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Machbarkeitsstudie für ein Forschungsprojekt zu Störfallbeurteilungswerten für kanzerogene Stoffe Endbericht Forschungs- und Beratungsinstitut Gefahrstoffe, FoBiG GmbH Werderring 16 79098 Freiburg i. Br. Bearbeitung: Dr. Fritz Kalberlah Dr. Martin Hassauer Im Auftrag des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen (LUA) März 2002 (mit Nachträgen vom Mai 2002)

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Machbarkeitsstudie für ein Forschungsprojekt zu

Störfallbeurteilungswerten für kanzerogene Stoffe

Endbericht

Forschungs- und Beratungsinstitut Gefahrstoffe, FoBiG GmbHWerderring 16

79098 Freiburg i. Br.

Bearbeitung:Dr. Fritz Kalberlah

Dr. Martin Hassauer

Im Auftrag des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen (LUA)

März 2002 (mit Nachträgen vom Mai 2002)

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Inhaltsübersicht

0 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2 Grundsätzliche Bedeutung krebserzeugender Effekte nach

Einmalexposition: Ergebnis einer Literaturauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3 Regulative Ansätze zur Berücksichtigung der krebserzeugenden Wirkung

nach Kurzzeitexposition (z.B. Einmalkanzerogenität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.1.1 Haber´sches Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3.1.2 Maximale Abweichung von der Linearität nach

Kodell et al., 1987 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3.2 Konzeption der amerikanischen Forschungsagentur (NRC) und deren

Anwendung für “Emergency Exposure Guideline Levels“ (EEGL)

und “Short-Term Public Emergency Guidance Levels“ (SPEGL) . . . . . . 15

3.3 Konzeption für die Kurzzeitexposition gegenüber krebserzeugenden

Stoffen im Weltraum (SMAC-Werte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.4 Konzeption für Störfallbeurteilungswerte nach dem AEGL-Konzept . . . 17

3.5 Konzeptionen bei anderen Störfallbeurteilungswerten . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.6 Verwendung von Befunden zur krebserzeugenden Wirkung nach

kürzerer Exposition für Bewertungen des Krebsrisikos nach

Lebenszeitexposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4 Die Gültigkeit linearer Extrapolationen und des Bewertungsansatzes von

Kodell et al. (1987) bei Auswertung von Einzelbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

4.1 ED01-Vergleich mit Stop-Exposure-Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

4.2 Eigene Auswertung: Beispiel 1,3-Butadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

4.3 Mechanistische Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4.4 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

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5 Die Relevanz kanzerogener Effekte nach Einmalexposition im Vergleich

zu nichtbösartiger Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

5.1 Beispiele mit Defaultansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

5.1.1 Dimethylhydrazin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

5.1.2 Ethylenoxid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

5.2 Beispiele mit vorliegenden Daten zur Kanzerogenität nach

Kurzzeitexposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

5.2.1 1,3-Butadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

5.2.2 Hydrazin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

5.2.3 Bis(chlormethyl)ether (BCME) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

5.2.4 Formaldehyd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

5.2.5 Hexamethylphosphoramid (HMPA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

5.2.6 Vinylchlorid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5.3 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

6 Lebensalter und relative Empfindlichkeit gegenüber Kanzerogenen . . . . . . . . . 52

7 Gentoxizitätsdaten als Hinweis auf kanzerogene Potenz nach

Einmalexposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

8 Machbarkeit: Möglichkeiten der Bewertung der kanzerogenen Potenz

nach Einmalexposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

8.1 Methodischer Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

8.2 Umsetzung bei störfallrelevanten Substanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

9 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

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0 Zusammenfassung

Die krebserzeugende Wirkung von Schadstoffen nach Kurzzeitexposition spielt in derregulatorischen Berücksichtigung in der Praxis bisher eine geringe Rolle. In den USAwurde aufbauend auf einem Konzept des National Research Council (NRC, 1993) undKodell et al. (1987) in mehreren Methodikdokumenten der Aspekt der Einmalkanzeroge-nese angesprochen, fand jedoch stoffspezifisch nur im Bereich der Richtwerte für Kurz-zeitexposition im Weltraum (SMAC-Werte) ansatzweise seinen Niederschlag. So wurdedie Methodik bisher insbesondere nicht für die international bedeutenden amerikanischenStörfallbeurteilungswerte (“acute exposure guideline levels“ (AEGL) oder für die ver-wandten “emergency response planning guidelines“ (ERPG)) als verbindliches regula-tives Instrument berücksichtigt. Die Berechnung entsprechender Werte erfolgt dort bisherin Anlehnung an das Konzept des NRC, jedoch unverbindlich und allenfalls zu Ver-gleichszwecken. In Deutschland berücksichtigen Störfallbeurteilungswerte des Verbandesder Chemischen Industrie oder Einsatztoleranzwerte für die Feuerwehr den Endpunkt dermöglichen Kanzerogenität nicht. Z.B. wurde für Vinylchlorid (als möglicherweise relevanterSubstanz mit relativ hoher krebserzeugender Potenz und niedriger sonstiger akuterToxizität) ein Einsatztoleranzwert alleine auf Basis der akuten Wirkung abgeleitet.

Das Konzept des NRC geht davon aus, dass das Lebenszeit-Unit Risk (wie esüblicherweise von der amerikanischen Umweltbehörde EPA berechnet wird) linear aufden betrachteten Kurzzeitraum (z.B. 1 Tag) umgerechnet wird, wobei ein Modifikations-faktor (bis 6) Berücksichtigung finden kann (multiplikative Verknüpfung, bis zu 6facherhöhtes Risiko gegenüber der linearen Umrechnung).

Gegenüber dem Grundmodell des NRC gibt es bei den vorliegenden verwandtenAnsätzen (z.B. SMAC-Werten oder den unverbindlichen Kanzerogenitätsvergleichs-rechnungen bei AEGL-Werten) in einigen Fällen Abwandlungen:

S Toleriertes Risiko: Teilweise ist eindeutig die Höhe des tolerierten Zusatzrisikosfür störfallbedingte Krebserkrankungen mit 1:10.000 festgelegt, teilweise werdenohne Festlegung verschiedene mögliche tolerierte Risiken berechnet (1: 104 bis1:106)

S Abweichung von Linearität: Teilweise ist der oben genannte Modifikationsfaktormit 6 fest vorgegeben, teilweise ist die Auswahl eines Faktors zwischen 2 und 6zur Disposition gestellt

S Zeitraum, auf den Umrechnung bei Kurzzeitexposition erfolgt: Teilweise wird ein kalkuliertes Krebsrisiko auch für 30 Minuten ausgewiesen,teilweise ist die Berechnung erst ab deutlich längeren Zeiträumen (z.B. 8h oder180 Tage) gültig.

