Luftfahrtforschung – Motor für die Entwicklung des ... · Abb. 5: Typische Struktur von...

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Dr. Roland Krieg Fraport AG Dr. Roland Krieg Luftfahrtforschung – Motor für die Entwicklung des europäischen Luftraums

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Dr. Roland Krieg

Fraport AG

Dr. Roland Krieg

Luftfahrtforschung – Motor für die Entwicklung

des europäischen Luftraums

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Einleitung

„Luftfahrtforschung – Motor für die Entwicklung des europäischen Luft-

raums“, so habe ich diesen Vortrag aus Anlass des Festkolloquiums zur

Verleihung des August Euler Preises der TU Darmstadt betitelt. Beinahe

hätte ich aber schalkhaft den seriösen Titel frei nach dem Satiriker Eph-

raim Kishon umbenannt in „Gibt es Luftfahrtforschung durch Flughäfen?

Und wenn nein, warum doch.“ Es ist ja gar nicht selbstverständlich, dass

sich ein Flughafen mit dem Thema Luftfahrtforschung intensiv beschäf-

tigt. Manche sagen, Forschung, das ist im Grunde etwas für die Univer-

sitäten, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), für

Eurocontrol und auch die DFS, aber warum machen das auch Flughäfen?

Beim Thema Air Traffic Management (ATM) wurden Flughäfen lange Zeit

als passiv – wie ein Bahnhof – wahrgenommen; die Akteure waren die

Flugsicherungen, die einen Flieger dort hingeleitet und wieder abgeholt

haben. Natürlich musste ein Stück Beton zur Verfügung gestellt werden,

Flugzeuge wurden Positionen zugewiesen, Groundhandling Prozesse lie-

fen ab, aber als aktives Element wurden Flughäfen nicht wahrgenommen.

Dies hat sich in den letzten Jahren dramatisch geändert. Die Flughäfen

sollen nach den Vorgaben der Europäischen Union in den Single-

European-Sky-Verordnungen (SES) die Prozesse des ATM aktiv mitgestal-

ten. Und wir Flughafenbetreiber müssen und wollen das, denn es bahnt

sich eine „Revolution“ im ATM an; etwas, was weit über das hinausgeht,

was wir in den letzten Jahren erlebt haben. Wie schnell das kommen

wird, kann man heute noch nicht sicher sagen, denn dies ist auch eine

politische Frage. Die Absicht, die dahinter steckt, ist aber wirklich „revolu-

tionär“.

Ich werde dies in meinem Vortrag später ausführen. Für diese „revolutio-

näre“ Neugestaltung braucht man Innovation und Luftfahrtforschung und

damit sind wir dann doch wieder bei dem seriösen Titel des Vortrags

„Luftfahrtforschung – Motor für die Entwicklung des europäischen Luft-

raums“.

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1 Die Entwicklung der Luftfahrt

Ein kleiner Rückblick: In diesem Jahr feiert die Fraport AG das 75-jährige

Bestehen des Flughafens Frankfurt und seines Betreiberunternehmens.

Damals sahen die Flugzeuge und auch die Terminalanlagen ganz anders

aus als heute. Die Prozesse haben sich dramatisch verändert. Das Flug-

zeug hat sich von einem mehr oder weniger elitären Transportmittel für

Wenige zu einem Garant für die Mobilität der modernen Gesellschaft

entwickelt und um dies zu erreichen, waren unzählige technische Innova-

tionen nötig. Am wenigsten hat sich die Organisation des Luftverkehrs

geändert, die zum Beispiel noch immer „kleinstaatlich“ ist.

Auch die Fraport will Garant für die Mobilität der Gesellschaft sein. Und

wie machen wir das? Dr. Rupprecht hat ja schon in seinem Vortrag die

Sicht der LH Cargo geschildert. Frankfurt fertigt durch seine zentrale Lage

sowie als großer HUB der Lufthansa Passage und Lufthansa Cargo Flüge

aus allen Teilen der Welt ab. Angeflogen werden ca. 300 Ziele in 110

Ländern.

Für uns alle ist selbstverständlich, dass wir den Luftverkehr ohne weltwei-

te „Normen“ wie ICAO Regularien nicht betreiben können. Eine harmoni-

sierte Entwicklung ist auf Basis nationaler Aktivitäten nicht zu erreichen.

Erst recht sind wir nicht in der Lage, wesentliche Innovation national

oder bilateral erfolgreich einzuführen. Erfolgreiche Initiativen müssen

sich mindestens in einem Zusammenschluss auf europäischer Ebene dar-

stellen. Das ist auch der Kern des Single European Sky Air Traffic Mana-

gement Research (SESAR)-Programms, das ich noch näher erläutern wer-

de.

