Logistik: Die letzte Meile zählt - patrizia.ag · Der für die Logistikbranche wichtigste...

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IM FOKUS INHALT IM FOKUS Logistik: Die letzte Meile zählt 1 IM GESPRÄCH Logistik@PATRIZIA 3 ZUR SACHE Zeitenwende am Markt für Logistikimmobilien 4 AM RANDE Logistik & Nachhaltigkeit: Weit mehr als nur Energieeffizienz 5 PANORAMA Klicks vs. Bricks 6 ZU GUTER LETZT Out of the box 8 Logistik: Die letzte Meile zählt 01|2016 Langweilig und ästhetisch unbefriedigend – so werden Logistikimmobilien oft einge- schätzt. Aber dieses Urteil greift zu kurz: Logistikimmobilien sind nicht einfach nur diese unansehnlichen Riesenhallen in der Nähe von Autobahnkreuzen und Häfen, sondern auch attraktive Anlageobjekte und unverzichtbare Treiber der wirtschaft- lichen Entwicklung. Und sie verändern sich gerade grundlegend – als Folge des Onlinehandels und des Trends zur Indus- trie 4.0. Zu Beginn dieses Jahres machte wieder einmal der Onlinehändler Amazon Schlagzeilen. Der Handelsriese werde „in Stadtnähe Verteilzentren aufbauen“, sagte Amazon-Manager Bernd Schwenger der „DVZ – Deut- schen Verkehrs-Zeitung“ und sorgte damit in der Branche für große Aufmerksamkeit. Denn die Ankündigung wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung, die der wachsende Anteil des E-Commerce für den Markt der Logistikimmo- bilien hat: Weil für Onlinehändler das Thema „Same-Day Delivery“ immer wichtiger wird, brauchen sie nicht mehr nur große Verteilzentren auf der grünen Wiese, sondern auch kleinere Objekte in der Nähe der Innenstädte. „Neben den riesigen Logistikzentren“, verdeutlicht dies Dr. Alexander Nehm vom Logistikimmobilienberater Logivest Concept GmbH, „suchen Onlinehändler ver- stärkt die Nähe zu Ballungsräumen, um ihre Kunden noch schneller beliefern zu können.“ Das ist nicht die einzige Veränderung, die der Markt für Logistikimmobilien derzeit durchmacht. Lagerhallen und Verteilzentren sind gewissermaßen ein Seismograf der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklun- gen. „Faktoren aus Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft haben Auswirkungen auf das Volumen und die Art der Verteilung der Warenströme“, hält And- reas Schulten vom Analysehaus bulwiengesa in dem vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) herausgege- benen „Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2016“ fest. So wirkt sich zum Beispiel der Fachkräftemangel auch auf den Immobilienmarkt aus: „Schon heute ste- hen und fallen einige Logistikansiedlungen mit der Ver- fügbarkeit von Arbeitskräften in einer Region“, erklärt Christof Prange, Head of Business Development Deutschland beim Projektentwickler Goodman. Digitalisierung und die Folgen Der für die Logistikbranche wichtigste Megatrend ist aber die Digitalisierung. Diese meint nicht nur das durch den E-Commerce veränderte Konsumverhalten, sondern auch grundlegende Neuerungen im Bereich der Produktion. Unter dem Stichwort Industrie 4.0 wachsen die physische und die digitale Welt zusammen: Neue Produktionsme- thoden wie der 3D-Drucker ermöglichen es, dezentral und Fortsetzung auf Seite 2

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IM FOKUS

INHALTIM FOKUS Logistik: Die letzte Meile zählt 1

IM GESPRÄCH Logistik@PATRIZIA 3

ZUR SACHE Zeitenwende am Markt für Logistikimmobilien 4

AM RANDE Logistik & Nachhaltigkeit: Weit mehr als nur Energieeffizienz 5

PANORAMA Klicks vs. Bricks 6

ZU GUTER LETZT Out of the box 8

Logistik: Die letzte Meile zählt

01|2016

Langweilig und ästhetisch unbefriedigend – so werden Logistikimmobilien oft einge-schätzt. Aber dieses Urteil greift zu kurz: Logistikimmobilien sind nicht einfach nur diese unansehnlichen Riesenhallen in der Nähe von Autobahnkreuzen und Häfen, sondern auch attraktive Anlageobjekte und unverzichtbare Treiber der wirtschaft-lichen Entwicklung. Und sie verändern sich gerade grundlegend – als Folge des Onlinehandels und des Trends zur Indus-trie 4.0.