Der Modifikationsfaktor wird üblicherweise für die Risikoextrapolation bei Stoffen ge-wählt, deren krebserzeugende Wirkung über einen gentoxischen Mechanismus erfolgt.Für nichtgentoxische Kanzerogene wird in den Konzepten von einer linearen Umrechnung(ohne Modifikationsfaktor) oder von einem Schwellenwert ausgegangen (analog üblicher

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Vorgehensweise bei nichtkanzerogenen Stoffen).

Dem Risikomanager wird nicht mitgeteilt, ob der Schwellenwert für Kanzerogenitätanalog der Schwelle für irreversible Effekte oder analog der Schwelle für tödliche Wirkungeingeordnet werden soll. Somit bleiben die Handlungsoptionen bei Stoffen mit relevanterkrebserzeugender Wirkung nach Einmalexposition offen.

Die Analyse der Beispiele aus Studien des National Toxicology Program NTP (z.B. Hal-mes et al., 2000) zeigt, dass eine lineare Extrapolation in vielen Fällen zu einer Unter-schätzung des Risikos nach kürzerer Expositionsdauer führen würde. Deshalb ist essinnvoll, einen Modifikationsfaktor 6, wie z.B. im Konzept der AEGL-Störfallbeurtei-lungswerte vorgesehen, einzuführen, bei dessen Berücksichtigung das tatsächliche Risikonach kürzerer Expositionszeit besser abgedeckt ist.

Allerdings wurde auch deutlich, dass der Faktor 6, wie ihn Kodell et al. (1987) theoretischbegründen, in der Praxis überschritten werden kann. Dieser Fall tritt bei den Stoffbeispie-len von Halmes et al. bei Vergleich der beobachteten Risiken in subchronischen Studienbzw. in Lebenszeitstudien häufig auf. Die bisherigen Auswertungen hinsichtlich Zielorganund Wirkungsmechanismus brachten keinen klaren Hinweis auf Regeln, wann von derLinearität abgewichen werden muss bzw. wann auch der Faktor 6 unzureichend ist. Es er-scheint auf Basis der vorliegenden Auswertungen somit nicht wahrscheinlich, dass einDefaultwert (wie der oben genannte Faktor 6) toxikologisch gut begründet werden kann:organspezifisch und speziesspezifisch können unterschiedliche Zeitextrapolationenerforderlich sein.

Dies bedeutet, dass zwar ein ähnliches Verfahren - wie im AEGL-Konzept für Störfall-beurteilungswerte vorgeschlagen - vorgesehen werden kann, dass dieses jedoch eher alsKonvention anzusehen wäre und nicht als toxikologisch begründeter Ansatz.

Eine entsprechende Konvention würde zur Reduktion bzw. Vermeidung krebserzeu-gender Risiken beitragen, das entsprechende Risiko wäre jedoch im allgemeinen nichtzu quantifizieren, auch wenn eine Risikoabschätzung für Langzeitexposition vorliegt. Nurwenn stoffspezifische Kenntnisse zur Kanzerogenität nach Kurzzeitexposition und zumMechanismus vorliegen, kann nach derzeitiger Einschätzung eine toxikologisch besserbegründete Risikoschätzung vorgenommen werden.

Die Höhe eines noch zu tolerierenden Risikos wäre durch politisch-/gesellschaftlicheMaßgabe festzulegen. Dies kann nicht von fachwissenschaftlich-toxikologischer Seiteerfolgen. Ob die juristische Definitionsebene der so abgeleiteten Werte einer hinreichendabgesicherten “ernsten Gefahr“ im Sinne der Störfallverordnung genügt, kann angesichtsder dargestellten Unsicherheiten nicht abschließend bewertet werden.

Es wird vorgeschlagen, eventuelles Handeln an dem Vergleich zwischen irreversiblerWirkung (AEGL-2) und Krebsrisiko festzumachen, nicht an dem Vergleich zwischentödlicher Wirkung (AEGL-3) und Krebsrisiko, weil ohnehin mit AEGL-2 weitreichende

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regulative Maßnahmen verbunden sind und weil eine Absenkung des AEGL-3 angesichtsder Unsicherheiten, die mit der Krebsrisikobewertung verbunden sind, unangemessenwäre: die entsprechenden Maßnahmen (z.B. Evakuierung etc.) wären selbst wiederum mitrelevantem Risiko verbunden und müssten mit dem Erfolg gegengewogen werden.

Wie oben angegeben, kann bei vielen krebserzeugenden Stoffen aufgrund mangelnderDaten nur eine sehr ungenaue Standardabschätzung des Krebsrisikos nach Einmal-exposition erfolgen. In anderen Fällen liegen jedoch stoffspezifische Daten vor, die dieEinbeziehung von zusätzlichem wissenschaftlichen Input bei dieser Abschätzungerlauben. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde deshalb geprüft, ob hinsichtlich derin einer Prioritätsliste des Landes Nordrhein-Westfalen genannten Substanzen qualifi-zierte Daten vorliegen, die eine verbesserte Krebsrisikoabschätzung für das Störfallsze-nario ermöglichen. Insbesondere waren hierfür Ergebnisse aus Kanzerogenitätsstudienmit Kurzzeitexposition und/oder aus Mechanismusstudien zur krebserzeugenden Wirkungrelevant. Auf dieser Basis zeigt sich, dass bei einigen Stoffen Detailbetrachtungen zueiner wissenschaftlich befriedigenderen Risikoquantifizierung führen können.

Stoff EU-Kategorie fürKanzerogenität

Detailbetrachtung sinnvoll ?

1,2-Dibrom-3-chlorpropan 2 nein

1,2-Dibromethan 2 nein

Benzotrichlorid 2 ja

Diethylsulfat 2 ja

Dimethylsulfat 2 ja

Ethylenoxid 2 nein

Formaldehyd 3 ja

Hydrazin 2 ja

Propylenoxid 2 nein

Vinylchlorid 1 (ja)

(Ja): Detailbewertung erfolgt innerhalb von Projekt des Umweltbundesamts

Freiburg, 28. März und 23. Mai, 2002

Dr. Fritz Kalberlah, FoBiG GmbH

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1 Hintergrund

Das Landesumweltamt NRW prüft, ob es sinnvoll ist, ein Forschungsprojekt zur Ermittlungvon Störfallbeurteilungswerten für kanzerogene Stoffe durchzuführen (Machbar-keitsstudie). Diese Beurteilungswerte sind gedacht für die Bewertung von Stofffreiset-zungen aus Anlagen, die der Störfall-Verordnung unterliegen. Sie sollen ein Abgren-zungskriterium der „ernsten Gefahr“ nach Störfall-Verordnung (vgl. Kasten) darstellen.

