge-

schäftsführer. Zugleich ist Rickers kaufmänni-

scher Leiter der Hürther Pictorion Das Werk

GmbH, die RuhrSound 2003 gekauft hatte.

Rickers bedauert, dass die Budgets für die

Audiopostproduktion immer kleiner würden:

„Man muss sich immer neue Dinge einfallen las-

sen, um die Firma am Laufen zu halten.“ Eine

Aussage, der auch seine Kölner Kollegen nur zu-

stimmen können. „Es wird immer versucht,

beim Ton zu sparen“, konstatiert Busch. „Was

bei den Dienstleistern ankommt, ist sehr schmal-

brüstig geworden“, sagt Colli. Dabei werde bei

Top-Filmen mehr, bei kleineren Filmen weniger

in die Audio-Bearbeitung investiert. Es sei schier

unmöglich, bei Filmen mit einem Gesamtbud-

get von beispielsweise einer Million mit einem

Audio-Volumen von um die 35.000 Euro die ge-

wünschte Qualität zu erreichen, konkretisiert

Busch. Colli hält angesichts der Preisentwicklung

gerade auf dem Fernsehmarkt die Aufrechter-

haltung eines Studiobetriebs für „kaum noch fi-

nanzierbar“.

Das Hauptgeschäft der 1990 gegründeten

Kölner Splendid Synchron ist die Synchronisa-

tion von Kinofilmen. In ihrem Studio im Stadt-

teil Braunsfeld wurden u.a. die Kinofilme „Traf-

fic“ und „Gangs of New York“ synchronisiert.

Inzwischen hat Splendid sein Angebot sukzes-

sive auf den gesamten Bereich der Audio-Post-

produktion ausgebaut und hält dafür u.a. zwei

Mischateliers und vier Edit-Suiten vor. Geschäfts-

führer Oliver Fay: „Die Studios sind technisch

und akustisch für die Ton-Nachbearbeitung von

Filmen ausgerichtet.“ Das gilt im Übrigen auch

für den Ton-Bereich der Kunsthochschule für

Medien Köln. Im Zuge des Neubaus am Filzen-

graben entstanden komplett neue Studios, dar-

unter eine Filmmischregie, eine Surround-Regie

und eine Stereoregie mit angeschlossenen Auf-

nahmeräumen. Das Equipment der Schule darf

aber nur für Arbeiten von und mit Studieren-

den genutzt werden.

Natürlich ist die Audiopostproduktion am

Medienplatz Köln zum guten Teil mit TV-Forma-

ten unterschiedlichster Art beschäftigt. So sind

für Thorsten Brendel „Deutschland sucht den

Superstar“ und „Das Supertalent“ tontechnische

Premiumprojekte. Brendel bearbeitet mit seiner

Telos Media GmbH den Audiobereich des Stu-

dio-Dienstleisters Nobeo. Dafür stehen ihm im

Hürther Produktionshaus u.a. zwei feste Regien

mit einem Pro Tools HD3 und jeweils 48 Audio-

Eingängen zur Verfügung. Dem Vernehmen

newsletter 4/2010 – Schwerpunkt20

Die Filmton-Szene in NRW

Geschäfte mit dem guten Ton

Wenn man beim Abspann genau

hinschaut, ist es nicht unwahrscheinlich,

dort eine Firma aus Nordrhein-Westfalen

zu entdecken, die für den Ton verant-

wortlich zeichnet. Peter Hanemann hat

sich für den Newsletter in der NRW-Szene

umgehört und dabei gelernt: Qualität hat

seinen Preis.

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 20

Die berühmten Kokosnüsse, die

das Klappern von Hufen nachahmen,

sind wohl die bekanntesten

Requisiten von Geräuschemachern.

Aber wie sieht die Zukunft dieses

Handwerks aus in einer Zeit, in der

digital fast alles möglich scheint?

Die Zukunft der Geräuschemacher

Ton von Hand oder vomBand?VON OLIVER BAUMGARTEN

Die vielleicht schönste Würdigung erfuhr der

Berufsstand des Geräuschemachers (inter-

national auch Foley Artist) 1975 in „Monty Py-

thon and the Holy Grail“, in dem der von Ter-

ry Gilliam gespielte Knecht Patsy seinem pfer-

delosen Herrn kokosnussklappernd hinterher-

läuft und ihn so zumindest akustisch in einen

stattlichen Reiter verwandelt. Diese Szene, nach

der der deutsche Verleih damals gleich den gan-

zen Film benannte („Die Ritter der Kokosnuss“),

weist über den gelungenen Gag hinaus auch

auf einen großen Vorzug der Geräuschema-

cher: Sie sparen der Produktion Geld. Zwar

nicht in dem Sinne, dass die Produktion gleich

auf Pferde verzichten kann (was bei Monty Py-

thon tatsächlich Anlass des Gags war), sondern

ganz konkret dadurch, dass besonders in Ac-

tionsequenzen oder komplizierten Außendrehs

am O-Ton gespart werden kann.

Eine Szene lässt sich grundsätzlich auf drei

Wegen vertonen: mit Originalton, mit Hilfe di-

gitaler Soundkonserven oder mittels eigens in

der Foley Stage kreierten Sounds. „Wenn es ei-

nen O-Ton gibt und er zu gebrauchen ist, dann

wird er in der Regel auch verwendet“, sagt Die-

ter Hebben, seit 18 Jahren Geräuschemacher

mit Foley Stage in den Räumen der Kölner

SoundVision. Weil es aber viel zu aufwändig ist,

jedes Geräusch in der nötigen Qualität aufzu-

nehmen, und zudem zusätzlich Sounds erfun-

den werden müssen, wird in der Postproduk-

tion nachgeholfen mit Tönen aus dem Archiv

oder vom Geräuschemacher. Dass letzterer bei

dieser Aufgabe der Produktion eine Menge Geld

sparen kann, hat vor allem einen Grund: „Der

Geräuschemacher arbeitet synchron zum Bild“,

erklärt Dieter Hebben, „wodurch er nicht nur

authentischer, sondern auch viel schneller ar-

beiten kann.“ Geht es um die Vertonung von

Schritten beispielsweise –

und bei einem 90-minüti-

gen Kinofilm kommen eine

Menge davon zusammen –

„kann der Foley Artist syn-

chron zum Bild umgehend

die Atmosphäre umsetzen,

einen Ausfallschritt einbau-

en, wenn benötigt, oder ein Schlurfen und Stol-

pern“. Schritte jeglicher Art gehören zum Stan-

dard eines Geräuschemachers, alle nötigen und

denkbaren Untergrunde dafür hält die Foley Sta-

ge für ihn bereit.

Ungezählte Variationen von Schritten und

zahllose andere Sounds sind natürlich auch auf

CD-Sammlungen oder in Internetarchiven er-

hältlich. Bis die ein Sound-Designer aber unter

Berücksichtigung aller spezifischen Erfordernis-

se der Szenen passgenau angelegt hat, vergeht

leicht dreimal so viel Zeit wie der Foley Artist für

die Umsetzung benötigt. Liegt bei diesem Bei-

spiel also der Vorteil eindeutig beim Geräusche-

macher, hat er andere seiner einstigen Standards

allerdings an digitale Archive bzw. den O-Ton

verloren: „Türen zum Beispiel werden heute so

gut wie immer vom Sound-Designer angelegt,

Autotüren ganz besonders.“

Dass die Auftragslage insgesamt zurzeit

„nicht so berauschend“ aussehe, hat aber viel-

fältige Gründe. Die IT-Bänder etwa, also die in-

ternationale Tonfassung von US-Fernsehfilmen

und -serien, haben sich laut Hebben derart ver-

bessert, dass sie in Deutschland nicht wie frü-

her noch einmal neu hergestellt werden müs-

sen, während wiederum bei deutschen Produk-

tionen das IT-Band immer seltener automatisch

gleich mit in Auftrag gegeben wird. Trotz sol-

cher Schwierigkeiten stellt aber gerade im Spiel-

filmbereich genau wie im Animations- und Do-

kumentarfilm der Foley Artist ein unverzichtba-

res kreatives Rad im Getriebe der Ton-Postpro-

duktion dar. Die Digitalisierung der Tonarchive

hat das Finden und den Zugriff auf Sounds we-

sentlich vereinfacht. Den kreativen Prozess aber,

der ein genaues Anpassen einzelner generier-

ter Geräusche auf die atmosphärischen Bedürf-

nisse eines Bildes verlangt, können auch digi-

tale Tools nicht verbessern, wenn die Qualität

nicht leiden soll.