Zu Beginn dieses Jahres machte wieder einmal der Onlinehändler Amazon Schlagzeilen. Der Handelsriese werde „in Stadtnähe Verteilzentren aufbauen“, sagte Amazon-Manager Bernd Schwenger der „DVZ – Deut-schen Verkehrs-Zeitung“ und sorgte damit in der Branche für große Aufmerksamkeit. Denn die Ankündigung wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung, die der wachsende Anteil des E-Commerce für den Markt der Logistikimmo-bilien hat: Weil für Onlinehändler das Thema „Same-Day Delivery“ immer wichtiger wird, brauchen sie nicht mehr nur große Verteilzentren auf der grünen Wiese, sondern auch kleinere Objekte in der Nähe der Innenstädte. „Neben den riesigen Logistikzentren“, verdeutlicht dies Dr. Alexander Nehm vom Logistikimmobilienberater Logivest Concept GmbH, „suchen Onlinehändler ver-

stärkt die Nähe zu Ballungsräumen, um ihre Kunden noch schneller beliefern zu können.“

Das ist nicht die einzige Veränderung, die der Markt für Logistikimmobilien derzeit durchmacht. Lagerhallen und Verteilzentren sind gewissermaßen ein Seismograf der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklun-gen. „Faktoren aus Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft haben Auswirkungen auf das Volumen und die Art der Verteilung der Warenströme“, hält And-reas Schulten vom Analysehaus bulwiengesa in dem vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) herausgege-benen „Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2016“ fest. So wirkt sich zum Beispiel der Fachkräftemangel auch auf den Immobilienmarkt aus: „Schon heute ste-hen und fallen einige Logistikansiedlungen mit der Ver-fügbarkeit von Arbeitskräften in einer Region“, erklärt Christof Prange, Head of Business Development Deutschland beim Projektentwickler Goodman.

Digitalisierung und die Folgen

Der für die Logistikbranche wichtigste Megatrend ist aber die Digitalisierung. Diese meint nicht nur das durch den E-Commerce veränderte Konsumverhalten, sondern auch grundlegende Neuerungen im Bereich der Produktion. Unter dem Stichwort Industrie 4.0 wachsen die physische und die digitale Welt zusammen: Neue Produktionsme-thoden wie der 3D-Drucker ermöglichen es, dezentral und

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PATRIZIA BULLETIN 01|20162 IM FOKUS

Fortsetzung von Seite 1

IMPRESSUMHerausgeber PATRIZIA Immobilien AG | PATRIZIA Bürohaus | Fuggerstraße 26 | 86150 Augsburg | T +49 821 50910-612 | [email protected] | www.patrizia.ag | V.i.S.d.P. Andreas Menke, Group Head of Corporate Communications Autoren dieser Ausgabe Dr. Marcus Cieleback, Christian Hunziker, Andreas Wende, Simone Wipplinger (Chefredaktion) Copyright PATRIZIA Immobilien AG Bildnachweis thinkstock: iStock – funstock, gyn9038, Prykhodov, digitalgenetics, topae / fotolia: corbis_fancy / photocase: kallejipp | PATRIZIA Immobilien AG Verlag vmm wirtschaftsverlag gmbh & co. kg | www.vmm-wirtschaftsverlag.de Grafik Anne Gierlich

kostengünstig Waren zu produzieren, so-dass Produktion und Distribution immer nä-her zusammenrücken. Das hat zur Folge, dass verstärkt hochspezialisierte Gebäude benötigt werden, die den Anforderungen unterschiedlicher Bereiche – von Logistik über Produktion bis hin zu Forschung und Entwicklung – gerecht werden. Für Peter Kunz, Logistikexperte bei Colliers Internati-onal, sind Logistikimmobilien deshalb mitt-lerweile „Dienstleistungsgebäude, in denen ein Mehrwert generiert wird“.

Gerade weil Logistikimmobilien so stark von wirtschaftlichen, technischen und ge-sellschaftlichen Änderungen betroffen sind, haben sie einen kürzeren Lebenszyklus als andere Immobilienarten. Entsprechend schnell ändert sich ihre Struktur. So werden heute zum Beispiel weniger Büroflächen be-nötigt als noch vor einigen Jahren. Und wäh-rend früher Waren einfach nur gelagert wur-den, werden sie heutzutage innerhalb kürzester Zeit geprüft, umgepackt, etikettiert und zum Weitertransport bereitgestellt.

Vor dem Hintergrund dieser schnellen Änderungen ist es für Investoren entschei-dend, auf Drittverwendungsfähigkeit zu ach-ten. Klassischerweise empfehlen Fachleute deshalb Neubauten von rund 20.000 Quad-ratmeter Fläche mit zehn Meter hohen De-cken und einer Fußbodenbelastbarkeit von fünf Tonnen je Quadratmeter. Allerdings geht auch hier die Entwicklung weiter, wie die Experten von bulwiengesa im Rahmen einer Untersuchung über den deutschen Lo-gistikimmobilienmarkt festgestellt haben. Demnach weisen moderne Lagerhallen heu-te oft eine Höhe von sogar zwölf Metern Un-terkante Binder auf. Auch die Bodentraglast ist auf sechs Tonnen je Quadratmeter gestie-gen. Zudem gewinnen vor allem für den Han-del große Zwischengeschossflächen immer mehr an Bedeutung.

