Lumineszenz in porösem Silizium

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Lumineszenz in Silizium Walter Lang, Peter Steiner und Frank Kozlowski Silizium ist ein indirekter Halbleiter und zeigt nur schwache Lumineszenz irn infraroten Wellenlangenbereich. In der rnodernen Mi- krosystemtechnik wird das Silizium, das ne- ben seinen elektronischen auch sehr interes- sante mechanische Eigenschaften hat, nicht nur als Basismaterial zur Herstellung von elektrischen Bauelementen verwendet. Es werden gleichwertig mit den elektrischen Schaltungen auch andere physikalische Kom- ponenten, wie Aktoren, Sensoren und mikro- mechanische Bauteile, auf einem Chip in- tegriert. Neben die Elektronik treten die Mechanik, Therrnodynamik, Optik, der Ma- gnetisrnus sowie chemische und biologische Wechselwirkungen. In diesern Rahmen ist es ein Nachteil, dafi Silizium kein Licht aussen- .det. Lichtemittierende Bauteile miissen aus anderen Materialien gefertigt werden. Vor ei- niger Zeit wurde nun entdeckt, dai3 nano- poroses Silizium, das aus dem in der Techno- logic iiblichen einkristallinen Material durch einen elektrochemischen Atzprozei3 gewon- nen wird, Lumineszenz zeigt. Poroses Silizium Poroses Silizium ist seit 1956 bekannt [l]. Die Hauptanwendung liegt auf dem Gebiet der SO1 (Silicon on Insulator)-Technologie. Da- bei werden integrierte Schaltungen in einer dunnen Siliziurnschicht gebaut, die auf einern Isolator liegt. Der Isolator vermindert die ka- pazitive Kopplung der Schaltungen zum Tra- gerchip, was besonders bei hohen Frequen- zen Vorteile bietet. Eine Moglichkeit, Silizium auf einem Isolator zu erzeugen, besteht im epitaktischen Aufwachsen einer einkristalli- nen Siliziumschicht auf porosem Silizium. In die Epischicht werden Locher geatzt, so dai3 sich die darunterliegende porose Schicht we- gen ihrer groi3en reaktiven Oberflache leicht oxidieren und somit in eine dicke Isolations- schicht urnwandeln lafit, wahrend die Epi- schicht fur die Herstellung von elektroni- schen Bauteilen zur Verfiigung steht. Lumineszenz in porosem Silizium Durch elektrochemisches Atzen lai3t sich aus Silizium ein poroser Film mit Strukturgrogen im Bereich von Nano- metern gewinnen. Im Gegensatz zu kristallinem Silizium zeigt dieses porose Silizium eine starke Photolumineszenz. Auch Elektrolumineszenz kann beobachtet werden. Das Material bietet eine ganze Reihe von interessanten technologischen Moglichkeiten im Bereich der Sensoren, Aktoren und der Mikromechanik: Es lassen sich dickere Schichten aus Oxid erzeugen als rnit anderen Methoden, die zur elektrischen und zur ther- mischen Isolation geeignet sind. Die groi3e in- nere Oberflache kann fur Feuchte- und Gas- sensoren niitzlich sein. So wurde irn Fraun- hofer-Institut fur Festkorpertechnologie in Munchen (IFT) ein Feuchtesensor auf der Basis von porosem Silizium entwickelt [2]. Eine weitere Moglichkeit ist die Mikrostruk- turierung mit porosern Silizium. Der Atzvor- gang ist selektiv beziiglich der Dotierung des verwendeten Siliziumwafers. So kann man ei- nen ortlich begrenzten, porosen Bereich er- zeugen. Das porose Siliziurn la4t sich mit ei- ner stark verdunnten Siliziumatze (KOH-LO- sung) sehr leicht auflosen. Durch die grofie Oberflache lost sich das porose Material schon bei einer sehr schwachen Konzentrati- on, die das kristalline Material nicht angreift. Auf diese Weise wurde beispielsweise eine freistehende Brucke erzeugt (Abbildung 1) [3]. Ein Siliziumwafer wird thermisch oxi- diert, auf das Oxid folgt eine Schicht von 500 nm Polisiliziurn. Dieses wird mittels Photo- lithographie und nagchemischem Atzen strukturiert. Nun wird der Wafer 100 yrn tief poros geatzt. Das Polisilizium ist durch seine Dotierung vor einem Atzangriff geschutzt. Die Struktur, im Falle von Abbildung 1 eine diinne Briicke, wird unteratzt. Wenn das porose Material entfernt wird, bleibt die Briicke iiber einem Graben von 100 ym Tiefe stehen. Wir haben freistehende Drahte von 5 bis 0,5 yrn Querschnitt und 600 ytn Lange realisiert. Solche Strukturen konnen zurn Bei- spiel als thermische Sensoren verwendet wer- den. Wahrend dieser Arbeiten erreichte uns die Nachricht, dai3 in porosern Silizium Quan- teneffekte [4] und Lumineszenz [5] entdeckt Physik in unserer Zeit / 24. Jahrg. 1993 / Nr. 2 0 VCH Verlagsgesellscbdft mbH, W-6940 Weinbeim, 1993 0031-9252/93/0203-0063 $5.00 + .25/0 wurden. Wir stellten fest, dai3 unsere Proben auch photolumineszent waren und begannen, Wege zur Elektrolumineszenz zu suchen. Herstellung von porosem Silizium durch Atzen Abbildung 2 zeigt die Apparatur, die irn IFT verwendet wird. Poroses Silizium wird in sehr aggressiver, verdunnter FluBsaure geatzt, die selbst Glas auflost. Silizium ist in Flufisaure bestiindig, wird aber geatzt, wenn elektrischer Strom durch die Grenzschicht Siliziurn/Saure fliei3t. Als Behaltermaterial kornmen nur saurebestandige Kunststoffe, wie Teflon oder hochverdichtetes Polipropy- len, in Frage. Der Wafer wird von einem beid- seitig in die Saure getauchten Halter getragen. Das bedeutet, dai3 zwei Grenzflachen (jeweils an Vorder- und Riickseite) zwischen Silizium und Saure vorhanden sind. Als Elektroden dienen Platinbleche. Um den Wafer wahrend des Atzens zu beleuchten, wird eine Halogen- lampe verwendet, die schrag iiber dern Atz- bad rnontiert ist. Die Vorderseite des Wafers steht der negativen Elektrode gegeniiber. Sie stellt gegeniiber der Same die Anode dar; die- se Seite wird poros geatzt, weswegen man den Vorgang auch Anodisieren nennt. Betrachten wir zuerst das Atzen eines p-do- tierten Wafers. Der Ubergang von der Saure zum Halbleiter ist ein sogenannter Schottky- Kontakt. Das ist ein elektrischer Ubergang zwischen einem Halbleiter und einem Leiter, der eine gleichrichtende Wirkung hat und so- rnit Strom nur in einer Richtung durchla4t. Auf der Vorderseite ist dieser in Durch- lai3richtung gepolt, auf der Riickseite in Sperrichtung. Abbildung 3 zeigt die Strom- Spannung-Kennlinie dieses Schottky-Kon- taktes. Urn die notige Stromdichte zu errei- chen, mui3 man zunachst dafiir sorgen, dai3 der in Sperrichtung gepolte Ubergang auf der Ruckseite des Wafers durchlassig wird. Dazu 63