So gesehen macht sich Dieter Hebben ge-

genüber der digitalen Konkurrenz nicht die

größten Sorgen. Viel lieber zeigt er, mittlerwei-

le seit zehn Jahren schon, auch auf der Bühne

vor großem Publikum, wozu Geräuschemacher

fähig sind. „Fang den Mörder“ heißt die Show,

in der er in einer Art Live-Hörspiel Krimistück

vertont – wenn auch meist ohne Kokosnüsse.

nach werden auch die Audio-Kapazitäten des

Cologne Broadcasting Center CBC gut ange-

nommen.

Wo viel produziert wird, sind die Geräte-

hersteller nicht weit. Vom niederrheinischen

Hamminkeln aus vertreibt Röhrenmikrofon-

Papst Dirk Brauner seine weltberühmten Mi-

krofone VM1 und VMX. Zu seinen Kunden

zählen praktisch alle Tonstudios und Rundfunk-

Sender. In Lengerich am Südhang des Teuto-

burger Waldes betreibt Uwe Seyfert die deut-

sche Niederlassung der britischen Cedar Au-

dio, die auf Audiorestauration und die Verbes-

serung von Sprachverständlichkeit für Filmpro-

duktion, TV- und Radio sowie auf Audio-Fo-

rensik spezialisiert ist. Wiederum in Köln ver-

steht sich die Niederlassung von Avid als Zu-

gang zur Weltfirma, inklusive des Protool-Her-

stellers Digidesign, den Avid übernommen hat.

Auch der Mischpult-Hersteller Euphonix gehört

seit kurzem zu Avid.

Schwerpunkt – newsletter 4/2010 21

Die Technik regiert im Tonstudio. Foto: RuhrSound Studios

Dieter Hebben, Foto: privat

Die Foley-Stage im Studio von SoundVision. Foto: SoundVision

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 21

Hörspiele sind wie Stummfilme, bloß umge-

kehrt, heißt es in Urs Widmers Radiokomö-

die „Stan und Ollie in Deutschland“. Da ist et-

was dran. Hörspiele ohne Ton wären keine, und

doch meinen wir nicht das konventionelle Kon-

versationsstück, wenn wir vom Sound im Hör-

spiel sprechen. Sound ist die von der Sprach-

semantik abgekoppelte Dimension der Radio-

kunst, er betont den Materialcharakter des Ge-

hörten und den Vorgang des Hörens selbst.

Interessanterweise liegen die Ursprünge des

Sounds im Hörspiel im Kino. Während das her-

kömmliche Hörspiel der 20er Jahre zunächst im

Wesentlichen akustisches Theater war, das ein

Geräuschemacher mit tönender Kulisse umgab

– wohlgemerkt live gesendet und nur in Aus-

nahmefällen auf Wachsplatten konserviert –,

standen mit dem Aufkommen des Tonfilms

plötzlich neue Möglichkeiten zur Verfügung.

Kein anderer als der Filmemacher Walter Rutt-

mann war es, der in diesem neu erschlossenen

akustischen Raum experimentierte: Nach dem

Vorbild seines legendären Films „Sinfonie einer

Großstadt“ schuf er das knapp halbstündige

Hörstück „Weekend“ – die Chronik eines Wo-

chenendes in Berlin in Geräuschschnipseln, nach

dem neuen Montageprinzip musikalisch-rhyth-

misch arrangiert. Der Hörer erlebt gleichsam ei-

nen akustischen Film, in dem Sprachfetzen, der

Sound der Metropole, Motorengeheul und das

Freizeitgejohle am Wannsee in rasendem Tem-

po vorüberziehen.

Das Vorbild für solch neuartige Versuche

wiederum waren Eisensteins Filme und die

Soundartisterie der italienischen Futuristen um

Tomaso Marinetti. Diese hatten Geräuschma-

Seit über 15 Jahren fördert die Filmstiftung NRW neben dem Film auch das Hörspiel. Da liegt es nahe, sich im Ton-Schwerpunkt auch mit dem

Sound im Hörspiel zu beschäftigen. Der Kölner Filmkritiker Frank Olbert ist einer der wenigen, der sich in beiden Bereichen auskennt. Für uns

hat er genau hingehört, wozu Radiokunst einst fähig war und warum sie es heute schwerer hat.

schinen gebaut, so genannte Intona Rumori, die

Umweltgeräusche zugleich imitierten und mu-

sikalisierten. Ziel dieser Experimente war es, Mu-

sik nicht nur im Konzertsaal zu zelebrieren, son-

dern in allem Hörbaren musikalische Qualitäten

zu entdecken.

Faschismus und Krieg setzten dieser frucht-

baren Epoche ein Ende. Nun war das Hörspiel

wieder auf seine theatralischen, appellativen

Funktionen zurückgedrängt und diente auf der

semantischen Ebene weitgehend der Propagan-

da. Erst nach 1945 entstanden wieder Sound-

laboratorien, die das Hören als besondere Form

sinnlicher Wahrnehmung emanzipierten. Vor al-

lem Frankreich nahm eine führende Rolle in die-

ser Hinsicht ein: Pierre Schaefer und Pierre Hen-

ry schufen die Musique Concrète, die den Vor-

satz wieder aufgriff, die Musik aus ihrem feier-

lichen, bürgerlich-restriktiven Kontext hinaus in

die Wirklichkeit zu katapultieren. Im Gegensatz

zu den italienischen Intona Rumori wurden nun

aber keine mechanischen Apparaturen gebaut,

um einen neuen Klangkosmos zu erschließen.

Nun feierte das Zeitalter der Elektronik Trium-

phe, der Siegeszug der Tonbandmaschinen hat-

te begonnen.

Die Protagonisten der Musique Concrète

waren zugleich Komponisten von akustischem

Alltagsmaterial wie auch Ingenieure. Sie han-

tierten mit Filtern und Verzerrern, sie experimen-

tierten mit verschiedenen Geschwindigkeiten

ihrer Tonbandmaschinen, die sozusagen ihr Or-

chester waren. Das Ergebnis war eine elektro-

nische Soundart zwischen Musikmelodie und

Umweltrhythmus.

Deutschland tat sich nach dem Zweiten

Weltkrieg schwer, Anschluss an diese Avantgar-

de akustischer Innovation zu finden. Hier

herrschte die Dramaturgie der „Inneren Bühne“,

deren Meister der Autor Günter Eich mit ma-

gisch-poetischen Sprachhörspielen waren.

Sound diente hier nur, wenn überhaupt, als Die-

ner des Wortes.

Erst Ende der 60er Jahre fand er aus diesem

Nischendasein heraus. Die Konkrete Poesie hat-

te begonnen, das Wort selbst zu musikalisieren

(Jandls „schtzngrm“), während sich auf der an-

deren Seite Komponisten dem Hörspiel näher-

ten: Vor allem Köln wurde geradezu zu einem

Zentrum für Soundart, denn hier leitete der nach

allen Seiten offene Dramaturg Klaus Schöning

das Hörspielstudio beim Westdeutschen Rund-

funk, welches er später zum Studio Akustische

Kunst umwidmete. Hier schuf John Cage sein

„Roaratorio“, in das er sämtliche Geräusche in

einen Sound-Strom einfließen ließ, die in James

Joyce’ „Finnegans Wake“ erwähnt werden. Hier

testete Mauricio Kagel das Hörspiel als „Aufnah-

mezustand“ aus, hier fanden Soundartisten,

Konkrete Poeten und musikalische Neutöner aus

aller Welt eine akustische Heimat.

Man muss leider feststellen, dass diese über-

aus lebendige Szene in der heutigen Radio- und

Hörspiellandschaft nicht mehr willkommen

scheint. Unter dem auch kommerziellen Druck

der Hörbücher sind die Dramaturgien zur Ver-

hörspielung vorhandener Literatur übergegan-

gen – Sound ist hier nur Beiwerk, GeräuschiIl-

lustration, Musik akustisches Schmiermittel. In

der Behandlung eines emanzipierten Sounds ist

das Hörspiel tatsächlich zum Stummfilm gewor-

den.

newsletter 4/2010 – Schwerpunkt22

Blick in die Torus-Tonstudios. Foto: Torus

Der Sound im Hörspiel

Aufbruch war gesternVON FRANK OLBERT

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 22

Beim Spielfilm, in der Liebe und im

Krieg ist alles erlaubt. Um den eige-

nen Stoff perfekt für die Leinwand um-

setzen zu können, sind alle Register filmi-

scher Kreativität zugelassen, solange sie

der Erzählung dienen und die Glaubwür-

digkeit des Stoffes nicht verliert, sondern

gewinnt. Dass, um dieses Ziel zu errei-

chen, auf der Bildebene manipuliert wird,

ist spätestens seit Georges Méliès akzep-

tiert und im digitalen Zeitalter zum Alltag

geworden. Auch Manipulationen auf der

Tonebene werden weder heute noch vor

achtzig Jahren grundlegend hinterfragt:

Ob nun Johnny Weissmuller seinen be-

rühmten Tarzanschrei 1932 wirklich selbst

intoniert hatte, wie von ihm bis zum

Schluss behauptet, oder ob es sich dabei

doch um das erste markenbildende

Sound-Design handelt, war schon damals

eher eine Frage trivialer Neugier denn mo-

ralischer Sorge darüber, manipuliert wor-

den zu sein.