Was sind die Herausforderungen? Abbildung 1 zeigt grafisch anschaulich

das immense Wachstum des Luftverkehrs in den 10 Jahren vor und nach

2010.

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Abb. 1: Entwicklung des Luftverkehrs 2000 bis 2020

Viele Flughäfen in Mitteleuropa arbeiten bereits heute an der Kapazitäts-

grenze. Der Luftraum ist in seiner heutigen Struktur zersplittert. Wir ha-

ben in Europa zwei Dutzend verschiedene nationale Flugsicherungen und

verschiedene Flugsicherungssysteme. Dies ist einfach nicht mehr hand-

habbar. Ein einfaches „weiter so“ ist nicht mehr möglich, denn um ein

langfristiges Wachstum zu sichern, brauchen wir erhebliche Innovationen.

Abb. 2: Zukünftige Passagierentwicklung am Flughafen Frankfurt

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Am Beispiel Frankfurt sieht man, dass das erwartete Wachstum in den

nächsten Jahren 2011-2015 in einem Bereich von 4 bis 7% liegen wird.

Durch die Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest in diesem Oktober

bekommen wir die Chance, an dieser Entwicklung teil zu nehmen und wir

wollen dies natürlich nutzen. Aber wir wissen auch, dass wir mit Beton,

also baulicher Infrastruktur allein das Wachstum, das vor uns liegt, nicht

bewältigen können.

2 Innovation als Voraussetzung des Wachstums

Wachstum ist nicht nur eine Herausforderung für die Infrastruktur. Allein

die besondere Geometrie des Frankfurter Flughafens mit 2 nicht unab-

hängigen Parallelbahnen, einer quer verlaufenden Startbahn und einer

neuen Landebahn auf der anderen Seite der Autobahn bedingt besondere

Prozesse und unterstützende IT-Systeme. Bestimmte Engpässe können

nur mit neu entwickelten Optimierungen behoben werden; das bedeutet

innovative Prozesse und unterstützende IT-Systeme.

Beispiele dafür, an denen wir schon heute arbeiten, sind:

Fraport Frankfurt ist der vierte europäische Flughafen, der ein Air-

port Collaborative Decision Making (A-CDM) Regime hat. Dies be-

deutet gemeinsame Entscheidungsfindungen aller am Airport-

Prozess Beteiligten, den Fluglinien, dem Flughafen, der Flugsiche-

rung und den Bodenverkehrs-Dienstleistern. Gestützt auf ein IT-

System verfolgen alle das eine Ziel: den Prozess am Boden so sicher

und vorhersagbar zu machen, dass auch die darauffolgenden Pro-

zesse in der Luft wieder von dieser Qualität profitieren können.

Automatisierte Rollführungssysteme, die basierend auf unseren

schon vorhandenen Multilaterationsanlagen und den Systemen zur

Bodenlagedarstellung den Piloten auf den Taxiways führen können.

Hier haben wir im Jahr 2009 einen weit beachteten Praxistest

durchgeführt.

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Umweltschonende An- und Abflugverfahren, um vor allem den

Lärm im An- und Abflug zu vermindern.

Kapazitätserhöhende Arrival and Departure Management Systeme.

Passagierfluss-Monitoring, also sozusagen das Arrival- and

Departure-Management für Passagiere. Hier berechnen wir mit

hochentwickelten mathematischen Verfahren Prognosen für das

Eintreffen der Passagiere an kritischen Punkten. Darauf aufbauend

entwickeln wir eine Passagierflusssteuerung, also die optimierte Lei-

tung des Passagiers mit möglichst kurzen Wartezeiten.

3 Luftfahrtforschung als Innovationstreiber

Wir investieren in Forschung, um diese Verfahren und Systeme zu entwi-

ckeln und entsprechende Standards zu setzen, statt sich diese vorsetzen

zu lassen. Wir stehen dabei auf zwei Beinen; das ist einmal das europäi-

sche Bein mit SESAR und zum anderen das nationale Bein, die Luft-

fahrtforschungsprogramme des Bundesministerium für Wirtschaft und

Technologie, in denen wir zusammen mit DFS, der Lufthansa und vor al-

lem auch dem DLR und den Universitätsinstituten seit Jahren zusammen-

arbeiten.

