Live 2020
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Live 20/20
FH
PO
TSD
AM
Live 20/20
Green Music Initiative Die Green Music Initiative hat sich die
Förderung einer klimaverträglichen
Musik- und Entertainmentbranche
zum Ziel gesetzt. In enger Kooperation
mit renommierten wissenschaftlichen
Instituten, Stakeholdern und bekannten
Künstlerinnen und Künstlern werden
Reduktionsstrategien beispielhaft
umgesetzt. So können CO2-Emissionen
und weitere durch Veranstaltungen
bedingte Umwelteinwirkungen in allen
Bereichen vermindert werden.
Fachhochschule PotsdamDie Fachhochschule Potsdam wurde
1991 gegründet und zählt derzeit 3.000
Studierende in 22 Studiengängen,
darunter der Studiengang Kulturarbeit.
GrußworteJacob Bilabel
Hermann Voesgen
Das Team
Einleitung
Partner
Online-Umfrage
Hintergrundgespräche
Im Gespräch mit . . .Paul van Dyk / DJ und Musikproduzent
Nadja Clarus / Senatsverwaltung Berlin
Ina Kahle / FKP Scorpio
Detlef Schwarte / Reeperbahn Festival
Mankel Brinkmann / Club Bahnhof Ehrenfeld
Manfred Tari / Musikjournalist
Michael Fritz / Viva con Aqua
Evelyn Bork / Initiative Musik
Nina Sauer / Elbjazzfestival
Stephanie Weigel / Tollwood Festival
Ralph Zimme / Esprit Arena Düsseldorf
Thies Schröder / Ferropolis
Julia Gudzent / Melt Festival
Holger Jan Schmidt / Rheinkultur Festival
Erfahrungen
Fazit
Impressum
4
8
10
11
12
17
23
29
30
32
Inhalt
FH Potsdam
Live20 20
Luise Vörkel Nora Kasparick
Falk-Arne Goßler Ulrike Trenz
Eine Publikation der FH Potsdam gemeinsam mit der
Green Music Initiative
Live 20/20 4
JAC
OB
BIL
AB
EL
Live 20/20 5
Repeating HistoryWenige Begriffe haben in den letzten Jahren einen solchen Wandel durchlitten wie
die Worthülse „Nachhaltgkeit“. Und je mehr einem überall das Wort begegnete,
umso ungenauer schien die wirkliche Bedeutung zu werden. „Nachhaltig“ sollte auf
einmal alles sein, mit wenig Umweltwirkung oder am besten gleich klimaneutral. In
der erhitzen Diskussion wurde so aus einem sinnvollen Konzept ein kommunikativer
Hype. In der täglichen Arbeit der Green Music Initiative begannen wir uns zu fragen:
Wollen wir überhaupt eine nachhaltige Musikbranche? Passt dieses Konzept auf
einen Wirtschaftszweig, dessen Attraktivität und Anziehungskraft sich eben gerade
nicht aus Verzicht, Ressourcenschonung oder Bescheidenheit speist?
Dessen Akteure viel mehr Blühen, Glühen oder Verglühen? Mit anderen
Worten: Wäre eine nachhaltige Musikindustrie nicht eine verdammt langweilige?
Stattdessen scheint mir der Begriff „zukunftsfähig“ passender. Eine zukunftsfähige
Branche entwickelt innovative Geschäftsmodelle, die sowohl aus ökonomischer als
auch ökologischer Sicht überlebensfähig sind. Grund genug also, einmal mit einer
Gruppe von Studenten der FH Postdam um Professor Hermann Voesgen genauer
hinzuschauen und zu fragen: Wo steht die Branche in dem Thema? Hat der Hype
um die Nachhaltigkeit neben Lippenbekenntnissen auch zu realen Prozessen ge-
führt? Gibt es klare Strategien oder vage Absichtsbekundungen? Die hier vorliegen-
den Ergebnisse habe ich mit Spannung erwartet. Klar wird: Pioniere haben in der
Auseinandersetzung mit dem Thema ganz konkrete Vorteile erkannt und realisieren
diese mit positivem Effekt für ihr Geschäft. In der Breite überwiegt aber im Jahre
2012 noch immer das numinose Gefühl, mal dringend etwas tun zu müssen, aber
nicht genau zu wissen, was denn nun eigentlich. Vor ungefähr zehn Jahren habe ich
im Managment von Universal Music erleben müssen, wie große Teile der Branche
die Herausforderung Digitalisierung nicht erkannt, verschlafen oder schlichtweg
ignoriert haben. Die Effekte sind bekannt. Heute wird sich die Zukunfstfähigkeit der
Branche daran festmachen, wie schnell und smart sie sich auf die Chance Klima-
wandel ein- oder umstellt.
Ich danke den mitwirkenden Partnern FH Potsdam, Berlin Music Week, Tollwood
Festival, Club Consult, Elbjazz und THEMA1 für Ihre Hilfe. Und natürlich allen Inter-
viewten für die Bereitschaft, sich gemeinsam dieser großen Frage zu stellen.
Jacob Bilabel
Gründer Green Music Initiative
Grußwort
Live 20/20 6
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EN
7Live 20/20
„Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu.“
Dieser Satz von Ödön von Horváth steht als Motto über Seminaren und Projekten
im Studiengang Kulturarbeit, zu den Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit.
Es geht uns dabei immer wieder um die Frage, wie wir unsere Erkenntnisse und
Einsichten in verändertes Verhalten und Handeln umsetzen. Die sogenannte
kognitive Dissonanz, zwischen dem was wir eigentlich wissen und dem was wir
tatsächlich tun, spielt auch in der Kulturarbeit eine wesentliche Rolle. Kulturma-
nager und Künstler müssen sich dieser Herausforderungen stellen und die Idee
der Nachhaltigkeit in ihre Praxis einbeziehen. Daher ist es sinnvoll auch in der
Ausbildung dieses Thema anwendungsbezogen einzubringen.
Die folgende Untersuchung ist aus einem Seminar zur nachhaltigen Produk-
tion im Kulturbereich entstanden. Daraus entstand der Kontakt zu Jacob Bilabel
und der Green Music Initiative. Für uns ist es eine besondere Bereicherung mit
den „Machern“, konsequenter und phantasievoller Strategien zur Veränderungen
in der Musikindustrie, zusammen zu arbeiten.
Ein erstes Ergebnis der Kooperation liegt nun vor. Nachdem wir viele gute
Beispiele „best practice“ für nachhaltige Veranstaltungen kennengelernt hatten,
wollten wir wissen, inwieweit das Thema Nachhaltigkeit in der Breite angekom-
men ist. Die Untersuchung liefert dazu erste Ergebnisse. Dabei bestätigt sich die
Differenz zwischen dem was wir für wichtig halten und dem was wir meinem in
unserem Alltag, mit all seinen Zwängen, tun zu können. Daraus ergeben sich die
nächsten Aufgaben. Den ersten Schritt sind die vier Studenten Falk-Arne Goss-
ler, Luise Vörkel, Nora Kasparick und Ulrike Trenz mit großem sachlichen und
emotionalen Engagement gegangen. Herzlichen Dank für diese Leistung und an
Jacob Bilabel, ohne den es dieses Studie nicht geben würde.
Hermann Voesgen
FH Postdam
Grußwort
Live 20/20 8
LuIsE VöRkELLuise Vörkel (23) verschlug es mit ihrer
Ankunft in Berlin in die hiesige Musik-
szene. So hat sie bereits die Freuden
und Tücken von Konzertorganisation,
Tourbooking, Pressearbeit und der
Musik im Eigentlichen kennengelernt.
