Der anwendungsorientierte duale Modell-Studiengang T e l e m a t i k an der TFH Wildau
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL...bewerb für intelligente technische Systeme. Hierzu...
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AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0: LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
INDUSTRIE 4.0
Mehr Infos finden Sie auf:
www.its-owl.de
VORWORT | 3
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
Im Technologie-Netzwerk it’s OWL – Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe –
bündeln Weltmarkt- und Technologieführer im Maschinenbau, in der Elektro- und Elektronik-
industrie sowie in der Automobilzulieferindustrie ihre Kräfte. Gemeinsam mit regionalen
Forschungseinrichtungen erarbeiten sie in 47 Projekten neue Technologien für intelligente
Produkte und Produktionssysteme.
Ausgezeichnet im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und For-
schung – dem Flaggschiff der Hightech-Strategie der Bundesregierung –, gilt it’s OWL bundes-
weit als eine der größten Initiativen zu Industrie 4.0 und leistet einen wichtigen Beitrag,
Produktion am Standort Deutschland zu sichern.
Auf Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats beleuchtet it’s OWL in Kooperation mit ver-
schiedenen Clusterpartnern das Thema Industrie 4.0 aus unterschiedlichen Blickwinkeln und
veröffentlicht wesentliche Ergebnisse in Form von Broschüren unter dem Titel »Auf dem Weg
zu Industrie 4.0«. Diese erste Broschüre beschreibt die konkreten Technologien und Lösungen
des Spitzenclusters.
Ziel ist es, den Nutzen und die Potenziale von Industrie 4.0 anhand von Best-Practice-Bei spielen
aufzuzeigen. Auf dem Technologiekonzept basierend, werden die Bausteine der innovativen
it’s OWL Technologieplattform (Selbstoptimierung, Mensch-Maschine-Interaktion, Intelligente
Vernetzung, Energieeffizienz und Systems Engineering) erläutert. Reale Anwendungsfälle aus
dem Maschinen- und Anlagenbau sowie aus der Elektroindustrie zeigen den Einsatz der Bau-
steine in der Praxis.
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0SPITZENCLUSTER IT’S OWL LIEFERT LÖSUNGEN
Prof. em. Dr. Otthein HerzogJacobs University Bremen
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT VON IT’S OWL
Prof. Dr. Edgar KörnerHonda Research Institute Europe GmbH
Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Manfred NaglSoftware Engineering,RWTH Aachen
Prof. Dr. Ir. Fred J. A. M. van HoutenProfessor for Design Engineering,University of Twente
4 | INHALT
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
Auf dem Weg zu Industrie 4.0Spitzencluster it’s OWL liefert Lösungen
Industrie 4.0 – Die vierte industrielle Revolution Reale und virtuelle Welt wachsen weiter zusammen
Der Spitzencluster im Kontext Industrie 4.0Intelligente Produkte und Produktionssysteme aus OWL
Technologieplattform für intelligente technische SystemeForschungsergebnisse nutzbar machen
13 Selbstoptimierung Die Maschine denkt mit, lernt und passt sich an
15 Mensch-Maschine-Interaktion Intelligente Maschinen verstehen den Menschen
17 Intelligente Vernetzung Anschließen und Betreiben
20 Energieeffizienz Weniger Energieverbrauch, höhere Leistung
22 Systems Engineering Intelligente Entwicklung für intelligente Produkte
Resümee und AusblickBereit für die vierte industrielle Revolution
Literatur
Clusterpartner
Impressum
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INDUSTRIE 4.0 – DIE VIERTE INDUSTRIELLE REVOLUTION | 5
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
Von jeher war die industrielle Produktion einem Wandel
unterworfen (Bild 1). Häufig war dieser so stark, dass im
Nachhinein der Begriff Revolution verwendet wurde. Heute
steht die Wirtschaft an der Schwelle zur vierten Revolution
(Industrie 4.0).
Die erste industrielle Revolution vollzog den Übergang
von der reinen Handarbeit zur maschinellen Produktion und
ereignete sich ab 1770 zunächst in den Baumwollspinne-
reien und Webereien Mittelenglands. Den großen Durch-
bruch brachte 1782 die Vollendung der Dampfmaschine
durch James Watt. Sie ermöglichte die Bereitstellung von
Energie an beliebigen Orten und machte die Menschheit
von den Kräften der Natur unabhängig [Geo08].
Die zweite industrielle Revolution charakterisierte eine
starke Mechanisierung und Elektrifizierung kombiniert mit
einer ausgeprägten Rationalisierung. Dies ermöglichte ein
erhebliches Wachstum und damit die Versorgung der ent-
stehenden Massenmärkte. Wesentliche Merkmale der
durch Frederick Winslow Taylor geprägten Rationalisie-
rung dieser Epoche waren die Arbeitsteilung, die Standar-
disierung, die Präzisionsfertigung sowie die Fließfertigung.
Henry Ford wandte diese neue Methodik auf die Produk-
INDUSTRIE 4.0 – DIE VIERTE INDUSTRIELLE REVOLUTIONREALE UND VIRTUELLE WELT WACHSEN WEITER ZUSAMMEN
BILD 1 Historische Entwicklung der industriellen Produktion (nach DFKI)
Ende 18. Jahrhundert Beginn 20. Jahrhundert 1960er Jahre heute
4. INDUSTRIELLE REVOLUTIONauf Basis cyber-physischer Systeme
GRA
D D
ER K
OM
PLEX
ITÄ
T
3. INDUSTRIELLE REVOLUTIONEinsatz von IT zur Automatisierung der industriellen Fertigung (NC-Maschine, Industrieroboter, SPS), Paradigma der flexiblen Automatisierung
2. INDUSTRIELLE REVOLUTIONRationalisierung, Betriebswissenschaft nach Taylor: Arbeitsteilung, Fließprinzip, Standardisierung, Präzisionsfertigung, Bedienung von Massenmärkten
1. INDUSTRIELLE REVOLUTIONNutzung der Dampfmaschine: Aufschwung Textilindustrie, Kohleförderung, Stahlerzeugung
Spinn- und Webmaschinen
Henry Ford,Produktion T-Modell
Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS)
6 | INDUSTRIE 4.0 – DIE VIERTE INDUSTRIELLE REVOLUTION
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
tion des T-Modells an und erzielte damit einen bahnbrechen-
den Erfolg in der Automobilherstellung. Die Elektrizität för-
derte die Dezentralisierung der mechanischen Systeme.
Die dritte industrielle Revolution basierte auf der Ent-
wicklung und Verbreitung des Computers bzw. Mikropro-
zessors. Dies führte zu numerisch gesteuerten Arbeits-
maschinen (NC-Maschinen, Industrieroboter), die wesent-
lich schneller umgerüstet werden können als konventionell
automatisierte mechanische Systeme. Es entstand das
Paradigma der flexiblen Automatisierung; die entsprechen-
den Systeme zeichnen sich durch eine hohe Produktivität
und Flexibilität aus.
Seit einiger Zeit beobachten wir den Wandel von natio-
nalen Industriegesellschaften zur globalen Informations-
gesellschaft. Informations- und Kommunikationstechnik
wachsen zusammen und durchdringen alle Lebensbereiche.
Produktion wird als komplexes informationsverarbeiten-
des System verstanden, in dem bereichs- und unterneh-
mensübergreifende Leistungserstellungsprozesse und
deren durchgängige Unterstützung durch Informations- und
Kommunikationstechnik eine herausragende Rolle spielen.
Vor diesem Hintergrund werden Geräte und Systeme unse-
rer realen Umgebung, die durch eingebettete Software
gesteuert werden, zunehmend in das weltumspannende
Kommunikationsnetz integriert, wofür der Begriff Internet
der Dinge steht. Reale Welt und virtuelle Welt wachsen
zusammen, was durch den Begriff Cyber-Physical Systems
zum Ausdruck kommt.
Im Kontext der industriellen Produktion eröffnet sich nun
eine neue Perspektive, die von vielen als die vierte indus-
trielle Revolution (Industrie 4.0) gesehen wird [KLW11],
[FA13].
Der Weg zum neuen Leitbild Industrie 4.0 wird evolu tionär
verlaufen. Die Auswirkungen auf die industrielle Produktion
werden rückblickend den Charakter einer Revo lution haben.
Bei aller Euphorie für Industrie 4.0 darf nicht übersehen
werden, dass die Einführung und Nutzung von IT-Systemen
am Ende einer gut überlegten Handlungskette steht und
nicht am Anfang – »das Pferd darf nicht von hinten aufge-
zäumt werden«.
