Lokaler E-Commerce als Chance für den Detailhandel

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MARKETING Lokaler E-Commerce als Chance für den Detailhandel. Der Online-Handel in der Schweiz wird immer mächtiger. Laut dem Bundesamt für Statistik ist innerhalb eines Jahrzehnts der Umsatz von einer Milliarde auf über sieben Milliarden Schweizer Franken gestiegen. Dadurch verstärkt sich die Konkurrenz für lokale Detail-händler gewaltig und viele davon fürchten um ihre Existenz.

VON ROGER BASLER*

Ist ein eigener Online-Shop zwingend nötig, um konkurrenz-fähig zu bleiben? Nicht unbedingt. Mehrere Studien haben er-geben, dass lokales Einkaufen bei Konsumenten weiterhin be-liebt ist. Aber es ist hingegen essenziell, vom Internet zu profitieren und es im Geschäftsmodell zu integrieren, sei es nur die Vermarktung oder auch der Verkauf im Internet. Wir führen zwei Möglichkeiten auf, wie Detailhändler das Internet nutzen können um mit den Online-Giganten mitzuhalten.

Studie zeigt: Lokal kommt an. Konsumenten mögen ihre lokalen Händler und bedauern es oft, wenn einer von ihnen seinen Laden für immer schliesst. Deswegen finden die Kun-den es gut, wenn sich die einzelnen Händler der Region im Internet zusammenschließen und mit Lokal eCommerce ih-re Angebote darstellen. Nach einer Studie der Wirtschafts-

prüfungsgesellschaft KPMG und des Instituts für Handelsfor-schung (IFH) stoßen lokale Onlinemarktplätze auf eine hohe Kundenakzeptanz. Zwar gibt es diese noch nicht für alle Städ-te und Regionen, doch viele Menschen können sich vorstel-len, sich lieber bei einem solchen lokalen Marktplatz zu infor-mieren und auch zu kaufen. Vor allen Dingen schätzen die Menschen die übersichtlichen Angebote und Informationen zu den lokalen Händlern. Werden übergreifende Aktionen angeboten, wie beispielsweise lokale Bonuskarten oder Gut-scheine, wird das nach dieser Studie von den Kunden eben-falls positiv bewertet.

Der Service beim lokalen Händler ist besser. Viele Men-schen informieren sich gerne zunächst online, bevor sie los-fahren um ein Produkt zu kaufen (Research Online, Purchase Offline). So können sie sicher sein, dass das gewünschte Pro-dukt auch wirklich im Laden erhältlich ist. Interessant ist für viele der Kunden die Möglichkeit, die Waren wie beispiels-weise Bücher online zu bestellen und einige Zeit später beim Händler selbst abzuholen. Ausserdem können sie die bestell-ten Waren einfacher zurückgeben, falls sie nicht passt oder doch nicht gefällt. Überregionale Plattformen sind dagegen bei den Kunden nicht so beliebt, wie der Lokal eCommerce. Warum ist das so? Lokale Händler punkten mit Umwelt-freundlichkeit, schnellen Lieferungen und einer sympathi-

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ORGANISATOR Seite X/43 Ausgabe 05/16–13. Mai 2016MARKETING

schen Ausstrahlung. Allerdings kaufen die Kunden trotzdem nicht mehr: Sie wollen auf einer lokalen Plattform auf keinen Fall beim Einkauf mehr ausgeben, als beim überregionalen Kauf. Trotzdem erwarten die Kunden eine ganze Menge von einer lokalen Onlinepräsenz ihrer regionalen Händler. Neben den Angeboten der kleinen Ladengeschäfte und Einzelhänd-ler würden sie gerne auch die Angebote der Handelsketten im Lokal eCommerce sehen um zu vergleichen. Außerdem sehen die Konsumenten es als Service der Händler an, für ein kos-tenfreies WLAN-Netz in den Fussgängerzonen und Innen-städten zu sorgen. Noch immer wundern wir uns, wenn wir in einem Detailhandelsgeschäft keinen Netzempfang oder gratis WLAN finden, wovor haben die Händler wohl Angst? Oder ist es eher ein Unverständnis für die Thematik?

Präsenz im Internet reicht oft noch nicht aus. Nach Mei-nung der meisten Konsumenten sind die regionalen und lo-kalen Händler noch nicht ausreichend gut im weltweiten Netz vertreten. Da viele der lokalen Händler nicht über einen Online-Shop verfügen, kommen die Kunden in den Laden - oder sie bleiben irgendwann aus. Besonders für kleinere Händler ist der Lokal-eCommerce-Verbund eine gute Mög-lichkeit, an der sie sich mit kleinem Budget beteiligen können, so dass sie in ihrer Präsenz gestärkt werden. Das Konzept des Lokal eCommerce Verbundes trifft den Wunsch vieler Men-schen, die lieber im Laden bei ihrem Händler kaufen würden, als anonym im Internet zu bestellen. Branchenprimus Ama-zon hat allerdings in Punkto Funktionalität und Service einen hohen Standard für derartige Plattformen vorgelegt, an den die Kunden gewohnt sind.