Mittlerweile ist sie bei zwei Veranstal-
tungsorten beschäftigt, dem Madame
Claude und dem Marie-Antoinette. Um
den Blick über den Tellerrand zu wah-
ren arbeitet Luise außerdem als Nach-
hilfelehrerin, sie ist Kolumnistin beim
AFFEKT-Blog, bildet sich im Feld der
Genderwissenschaften weiter und setzt
sich im Rahmen ihres Studiums mit dem
modernen Arbeitsbegriff und dem Wan-
del der Lohnarbeit auseinander.
NoRa kaspaRIck Derzeit befindet sich Nora Kasparick
(30) im Endspurt ihres Studiums zur
Kulturarbeiterin an der Fachhochschule
Potsdam. Geprägt durch das Ausstel-
lungsprojekt „Klimatisiert“ und einem
Praktikum bei SUSTAINUM-Institut für
zukunftsfähiges Wirtschaften Berlin, war
das Thema Umwelt& Nachhaltigkeit in
ihr Interessenfeld gerückt. Nichts lag
da näher! als beim Studienprojekt „Live
20/20“ mitzumachen!
FaLk-aRNE GossLER Falk-Arne Goßler (23) ist neben seines
studentischen Schaffens (Kulturarbeit
an der Fachhochschule Potsdam) Mu-
siker und Texter. Seine Band „The Love
Bülow“ spielt im Jahr ca. 50 Konzerte in
der gesamten Bundesrepublik. Neben
dem persönlichem Interesse war es vor
allem diese enge Verbindung zum Live-
Entertainment-Sektor, die ihn für die
„Live 20/20“-Studie begeisterte. Nach
seinem Diplom möchte sich Falk für ein
paar Jahre ganz der Musik widmen.
uLRIkE TRENz Ulrike Trenz (28) steckt ebenfalls in
den letzten Zügen ihres Kulturarbeiter-
Studiums an der FH Potsdam. Schon
während eines Ausstellungsprojekts
“Klimatisiert” im Oktober 2010 be-
schäftigte sie sich zusammen, unter
anderem mit Nora Kasparick, mit den
Fragen, was Klimawandel eigentlich im
alltäglichen Leben bedeutet und wie
ein klimaveträglicher Alltag überhaupt
aussehen könnte. Als ausgebildete Ver-
anstaltungskauffrau, die genauso gern
auf Konzerte geht, wie diese organisiert,
war die Motivation für ein Projekt wie
„Live 20/20” sofort groß und auch nach
dem Studium dürfte es gerne weiter in
diesem Bereich gehen!
Team
Live 20/20 9
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Live 20/20 10
Zukunftsfähigkeit und Innovation sind wesentliche Elemente der Musik- und Live-Entertainmentbranche. Doch kann dieser innovative Anspruch auch auf das Handeln der Beteiligten in Bezug auf Klima- und Umweltverträglichkeit ihres Aktions- und Arbeitsumfeldes ange-wandt werden?
Diese Frage stellten sich im Sommer 2011 vier Studierende der Fachrichtung Kulturarbeit an der Fachhochschule Potsdam gemein-sam mit Jacob Bilabel, dem Geschäftsführer der Green Music Initiati-ve Berlin, welche u.a. für das „Grünerwerden“ der Berlin Music Week (green Berlin Music Week) und des Melt! Festivals (M!Eco) eintritt.
Die Gruppe, die aus einem Hochschulseminar hervorgegangen war, beschloss, diese Fragestellung in ein konkretes Projekt umzuset-zen. Daraus entstand die Studie „Live 20/20“. Kern der Studie ist eine online basierte Befragung der deutschen Musik- und Entertainment-branche, mit dem Ziel ein Stimmungsbild und eine Zustandsbeschrei-bung dieses Arbeitsumfeldes hinsichtlich Umwelt- und Klimaverträg-lichkeit zu ermitteln.
Welche Rolle spielt Klima- und Umweltschutz im breiten Feld der Musikwirtschaft gegenwärtig? Welche Möglichkeiten nachhaltigen Wirtschaftens werden bereits genutzt und welche können zukünftig noch stärker genutzt werden? Diesen Fragen wurde nachgegangen. Die Studie ist eine Grundlage für die Auseinandersetzung mit den He-rausforderungen, denen sich Musik und Unterhaltung im Umgang mit umwelt- und klimaverträglichen Aspekten stellen müssen.
„Live 20/20“ ist ein Kooperationsprojekt der Fachhochschule Potsdam und der Green Music Initiative.
Einleitung
Live 20/20 11
BERLIN MusIc WEEk Die Berlin Music Week ist eine Dach-
marke unter der sich Musikmessen und
-konferenzen, eine Vielzahl von Konzert-
veranstaltungen und Branchennetzwer-
ke zusammenschließen. Organisiert und
koordiniert wird die Berlin Music Week
von der Kulturprojekte Berlin GmbH.
cLuB coNsuLT ClubConsult ist eine Beratungsagentur
für Berliner Clubs und Veranstalter,
die Expertenwissen für ein optimiertes
Management, wirtschaftliche Effizienz
sowie Nachhaltigkeit in der Musikwirt-
schaft bündelt und vermittelt.
ELBjazz FEsTIVaLDas Elbjazz Festival ist ein internatio-
nales Musikfestival mit dem Ziel, das
kulturellen Leben in der Metropolregion
Hamburg und entlang der Elbe durch
Jazzmusik zu bereichern und zu fördern.
ToLLWood FEsTIVaLDas Tollwood Festival ist ein traditi-
onsreiches Kulturfestival mit Sitz in
München, das, seit seinem Beginn vor
über 25 Jahren, ökologische und soziale
Aspekte in seine Organisation einbe-
zieht und sich gezielt mit dem Thema
Umwelt auseinandersetzt.
Partner
Live 20/20 12
HintergrundFür die Studie „Live 20/20” wählten wir
das Mittel der Online-Umfrage, wodurch
wir mannigfaltige Eindrücke davon sam-
meln konnten, wie in unterschiedlichen
Ebenen der Branche mit Umweltverträg-
lichkeit und Klimawandel umgegangen
wird. Befragt wurden u.a. Kultur- und
MusikmanagerInnen, ClubbetreiberIn-
nen, KünstlerInnen, sowie LeiterInnen
und MitarbeiterInnen von Booking-,
Event- und PR-Agenturen, Kultur- und
Eventstätten.
Fragestellung2012 ist der Begriff Nachhaltigkeit in
aller Munde. Kaum eine Konferenz oder
Messe der Musikbranche kommt ohne
Vorträge und Podiumsdiskussionen
zu dem Thema aus. Es findet bereits
eine Vielzahl von Netzwerkmeetings
statt, die sich ausschließlich mit dem
Zusammenhang von Umweltschutz und
Veranstaltungsorganisation beschäfti-
gen, z. B. die „Green Events Europe Con-
ference“ in Bonn. Das Thema ist nicht
nur in einschlägigen Fachzeitschriften
zu finden, es ist in den Dossiers großer
Tageszeitungen angekommen. Kurzum:
„Nachhaltigkeit“ erfuhr in den letzten
Jahren einen Hype.
Und da „Hype“ auch meint, dass
plötzlich ein derart hohes Interesse
existiert, dass Aktionen im gleichen
Umfang gar nicht so schnell geschehen
können, fragten wir uns: Folgen den
Worten ebenso viele Taten? Befindet
sich die Branche im Wandel und sieht
sie die Herausforderungen, die sich
durch die Umwelt bieten, als eine Chan-
ce für Innovationen im Geschäft?
Oder bleibt „Nachhaltigkeit“ ein
Nischenthema? Vielleicht sogar eine
Diskussion, die oft und gern geführt
wird, ohne dass Veränderungen statt-
finden? Ein Thema, das als Schmuck
dient? Fehlen vielen kleineren Clubs
und Agenturen womöglich die Zeit und
das Geld um neue Ideen für ein umwelt-
verträgliches Arbeiten umzusetzen?