Vor allem bei Dialogpassagen ent-

scheidet man sich heute im Spielfilm meist

immer erst für den Originalton. „Das Spiel

beim Dreh ist fast immer besser als im Stu-

dio, authentischer und auch seitens der

Akustik meist brauchbarer“, erklärt Tilo

Busch, Geschäftsführer des Kölner Sound-

Vision Tonstudios. Auch auf dem Gebiet

der Geräusche, wie Foley Artist Dieter

Hebben auf Seite 21 bestätigt, nimmt

man, wenn möglich, immer gerne den O-

Ton. Entscheidungen wie diese, ob und

wann Originalton oder irgendwelche an-

deren Quellen verwendet werden sollen,

werden aber eindeutig aufgrund ästhe-

tischer oder auch dramaturgischer Erwä-

gungen getroffen.

Beim Dokumentarfilm sieht die Sache

anders aus. Hier spielt wesentlich deutli-

cher auch eine grundlegende Philosophie

der Filmemacher eine Rolle, was genau

Dokumentarfilm „darf“ und was nicht.

Muss man die Wirklichkeit nicht nur bild-

lich, sondern auch den Ton betreffend im

Rahmen der medialen Möglichkeiten so

originalgetreu wie möglich spiegeln? Oder

darf ein Dokumentarfilm mit gleicher Be-

rechtigung durch ästhetischen Eingriff Tei-

le der Wirklichkeit unterstreichen, ande-

re weglassen oder verändern und damit

in das Gesamtbild eingreifen?

„Ein Film sollte nicht nur über den

Kopf funktionieren, sondern auch über

das Herz“, sagt Christel Fomm, Geschäfts-

führerin der Kölner Gruppe 5 Filmproduk-

tion. „Und gerade der Ton kann im beson-

deren Maße emotionalisieren und Akzen-

te setzen. Dramaturgisch wirkt er fast

mehr als das Bild.“

Mit Produktionen wie der zehnteiligen

Dokumentation „Die Deutschen“, 2009

nominiert für den Deutschen Fernsehpreis,

oder „Sturm über Europa: Die Völkerwan-

derung“ hat die Gruppe 5 Filmprodukti-

on seit den 1990er Jahren einen Stil des

Dokumentarischen etabliert, der sich vie-

ler Elemente aus dem Spielfilmbereich be-

dient. Reenactments, Interviews und in-

szenierte Szenen reihen sich an rein do-

kumentarische Bilder, aufwändiges

Soundeffektdesign an kargen Originalton,

eine gestaltete Szene an belassene Natur-

aufnahmen. Toneffekte, Musik, Sprache:

Die Dokumentationen der Gruppe 5 Film-

produktion schöpfen aus dem Vollen der

akustischen und visuellen Gestaltungs-

möglichkeiten, um zu pointieren und zu

emotionalisieren. „Die Abwechslung ist

mir wichtig“, sagt Christel Fomm, gera-

de das Nebeneinander der Möglichkeiten.

Ein pausenloses und einseitiges Effektge-

witter möchte sie dabei ausdrücklich ver-

meiden, trotzdem sieht der Ansatz der

Gruppe 5 auch im Soundbereich deutli-

che Eingriffe ins dokumentarische Mate-

rial vor.

„Wir versuchen, Effekte zu vermeiden,

Künstlichkeit zu vermeiden“, sagt dage-

gen der Mülheimer Filmemacher Rainer

Komers. Seine Filme wie „Nome Road Sy-

stem“ (Deutscher Kurzfilmpreis 2004),

„Kobe“ oder jüngst „Milltown, Montana“

sind komponiert aus einzelnen Bildpane-

len. Sie verfügen weder über extradiege-

tische Musik, das heißt, Musik, die drama-

turgisch nicht im Bild verankert ist, noch

über Sprache, sind dafür aber unterlegt

mit sorgfältig gemischtem Originalton.

„Wir benutzen ausschließlich bildsynchro-

nen Ton“, erklärt Komers seine Arbeitswei-

se. Das bedeutet, dass jedes Einzelbild aus-

nahmslos lediglich mit jenem O-Ton un-

terlegt ist, der zum exakt selben Augen-

blick wie das Bild aufgenommen wurde.

Sound-Design in irgendeiner Form kommt

in den Dokumentarfilmen von Rainer Ko-

mers, die sich in den letzten Jahren in der

beschriebenen Stilistik jeweils einem spe-

zifischen Ort genährt haben, nicht zum

Einsatz. Der Zuschauer spüre, sagt er, dass

nicht getrickst und nicht manipuliert wür-

de. Sein konsequent puristischer Ansatz

entwickelt durch diese kongruente Ver-

bindung von Bild und Ton einen enormen

atmosphärischen Sog: „Für viele ist es, als

ob sie beim Schauen selbst an den gezeig-

ten Orten seien.“ Rainer Komers’ Filme

sind, ähnlich auch wie Philip Grönings

„Die große Stille“, durch ihr Bild- und Ton-

konzept von einer Authentizität geprägt,

die sich im größtmöglichen Maße eines

Kommentars entzieht.

Dokumentarische Konzepte hinge-

gen, die von Inszenierung und Gestaltung

leben, seien es die Arbeiten der Gruppe

5 oder auch Dokumentarfilme wie Pepe

Danquarts „Höllentour“, der dem

Sound-Design ein Großteil seiner Wirkung

verdankt, wollen kommentieren und zu-

weilen auch eine Meinung transportieren.

Sie begreifen Wirklichkeit als subjektives

Erleben und haben mit der Inszenierung

eine stimmige ästhetische Entsprechung

für diese Haltung gefunden.

Dem Dokumentarischen schaden we-

der diese Diversität der Ansätze noch

grundsätzlich die größer gewordenen

Möglichkeiten, den Sound für seine Zie-

le zu nutzen – ganz im Gegenteil. Ob Ori-

ginalton oder Sound-Design: „Wichtig ist

die Konsequenz im Tonkonzept“, sagt Ti-

lo Busch. „Überzeugend, vor allem wegen

heutiger Hörgewohnheiten, bleibt am En-

de jenes Konzept, das dem Film dient.“

Und, möchte man hinzufügen, das

dem jeweiligen Ansatz dient: Wirklichkeit

spiegeln oder Wirklichkeit modellieren.

Berühmte letzte Worte: der Wilhelmsschrei

Ein Schrei geht um die Welt LENA KRAAN

Es ist immer derselbe Schrei und der geht so: „Aa-

aarrrgghhhhhh…“.

Fast jeder wird diesen lang gezogenen Männerschrei

schon in einem Film gehört haben, aber nur wenige können

ihn als den Running Gag unter den amerikanischen Sound-

Insidern identifizieren. Seit den 1970er Jahren ist der so ge-

nannte Wilhelmsschrei ein legendärer Soundeffekt, den Ken-

ner bis heute in zahlreichen US-Produktionen entdecken. An-

gefangen bei Western mit John Wayne und Burt Reynolds

bis zu den aktuellen Hollywood-Blockbustern „Iron Man 2“,

„Spiderman“ oder „The Simpsons“ – die Filmografie des

Schreis umfasst eine stattliche Liste von mindestens 200 Ti-

teln. Seine Popularität entstand, nachdem der Schrei in „Krieg

der Sterne“ ertönte und damit in etlichen Klangarchiven der

Traumfabrik landete.