SESAR, ein Projekt der europäischen Union und von Eurocontrol, hat vier

wichtige Ziele:

Die Verdopplung bis Verdreifachung der Kapazität im

europäischen Luftverkehrsraum,

die Erhöhung der Sicherheit um den Faktor 10,

die Reduzierung des Umwelteinflusses aus Verfahren des Air Traffic

Managements um 10% und

die Verringerung der Air Traffic Management-Kosten

um 50%.

Die Ziele betreffen also Leistung, Sicherheit, Umwelt und Kosten.

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SESAR arbeitet als Joint Undertaking (SESAR JU); eine Public Private

Partnership, bei dem die EU und Eurocontrol die Mehrheit halten. Auf der

anderen Seite beteiligen sich Firmen aus der gesamten Aviation-Industrie.

Das Budget ist 2,1 Milliarden Euro – gerechnet auf die Projektlaufzeit

jeden Tag eine Million Euro. Zu den 15 Industriepartnern aus dem Luft-

fahrsektor, gehören aus Deutschland die DFS und die Flughäfen München

und Frankfurt (Fraport AG). Beide haben sich in einem Konsortium, das

SEAC (Single European Airport Consortium) heißt, organisiert. Abb. 3

zeigt u.a. die anderen vier Partner.

Wir können uns natürlich aus den 16 Work Packages und den vielen Un-

ter-Packages des großen SESAR Programmes nur einige wenige heraussu-

chen, an denen wir arbeiten können. Wir haben die zwei ausgewählt, in

denen die Zukunft der Airports entscheidend geprägt wird: Airport Ope-

rations und Airport Systems.

Abb. 3: Programm und Struktur des SESAR JU

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SESAR ist aber kein isoliertes Forschungsprogramm. Es ist ein integrierter

Teil des SES II Pakets.

Das Single European Sky II Paket hat eine komplette Neugestaltung des

europäischen Air Traffic Management Systems zum Ziel!

Es wurde am 25. Juni 2008 von der EU-Kommission angenommen und

besteht aus 4 Pfeilern:

SESAR (Single European Sky Air Traffic Management Research)

EASA Kompetenzerweiterung (Europäische Agentur für Flugsicher-

heit)

Airport Observatory

Vier SES II Verordnungen:

Rahmen-Verordnung 549/2004

Flugsicherungs-Verordnung

550/2004

Luftraum-Verordnung 551/2004

Interoperabilitäts-Verordnung

552/2004

Diese rechtlichen Verankerungen und die folgenden Verordnungen ver-

leihen den SESAR-Ergebnissen eine ganz andere Wucht im Vergleich zu

anderen Entwicklungs- und Forschungsprogrammen. Sie werden nicht

einfach zur Kenntnis genommen, sondern alle Wege für ihre Umsetzung

in rechtlich verbindliche Vorschriften sind damit schon geebnet.

Schauen wir nun auf das eingangs dieses Kapitels genannte zweite Bein,

die Luftfahrtforschungsprogramme. Dort arbeiten wir an den Themen

umweltschonender Luftverkehr und technologische Wettbewerbsfähigkeit

der Luftfahrtindustrie. Das Forschungsfeld geht weit über die Flughäfen

und Airlines hinaus, es geht auch zu den produzierenden Unternehmen

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und will die Leistungsfähigkeit auch der Forschungsinfrastruktur sicher-

stellen. Wir haben in diesem Programm über mehrere Jahre immer wie-

der an zwei verschiedenen Schwerpunkten gearbeitet. Ein Schwerpunkt

ist die Rollverkehrsführung und der andere Schwerpunkt sind die Pla-

nungs- und Automatisierungssysteme.

Von den vier SESAR- Schwerpunkten konzentrieren wir uns dort also auf

Leistung, Umwelt sowie Sicherheit.

Abb. 4: Das Programm Lufo IV

Sie werden sich jetzt fragen, ob bei den klaren europäischen Vorgaben

eine nationale Forschung noch Sinn macht. Gibt es nicht sogar Konflikt-

punkte? Die Antwort ist: Wir nutzen im Grunde beide synergetisch. Wie

dies geht, möchte ich im Folgenden etwas näher erklären.

Die Grundidee ist ein gleichzeitiger Bottom-up- und Top-down-Approach,

um unsere bescheidenen Kräfte und die Förderung, die wir bekommen,

optimal zu nutzen. Dazu ist es wichtig, zu sehen, wie eigentlich ein Luft-

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fahrtforschungsprojekt funktioniert. Dies sehen wir in einer Übersicht in

Abb. 5.