Die Online-Umfrage „Live 20/20“
ging diesen Fragestellungen nach und
wir können nun, gemeinsam mit den Be-
reicherungen aus den Einzelinterviews,
ein Stimmungsbild der Branche geben.
Die UmfrageteilnehmerInnen erreich-
ten wir durch die Zusammenarbeit mit
der Green Music Initiative und unse-
ren Partnern - der Berlin Music Week,
ClubConsult, dem Elbjazz-Festival und
dem Tollwood Festival - die den Link zur
Online-Umfrage an ihre Mitglieder und
Kontakte weiterleiteten.
AufbauGegliedert ist unser Survey in drei Teile,
wobei auf der ersten Seite allgemeine
Angaben zur Person, zum Unternehmen
und der Unternehmensstruktur abge-
fragt wurden. Seite zwei hinterfragte die
Relevanz und den Einfluss der Themen
Klimawandel und Umweltverträglichkeit
für die Live-Entertainment-Branche, so-
wie die Bereitschaft, mit diesen Heraus-
forderungen zu planen und zu arbeiten.
Auf der abschließenden Seite konnten
Online Umfrage
Live 20/20 13
die UmfrageteilnehmerInnen angeben,
inwiefern sie konkrete Änderungen und
Maßnahmen in ihrem Unternehmen
durchgesetzt haben.
Insgesamt 28 Fragen, davon 10
optional, wurden von 86 Teilnehmenden
beantwortet. Jedoch haben insgesamt
113 Personen die Umfrage begonnen.
Es ist uns aufgefallen, dass die Fragen
nach tatsächlichen Veränderungen im
Tagesgeschäft von vielen Personen
ausgelassen wurden. An diesem Punkt
endeten plötzlich 10 Beantwortungen.
Eine mögliche Erklärung dafür wäre:
Es besteht bei den „AbbrecherInnen“
ein Interesse für das Survey-Thema,
jedoch fehlt es möglicherweise noch an
Veränderungen in ihrem Unternehmen.
In dem Fall hätten alle folgende Fragen
verneint werden müssen.
ErgebnisseUnter den TeilnehmerInnen des Surveys
„Live 20/20” befinden sich große Veran-
staltungsagenturen, bekannte Festivals,
Booking- und PR-Agenturen, Labels, so-
wie Künstlerinnen und Künstler selbst.
Viele davon sind selbstständig tätig
(28 %), 30 % führen oder arbeiten in
einer GmbH – und von allen Unterneh-
men sind knapp 25 % gemeinnützig. Bei
beinah 85 % handelt es sich um kleinere
Unternehmen, mit einer Mitarbeiterzahl
zwischen 1 und 40 Personen, 95 % aller
Befragten sind zum Teil oder hauptbe-
ruflich in den Bereichen Booking, Kon-
zert- und Festivalveranstaltung tätig.
Auf die Frage, in welchem Maße der
Klimawandel die zukünftige Arbeit
beeinflussen würde, erhielten wir keine
eindeutige Antwort. Die relative Mehr-
heit von 26 % hat auf einer Skala von
0 (überhaupt nicht) bis 5 (sehr stark)
die 3 gewählt. Dennoch sind 59 % der
Meinung, dem Klimawandel werde noch
zu wenig Beachtung in ihrer Branche
geschenkt, und ganze 89 % sagen, dass
der kommende Wandel als Chance
zu begreifen sei. Zeigen diese Zahlen,
dass es im Moment noch an Ideen fehlt,
wie man diese Chance nutzen könnte?
Immerhin planen nur 74 % mit diesen
Veränderungen. 61% geben an, sich
eine Strategie zurechtgelegt zu haben
– 50 % nennen hierbei eine kurzfristige
Planung, 40 % eine mittelfristige. Auf
die Frage, welche Gebiete die Strategie
umfasst, antworteten 82 % mit Strom-
wechsel, 53 % mit Travel Policies und
71% mit dem Punkt Rohstoffe. Mehr-
fachnennungen waren möglich.
Nur 21% der Befragten beschäfti-
gen in ihrem Unternehmen eine Person,
die sich mit Umweltfragen auseinan-
dersetzt – in 8 Fällen liegt der Bereich
Umweltverträglichkeit in der Hauptver-
antwortlichkeit dieser Mitarbeiterin oder
des Mitarbeiters. Bei 65 % der Unter-
nehmen befasst sich die Mitarbeiterin
oder der Mitarbeiter zu 5 bis 30 % ihrer
bzw. seiner Gesamtarbeitszeit mit dem
Thema.
Diese Antworten machen deutlich,
dass im Gegensatz zu einem großen
Interesse am Thema Klimawandel und
dem positiven Blick in die Zukunft –
Online Umfrage
14 Live 20/20
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Live 20/20 16
Wandel gleich Chance – relativ wenig
mit dieser Chance gearbeitet wird.
Dieser Eindruck setzt sich fort.
An den Zertifizierungssystemen
beteiligen sich derzeit wenige Akteure
(30 %) bestehenden, Reduktionsziele
haben sich nur knapp 40 % gesetzt.
Beachtet man, dass unter unseren
Befragten viele „Vorreiter“ der Branche
sind, lässt das die Vermutung zu, in der
gesamten Branche fielen diese Zahlen
noch geringer aus. Zu den Redukti-
onszielen zählen, genauso wie zu den
angegebenen Strategien, auch passive
Änderungen, wie der Wechsel zu Grü-
nem Strom. Insgesamt 83 % der 40 %
geben an, sich diese Ziele im Bereich
Energie gesetzt zu haben. Allerdings
waren hier Mehrfachnennungen mög-
lich – auch Mobilität, Ressourcenein-
sparung und Abfallentsorgung liegen im
Interesse der Befragten.
Eine konkrete Änderung in ihren
Kerngeschäften haben gleichwohl
70% durchgeführt (73 % – Energie,
60 % – Mobilität, 46 % – Ressourcen,
54 % – Abfallentsorgung). Als Beispiele
für diese Änderungen wurden u.a. der
Verzicht auf Papier in der Pressearbeit
und bei Bewerbungsverfahren, die
Umstellung beim Catering auf regionale
Lebensmittel, der Einsatz recyclebarer
Produkte bei Veranstaltungen und das
Durchsetzen klimafreundlicher Reise-
richtlinien im gesamten Unternehmen
angegeben.
Es gibt also eine Vielzahl effizienter
und kreativer Ideen für einen Wandel zu
mehr Umweltfreundlichkeit in der eige-
nen Arbeit. Gleichwohl liegen bei den
Angaben bisher erfolgter Änderungen
und geplanter Strategien die Punkte
vorn, die mit einem möglichst geringen
Kosten- und Energieaufwand umzuset-
zen sind – der Umstieg auf Ökostrom,
die Verwendung von recyclebarem Pa-
pier, Videokonferenzen statt Dienstrei-
sen. Dieser Sachverhalt ist gut nachvoll-
ziehbar. Agenturen, die aus nicht mehr
als zwei bis 40 Personen bestehen,
verfügen nicht über ein großes Einfluss-
feld – ihr Tagesgeschäft beschränkt
sich oft auf Computerarbeit und Mee-
tings. Dabei existieren wenig Prozesse,
die einer weitreichenden Veränderung
unterworfen werden können. Im glei-
chen Moment beweist dieses Ergebnis,
dass umweltverträgliches Wirtschaften
nicht unbedingt Mehrkosten sondern
ebenso Effizienz bedeuten kann, und
dass 100 % aller BranchenvertrerInnen
im Stande sein müssten, auf einfache
und unkomplizierte Weise einen Schritt
in Richtung Umweltfreundlichkeit zu tun
– sei es im Büro oder unterwegs.
Dennoch ist dies nicht der Fall. Von
88 %, die den Klimawandel als Chan-
ce sehen, planen 20 % nicht in dieser
Hinsicht, 35 % verfügen nicht über eine
Strategie, und 60 % dieser Gruppe ha-
ben sich keine Reduktionsziele gesetzt.