Die Entstehung des Running Gags als Wilhelmsschrei liegt

in den 50ern, die Entdeckung Anfang der 70er Jahre. Zwei

Filmstudenten aus Kalifornien, Ben Burtt und Richard Ander-

son, entdeckten ihn im

Soundarchiv von Warner

Brothers und verfolgten

seine Geschichte bis Gor-

don Douglas’ „Der bren-

nende Pfeil“ von 1953 zu-

rück, in dem er gleich drei-

mal zu vernehmen ist. Ein

Nebendarsteller namens

Wilhelm wird von einem

Pfeil ins Bein getroffen und

sch re i t „Aaaa r r rgg

hhhhhh…“ – die ver-

meintliche Geburtsstunde

des Wilhelmsschreis. Ur-

sprünglich aber stammt

der Schrei, so findet Ben

Burtt später heraus, wahr-

scheinlich aus „Die Teu-

felsbrigade“ mit Gary Co-

oper von 1951. Soldaten

waten durch einen Fluss in

den Everglades, einer wird

von einem Krokodil gebis-

sen und schreit schmerz-

verzerrt, während er im Todeskampf unter Wasser gezogen

wird. Doch es ist nicht der Schrei des Schauspielers, sondern

einer, der im Tonstudio entstanden ist – und zwar von dem

Schauspieler und Sänger Sheb Wooley, der starb, ohne je-

mals etwas von der beispiellosen Karriere seines Schreis zu

erfahren.

In den darauf folgenden Jahren verhalfen Burtt und An-

derson, die als Pioniere auf dem Gebiet des Filmsounds gel-

ten, dem Wilhelmsschrei zu seinem Ruhm, indem sie ihn in

ihren Filmen, darunter „Krieg der Sterne“, „Poltergeist“ und

„Die Jäger des verlorenen Schatzes“, verwenden. Über 20

Jahre lang kommt der Schrei in allen „Indiana Jones“ und

„Krieg der Sterne“-Filmen vor. Und auch in „Madagaskar“,

„Planet der Affen“ und „Batmans Rückkehr“ setzt Anderson

den Schrei ein. Die Filmografie umfasst ebenfalls die Werke

der Kultregisseure Quentin Tarantino („Inglourious Basterds“,

„Kill Bill“ und „Reservoir Dogs“) und Peter Jackson („Herr der

Ringe“ und „King Kong“). Mittlerweile nutzen die Entdecker

selbst den Schrei nicht mehr, weil er kein Geheimnis mehr

ist und mittlerweile sogar schon einen eigenen Wikipedia-

Eintrag besitzt. Falls es ein vergleichbares Phänomen im deut-

schen Film gibt, ist das bisher erfolgreich ein Geheimnis un-

ter Kennern geblieben, das diese gut hüten.

Eine Kompilation der Wilhelmsschreie ist auf you tube zu

finden unter www.youtube.com/ watch?v=4YDpuA90KEY

Schwerpunkt – newsletter 4/2010 23

Dass der Dokumentarfilm eins zu eins die Wirklichkeit abbildet, glaubt schon lange

niemand mehr. Aber was ist mit dem Ton in der Doku? Muss nicht wenigstens der echt und

unverfälscht sein? Oliver Baumgarten hat nachgefragt.

O-Ton und Sound-Design im Dokumentarfilm

Die Wirklichkeithören

Harrison Ford in „Indiana Jones unddas Königreich des Kristallschädels“:Auch hier ertönt der Wilhelmsschrei.Foto: Paramount

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 23

Cloud-clusterDie Filmstadt Münster

war bis zum 5. Juni Tatort

des Drehs zum Debütfilm

der Regisseurin Pia

Strietmann. Für „Cloudcluster“ kehrte sie

zurück in ihre Heimatstadt. Der Kinospielfilm,

den Alpha Medienkontor 2011 verleihen

wird, erzählt von der Familie Dewenter: Vater

Christian stürzt sich von einer Affäre in die an-

dere, Sohn Lars hat nach der Schule die Flucht

nach Berlin ergriffen, und die pubertierende

Tochter Elaine gibt sich gänzlich uninteressiert.

Nur Mutter Andrea versucht unermüdlich, das

Auseinanderdriften der Familie zu verhindern.

Als sie unerwartet bei einem Autounfall stirbt,

gerät das Leben der drei Hinterbliebenen aus

den Fugen. In den Hauptrollen sind Max Rie-

melt, Götz Schubert, Mathilde Bund-

schuh und Lena Stolze zu sehen. Die Pro-

duktion der Toccata Film (Produzenten: Fritz

Böhm und Sven Nuri) in Koproduktion mit

dem WDR, dem BR und der Esperanto En-

tertainment wurde an 34 Drehtagen kom-

plett in Münster realisiert.

Toccata Film, Tel. (089) 45222230;

[email protected]

Kung Fu Mama –Agentin mit Kids Bis zum 28. Juli sollte man in NRW alleinerzie-

henden Müttern vorsichtig begegnen: Dream-

tool Entertainment dreht vor allem an Rhein

und Ruhr seit dem 10. Juni für RTL (Redakti-

on: Sascha N. Mürl, Barbara Thielen) das

TV-Movie „Kung Fu Mama – Agentin mit

Kids“. Die Action-Komödie erzählt vom ersten

Auftrag für die sexy Top-Agentin Nina Wenzel.

Eine alleinerziehende Mutter, die nach fünf Jah-

ren Familienpause wieder in den Undercover-

Dienst zurückkehrt, um mit jeder Menge turbu-

lenter Action, zwischen Kindergarten und Ka-

laschnikow, die Welt zu retten. Dabei darf Ni-

na ihre frische Liebe trotz Doppelleben nicht aus

den Augen verlieren. Unter der Regie von Si-

mon X. Rost, der zusammen mit Derek

Meister auch das Buch schrieb, spielen Clau-

dia Hiersche, Ben Braun, Alexander

Radszun, Tobias Kasimirowicz, Miquel

Wansing, Sergey Kalantay, Masha To-

kareva und Tim Seyfi. Die Kamera führt Jo-

chen Stäblein.

Dreamtool Entertainment,

Tel. (089) 41119090;

info@ dreamtool.de

A DangerousMethodNoch bis Ende Juni findet ein Gipfeltreffen der Psy-

choanalyse in Köln statt: Die Rivalitäten zwischen

den beiden berühmtesten Traumdeutern Jung

und Freud sind Thema von David Cronen-

bergs neuestem Film „A Dangerous Me-

thod“, der über insgesamt sechs Wochen in

NRW gedreht wird. Das Kinodrama handelt von

der Beziehung des Nachwuchs-Psychiaters Carl

Gustav Jung, seines Mentors Sigmund

Freund und Sabina Spiegelrein, einer ge-

störten, aber schönen Frau, die zwischen die bei-

den Männer gerät. Christopher Hampton schrieb

das Drehbuch, das auf seinem Theaterstück „The

Talking Cure“ basiert. Die Hauptrollen über-

nahmen Keira Knightley, Michael Fassben-

der, Viggo Mortensen und Vincent Cas-

sel. Für „A Dangerous Method“ arbeitet Produ-

zent Jeremy Thomas (Recorded Picture Com-

pany) erneut mit Cronenberg zusammen. Ko-

produzent ist Marco Mehlitz (Lago Film).

Universal bringt den Film in die Kinos.

Lago Film, Tel. (030) 84710880;

[email protected]

Ritter RostDer Kinderbuch- und Musicalstar Ritter Rost

macht sich auf, auch die Kinoleinwand zu er-

obern. In dem Animationsfilm der Caligari En-

tertainment (Produzenten: Gabriele M.

Walther und Alexander Isadi) mit dem

ZDF droht Ritter Rost sein geliebtes Burgfräu-

lein Bö zu verlieren. Der Titelheld, der es sonst

lieber stressfrei und bequem liebt, wächst über

sich hinaus und befreit mit dem kleinen Feuer-

drachen Koks an seiner Seite nicht nur Bö, son-

dern gleich das ganze Königreich Schrottland

aus den Klauen eines bösen Ritters. Regisseur

Thomas Bodenstein inszeniert das Trickfilm-

abenteuer nach einem Buch von Mark Slater

und Gabriele M. Walther. Teile der Postpro-

duktion werden die ibt studios in Bonn über-

nehmen.

Caligari Film- und Fernsehproduktions

GmbH, Tel (089) 54809512;

[email protected]

Der Rekord-beobachterMit Axel Milberg in der Hauptrolle dreht

Zeitsprung Entertainment ab Ende Juni in

Finnland und an zwei Tagen auch in Köln den

Fernsehfilm „Der Rekordbeobachter“ (AT).