Abb. 5: Typische Struktur von Luftfahrt- Forschungsprojekten

Die wesentlichen Phasen sind das Konzept, das Prototyping, die Validie-

rung der Prototypen und dann im Erfolgsfall der Transfer in betriebliche

Einführungsprojekte. Der Forschungsanteil ist am Anfang relativ hoch, ist

aber schon im Prototyping ein Stück reduziert zu Gunsten eines betriebli-

chen Anteils der dann immer stärker wird.

Wir versuchen nun die Grundlagenforschung, die wir mit Universitäten

etc. betreiben, zu nutzen, um dadurch verbesserte Standardverfahren zu

entwickeln und erproben, die wir wieder dann – sozusagen qualitätsge-

prüft – in SESAR vorschlagen, was dann letztendlich zu einer europäi-

schen Normierung führen kann.

Umgekehrt können wir in SESAR erarbeitete übergreifende Konzepte in

bestimmten Bereichen durch nationale Forschungsprojekte tiefergehend

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validieren und dabei auch lokale Lösungen, die dann für Fraport nutzbar

sind, entwickeln.

Für beide Wege möchte ich jetzt je ein Beispiel erläutern; zunächst der

Bottom-up-Ansatz:

Im LuFo IV-Programm wurden Verfahren zu einer teilautomatisierten

Rollführung mittels Cockpit-Display und dynamischer Befeuerung entwi-

ckelt. Für die Versuche u.a. mit in einem Testflugzeug des DLR wurde da-

bei die konventionelle Befeuerung so geändert, dass der Pilot nicht mehr

mit einem statischen Licht geführt wurde, sondern mit zeitlich so getakte-

ten Lampen, dass ihm optisch ein vor ihm herlaufendes Licht den Weg

inklusive der nötigen Abzweigungen zeigte (vgl. Abb. 6).

Abb. 6: Bottom-up-Beispiel

Stoppbars wurden als Lampenarrays am Boden eingebaut und bei dro-

hendem Überrollen eines gesperrten Abschnitts automatisch aktiviert. Wir

konnten testen, wie sich zwei hintereinander rollende Flieger verhalten,

besonders wenn sie an einem Punkt verschiedene Wege haben. Dazu ha-

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ben wir einen Teil unseres Bahnsystems nachts umgerüstet, um die Tests

laufen zu lassen und am Morgen wieder zurückgerüstet. Wenn nun im

SESAR-Projekt als eine der zentralen Forderungen eine automatisierte

Rollverkehrsführung diskutiert wird und wie denn die Standards für Pro-

zesse und Technik aussehen könnten, dann können wir als einer der ganz

wenigen unseren Input auf praktischen Erfahrungen aufbauen.

Kommen wir nun zum Top-down-Ansatz:

Ziel von SESAR ist – wie schon erläutert – die Integration der Airports in

das übergreifende Air Traffic Management-Netzwerk. Dazu muss natür-

lich die 4D-Trajektorie, also die 3 Dimensionen des Raumes plus die Zeit,

am Boden weiterverfolgt werden. Im Grunde ist alles ein unendlicher

Kreislauf aus Flug, Approach, Taxi Inbound, Turnaround, Taxi Outbound,

Departure, Flug und dann kommt ja schon der nächste Flughafen. Ein De-

lay kann bei einem System, das an der Kapazitätsgrenze operiert, weitrei-

chende Folgen haben, wenn keine vernetzte Steuerung dies ausgleicht.

Um die Abflugzeit eines Fluges vorausschauend zu steuern, muss man

deshalb die Ankunft des entsprechenden Flugzeugs von seinem vorheri-

gen Flug und dessen Bodenzeit am Flughafen in die Planung mit einbe-

ziehen.

Bei einem kurzen innerdeutschen Flug ist die Bodenzeit die bei weitem

Bestimmende. Hebt das Flugzeug mit 20 Minuten Verspätung ab, ist diese

z.B. von Frankfurt nach Hamburg einfach nicht mehr einzuholen. Also

benötigt man Informationen über den Rollweg, die Bodenabfertigungs-

zeit, das Zurückrollen, die Start-up-Sequenz und dies jeweils in der aktu-

ellen Belastungssituation. Alle diese Prozessschritte beeinflussen die ent-

scheidende geplante Take-Off-Time. Und zu deren Berechnung macht

SESAR recht genaue Verfahrensvorgaben. Wir haben nun zum Beispiel

mit Unterstützung von LuFo IV entsprechende Programme als Prototyp

entwickelt und konnten wertvolle Erfahrungen sammeln, wie diese im

praktischen Betrieb wirken könnten.

Mit unserem Vorgehen fügen sich also die Puzzleteile Stück für Stück zu-

sammen.