Positive Zukunftsaussichten

Investoren müssen also eine ganze Reihe Besonderheiten dieser Assetklasse be-rücksichtigen. Abschrecken davon lassen

sie sich nicht. Ganz im Gegenteil: 2015 wurden in Deutschland nach Angaben der Beratungsgesellschaft BNP Paribas Real Estate Logistikimmobilien für fast 4,7 Mil-liarden Euro gehandelt, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. „Wir beobachten immer neue Investoren, die sich mit dem Produkt Logistikimmobilien beschäftigen“, sagt Ingo Spangenberg, Director Industrial In-vestments bei Savills. Einen Grund für die-ses zunehmende Interesse sieht Spangen-berg darin, dass die Investoren „vor dem Hintergrund des wachsenden E-Commer-ce von den positiven Zukunftsaussichten für Logistikimmobilien überzeugt sind“.

Hinzu kommt der Umstand, dass die Renditen deutlich höher sind als bei Büro-gebäuden und Einkaufszentren. Nach An-gaben des Maklerunternehmens Aenge-velt ging die mittlere Bruttoanfangsrendite von Logistikimmobilien im Verlauf des ver-gangenen Jahres zwar um fast einen Pro-zentpunkt zurück, betrug Ende 2015 aber immer noch gut sieben Prozent. Allerdings wird es dabei voraussichtlich nicht blei-ben, glaubt Hans-Jürgen Hoffmann, Head of Industrial Services & Investment bei BNP Paribas Real Estate: Vor dem Hinter-grund der starken Nachfrage, der günsti-gen Finanzierungsbedingungen und der fehlenden Anlagealternativen rechnet er mit einem weiteren leichten Nachgeben der Renditen.

Verschärft wird diese Entwicklung durch den Mangel an Grundstücken. Vor allem die kleineren, innenstadtnahen Ver-teilzentren stehen in harter Konkurrenz zu anderen Nutzungsarten wie Büros und insbesondere Wohnungen, die derzeit po-litisch favorisiert werden. Um die Akzep-tanz zu erhöhen, arbeiten immer mehr Projektentwickler an der ästhetischen Qualität der großen Hallen, wie die Exper-ten von bulwiengesa beobachten: „Inno-vativ und ästhetisch entsteht eine neue Generation von Logistikobjekten, die nicht nur besser aussehen als ihre Vorgänger, sondern auch mehr können.“� ❙

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PATRIZIA BULLETIN 01|2016 IM GESPRÄCH 3

Bereits seit 1998 in der Logistikbran-

che beheimatet: Roger Peters

Welchen Einfluss hat der Boom des On-linehandels auf die Logistikbranche?Roger Peters: In der Logistik wirkt sich das Verbraucherverhalten unmittelbar auf die Lieferkette aus. Dieses hat sich durch die immer stärkere Verschmelzung von stationärem und digitalem Handel stark verändert. Um wettbewerbsfähig bleiben zu können, muss der traditionelle Einzel-handel technologiebasierte Just-in-time-Methoden einführen und benötigt damit weniger Verkaufs- und mehr Lagerfläche. Einen großen Teil dieser Lagerfläche stel-len heutzutage Distributionszentren, so-dass die Nachfrage nach hochmodernen Logistikimmobilien mit der neuesten Tech-nologie zur effektiven und effizienten Aus-lieferung von B2B- und B2C-Produkten groß ist. Durch die zunehmende Urbani-sierung und das stetige Wachstum der Bal-lungsräume kommt es heute immer mehr auf die „letzte Meile“ bei der Belieferung von Verbrauchern, Einzelhändlern und Umschlagsplätzen an.

Was zeichnet eine hochmoderne Logistikimmobilie aus?Peters: Moderne E-Commerce-Flächen sind wesentlich kleiner. Sie sind mit Fließ-bandsystemen und modernster IT ausge-stattet, oft sogar vollständig automatisiert, um kurze Lieferzeiten zu gewährleisten. Viele Gebäude bieten die Möglichkeit, Nähr- und andere Genuss- sowie Lebens-mittel gemeinsam zu lagern. Die Büroflä-che ist etwa doppelt so groß wie bei her-

kömmlichen Logistikzentren, da mehr Mitarbeiter und verschiedene Verwal-tungsaufgaben zusammengeführt werden. Es gibt mehr Ladetore, sowohl für LKWs als auch für Lieferwagen. Außerdem ist die Ladekapazität des Werksbereichs je nach Funktion unterschiedlich: Kommissionie-rung und Konfektionierung sind kleiner angelegt, während der Regallager- und Fließbandbereich größer ist. Von der Lage her befinden sie sich meist in Stadtnähe.

Was macht Logistikimmobilien zu lohnenden Investmentobjekten?Peters: Ihr Bau dauert nur etwa sechs bis zehn Monate, und das bei relativ geringem Kapitalaufwand. Logistikimmobilien sind außerdem ein ideales grenzüberschreiten-des Produkt, das sich perfekt zur Risiko- und Marktdiversifikation eignet. Der Sektor produziert außerdem einen stabilen Cash-flow für Anleger bei moderatem Miet- und Kapitalwertwachstum. Darüber hinaus re-agiert die Logistikbranche auf eventuelle positive oder negative wirtschaftliche Ent-wicklungen äußerst schnell, oft innerhalb von nur wenigen Monaten. Das bringt die enge Vernetzung mit dem Einzelhandel mit sich, der seinerseits ja direkt an die Ver-braucherausgaben gekoppelt ist.