Jan Cronauer schrieb das Buch über Marvin

Feldmann (Milberg), einen Rekordbeobachter

für das Buch der Rekorde. Als er den Auftrag be-

kommt, auf einer finnischen Insel den Rekord-

versuch des kleinen Elias zu betreuen, ist er al-

les andere als begeistert. Auslandsreisen und

Kinder mag er nicht. Doch die Insulaner sind so

stolz auf Elias, dass sie Himmel und Hölle in Be-

wegung setzen, um Marvin bis zu einem ge-

glückten Rekordversuch in Finnland zu halten.

Auf der Insel gestrandet, lernt Marvin, sich von

seinen Vorurteilen zu verabschieden und findet

in Elias etwas, das er aus seinem deutschen All-

tag nicht mehr kennt: einen Freund.

Für Zeitsprung Entertainment (Produ-

zenten: Ica und Michael Souvignier) und

ARD Degeto setzt Regisseurin Karola Hat-

top das Projekt gemeinsam mit Kameramann

Hermann Dunzendorfer in Szene.

Zeitsprung Entertainment, Tel. (0221)

9498020; [email protected]

Das Vermächtnisder ArcheUnter der Regie von Tobi Baumann laufen

seit dem 15. April die Dreharbeiten zum RTL-

Event-Movie „Das Vermächtnis der Arche”

(AT). Neben Stephan Luca spielen die fran-

zösische Darstellerin Julia Molkhou, Micha-

el Gwisdek, Jean-Yves Berteloot und Hil-

mi Sözer.

Von Istanbul geht es zu weiteren interna-

tionalen Drehorten nach Kappadokien und Ita-

lien. In Deutschland wird in München und NRW

voraussichtlich bis zum 18. Juni gedreht, davon

13 Tage in Köln. „Das Vermächtnis der Arche”

(AT) ist eine Produktion der all-in-producti-

on GmbH (Produzentin: Annette Reeker).

Das Drehbuch nach dem Roman „Visus“ von

Richard Hayer stammt von Arne Sommer.

Die Redaktion liegt bei Sascha Mürl (RTL) un-

ter der Leitung von Barbara Thielen (RTL).

all in production,

Tel. (089) 189081900;

[email protected]

Tatort Münster: GutsherrenartAusnahmsweise keine Jahreszeit, sondern die Spargelzeit bestimmt den Dreh des neuen Münster-

Tatorts „Gutsherrenart“ vom 8. Juni bis zum 7. Juli in Köln, Münster und Umgebung: Bei ei-

nem seiner nächtlichen Raubzüge auf einem Spargelfeld vor den Toren der Stadt Münster stolpert

Vadder Thiel über den Leichnam einer Frau. Wie sich herausstellt, handelt es sich um die Ehefrau

des örtlichen „Spargelkönigs“ Martin Pütz, der mit seiner 16-jährigen Tochter Julia auf dem angren-

zenden Spargelhof wohnt. Beschämt über das unrechtmäßige Verhalten seines alten Herrn beginnt

Hauptkommissar Frank Thiel mit den Ermittlungen. Colonia Media (Produzentin: Sonja Gos-

licki) produziert den Tatort von Autor Jürgen Werner (Idee: Peter Zingler) für den WDR

(Redaktion: Anke Krause). Die Regie hat Manfred Stelzer, hinter der Kamera steht Micha-

el Wiesweg. Die Darsteller des ermittelnden Duos, Axel Prahl und Jan Josef Liefers, wer-

den unterstützt von Friederike Kempter, Chistine Urspruch, Mechthild Großmann und

Claus D. Clausnitzer.

Colonia Media, Tel. (0221) 9514040; [email protected]

SponsoringAnfang Juli beginnen die Dreharbeiten zu „Sponsoring“ in Nordrhein-Westfalen und Paris. Ju-

liette Binoche spielt in dem neuen Film der polnischen Regisseurin Malgorzata Szumowska,

die in Nordrhein-Westfalen bereits ihren Kinofilm „Leben in mir“ gedreht hat, die Journalistin

Anne, die an einem Artikel über junge Frauen arbeitet, welche ihr Studium mit Prostitution finan-

zieren. Anne, selbst beruflich erfolgreich und gesellschaftlich etabliert, trifft auf Alicija und Char-

lotte, die ihr Hintergrundinformationen geben. Doch anstatt Not und Elend zu finden, wird ihr klar,

dass der Antrieb der beiden Frauen die Flucht vor der eigenen Herkunft ist, um im schicken und

teuren Paris dazu zu gehören. Und das um jeden Preis. In weiteren Rollen sind Anais Demou-

stier, Joanna Kulig und Luis-Do de Lencquesaing zu sehen. Gedreht werden soll die eu-

ropäische Koproduktion, die von Slot Machine mit der Kölner und polnischen Niederlassung

von Zentropa realisiert wird, an insgesamt 13 Drehtagen in NRW. Für das Kinodrama schrieb Szu-

mowska gemeinsam mit Tine Byrckel das Drehbuch.

Zentropa International Köln, Tel. (0221) 977799-0; [email protected]

Johnny KühlkissenAnfang Juni konnte Regisseur Andi Rogen-

hagen nach 28 Drehtagen – davon 25 in Marl

und Umgebung – die Aufnahmen zu seiner Fa-

milienkomödie „Johnny Kühlkissen“ been-

den. Nach seinem eigenen Buch erzählt der Film

von der 17-jährigen Eva, die am Tourette-Syn-

drom leidet und nur im Kreis ihrer Familie glück-

lich ist. Als der Vater seinen Job verliert, gerät

die familiäre Balance aus dem Gleichgewicht,

zusehends scheint alles ins Chaos zu kippen.

Hauptdarstellerin Jasna Bauer ist die Neu-

Entdeckung des Projekts und konnte sich in ei-

nem intensiven Casting-Prozess für ihre erste Ki-

no-Hauptrolle durchsetzen. Waldemar Ko-

bus und Victoria Trauttmansdorff spie-

len ihre Eltern. Mit Stefan Kurt als Onkel Ber-

nie, Renate Delfs als Oma, Traute Hoess

als Psychologin und Falk Rockstroh als Bank-

direktor ist die Komödie auf den Punkt besetzt.

Für Gastauftritte konnten zudem die Hambur-

ger Hip-Hop-Größe Das Bo und Publikumslieb-

ling Nora Tschirner gewonnen werden. Ralf

Mendle führte die Kamera. Als Produzenten

zeichnen Wüste Film und Wüste Film

West verantwortlich. Auf Senderseite sind

NDR und Arte mit an Bord. Den Verleih über-

nimmt Farbfilm, der diese „anarchische, über-

drehte, unbändige und zartfühlende Komödie

über Liebe, Toleranz und die vielleicht verrück-

teste Krankheit der Welt“ 2011 in die Kinos brin-

gen will.

Wüste Film West,

Tel. (0221) 5105067;

[email protected]

newsletter 4/2010 – Dreharbeiten24

Am Set von „Cloudcluster“:Vorbereitungen zu einer Szene auf dem Friedhof.

Foto: Felix Keuck/Toccata Film

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 24

Neue Vahr SüdEin Film im Kölner Filmhaus ist logischerweise nichts Besonde-

res - ein Filmdreh im Keller des Filmhauses schon etwas ande-

res: Für Regisseurin Hermine Huntgeburth war es einer der

Drehorte für „Neue Vahr Süd“, die Fortsetzung von Sven

Regeners Bestseller „Herr Lehmann“. In einer Bundeswehr-

Kaserne in Mechernich (Voreifel) starteten die Dreharbeiten am

7. April. Das Drehbuch schrieb Christian Zübert. Im Mittel-

punkt der Geschichte steht der 20-jährige Frank Lehmann (Fre-

derick Lau), der im Lebensspagat zwischen Bundeswehr und

linksalternativer Chaos-WG unaufhaltsam seinem Aufbruch aus

der Provinz entgegentaumelt. In Bremen wurden bis Mitte Mai

2010 die Dreharbeiten fortgesetzt.

Neben Frederick Lau als Frank Lehmann sind in weite-

ren Rollen Eike Weinreich, Miriam Stein, Johannes

Klaußner, Robert Gwisdek, Albrecht Schuch, Rosa-

lie Thomass, Hinnerk Schönemann, Jan-Peter Kamp-

wirth, Ulrich Matthes, Hans-Martin Stier

und Margarita Broich zu sehen. Produziert

wird „Neue Vahr Süd“ von Studio Hamburg

Produktion (Produzentin: Lisa Blumen-

berg) im Auftrag des WDR (Redaktion: Mi-

chael André) und Radio Bremen (Redak-

tion: Annette Strelow) für Das Erste. Der

Sendetermin ist für Ende 2010 vorgesehen.