Der Begriff der “ernsten Gefahr“ nach Störfallverordnung

Eine “ernste Gefahr“ ist eine Gefahr, bei der a) das Leben von Menschen bedroht wird oder schwerwiegendeGesundheitsbeeinträchtigungen von Menschen zu befürchten sind, b) die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen beeinträchtigt werden kannoder c) die Umwelt, insbesondere Tiere und Pflanzen, der Boden, das Wasser, dieAtmosphäre sowie Kultur- oder sonstige Sachgüter geschädigt werden können,falls durch eine Veränderung ihres Bestandes oder ihrer Nutzbarkeit dasGemeinwohl beeinträchtigt würde.

Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ; 12. BImSchV: Störfall-Verordnung in der Fassung vom 26. April 2000 (BGBl. I Nr. 19 vom 02.05.2000 S. 603)

Zur Zeit gibt es lediglich Störfallbeurteilungswerte, die auf der akuten Toxizität der Stoffenach Kurzzeitexposition basieren. Dabei werden verzögert eintretende Effekte imallgemeinen nicht erfasst, insbesondere nicht solche Effekte, die möglicherweise erstnach Jahren sichtbar werden. Grundsätzlich wäre das Auftreten von Krebs infolge einerKurzzeitexposition gegenüber einem Kanzerogen ein solcher Effekt; ein entsprechenderhöhtes Risiko entspräche der Definition einer “ernsten Gefahr“.

Aus tierexperimentellen Studien ist bekannt, dass bei einigen Stoffen auch nach Einmal-exposition kanzerogene Effekte auftreten können. Es ist zu erwarten, dass bei weit mehrStoffen ein krebserzeugendes Potenzial auch nach Kurzzeitexposition besteht, wobei fürdiese Fälle die Potenz (Risikohöhe) von entscheidender Bedeutung für dieRegulationsrelevanz ist.

Für Freisetzungen krebserzeugender oder krebsverdächtiger Stoffe sollen deshalb -unabhängig von akut toxischen Wirkungen - die kanzerogenen Wirkungen auf denMenschen bei einmaliger Exposition beurteilt werden.

Dazu soll ein Modell verwendet werden, das das Ermitteln von Konzentrationen ermög-licht, bei deren Unterschreiten keine ernste Gefahr im Sinne der Störfall-Verordnungbesteht.

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Zunächst soll jedoch in der Machbarkeitsstudie geklärt werden, ob ein solches Projektsinnvoll und durchführbar ist. Diese Machbarkeitsstudie wurde auf Basis eines Angebotsdes Forschungs- und Beratungsinstituts Gefahrstoffe (FoBiG) GmbH vom 15.9.2001 am17.10.2001 beauftragt.

Es ist zunächst zu dokumentieren,

S inwieweit dem Problem Relevanz zuzuordnen ist,

S welche regulativen Ansätze bisher zur Berücksichtigung der Fragestellungvorliegen,

S ob diese bereits als adäquat zu bezeichnen sind.

Die Darstellung ist durch Beispiele zu erläutern und Schlussfolgerungen für die möglicheUmsetzung bei Einzelstoffbewertungen zu ziehen.

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2 Grundsätzliche Bedeutung krebserzeugender Effekte nach Einmalexpo-sition: Ergebnis einer Literaturauswertung

Es liegt eine ausführliche Veröffentlichung von Calabrese und Blain (1999) vor, die aufder Auswertung von ca. 5500 Studien zur Frage der Kurzzeit- oder Einmalkanzerogeneseberuht. Aus dieser umfassenden und bisher einmaligen Analyse ergibt sich:

# Bei 426 Stoffen wurde eine positive Reaktion (Hinweise auf krebserzeugendeWirkung nach Einmalexposition) gefunden.

# Diese Stoffe entstammen einer Vielzahl von chemischen Klassen (vgl. Tabelle 2-1), sind also nicht durch eine spezifische Gruppe alleine bestimmt.

# Die krebserzeugende Wirkung wurde nicht nur in einzelnen besonders empfind-lichen Tierstämmen vorgefunden, sondern zeigte sich in mehreren Tierspezies und-stämmen. Positive Testergebnisse lagen u.a. in 464 Mäusestudien, in 141Rattenstudien, 20 Hamsterstudien, 3 Primatenstudien vor.

# Der Dosisbereich, bei dem diese Neubildungen beobachtet wurden, lag häufiger(in Veröffentlichung nicht quantifiziert) deutlich unterhalb des letalen Bereichs(LD50).

Tabelle 2-1: Chemische Verbindungen und Anzahl positiv befundener Chemikalieninnerhalb der jeweiligen Gruppe

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe 67Anorganische Substanzen 49Nitrosamine 35Ether 17Amide, Fasern/Mineralfasern 16Polymere 15Halogenierte Kohlenwasserstoffe, Phenol 14Aromatische Amine, Azoverbindungen, Heterozyklische Verbindungen 13Alkohol, organische Säuren 10Hydrazin, Nitrosoharnstoff, Triazin 7Nitroverbindungen 6Aldehyde, Tetracyclische Zytostatika, Carbamate, Ester, Ketone, Steroide 5Alkaloide, Epoxide 4Amine, Azoxyverbindungen, Mycotoxine, Radionuklide, Sulfatester 3Glutaminsäurepyrrolysate, Sulfide, Sulfonate 2Coumarin, Zyklisches Sulton, Imide, Lakton, Nitrile, Organometallverbindungen, Polybromierte Biphenyle, Pyrrolizidine,Sulfonsäure, Thiol 1Verschiedene 18

Quelle: Calabrese and Blain, 1999

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Die Beurteilung der Relevanz dieser Befunde wird dadurch eingeschränkt, dass dieBeobachtungen nur selten sich auf den (störfallrelevanten) Inhalationspfad bezogen,sondern in aller Regel nach Injektion, seltener nach Schlundsondenapplikation oder nachdermaler Aufbringung erfolgten.