Bild 2 soll diese Botschaft anschaulich und plausibel ver-
mitteln: Wirkungsvolle IT-Systeme benötigen wohlstruk-
turierte Geschäftsprozesse; diese wiederum folgen einer
Geschäftsstrategie, die darauf abzielt, Erfolgspotenziale
der Zukunft zu erschließen. Soll Industrie 4.0 nicht das
gleiche Schicksal erleiden wie Computer Integrated
Manufacturing (CIM), muss dementsprechend unterneh-
merisch gehandelt werden [GP14], [Jas12].
BILD 2 Vier-Ebenen-Modell zur zukunftsorientierten Unternehmensgestaltung [GP14]
Antizipieren der Entwicklungen von Märkten, Technologien etc., um Chancen und Bedrohungen für das etablierte Geschäft frühzeitig zu erkennen.
Entwicklungen von Geschäfts-, Produkt- und Technologiestrategien, um Chancen rechtzeitig zu nutzen.
Gestaltung von strategiekonformen Geschäftsprozessen, »Structure follows Strategy«.
Einführung von IT-Systemen zur Unterstützung wohl- strukturierter Prozesse.
SYSTEME
PROZESSE
STRATEGIEN
VORAUSSCHAU
DER SPITZENCLUSTER IM KONTEXT INDUSTRIE 4.0 | 7
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
Im Technologie-Netzwerk it’s OWL – Intelligente Tech-
nische Systeme OstWestfalenLippe – haben sich 180
Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und
Organisationen zusammengeschlossen, um gemeinsam
den Innovationssprung von der Mechatronik zu intelligen-
ten technischen Systemen zu gestalten.
Weltmarktführer im Maschinenbau und in der Elektro-,
Elektronik- und Automobilzulieferindustrie sowie inter-
national renommierte Forschungseinrichtungen bündeln
hierzu ihre Kräfte. Das gemeinsame Ziel: eine Spitzen-
position der Region OstWestfalenLippe im globalen Wett-
bewerb für intelligente technische Systeme. Hierzu werden
47 anwendungsorientierte Forschungsprojekte im Gesamt-
umfang von ca. 100 Mio. Euro in einem Zeitraum von fünf
Jahren durchgeführt.
DAS IT’S OWL TECHNOLOGIEKONZEPT
Intelligente technische Systeme basieren auf dem Zusam-
menspiel von Informatik und Ingenieurwissenschaften. Das
Technologiekonzept beschreibt den Aufbau und die Funk-
DER SPITZENCLUSTER IM KONTEXT INDUSTRIE 4.0INTELLIGENTE PRODUKTE UND PRODUKTIONSSYSTEME AUS OWL
BILD 3 Technologiekonzept: Von intelligenten Teilsystemen hin zum vernetzten, cyber-physischen System
AKTORIK SENSORIK
MENSCH
TEILSYSTEM
VERNETZTES SYSTEM
MENSCH-MASCHINE-SCHNITTSTELLE
LEISTUNGS-VERSORGUNG
Information
Energie
Stoff
KOMMUNIKATIONS-SYSTEM
KOMMUNIKATIONS-SYSTEM
GRUNDSYSTEM
UMGEBUNG
KOMMUNIKATIONS-SYSTEME
INFORMATIONS-VERARBEITUNG
KognitiveRegulierungAssoziativeRegulierung
Nicht-kognitiveRegulierung
8 | DER SPITZENCLUSTER IM KONTEXT INDUSTRIE 4.0
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
tion intelligenter technischer Systeme und durch welche
Eigenschaften sich diese auszeichnen.
Die Realisierung der vier Eigenschaften adaptiv, robust,
vorausschauend und benutzungsfreundlich beruht auf
der Grundlagenforschung der drei führenden Hochschulen
auf den Gebieten Selbstoptimierung, Kognition, Mensch-
Maschine-Interaktion und Intelligente Vernetzung. Dabei
orientiert sich das Technologiekonzept des Spitzenclusters
an den Konzepten von Cyber-Physical Systems und Indus-
trie 4.0. In fünf Querschnittsprojekten erarbeiten die
regionalen Hochschulen Grundlagen, die den Unterneh-
men in einer Technologieplattform zur Verfügung gestellt
werden.
Das Technologiekonzept strukturiert ein intelligentes tech-
nisches System in vier Einheiten: Grundsystem, Sensorik,
Aktorik und Informationsverarbeitung (Bild 3). Der Infor-
mationsverarbeitung kommt dabei eine zentrale Rolle zu.
Sie schaltet sich via Kommunikationssystem zwischen die
Sensorik, durch die die notwendigen Informationen über
die Betriebssituation wahrgenommen werden, und die
Aktorik, die im Zusammenspiel mit dem Grundsystem die
physische Systemaktion ausführt. Beim Grundsystem han-
delt es sich in der Regel um mechanische Strukturen.
Eine Zusammenstellung aus den vier genannten Einheiten
wird als Teilsystem bezeichnet. Beispiele für Teilsysteme
sind Antriebe, Automatisierungskomponenten, intelligente
Energiespeicher etc. Systeme wie eine Werkzeugmaschine
bestehen in der Regel aus mehreren Teilsystemen, die als
interagierender Verbund zu betrachten sind [GTD13].
In erster Linie prägt die Art der Informationsverarbeitung
den beabsichtigten Wandel von mechatronischen zu intelli-
genten technischen Systemen. So verfügen mechatroni-
sche Systeme nur über eine reaktive und starre Kopplung
zwischen Sensorik und Aktorik. Intelligente technische
Systeme hingegen können diese gezielt anpassen. Reak-
tive Wirkungsabläufe werden dabei nicht vollständig er-
setzt, da die meisten grundlegenden Systemmechanismen
schon aus Sicherheitsgründen reaktiv und reflexartig ab-
laufen müssen.
Das aus der Kognitionswissenschaft stammende Drei-
schichtenmodell für die Verhaltenssteuerung [Str98]
BILD 4 Zwei konvergierende Entwicklungsstränge als Innovationstreiber (nach Forschungsunion 2013)
INTERNET DER DATEN UND DIENSTE
INTERNET DERDINGE
Physikalische Objekte, Geräte, ...
EingebetteteSysteme
Cyber-PhysicalSystems (CPS)
A Sensorik, AktorikA Integration hochleistungsfähiger
Kleinstcomputer
A Semantische BeschreibungA Vernetzung, Internet (M2M)A Drahtlose Kommunikation
A IP-Fähigkeit
viele Benutzer, 1 Computer
Zentralrechner
1 Benutzer, 1 Computer
Data Warehouses,Internet, PC
Big Data,Cloud Computing,
Smart Devices
1 Benutzer, viele Computer
DER SPITZENCLUSTER IM KONTEXT INDUSTRIE 4.0 | 9
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
(Bild 3) veranschaulicht die abstrakte Sichtweise auf die
Informationsverarbeitung intelligenter Systeme:
Die nicht-kognitive Regulierung enthält die Steuerung und
Regelung (motorischer Regelkreis) sowie Reflexe. Übertra-
gen auf ein mechatronisches System wäre das beispiels-
weise die Sicherstellung des kontrollierten Bewegungs-
verhaltens eines Mehrkörpersystems, z. B. das Fahrwerk
eines Pkws.
Die assoziative Regulierung beinhaltet u. a. Reiz-Reaktions-
Mechanismen und Konditionierung. In einem technischen
System würde die Reglerumschaltung – z. B. von einer Ge-
schwindigkeits- auf eine Abstandsregelung – auf dieser
Schicht veranlasst.
Die kognitive Regulierung weist typische Funktionen der
künstlichen Intelligenz, wie Zielmanagement, Planung und
Handlungssteuerung, auf. Ein Beispiel auf dieser Schicht
wäre die Selbstoptimierung, wonach ein System aufgrund
geänderter Betriebsbedingungen automatisch seine Ziele
modifiziert und dann sein Verhalten selbstständig an die
veränderten Ziele anpasst [GRS14].
Intelligente technische Systeme sind häufig geografisch
verteilt. Ein weiterer zentraler Punkt des Technologie-
konzepts ist daher, dass intelligente technische Systeme
kommunizieren und kooperieren können. Die Funktiona lität
des daraus entstehenden vernetzten Systems erschließt
sich erst durch das Zusammenspiel der Einzelsysteme.
Weder die Vernetzung noch die Rolle der Einzelsysteme
ist statisch. Vielmehr kann sich beides im Sinne der gefor-
derten Gesamtfunktionalität verändern.
Die Vernetzung erfolgt zunehmend in globaler Dimension.
