LITERATUR SHERLOCK HOLMES Eine unermüdliche Spürnase€¦ · Sherlock Holmes ist nicht nur der...

1
E s ist beeindruckend, welche Popu- larität der von Arthur Conan Doyle im ausgehenden 19. Jahrhundert erschaffene Meisterdetektiv bis heute genießt. Sherlock Holmes ist nicht nur der Protagonist von 56 Kurzgeschichten und vier Romanen aus der Feder des Schotten, sondern war bereits Star einer erfolgreichen BBC-Serie („Sherlock“), zahlreicher Kino- filme, und erst im April dieses Jahres ist mit dem Fall „Die quietschende Tür“ die 34. Hörspiel-Folge (!) bei Titania Medien erschienen. Zahlreiche Krimifreunde rätseln eben gern mit, egal ob beim Lesen, vor dem Fernseher oder dem CD-Player. Auch die SHERLOCK HOLMES-Reihe im Blitz Verlag weist eine lange Tradition auf. Die letzten drei der nunmehr 23 Bände umfassenden Zusammenstellungen von Romanen und Kurzgeschichten deutscher Autoren im Stile Arthur Conan Doyles wurden Ende April in gedruckter Form in einer exklusiven Samm- lerauflage veröffentlicht. Band 21, SHERLOCK HOLMES UND DER STUMME KLAVIERSPIELER vereint elf historische Kriminalerzählungen rund um den Meisterdetektiv. Es ist eine erweiterte Ausgabe der inzwischen vergriffenen Hard- cover-Ausgabe „Sherlock Holmes und Old Shatterhand“ aus dem Jahre 2010, die überarbeitet und um drei Kurzgeschichten erweitert wurde. Während „Das geheime Leben der Nilpferde“ und „Die andere Frau“ bereits als Hörspiel bei Winterzeit erschienen sind, liegt hier neu erstmals die Erzählung „Sherlock Holmes und der Orchideen- züchter“ vor. Diese Kurzgeschichte hat der promovierte Literaturwissenschaft- ler Klaus-Peter Walther – wie Doyle – aus der Perspektive von Holmes‘ Assistenten Dr. Watson verfasst und beeindruckt mit seinem Gespür für leisen, bildungsbürger- lichen Humor und zahlreiche Anspielungen auf Literatur und Filme. Gleich zu Beginn von „Sherlock Holmes und der Orchide- enzüchter“ zitiert er Shakespeares „King Lear“, bevor er sich für einen Besuch auf dem Anwesen von Kent’s Rest als Mönch verkleidet und Watson Bruder Adson nennt, in Anspielung auf eine Figur in Umberto Ecos „Der Name der Rose“. Dort regiert der ominöse Orchideenzüch- ter Dr. Maltravers und hütet ein Geheimnis, das seine stimmungsvolle Geschichte mit Motiven des Gothic Horror anreichert. Greif- bar werden alle Referenzen im Nachwort (Acknowledgemants) zur Kurzgeschich- ten-Kompilation SHERLOCK HOLMES UND DER STUMME KLAVIERSPIELER, in dem Walter seine weit verflochtenen Inspi- rationsquellen pointiert aufschlüsselt. In Band 23, SHERLOCK HOLMES UND DIE KOMBINATIONSMASCHINE, in dem vier Kurzgeschichten verschiedener Auto- ren vereint sind, geht Herausgeber Walter gar so weit, die detektivischen Fähigkeiten von Holmes denen einer Rechenmaschine gegenüberzustellen. In Band 22, SHERLOCK HOLMES UND DIE GEHEIMWAFFE, wählt der 1969 geborene Autor Andreas Zwengel eine andere Herangehensweise. Als auktoria- ler Erzähler ohne erkennbare unmittelbare Beteiligung erzählt er im Kerne eine klassi- sche Abenteuergeschichte. Sein 171 Seiten umfassender Roman weist zwei Zeitebenen auf, die unmittelbar miteinander verzahnt sind. Im Jahre 1851 gibt es auf der Wel- tausstellung in London einen Vorfall mit einer mysteriösen Bestie, der unter Betei- ligung zweier britischer Offiziere vertuscht wird. Als der junge, arme jüdische Student Adrian Panofsky auch Jahrzehnte später noch Nachforschungen anstellt, verschwin- det er plötzlich spurlos. Seine emanzipierte Frau Olivia beauftragt im Jahre 1891 Sher- lock Holmes und seinen Assistenten Watson damit, ihn wiederzufinden. Der Auftakt einer Ermittlung, die ihn bis zu einem rie- sigen Turm mit Laborkomplex im kleinen englischen Dorf New Innsmoor führt. Zwengel versteht es, die Motive von Doyles Kurzgeschichten aufzunehmen – und mit ihnen ironisch zu brechen. So etwa, als Holmes bei der ersten Begegnung sein indi- zienbasiertes Wissen von Olivia Panofsky von sich gibt – und sie sich recht gelangweilt bis enttäuscht gibt, dass seine Beobachtun- gen wahrlich nicht beeindruckend wären. Und auch einen süffisanten Seitenhieb auf das eheähnliche Junggesellen-WG-Le- ben von Holmes und Watson lässt sich Andreas Zwengel in seiner ebenso span- nenden wie mysteriösen Detektivgeschichte nicht nehmen, der abseits seiner Bei- träge zum „Sherlock Holmes-Universum“ bisher als Autor von Science-Fiction- und phantastischer Literatur in Erscheinung getreten ist. Auch nach Lektüre der neuesten Bände nach den Motiven von Arthur Conan Doyle steht fest, dass der Meisterdetektiv aus der Baker Street in neuen Fällen wieder kombi- nieren wird. Das Setting von einem London im ausgehenden 19. Jahrhundert hat als Kulisse längst noch nicht ausgedient. T LUTZ GRANERT Seit 2014 geht Sherlock Holmes, der wohl bekannteste Privatdetektiv der Welt, in neuen Kurzgeschichten und Romanen im Blitz Verlag auf Verbrecherjagd. Inzwischen liegen die Bände 21 bis 23 vor. Diese bewahren den Geist und die Motive von Arthur Conan Doyles Geschichte – geben sich aber auch mutig. Eine unermüdliche Spürnase 10 | multimania magazin LITERATUR SHERLOCK HOLMES