Welche Rolle spielt die Logistik in der Gesamtstrategie von PATRIZIA?Peters: Die Logistik ergänzt das Produkt-angebot und vergrößert den Investorenkreis der PATRIZIA. Letzteres ist besonders für

unsere Internationalisierungsstrategie rele-vant und die Logistikbranche ist dafür wie gemacht: Wir haben ein klassisches Produkt, das institutionelle Investoren aus aller Welt anspricht, da es sich um Assets mit interna-tional weitgehend deckungsgleichen Pro-dukten und Anforderungen handelt. Ein Wa-renlager ist und bleibt ein Warenlager – über-all auf der Welt. Abgesehen davon bietet die PATRIZIA mit ihrer paneuropäischen Platt-form unter der Leitung eines erfahrenen Kernteams durch die geografische Markt-nähe und ihre Handlungsfähigkeit eine at-traktive Einstiegschance für Investoren.

Welche Art von Investmentmöglichkei-ten bietet PATRIZIA Logistics ihren Kunden?Peters: Wir möchten unseren Investoren – primär international tätige institutionelle Anleger – einen frühen Einstieg in den wachstumsstarken europäischen Markt für E-Commerce und urbane Handelslogistik bieten. Darüber hinaus bedienen wir die zunehmende Nachfrage von Mietinteres-senten, firmenexternen Logistikdienstleis-tern, Einzelhändlern und der Leichtindustrie nach langfristigen Mietverträgen. Wir pla-nen, Logistikflächen für B2B- sowie B2C-Produkte in den wichtigsten europäischen Ballungszentren zu erwerben und zu bauen, wobei der Bau in Zusammenarbeit mit ört-lichen Bauunternehmern erfolgen soll. Unser Fokus liegt dabei eindeutig auf den Immobilien, die die „letzte Meile“ zum End-kunden, zum Lieferpunkt oder zum Einzel-händler abdecken und mit denen Mieter höhere Margen als in der konventionellen Logistik erwirtschaften können. ❙

Logistik@PATRIZIA Der stationäre und der digitale Handel rücken immer näher zusammen. Das führt zu tiefgreifenden Veränderungen in der Logis-tikindustrie. Welche das sind und wie sich das ehemals „hässliche Entlein“ der Immobilienbranche mehr und mehr zum schönen Schwan mauserte, darüber spricht Roger Peters, Group Head of Logistics bei der PATRIZIA Logistics Management Europe B.V.

Das Team der PATRIZIA Logistics Management Europe B.V. (v.l.n.r.): Roger Peters, Arthur Tielens und Octavian Cristea

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PATRIZIA BULLETIN 01|20164 ZUR SACHE

Zeitenwende am Markt für LogistikimmobilienDie Assetklasse Logistik entwächst der Nische. Schon in den vergangenen Jahren hat der Sektor ein erstaunliches Wachstum hingelegt. Warum es dabei nicht bleiben wird, erläutert Andreas Wende, COO von Savills und Head of Investment Germany.

Seit Jahren glänzt die deutsche Logistik-branche mit zum Teil beeindruckenden Wachstumsraten. 235 Mrd. Euro hat sie in 2015 erwirtschaftet, fast ein Viertel des gesamten europäischen Logistikmarktes. Seit 1995 wuchs die Branche jährlich um durchschnittlich 3,3 Prozent. Zum Ver-gleich: Die Wertschöpfung der gesamten deutschen Wirtschaft stieg im selben Zeit-raum nur um 2,4 Prozent pro Jahr. Der entscheidende Treiber für die Logistik-branche war und ist der E-Commerce, der zwischen 2010 und 2015 jährlich um 28 Prozent zulegte. Und dieses Wachstum braucht Platz! Mehr als 3 Mio. Quadrat-meter Logistikfläche wurden zwischen 2010 und 2015 pro Jahr errichtet. Der Ver-kaufsflächenbestand des hiesigen Einzel-handels wuchs im selben Zeitraum um gerade einmal knapp 1 Mio. Quadratmeter

– allerdings nicht jährlich, sondern in Sum-me. Dieses Zahlenspiel macht deutlich, dass wir Zeuge eines strukturellen Um-bruchs werden, der mit einem dauerhaften Bedeutungszuwachs von Logistikimmobi-lien als Assetklasse einhergehen wird.