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Lumineszenz in Silizium

Walter Lang, Peter Steiner und Frank Kozlowski

Silizium ist ein indirekter Halbleiter und zeigt nur schwache Lumineszenz irn infraroten Wellenlangenbereich. In der rnodernen Mi- krosystemtechnik wird das Silizium, das ne- ben seinen elektronischen auch sehr interes- sante mechanische Eigenschaften hat, nicht nur als Basismaterial zur Herstellung von elektrischen Bauelementen verwendet. Es werden gleichwertig mit den elektrischen Schaltungen auch andere physikalische Kom- ponenten, wie Aktoren, Sensoren und mikro- mechanische Bauteile, auf einem Chip in- tegriert. Neben die Elektronik treten die Mechanik, Therrnodynamik, Optik, der Ma- gnetisrnus sowie chemische und biologische Wechselwirkungen. In diesern Rahmen ist es ein Nachteil, dafi Silizium kein Licht aussen- .det. Lichtemittierende Bauteile miissen aus anderen Materialien gefertigt werden. Vor ei- niger Zeit wurde nun entdeckt, dai3 nano- poroses Silizium, das aus dem in der Techno- logic iiblichen einkristallinen Material durch einen elektrochemischen Atzprozei3 gewon- nen wird, Lumineszenz zeigt.

Poroses Silizium

Poroses Silizium ist seit 1956 bekannt [l]. Die Hauptanwendung liegt auf dem Gebiet der SO1 (Silicon on Insulator)-Technologie. Da- bei werden integrierte Schaltungen in einer dunnen Siliziurnschicht gebaut, die auf einern Isolator liegt. Der Isolator vermindert die ka- pazitive Kopplung der Schaltungen zum Tra- gerchip, was besonders bei hohen Frequen- zen Vorteile bietet. Eine Moglichkeit, Silizium auf einem Isolator zu erzeugen, besteht im epitaktischen Aufwachsen einer einkristalli- nen Siliziumschicht auf porosem Silizium. In die Epischicht werden Locher geatzt, so dai3 sich die darunterliegende porose Schicht we- gen ihrer groi3en reaktiven Oberflache leicht oxidieren und somit in eine dicke Isolations- schicht urnwandeln lafit, wahrend die Epi- schicht fur die Herstellung von elektroni- schen Bauteilen zur Verfiigung steht.

Lumineszenz in porosem Silizium Durch elektrochemisches Atzen lai3t sich aus Silizium ein poroser Film mit Strukturgrogen im Bereich von Nano- metern gewinnen. Im Gegensatz zu kristallinem Silizium zeigt dieses porose Silizium eine starke Photolumineszenz. Auch Elektrolumineszenz kann beobachtet werden.

Das Material bietet eine ganze Reihe von interessanten technologischen Moglichkeiten im Bereich der Sensoren, Aktoren und der Mikromechanik: Es lassen sich dickere Schichten aus Oxid erzeugen als rnit anderen Methoden, die zur elektrischen und zur ther- mischen Isolation geeignet sind. Die groi3e in- nere Oberflache kann fur Feuchte- und Gas- sensoren niitzlich sein. So wurde irn Fraun- hofer-Institut fur Festkorpertechnologie in Munchen (IFT) ein Feuchtesensor auf der Basis von porosem Silizium entwickelt [2].

Eine weitere Moglichkeit ist die Mikrostruk- turierung mit porosern Silizium. Der Atzvor- gang ist selektiv beziiglich der Dotierung des verwendeten Siliziumwafers. So kann man ei- nen ortlich begrenzten, porosen Bereich er- zeugen. Das porose Siliziurn la4t sich mit ei- ner stark verdunnten Siliziumatze (KOH-LO- sung) sehr leicht auflosen. Durch die grofie Oberflache lost sich das porose Material schon bei einer sehr schwachen Konzentrati- on, die das kristalline Material nicht angreift. Auf diese Weise wurde beispielsweise eine freistehende Brucke erzeugt (Abbildung 1 ) [3]. Ein Siliziumwafer wird thermisch oxi- diert, auf das Oxid folgt eine Schicht von 500 nm Polisiliziurn. Dieses wird mittels Photo- lithographie und nagchemischem Atzen strukturiert. Nun wird der Wafer 100 yrn tief poros geatzt. Das Polisilizium ist durch seine Dotierung vor einem Atzangriff geschutzt. Die Struktur, im Falle von Abbildung 1 eine diinne Briicke, wird unteratzt. Wenn das porose Material entfernt wird, bleibt die Briicke iiber einem Graben von 100 ym Tiefe stehen. Wir haben freistehende Drahte von 5 bis 0,5 yrn Querschnitt und 600 ytn Lange realisiert. Solche Strukturen konnen zurn Bei- spiel als thermische Sensoren verwendet wer- den.