Transcript of LITERATUR SHERLOCK HOLMES Eine unermüdliche Spürnase€¦ · Sherlock Holmes ist nicht nur der...

Page 1: LITERATUR SHERLOCK HOLMES Eine unermüdliche Spürnase€¦ · Sherlock Holmes ist nicht nur der Protagonist von 56 Kurzgeschichten und vier Romanen aus der Feder des Schotten, sondern

Titel:SHERLOCK HOLMES – NEUE FÄLLE 22: SHERLOCK HOLMES UND DIE GEHEIMWAFFE

Autor:Andreas Zwengel

Verlag:Blitz Verlag

Seitenzahl: 172

PRODUKT-INFO

Titel:SHERLOCK HOLMES – NEUE FÄLLE 23: SHERLOCK HOLMES UND DIE KOMBINATIONSMASCHINE

Autor:Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

Verlag:Blitz Verlag

Seitenzahl: 254 PRODUKT-

INFO

Titel:SHERLOCK HOLMES – NEUE FÄLLE 21: SHERLOCK HOLMES UND DER STUMME KLAVIERSPIELER

Autor:Klaus-Peter Walter

Verlag:Blitz Verlag

Seitenzahl: 466PRODUKT-

INFO

Es ist beeindruckend, welche Popu-larität der von Arthur Conan Doyle im ausgehenden 19. Jahrhundert

erschaffene Meisterdetektiv bis heute genießt. Sherlock Holmes ist nicht nur der Protagonist von 56 Kurzgeschichten und vier Romanen aus der Feder des Schotten, sondern war bereits Star einer erfolgreichen BBC-Serie („Sherlock“), zahlreicher Kino-filme, und erst im April dieses Jahres ist mit dem Fall „Die quietschende Tür“ die 34. Hörspiel-Folge (!) bei Titania Medien erschienen. Zahlreiche Krimifreunde rätseln eben gern mit, egal ob beim Lesen, vor dem Fernseher oder dem CD-Player. Auch die SHERLOCK HOLMES-Reihe im Blitz Verlag weist eine lange Tradition auf. Die letzten drei der nunmehr 23 Bände umfassenden Zusammenstellungen von Romanen und Kurzgeschichten deutscher Autoren im Stile Arthur Conan Doyles wurden Ende April in gedruckter Form in einer exklusiven Samm-lerauflage veröffentlicht.Band 21, SHERLOCK HOLMES UND DER STUMME KLAVIERSPIELER vereint elf historische Kriminalerzählungen rund um den Meisterdetektiv. Es ist eine erweiterte Ausgabe der inzwischen vergriffenen Hard-cover-Ausgabe „Sherlock Holmes und Old Shatterhand“ aus dem Jahre 2010, die überarbeitet und um drei Kurzgeschichten erweitert wurde. Während „Das geheime Leben der Nilpferde“ und „Die andere Frau“ bereits als Hörspiel bei Winterzeit erschienen sind, liegt hier neu erstmals die Erzählung „Sherlock Holmes und der Orchideen-züchter“ vor. Diese Kurzgeschichte hat der promovierte Literaturwissenschaft-ler Klaus-Peter Walther – wie Doyle – aus der Perspektive von Holmes‘ Assistenten Dr. Watson verfasst und beeindruckt mit seinem Gespür für leisen, bildungsbürger-lichen Humor und zahlreiche Anspielungen auf Literatur und Filme. Gleich zu Beginn von „Sherlock Holmes und der Orchide-enzüchter“ zitiert er Shakespeares „King Lear“, bevor er sich für einen Besuch auf dem Anwesen von Kent’s Rest als Mönch verkleidet und Watson Bruder Adson nennt, in Anspielung auf eine Figur in Umberto Ecos „Der Name der Rose“. Dort regiert der ominöse Orchideenzüch-ter Dr. Maltravers und hütet ein Geheimnis,