Fast 11 Mrd. Euro wurden seit 2010 in Logistikimmobilien investiert und die Ten-denz ist klar ansteigend. Dies hat natürlich auch mit dem generellen Aufschwung am deutschen Investmentmarkt zu tun; dahin-ter verbirgt sich jedoch mehr. Seit 2009 sind die Anfangsrenditen im Logistikbe-reich um mehr als zwei Prozentpunkte zu-rückgegangen und damit stärker als bei allen anderen Nutzungsarten. Im Spitzen-segment unterscheiden sich die Anfangs-renditen für Lagerhallen kaum noch von denen für Fachmarktzentren. In beiden Fällen sind Investoren derzeit bereit, das 17- bis 18-Fache der Jahresnettomiete zu bezahlen. Dabei ist das Mietwachstums-potenzial im Logistiksegment nach wie vor begrenzt, nicht zuletzt wegen der ver-gleichsweise geringen Margen im Handel und in der Logistikbranche. Zudem kön-nen die Projektentwickler aufgrund der gesunkenen Anfangsrenditen weiterhin günstige Mieten anbieten, ohne ihren Ge-winn zu schmälern. In den vergangenen Jahren stiegen die Logistikmieten deshalb nur geringfügig und kurzfristig ist nicht mit einer nennenswerten Beschleunigung des Mietwachstums zu rechnen.

Dabei ist der Markt in eine Phase ein-getreten, die durch einen akuten Flächen-mangel gekennzeichnet ist. Es mangelt zunehmend an für Logistikimmobilien

geeigneten Grundstücken, und der Flä-chendruck steigt. Zudem nehmen die Anforderungen an den Standort zu, weil sowohl Onlinehändler als auch Express-dienstleister mit ihren Warenverteilzent-ren vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des Same-Day-Delivery- Bedarfs immer näher an die Konsumenten heranrücken müssen. Zugleich ist es nach wie vor so, dass kaum ein Bürger-meister der Ansiedlung eines Logistik-standorts in seiner Gemeinde positiv ge-genübersteht.

Das Wachstum des Logistikflächenbe-stands wird sich trotz dieser Hürden fort-setzen. Es ist geradezu zwangsläufig, wenn ein immer größerer Anteil des Ein-zelhandels online stattfindet. Damit er-höht sich auch die Liquidität der Asset-klasse und sie wird für Investoren folglich noch attraktiver. Zumal Amazon und Co. im Zweifel die solventeren Mieter sind als manch stationärer Einzelhändler. Logistik-immobilien entwachsen der Nische – die-ser Trend ist unübersehbar. Ein Blick in Länder, deren E-Commerce-Sektor schon wesentlich reifer ist als hierzulande, zeigt die Perspektive auf. In den USA floss im vergangenen Jahr fast ein Fünftel des ge-samten in Gewerbeimmobilien investier-ten Geldes in Industrie- und Logistikimmo-bilien. In Großbritannien waren es immerhin knapp 14 Prozent. Dagegen nimmt sich der Anteil in Deutschland mit etwa acht Prozent noch bescheiden aus. Aber dabei wird es nicht bleiben, denn die Zeitenwende am Logistikimmobilienmarkt ist auch bei uns längst im Gange.� ❙

ANDREAS WENDECOO von Savills und Head of Investment Germany

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PATRIZIA BULLETIN 01|2016 AM RANDE 5

Logistik & Nachhaltigkeit: Weit mehr als nur EnergieeffizienzEigentlich kann man das Wort Nachhaltigkeit nicht mehr hören. Bei Logistikimmobilien ist Nachhaltigkeit jedoch von ganz entscheidender Bedeutung – und das nicht nur wegen der Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft, sondern vor allem aus ökonomischen Gründen.

Im südhessischen Lorsch steht eine Lo-gistikimmobilie der ganz besonderen Art. Das Verteilzentrum des Biolebensmittel-händlers Alnatura erfüllt so ziemlich alle Anforderungen an Nachhaltigkeit, die man sich vorstellen kann: Es verfügt nicht nur über eine große Fotovoltaikanlage, son-dern auch über eine Luft-Wasser-Wärme-pumpe zur Heizung und Kühlung sowie über eine Fassade aus heimischem Lär-chenholz. Das Vorzeigebeispiel ist nicht einfach Ausdruck von Idealismus oder Al-truismus, vielmehr aber „ein Zeichen, dass Ökologie und Ökonomie keinen Wider-spruch mehr darstellen und dass nachhal-tig konzipierte und gebaute Logistikimmo-bilien langfristig Wettbewerbsvorteile mit sich bringen“, so Dr. Marcelo Cajias, Se-nior Manager Sustainability bei der PATRIZIA Immobilien AG.