Unabhängig von Calabrese und Blain (1999) konnte in eigenen Erhebungen jedoch fürfolgende Substanzen nach Einmal- oder Kurzzeitexposition (wenige Tage) ein Hinweisauf kanzerogene Effekte bei Inhalation gefunden werden:

S Bis(Chlormethyl)ether S 1,3-Butadien S FormaldehydS HydrazinS HexamethylphosphoramidS Vinylchlorid

Es ist demnach anzunehmen, dass krebserzeugende Wirkung nach Kurzzeitinhalationauch bei weiteren Substanzen zu finden wäre; Testergebnisse mit ausreichender Nach-beobachtungszeit liegen im allgemeinen nicht vor.

Sofern andere Applikationspfade (insbesondere Injektion) verwendet wurden, kann daskanzerogene Potenzial nach Einmalapplikation (in möglicherweise irrelevant hohenDosen) bestätigt werden; die hier interessierende krebserzeugende Potenz (Wirkstärke)kann daraus nur in wenigen Fällen errechnet werden.

Da keine Literaturzitate in der Auswertung von Calabrese und Blain (1999) explizit ge-nannt werden, ist eine Rückverfolgung der Datenbasis nicht ohne umfangreiche Eigen-erhebungen möglich. Insbesondere ist unklar, inwieweit dort weitere Daten zur Kanzero-genität nach inhalativer Aufnahme vorliegen.

Die frühkindliche Phase ist möglicherweise besonders empfindlich für krebserzeugendeWirkung bei einigen kanzerogenen Mechanismen. Konkrete Hinweise ergeben sichhierfür z.B. bei Vinylchlorid nach Inhalation (vgl. auch Schneider, 1999). Aber auch Cala-brese und Blain (1999) verweisen für Bis-(2-Hydroxypropyl)nitrosamin, Bis(Chlormethyl)-ether, Methylnitrosoharnstoff, Butylnitrosoharnstoff, 1-Naphthylamin, Safrol darauf, dassbei diesen Substanzen wohl beim neonaten Tier, nicht jedoch beim erwachsenen Tiernach Einmalexposition Krebs beobachtet worden sei.

Direkte Evidenz krebserzeugender Wirkung nach Einmalexposition beim Menschen liegtauf Basis der Studie von Calabrese und Blain (1999) nicht vor. Kausale Zusammenhängedürften jedoch aufgrund der methodischen Schwierigkeiten, geeignete epidemiologischeStudien durchzuführen, nur äußerst selten herzustellen sein. Calabrese und Blainverweisen auf Verdachtsmomente bei Expositionsdauern unterhalb von 1 Jahr z.B. beiExposition gegenüber Benzol, Beryllium, Arsen, Diethylstilbestrol.

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Fazit: Die Dokumentation legt demnach nahe, dass auch störfallrelevante Substanzennach inhalativer Einmalexposition zu krebserzeugenden Effekten führen können. Aus denhier zusammengefassten Befunden und den quantitativen Betrachtungen (vgl. Abschnitte4,5) erscheint die Durchführung der Machbarkeitsstudie vordringlich.

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3 Regulative Ansätze zur Berücksichtigung der krebserzeugenden Wirkungnach Kurzzeitexposition (z.B. Einmalkanzerogenität)

3.1 Grundlagen

Die Wirkstärke bei krebserzeugenden Effekten im Tierversuch wird im Allgemeinen aufBasis der Dosis-Wirkungsbeziehung (z.B. Anzahl der betroffenen tumortragenden Tierebei verschiedenen verabreichten Dosen) nach lebenslanger Exposition ermittelt.

Ausgehend von der Dosis-/Wirkungsbeziehung für beobachtete kanzerogene Effekte wirddie Risikobewertung im Allgemeinen über zwei (alternative oder sich ergänzende)Verfahren durchgeführt:

(1) Es wird das unit-risk berechnet. Unter “unit risk“ ist das geschätzte zusätz-liche Risiko zu verstehen, dass eine Erkrankung durch Krebs eintritt, wenneine dauernde inhalative Exposition gegenüber dem Gefahrstoff überLebenszeit (70 Jahre) in Höhe von 1 µg/m3 besteht. Bei oraler Expositionbedeutet das unit risk analog das Risiko bei einer Aufnahme von 1 µg desGefahrstoffs pro Liter Wasser.

Während sich das unit risk streng genommen auf die Konzentration desSchadstoffs im Umweltmedium bezieht (µg/m3 bzw. µg/l), wird das auf dieKörperdosis bezogene Risiko mit dem sogenannten “slope-factor“gekennzeichnet. Dieser hat die Einheit: [mg/kg " d].

(2) Es wird die Dosis abgeschätzt, bei der im Tierexperiment nach lebens-langer Expositionsdauer 25% zusätzliche Tumorinzidenz gegenüber derKontrollgruppe zu beobachten wären. Mit diesem Eckpunkt wird dann dasRisiko für den Menschen mit einem “Margin of Safety“ eingeordnet (EC,1999). Das entsprechende Konzept wird verkürzt auch als “T25-Methode“bezeichnet.

Zur T25-Methode gibt es geeignete Alternativen (z.B. das LED10-Verfahren der EPA;EPA, 1999), die jedoch in dem vorliegenden Bericht nicht genutzt werden und deshalbnicht näher zu referieren sind.

Während für die Berechnung des T25 im Wesentlichen eine einfache Dreisatzrechnungausreicht, wird für das unit risk über eine Modellierung die Dosis-/Wirkungsbeziehunggenauer erfasst, wobei dann eine Extrapolation in den humanrelevanten niedrigerenDosisbereich erfolgt. Die Modellierung erfolgt meist mit dem “multistage“-Modell, einemmathematischen Polynom, das für die einzelnen Stufen des Kanzerogeneseprozessessteht, das jedoch keine direkte biologische Modellierung darstellt.

Sofern keine lebenslange Exposition bestand, wird auf diese längere Dauer meist übereinen linearen Ansatz (Haber´sches Gesetz) hochgerechnet. Das Haber´sche Gesetz ist

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aber auch die Basis für die Umrechnung des Risikos von längeren auf kürzere Zeiträumeund ist deshalb im folgenden knapp zu charakterisieren.

Ein wichtiger Ansatz zur Extrapolation des Krebsrisikos von längeren auf kürzere Zeit-räume versucht, die maximalen Abweichungen von den linearen Zusammenhängen nachdem Haber´schen Gesetz unter Einbezug des “multistage“-Modells der Kanzerogeneseabzuschätzen (Kodell et al., 1987). Das entsprechende Ergebnis ist demnach ebenfallsim folgenden zusammenfassend darzustellen.