Wahrend dieser Arbeiten erreichte uns die Nachricht, dai3 in porosern Silizium Quan- teneffekte [4] und Lumineszenz [5] entdeckt

Physik in unserer Zeit / 24. Jahrg. 1993 / Nr. 2 0 VCH Verlagsgesellscbdft mbH, W-6940 Weinbeim, 1993 0031-9252/93/0203-0063 $5.00 + .25/0

wurden. Wir stellten fest, dai3 unsere Proben auch photolumineszent waren und begannen, Wege zur Elektrolumineszenz zu suchen.

Herstellung von porosem Silizium durch Atzen

Abbildung 2 zeigt die Apparatur, die irn IFT verwendet wird. Poroses Silizium wird in sehr aggressiver, verdunnter FluBsaure geatzt, die selbst Glas auflost. Silizium ist in Flufisaure bestiindig, wird aber geatzt, wenn elektrischer Strom durch die Grenzschicht Siliziurn/Saure fliei3t. Als Behaltermaterial kornmen nur saurebestandige Kunststoffe, wie Teflon oder hochverdichtetes Polipropy- len, in Frage. Der Wafer wird von einem beid- seitig in die Saure getauchten Halter getragen. Das bedeutet, dai3 zwei Grenzflachen (jeweils an Vorder- und Riickseite) zwischen Silizium und Saure vorhanden sind. Als Elektroden dienen Platinbleche. Um den Wafer wahrend des Atzens zu beleuchten, wird eine Halogen- lampe verwendet, die schrag iiber dern Atz- bad rnontiert ist. Die Vorderseite des Wafers steht der negativen Elektrode gegeniiber. Sie stellt gegeniiber der Same die Anode dar; die- se Seite wird poros geatzt, weswegen man den Vorgang auch Anodisieren nennt.

Betrachten wir zuerst das Atzen eines p-do- tierten Wafers. Der Ubergang von der Saure zum Halbleiter ist ein sogenannter Schottky- Kontakt. Das ist ein elektrischer Ubergang zwischen einem Halbleiter und einem Leiter, der eine gleichrichtende Wirkung hat und so- rnit Strom nur in einer Richtung durchla4t. Auf der Vorderseite ist dieser in Durch- lai3richtung gepolt, auf der Riickseite in Sperrichtung. Abbildung 3 zeigt die Strom- Spannung-Kennlinie dieses Schottky-Kon- taktes. Urn die notige Stromdichte zu errei- chen, mui3 man zunachst dafiir sorgen, dai3 der in Sperrichtung gepolte Ubergang auf der Ruckseite des Wafers durchlassig wird. Dazu

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Lumineszenz in Silizium

gibt es zwei Moglichkeiten: Die eine besteht darin, die Waferriickseite zu beleuchten. Das im Silizium absorbierte Licht erzeugt Elek- tron-Loch-Paare. Diese Ladungstragergene- ration ermoglicht einen StromfluC. Wie in Abbildung 3 im Quadranten links unten ge- zeigt, wird der Strom durch Beleuchtung er- hoht. Die andere Moglichkeit ist, die Ruck- seite des Wafers durch Ionenimplantation zu dotieren und damit einen ohmschen Uber- gang zu schaffen. Wir wahlten die zweite Moglichkeit.

Die Vorderseite des p-dotierten Wafers ist in Durchlaflrichtung gepolt. Beleuchtung wirkt sich hier nur wenig aus. Beim Ubergang Sili- zium/Elektrolyt ist ein Stromflufl immer mit einer chemischen Reaktion verbunden. Wahrend auf der kathodischen Seite lediglich Wasserstoffblasen entstehen, wird auf der an- odischen Seite das Silizium geatzt. Je nach Wahl der Prozegparameter fuhrt das zur Er- zeugung einer glatten Oberflache durch Elek- tropolieren (hohe Stromdichte) oder zur Er- zeugung von Poren (geringe Stromdichte).

Dazwischen liegt ein Ubergangsbereich, in dem die Kennlinie waagrecht oder gar fallend verlauft. In diesem Bereich treten oft Schwin- gungen der Stromstarke auf. P-dotiertes Sili- zium wird beim Atzen nanoporos, die ver- bleibenden Strukturen haben typische Aus- dehnungen von 1 bis 5 nm. Der dominierende Mechanismus der Porenentstehung ist ein Quanteneffekt [4], worauf spater noch einge- gangen wird.

1st der geatzte Wafer n-dotiert, so ist die Ruckseite in Fluflrichtung und die Vordersei- te in Sperrichtung gepolt. Im Dunkeln er- reicht man nur eine geringe Stromdichte. Der Atzprozei3 ist diffusionslimitiert, eine an La- dungstragern verarmte Zone um die Poren verhindert die weitere Reaktion, sobald die Strukturen eine gewisse GroQe unterschrei- ten. Das Material ist mikroporos mit einer ty- pischen Strukturgrofie zwischen 100 nm und 1 pm. Um den Strom zu erhohen, kann man wiederum beleuchten, diesmal von der Vor- derseite. Dadurch wird nicht nur der Strom erhoht, sondern auch das Porenwachstum be- einflui3t. Wenn durch das Licht Ladungstra- ger erzeugt werden, so verschwindet die Ver- armungszone. Der Atzprozefl geht weiter, bis, wie beim p-Silizium, ein Quanteneffekt ein- tritt, der Nanostrukturen erzeugt. N-dotier- tes Material, das beim Atzen beleuchtet wird, verhalt sich also wie p-Silizium. Wie Abbil- dung 3 zeigt, flieflt bei Beleuchtung mehr

Strom, und die Kennlinie von n-Si wird der von p-Si ahnlich.