Brownfields als Chance

Für diese These spricht insbesondere ein stadtplanerischer Grund: Logistikim-mobilien benötigen in der Regel viel Platz. Ein sogenanntes Fulfillment Cen-ter, wie es Branchengrößen wie Amazon und Zalando nutzen, nimmt eine Fläche von gut und gerne 50.000 bis 100.000 Quadratmeter ein. Damit stehen solche Projekte im Widerspruch zum Ziel der Bundesregierung, den täglichen Flä-chenverbrauch von derzeit 69 Hektar bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar zu redu-zieren. Entsprechend schwer tun sich viele Kommunen, Bauland für Logistik-immobilien auszuweisen. Bessere Kar-ten haben dabei Projektentwickler, die ihr Vorhaben auf nicht mehr genutzten Industriearealen, sogenannten Brown-fields, realisieren. So betrachtet es auch Dr. Cajias: „Die Synergien, die aus ei-nem Brownfield für Entwickler entste-hen, sind vielfältig und bieten klare Vor-teile, weil keine neuen Grünflächen verbraucht werden und meistens eine infrastrukturelle Anbindung bereits vor-handen ist.“ Außerdem sind solche Re-cyclingflächen oft gut in die bestehende Infrastruktur eingebunden.

Dennoch sind nach Untersuchungen von bulwiengesa lediglich ein Fünftel aller Logistikflächen, die zwischen 2010 und 2015 entwickelt worden sind, durch die Konversion von Industrieflächen entstan-den. Das könnte damit zusammenhängen, dass Brownfields nicht ohne Tücken sind, denn durch die frühere Nutzung verur-sachte Kontaminationen können die Kos-ten und Risiken für Projektentwickler deutlich erhöhen.

dem Flachdach, LED-Beleuchtung im La-ger und wärmegedämmte Überladebrü-cken im energiesensiblen Bereich der Ladetore erzielt werden.

Nur wenig Nachhaltig-keitszertifikate

Obwohl lediglich 20 Prozent der zwischen 2010 bis 2015 neu errichteten Logistikim-

Doch auch die Vermarktungschancen werden durch einen hohen Nachhaltig-keitsstandard erhöht. Der Grund: Für im-mer mehr – vor allem international agie-rende – Investoren ist ein Nach- haltigkeitszertifikat eine zwingende Vor-aussetzung, um ein Objekt einer Due Dil-ligence zu unterziehen. Gesteigert wird zudem die Akzeptanz bei den Nutzern, da diese von niedrigen Nebenkosten lang-fristig profitieren. Denn nur etwa 20 Pro-zent der Gesamtkosten einer Logistikim-mobilie fallen in der Bauphase an, während 80 Prozent aus dem Betrieb der Anlage resultieren. Eine Reduktion der Betriebskosten kann somit durch eine energetisch optimierte Bauweise, bei-spielsweise durch Fotovoltaikanlagen auf

mobilien mit einem Nachhaltigkeitszertifi-kat ausgezeichnet sind, wird die Integrati-on von Nachhaltigkeitsaspekten sowie die Berücksichtigung von energiemindernden Faktoren in der Planungsphase von Neu-bauten vermehrt nachgefragt. „Dies resul-tiert aus der Nachfrage von Kunden und Investoren nach langlebigen und ressour-ceneffizienten Gebäuden“, analysiert bul-wiengesa. Andere Gruppen – zum Beispiel Handelslogistiker, die ihre Immobilien im eigenen Bestand behalten – achten dem-nach zwar ebenfalls auf die Einhaltung und Integration sowie Nachrüstung von Nach-haltigkeitsstandards zur Erhöhung der ob-jektbezogenen Energiebilanz, streben aber am Ende nicht unbedingt eine Zerti-fizierung an. � ❙

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PATRIZIA BULLETIN 01|20166 PANORAMA

Verbrauchergewohnheiten ändern sich und der Einzelhandel muss sich ständig daran anpassen, um wettbewerbsfähig und erfolgreich zu bleiben. Aber es sind nicht nur die Einzelhändler, die sich anpas-sen müssen: Die Veränderungen in der Einzelhandelsbranche haben auch Konse-quenzen für die Investments von Pensi-onskassen, Versicherungen und anderen institutionellen Anlegern, die Milliarden von Euro in Einzelhandelsimmobilien in-vestiert haben. Ihr langfristiger Erfolg ist eng mit den Marktstrukturen und den re-gionalen Strategien der Einzelhändler ver-bunden. Die erwarteten Veränderungen werden die Flächennachfrage und damit die zu erzielenden Mieten stark beeinflus-sen – ein Faktor, der unter anderem die Anlageperformance der Immobilien über die kommenden Jahre bestimmt. Die Ana-lyse und das Verständnis der gegenwärti-gen Veränderungen sind daher von ent-scheidender Bedeutung für langfristig erfolgreiche Investitionen.

Der neue PATRIZIA Gewerbeimmobilienbericht 2016

Klicks vs. Bricks In immer mehr Ländern übersteigen die Einzelhandelsumsätze des Jahres 2014 deutlich die des Jahres 2008 – kurz nach Ausbruch der Finanzkrise. In den meisten Fällen ist diese Tendenz jedoch durch ein starkes Wachstum des Onlinehandels getrieben und weniger auf steigende Umsätze im stationären Einzelhandel zurückzuführen. Was aber bedeutet diese Entwicklung für Immobilieninvestoren?

Quelle: PATRIZIA, eurostat, Centre of Retail Studies.