Von den Personen, die angeben, mit
den umweltbezogenen Herausforderun-
gen zu planen, schließen lediglich 45 %
dabei Reduktionsziele mit ein, und 15 %
dieser Befragten haben noch keine
Online Umfrage
Live 20/20 17
Änderungen in ihrem Tagesgeschäft
umgesetzt. Liegt also auch in der per
se zukunftsgewandten Musikbranche
ein weiter Weg zwischen dem Wollen
und dem Tun? Sollte man den Begriff
„Green Washing” auf den Plan rufen?
Das glauben wir nicht.
Eher sind diese Zahlen damit
erklärbar, dass oft noch Ratlosigkeit
herrscht, wenn es um den Wandel zu
einem umweltfreundlichen Geschäft
geht. Das Thema steht nicht mehr in
den Startlöchern, aber es ist eben-
sowenig Konsens in der Branche, wie
die Umfrage zeigt. Ein Interesse an
Handlungsempfehlungen und Hinwei-
sen besteht. Knapp jeweils 85 % der
UmfrageteilnehmerInnen, die angaben
mit dem Klimawandel zu planen bzw.
eine Strategie zu besitzen, sind an
einem Leitfaden interessiert. Und mehr
als 78 % der gleichen Gruppen würden
an einem themenbezogenen Workshop
teilnehmen.
Ob dieses Interesse in den kom-
menden Jahren zu einem Wandel im
Geschäft führt, wird sich zeigen. Der
Klimawandel ist keine Problematik, die
man kleinreden kann, sondern eine
prominente Angelegenheit, die Gesell-
schaft, Wirtschaft und Politik mehr und
mehr zeigt, dass ein verantwortungs-
bewusster Umgang mit der eigenen
Umwelt vonnöten ist. Die Musikbranche
kann hier eine Position als Vorbild und
Sinnstifter einnehmen, und diese Chan-
ce sollte sie ergreifen.
HINTERGRuNdGEspRäcHE
EinleitungDie Hintergrundgespräche wurden in
ihrer Struktur an das Survey angelehnt
und persönlich oder telefonisch durch-
geführt. Dabei ging es darum, zusätzlich
zur Umfrage weitere Meinungen und
Einstellungen zum Thema zu erfassen,
um einen detaillierten Einblick in das
jeweilige Wirkungs- und Arbeitsfeld der
Befragten zu erhalten. Bei der Auswahl
der 14 Gesprächspartner haben wir
darauf geachtet, dass verschiedene
Felder der Musik- und Live-Entertain-
mentbranche vertreten waren, um ein
umfassendes Stimmungsbild, gefußt
auf unterschiedlichen Perspektiven,
ermitteln zu können. Zu diesen 14
Befragten zählen Personen, die sich
öffentlich für ein umweltfreundliches
Arbeiten einsetzen und Veränderungen
in diesem Bereich bewirken; ebenso
VertreterInnen der Musikbranche, deren
Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit
uns unbekannt war.
Wen genau haben wir befragt?Unsere Gesprächspartner wählten
wir bundesweit aus den Bereichen
Musikproduktion, Event- und Festival-
management, Netzwerkorganisation,
Clubbetrieb, Musikjournalismus, Veran-
staltungstechnik, Musikförderung, aus
nachhaltigen Initiativen und Umweltpro-
jekten im Musik- und Festivalbereich,
sowie aus dem öffentlichen Sektor und
der Musikszene selbst.
Hintergrundgespräche
Live 20/20 18
Die Aussagen der Interviewpartner
haben wir verglichen, gegenübergestellt
und in Zusammenhänge gesetzt. Diese
Zusammenhänge wurden im Folgenden
als einzelne Punkte herausgearbeitet.
So geben sie den anonymen Ergebnis-
sen der Umfrage ein Gesicht.
Was HaBEN WIR HERausGEFuNdEN?
Nachhaltigkeit im konzeptHat man sich innerhalb eines Teams
oder Unternehmens für ein klima- und
umweltverträgliches Handeln und Wirt-
schaften entschieden, ist es von Vorteil,
die eigenen Ideen in eine Strategie
umzuwandeln. Ein erster Schritt kann
die Analyse bestehender Handlungsfel-
der unter Nachhaltigkeitsaspekten sein,
um gemeinsam realisierbare Lösungs-
ansätze zu finden. Experimentierfreude
und der Mut, etwas Neues zu wagen, ist
hilfreich, wenn nicht gar notwendig, um
hierbei Veränderungen anzugehen. Da-
bei muss Schritt für Schritt vorgegangen
werden - die Umwandlung alltäglicher
Arbeitsprozesse erfordert viel Achtsam-
keit und das Einbeziehen beteiligter
MitarbeiterInnen. Bereits existierende
Leitfäden bzw. Handbücher zu einem
“grünen Wandel” werden gern für erste
Ideen als Inspiration genutzt. Dennoch
konnten wir feststellen, dass diese Art
von Hilfsmitteln nur bis zu einem gewis-
sen Grad angenommen werden, sie sind
teilweise zu allgemein gehalten.
Der offene Austausch mit Kolleginnen
und Kollegen aus der Branche wird
eher als hilfreich empfunden. Die-
ser kann informell oder durch aktive
Teilnahme in nationalen und inter-
nationalen Verbänden, bei Vereinen,
Konferenzen und Workshops (z. B.
yourope – European Festival Associ-
ation, GreenEvents Europe Konferenz
– Bonn) geschehen. Das “grüne” Thema
scheint dabei schnell eine Verbindung
zwischen interessierten KollegInnen aus
der Branche herzustellen.
VeranstalterInnen wie auch
VermittlerInnen der Branche stimmen
darin überein, dass die Musik- und
Live-Entertainment-Branche wie auch
Künstlerinnen und Künstler selbst in
puncto Nachhaltigkeit als Vorbilder für
ihr Publikum stehen können, wenngleich
die Branche nicht eine der tonange-
benden Wirtschaftzweige im Bereich
Nachhaltigkeit ist. Widerum kann das
ökologische Engagement eines Veran-
stalterInn einer Veranstalterin auch Vor-
bildfunktion für Musikschaffende haben.
Genau dieses Potenzial, diese Strahl-
kraft sollte man nutzen. Besonders auf
Festivals habe man die Möglichkeit,
auf spielerische und experimentelle Art,
Impulse für alternative Lebensweisen zu
geben. Schafft man es, durch Aktionen
abstrakte Prozesse bezüglich des Kli-
mawandels spielerisch zu verbildlichen,
und gelingt es dadurch, das Publikum
und die Fans emotional zu berühren,
kann es zum “Aha-Effekt” kommen. Die
Rezipienten können Anregungen für eine
Hintergrundgespräche
Live 20/20 19
nachhaltige Lebensweise mit nach-
hause nehmen. Dennoch, so sind sich
die meisten Akteure einig, sollte man
die Erwartungen an ein Konzert- oder
Festivalpublikum nicht zu hoch schrau-
ben, denn dieses kommt in erster Linie
mit dem Grund, an einem Musikevent
teilzunehmen.
kommunikation und presseresonanz
In der aktuellen Medienlandschaft
erfährt das Thema Nachhaltigkeit in
Wirtschaft und Gesellschaft, sowie die
Debatte um den Klimawandel allgemein
eine hohe Resonanz. Allein deshalb bie-
tet es sich an, entsprechende Aktionen
und Maßnahmen öffentlich zu kommu-
nizieren, wenn ein Unternehmen bzw.
ein Team geschlossen dahintersteht.
Das sollte gut und mit Vorlauf geplant
sein. Sollen Absichten und Ratschläge
vermittelt werden oder kann man Taten
und konkrete Veränderungen vorstel-
len? Auf welche Aktionen, auf welche
Veranstaltungen soll der Fokus gelegt
werden? Dies gilt es zu beachten.