Dabei werden Ansätze im Sinne von Cyber-Physical Systems
integriert, die in der Vergangenheit völlig separat betrach-
tet wurden, wie beispielsweise Cloud-Computing und ein-
gebettete Systeme. Das vernetzte System wird nicht mehr
ausschließlich durch eine globale Steuerung beherrschbar
sein, vielmehr muss auch durch lokale Strategien ein glo-
bal gutes Verhalten erreicht werden [GTD13].
INNOVATIONSTREIBER »INTERNET DER DINGE« UND »INTERNET DER DATEN UND DIENSTE«
Wie in Bild 4 dargestellt, handelt es sich beim Internet der
Dinge und dem Internet der Daten und Dienste um zwei
konvergierende Entwicklungsstränge, die neue Perspek-
tiven in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen eröffnen.
Diese neuen Anwendungsfelder sind in Bild 5 beispielhaft
aufgeführt.
BILD 5 Anwendungsfelder von intelligenten vernetzten Systemen (nach Forschungsunion 2012)
INTERNET DER DATEN UND DIENSTE
INTERNET DERDINGE
Smart Building
Smart Mobility Smart Products
Smart Grids Smart Factory
Smart Health Smart Logistics
10 | DER SPITZENCLUSTER IM KONTEXT INDUSTRIE 4.0
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
Das Internet der Dinge ist das Resultat aus dem oben be-
schriebenen Technologiekonzept. In diesem kommunizie-
ren physische intelligente Objekte, wie z. B. Werk stücke,
Maschinen, Betriebsmittel, Lager- und Transportsysteme
und Fertigungsleitstand, über das Internet oder andere Netze.
Der Wandel zu einer virtuellen Geschäftswelt basiert hin-
gegen auf einem zunehmenden Angebot von internet-
basierten Dienstleistungen und der Verfügbarkeit von gro-
ßen Datenmengen, die immer schneller verarbeitet werden
können. Globale Datennetze, basierend auf Technologien
wie Big Data, Cloud-Computing und Smart Devices, ermög-
lichen ein Internet der Daten und Dienste. Daraus erge ben
sich vielfältige Möglichkeiten für innovative Dienstleistun-
gen – oft durch Kombination von Sachleistungen –
und attraktive Geschäftsmodelle [ASSW14].
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung sind die 33 Inno-
vationsprojekte des Spitzenclusters zu sehen, die zu inno-
vativen Marktleistungen führen. Tabelle 1 ordnet eine Aus-
wahl der Innovationsprojekte des Spitzenclusters den in
Bild 5 dargestellten Anwendungsbereichen zu.
TABELLE 1 it’s OWL Innovationsprojekte (Auswahl) im Kontext von Industrie 4.0
SMART PRODUCTS SMART FACTORY SMART LOGISTICS1
Elektronische UmfelderkennungCLAAS
FertigungsinselnHARTING
Energieeffiziente IntralogistikLenze
eXtreme Fast ControlBeckhoff
Intelligente LeistungsstellerAEG
Intelligente Vernetzung von LandmaschinenCLAAS
Hochintegrierter ElektronikmotorLenze
Intelligente Verarbeitung von GroßbauteilenGoldbeck
Innovative AutomatisierungsgeräteWeidmüller
Intelligente WerkzeugmaschineDMG MORI
Integrierte SteuerungstechnikKEB
Interaktive Robotik im FertigungsprozessHARTING
Intelligenter SystembaukastenWittenstein
Scientific AutomationBeckhoff
Intelligentes GefahrstofflagerDENIOS
Selbstoptimierende WäschereiKannegiesser
Selbstoptimierender BonderHesse
Self-X-FertigungsprozesseWeidmüller, Hettich
Selbstoptimierender KneterWP Kemper
Virtuelle ArbeitsvorbereitungDMG MORI
Separator i4.0GEA
Wandlungsfähige ProduktionstechnikPhoenix Contact
Software Defined Industrial EthernetWAGO
1 Zahlreiche Anwendun-gen aus dem Bereich Logistik im Kontext Industrie 4.0 erarbeitet das EffizienzCluster LogistikRuhr, das eben-falls als Spitzencluster ausgezeichnet wurde. Zwischen beiden Spit-zenclustern besteht eine strategische und fachliche Kooperation.
TECHNOLOGIEPLATTFORM FÜR INTELLIGENTE TECHNISCHE SYSTEME | 11
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
Das Management von 47 Forschungsprojekten mit einem
Gesamtvolumen von ca. 100 Mio. Euro erfordert eine geeig-
nete Projektstruktur. Die Projektstruktur des Clusters (Bild 6)
weist 33 Innovationsprojekte, fünf Querschnitts projekte
und neun Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf. Innovationspro-
jekte und Querschnittsprojekte sind in einer Matrix orga-
nisiert. Bild 7 zeigt die Einordnung der Querschnittspro-
jekte in das Technologiekonzept und verdeutlicht deren
Wirkungsumfeld.
Die von der Industrie vorangetriebenen Innovationsprojekte
verwenden die durch die Hochschulen im Rahmen der
TECHNOLOGIEPLATTFORM FÜR INTELLIGENTE TECHNISCHE SYSTEMEFORSCHUNGSERGEBNISSE NUTZBAR MACHEN
TABELLE 1 it’s OWL Innovationsprojekte (Auswahl) im Kontext von Industrie 4.0
Intelligente Vernetzung
Mensch-Maschine-Interaktion
Systems Engineering
Energieeffizienz
Selbstoptimierung
BILD 6 Projektstruktur des Spitzenclusters
Vorausschau
Internationalisierung
Arbeit 4.0
Prävention Produktpiraterie
Technologietransfer
Aus- und Weiterbildung
Marktorientierung
Unternehmensgründungen
Akzeptanz
33 INNOVATIONSPROJEKTEder Kernunternehmen führen zu überlegenen Marktleistungen
Globale Zielmärkte Maschinenbau, Fahrzeugtechnik und Energietechnik
9 NACHHALTIGKEITSMASSNAHMENerzeugen Entwicklungsdynamik über Förderdauer hinaus
Teilsysteme Beispiele:A Intelligente SensorenA AntriebeA Automatisierungs-
komponenten
Sie bilden die Basis für Systeme.
Systeme Beispiele:A ProduktionsmaschinenA HausgeräteA Geldautomaten
Sie bilden die Basis für teils geografisch verteilte, vernetzte Systeme.
Vernetzte Systeme Beispiele:A Smart GridsA ProduktionsanlagenA Cash Management Systeme
Zur Laufzeit veränderlich, neue Funktionalität durch Zusammenspiel von Systemen.
5 QUERSCHNITTSPROJEKTEschaffen Technologieplattform für Innovationsprojekte und Transfer
12 | TECHNOLOGIEPLATTFORM FÜR INTELLIGENTE TECHNISCHE SYSTEME
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
Querschnittsprojekte bereitgestellte Technologieplattform.
Die Nachhaltigkeitsmaßnahmen fördern die Entwicklung
von Kompetenzen in den Clusterunternehmen und sichern
die Entwicklungsdynamik des Clusters über das Ende der
finanziellen Förderung hinaus.
Die Matrixorganisation hat sich bewährt:
Die Innovationsprojekte nutzen technologische Syner-
gien; das »Rad wird nicht jedes Mal neu erfunden«.
Die Technologieplattform reift durch den Einsatz der
Leistungen und Technologien der Querschnittsprojekte
in den Innovationsprojekten.
Die Technologiebasis steht weiteren Unternehmen im
Cluster und ggf. auch außerhalb des Clusters offen. Da-
durch kann eine große Anzahl von Unternehmen, ins-
besondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), von
Spitzentechnologien profitieren. Dies in der Praxis zu
realisieren, ist Zweck der etwa 170 geplanten Trans-
ferprojekte.
Auf den nächsten Seiten werden die fünf Querschnitts-
projekte erläutert, die die Technologieplattform des Clus-
ters bilden. Anhand von Best-Practice-Beispielen wird
gezeigt, wie die Ergebnisse aus der Forschung für Unter-
nehmen anwendbar werden.