Verbraucher kaufen heutzutage auf vielfältige Weise ein: Sie suchen auf den Internetseiten der Händler, sie vergleichen Bewertungen und Preise online, sie gehen in einen oder mehrere Läden, um sich bezüglich eines spezifischen Produkts beraten zu lassen, es zu sehen und zu fühlen. Schließlich entscheiden sie, ob sie die Ware in einem Geschäft kaufen oder online, mit der Option, sie in einem bestimmten Geschäft abzuholen – das sog. „Click-and-Collect“ - oder an eine ausgewählte Adresse geliefert zu bekommen. Einzelhändler müssen in einer solchen Welt klare strategische Entscheidungen bezüglich der Anzahl und Lage ihrer stationären Geschäfte und ihrer Online-Präsenz treffen. Einzelhändler werden aller Wahrscheinlichkeit nach die „optimale“ Anzahl ihrer Geschäfte entsprechend anpassen, sowie die Standortqualitäten, die sie von ihren Filialen verlangen, überdenken. Ein Ergebnis dieser Entwicklungen ist der immer größer werdende Fokus vieler Einzelhändler auf absolute Top-Lagen, so sie sich entschieden haben, weiterhin mit Geschäften in den Innenstädten ihre Präsenz zu zeigen. Gleichzeitig werden viele sekundäre und tertiäre Standorte leiden, da Einzelhändler vermehrt ihre Geschäfte an diesen Standorten schließen werden. Die Logistikbranche wird sich im Zuge der Anpassungen an die veränderten Strategien der Einzelhändler signifikant wandeln. Für institutionelle Investoren öffnen sich dadurch eine Reihe neuer Investitionsmöglichkeiten, denn die Nachfrage nach Logistikflächen nimmt deutlich zu: Segmente des Logistikmarktes werden zu einem "Derivat" des Einzelhandelsmarktes, welches zu weiten Teilen von den gleichen strukturellen Veränderungen geprägt wird, die im Einzelhandel ablaufen. Strategisches Dreieck für E inzelhändler und Investoren

Quelle: PATRIZIA, eurostat, Centre of Retail Studies.

EINZELHANDELSUMSÄTZE IN EUROPA: 2008 vs. 2014

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PATRIZIA BULLETIN 01|2016 PANORAMA 7

Verbraucher kaufen heutzutage auf vielfältige Weise ein: Sie suchen auf den Internetseiten der Händler, sie vergleichen Bewertungen und Preise online, sie gehen in einen oder mehrere Läden, um sich be-züglich eines spezifischen Produkts bera-ten zu lassen, es zu sehen und zu fühlen. Schließlich entscheiden sie, ob sie die Ware in einem Geschäft kaufen oder on-line, mit der Option, sie in einem bestimm-ten Geschäft abzuholen – das sog. Click and Collect – oder an eine ausgewählte Adresse geliefert zu bekommen. Einzel-händler müssen in einer solchen Welt kla-re strategische Entscheidungen bezüglich der Anzahl und Lage ihrer stationären Ge-schäfte und ihrer Onlinepräsenz treffen. Einzelhändler werden aller Wahrschein-lichkeit nach die „optimale“ Anzahl ihrer Geschäfte entsprechend anpassen sowie die Standortqualitäten, die sie von ihren Filialen verlangen, überdenken.

Ein Ergebnis dieser Entwicklungen ist der immer größer werdende Fokus vieler Einzelhändler auf absolute Top-Lagen, so sie sich entschieden haben, weiterhin mit Geschäften in den Innenstädten ihre Prä-senz zu zeigen. Gleichzeitig werden viele sekundäre und tertiäre Standorte leiden, da Einzelhändler vermehrt ihre Geschäf-te an diesen Standorten schließen wer-den. Die Logistikbranche wird sich im Zuge der Anpassungen an die veränder-ten Strategien der Einzelhändler signifi-kant wandeln. Für institutionelle Investo-ren öffnet sich dadurch eine Reihe neuer Investitionsmöglichkeiten, denn die

Nachfrage nach Logistikflächen nimmt deutlich zu: Segmente des Logistikmark-tes werden zu einem „Derivat“ des Ein-zelhandelsmarktes, das zu weiten Teilen von den gleichen strukturellen Verände-rungen geprägt wird, die im Einzelhandel ablaufen.

Obwohl diese Entwicklungen den all-gemeinen Trend im Einzelhandel beschrei-ben, müssen Investoren im Auge behalten, dass die verschiedenen Segmente wie Baumärkte, Kleidung oder Lebensmittel in unterschiedlicher Weise von diesen (Kon-sum-)Veränderungen betroffen sind. Ins-gesamt gesehen dürfte die Zahl der Ge-

schäfte in den kommenden Jahren zurückgehen, Segmente wie Supermärk-te, inklusive der Discounter, werden aber möglicherweise noch einige Jahre steigen-de Filialzahlen aufweisen; bei ihren Betrei-bern ist eine strategische Verlagerung zu kleineren, besser integrierten Einheiten zu beobachten. Darüber hinaus zeigt die Ent-wicklung der vergangenen Jahre deutlich, dass es keine europäische Entwicklung gibt. Es sind vielmehr länderindividuelle Entwicklungen, die einen länderspezifi-schen Ansatz fordern, wenn eine paneu-ropäische Einzelhandelsanlagestrategie umgesetzt werden soll.� ❙