das seine stimmungsvolle Geschichte mit Motiven des Gothic Horror anreichert. Greif-bar werden alle Referenzen im Nachwort (Acknowledgemants) zur Kurzgeschich-ten-Kompilation SHERLOCK HOLMES UND DER STUMME KLAVIERSPIELER, in dem Walter seine weit verflochtenen Inspi-rationsquellen pointiert aufschlüsselt. In Band 23, SHERLOCK HOLMES UND DIE KOMBINATIONSMASCHINE, in dem vier Kurzgeschichten verschiedener Auto-ren vereint sind, geht Herausgeber Walter gar so weit, die detektivischen Fähigkeiten von Holmes denen einer Rechenmaschine gegenüberzustellen.In Band 22, SHERLOCK HOLMES UND DIE GEHEIMWAFFE, wählt der 1969 geborene Autor Andreas Zwengel eine andere Herangehensweise. Als auktoria-ler Erzähler ohne erkennbare unmittelbare Beteiligung erzählt er im Kerne eine klassi-sche Abenteuergeschichte. Sein 171 Seiten umfassender Roman weist zwei Zeitebenen auf, die unmittelbar miteinander verzahnt sind. Im Jahre 1851 gibt es auf der Wel-tausstellung in London einen Vorfall mit einer mysteriösen Bestie, der unter Betei-ligung zweier britischer Offiziere vertuscht wird. Als der junge, arme jüdische Student Adrian Panofsky auch Jahrzehnte später noch Nachforschungen anstellt, verschwin-det er plötzlich spurlos. Seine emanzipierte Frau Olivia beauftragt im Jahre 1891 Sher-lock Holmes und seinen Assistenten Watson damit, ihn wiederzufinden. Der Auftakt einer Ermittlung, die ihn bis zu einem rie-sigen Turm mit Laborkomplex im kleinen englischen Dorf New Innsmoor führt. Zwengel versteht es, die Motive von Doyles Kurzgeschichten aufzunehmen – und mit ihnen ironisch zu brechen. So etwa, als Holmes bei der ersten Begegnung sein indi-zienbasiertes Wissen von Olivia Panofsky von sich gibt – und sie sich recht gelangweilt bis enttäuscht gibt, dass seine Beobachtun-gen wahrlich nicht beeindruckend wären. Und auch einen süffisanten Seitenhieb auf das eheähnliche Junggesellen-WG-Le-ben von Holmes und Watson lässt sich Andreas Zwengel in seiner ebenso span-nenden wie mysteriösen Detektivgeschichte nicht nehmen, der abseits seiner Bei-träge zum „Sherlock Holmes-Universum“ bisher als Autor von Science-Fiction- und

phantastischer Literatur in Erscheinung getreten ist. Auch nach Lektüre der neuesten Bände nach den Motiven von Arthur Conan Doyle steht fest, dass der Meisterdetektiv aus der Baker Street in neuen Fällen wieder kombi-nieren wird. Das Setting von einem London im ausgehenden 19. Jahrhundert hat als Kulisse längst noch nicht ausgedient.

T LUTZ GRANERT

Seit 2014 geht Sherlock Holmes, der wohl bekannteste Privatdetektiv der Welt, in neuen Kurzgeschichten und Romanen im Blitz Verlag auf Verbrecherjagd. Inzwischen liegen die Bände 21 bis 23 vor. Diese bewahren den Geist und die Motive von Arthur Conan Doyles Geschichte – geben sich aber auch mutig.

Eine unermüdliche Spürnase

10 | multimania magazin

LITERATUR SHERLOCK HOLMES