3.1.1 Haber´sches Gesetz

Die Aussage von Habers Gesetz lautet, dass bei Einwirkung einer Substanz das Produktaus Dosis und Zeiteinwirkung („area under curve“, AUC) als kumulative Größe in derWirkung konstant ist. Demnach ist anzunehmen, dass die Wirkung einer Dosis von 1mg/d, über 200 d gegeben, gleich der Wirkung einer einmaligen Dosis von 200 mg/d ist.

C x t = konstant

Diese Regel wurde ursprünglich für Kurzzeitexposition auf Basis empirischer Daten ent-wickelt, gilt in einigen Fällen aber auch annäherungsweise für Langzeitbelastung. Die Gül-tigkeit für krebserzeugende Stoffe in der gesamten Spanne von der Einmal- bis zur Le-benszeitexposition ist nicht belegt, wird aber oft als Ausgangsbasis (“lineare Umrech-nung“) für Abschätzungen des Risikos bei unterschiedlicher Expositionsdauerherangezogen.

Grundsätzlich hat sich auch für kurzfristige Exposition gezeigt, dass das unveränderteHaber´sche Gesetz nicht für alle Stoffe und/oder nicht für alle Dosis- und ZeitbereicheGültigkeit besitzt. So wird für Störfallbeurteilungswerte nach dem AEGL-Konzept dieallgemeinere Relation Cn x t = konstant, mit n = 0,8 - 3,5 in Abhängigkeit vom Stoff,herangezogen (siehe ausführlicher in NRC, 2001).

Der prinzipielle Zusammenhang ist in Abbildung 3-1 verdeutlicht.

Lineare oder relativ unveränderte Wirkung ist gegeben, wenn z.B. die Dosis bei halberExpositionsdauer doppelt so hoch ist als in der ursprünglichen Studie, bei 25 % Expo-sitionsdauer 4-fach so hoch usw. (C x t = konstant).

Wenn im obigen Beispiel die Dosis bei halber Expositionsdauer < 200 % der ursprüng-lichen ist, und kleiner 400 % bei einem Viertel der ursprünglichen Expositionsdauer usw.,bedeutet bei der Reduzierung der Wirkdosen eine relative Wirkungsverstärkung beiverkürzter Expositionsdauer, im folgenden häufig kurz nur als Wirkungsverstärkungbezeichnet.

Wenn nach der Hälfte der ursprünglichen Expositionszeit die Wirkungsdosis > 200 % derursprünglichen ist usw., bedeutet dies entsprechend eine relative Wirkungsab-

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schwächung bei verkürzter Expositionsdauer, im folgenden häufig kurz nur alsWirkungsabschwächung bezeichnet.

Abbildung 3-1: Wirkungsverstärkung und -abschwächung mit abnehmenderExpositionsdauer

3.1.2 Maximale Abweichung von der Linearität nach Kodell et al., 1987

Kodell et al. (1987) gingen von der Annahme aus, dass die kanzerogene Wirkung einerSubstanz nicht auf ein einziges Ereignis zurückgeht, sondern einen Prozess mit mehrerenStufen darstellt, wobei diese Substanz bei einem (ggf. auch mehreren) Schritt(en) amEntstehungsprozess der bösartigen Erkrankung beteiligt ist (Multistage-Modell). Aus dermathematischen Modellierung ergibt sich, dass eine Kurzzeiteinwirkung in frühen Stadiender Kanzerogenese dann einen stärkeren Einfluss auf die kanzerogene Wirkung (=Risiko) hat als eine Einwirkung in späten Stadien, wenn eine Substanz betrachtet wird,die einen frühen Schritt der Kanzerogenese bewirkt. Umgekehrt gilt dies für Substanzen,die späte Schritte des Kanzerogeneseprozesses bewirken.

Es wird nun folgende Situation betrachtet:

S eine Dosis D über die gesamte Lebenszeit gegeben bewirkt ein Risiko R

S eine Dosis d wirkt über einen begrenzten Zeitraum f ein und verursacht ein Risikor

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Aus dem Multistage-Modell ergibt sich für Einwirkung über eine begrenzte Zeitdauerfolgendes:

Bei konstantem Wert der Produkte (d x f) und (D x Lebenszeit) kann das Risiko r maximaldas k-fache des Risikos R betragen, wobei k die Anzahl der Schritte des Multistage-Modells ist

r # k x R

Die zugrunde liegenden Annahmen sind hierbei folgende: die kanzerogene Substanzbeeinflusst nur einen einzigen Schritt, für jeden einzelnen Schritt gilt Habers Gesetz. NachKodell et al. (1987) sind 2 - 6 Stufen im Multistage-Modell plausibel.

Unter konservativer (vorsichtiger) Vorgehensweise ist also nach Kodell et al. (1987) zurAbschätzung gleicher Risiken bei unterschiedlicher Einwirkungsdauer die linear aus derLangzeitdosis extrapolierte Kurzzeitdosis durch 6 zu dividieren.

3.2 Konzeption der amerikanischen Forschungsagentur (NRC) und derenAnwendung für “Emergency Exposure Guideline Levels“ (EEGL) und“Short-Term Public Emergency Guidance Levels“ (SPEGL)

Die Sorge um eine mögliche krebserzeugende Wirkung nach Kurzzeitexposition berück-sichtigte toxikologische Überlegungen a) zur Vergleichbarkeit kumulierter Dosen, b) zurmöglichen Abweichung von diesem Prinzip, wie sie von Kodell et al. (1987) quantifiziertwerden und führte zu verschiedenen regulativen Ansätzen:

Das Konzept der Störfallwerte für Militärpersonal (Emergency Exposure Guideline Levels,EEGLs) und für die Allgemeinbevölkerung (Short-Term Public Emergency GuidanceLevels, SPEGL) wurde im Rahmen der Aufstellung von „Community Emergency ExposureLevels“ (CEELs) durch das Committee on Toxicology (COT) des National ResearchCouncil der USA (NRC, 1993) entwickelt.