BILD 7 Die fünf Querschnittsprojekte im Technologiekonzept
Intelligente Vernetzung
Mensch-Maschine- Interaktion
Systems Engineering
Energieeffizienz
AKTORIK SENSORIK
MENSCH
TEILSYSTEM
MENSCH-MASCHINE-SCHNITTSTELLE
LEISTUNGS-VERSORGUNG
Information
Energie
Stoff
KOMMUNIKATIONS-SYSTEM
GRUNDSYSTEM
UMGEBUNG
KOMMUNIKATIONS-SYSTEME
INFORMATIONS-VERARBEITUNG
KognitiveRegulierungAssoziativeRegulierung
Nicht-kognitiveRegulierung Selbstoptimierung
SELBSTOPTIMIERUNG | 13
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
Grundlage für die Umsetzung des Leitbilds Industrie 4.0 ist
die Realisierung von intelligenten Maschinen und Anlagen
in der Produktion. Hierzu gilt es, die bestehende Informa-
tionsverarbeitung mithilfe von Ansätzen der Regelungs-
und Automatisierungstechnik (z. B. adaptive und selbst-
optimierende Regelungen sowie Model Predictive Control),
der mathematischen Optimierung (z. B. Optimalsteuerung
oder Mehrzieloptimierung) oder der künstlichen Intelligenz
(Clusterverfahren oder neuronale Netze) zu erweitern
[GRS14].
Zukünftige Maschinen und Anlagen werden hierdurch in
der Lage sein, selbstständig und flexibel auf veränderte
Betriebsbedingungen zu reagieren und sich optimal auf
neue Situationen einzustellen. Die Ansätze der Selbstopti-
mierung lassen sich dabei dem Handlungsfeld der Vertika-
len Integration im Themenbereich Industrie 4.0 zuordnen
(u. a. Optimierung der Prozesssteuerung oder Sensordaten-
analyse) [Pla14].
Best-Practice-BeispielSELBSTOPTIMIERENDE STANZ-BIEGE-MASCHINE
Selbstoptimierende Elemente der Stanz-Biege-Maschine
von Weidmüller (Bild 8) sind eine hochpräzise Messtech-
nik, eine intelligente Informationsverarbeitung sowie die
Vernetzung von Maschinen. Ein Messsystem innerhalb der
Anlage erfasst die Kennwerte der produzierten Teile und
gibt Informationen über die Maschinenleistung an die
BILD 8 Selbstoptimierende Stanz-Biege-Maschine (Weidmüller, Bihler)
Hochpräzise Messtechnik und intel-ligente Informationsverarbeitung minimieren Materialverluste und verbessern die Qualität des Bear-beitungsprozesses.
SELBSTOPTIMIERUNGDIE MASCHINE DENKT MIT, LERNT UND PASST SICH AN
QUERSCHNITTSPROJEKT
14 | SELBSTOPTIMIERUNG
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
Steuerung weiter. Diese sorgt dafür, dass die Maschine
eigenständig auf Abweichungen reagiert und die Werk-
zeuge anpasst.
Ergebnis sind minimierte Materialverluste sowie eine ver-
besserte Qualität der Bearbeitung [Kal13]. In Zukunft kann
das Prinzip der Selbstoptimierung auf ganze Produktions-
linien angewendet werden. Die vernetzten Maschinen
kommunizieren Unregelmäßigkeiten im Prozess, sodass
Ausfälle vermieden und der gesamte Produktionsverbund
optimiert wird.
Zur Umsetzung solcher selbstoptimierender Prozesse muss
eine autonome Parametrisierung der Maschine bzw. An-
lage erfolgen. Die Anpassung des Verhaltens erfolgt
dabei indirekt über sogenannte Systemziele. Diese stellen
übergeordnete Ziele des Systems dar und werden hinsicht-
lich der aktuellen Situation eigenständig vom System prio-
risiert. Beispiele für Systemziele sind: »Minimiere Durch-
laufzeit«, »Minimiere Energieverbrauch« oder »Maximiere
Qualität«.
Best-Practice-BeispielRESSOURCENEFFIZIENTE GROSSWÄSCHEREI
Die Firma Kannegiesser definiert solche übergeordneten
Ziele z. B. für die Automatisierung in Großwäschereien
(Bild 9). In Abhängigkeit vom Energiepreis, dem Grad der
Verunrei nigung sowie der Auslastung der Wäscherei wer-
den die Ziele »Minimiere Durchlaufzeit«, »Minimiere
Energie verbrauch« oder »Maximiere Qualität« priorisiert.
Falls nun stark verunreinigte Wäsche zur Desinfektion vor-
liegt, wird beispielsweise die Reinigungsleistung wesent-
lich erhöht, wenngleich dies in bestimmten Grenzen zu
erhöhtem Energieverbrauch oder einer höheren Durchlauf-
zeit führt. Dazu werden Parameter wie Temperatur, die
Dosierung von Reinigungsmitteln oder die Einwirkzeit
bedarfsgerecht und selbstständig angepasst.
BILD 9Selbstoptimierende und ressourceneffiziente Großwäschereien (Kannegiesser)
Intelligente Automati-sierung optimiert das Zusammenspiel der Maschinen und die Prozesse der gesam-ten Wäscherei.
MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION | 15
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
Die zunehmende Durchdringung von Produkten und Pro-
duktionssystemen mit Informations- und Kommunikations-
technik erhöht deren Komplexität. Sie stellt neue Anfor-
derungen an die Entwicklung bzw. Planung der Systeme
und fordert neue Wege der Interaktion der Bediener mit
den intelligenten Systemen im Betrieb.
Die rasante Entwicklung moderner Interaktionstechno logie
in den letzten Jahren eröffnet neue Möglichkeiten bei der
Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion. Neben klas-
sischen zeichenorientierten und grafischen Schnittstellen
haben sich verschiedene fortgeschrittene Interaktions-
formen etabliert, die von sprachbasiert über haptisch bis
hin zu wahrnehmungsgesteuert (z. B. multimodal) reichen.
So ist z. B. eine robuste 3D-Erkennung von Personen durch
eine aus dem Entertainment-Bereich stammende Techno-
logie in kurzer Zeit und zu geringen Kosten verfügbar ge-
worden. Ähnliche Technologiesprünge sind in anderen
Bereichen zu erwarten, z. B. in der Taktilsensorik oder der
gefügigen Robotertechnologie.
Außerordentlich Erfolg versprechend ist die Übertragung
dieser Technologien in die Produktionstechnik. Für diesen
Transfer wird im Spitzencluster auf etablierte Strukturen
zurückgegriffen: Das Institut für Kognition und Robotik
(CoR-Lab) und der DFG Exzellenzcluster Kognitive Inter-
aktionstechnologie (CITEC) an der Universität Bielefeld
betreiben die Entwicklung eines Interaktions-Toolkits
[LSP+12], welches neue Methoden und Werkzeuge der
Interaktionstechnologie (bspw. [KWY+13]) bereitstellt und
damit die Entwicklung anwendungsorientierter Assistenz-
systeme unterstützt [WEG+13]. Auf diesen Vorarbeiten auf-
bauend, werden geeignete Methoden im Spitzencluster
aufbereitet und für den Technologietransfer bereitgestellt.
Best-Practice-BeispielVIRTUELLE DESIGN REVIEWS IM MASCHINENBAU
Ein Beispiel ist der Einsatz von intuitiven Interaktionstech-
niken in virtuellen Design Reviews. Diese erlauben es, das
entstehende Produkt im Entwicklungsprozess zu begutach-
BILD 10 Detailansicht zum virtuellen Prototypen der Fertigungsstraße für Backwaren (WP Kemper, Heinz Nixdorf Institut)
MENSCH-MASCHINE-INTERAKTIONINTELLIGENTE MASCHINEN VERSTEHEN DEN MENSCHEN
QUERSCHNITTSPROJEKT
16 | MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
ten, kooperativ Design-Entscheidungen zu treffen und
Fehler zu identifizieren. Bei der Entwicklung intelligenter
technischer Systeme gewinnt die Analyse des Verhaltens
zunehmend an Bedeutung – die klassische Virtual-Reality-
Darstellung der statischen CAD-Daten reicht hier nicht
mehr aus. Aus diesem Grund werden Methoden entwickelt
und bereitgestellt, die es dem Entwickler ermöglichen, durch
direkte Interaktion mit dem virtuellen Prototyp das Verhal-
ten des Systems (z. B. Bewegungsabläufe) zu beschreiben.
Dadurch wird der zeitliche und technische Aufwand für die
Vorbereitung eines Design Reviews deutlich reduziert, was
die Hürden für den Einsatz dieser Technik senkt.
Am Beispiel einer modernen Fertigungsstraße für Back-
waren der Firma WP Kemper wird demonstriert, wie aus-
gehend von den CAD-Daten einzelne kinematische Funktio-
nen bis hin zu komplexen Fertigungsabläufen am virtuellen
Prototyp umgesetzt werden können (Bild 10). Mit geringem
Aufwand lassen sich bewegliche Komponenten – wie Ge-
triebe, Förderbänder etc. –, aber auch Interaktionsmöglich-
keiten für den Entwickler – wie Serviceschritte, Bedienung
von Anlagenteilen etc. – am virtuellen Prototyp darstellen.