Die meisten unserer Elektrolumineszenz-Ex- perimente sind mit bei Licht anodisiertem n- Si gemacht. Abbildung 4 zeigt die Bruchkante einer solchen Probe im Elektronenmikro- skop. Unten sieht man das einkristalline Ma- terial des Si-Wafers. In der dariiberliegenden Schicht erkennt man die Mikroporen. Da das Licht nicht tief in den Wafer eindringt, hat man 10 Fm unter der Oberflache praktisch im Dunkeln anodisiertes Material vorliegen. Das Porenwachstum orientiert sich unter anderem an der Richtung der Stromlinien und an den Hauptachsen des Kristalls, wobei die <loo>- Richtung bevorzugt ist. Zu den groi3en Poren von der Oberflache in den Kristall hinein gibt es Seitenporen, die die waagrechten Plateaus im Bruchbild erzeugen. Die Entstehung die- ser Seitenporen nimmt mit der Stromdichte zu. Bei groi3em Strom richtet sich der Atz- prozei3 immer starker waagrecht aus, bis dann nur noch in der Waferebene geatzt wird. Dann ist man im Bereich des Elektropolie- rens. Weiter oben schliei3t sich der nanoporo- se Bereich an, der unter Einwirkung des Lich- tes aus dem n-Silizium geatzt wird. Die Strukturen werden vom Lichtmikroskop, aber auch vom Rasterelektronenmikroskop nicht mehr aufgelost. Im Bruchbild zeigt sich eine grieflartige Struktur, durch die sich aller- dings noch groi3e Poren von weiter unten bis zur Oberflache ziehen.

Messungen mit einem Transmissions-Elek- tronenmikroskop [6,7] zeigen, dai3 die Struk- turen im nanoporosen Silizium 1 bis 10 nm groi3 sind. Wir haben unsere Schichten mit Raman-Spektroskopie untersucht. Die Ver- schiebung und Verbreiterung der Raman- Linie ist deutlich. Ein Vergleich mit theoreti- schen Berechnungen [S] ergab eine Groi3e der Kristallite von wenigen tausend Atomen.

Abb. 1. Die Anwendung von porosem Sili- zium zur Mikrostrukturierung. Eine frei- tragende Briicke aus PolisiLzium wird er- zeugt, indem ein Graben unter der Struk- tur poros geatzt und dann entfernt wird.

Abb. 2. Die elektrochemische Atzzelle aus Polipropylen. Wenn Flul3saure rnit Hilfe von elektrischem Strom den Kristall an- greift, entsteht eine porose Schicht. Als Elektroden werden Platinbleche verwendet. Da der Atzprozefl lichtabhangig ist, kann der Wafer wahrend des Atzens mit einer Lampe beleuchtet werden.

Abb. 3. Die Strom-Spannung-Kennlinie des Atzprozesses. An der Grenzflache Silizi- um/Saure bildet sich ein Schottky-Uber- gang, der je nach Dotierung des Wafers in DurchlaQ- oder Sperrichtung gepolt ist. Um den Strom in Sperrichtung zu er- hohen, kann der Wafer beleuchtet werden. Die porose Schicht bildet sich bei niederen Stromdichten auf der Seite, auf der der Wa- fer als Anode fungiert.

Abb. 4. Lichtmikroskopische Aufnahme ei- nes Bruches durch eine elektrolumineszen- te Probe aus n-Silizium. Auf dem massiven Silizium des Wafers sitzt eine Schicht mit Mikroporen, dariiber die nanoporose Schicht, die unter dem EinfluQ des Lichtes entsteht. Der oberste Teil ist stark oxidiert.

Die oberste Schicht ist ebenfalls nanoporos, aber fast vollstandig oxidiert. Durch die groi3e innere Oberflache und die feinen Strukturen geniigt der Sauerstoff in der Luft, um die Kristallite weitgehend zu oxidieren. Rutherford-Spektroskopie ergibt eine Sto- chiometrie von Silol,, an der Oberflache.

Ein Sauerstofftiefenprofil, das mit einer Elek- tronenmikrosonde an der Bruchkante gemes- sen wurde, zeigt, dafl der oxidierte Bereich ca. 6 pm tief ist. Die lumineszente Schicht liegt im nanoporosen Bereich unter der oxidierten Schicht, also von 6 bis 12 pm Tiefe.

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Lumineszenz in Silizium

und also auch kein Atzvorgang moglich. Ein Kristallit wird immer dunner geatzt, bis die Dimension der Raumladungszone erreicht ist, d a m stoppt der Atzvorgang. Auf diese Weise entstehen die diinnen Porenwiinde, die gegen einen weiteren Angriff der Saure geschiitzt sind. Die resultierende Struktur- groi3e hangt von der Spannung und der Dotierung ab und liegt im Bereich von 100 nm bis einigen Mikrometern.

Ein grundsatzlich anderer Mechanismus be- stimmt die Entstehung der Nanostrukturen in p- und beleuchtetem n-Silizium. Da La- dungstrager vorhanden sind, bildet sich keine Verarmungszone aus, und die mikrometer- groi3en Strukturen werden weitergeatzt. Wenn die Strukturgrofle in den Bereich von 10 nm kommt, tritt jedoch ein anderer Me- chanismus in Kraft, der eine vollstandige Auflosung verhindert: ein Quanteneffekt [4]. Quantenmechanisch werden die Elektronen und Locher durch ihre Wellenfunktionen be- schrieben. 1st die Strukturgrofle im Silizium im Bereich der entsprechenden Wellenlangen, so tritt eine Quantisierung der Energieni- veaus der Elektronen ein (Quantum Confine- ment). Das System stellt nun einen Potential- topf dar. Man spricht von Quantenpunkten bzw. Quantendrahten. Je kleiner der Poten- tialtopf ist, um so kiirzer sind die Wellenlan- gen seiner Eigenfunktionen. Dementspre- chend sind die Energieniveaus zu hoheren Energien hin verschoben, und zwar um so st;irker, je enger die ortliche Begrenzung ist. Was bedeutet das fur den Atzprozefl? Ein Elektron in einem Kristallit von beispielswei- se 5 nm Groi3e befindet sich auf hoherer Energie als ein Elektron in einer groi3eren Struktur. Durch die so entstehende Energie- barriere werden die Elektronen von den klei- nen Strukturen ferngehalten, und der weitere Atzprozei3 kommt zum Erliegen. Durch die- sen selbstregelnden Prozei3 entstehen die Na- nokristalle.