STRATEGISCHES DREIECK FÜR EINZELHÄNDLER UND INVESTOREN

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8 ZU GUTER LETZT PATRIZIA BULLETIN 01|2016

Malcom McLean

Out of the boxKennen Sie Malcom McLean? Nun, zumindest seine Erfindung, die kennen Sie ganz sicher. Immerhin hat sie die Welt – vor allem die der Logistik – von Grund auf verändert. Die Rede ist vom Container. Und McLean gilt zurecht als dessen „geisti-ger Vater“, denn er war es, der vor gerade mal etwas mehr als sechzig Jahren einige seiner praktischen Stahlbehälter erst-mals per Schiff auf Reisen schickte. Wie revolutionär seine Erfindung aber wirklich ist und dass sie später einmal in einem Atemzug mit so bahnbrechenden menschlichen Errungenschaften wie Glühbirne, Automobil oder Mikrochip genannt wer-den würde – das konnte der US-Amerikaner bei der „Jungfernfahrt“ seiner Boxen allerdings nicht im Geringsten erahnen.

Geboren 1913 in der Nähe der Kleinstadt Maxton im US-Bundesstaat North Caroli-na, arbeitet McLean nach seinem High- School-Abschluss zunächst als Tankwart. Im Jahr 1934 kauft er von seinen Erspar-nissen einen gebrauchten LKW und grün-det gemeinsam mit seinen Geschwistern Jim und Clara eine kleine Spedition. Er liebt seine Arbeit, fährt die meisten Touren selbst. Aber eine Sache stößt McClean zunehmend auf: die langen Ladezeiten, mit denen er tagtäglich konfrontiert ist! Nach-vollziehbar, denn der Weg der Waren da-mals ist nicht nur weit, sondern auch lang, werden sie doch zunächst auf den LKW auf-, am Hafen dann wieder abgeladen, teils für den Seeweg noch umverpackt, anschließend auf das Schiff gebracht –

und am Zielhafen beginnt nahezu das glei-che Procedere noch einmal. Für McLean untragbar und so reift in ihm die Idee, das unbedingt zu vereinfachen.

Zunächst entstand daraus der Ansatz, die LKWs schlicht und ergreifend „als Ganzes“ auf das Schiff verladen zu kön-nen. Dies verfolgt er weiter und verlädt tatsächlich zunächst komplette Trailer. Pa-rallel dazu entwickelt er Verladestahl- boxen, die auf LKW und Schiff gleicherma-ßen passen und hier wie dort einfach per Kran hin- und herbewegt werden können. McLean wird für die Einfachheit seiner Idee belächelt, findet für die weitere Um-setzung keine Geldgeber. So dauert es noch ganze 20 Jahre, ehe diese endlich verwirklicht werden kann – und die Logis-tikbranche revolutioniert.

Im Jahr 1955 entschließt sich McLean, der inzwischen ein äußerst erfolgreiches Logistikunternehmen aufgebaut hat, seine Anteile daran für rund 25 Millionen Dollar zu verkaufen. Er möchte sich nun endlich mit Nachdruck seiner Containeridee wid-men. Und sein Plan geht auf: Im April 1956 transportiert er auf dem Frachter „Ideal X“ erstmals 58 baugleiche Contai-ner von New Jersey nach Texas und sein Traum einer geschlossenen Transportket-te zu Land, zur See und auf Schienen be-ginnt Wirklichkeit zu werden.

Zehn Jahre später kommen die ersten 99 Container nach Deutschland und in den folgenden Jahren tritt der Frachtcon-tainer einen beispiellosen Siegeszug rund um den Globus an – bis heute: Das see-wärtige Umschlagvolumen der Container-schifffahrt macht inzwischen rund zwei Drittel des gesamten grenzüberschreiten-den Warenverkehrs aus und aktuell sind weltweit etwa 24 Millionen „Twenty-foot Equivalent Units (TEU)“ sowie 15 Millionen „Forty-foot Equivalent Units (FEU)“ Stan-dard-Seecontainer im Einsatz. Es gibt be-reits Schiffe mit einer Stellplatzkapazität von 13.000 Containern – und Ingenieure tüfteln an technischen Lösungen für Oze-anriesen mit Platz für bis zu 18.000 „Twenty-foot Equivalent Units“ (TEU).

Im Jahr 2001 starb Malcom McLean im Alter von 88 Jahren in New York. Und auch wenn die „Box“ in seinem Leben prä-gend war – sein Denken und Handeln war stets „out of the box“, war innovativ und unerschütterlich visionär. 2004 wurde er für seine Leistungen im Bereich der mo-dernen Logistik posthum in die Logistik Hall of Fame aufgenommen. � ❙