Best-Practice-BeispielASSISTENZSYSTEME FÜR DIE BEDIENUNG FLEXIBLER FERTIGUNGSLINIEN
Neue Assistenzsysteme unterstützen Mitarbeiter bei der
Konfiguration, Wartung und Instandhaltung intelligenter
technischer Systeme im Produktionsumfeld. Die Firma
HARTING entwickelt beispielsweise ein integriertes Kon-
zept für flexible Fertigungslinien (Bild 11). Dadurch lassen
sich Fertigungsmodule dynamisch kombinieren, ohne dass
eine manuelle Programmierung vor Ort erforderlich ist.
Neben der dafür notwendigen modularen Systemarchitek-
tur werden neuartige Konzepte für prozessintegrierte
Benutzerschnittstellen benötigt. Sie bilden eine wichtige
Grundlage für eine interaktive Beschreibung und schritt-
weise Verbesserung der für eine Produktionsaufgabe not-
wendigen Prozesslogik.
Darüber hinaus werden im Projekt Strategien entwickelt,
um eine dynamische Anbindung von Prozesskomponenten
z. B. eines Roboterarms an ein Fertigungsmodul im Sinne
von »Plug and Produce« zu ermöglichen. Assistenzsysteme
unterstützen somit Mitarbeiter bei der Verknüpfung von
physischer und digitaler Welt. Der modulare Aufbau, die
flexible Steuerung und die Integration von Assistenz-
systemen verbessern die Flexibilität, Benutzerfreundlich-
keit und Wirtschaftlichkeit von wandlungsfähigen Produk-
tionssystemen, ohne die Qualität und Prozesssicherheit zu
beeinträchtigen. So wird beispielsweise erwartet, dass
die Kosten für die Inbetriebnahme der Fertigungslinien vor
Ort um bis zu 30 % reduziert werden können.
BILD 11 Flexible Fertigung durch intelligente Automatisierung und Mensch-Maschine-Interaktion (HARTING)
Intuitive Benutzer-schnittstellen unter-stützen die flexible Kombination von Fertigungslinien.
INTELLIGENTE VERNETZUNG | 17
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
Ein wichtiger Schlüssel zur Realisierung des Leitbilds
Indus trie 4.0 ist die weitreichende Vernetzung intelligen-
ter technischer Systeme bis hin zur ihrer Integration in das
Internet bzw. das Internet der Dinge [HJ13]. Im Mittelpunkt
stehen dabei die Unterstützung der Wandlungsfähigkeit
der Produktion durch neue selbstorganisierte System-
konfigurationen (Self-X-Eigenschaften) sowie die damit
einhergehende Realisierung eines reibungslosen Umbaus
von Maschinen und Anlagen (Plug and Produce).
Produktionsstrukturen werden durch die teilweise Selbst-
organisation der Prozesse flexibler und setzen keine zen-
trale Planung mehr voraus [NJ14]. Die Selbstkonfigura tion
beruht auf Methoden zur automatischen Konfiguration von
Echtzeit-Kommunikationssystemen und der semantischen
Selbstbeschreibungsfähigkeit von Produktionssystemen,
-modulen und -komponenten. Beide Aspekte werden auf
Basis einer dienstorientierten Architektur bereitgestellt.
Die Komplexität der Inbetriebnahme und Anpassung von
Automatisierungssystemen kann durch Selbstkonfiguration
wesentlich redu ziert und vereinfacht werden (Bild 12). Der
Maschinenführer wird entlastet, die Produktivität und
Effizienz gleichzeitig gestei gert. Außerdem ermöglichen
rekonfigurierbare Kommunika tionsschnittstellen die flexible
Integration von intel ligenten technischen Systemen in unter-
schiedliche Kom munika tionsnetze. Dafür leisten anpas-
sungsfähige Koordinationsprotokolle, die in Bezug auf ihre
BILD 12Intelligente Vernetzung als Grundlage wandlungsfähiger Produktion (inIT)
Durch Plug and Produce können Fertigungssysteme mit einfachen Mitteln umgebaut werden.
INTELLIGENTE VERNETZUNGANSCHLIESSEN UND BETREIBEN
QUERSCHNITTSPROJEKT
18 | INTELLIGENTE VERNETZUNG
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
Sicherheitseigenschaften überprüft werden können, einen
weiteren Beitrag zur Rea lisierung von wandlungsfähigen
Produktionssystemen.
Die verwendeten Algorithmen zur Informationsfilterung und
zur intelligenten Verarbeitung basieren auf possibilisti-
schen sowie evidenztheorie-basierten Ansätzen und eignen
sich zur Einbettung in standardisierte Frameworks. Durch
effizientes Design wird ein echtzeitfähiger Einsatz in res-
sourcenbeschränkten eingebetteten Systemen möglich.
Darüber hinaus kommt der Standardisierung eine zentrale
Bedeutung zu, um die Kompatibilität von Systemen ver-
schiedener Hersteller sicherzustellen. Für eine zuverlässige
industrielle Kommunikation bietet der Standard OPC Uni-
fied Architecture (OPC-UA) einen aussichtsreichen Ansatz
für die Integration heterogener Link-Layer-Technologien
und der Informationsmodellierung.
Best-Practice-BeispielAUTOMATION FÜR FLEXIBLE PRODUKTIONSTECHNIK
Das Unternehmen Phoenix Contact realisiert eine verbes-
serte Wandlungsfähigkeit von Produktionsanlagen am
Beispiel einer individuellen Bestückung von Tragschienen
mit Reihenklemmen (Bild 13). Ziel ist eine vereinfachte
Planung und Inbetriebnahme sowie eine schnellere Anpas-
sung der Anlagen an neue Anforderungen.
Schwerpunkte der Arbeiten sind die Integration der Anla-
genmodule in bestehende IT-Systeme sowie eine intelli-
gente Steuerungs- und Kommunikationstechnik. Durch die
automatische Konfiguration bei Planung und Betrieb müssen
nicht alle Fertigungsvarianten bereits während des Ent-
wurfs einer Anlage berücksichtigt werden. Der Engineering-
Aufwand wird verringert. Die Anlage reagiert zudem flexi-
bel auf Änderungen. Zum Beispiel kann während der
laufenden Produktion eine Variante im Bauplan geändert,
ein neues Produktionsmittel berücksichtigt oder die Stück-
zahl verändert werden. Das System stellt sich unverzüg-
lich auf die neuen Gegebenheiten ein und passt den Pro-
duktionsablauf an. Durch das intelligente Miteinander von
Mensch, Maschine und Produkt führen unerwartete Ereig-
nisse nicht mehr zu Produktionsausfällen oder Qualitäts-
einbußen.
Ein weiterer Aspekt sind auf einer digitalen Artikelbe-
schreibung basierende intelligente Produkte. Sie kennen
ihre geplante Wertschöpfungsfolge, können mit den Pro-
duktionsanlagen kommunizieren und sind jederzeit eindeutig
identifizierbar. Informationen entlang ihres Lebens zyklus
BILD 13 Wandlungsfähige Produktion durch Plug and Produce (Phoenix Contact)
Produkt- und Prozess-änderungen: Bestäti-gung nach Selbstkon-figuration
INTELLIGENTE VERNETZUNG | 19
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
werden gesammelt und bei Bedarf bereitgestellt. Basierend
auf diesen im Produkt enthaltenen Informationen, können
Fertigungs- und Montageprozesse leichter geplant, überwacht
und gesteuert werden. Dadurch erhöht sich die Qualität sig-
nifikant bei gleichzeitiger Reduzierung des Ausschusses.
Die Durchgängigkeit der Daten vom Engineering-Tool bis
zur Qualitätskontrolle, die wandlungsfähige Produktion so-
wie die bildgestützte Auswertung und Qualitätskontrolle
machen die Vorteile der Massenfertigung für die indivi-
duelle Produktion nutzbar – selbst bei Stückzahl eins.
Best-Practice-Beispiel INTELLIGENTE ANPASSUNG UND VERNETZUNG VON LANDMASCHINEN
Landmaschinen sind komplexe Produktionssysteme mit
der Zielsetzung, schnell und effizient ein optimales Ernte-
ergebnis zu erreichen. Der Maschinenführer muss dazu die
jeweiligen Bedingungen des Feldes, wie den Reifegrad der
Pflanzen und die Bodenbeschaffenheit, berücksichtigen.