Entstehung der Mikro- und Nanoporen

Zur Erklarung des Atzvorganges wurden verschiedene Theorien vorgeschlagen. Fur Mikroporen, wie sie zum Beispiel in unbe- leuchtetem n-Silizium auftreten, ist das raurn- ladungszonenbegrenzte Model1 [9,10] weitge- hend akzeptiert. Normalerweise lost sich Sili- zium in FluGsaure fast nicht. Das liegt daran, dai3 alle Valenzen der Siliziurnatome gebun- den sind, das heii3t die Bindungen der Atome sind abgesattigt. Durch den Stromflui3 kom- men Locher an die Oberflache, es finden sich

also jetzt Siliziumatome mit freien Valenzen. Diese Siliziumradikale reagieren mit den Fluorionen der Losung. Anders ausgedriickt: Der Kristall rnufl zum chemischen Prozei3 Locher beitragen, die durch das Silizium zu dem Ort der chemischen Reaktion transpor- tiert werden mussen. Wird der Flufl der Ladungstrager zur Siliziumoberflache unter- brochen, so ist an dieser Stelle kein weiteres Atzen moglich. Die Oberflache der einzelnen Poren stellt eine Aquipotentialflache dar. Urn jede Pore bildet sich eine Raumladungszone, in der keine Ladungstrager vorhanden sind. Daher ist in diesem Bereich kein Stromflul3

Photolumineszenz

Regt man nanoporoses Silizium mit ultravio- lettem Licht an, so zeigt es bei Raumtempera- tur Lumineszenz. Es strahlt sichtbares Licht aus, meistens im roten bis orangefarbenen Wellenlangenbereich. Seit dieser Effekt 1990 von L. T. Canham beschrieben wurde [5], kam eine intensive Forschungstatigkeit in Gang.

Die obere Kurve in Abbildung 5 zeigt ein op- tisches Spektrum der Lumineszenz. Bei der

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Lumineszenz in Silizium

Probe handelt es sich um einen <100>-Wafer, n-dotiert mit Phosphor. Er wurde in einer Losung aus 25 % HF in Ethanol bei einer Stromdichte von 25 mA/cm2 geatzt. Wahrend des 20 Minuten dauernden Atzprozesses wurde der Wafer von der Vorderseite her be- leuchtet. Es handelt sich um die gleiche Pro- be, deren Tiefenprofil in Abbildung 4 zu se- hen ist. Beleuchtet man diesen Wafer mit einer UV-Lampe, so strahlt er ganzflachig hell- orange auf. Bei einer Anregung mit der 350- nm-Linie eines Argonlasers zeigt das Spek- trum eine breite Linie bei h = 650 nm. Die meisten, in der Literatur beschriebenen, Pho- tolumineszenz-Experimente zeigen Licht im orangefarbenen Bereich, wobei die Wellenlan- ge nur wenig von den Herstellungsparame- tern und der Dotierung des Ausgangsmateri- als abhangt, aber mit der Temperatur stark schwankt. Wird unsere Probe mit flussigem Stickstoff gekiihlt, so leuchtet sie zitronen- gelb.

Viele auf verschiedene Arten hergestellte nanoporose Siliziumschichten zeigen Photo- lumineszenz. Die meisten Experimente wer- den rnit p-dotiertem Material gemacht. Die Quantenausbeute der Photolumineszenz (das Verhaltnis der Zahl der eingestrahlten Photo- nen zu der der Lumineszenzphotonen) liegt bei 5 bis 10 %. Damit handelt es sich um ein durchaus effizientes Lumineszenzmaterial.

Neben der Ausbeute ist die Zeitkonstante wichtig. Will man ein lichtemittierendes Ele- ment zur Dateniibertragung einsetzen, ist es naturlich interessant, im Megahertz-Bereich zu arbeiten. Die von mehreren Arbeitsgrup- pen ermittelten Daten sind nicht ganz einheit- lich, weil sich offenbar mehrere Zeitkonstan- ten iiberlagern. Es zeigt sich jedoch, dai3 die Zeitkonstante im Bereich von Mikrosekun- den liegt und damit mit derjenigen der schwa- chen Infrarotlumineszenz von kristallinem Silizium vergleichbar ist. Fur eine Anwen- dung in der Datenubertragung ware es notig, das Material so zu optimieren, daf3 es schnel- ler ist.

Elektrolumineszenz

Da es fur die Anwendung naturlich wichtig ist, Licht durch elektrischen Strom zu erzeu- gen, war das nachste Ziel die Elektrolumines- zenz. Es wurde im Friihjahr 1991 gleichzeitig in Tokio [I l l und Munchen [I21 erreicht. Unser Material ist die bereits beschriebene photolumineszente Probe aus n-Silizium. U m Elektrolumineszenz zu erreichen, mu8 die

Abb. 5. Spektren von porosem Silizium: oben bei Photolumineszenz, unten bei Elektrolumineszenz.

Abb. 6. Auf die lumineszente Schicht wer- den Kontaktpads aufgedampft. Legt man mit einer Nadel eine Spannung an, leuchtet das Pad auf.

Abb. 7. Die Strom-Spannung-Kennlinie der Elektrolumineszenz.