Denn eine informative und detaillierte Onlinepräsenz ist im Internet-Zeitalter nicht wegzudenken und dennoch ist die Mehrheit der Schweizer Detailhändler nicht online, we-der mit eigener Webseite, noch auf Plattformen. Der heutige Kunde recherchiert vor seinem Einkauf im Internet. Sucht er ein bestimmtes Produkt und erscheint der Händler nicht in den Suchergebnissen, wird er für den weiteren Kaufprozess nicht berücksichtigt. Deswegen ist es wesentlich, im Internet sichtbar zu werden. Informationen über den Händler, das Produktangebot und die Dienstleistungen müssen online sein. Es ist ratsam das gesamte Sortiment inklusive Preis und Verfügbarkeit zu präsentieren, somit bietet sich dem Kunden ein digitales Schaufenster und vielleicht findet er Waren, wel-che er nicht erwartet hätte und ihn zu Zusatzkäufen anregen.

Im Internet auf Einheitlichkeit achten. Ist der Händler über mehrere Kanäle erreichbar, ist ein einheitlicher Webauftritt zu empfehlen. Das heisst einheitliches Branding, Marketing, Preise, Verfügbarkeiten sowie Dienstleistungen, um dem Kunden einen Wiedererkennungswert zu garantieren.

Entscheidet sich der Detailhändler für den Online-Verkauf, könnte er seinen Standort zum Vorteil zu nutzten um lokale Kunden zu akquirieren. Zum Beispiel könnte man Dienstleistungen anpassen und taggleiche Lieferungen an-bieten, oder Warenabholungen ausserhalb der Öffnungszei-ten ermöglichen. So bietet man lokalen Kunden vorteilhafte Bedingungen und steigert die Wettbewerbsfähigkeit gegen-über den grossen internationalen Online-Händlern.

Lokale Online-Marktplätze. Zur Zeit entwickelt sich im Inter-net ein neuer Trend im Kampf gegen online Riesen wie Ama-zon, Ebay oder Zalando: lokale Online-Marktplätze. Ihr Ziel ist es, das Shopping im Netz mit dem in der Stadt zu verbin-den, um die ans Internet verlorenen Marktanteile zurück-zugewinnen. Sie bieten lokalen Händlern eine Plattform um ihre Produkte zu verkaufen und können optimale Lieferleis-tungen erbringen, da sich die Waren bereits vor Ort befinden. Die Deutsche Stadt Wuppertal beweist sich als gutes Beispiel, denn ihre Plattform Atalanda ist seit gut einem Jahr online und erfolgreiche Verbesserungen der lokalen Wirtschaft konnten beobachtet werden. Der Vorsitzende der Stadtiniti-ative, Thomas Gauss, ist der Meinung, dass grosse Online-Händler bei Kunden sowieso nicht so beliebt seien wie lokale Händler. Dies sei auf Image-Probleme zurückzuführen, unter Anderem wegen schlechten Arbeitsleistungen und Steuer-hinterziehungen. Gauss ist davon überzeugt, dass Kunden lo-kale Plattformen bevorzugten, wenn diese eine entsprechen-de Alternative bieten würden.

Auch in der Schweiz gibt es seit kurzem eine grössere und eine kleinere lokale Verkaufsplattform. Coop und Swiss-com haben sich zusammengeschlossen und gingen vor kur-zem unter dem Namen Siroop als Beta-Version online. Der Marktplatz startete eine Pilotphase mit Abholstationen in Bern, Landesweit ist bisher die Lieferung per Post möglich. Zur Zeit werden Produkte aus den Bereichen Elektronik, Pfle-ge, Freizeit und Haushalt angeboten, und werden laufend entsprechend den Kundenbedürfnissen angepasst. Daneben wurde shopdirekt.ch lanciert. Dieser Verbund zeichnet sich vor allem durch den Servicegedanken aus, um eigene Produk-te als Wiederverkäufer oder im Auftrag (Concierge Service) online zu stellen. Damit bietet sich also kleineren Unterneh-men kein Budget für einen eigenen Online-Shop, kann der Verkauf über Lokale Online-Marktplätze ein vielverspre-chender Anfang in den Online-Handel sein.

Kleinere Händler zusammenschliessen. Durch den Zusam-menschluss der kleinen Händler zu einem starken Verbund ist ein konzertiertes Marketing möglich und auch kleinere Händler haben eine gute Chance, am eCommerce teilzuha-ben. Konsumenten können sich umfassend informieren, be-vor sie stationär kaufen.

Dafür müssen sich allerdings Detaillisten zusammen-schliessen und gemeinsam einen lokalen E-Commerce Marktplatz betreiben. Der Vorteil liegt auf der Hand: mit ge-teilten Kosten und kombinierter Reichweite, können kleine-re Händler damit im Netz sichtbarer werden und müssen gleichzeitig die Kosten für ihren professionellen Werbeauf-tritt nicht alleine stemmen - somit profitieren alle gleicher-massen.

* Roger Basler ist Betriebsökonom FH und Unternehmens-Architekt. Seine Fachspezialisierungen sind Business-Development, New Media, Social-Commerce und Digitales Marketing. Er ist Inhaber der Digital Marketing Agentur Gustav&Paul, Geschäftsführer der Swiss E-Com-merce Academy und berät und finanziert Startups in der Schweiz und im nahen Ausland.