Gleichzeitig müssen die einzelnen Prozesse, wie Ernten,
Transport und Einlagerung, optimal aufeinander abge-
stimmt werden. Ziel der Firma CLAAS ist die Entwicklung
eines softwarebasierten Dienstes, mit dem sich unter-
schiedliche Landmaschinen selbstständig an die Ernte-
bedingungen anpassen und die einzelnen Prozesse und
Akteure intelligent miteinander vernetzt sind (Bild 14).
Für eine optimale Auslastung der Landmaschinen müssen
alle am Ernteprozess beteiligten Akteure, wie Hersteller,
Lohnunternehmer und Landwirte, einbezogen werden. Es
wird erwartet, dass die Auslastung durch intelligente Ver-
netzung um mindestens 10 % gesteigert werden kann. Die
eigenständige Anpassung der Landmaschinen entlastet
zudem den Maschinenführer, da er auf Änderungen im
Ernteprozess nicht mehr manuell reagieren muss. Der soft-
warebasierte Dienst kann auf weitere Anwendungen, wie
die Transportlogistik, übertragen werden.
BILD 14Prozessoptimierung durch die intelligente Vernetzung von Landmaschinen (CLAAS)
Ein softwarebasierter Dienst koordiniert und optimiert den gesamten Ernteprozess. Grundlage ist die intelligente Vernetzung der Landmaschinen.
20 | ENERGIEEFFIZIENZ
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
Der effiziente Umgang mit den vorhandenen Ressourcen
und insbesondere der benötigten Energie spielt ebenfalls
eine entscheidende Rolle im Leitbild Industrie 4.0. Über-
geordnetes Ziel ist die ganzheitliche Optimierung von
Fertigungsprozessen in Bezug auf deren Produktivität,
Wirkungsgrad und Ressourceneffizienz. Die optimierte
Steuerung von Energieverbrauchern und -erzeugern sowie
der entsprechenden Leistungsflüsse ermöglicht ein Ener-
gie- und Lastmanagement in einem intelligenten techni-
schen System.
Durch die Kombination von Prozessdaten aus der Ferti-
gungsanlage und den dazugehörigen Energieprofilen kann
die Anlage unter Nutzung verhaltensbasierter Modelle
ganzheitlich betrachtet und optimiert werden. Vernetzte
Systeme (Smart Grids, Micro Grids etc.), die in einem ener-
getischen Austausch mit ihrer Umgebung stehen, haben
in zukünftigen Produktionsanlagen eine immer größere
Relevanz und sind für die Optimierung ebenfalls von zen-
traler Bedeutung.
Best-Practice-BeispielENERGIEEFFIZIENTE INTRALOGISTIK DURCH INTELLIGENTE ANTRIEBS- UND STEUERUNGSTECHNIK
Als eine beispielhafte Anwendung wird vom Unterneh-
men Lenze die Intralogistik herangezogen (Bild 15). Heutige
Intralogistiksysteme bestehen aus voll automatisierten
Lager- und Verteilsystemen, deren Energieverbrauch
hauptsächlich von elektrischen Antrieben verursacht wird.
Energie effiziente Lösungen wurden bisher aus Kosten-
BILD 15Energieeffiziente Intralogistik durch effiziente Antriebslösungen (Lenze)
Baukastensystem mit intelligenten Antriebslösungen und Lastmanagement
für die energieeffiziente Intralogistik
ENERGIEEFFIZIENZWENIGER ENERGIEVERBRAUCH, HÖHERE LEISTUNG
QUERSCHNITTSPROJEKT
ENERGIEEFFIZIENZ | 21
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
gründen selten betrachtet. Durch steigende Energiekosten
bildet der Energieverbrauch mittlerweile jedoch einen
erheblichen Kostenfaktor.
Der Einsatz von intelligenter Antriebs- und Steuerungs-
technik und ein intelligentes Lastmanagement bieten ein
erhebliches Optimierungspotenzial und ermöglichen den
energieeffizienten Betrieb von Warenlagern und die damit
einhergehende Sicherstellung der Nachhaltigkeit.
Ein Baukastensystem stellt effiziente Antriebslösungen
und die dazugehörigen Auslegungswerkzeuge zur Ver-
fügung, um für jeden Antriebsprozess im Warenlager die
ökologisch und ökonomisch optimale Lösung zu realisie-
ren. Darüber hinaus werden weitere Energieeinsparungen
durch lastabhängig in Echtzeit angepasste Bewegungs-
profile erzielt, die durch adaptive Steuerungen, verteiltes
Energiemonitoring und eine intelligente Vernetzung der
verschiedenen Komponenten ermöglicht werden. Die
Komponenten des Baukastensystems lassen sich mit
wenig Aufwand in vorhandene Lösungen integrieren, da
sie mechanisch, elektrisch und funktional kompatibel sind.
Anhand von Demonstratoren wurde der reale Betrieb eines
Warenlagers im Modellmaßstab nachgebildet. Vergleichs-
messungen zeigen beim Einsatz elektrischer Antriebstech-
nik im Warenlager eine Energieeinsparung von 20 bis 35 %
gegenüber konventioneller Technik. Die entwickelten
Lösungen können in etwa 50 % aller Förderantriebe in
Deutschland eingesetzt werden. Bei einer erwarteten
Marktdurchdringung von 10 % ergibt sich eine CO2-Ein-
sparung von rund 870.000 Tonnen. Das Projekt wurde als
herausragendes Beispiel für Ressourcenschonung im Rah-
men der KlimaExpo.NRW ausgezeichnet.
Best-Practice-BeispielNACHHALTIGE PRODUKTION DURCH INTELLI-GENTE AUTOMATISIERUNGSTECHNIK
Intelligente Automatisierungslösungen sind ein wesent-
licher Hebel für eine ressourcenschonende und damit ener-
gieeffiziente Produktion. Großes Potenzial verspricht die
Integration intelligenter Verfahren und Technologien, wie
z. B. Selbstoptimierung, Lernverfahren, Condition Monito-
ring und Bildverarbeitung, in die klassische Automatisie-
rungstechnik (Scientific Automation). Hierzu entwickelt die
Firma Beckhoff eine Plattform, die die Entwicklung und den
Betrieb nachhaltiger Produktionssysteme unterstützt und
so maßgeblich zur Optimierung der Energieeffizienz bei-
trägt (Bild 16).
Kern der Plattform sind wiederverwendbare Lösungs-
elemente, die sowohl als Hardware- als auch als Software-
kom ponenten intelligente Funktionen für die Automatisie-
rungstechnik bereitstellen. Durch den Einsatz dieser
Lösungs elemente kann in Zukunft der Energieverbrauch
von Produktionssystemen um mindestens 10 % reduziert
werden. Ferner können die Produktivität und Verlässlichkeit
der Produktionssysteme bei nahezu gleichbleibenden Kos-
ten für die Automatisierungstechnik gesteigert werden.
BILD 16Intelligente Automatisierungslösungen für nachhaltige Produktion (Beckhoff)
Energieeffiziente Produktionssysteme durch die Integration intelligenter Verfahren und Technologien in die Automatisierungs-technik
ENERGIEEFFIZIENZ
22 | SYSTEMS ENGINEERING
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
Durch intelligente technische Systeme werden Benutzer-
freundlichkeit, Verlässlichkeit und Ressourceneffizienz von
Produkten und Produktionssystemen verbessert. Der Nutzen
ergibt sich durch das Zusammenspiel unterschiedlicher
Komponenten und Technologien. Dadurch entstehen hohe
Anforderungen an den Produktentwicklungsprozess, wie
beispielsweise ein ganzheitliches Systemverständnis und
die Betrachtung des gesamten Produktlebenszyklus. Systems
Engineering (SE) versteht sich als durchgängige, fachdiszi-
plinübergreifende Disziplin zur Entwicklung technischer
Systeme. Es stellt das multidisziplinäre System in den Mit-
telpunkt und umfasst die Gesamtheit aller Entwicklungs-
aktivitäten.
Systems Engineering ist heute mehr eine Sammlung von
Praktiken und Einzellösungen als eine umfassende ganz-
heitliche Methodik zur Entwicklung technischer Systeme
[GDS+13]. Gleichwohl ist Systems Engineering der ge-
eignete Ansatz zur Entwicklung komplexer technischer
Systeme zur Realisierung der Vision Industrie 4.0
[Rop75].
Ziel ist es, einen ganzheitlichen fachdisziplinübergreifen-
den Entwurf eines komplexen Systems zu ermöglichen.