Schicht elektrisch kontaktiert werden. Dazu wird eine Goldschicht von 12 nm Dicke auf- gebracht. So diinnes Gold ist fur Licht weit- gehend durchsichtig, andererseits leitet es den Strom gut genug, um als Kontaktschicht zu dienen. Das Gold wird durch Sputtern oder durch thermisches Verdampfen abgeschieden und wahrend der Deposition durch eine Lochmaske strukturiert. Dadurch entstehen Kontaktpads von 3 x 5 mm2 GroGe. In Abbil- dung 6 sieht man einen anodisierten Wafer, der mit solchen Kontaktpads versehen ist, von denen einer rnit einer Nadel kontaktiert ist. Wird eine Spannung angelegt, so leuchtet das Pad auf (Abbildung 6). Das Licht ist rela- tiv schwach, jedoch im abgedunkelten Raum rnit bloi3em Auge gut zu sehen. Mit einem Photomultiplier 1ai3t es sich bei einer Span- nung unter 5 Volt nachweisen. Das Spektrum des Elektrolumineszenzlichtes zeigt die unte- re Kurve in Abbildung 5. Es ist dem der Pho- tolumineszenz ahnlich. Die Probe sendet bei beiden Stromrichtungen Licht aus, sowohl wenn die Nadel am Plus- (bei n-Si die ,,Durchlai3richtung" der Kennlinie) als auch wenn sie am Minuspol (,,Sperrichtung") an- geschlossen ist. Es zeigen sich jedoch deutli- che Unterschiede im Quantenwirkungsgrad und im Alterungsverhalten fur beide Polun-

gen. Die Messung zeigt, dai3 der Quantenwir- kungsgrad in Sperrichtung besser ist. Die Ahnlichkeit der Spektren von Photo- und Elektrolumineszenz ist ein Indiz dafiir, dai3 zumindest der Mechanismus der Rekombina- tion und der Photonenemission bei beiden Prozessen gleich ablaufen.

Der elektrische Widerstand der Schichten ist hoch. Das hat seine Hauptursache in der stark oxidierten Lage, die die eigentliche Lurnines- zenzschicht bedeckt. In ihr fallt die meiste Spannung ab. Wenn 100 Volt angelegt wer- den, so fliei3t ein Strom von 3 mA. Abbildung 7 zeigt die Strom-Spannung-Kennlinie, die eine deutliche Asymmetrie aufweist. Sie laBt sich als Uberlagerung einer Diode mit einem Widerstand verstehen. Der Widerstand liegt in der obersten Schicht, in der auch die meiste Spannung abfallt. Das laBt sich durch Poten- tialkontrastaufnahmen im Rasterelektronen- mikroskop zeigen.

Der Quantenwirkungsgrad (das Verhaltnis der Zahl der Elektronen zur Zahl der Lumi- neszenzphotonen) liegt bei ist also ge- ring. Damit ist das Material natiirlich von einer Anwendung noch entfernt. Man mui3 jedoch bedenken, daf3 es sich noch nicht um

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Lumineszenz in Silizium

Abb. 8. a) Energiescheiiia der Elektronen in Silizium. Die Energie ist gegen das rezipro- ke Gitter aufgetragen, das heiflt gegen den Impuls der Elektronen. Das Valenzband hat sein Maximum im Nullpunkt, das Lei- tungsband dagegen bei einem Impuls k,. Das bedeutet, dai3 bei einem direkten Uber- gang die Impulserhaltung nicht erfiillt ist. b) zeigt die Verbreiterung der Impulsvertei- lung durch den Quanteneinschlufl. Wenn die Impulsunscharfe groi3 wird, iiberlappen sich die beiden Verteilungsfunktionen, und die Wahrscheinlichkeit eines direkten Uber- gangs mit optischer Rekombination steigt.

optimierte Schichten handelt. Physikalische Untersuchungen und systematische Techno- logieentwicklungen lassen eine Verbesserung sehr aussichtsreich erscheinen.

Ein Problem des porosen Siliziums ist die Degradation der Proben bei der Lagerung an Luft. Durch die groi3e innere Oberflache rea- giert das Material, und die Proben verandern sich. Ein wichtiger Arbeitspunkt ist demnach die Entwicklung einer Schutzschicht, einer sogenannten Passivierung. Bei der Photolu- mineszenz lafit sich beobachten, dafi der Quantenwirkungsgrad im Laufe der Zeit ab- nimmt. Unter UV-Licht wird die Degrada- tion stark beschleunigt. Die Elektrolumines- zenz altert langsamer. Auch ein Jahr nach der Herstellung zeigen unsere ersten Proben noch keine Abnahme der Intensitat der Elek- trolumineszenz, wahrend die Photolumines- zenz stark nachgelassen hat. Die Elektrolu- mineszenz degradiert allerdings schneller, wenn Strom fliefit. In den ersten Minuten, nachdem ein neues Pad in Sperrichtung kon- taktiert wurde, ist der Abfall stark, dann flacht er ab. Die Intensitat stabilisiert sich bei 30 bis 50 % des Anfangswertes. Die Elektro- lumineszenz kann durchaus mehrere Tage lang kontinuierlich aufrechterhalten werden.

Wir haben Versuche mit n- und p-dotiertem Material durchgefiihrt. Fur die Kontaktpads wurden, neben Gold, diinnes Aluminium, Kupfer und Indium-Zinn-Oxid (ITO) ver- wendet. Mit I T 0 beschichtete Proben haben einen kleineren Innenwiderstand und lassen bei geringerer Spannung eine ausreichende Stromdichte zu. Sie leuchten schon bei niedri- gen Spannungen, der Quantenwirkungsgrad ist allerdings geringer.

Theorien zur Lumineszenz in Silizium Der physikalische Hintergrund der Lichter- scheinungen ist noch nicht geklart. Zwei mogliche Theorien werden zur Zeit heii3 diskutiert: Quanteneffekte und molekulare Lumineszenz in den Poren.

Warum weist ein normaler Wafer keine Lumi- neszenz im sichtbaren Bereich auf? Abbil- dung 8a zeigt schematisch die Bandstruktur von Silizium [13]. Die Energie ist gegen das reziproke Gitter aufgetragen, das heii3t gegen den Impuls k der Elektronen. Das Energie- maximum des Valenzbandes liegt beim Im- puls 0, in der Mitte der reziproken Gitter- zelle. Bei einem direkten Halbleiter, wie Gal-

liumarsenid, lage das Energieminimum des Leitungsbandes an derselben Stelle. Ein ange- regtes Elektron im Minimum des Leitungs- bandes kann dann mit einem Loch am Maxi- mum des Valenzbandes rekombinieren, dabei wird ein Photon emittiert. Diese direkten Halbleiter zeigen Lumineszenz.