Eine offene Marketing- und Kom-
munikationspolitik im Bereich Nach-
haltigkeit kann allerdings auch schnell
in die Kategorie “Green-Washing”
eingeordnet werden. Den kritischen
Blick von Fans und Publikum dürfe man
nicht unterschätzen. Möchte man seine
Umweltstrategie authentisch widerspie-
geln, muss man im Blick behalten, wie
und wann die Umsetzung verschiede-
ner Pläne erfolgen kann: Wird diese
Umsetzung kurz-, mittel- oder langfristig
geschehen? Wird man sich bewusst,
welche Ergebnisse zu welchem Zeit-
punkt präsentiert werden können, kann
die eigene Öffentlichkeitsarbeit im
wörtlichen Sinne nachhaltig gestaltet
werden und ein transparentes Auftreten
garantieren.
Von a nach B und wieder zurück
International agierende Künstler müssen
weltweit mobil sein, um ihren Job auszu-
führen, also um touren zu können. Aus
Zeit- und Kostenfaktoren gibt es keine
realistische Alternative zu regelmäßigen
Flügen. Ebenso wäre es undenkbar,
auf Welttourneen zu verzichten, und
mit anderen Mitteln, wie beispielsweise
einer Live-Video-übertragung von einem
Konzert, das gewünschte Live-Gefühl in
die Wohnzimmer der Fans zu übertra-
gen. Hier kann eine Branchenumwand-
lung also nicht ansetzen.
Nachhaltiges und klimaverträgli-
ches Handeln kann dem gesellschaftli-
chen Nutzen von Kultur und Entertain-
ment nur bedingt gegenübergestellt
werden - z. B. mit der Kompensation
vom CO2-Verbrauch der eigenen Reisen.
Hintergrundgespräche
Live 20/20 20
Finanziell und ideellVor allem im Kleinen agierende Akteure der Branche, VeranstalterInnen von
Clubkonzerten, stehen immer wieder unter einem finanziellen Druck. Daher werden
zusätzliche klima- und umweltverträgliche Auflagen und Maßnamen, welche man
sich neben dem laufenden Tagesgeschäft setzen könnte, oft als nicht angehbar
empfunden. Darüber hinaus konnten wir feststellen, dass das Verständnis des
Begriffs Nachhaltigkeit bei dieser Gruppe nicht nur auf Umweltbelange, sondern
deutlich auf den Bereich des sozialen Umfelds bezogen wird, in dem die jeweiligen
Akteure wirken. Lokale und regionale Vernetzung sind Aspekte, die neben klimaver-
träglichem Handeln ebenso einen hohen Stellenwert haben.
Green awards vs. zertifizierungEine überraschende Feststellung ist, dass die Mehrheit der befragten Akteure ver-
halten mit der Anwendung offizieller Zertifizierungssysteme im Umweltbereich um-
geht. Offizielle Zertifizierungen sind in der Branche gegenwärtig nicht ausreichend
etabliert, teilweise komplett unbekannt. Kritisch wird daran auch gesehen, dass
viele Standards die Tagesarbeit von Veranstaltungsagenturen im Blick haben, nicht
aber die eigentlichen Veranstaltungen, deren Umwelteinfluss erheblich höher ist
als die Büroarbeit des Organisationsteams. Daher lassen solche Regularien wenig
Spielraum für notwendige Experimentierprozesse innerhalb des Querschnittthemas
Umweltverträglichkeit und Live-Entertainment.
Im Gegensatz zu ISO- oder EMAS-Zertifizierungen sind Awards ein beliebtes
und weitgehend anerkanntes Mittel zum Nachweis eines engagierten Einsatzes für
mehr Umweltverträglichkeit der eigenen Arbeit. Besonders im Festivalbereich ist
der Verleihung nationaler, sowie internationaler Auszeichnungen und Labels, sowie
der Teilnahme an Wettbewerben im Umweltbereich (zum Beispiel „Sounds for
Nature-Gütezeichen”, „A Greener Festival Award”, „Green’n’Clean Award”, etc.)
ein höherer Stellenwert zuzuschreiben.
Hintergrundgespräche
Live 20/20 21
Im Gespräch mit ...
pauL VaN dyk dj und Musikproduzent
Als weltweit bekannter DJ und Musik-
produzent betrachtet Paul van Dyk das
Thema Klima- und Umweltverträglich-
keit aus verschiedenen Perspektiven.
Gehe es um die Produktion von Tonträ-
gern, erkenne man schon einen Trend
weg vom vielen „Wegwerfmaterial“
hin zu recyclebaren Materialien. Beim
Touring hingegen sähe es schon etwas
problematischer mit der CO2-Bilanz
aus: Gehe eine Band auf Welttournee,
gäbe es keine realistische Alternative
zum Fliegen. Es sei nicht einfach, so
van Dyk, den gesellschaftlichen Nutzen
von Entertainment und Kultur einem
nachhaltigem Handeln entgegenzu-
setzen. Selber kompensiert van Dyk
die Emissionen seiner zahlereichen
Flüge, indem er pro Flug den er tätigt,
Umweltvouchers erwirbt, für die jeweils
ein Stück brasilianischer Regenwald
aufgeforstet wird.
Nadja cLaRus Referentin für Musikwirtschaft bei der senatsverwaltung für Wirt-schaft, Technologie und Frauen, Berlin
Als Referentin für Musikwirtschaft ist
Nadja Clarus das erste Mal vor zwei
Jahren auf dem Melt! Festival auf das
Thema Klimaverträglichkeit in der Mu-
sikwirtschaft aufmerksam geworden.
Auf Vorschlag der Green Music
Initiative Berlin und zusammen mit der
Kulturprojekte GmbH sei zeitgleich
ein Leitbild für eine umweltverträgli-
chere Berlin Music Week entstanden,
welches seit dem sukzessive in die
Tat umgesetzt wird. Die Vermittlerin
innerhalb der Musikwirtschaft Berlins
hat schon oft festgestellt, dass gerade
Akteure der Musikszene eine gewisse
Affinität und Offenheit gegenüber Ideen
für nachhaltiges Handeln aufbringen.
Außerdem stellt Clarus eine gegen-
seitige Motivation innerhalb der Bran-
che fest, die, wenn es zum “Aha-Effekt”
komme, auch auf Fans und Clubgänger
überspringe und den ein oder anderen
zum Nachahmen anregen könne.
Live 20/20 22
Im Gespräch mit ...
dETLEF scHWaRTE Mitorganisator des Reeperbahn Festivals & campus, Gesellschafter und Geschäftsführer bei Inferno Events, Hamburg
Das Thema klimaverträgliches Handeln
und Wirtschaften sieht Detlef Schwarte,
Mitbegründer des Hamburger Reeper-
bahn Festivals als eine Entwicklung der
letzten Jahre, die größtenteils von ein-
zelnen Personen, die einer persönlichen
Motivation folgen, getragen wird.
„Festivalveranstalter haben in
erster Linie natürlich das Ziel, Bands so
gut es geht zu präsentieren, um Leuten
Spaß zu bereiten, eine gewisse Szene
abzubilden. Wenn hier zusätzlich ein
gewisses Lebensgefühl mitschwingt,
dass es halt nicht nur um Sex, Drugs &
Rock ‚n‘ Roll geht, sondern auch noch
um irgendeine Form von Nachhaltigkeit
und vernünftigem Verhalten und Sein
in der Welt, dann ist das gut und macht
natürlich auch noch mehr Spaß!“
Die Akteure innerhalb der Kultur-
oder Musikbranche sieht Schwarte ge-
wiss nicht als diejenigen, die in diesem
Bereich den Ton angeben. Dennoch sei
es natürlich so, dass die gesellschaftli-
che Wahrnehmung eines Themas und
damit auch der tatsächlich zählbare
Effekt stärker würde, wenn viele kleine
Teile der Gesellschaft sich darum küm-
merten. „Da kann dann eine Motivation
entstehen“, so Schwarte, „die sich
eventuell tausend- und millionenfach
multipliziert.“
NINa sauER Geschäftsführerin und Mit-initiatorin des Elbjazzfestivals in Hamburg
Für Nina Sauer, Geschäftsführerin
und Mitinitiatorin des Elbjazzfestivals
in Hamburg, spielt die Umwelt- und
Klimaverträglichkeit in ihrer Arbeit eine
wichtige Rolle. „Als Festivalmacher
erreichen wir viele Leute und haben die
Chance – und die Pflicht – eine Vorbild-
funktion wahrzunehmen.