Dieser fließt im Zuge der weiteren Konkretisierung in die
etablierten Entwicklungsmethodiken und die entsprechen-
den Tool-Umgebungen der betroffenen Fachdisziplinen,
wie Mechanik, Elektrotechnik/Elektronik, Softwaretechnik
sowie Anlagen- und Prozesstechnik, ein. Durch diese Vor-
gehensweise werden Entwicklungszeiten verkürzt, Abstim-
mungsbedarfe und nachträgliche Änderungen minimiert
sowie die Produktqualität erhöht.
BILD 17Modellierung zur Optimierung der Ressourceneffizienz von Großwäschereien (Kannegiesser)
3D-Modell der Großwäschereianlage:A 800.000 Teile pro WocheA 25 t Wäsche pro TagA 2 t Waschmittel pro Tag
SotierstandZentrifugeKleine Waschstraße
VereinzelungsstandPresseGroße Waschstraße
Wäsche waschen
Wäsche waschen
Sortierspeicher
Entwässern
Entwässern
Wasch- & Schleudermaschine [2]
Waschen Schleudern
Markier- und Lagerstation
Wäsche markieren
Wäsche puffernBündel markierter
Wäsche
Vereinzeln
Sortieren
Wäsche puffern
Formteile, Volltrockenware,
Flachwäsche[verschmutzt]
Volltrockenware, Flachwäsche
[verschmutzt]
Wäschestück [sauber] [feucht]
Wäschestück [sauber] [feucht]
Wäschestück [sauber]
[halbtrocken]
Wäschestück [sauber]
[halbtrocken]
Vorpuffer 12-Kammer-Waschstraße
WaschenWäsche vorpuffern
Zustände Wäschestück
Volltrockenware
Wäschestück
Personalisierbar:boolSaugfähigkeit [l/kg]:floatVerschmutzungsgrad:floatFaltmuster:enumFarbe:enum
Formteil
Form:enum
Flachwäsche
Größe:enum
Verschmutzt
Sauber
Halbtrocken
Feucht
Trocken
Zustand Zustandsübergang Anfangsknoten
Ungefaltet
Gefaltet
Legende
Objekt Generalisierung
Verhalten-Aktivitäten:Wäschereiverarbeitungsprozess
Verhalten-Zustände:Produkt Wäsche
Wirkstruktur:einzelne Produktionsmittel
SYSTEMS ENGINEERINGINTELLIGENTE ENTWICKLUNG FÜR INTELLIGENTE PRODUKTE
QUERSCHNITTSPROJEKT
SYSTEMS ENGINEERING | 23
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
Best-Practice-BeispielDISZIPLINÜBERGREIFENDE PRODUKT- UND PROZESSMODELLIERUNG
Ziel der Firma Kannegiesser ist die erhebliche Verbesse-
rung der Ressourceneffizienz industrieller Wäschereien.
Dies umfasst die bestmögliche Nutzung von Ressourcen,
wie Energie, Wasser und Waschmittel, bei einer zeit- und
kostenoptimalen sowie umweltgerechten Reinigung der
Wäsche. Die Gesamtwäscherei ist unter ökologischen und
ökonomischen Gesichtspunkten zu entwerfen, auszulegen
und zu betreiben.
Im Rahmen des Projekts werden dazu neuartige Modellie-
rungs- und Simulationsmodelle erarbeitet, mit deren Hilfe
sich die ganzheitliche Prozessplanung, -steuerung und -über-
wachung optimieren lässt. Wie in Bild 17 dargestellt, wird
die Wäschereianlage dazu auf verschiedenen Abstraktions-
ebenen modelliert. Die Prozess- und Systemmodelle be-
schreiben das systemische, informationstechnische und
physikalische Verhalten der Teilsysteme – vom Produkt
Wäsche über die einzelnen Produktionsmittel bis hin zum
gesamten Wäscheverarbeitungsprozess.
Durch die durchgängige Verwendung dieser Modelle bei
der Prozessplanung, -steuerung und -überwachung lassen
sich suboptimale Zustände frühzeitig erkennen und Opti-
mierungen zielgerichtet umsetzen. Mithilfe der selbstop-
timierenden Prozessplanung wird so die Bearbeitungszeit
der Wäscherei um voraussichtlich 7 bis 10 % reduziert. Die
im Rahmen dieses Projekts erarbeiteten Methoden und
Werkzeuge lassen sich auf analoge Problemstellungen
komplexer maschinenbaulicher Systeme anwenden.
Best-Practice-BeispielARBEITSVORBEREITUNG DURCH VIRTUELLE WERKZEUGMASCHINEN
Die Firma DMG MORI plant die Unterstützung der Arbeits-
vorbereitung durch eine cloud-basierte Dienstleistungs-
plattform. Ein wichtiger Teil dieser Plattform sind virtuelle
Werkzeugmaschinen zur Simulation von Fertigungspro-
zessen. Eine virtuelle Werkzeugmaschine ist eine exakte
Abbildung einer realen Maschine. Diese verhält sich weit-
aus realistischer als vereinfachte Nachbildungen von
Maschinen, die üblicherweise in NC-Programmier systemen
zum Einsatz kommen. Bei kleinen Losgrößen hängen die
Werkstückkosten maßgeblich von den Zeiten der Arbeits-
vorbereitung sowie von den Rüst- und Neben zeiten einer
Werkzeugmaschine ab. Durch den Trend hin zu sinkenden
Losgrößen bieten diese Faktoren Potenzial für weitere
Effizienzsteigerungen.
Verwirklicht werden diese Effizienzsteigerungen durch die
angestrebte Dienstleistungsplattform (Bild 18). In Zukunft
werden die Fertigungsunterlagen aus der Arbeitsvorberei-
tung optimiert, bevor sie in die Werkstatt weitergeleitet
werden. Die Planung berücksichtigt explizit die Wechsel-
wirkungen zwischen der Optimierung einer einzelnen
Maschine und des gesamten Maschinenparks. Diese kom-
binierte Planung erlaubt hinsichtlich der Rüst- und Neben-
zeiten oftmals eine günstigere Prozessreihenfolge und
Maschinenauswahl. Zusätzlich werden das Erfahrungs-
wissen der Fertigungsplaner und die Ergebnisse der Opti-
mierungen für die Wiederverwendung in eine integrierte
Wissensbasis übernommen [RIR+16].
BILD 18Optimierung von Fertigungsunterlagen durch die virtuelle Werkzeugmaschine (DMG MORI)
GEPLANTE ROLLE DER CLOUD -ANWENDUNG
HEUTE
Intelligente Maschinen-auswahl und Einrichtung
Intelligente Fertigungs-steuerung
Virtualisierte Simulation von Werkzeugmaschinen
FERTIGUNGARBEITSPLANUNG
INTERNETSYSTEMS ENGINEERING
24 | RESÜMEE UND AUSBLICK
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
Mit einer stark durch den Maschinen- und Anlagenbau so-
wie die Elektroindustrie geprägten Struktur verkörpert der
Spitzencluster it’s OWL die von der nationalen Plattform
Industrie 4.0 propagierte duale Strategie, die Deutschland
als Leitmarkt wie auch als Leitanbieter sieht.
Die Clusterunternehmen Beckhoff, Harting, Phoenix Contact,
Wago und Weidmüller setzen beispielsweise Standards
im Bereich der industriellen Automatisierung und halten
in der elektrischen Verbindungstechnik einen Weltmarkt-
anteil von 75 %. Demgegenüber steht in OstWestfalen-
Lippe ein stark mittelständisch geprägter Maschinen- und
Anlagenbau, für den der Einsatz von intelligenten tech-
nischen Systemen erhebliche Innovationspotenziale ver-
spricht.
Ergänzt durch eine starke Forschungslandschaft, bündelt
it’s OWL Kompetenzen und Bedarfe. Mit der Umsetzung
von konkreten Projekten im Kontext intelligenter techni-
scher Systeme bietet der Cluster ideale Voraussetzungen,
den Wandel der industriellen Produktion mitzugestalten
und wesentliche Bausteine für die Verwirklichung des Leit-
bilds Industrie 4.0 beizutragen.
Da die Mehrheit der produzierenden Unternehmen in Ost-
WestfalenLippe – ähnlich wie in anderen Teilen Deutsch-
lands – kleine und mittelständische Firmen sind, hängt die
Realisierung von Industrie 4.0 sehr stark von deren Inno-
vationskraft ab. Aus diesem Grund betreibt it’s OWL eine
konsequente Transferstrategie mit dem Ziel der Verbrei-
tung der beschriebenen Technologieplattform in die Breite.