Anders verhalt es sich bei Silizium. Das Mi- nimum des Leitungsbandes liegt nicht im Nullpunkt, sondern um einen Impuls k, ver- setzt. Damit ist Silizium ein sogenannter indi- rekter Halbleiter. Wird nun durch Anregung ein Elektron-Loch-Paar erzeugt, so wird sich mit groi3er Wahrscheinlichkeit das Loch im Leitungsband am Nullpunkt befinden. Das Elektron im Valenzband ist dagegen bei k,, da an dieser Stelle die Energie niedriger und so- mit die Aufenthaltswahrscheinlichkeit hoher ist. Die Verteilungsfunktion der Impulse um die Punkte 0 und k, ist in Abbildung 8b sche- matisch gezeichnet. Je starker sich die Vertei- lungsfunktionen uberlappen, desto wahr- scheinlicher ist ein Ubergang. Fur den Ein- kristall gelten die schmalen Verteilungen. Da sich die Verteilungsfunktionen nicht uberlap- pen, gibt es keine Ubergange. Der Impuls ei- nes Photons ist wesentlich kleiner als k,, die direkte Rekombination mit Emission eines Photons ist nicht moglich, da sie den Impuls nicht erhalt. Um den Impuls aufzunehmen, mui3 ein weiteres Teilchen, z. B. ein Phonon, am ProzeC beteiligt sein. Ein solcher Prozei3 ist aber sehr unwahrscheinlich, entsprechend ist die Zeitkonstante dieser Rekombination mit 10 ~s relativ lang. Da es andere, schnellere Wege der Rekombination gibt, ist die Lumi- neszenz sehr schwach. Sie ist jedoch mei3bar vorhanden und liegt im nahen Infrarot bei 1,14 eV (h= 1100 nm).

Was passiert nun durch das Quantum Con- finement? Die Unscharferelation der Quan- tenmechanik besagt, dai3 bei einem Teilchen nicht gleichzeitig Ort und Impuls genau mei3bar sind. In einem Nanokristall ist der Ort des Teilchens sehr genau definiert, solan- ge das Teilchen den Kristall nicht verlai3t. Entsprechend ist die Unscharfe des Impulses grog. Man muC sich nun in Abbildung 8a die Impulse als breite Verteilungsfunktionen um die Punkte 0 und k, vorstellen, wie in Abbil- dung 8b gezeigt. Diese Verteilungsfunktionen uberlappen sich, damit ist eine gewisse Wahr- scheinlichkeit fur einen Ubergang bei gleich- zeitiger Aussendung eines Photons vorhan- den. Gleichzeitig wird auch hier, wie beim Atzprozefl beschrieben, durch den Quan- teneinschlufi ein Potentialtopf gebildet und

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Lumineszenz in Silizium

die Energie des ersten angeregten Zustandes erhoht. Die Elektronen befinden sich nicht mehr am Maximum des Leitungsbandes und am Minimum des Valenzbandes, sondern leicht in das Band hinein verschoben auf den in Abbildung 8a gekennzeichneten Niveaus. Das bedeutet, der effektive Bandabstand nimmt zu. Entsprechend verschiebt sich, wie auch beobachtet, die Lumineszenz von 1,l eV im nahen IR um den Betrag AE in den sicht- baren Spektralbereich.

Experimente zeigen, dai3 die Lumineszenz stark vom Gehalt der porosen Schicht an Wasserstoff und Sauerstoff abhangt. Sicher- lich reicht es nicht aus, nur den Siliziumkri- stallit zu betrachten, um die Erscheinungen zu verstehen. Die Oberflache der Kristallite spielt eine entscheidende Rolle. Je nachdem, ob sie frei, n i t Sauerstoff belegt oder mit Wasserstoff passiviert ist, ist die Einschlui3be- dingung anders. Auch die Rekombination an Oberflachenzustanden, sei es als Lumines- zenz oder als nichtleuchtender Konkurrenz- prozei3, andert sich. Zur Zeit werden mehrere Modelle diskutiert, die die Lumineszenz der Kristallite und ihre Oberflache beschreiben. Moglicherweise entfallen durch die kleinen Strukturen nichtleuchtende Konkurrenzpro- zesse [14]. Der Abstand zu einem Rekombi- nationszentmm ist gro8er als die Struktur- groi3e; das bedeutet, dai3 in einem Nanokri- stall wahrscheinlich kein Rekombinations- zentrum vorhanden ist. Wenn das Elektron und das Loch in dem Kristallit bleiben, so konnen sie nur optisch rekombinieren. Somit wird durch die kleinen Strukturen die nicht- leuchtende Rekombination unterdriickt. Wichtig scheint der Effekt zu sein, dai3 der Einschlui3 in eine kleine Struktur die beiden moglichen Partner des Rekombinationspro- zesses auf engem Raum zusammenhalt. Quantitative Untersuchungen zur realen Zu- sammensetzung der Schicht sind experimen- tell sehr anspmchsvoll. Da die Kristallite nur einige Atomlagen groi3 sind, werden Sauer- stoff und Wasserstoff sicher auch in ihr Inne- res diffundieren. Sicher Iadt sich zur Zeit nur sagen, daf3 die Lumineszenz in Gebilden ent- steht, die einige hundert bis tausend Atome Silizium und einige hundert Atome Sauer- stoff und Wasserstoff enthalten. Dieses Gebil- de kann ein Nanokristall sein, es kann aber auch ein groi3es Molekiil sein.

Damit kommen wir zur zweiten Theorie uber den physikalischen Ursprung des Lichtes, der Siloxenthese [15]. Diese besagt, dai3 das Sili- zium beim Atzprozei3 in den Poren in Mo-

lekule umstrukturiert wird, die die Lumi- Abb. 9. Bandschema der Elektrolumines- neszenz erzeugen. Dabei handelt es sich um zenz. Die Energie des Elektrons ist gegen Siloxene bzw. deren Derivate. Siloxene sind den Or t aufgetragen. Das Elektron bewegt ringformige Molekiile aus Silizium, Sauer- sich durch Oxidschichten mit groi3em stoff und Wasserstoff. Sie zeigen in der Tat Bandabstand und Nanokristalle mit klei- Lumineszenz, die der des porosen Silizium nerem Bandabstand, in denen die Rekom- ahnlich ist. Auch das Raman- und das Infra- bination und Lumineszenz stattfindet. rotspektrum sind vergleichbar. Ein interes- santer technologischer Aspekt ist die Mog- lichkeit, Siloxene abzuscheiden und damit die Lumineszenzzentren in sehr vie1 konzen- trierterer Form zu erhalten als durch Atzen. Mittlerweile ist es gelungen, eine epitaktisch gewachsene CaSi,-Schicht in lumineszentes Siloxen umzuwandeln [16].