Die Werte basieren auf folgenden Grundlagen:

S Autor NRC (1993)

S Basis Lebenszeitrisiko linearisiertes Multistage-Modell (LMS),unit risk-Werte

S toleriertes Risiko (Kurzzeit) 10-4 - 10-6

S Bezugsdauer der Werte 1 - 24 h

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S Extrapolation der Wirkdosisauf Kurzzeit nach Kodell et al. (1987), unter Berücksichti-

gung eines Faktors 2 - 6

S Aussage zu Wirkungs-mechanismen Multistage-Mechanismus anzunehmen, wenn

nicht anderer Mechanismus gezeigt

S Bemerkung bei gleichzeitigen Wirkungen mit und ohneSchwellenwert ist auch die Ableitung fürSchwellenwerteffekte zu prüfen

S Beispiele Hydrazin, Methylhydrazin, Dimethylhydrazin(nicht für z.B. Benzol, Ethylenoxid, hier Basisandere Effekte)

3.3 Konzeption für die Kurzzeitexposition gegenüber krebserzeugendenStoffen im Weltraum (SMAC-Werte)

S Autor James und Gardner, 1996 und Bericht in NRC(2001)Vorgehensweise angelehnt an NRC

S Basis Lebenszeitrisiko LMS, unit risk-Werte

S toleriertes Risiko (Kurzzeit) 10-4

S Bezugsdauer der Werte 1 h bis 180 d (für 1 -24 h üblicherweise ohnedas Auftreten ernster oder irreversiblerEffekte)

S Extrapolation der Wirkdosisauf Kurzzeit nach Kodell et al. (1987) unter Berücksichti-

gung eines Faktors 2 - 6

S Aussage zu Wirkungs-mechanismen Annahme von Multistage-Mechanismus, wenn

nicht anderer Mechanismus gezeigt AdditiveWirkung von Strahlung berücksichtigt (s.Beispiel)

S Bemerkung bei gleichzeitigen Wirkungen mit und ohneSchwellenwert ist auch die Ableitung fürSchwellenwerteffekte zu prüfen

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S Beispiele nach NRC (2001): 10 kanzerogene Substan-zen für Zeiträume 1, 7, 30 und 180 d, nur 1Substanz für Zeitraum < 24 h (nicht spezifiziert)

Tabelle 3-1: Beispiel Benzol (James und Gardner, 1996)

Risikoextrapolation Ausgangspunkt epidemiologische Daten zurLeukämie, Verfahren der Extrapolation nicht näherausgeführt (s.o.)

für 180 d kontinuierliche Exposition

Bemerkung Für Exposition < 180 d wurden nichtkanzerogeneWirkungen als Ableitungsbasis verwendet

Risikoniveau von 10-4 ent-spricht bei 180 d Exposition

0,2 - 2,2 ppm Luftkonzentration, niedrigster Wertals Basis des weiteren Vorgehens gewählt

Berücksichtigung des „SpaceRadiation Factor“

3 für additive Wirkung von Strahlung auf dieLeukämieentstehung

SMAC, 180 d0,2 ppm : 3 =

0,07 ppm

3.4 Konzeption für Störfallbeurteilungswerte nach dem AEGL-Konzept

S Autor National Advisory Committee for AcuteExposure Guidance Levels for HazardousSubstances (NAC/AEGL), in NRC (2001)

S Basis Lebenszeitrisiko LMS, unit risk-Werte der U.S. EPA (IRIS)

S toleriertes Risiko (Kurzzeit): 10-4 oder weniger

S Bezugsdauer der Werte 30 min - 8 h

S Extrapolation der Wirkdosisauf Kurzzeit nach Kodell et al. (1987) Berücksichtigung

eines Faktors von 6, wenn nicht andere Faktendagegen sprechen

S Aussage zu Wirkungs-mechanismen gentoxische Substanzen und solche mit

unbekanntem Mechanismus

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S Beispiele 1,1-Dimethylhydrazin (siehe Abschnitt 5.1.1)

S Bemerkungen 1. Risikoniveau soll einem Zusatzrisiko nahe Null beiüblichem Störfall entsprechen2. Die Berechnung der krebserzeugenden Potenz wird zwarangestellt, jedoch parallel zum eigentlichen AEGL-Wert, derweiterhin auf Basis der nichtbösartigen Wirkung abgeleitetwird, während die Angaben zum Krebsrisiko bisher keineverbindlichen regulativen Folgen haben3. Es ist entsprechend nicht eindeutig angegeben, welcherVergleich als Maßstab regulativen Handeln als am geeigne-tsten angesehen wird: soll das ausgewiesene Krebsrisiko inVerhältnis zu einem Schwellenwert für irreversible Effekte(AEGL-2) oder einem Schwellenwert für tödliche Wirkung(AEGL-3) eingeordnet werden?

3.5 Konzeptionen bei anderen Störfallbeurteilungswerten

Bei anderen Störfallbeurteilungswerten wurde das Risiko für krebserzeugende Wirkungzwar jeweils diskutiert, jedoch - zumindest für die uns vorliegenden Beispiele - nichtquantitativ im Bewertungsansatz berücksichtigt.

Die Emergency Response Planning Guideline-Werte (ERPG-Werte) der AmericanIndustrial Hygiene Association (AIHA, 1992; 1996) gliedern sich in

S ERPG 1 (maximale tolerable Konzentration, unterhalb derer praktisch alle Indivi-duen bei Exposition bis zu einer Stunde keine Effekte außer leichten transientenadversen Effekten oder Geruchswahrnehmung zeigen)

S ERPG 2 (maximale tolerable Konzentration, unterhalb derer praktisch alle Indivi-duen bei Exposition bis zu einer Stunde keine irreversiblen oder andere schwereEffekte zeigen oder entwickeln...)

S ERPG 3 (maximale tolerable Konzentration, unterhalb derer praktisch alle Indi-viduen bei Exposition bis zu einer Stunde keine (akuten) lebensbedrohlichenEffekte zeigen oder entwickeln)

Bei der Ableitung der ERPG wird ggf. auch das kanzerogene Risiko überprüft. Die Auto-ren übernehmen jeweils die Risikoabschätzungen des NRC. In Gesamtbetrachtung derDatenlage treten aber beispielweise bei 1,3-Butadien und Benzol andere Endpunkte inden Vordergrund, die Abschätzung des kanzerogenen Risikos dient lediglich derPlausibilitätsprüfung.

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3.6 Verwendung von Befunden zur krebserzeugenden Wirkung nach kürzererExposition für Bewertungen des Krebsrisikos nach Lebenszeitexposition

In der Entwurfsfassung der EU (EC, 1999; EC, o.J.) wird das T25-Konzept zur Risiko-bewertung diskutiert. Dabei basiert die Bewertung auf Lebenszeitexposition. Sollte diesenicht vorliegen, so soll eine lineare Umrechnung von kürzere auf längere Expositionsdauer(analog Haber´schem Gesetz) erfolgen. Als Mindestexpositionsdauer zur Anwendungdieses Ansatzes gilt ein Viertel der Lebenszeit.