Studio Hamburg,

Tel. (040) 66884801;

[email protected]

Brand – Eine TotengeschichteGelöscht ist der „Brand“ von Regisseur Tho-

mas Roth wohl noch lange nicht – aber nach

dem Drehende am 22. Mai jetzt in der Postpro-

duktion. Danach wird Zorro Film den Krimi

mit Josef Bierbichler, Angela Gregovic,

Erika Deutinger und Denis Moschitto in

den Hauptrollen in die Kino bringen.

Acht der 30 Drehtage fanden in NRW

(Windeck-Rosbach und Düsseldorf) statt. In dem

Kino-Drama verliebt sich der Schriftsteller Brand

in Angela, die Pflegerin seiner todkranken Frau

und gerät dadurch in eine Spirale aus Leiden-

schaft und Eifersucht. „Brand“ ist eine Produk-

tion von Lotus Film (Produzent: Erich Lack-

ner) und der Kölner Tatfilm (Produzentin:

Christine Ruppert). Als Sender sind ARD

Degeto und ORF beteiligt.

Tatfilm, Tel. (0221) 33000;

[email protected]

Die Frau des Polizisten Das persönliche Stadt-Casting von Philip Grö-

ning hat Stadtlohn gewonnen, und so dreht der

Düsseldorfer Regisseur und Autor dort seit An-

fang Juni seinen neuen Film „Die Frau des

Polizisten“: Als Christine und Uwe mit ihrer

vierjährigen Tochter Clara in eine Kleinstadt zie-

hen, ändert sich ihr Leben. Polizist Uwe stürzt

sich in die Arbeit, um „voran zu kommen“ und

Geld für die Familie zu beschaffen. Für Christi-

ne bedeutet das, viel Zeit zuhause mit ihrer Toch-

ter Clara. Von deren kindlicher Begeisterung lässt

sie sich anstecken und genießt die Tage. Den-

noch fühlt sie sich fremd in der neuen Stadt und

vermisst ihren Mann. Uwe auf der anderen Sei-

te fühlt sich ausgegrenzt von der wachsenden

Nähe zwischen Mutter und Tochter. Mit „Die

Frau des Polizisten“ wirft Philip Gröning ei-

nen intensiven Blick auf das Leben

eines jungen Ehepaars, das von Da-

vid Zimmerschied und Alexan-

dra Finder gespielt wird. Die Phi-

lip Gröning Filmproduktion

realisiert das Projekt gemeinsam mit

dem BR und ZDF/Arte komplett

in Stadtlohn. 3L übernimmt den

Verleih für den Kinostart im Jahr

2011.

Philip Gröning

Filmproduktion,

Tel. (0211) 4709123;

[email protected]

Dschungelkind

Bayern, NRW (Bad Berleburg) und die Regen-

wälder von Malaysia waren von Februar bis En-

de Mai die Drehorte für das „Dschungel-

kind“. Roland Suso Richter verfilmte den

gleichnamigen internationalen Bestseller nach

den Kindheitserinnerungen von Sabine Kue-

gler , die als Achtjährige mit ihren Eltern in den

Urwald Papua Neuguineas zog und dort bis zu

ihrem 17. Lebensjahr unter archaischen Bedin-

gungen bei den Eingeborenen vom Stamm der

Fayu aufwuchs.

UFA Cinema produziert die Verfilmung,

Thomas Kretschmann und Nadja Uhl

spielten die Eltern, Stella Kunkat das Kind Sa-

bine und Sina Tkotsch die Rolle der jugend-

lichen Sabine. Das Drehbuch schrieb Natalie

Scharf, die Kamera führte Holly Fink. Pro-

duzenten sind Nico Hofmann, Jürgen

Schuster, Wolf Bauer, Thomas Peter

Friedl und Natalie Scharf. „Dschungelkind“

entsteht in Koproduktion mit der ARD Dege-

to und soll im Dezember 2010 in die Kinos

kommen sowie später als Fernseh-Zweiteiler lau-

fen.

UFA Cinema, Tel. (0331) 70600;

[email protected]

Ausstellung FilmreiheFrühschoppen

29. Juni – 4. Juli 2010

Nähere Informationen unter www.fi lmservice-muenster-land.de

Zwischen Bundeswehr und Chaos-WG: Frank Lehmann (Frederick Lau) hat es nicht leicht. Foto: ARD/Thomas Kost

Allein zu Hause: Alexandra Finder ist „Die Frau des Polizisten“. Foto: Gröning Film

Sandra Hüller spielt die Hauptrolle in „Über uns das All“. Foto: Marc Comes

Über uns das AllSeinen ersten Kinofilm realisiert der KHM-Ab-

solvent Jan Schomburg im Rahmen der Six

Pack Initiative des WDR und der Filmstif-

tung NRW: „Über uns das All“ (AT) ent-

stand vom 3. Mai bis zum 5. Juni an 25 Dreh-

tagen an Originalmotiven in Köln und geht der

Frage nach, ob man einen verstorbenen Men-

schen so sehr vermissen kann, dass man ihn in

einem anderen Menschen wiederentdeckt. Die

Produktion der Kölner Pandora (Produzenten

Claudia Steffen und Christoph Friedel)

erzählt von Martha und Paul, die scheinbar ei-

ne glückliche Ehe führen. Sie ist Lehrerin, er Me-

dizinstudent. Als Paul eine Stelle in Marseille an-

geboten bekommt, ist klar, dass die beiden ge-

meinsam auswandern. Paul fährt vor, Martha

regelt noch den Umzug in Deutschland. Doch

dann erfährt sie, dass Paul sich das Leben ge-

nommen hat. Nach und nach findet die verstör-

te Martha heraus, dass Paul seit Jahren nicht

mehr studiert hat, dass ihm nie eine Stelle an-

geboten wurde. Sandra Hüller, Georg

Friedrich und Felix Knopp übernehmen die

Hauptrollen des Nachwuchsprojektes, für das

Marc Comes als Kameramann verantwortlich

zeichnet.

Pandora Film, Tel. (0221) 973320;

[email protected]

AN

ZE

IGE

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 25

Die Hitze trifft einen wie ein Hammer. Die

Hitze, mehr noch aber die Luftfeuchtigkeit,

die der Monsunregen auf mehr als 80 Prozent

hochtreibt. In dieser Freiluftsauna, in die sich

Malaysia im Mai verwandelt, Kameras, Sound-

Equipment oder gar Lampen zu schleppen, be-

deutet vor allem eines: einem der schweißtrei-

bendsten Jobs nachzugehen, die das Filmge-

schäft in jüngster Zeit zu vergeben hatte. Die-

ser Auszeichnung kann sich das Team um Re-

gisseur Roland Suso Richter und Kameramann

Holly Fink schon einmal sicher sein, nachdem

es im malaysischen Regenwald soeben den Ki-

nofilm „Dschungelkind“ abgedreht hat.

Der Film basiert auf dem gleichnamigen

Bestseller von Sabine Kuegler, der 2005 erschien

und einen Erlebnisbericht ihrer Kindheit und Ju-

gend im Dschungel darstellt: 1980, Sabine war

fünf Jahre alt, zog die Familie nach Papua Neu-

guinea zum Stamm der Fayu – die Eltern wa-

ren Sprachwissenschaftler, vor allem aber wohl

Missionare, die für die Fayu den Erstkontakt zur

christlichen, weißen Welt bedeuteten. Über

neun Jahre hinweg lebte Sabine Kuegler in dem

Dorf, passte sich den Sitten an, aß Schlangen

und Würmer, erfuhr vom Brauch der Blutrache,

bevor sie 1989 das Land in Richtung Schweiz

verließ, um ein Internat zu besuchen – was zum

Kulturschock Nummer zwei in ihrem noch nicht

sehr langen Leben führte.

Mit dem Flachboot geht es den Tembeling

River hinauf. Das Wasser ist lehmbraun und na-

hezu handwarm. Kinder planschen in Ufernä-

he, wo sich mitten im Regenwald kleine Lich-

tungen mit ein paar Hütten darauf auftun. Der

Bootsführer scheint auf ein inneres Navigations-

system zu hören, wenn er durch Stromschnel-

len und um Felsen herum manövriert. Hier, im

Taman Negara, im ältesten Regenwald der Welt,

der mehr als 130 Millionen Jahre auf dem Bu-

ckel hat, ist ein tatsächlich verwunschenes Set

aufgebaut worden. An einem Sandstrand am

Fluss hat Szenenbildner Michael König das Ku-

egler-Haus errichtet; weiter oben zwischen den

Bäumen stehen die Hütten der Eingeborenen

– alles getreu nach Fayu-Architektur, wie König

berichtet. Nur die Böden der Hütten wurden

verstärkt, um die Kameras zu tragen.