Zur Elektrolumineszenz wurden bisher kaum theoretische Arbeiten durchgefuhrt. Die Ahnlichkeit der Spektren (Abbildung 5) deu- tet darauf hin, dai3 die Wege der Rekombina- tion so ahnlich wie bei der Photolumineszenz verlaufen. Unklar ist dagegen die elektrische Anregung. Moglich erscheint ein Mechanis- mus, bei dem die Elektronen durch eine Oxidschicht mit hoher Energie in einen Kri- stall eintreten. Ein ahnlicher Mechanismus wird auch verwendet, um die Elektrolumi- neszenz von Si-Nanokristallen, die in eine Oxidmatrix eingebettet sind, zu beschreiben

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Lumineszenz in Silizium

[17]. Abbildung 9 zeigt ein Schema der ent- sprechenden Bandstruktur, wobei die Energie der Elektronen gegen die Tiefe z in der Schicht aufgetragen ist. Vom Goldkontakt bis zur mikroporosen Schicht fallt die Spannung U ab, der Unterschied der Energien der Fer- mi-Niveaus ist eU. Das mikroporose Material verhalt sich wegen der groi3en Strukturen wie kristallines Silizium. In den Nanokristallen ist die Bandlucke durch das Quantum Confine- ment groger, im Oxid schliefilich, das ein Iso- lator ist, ist die Bandlucke mit 9 eV sehr groi3.

Dieses Schema entspricht also Kristalliten aus Si, die jeweils von einer Oxidschicht umgeben und somit voneinander getrennt sind. Was passiert, wenn sich ein Elektron, durch ein elektrisches Feld gezogen, durch diese Struk- tur bewegt? Das Elektron macht eine Art Hurdenlauf. Von einem Kristallit zum nach- sten mui3 es entweder durch hinreichende Energie die Barriere uberwinden oder sie durchtunneln. Die Oberkante der Barriere ist durch das elektrische Feld verbogen. Das er- leichtert einerseits die Bewegung der La- dungstrager, weil die zu durchtunnelnde Bar- riere schmaler wird, andererseits bewirkt es, dai3 die Elektronen in den Nanokristall mit hoher Energie eintreten. Der Nanokristall ist ein Potentialtopf zwischen zwei Oxidschich- ten, in den die Elektronen von oben hineinfal- len. In diesem findet dann die Rekombination statt, und ein Photon wird emittiert.

Eine andere Hypothese geht davon aus, dai3 im elektrolumineszenten Material Nano- und Mikrostrukturen gleichzeitig vorhanden sind. Ein solcher Schichtaufbau wird durch die Ra- man-Spektren nahegelegt. Die Struktur ist ein Quantendraht mit wechselndem Durchmes- ser (undulating wire model) oder zeigt Nano- strukturen, die an groi3eren Strukturen ange- wachsen sind, ahnlich wie bei einem Baum Blatitter an Zweigen und diese wiederum an Asten angewachsen sind. Das Elektron be- wegt sich auch in diesem Model1 in einem Hurdenlauf durch Gebiete mit Heinem und groBem Bandabstand, allerdings mui3 man sich jetzt die Rekombination in den Gebieten mit groi3erem Energieabstand denken, da die- se die Nanostrukturen darstellen [18].

Das Langzeitverhalten deutet darauf hin, dai3 bei der Elektrolumineszenz auch chemische Vorghge an den Kristalloberflachen auftre- ten, die die Struktur verandern. Es konnen sich wahrend der Elektrolumineszenz elek- trochemische Vorgange in der Sauerstoff- und Wasserstoffbedeckung der Poren abspielen.

Ausblick

Es ist verbluffend, dai3 ein so gut bekanntes Material wie Silizium noch unbekannte Er- scheinungsformen und Eigenschaften auf- weist, die zu neuen Anwendungen fiihren konnen. Poroses Silizium ist ein effektives Material fur Photolumineszenz. Die Elektro- lumineszenz steckt derzeit noch in den Kin- derschuhen, sieht aber vielversprechend aus.

Zum Zeitpunkt der Drucklegung gibt es eini- ge neue Ergebnisse, die wir kurz beschreiben wollen. Wie haben mittlerweile eine zweite Generation von Leuchtelementen hergestellt. Diese haben im aktiven lumineszenten Be- reich einen p-n-Ubergang, der durch Ionen- implantation erzeugt wird. Die Elektrolumi- neszenz wird dadurch wesentlich effektiver, der Quantenwirkungsgrad betragt Wenn eine Spannung von 2 V angelegt wird, kann man das Licht messen, bei 5 V ist es im dunklen Labor mit bloaem Auge sichtbar, bei 25 V selbst noch bei Raumlicht.

Literatur

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Dr. Walter Lang, Physikstudium an der Uni- versitat Munchen, Promotion zum Dr. Ing. an der TU Munchen. Seit 1987 am IFT, Leiter der Arbeitsgruppe ,,Physikalische Sensoren". Derzeitige Arbeitsgebiete sind physikalische, spezielle thermische Sensoren, surface micro- machining und poroses Silizium.

Dip1.-Phys. Peter Steiner (links), Physikstu- dium an der TU Munchen, am IFT Arbeiten uber Mikromechanische Anwendung von porosem Silizium und Elektrolumineszenz.

Dip1.-Phys. Frank Kozlowski (rechts), Phy- sikstudium an der TU Munchen, am IFT Arbeiten uber poroses Silizium und surface micromachining.

Anschrift: Fraunhofer-Institut fur Festkorpertechnolo- gie, Hansastr. 27d, W-8000 Munchen 21.

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