Dieses Vorgehen ist demnach nicht zur Extrapolation auf kurze Expositionszeiträumegedacht, empfiehlt jedoch die gleiche Umrechnungssystematik. In Fällen, wo die Konzen-tration einen höheren Einfluss auf das Risiko hat als die Zeit oder wo die frühen Entwick-lungsphasen einen höheren Einfluss auf das Lebenszeitrisiko haben als die späten, stelltdiese Herangehensweise einen konservativen Ansatz dar.

3.7 Zusammenfassung

Die krebserzeugende Wirkung von Schadstoffen nach Kurzzeitexposition spielt in der re-gulatorischen Berücksichtigung in der Praxis bisher eine geringe Rolle. In den USA wurdeaufbauend auf einem Konzept des National Research Council (NRC, 1993) und Kodell etal. (1987) in mehreren Methodikdokumenten der Aspekt der Einmalkanzerogenese ange-sprochen, dies fand jedoch stoffspezifisch nur im Bereich der Richtwerte für Kurzzeit-exposition im Weltraum (SMAC-Werte) ansatzweise seinen Niederschlag. So wurde dieMethodik bisher insbesondere nicht für AEGL-Werte oder ERPG-Werte als verbindlichesregulatives Instrument berücksichtigt. Die Berechnung entsprechender Werte erfolgtbisher unverbindlich und allenfalls zu Vergleichszwecken. Störfallbeurteilungswerte desVerbandes der Chemischen Industrie (VCI, o.J.) oder die Einsatztoleranzwerte (Greim,1995/96) berücksichtigen den Endpunkt der möglichen Kanzerogenität nicht. Z.B. wird fürVinylchlorid (als möglicherweise relevanter Substanz mit relativ hoher krebserzeugenderPotenz und niedriger sonstiger akuter Toxizität) ein Einsatztoleranzwert alleine auf Basisder akuten Wirkung abgeleitet (Greim, 1995/96).

Das Konzept des NRC geht davon aus, dass das Lebenszeit-Unit Risk (wie es üblicher-weise von der amerikanischen Umweltbehörde EPA berechnet wird) linear auf den be-trachteten Kurzzeitraum (z.B. 1 Tag) umgerechnet wird, wobei ein Modifikationsfaktor (bis6) Berücksichtigung finden kann (multiplikative Verknüpfung, bis zu 6fach erhöhtes Risikogegenüber der linearen Umrechnung).

Gegenüber dem Grundmodell des NRC gibt es bei den vorliegenden verwandten Ansät-zen (vgl. Abschnitt 3.2 bis 3.5) in einigen Fällen Abwandlungen:

S Toleriertes Risiko: Teilweise ist eindeutig die Höhe des tolerierten Zusatzrisikosfür störfallbedingte Krebserkrankungen mit 1:10.000 festgelegt, teilweise werdenohne Festlegung verschiedene mögliche tolerierte Risiken berechnet (1: 104 bis1:106)

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S Abweichung von Linearität: Teilweise ist der oben genannte Modifikationsfaktormit 6 fest vorgegeben, teilweise ist die Auswahl eines Faktors zwischen 2 und 6zur Disposition gestellt

S Zeitraum, auf den Umrechnung bei Kurzzeitexposition erfolgt: Teilweise wird ein kalkuliertes Krebsrisiko auch für 30 Minuten ausgewiesen,teilweise ist die Berechnung erst ab deutlich längeren Zeiträumen (z.B. 8h oder180 Tage) gültig.

Es handelt sich nicht um unabhängige methodische Ansätze zur Berücksichtigung derEinmalkanzerogenese, so dass die große Ähnlichkeit der Herangehensweise nichtverwunderlich ist.

Für nichtgentoxische Substanzen wird in den Konzepten von einer linearen Umrechnung(ohne Modifikationsfaktor) ausgegangen oder von einem Schwellenwert (analog üblicherVorgehensweise bei nichtkanzerogenen Stoffen). Es wird nicht offen gelegt, ob derSchwellenwert für Kanzerogenität üblicherweise analog AEGL-2 oder analog AEGL-3(vgl. Abschnitt 3.4) Anwendung finden soll.

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4 Die Gültigkeit linearer Extrapolationen und des Bewertungsansatzes vonKodell et al. (1987) bei Auswertung von Einzelbeispielen

Es gibt nur wenige aufbereitete Daten zur Kanzerogenese nach Einmalexposition, dieeine Überprüfung der in Abschnitt 3 vorgestellten methodischen Ansätze erlaubenwürden.

Es liegen jedoch einige Kanzerogenese-Studien aus dem National Toxicology Program(NTP) vor, bei denen a) eine Lebenszeitexposition ausgewertet wurde, b) sogenannte“Stop“-Exposures erfolgten. Bei diesen “Stop-“ Exposures wurde über eine kürzere Dauer(z.B. 3 Monate, 6 Monate) exponiert; dann folgte eine Nachbeobachtung der Versuchs-tiere bis zum Lebensende, die es ermöglichte, auch spät auftretende bösartige Erkran-kungen nach subakuter bzw. subchronischer Exposition zu erkennen. Damit können dieStop-Expositionsstudien zwar nicht direkt zur Berechnung des Risikos nachEinmalexposition herangezogen werden, die Daten ermöglichen jedoch die Überprüfungder Frage, ob ein unterstellter linearer Zusammenhang nach dem Haber´schen Gesetzzutrifft und inwieweit die Modifikationsfaktoren (nach Kodell et al., 1987; bis Faktor 6) sichzumindest für die dort untersuchten Zeiträume bestätigen.

4.1 ED01-Vergleich mit Stop-Exposure-Studien (Auswertung von Halmes et al.,2000)

Halmes et al. (2000) führten eine derartige Bewertung mit einigen NTP-Studien durch.Die Autoren untersuchten die Validität dieser Annahme anhand von 11 Substanzen.Die Dosen in den Kurzzeitexperimenten wurden nach Hochrechnung auf diedurchschnittliche Dosis einer 2-Jahresstudie bezüglich ihrer tumorigenen Wirkung mit dentatsächlichen (durchschnittlichen) Dosen der 2-Jahresstudien verglichen.