Wir möchten die Besucher des
ELBJAZZ Festivals für einen rücksichts-
Live 20/20 23
Im Gespräch mit ...
vollen Umgang mit den Ressourcen
sensibilisieren und ihr Bewusstsein in
Hinblick auf umweltschonendes und
klimaverträgliches Handeln schärfen.
Konkret bemühen wir uns durch eine
ganze Reihe von Maßnahmen, unsere
Besucher nachhaltig zu ökologisch be-
wusstem Verhalten zu animieren. Dabei
stoßen wir zunehmend auf fruchtba-
ren Boden – der Stellenwert, den das
Thema Umwelt in unserer Gesellschaft
hat, ist in den letzten Jahren deutlich
gewachsen“, so Nina Sauer. Wichtig
dafür ist ihrer Meinung eine umfassende
Planung, die möglichst alle Bereiche
eines Festivals abdeckt.
Für die Zukunft wünscht sich Nina,
dass Nachhaltigkeit in allen Bereichen
der Gesellschaft kontinuierlich an
Bedeutung gewinnt – ebenso wie die
Erkenntnis, dass es sich für alle lohnt,
dafür etwas zu tun. Relevante Umwelt-
zusammenhänge sollten für eine breite
Öffentlichkeit verständlicher und inter-
essanter gestaltet werden. Mit Hilfe ver-
stärkter Aufklärung und klaren Guide-
lines könnten zusätzliche Anregungen
und Hilfestellungen für jeden Einzelnen
gegeben werden, seinen Beitrag für die
Umwelt zu leisten.
RaLpH zIMME Leiter für Veranstaltungstechnik und sicherheitsmanagement der EspRIT arena in düsseldorf
Die ESPRIT Arena ist in Düsseldorf
die beste Adresse für Events im XXL-
Format, wie Fußballspiele und Konzerte.
Mit dem Thema Klimaverträglichkeit
ist er aus Berufswegen in Berührung
gekommen, da es Teil des Sicherheits-
managements ist. Grundsätzlich sind
für ihn Gebäude und die Umsetzung
der Veranstaltung getrennt zu betrach-
ten. Zum Gebäude gab es aktuell mit
einem Ingenieursbüro eine Effizienzun-
tersuchung hinsichtlich der Technik&
Beleuchtung, dabei wurde z. B. die
Lichtanlage durch Bewegungsmelder
optimiert.
Bei der Größenordnung der Veran-
staltungen spielt auch der Wasserver-
brauch eine wichtige Rolle, berichtet
Zimme, hier wurden Wassersparmaß-
nahmen in Form von wasserfreien Uri-
nalen vorgenommen. Der Umweltaspekt
während seiner Arbeit, so Zimme, spielt
eher eine untergeordnete Rolle und
kommt unter anderem in der Erfüllung
von Umweltschutzauflagen zum tragen.
Bislang werden Effizienz und Optimie-
rung im Haus aus rein wirtschaftlichen
Gesichtspunkten betrachtet, der daraus
gewonnene Effekt der Umweltverträg-
lichkeit wird dabei gern mitgenommen.
Live 20/20 24
Im Gespräch mit ...
EVELyN BoRk Teamassistenz der Initiative Musik GmbH
Auf die Frage, ob die Initiative Musik dar-
auf achte, nachhaltig agierende Künstler
speziell zu fördern oder bei der Vergabe
von Geldern mit umweltbezogenen Auf-
lagen gearbeitet würde, verneinte Frau
Bork. Für umweltbewusstes Handeln und
touren sei der Künstler verantwortlich,
kontrolliert werde lediglich die Verwen-
dung der Mittel hinsichtlich der Kosten.
Im Mittelpunkt der Förderung liegt
neben dem Talent des Musikers bzw. der
Musikgründe die Verwendung der Mittel
hinsichtlich des günstigsten Preises.
MaNkEL BRINkMaNNGeschäftsführer und Mitbetreiber des Ehrenfelder clubbahnhofs in köln
Der Ehrenfelder Clubbahnhof ist ein
noch relativ junges Kölner Veranstal-
tungszentrum mit kulturellem Anspruch.
Durch das Pilot-Projekt, dem „Green
Club Index“, so Clubmitbetreiber
Mankel Brinkmann, habe man gleich
zu Beginn die Chance bekommen, die
Ausrichtung des eigenen Clubs auf eine
ökologische Schiene zu lenken. „Dabei
ging es zunächst darum, sich gemein-
sam zu überlegen, wo man ansetzen
könnte, um zum Beispiel den CO2-
Ausstoß des Clubs zu minimieren oder
ganz konkret, ob es so einfach wäre, zu
einem Öko-Stromanbieter zu wech-
seln. In weiteren Schritten versuchte
man, gewisse Dinge zu implementieren
und heute, ein Jahr später, möchte
man natürlich wissen, was das Ganze
überhaupt gebracht hat“, berichtet
Brinkmann.
Die Nachhaltigkeitsdebatte, nicht
nur im Clubbereich, sieht der Clubbe-
treiber als Ausdruck eines Zeitgeists,
der uns Menschen dazu bewege, Dinge
zu hinterfragen und wohlmöglich auch
abzulehnen, um alternative Wege einzu-
schlagen. Allerdings bedeutet nach-
haltiges Wirtschaften für die Betreiber
des Ehrenfelder Clubbahnhofs nicht
nur Schadstoff-Emissionen einzuspa-
ren, sondern es heißt ebenso sich als
aktives Mitglied des Stadtteils zu sehen,
indem man ansässig ist und wirkt.
Live 20/20 25
Im Gespräch mit ...
MIcHaEL FRITzNGo Viva con agua
Michael Fritz ist bereits von Anfang
an bei Viva con Agua aktiv. Derzeit ist
er vollzeitbeschäftigt und kümmert
sich um die Aktionen, auf denen Viva
con Agua vertreten ist. Von vorderster
Festivalfront berichtet er davon, dass
die Leute sehr positiv auf die Projekte
von Viva con Agua reagieren. Beson-
ders die Aktion: „Gib Viva con Agua
deinen Pfand zurück“ (erstmalig beim
Lunatic 2007) stößt auf regen Anklang.
Trotzdem, so sagt er, solle man die Er-
wartungen an einen Festival-Besucher
nicht allzu hoch schrauben, die Leute
kommen in erster Linie um Spaß zu
haben, nicht um auf die Umwelt zu
achten. Umso wichtiger ist es nach
seiner Auffassung, die Grundstrukturen
zu einer Selbstverständlichkeit werden
zu lassen, die Verantwortung bezüglich
der Nachhaltigkeitsthemen liegt seiner
Meinung nach klar auf der Seite des
Veranstalters. „Festivals dürfen offensiv
mit ihren Nachhaltigkeitskampagnen
werben, solange sie auch wirklich etwas
tun”, so Fritz.“ Gerade als Festivalver-
anstalter hat man ein Gehör in unserer
Gesellschaft. Daher sollten die Festi-
valveranstalter ihr Sprachrohr sinnvoll
nutzen für soziale Themen.