Thomas Kretschmann hat die Rolle von Sa-

bines Vater übernommen, Nadja Uhl spielt die

Normalerweise kommen die Setberichte für den Newsletter aus den Wäldern des Sauerlandes oder der Eifel. Diesmal aber erreicht uns ein

Bericht aus dem Urwald Malaysias, wo Roland Suso Richter nach Dreharbeiten u.a. auch in Bad Berleburg seinen neuen, geförderten Film

„Dschungelkind“ beendete.

Mutter – die beiden sind die herausragenden

Namen auf der Besetzungsliste von „Dschun-

gelkind“, die weitgehend unbekannte Darstel-

ler umfasst. Die Fayu-Akteure wurden zum Teil

aus dem australischen Exil nach Malaysia geholt,

denn Indonesien, zu dem West-Guinea gehört,

betreibt bekanntermaßen eine restriktive, ge-

walttätige Politik gegen die Ureinwohner.

Im normalen Leben arbeiten die Kurzzeit-

Schauspieler als Ärzte oder Juristen; jetzt hocken

sie spärlich bekleidet in den schattigen Hütten,

vertreiben sich die Zeit während der Drehpau-

sen, indem sie zum Spaß mit ihren Speeren

kämpfen oder zart besaitete Westler mit enor-

men Tausendfüßlern erschrecken. Englisch ist die

vorherrschende Sprache am Set, und weil hier

Deutsche und Malaysier und überhaupt Ange-

hörige aus aller Herren Länder durcheinander

wuseln, verströmt dieser Ort mitten im Dschun-

gel eine höchst multikulturelle Atmosphäre und

Buntheit – Bill Donovan, einer der ausführenden

Produzenten mit Büro in Malaysias Hauptstadt

Kuala Lumpur, stammt aus Kanada.

Szenenbildner König, Jürgen Schuster, der

deutsche Produzent der federführenden Ufa Ci-

nema, sowie Nico Hofmanns Teamworx haben

lange gesucht, bis sie diesen Ort gefunden ha-

ben. Indonesien schied fürs Drehen aufgrund

der politischen Verhältnisse aus, aber auch, weil

dort die Malaria droht – vor allem den Kinder-

darstellern wollte man die anstrengende Imp-

fung ersparen. Australien war im Gespräch, aber

dies hätte unter anderem die Flugzeiten noch

einmal verlängert. So kamen Schuster und Kö-

nig in den malaysischen Regenwald, denn hier

verbindet sich das Nützliche mit dem Angeneh-

men: Zum einen lässt sich am Tembeling River

die Kulisse Papua Neuguineas authentisch nach-

stellen, und auch gibt es in Malaysia eine aus-

geprägte filmische Infrastruktur sowie einen

ehemaligen General, der zwar divenhaft, aber

geschickt jenen Hubschrauber durch das enge

Flusstal zu fliegen vermag, der im Film die Fa-

milie Kuegler mit Lebensmitteln versorgt. Zum

anderen aber liegt nicht weit entfernt vom Set

das Mutiara Resort, eine idyllische Ferienanla-

ge mit einem Park voller Holzhäuser und einem

Multifunktionssaal, der zur Drehzeit Maske und

Kostümfundus beherbergte.

Sieben Wochen haben die Dreharbeiten in

Malaysia gedauert, fast ausschließlich hielten

sich Schauspieler und Crew rund um das Ku-

egler-Haus auf. Kameramann Holly Fink ist zwar

einerseits froh, diesem Filmlager bald entfliehen

und zum heimischen Bodensee abreisen zu kön-

nen – andererseits will er die malaysische Erfah-

rung nicht missen, der Hitze, dem Schweiß, den

Mücken zum Trotz. Hier im Dschungel habe er

ganz besondere Bilder gefunden, meint Fink: Die

Textur der Vegetation, der mehrmals am Tag

plötzlich herein brechende Regen, der Rauch,

der das Dorf gegen Ungeziefer schützt und das

Licht der Sonne bricht, all dies ergibt in der Tat

eine Szenerie, die zu einem besonderen Film

führen kann.

newsletter 4/2010 – Setbericht26

Nadja Uhl und Thomas Kretschmann mitFayu-Indianern am Set von Roland SusoRichters „Dschungelkind“. Foto: Ufa Cinema

Setbericht „Dschungelkind“

Asyl in MalaysiaVON FRANK OLBERT

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 26

Die Liebe der KinderKinostart: 15. Juli

Verleih: 2Pilots

Von Blind Date kann keine Rede sein, als Ma-

ren und Robert sich auf einer Autobahnrast-

stätte treffen. Im Chatroom hatten sie sich ken-

nengelernt, nun steht ihre erste Live-Begegnung

an. Nach vorsichtigem Herantasten fühlen sich

die Bibliothekarin und angehende Wissen-

schaftsautorin und der Baumschneider und Fuß-

ballfan füreinander bereit. Beide sind alleiner-

ziehend, Maren hat eine Tochter von 17 Jah-

ren, Robert einen 16-jährigen Sohn. Man zieht

zusammen, und alles scheint gut. Dann wird

Maren eines Tages mit der Tatsache konfron-

tiert, dass sich ihre Tochter Mira und Roberts

Sohn Daniel ineinander verliebt haben, und das

stellt die Beziehung der Erwachsenen auf eine

harte Probe.

Auch in seiner zweiten Kinoarbeit nach dem

Debüt „Kein Science Fiction“ (2003) bleibt Franz

Müller dem Produktionsstandort NRW treu und

drehte sein intimes Drama um zwei Liebesbe-

ziehungen innerhalb einer frischen Patchwork-

Familie an Schauplätzen in Köln und Leverku-

sen. Und auch diesmal band er die Schauspie-

ler in die Entwicklung der Figuren unabhängig

voneinander ein. Als dann die Dreharbeiten be-

gannen, standen sich Marie-Lou Sellem und Alex

Brendemühl tatsächlich erstmalig gegenüber. In-

dem die Dreharbeiten strikt der Chronologie des

Geschehens folgten, ergibt sich eine wechsel-

seitige Unmittelbarkeit zwischen Schaffenspro-

zess und fertigem Film, die sich nachhaltig von

der Leinwand auf den Betrachter überträgt.

Deutschland 2009Regie und Drehbuch: Franz Müller; Mitwirkende:Marie-Lou Sellem, Alex Brendemühl, KatharinaDerr, Tim Hoffmann, Michael Sideris, Katharina Lin-der, Jürgen Rißmann, Nicole Heesters; Produktion:2Pilots Produktion in Koproduktion mit WDR; www.dieliebederkinder.de

Jedem Kind einInstrument – EinJahr mit vier TönenKinostart: 1. Juli

Verleih: Real Fiction Filmverleih

Musikalische Früherziehung erreicht hierzu-

lande nicht jedes Kind. Mit verschiedenen

Initiativen wird versucht, diesen oft beklagten

Missstand zu beseitigen. Beispielsweise in Bo-

chum. An der dortigen Musikschule wurde vor

sechs Jahren das Projekt „JeKi“ ins Leben ge-

rufen. „JeKi“, die Abkürzung für „Jedem Kind

ein Instrument“, möchte, auf das gesamte Ruhr-

gebiet ausgeweitet, 200.000 Kinder für die Mu-

sik gewinnen.

Erstklässlern wird zunächst ein spielerischer

Zugang zur Musik ermöglicht, bevor die Kinder

dann in der zweiten Klasse ein Musikinstrument

als Leihgabe für drei Jahre zur Verfügung ge-

stellt bekommen. Oliver Rauchs Dokumentar-

film beobachtet vier Schülerinnen und Schüler

ein Jahr lang dabei, wie sie mit Instrumenten

ihrer Wahl proben.