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4 „Die Revolution“

Schauen wir uns dieses Beispiel aber noch etwas genauer an. Es enthält

im Grunde die „Revolution“, von der ich eingangs gesprochen habe.

Abb. 7: Top-down-Beispiel

Der wichtigste Aspekt von SESAR ist der Network Operation Plan, von

dem Abb. 7 den Teil rund um den Aufenthalt der Maschinen am Boden

zeigt. Der Name klingt harmlos, aber im Grunde sagt der Network Opera-

tion Plan in seiner 4D-Trajektorie nichts anderes, als dass jeder Flug zu

jedem wichtigen Zeitpunkt mit seiner Positionierung über Grund und in

der Höhe bekannt ist. Das beginnt mit der strategischen Planung, der Sai-

sonplanung, geht weiter in der taktischen Flugplanung (Drei-Tages-

Planung) und dann in der operativen Planung mit einigen Stunden Vo-

rausschau. Das können wir uns vereinfachend so vorstellen, dass ein Su-

perhirn weiß, welcher Flieger wann und wo in Europa an welcher Stelle

in Zukunft sein wird – egal ob in der Luft oder am Boden. Daraus kann

dann berechnet werden, ob ein anderer Flieger an dieser Stelle eine Kolli-

sion oder konkurrierende Ressourcenanforderungen verursachen würde.

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In einer Idealwelt können wir damit Kollisionsfreiheit erreichen, Staus,

Warteschleifen und all diese Dinge vollkommen eliminieren. Diese Vision

ist sicherlich nicht 100%ig einzuhalten und es wird Kompromisse geben

müssen, aber ich denke, Sie erkennen das „revolutionäre Potential“. Es

wäre gut, wenn es gerade unter den jungen Studierenden Menschen ge-

ben würde, die sich für Umsetzung dieser Vision begeistern könnten.

Erinnern Sie sich, dass durch SESAR tatsächlich eine Verdoppelung bis

Verdreifachung der Kapazität im europäischen Luftraum erreicht werden

soll und wahrscheinlich auch möglich ist. Denn wir haben nach wie vor

Leerlaufzeiten, nach wie vor Puffer und Sicherheitsreserven in unserer

Planung, die auf diese Art und Weise reduziert werden können, das alles

bei gleichbleibender oder sogar höherer Qualität für den Fluggast. Der

neue Network Operation Plan setzt aber voraus, dass die historisch be-

dingten, nationalen Grenzen der Flugsicherungsräume aufgegeben wer-

den. Und dazu gehört, dass die Vielzahl der Flugsicherungen deutlich re-

duziert wird.

Wenn man das Vorgestellte einmal zu Ende denkt, dann wird klar, dass

dies über einen evolutionären Ansatz hinausgeht, sondern das ist, was ich

eingangs unter „Revolution“ verstanden habe. Der Flugverkehr wird einer

industriellen Abwicklung ähnlich, wie in einer Produktionsstätte, in der

Ströme, seien sie nun Flieger oder Menschen, ein- und ausgehen und ein

optimales Endprodukt mit hoher, vorhersagbarer Qualität entsteht - zum

Nutzen für Airlines und Passagiere.

Ich fasse zusammen: Ja, es gibt eine Luftfahrtforschung an einigen füh-

renden europäischen Flughäfen. Es sind keine Dutzende von Mitarbeitern,

es sind weniger als ein halbes Dutzend an einem typischen Flughafen wie

Frankfurt, aber es gibt eine kleine, ambitionierte und mittlerweile auch

akzeptierte Kernmannschaft an Flughäfen, mit der zusammen die anderen

„Spieler“ die Zukunftskonzepte erarbeiten.

Diese Forschung ist der Motor für langfristiges und nachhaltiges Wachs-

tum. Um dies später in der Praxis umzusetzen, wird es einer engen Zu-

sammenarbeit von Behörden, Industrie und den späteren Anwendern be-

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dürfen. Ich habe dazu auf Ihrer Homepage einen Satz gefunden, der mir

zeigt, wie sehr genau dies zu den Vorstellungen des Namensgebers des

August-Euler-Preises passt:

„Die Verbindung von praktischer Erprobungen und wissenschaftlicher

Aufarbeitung, eben die Förderung der Zusammenarbeit von Wirtschaft

und Wissenschaft auf dem Gebiet der Luftfahrt und auch des Luftver-

kehrs war ein ganz zentrales Anliegen von August Euler.“

Dem kann ich kein besseres Schlusswort hinzufügen.

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