Der Technologietransfer soll in erster Linie durch soge-
nannte fokussierte Transferprojekte erreicht werden. Dabei
handelt es sich um kleinere Projekte mit einer Dauer von
fünf bis zehn Monaten, durch die die Einführung von
Cluster technologien gefördert wird. Bis Ende 2017 werden
rund 170 solcher Transferprojekte durchgeführt. Das Pro-
jektvolumen beträgt insgesamt ca. 10 Mio. Euro.
Der Spitzencluster it’s OWL ist gut gerüstet, den Weg zur
vierten industriellen Revolution Schritt für Schritt zu gehen.
OstWestfalenLippe gehört zu den fünf innovativsten Regio-
nen in Deutschland.* Durch eine gezielte Vernetzung von
Standorten sowie Unternehmen und Forschungseinrich-
tungen werden Kräfte gebündelt und Industrie 4.0 zur
Realität.
RESÜMEE UND AUSBLICKBEREIT FÜR DIE VIERTE INDUSTRIELLE REVOLUTION
* Ergebnis eines Wettbewerbs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Januar 2014
| 25
LÖSUNGEN AUS DEM SPITZENCLUSTER IT’S OWL
LITERATUR
[ASSW14] Arbeitskreis Smart Service Welt: Smart Service Welt – Um-
setzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Internet-basierte Dienste
für die Wirtschaft, 2014
[FA13] Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft; Acatech – Deutsche
Akademie der Technikwissenschaften (Hrsg.): Umsetzungsempfehlungen
für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, 2013
[GDS+13] Gausemeier, J.; Dumitrescu, R.; Steffen, D.; Czaja, A.; Wieder-
kehr, O.; Tschirner, C.: Systems Engineering in der industriellen Praxis.
Heinz Nixdorf Institut; Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT,
Projektgruppe Entwurfstechnik Mechatronik; UNITY AG, Paderborn, 2013
[Geo08] Geo Epoche: Die industrielle Revolution. Gruner + Jahr, Hamburg,
2008
[GP14] Gausemeier, J.; Plass, C.: Zukunftsorientierte Unternehmens-
gestaltung. Carl Hanser Verlag, München, 2014
[GRS14] Gausemeier, J.; Rammig, F.-J.; Schäfer, W. (Eds.): Design Metho-
dology for Intelligent Technical Systems – Develop Intelligent Technical
Systems of the Future. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, 2014
[GTD13] Gausemeier, J.; Tschirner, C.; Dumitrescu, R.: Der Weg zu Intel-
ligenten Technischen Systemen. Industrie Management, GITO Verlag,
1/2013
[HJ13] Hinrichsen, S.; Jasperneite, J.: Industrie 4.0 – Begriff, Stand der
Umsetzung und kritische Würdigung. In: Betriebpraxis & Arbeitsforschung
S. 45–47, Dr. Curt Haefner-Verlag GmbH, Heidelberg, Mai 2013
[Jas12] Jasperneite, J.: Alter Wein in neuen Schläuchen? Computer &
Automation 12/2012, WEKA FACHMEDIEN GmbH, Haar, 2012
[Kal13] Kalla, H.: Industrie 4.0: Der Weg ist geebnet. etz, elektrotechnik &
automation, VDE-Verlag, Ausgabe S2, 2013
[KLW11] Kagermann, H.; Lukas, W.-D.; Wahlster, W.: Industrie 4.0 – Mit
dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. Industriellen Revolution. In:
VDI Nachrichten 13, VDI Verlag, Düsseldorf, 2011
[KWY+13] Kopp, S.; van Welbergen, H.; Yaghoubzadeh, R.; Buschmeier,
H.: An architecture for fluid real-time conversational agents: Integrating
incremental output generation and input processing. Journal on Multi-
modal User Interfaces, 2013
[LSP+12] Lier, F.; Siepmann, F.; Paul-Stueve, T.; Wrede, S.; Lütkebohle, I.;
and Wachsmuth, S.: Facilitating Research Cooperation through Linking
and Sharing of Heterogenous Research Artifacts. Proceedings of the 8th
International Conference on Semantic Systems (I-SEMANTICS ‚12). Sack
H, Pellegrini T (Eds); New York, NY, USA: ACM: 157–164, 2012
[NJ14] Niggemann, O.; Jasperneite, J.: Konzepte und Anwendungsfälle
für die intelligente Fabrik. In: Bauernhansl, T.; ten Hompel, M.; Vogel-
Heuser, B. (Hrsg.): Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und
Logistik, Springer-Verlag, 2014
[Pla14] Plattform Industrie 4.0 - Wissenschaftlicher Beirat (Hrsg.):
Industrie 4.0 – Whitepaper FuE-Themen. April 2014
[RIR+16] Rehage, G.; Isenberg, F.; Reisch, R.; Weber, J.; Jurke, B.;
Pruschek, P.: Intelligente Arbeitsvorbereitung in der Cloud. wt Werkstatt-
stechnik online, (1/2-2016): S. 77–82, 2016
[Rop75] Ropohl, G.: Einleitung in die Systemtechnik. In: Ropohl, G. (Hrsg.):
Systemtechnik – Grundlagen und Antworten, Carl Hanser Verlag,
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[Str98] Strube, G.: Modellierung Motivation and Action Control in Cognitive
Systems. In: Schmid, U.; Krems, J. F.; Wysocki, F. (Eds.). Mind Modelling.
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[WEG+13] Wrede, S.; Emmerich, C.; Grünberg, R.; Nordmann, A.; Swadzba,
A.; Steil, J.J.: A User Study on Kinesthetic Teaching and Learning for Efficient
Reconfiguration of Redundant Robots. Journal of Human-Robot Interaction
2(1): 56–81, 2013
LITERATUR
26 | CLUSTERPARTNER
AUF DEM WEG ZU INDUSTRIE 4.0
CLUSTERPARTNER
Im it’s OWL e.V. bündeln Unternehmen, Hochschulen, Forschungsinstitute und weitere Partner ihre Interessen.
FÖRDERMITGLIEDER
Rund 100 Fördermitglieder – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen – nutzen die Leistungsangebote des Spitzenclusters,
um sich zu vernetzen und ihre Betriebe fit für Industrie 4.0 zu machen.
Interessierte Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen und wirtschaftsnahe Organisationen sind herzlich eingeladen, sich im
Spitzencluster zu engagieren und dem Verein beizutreten. Informationen zum Verein (Satzung, Beitragsordnung und Beitritts erklärung)
sowie weitere Partner finden Sie unter: www.its-owl.de/partner
UNTERNEHMEN
HOCHSCHULEN UND FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN
TRANSFERPARTNER
CONSULTING & INNOVATION
motion control
GEMEINSAM ERFOLGREICH
DIE AUTOREN
IMPRESSUM
Prof. Dr.-Ing. Jürgen GausemeierHeinz Nixdorf Institut Universität Paderborn,
Vorsitzender Clusterboard it’s OWL
Dr.-Ing. Roman DumitrescuGeschäftsführer
it’s OWL Clustermanagement GmbH
Direktor Fraunhofer IEM
Prof. Dr.-Ing. Jürgen JasperneiteLeiter Fraunhofer-Anwendungszentrum
Industrial Automation und
Institut für industrielle Informationstechnik
Hochschule OWL
Arno KühnStrategie, FuE
it’s OWL Clustermanagement GmbH
Fraunhofer IEM
Dr. Henning Trsek
Industrial Security Consultant
rt-solutions.de GmbH
HERAUSGEBERit’s OWL Clustermanagement GmbH
Verantwortlich: Dr.-Ing. Roman Dumitrescu,
Günter Korder, Herbert Weber
Umsetzung: Sabrina Donnerstag, Wolfgang Marquardt
Gestaltung: VISIO Kommunikation GmbH
Bildnachweis: DMG MORI (Titelbild, S. 23), Bihler (S. 13),
Weidmüller (S. 13), Kannegiesser (S. 14,
S. 22), Heinz Nixdorf Institut (S. 15), WP
Kemper (S. 15), HARTING (S. 16), Institut für
industrielle Informationstechnik (inIT) der
Hochschule OWL (S. 17), Phoenix Contact
(S. 18), CLAAS (S. 19), Lenze (S. 20),
Beckhoff (S. 21), GraphicStock (S. 23)
März 2016
GEFÖRDERT VOM BETREUT VOM DAS CLUSTERMANAGEMENT WIRD GEFÖRDERT DURCH
it’s OWL Clustermanagement GmbH Zukunftsmeile 1 | 33102 Paderborn
Tel. 05251 5465275 | Fax 05251 5465102
[email protected] | www.its-owl.de