Einer der Höhepunkte des Films: Die Kin-

der musizieren vor geladenen Gästen, darun-

ter dem nordrhein-westfälischen Ministerprä-

sidenten Jürgen Rüttgers und dem Ex-Außen-

minister Hans-Dietrich Genscher. Den Filmema-

cher beeindruckte die Begeisterung der Kinder

für Musik ebenso „wie das enorme Engage-

ment der Musikschullehrer, die das ungewöhn-

liche Unterrichtsmodell mit viel Elan, persönli-

cher Kreativität und Witz in die Schulklassen tru-

gen.“ Regisseur Oliver Rauch war es wichtig,

„Augenblicke festzuhalten und Situationen zu

beschreiben, in denen unmittelbare emotiona-

le Erlebnisse sich mit Lernerfahrungen verbin-

den“.Deutschland 2010Regie & Drehbuch: Oliver Rauch; Produktion: SURFilms in Koproduktion mit dem WDR und cine plus;www.jeki-derfilm.de

Herbstgold

Kinostart: 8. Juli

Verleih: Neue Visionen

Wer sagt, dass ältere Menschen körperlich

nicht mehr fit sind? Die von Regisseur Jan

Tenhaven in seinem Dokumentarfilm porträtier-

ten Menschen über 80 jedenfalls haben für sich

das Lebensmotto „Kopfstand statt Ruhestand“

gewählt und zeigen sich nach wie vor von ih-

rer sportlichen Seite. Da ist die 84 Jahre alte Il-

se Pleuger, die gerade von Duisburg in ihre Ge-

burtsstadt Kiel zurückzieht: Sie hat sich vorge-

nommen, den Weltrekord im Kugelstoßen für

die 85er-Klasse zu brechen und sechs Meter zu

werfen. Da ist Alfred Proksch, mittlerweile 99,

der 1936 bei den Olympischen Spielen in Ber-

lin als Stabhochspringer dabei war. Jetzt übt er

sich im Diskuswerfen, genauso wie Gabre Ga-

bric, die niemandem ihr Alter nennt. Jifií, der

82-jährige Hochspringer aus Tschechien, ist im

Film ebenso mit von der Partie wie Herbert aus

Stockholm, der mit 93 Jahren noch den 100-

Meter-Lauf und Gymnastik trainiert.

Regisseur Jan Tenhaven nennt sich selbst ei-

nen Sportmuffel und bekundet, nie daran ge-

dacht zu haben, einmal einen Dokumentarfilm

über ein Sportthema zu drehen. Als er aus Neu-

gierde eine Senioren-Leichtathletikmeisterschaft

besuchte, „war mein Wunsch geboren, einer-

seits diesen Helden eine filmische Bühne zu bie-

ten und andererseits ein Stück von ihrer Ener-

gie und ihrem Lebensmut an die Zuschauer wei-

terzugeben“. Dabei verzichtet er bewusst auf

das „Kramen in alten Schwarzweißfotos“ und

„Opa-erzählt-vom-Krieg“-Geschichten. Sein

Blick ist nach vorne gerichtet, auf die nächste

WM. Denn unglaublich, aber wahr: „Auch al-

te Menschen haben ein Morgen.“Deutschland 2010Regie: Jan Tenhaven; Produktion: Gebrüder BeetzFilmproduktion; www.herbstgold-derfilm.de

LolaKinostart: 15. Juli

Verleih: Rapid Eye Movies

Lola“ bedeutet auf Tagalog „Großmutter“. In

Malabon, einem Stadtteil der philippinischen

Hauptstadt Manila, etwa 45 Minuten vom

Stadtzentrum entfernt, sind zwei Großmütter

in einer verzweifelten Lage: Sie brauchen drin-

gend Geld. Der Enkel der einen Frau ist ange-

klagt, den Enkel der anderen getötet zu haben,

und nun muss Lola Sepa (Anita Linda) das Geld

für die Beerdigung und den Gerichtsprozess zu-

sammensuchen. Die andere Großmutter, Lola

Puring (Rustica Carpio), benötigt Geld für die

Kaution ihres inhaftierten Enkels.

Der 1960 geborene Brillante

Mendoza ist als Filmregisseur ein

Spätstarter. Erst 2005 hat er seinen

ersten Langfilm „The Masseur“ ge-

dreht, der in Locarno prämiert wur-

de. Danach hat er bis heute bereits

sieben weitere Filme realisiert, dar-

unter als letzten „Lola“. In seinen Fil-

men porträtiert er realitätsnah die

zeitgenössische philippinische Gesell-

schaft. Mendozas Filmen liegen au-

thentische Geschichten zugrunde:

„Ich suche sie aus, weil sie echter, in-

teressanter, wahrhaftiger und ehrlicher sind“,

sagt der Regisseur. „Ich mag es, Filme über ech-

te Lebensgeschichten zu machen, die die Phil-

ippinen beschreiben. Es soll sich anfühlen, als

ob du deinen Nachbarn auf dem Bildschirm

siehst und erlebst, was er erlebt haben könn-

te.“

Auf dem Filmfestival von Venedig 2009 war

„Lola“ der erste philippinische Film seit fast 25

Jahren.

Frankreich / Philippinen 2009Regie: Brillante Mendoza; Drehbuch: Linda Casimi-ro; Darsteller: Anita Linda, Rustica Carpio, TanyaGomez, Jhong Hilario, Ketchup Eusebio; Produkti-on: Swift Productions, Centerstage Productions;www.rapideyemovies.de

Kinovorschau – newsletter 4/2010 27

Geförderte Kinofilme der Filmstiftung NRW

Mit besten Empfehlungen Women withoutMenKinostart: 1. Juli

Verleih: NFP/Vertrieb: Filmwelt

Iran im Sommer 1953: Das Land ist im Auf-

ruhr, seit britische Schiffe eine Seeblockade er-

richtet haben, um die Absetzung des demokra-

tisch gewählten Ministerpräsidenten Moham-

med Mossadegh zu erzwingen und Riza Pah-

lewi als westlichen Interessen aufgeschlossener

Schah zu inthronisieren. Als der Militärputsch

tatsächlich vollzogen wird und in den Straßen

der Hauptstadt Teheran bürgerkriegsähnliche

Zustände herrschen, finden in einem abgelege-

nen Haus vor der Stadt vier höchst verschiede-

ne Frauen zusammen: die kunstliebende Fakhri

(Arita Shahrzad), die junge Prostituierte Zarin

(Orsi Tóth), die politische Aktivistin Munis (Shab-

nam Tolouei) und deren Freundin Faezeh (Pe-

gah Ferydoni). Hier erleben sie für eine kurze

Zeit das Gefühl von Freiheit, Unabhängigkeit,

Lebensfreude und Glück. Doch das Idyll währt

nur kurz.

Es war ein künstlerisches Wagnis, als die Fo-

tografin und Video-Künstlerin Shirin Neshat sich

zur Adaption des Romans „Women without

Men“ entschloss. Zwar hatte sie Sharnush Par-

sipurs hoch literarische Erzählung bereits in Vi-

deo-Installationen - den vier zentralen Frauen-

figuren gemäß – visuell gedeutet, doch nun soll-

te der abstrakte Rahmen verlassen und der Stoff

als dramatische Filmerzählung ausgestaltet wer-

den. Zu den künstlerischen Herausforderungen

gesellten sich die Schwierigkeiten einer Finan-

zierung als internationale Koproduktion mit Part-

nern aus drei Ländern. Umso erstaunlicher sind

der stilistische und erzählerische Reichtum die-

ses Films, dessen kunstvolle Bildgestaltung den

Gemälden des Surrealismus ebenso Referenz er-

weist wie den Filmen von Luis Bunuel und Con-

stantin Costa-Gavras. Es ist ein vielschichtiger,

mutiger Film, der zu recht bei den letztjährigen

Filmfestspielen in Venedig mit einem Löwen für

die beste Regie ausgezeichnet wurde.

Deutschland/Österreich/Frankreich 2009Regie, Drehbuch: Shirin Neshat, Shoja Azari; Mitwirkende: Pegah Ferydoni, Arita Shahrzad,Shabnam Tolouei, Orsi Tóth, Mina Azarian; Produktion: Essential Filmproduktion, Coop99 und Parisienne de Production in Koproduktion mit Rommel Film und EMC Produktion inZusammenarbeit mit ZDF/Arte, ORF Film/Fernseh-Abkommen, Cinepostproduction, Schönheitsfarmund Schweizer Brandung Filmproduktion; www.womenwithoutmen-derfilm.de

• letter104_14-28 11.06.2010 13:51 Uhr Seite 27

newsletter 4/2010 – Kinovorschau28

Die Liebe der Kinder

Kinostart: 15. Juli

Women without Men

Kinostart: 1. Juli

Jedem Kind ein Instrument –

Ein Jahr mit vier Tönen

Kinostart: 1. Juli

Herbstgold

Kinostart: 8. Juli

• letter104_14-28 11.06.2010 13:52 Uhr Seite 28