INa kaHLEFestival projektmanagement bei Fkp scorpio konzertproduktionen GmbH
„Oft handelt man im Arbeitsalltag in
gewisser Weise schon klima- oder
umweltverträglich ohne es explizit
vorab benannt zu haben”, so Ina Kahle,
Festival- und Projektmanagerin bei den
Konzertproduktionen FKP Scorpio aus
Hamburg. Ina Kahle ist unter anderem
für die Koordination „grüner” Aktionen
wie zum Beispiel dem Grüner Wohnen
auf verschiedenen Festivals zuständig.
Um ein passendes Nachhaltigkeitskon-
zept für ein Event zu erarbeiten, müsse
man sich im Team zusammensetzen
Live 20/20 26
Im Gespräch mit ...
und diskutieren, ob eine Idee für ein
Event oder einen Anlass überhaupt Sinn
macht. Dabei, so Kahle, ist es unabding-
bar ein offenes Ohr gegenüber seinen
Besuchern zu haben.
Die oft positive Resonanz der
Presse auf das Nachhaltigkeitsthema
sei zusätzlich als ein Nebeneffekt zu
nennen, der es mit sich bringe, stets
über die Thematik des eigenen klima-
verträglichen Wirtschaften und Handeln
up-to-date zu sein.
sTEpHaNIE WEIGEL Leiterin der umweltprojekte des Tollwood Festivals
Seit 2006 leitet Stephanie Weigel die
Umweltprojekte des Tollwood Festivals.
Mit ihrem Einstieg in den Festivalbetrieb
wurde der Umweltbereich mit einer ei-
genen Personalressource ausgestattet.
Auf Tollwood sei die Welt zuhause und
dieser Welt fühle sich das Festival seit
über 25 Jahren verpflichtet, berichtet
Stephanie Weigel. Die Umweltaus-
wirkungen so gering wie möglich zu
halten, sei deshalb zentrales Anliegen.
Bio-Essen, Grüner Strom, Mülltrennung,
klimafreundliche Anreise – all das sei
möglich und erfolgreich, wenn Anreize
geschaffen würden und Veranstalter
wie öffentliche Stellen Hand in Hand
arbeiteten.
Stephanie Weigel kennt die Be-
denken, vor allem die der Musikfesti-
vals, sich als Ökofestival zu etablieren.
Zum einen sei Umweltengagement
aber schon längst Trend, zum anderen
gäbe es keine Zielgruppe, der man das
Thema Nachhaltigkeit nicht zumuten
könne. Für sie ist es eine Frage der
Verantwortung, bei der kein Raum für
Bedenken bleibe. Großveranstalter
sollten mit gutem Beispiel vorange-
hen, hier wünscht sie sich mehr Mut.
Vor allem die Musikbranche habe eine
große Strahlkraft. Hier treten Künstler
vor Tausenden Menschen auf, dieses
Potenzial sollte man nutzen.
Live 20/20 27
Im Gespräch mit ...
MaNFREd TaRIMusikjournalist
Mittlerweile sei einer der größten Risi-
kofaktoren für Freiluftveranstaltungen
schlechtes Wetter und dies bringe eine
ganze Reihe von zusätzlichen Kosten-
faktoren für Festivalveranstalter mit
sich, so Manfred Tari, Freischaffender
Journalist im Musikbereich.
„Angefangen bei höheren Versiche-
rungspolicen hin zu Infrastrukturmaß-
nahmen, damit so ein Festival über-
haupt weiterlaufen kann, kommen hier
einige Kleinigkeiten zusammen, die in
der Summe letztendlich den Nachweis
erbringen, dass die Veranstaltungsbran-
che zunehmend darauf reagiere”. Dies
sei ein Indikat dafür, dass die Branche
mittelbar oder auch unmittelbar den
Folgen des Klimawandels ausgesetzt
sei. Ein kurzer Draht zum meteorolo-
gischen Dienst von Seiten des Veran-
stalters sei da heutzutage auch keine
Besonderheit mehr, so Tari.
Das Umrüsten auf ein nachhalti-
geres Wirtschaften für den in Deutsch-
land meist nichtgeförderten und unter
finanziellem Druck stehenden Musik-
und Clubbereich sieht Tari als einen
schweren finanziellen Kraftakt, der
oft nicht gestemmt werden könne, da
einfach andere Investitionen getätigt
werden müssten.
THIEs scHRödER Geschäftsführer Ferropolis GmbH
Thies Schröder ist als Geschäftsfüh-
rer der Ferropolis GmbH ein wichtiger
Partner für das Melt! Festival und die
Green Music Initiative bei der Planung
und Umsetzung der Aktion M!Eco, deren
Ziel es ist, das Festival zu einem Vorbild
für umweltverträgliche Kulturveranstal-
tungen zu machen.
Es ist Thies Schröder ein Hauptan-
liegen, die Entwicklung des Standorts
Ferropolis so umweltfreundlich wie
möglich zu gestalten. Dabei beinhaltet
der Begriff Nachhaltigkeit für ihn auch
eine regionale Vernetzung. So konnte
beispielsweise die Ausstattung von
Ferropolis mit Solarpanels in Zusam-
menarbeit mit Unternehmen aus der
Umgebung gelingen.
Live 20/20 28
Im Gespräch mit ...
juLIa GudzENT Melt! FestivalJulia Gudzent ist der Kopf hinter
M!Eco, der Initiative gegen Umweltver-
schmutzung und Ressorcenverschwen-
dung des Melt! Festivals. Neue Impulse
für ihre Arbeit erhält Julia Gudzent
durch den Austausch mit Festivalma-
cherInnen aus der ganzen Welt. Daher
findet sie Netzwerke wie „yourope” oder
die „GO Group” unverzichtbar für den
Weg zu einer grüneren Entertainment-
branche. Man sollte allerdings Obacht
geben, so Gudzent, dass bei den vielen
Konferenzen und Panels zum Thema
Umweltverträglichkeit nicht die Umset-
zung der Ideen auf der Strecke bleibt.
Eine Sammlung von Handlungsemp-
fehlungen, erarbeitet von bekannten
Vorreitern auf dem Gebiet, könnte den
richtigen Anstoß geben.
HoLGER jaN scHMIdT Leitung Rheinkultur-Festival
Holger Jan Schmidt hat als Veranstalter
des Rheinkultur-Festivals beeindru-
ckend gezeigt, wie eine Großveran-
staltung umweltfreundlich umgesetzt
werden kann. Das begann mit dem
Modell des Becherpfands, vor 15
Jahren noch ein Novum, und setzte sich
fort mit „Green Rocks” – das Label, das
seit 2008 alle „grünen” Aktivitäten des
Festivals bündelt. Dazu zählen sowohl
Aktionen und Hinweise für Besuche-
rInnen als auch die Projekte, die das
Festival selbst anstieß.
Was hinter den Kulissen an
Aktionen für mehr Umweltverträglich-
keit geschieht, muss an das Publikum
weitergegeben werden, so Holger Jan
Schmidt. Nur so kann ein Bewusstsein
für den eigenen Einfluss auf die Umwelt
bewirkt und folglich ein verantwor-
tungsvoller Umgang mit diesem Wissen
geschaffen werden. Denn ein Festival-
publikum ist eine überaus große Masse
von Menschen, die ein Umdenken und
einen Wandel anstoßen können.
Live 20/20 29
Erfahrungen
Die Resonanz von 86 abgeschlossenen Umfragen scheint auf den ers-ten Blick sehr spärlich. Berücksichtigt man jedoch, dass die Online-Umfrage die schwierigste Form der Befragung ist, da der Angeschrie-bene selbst aktiv werden und sich bewusst dafür entscheiden muss, an der Umfrage teilzunehmen, bewegen wir uns mit den Rückläufen in den gängigen Quoten. Ein weiterer Grund für das geringe Interesse an der aktiven Beantwortung des Fragebogens könnte aber auch eine gefühlte Sättigung seitens der Teilnehmer bezüglich des Themas sein.
Trotzdem waren die Aussagen, die von den Studien-Teilnehmern getätigt wurden, sehr aufschlussreich. So konnten wir folgende Er-kenntnisse gewinnen:
Das Thema Nachhaltigkeit ist viel kommuniziert. Wichtig dabei ist jedoch zu
erwähnen, dass die Einflussfaktoren innerhalb der Musik- und Live-Entertain-
ment-Branche ganz unterschiedlich sind. Für Festival-Betreiber beispielswei-
se beeinflusst der Klimawandel schon jetzt einen Großteil des Arbeitsalltags
. Spontane Wetterumbrüche und orkan-artige Winde können für ein mona-
telang geplantes Festival den Ruin bedeuten. Hier ist das Thema also schon
akut greifbar und muss aktiv angegangen werden, wohingegen andere Teil-
bereiche der Branche der Thematik noch mit einer gewissen Gelassenheit
entgegentreten können. Fest steht jedoch, dass Nachhaltigkeit und Klima-
wandel auch im Musik- und Live-Entertainment zu Themen geworden sind,
derer man sich nicht entziehen kann.
Bei den Befragten bildet sich kein konkreter Konsens, was die Wichtigkeit
des Themas angeht, da gerade einmal 53 % der Befragten der Meinung sind,
dass Klimawandel einen direkten Einfluss auf ihr wirtschaftliches Handeln
besitze. Trotzdem sehen 87% der Befragten die damit einhergehenden
Veränderungen in Struktur und Gegebenheiten des täglichen Arbeitsverlaufs
als eine Chance für das Wachstum des eigenen Unternehmens. über 70%
der Befragten sind der Meinung, dass dem Thema Nachhaltigkeit künftig
noch mehr Beachtung geschenkt werden muss. Vielen ist es aber noch
wichtiger, konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt zu bekommen, die
ein nachhaltigeres Wirtschaften ermöglichen. Hier entsteht Potenzial für
neue Berufsgruppen bzw. einem neuem Typus von Facharbeiter in genau
diesem Live-Entertainment-Segment. So sind zukünftig Energieberater mit
der Schwerpunktausrichtung Musikveranstaltungen ebenso denkbar wie
Nachhaltigkeitsbeauftragte in größeren Entertainment-Unternehmen.
1.
2.
Live 20/20 30
Fazit Das Thema Nachhaltigkeit und die Notwendigkeit umweltbewussten Wirtschaftens ist bei vielen VertreterInnen der Branche angekom-men. Allerdings besteht eine Diskrepanz zwischen der allgemeinen Annahme des Themas und den individuellen Handlungen im eige-nen Arbeitsumfeld, die daran anknüpfen. Es besteht die Möglichkeit, dass diese Ungleichheit bestehen bleibt. Um dem entgegenzuwirken müssen Branchenakteure aktiv werden, gemeinsam mit existierenden Initiativen und Organisationen, die die richtige Plattform bieten, um konkrete Handlungsempfehlungen zu entwickeln und zu veröffentli-chen. Das Thema Nachhaltigkeit hat in der eigenen Trendkurve einen „Peak” erreicht, an den angeknüpft werden muss. Gefragt und gesucht sind Vorreiter, die bereits heute einen alternativen Weg einschlagen. Darüber hinaus wäre es sinnvoll neue Erkenntnisse nicht nur im eige-nen Unternehmen, sondern auch in individuellen Netzwerken zu teilen, im alltäglichen Austausch mit GeschäftspartnerInnen, aber auch in Verbänden, Vereinen und Dachorganisationen. Die bereits zahlreich vorhandenen Awards für Teilbereiche der Branche sind ein erster Schritt in diese Richtung. Eine weitere Chance, nachhaltiges Agieren dauerhaft in das Tagesgeschäft einzubinden, kann die Planung von Reduktionszielen für einen mittelfristigen Zeitraum sein. Vorteile einer solchen Arbeit sind die zahlreichen Möglichkeiten die sich auftun, um sich dem Thema zu nähern.
Wenn auch noch nicht in jedem Teilbereich der großen Branche angekom-
men, so gibt es bereits jetzt viele Akteure und Projekte, die aufzeigen, wie
nachhaltiges Arbeiten im Live-Entertainment aussehen kann. Vorreiter wie Ina
Kahle von FKP-Scorpio (siehe Hintergrundgespräche) verdeutlichen, wie man
nachhaltig und wirtschaftlich gleichermaßen agieren kann, ohne Einnahmen
oder ein „Image” zu verlieren. Fakt ist aber auch, dass das Thema Nachhaltig-
keit derzeit noch von Idealismus lebt und noch nicht selbstverständlich in die
allgemeinen Arbeitsprozesse überführt worden ist. Knapp 25 % der Befragten
haben in ihrem Unternehmen ein Ansprechpartner für Nachhaltigkeit. Von
diesen 25 % nimmt für den Großteil dieser Teilbereich nur eine Nebenrolle ein.
Bedenkt man allerdings, dass es sich bei vielen Unternehmen im Live-Enter-
tainment um Klein- und Kleinstunternehmen handelt, ist dieses Viertel bereits
eine beachtliche Zahl!
3.
Live 20/20 31
Fazit
kurzfristigNachhaltigkeit im Live-Entertainment darf kein Spartenthema werden, genauso wenig wie es noch lange ein kontroverses Thema bleiben darf. Ziel sollte es vielmehr sein, die damit verbundenen Veränderun-gen als dauerhafte Herausforderung anzuerkennen, an der man stetig arbeiten kann und muss.
MittelfristigFest steht jedoch auch, dass gewisse Belastungen, gerade im Bereich der Mobilität aus heutiger Sicht unvermeidbar sind. Hier ist das produ-zierende Gewerbe gefragt, beispielweise mit neuen Technologlien im Transportwesen.
Mittel- bis LangfristigZukunftsfähigkeit und Innovation sind wesentliche Elemente der Musik- und Live-Entertainmentbranche. Doch kann dieser Anspruch, innovativ zu sein, auch auf das Handeln der Beteiligten in Bezug auf Klima- und Umweltverträglichkeit ihres Aktions- und Arbeitsumfeldes angewandt werden?
Nach intensiver Auseinandersetzung mit dieser Frage können wir allenfalls mit „teilweise” beantworten. Es gibt aber durchaus höchst-interessanten Ansätze, die es Wert sind, verfolgt zu werden. Einige von ihnen konnte unsere Broschüre präsentieren. Und auch wenn wir in manchen Bereichen noch lange nicht am Ende der Möglichkeit stehen, so verdeutlichen uns die Vorreiter der Musik- und Live-Enter-tainment-Branche, dass die nächsten Jahre in puncto Nachhaltigkeit, Zukunftfähigkeit und Klimaverträglichkeit sehr spannend werden. Man kann sich der Thematik nicht entziehen, schon gar nicht, wenn man auch 2020 noch „live” dabei sein will.
Text Luise Vörkel, Nora Kasparick,
Falk-Arne Goßler, Ulrike Trenz
Mit freundlicher UnterstützungProf. Dr. Hermann Voesgen
und Jacob Bilabel
Gestaltung und CoverfotoDaniel Schenk
Druckv. Stern‘sche Druckerei GmbH
& Co KG, Lüneburg
Möglich gemacht durchGesellschaft der Freunde und
Förderer der FH Potsdam
DankBerlin Music Week, Club Consult,
Elbjazz Festival, Tollwood Festival
Impressum
Live 20/20 33
Herausgegeben von dem Studiengang
Kulturarbeit der Fachhochschule
Potsdam gemeinsam mit der Green
Music Initiative
Unterstützt von:
Live 20 20
Eine studie zum Thema umweltverträglichkeit in der Musikwirtschaft
FH potsdampappelallee 8-914469 potsdam