Potenzvergleich nach 2-Jahres-Exposition und nach Stop-Exposition bei gege-bener Dosis

Insgesamt wurden bei den 11 Substanzen 59 Tumorlokalisationen ausgewertet. Bei derMehrzahl, nämlich bei 6 von 11 Substanzen war bei mindestens einer Tumorlokalisationeine relativ höhere Wirkung in der Dosis in der Kurzzeitstudie zu beobachten als dies aufBasis der Langzeitstudie erwartet wurde, und lediglich bei 2 Substanzen eine geringererelative Wirkung für mindestens eine Lokalisation (siehe Tabelle 4-1).

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Tabelle 4-1: Vergleich der Tumorresponse zwischen Kurzzeit- und Langzeitstudien (aus Halmes et al., 2000)

Significantly different*

Chemical Response(s) in stopexposure > chronic

Response(s) in stopexposure < chronic

Response(s) in stop exposuremixed relative to chronic

No difference

1-Amino-2,4-dibromoanthraquinone 1 4

2,2-Bis(bromomethyl)-1,3-propanediol 12 6

1,3-Butadiene 5 3 5

Coumarin 1

3,4-Dihydrocoumarin 2

Furan 1

Methyleugenol 2 5

o-Nitroanisole 5 2 1

Oxazepam 1

Pentachlorophenol 2

Salicylazosulfapyridine 1

Note. The number of types of tumors found to be significantly elevated after exposure are tabulated for each chemical. Tumor types are categorized based on whether responsesfrom stop-exposure were significantly greater than, significantly less than, or not different from responses predicted by continuous exposure. A mixed response indicates thatresponses for some doses were greater than predicted, while responses for other doses were less than predicted. Doses for stop-exposure experiments were averaged over 104weeks for comparison with continuous (104-week) groups.*Statistical comparison was based on the likelihood-ratio test described by Equations 2 and 3, for which p < 0.1.

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Quantitativer Vergleich: ED01 nach Stop-Exposition bzw. nach Langzeitexpo-sition

Aus den experimentellen Daten wurden weiterhin zu Vergleichszwecken jeweils dieKörperdosen berechnet, die mit einer 1 % Erhöhung der Tumorinzidenz korrelieren(ED01). Für 47 Tumorlokalisationen konnten sinnvolle ED01-Werte für chronische Expo-sition und Stop-Exposure abgeleitet werden. Eine Erniedrigung der ED01-Werte bei ge-meinsamer Auswertung der linear auf gleiche Zeitbasis umgerechneten Datensätze imVergleich zu den Werten ausschließlich auf Basis der chronischen Studien bedeutet nachHalmes et al. (2000) gemäß Abbildung 3-1 eine Wirkungsverstärkung in den Kurz-zeitstudien. Entsprechend lässt eine Erhöhung der ED01 auf eine Wirkungsabschwächungschließen. Bei insgesamt 34 Tumorlokalisationen zeigte sich eine relativeWirkungsverstärkung bei Kurzzeitexposition. Von diesen 34 Datensätzen war bei 24Endpunkten bei Einbeziehung der Kurzzeitdaten eine ED01-Verringerung um den Faktor> 2 zu beobachten, bei 9 um einen Faktor > 10. Eine Erhöhung der ED0 1 bei Ein-beziehung der Kurzzeitwerte d.h. eine relative Wirkungsabschwächung, war lediglich bei4 Datenpunkten zu beobachten, davon bei 2 eine Erhöhung um den Faktor > 2. Bei 21Tumorlokalisationen ergab die Auswertung Veränderungen innerhalb einer Spanne < 2(nicht nach Absenkung oder Anstieg aufgeschlüsselt). Die Daten sind in Tabelle 4-2dargestellt.

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Tabelle 4-2: Veränderungen der ED01 infolge der Einbeziehung der Kurzzeitstudien (aus Halmes et al., 2000)

ED01 decreases ED01 increases

Chemical Positive dose-response onlywhen stop-exposures included

Greater than 2-folddecrease (< 10-fold)a

Stop-exposuresnegate dose-response

Greater than 2-foldincrease (< 10-fold)b

Less than 2-fold change

1-Amino-2,4-dibromoanthraquinone

1(0) 4

2,2-Bis(bromomethyl)-1,3-propanediol

2 12(7) 1 3

1,3-Butadiene 2 8(2) 3

Coumarin 1(0)

3,4-Dihydrocoumarin 2

Furan 1

Methyleugenol 1(0) 1(0) 1

o-Nitroanisole 4 1(0) 1 1(0) 1

Oxazepam 1

Pentachlorophenol 2

Salicylazosulfapyridine 1

Note. Entries are numbers of tumor sites in the NTP studies for which the categorized changes were seen.aEntries in parentheses are the number of experiments with a greater than 10-fold decrease in the ED01bEntries in parentheses are the number of experiments with a greater than 10-fold increase in the ED01

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Weiterhin wurde noch die Zeitspanne bis zum Auftreten eines Tumors in ähnlicher Weiseausgewertet, wobei sich ergab, dass auch in dieser Hinsicht die Kurzzeitexpositionüberwiegend potenter für die Entstehung von Tumoren war als die Langzeitstudien.

Zusammenfassend kommen Halmes et al. (2000) zu der Aussage, dass auf der Basisdieser empirischen Auswertungen in der Mehrzahl der Fälle die lineare Extrapolation vonKrebsrisiken aus Langzeitstudien auf Kurzzeitexposition wahrscheinlicher zu einer Unter-als zu einer Überschätzung des Krebsrisikos führt.

4.2 Eigene Auswertung: Beispiel 1,3-Butadien

Für 1,3-Butadien (NTP-Studien) wurde im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie nach ver-schiedenen Zeiträumen mit Stop-Exposure die jeweils resultierenden T25-Werte(Körperdosen, die mit einer Tumorinzidenz von 25 % korrelieren; vgl. Abschnitt 3.1)errechnet und in Tabelle 4-3 aufgelistet (vgl. auch Abbildung 4-1).

Tabelle 4-3: Entwicklung des T25 in Abhängigkeit von der Expositionsdauer imVergleich zur linearen Extrapolation am Beispiel 1,3-Butadien (Aus-wertung von NTP-Studien)

T25-Vergleich: T25 (lifetime) linear auf verkürzte Dauer rückgerechnet vs. T25 (verkürzte Dauer)

1,3 Butadien Lymphome, männliche Mäuse (inhalativ)

13-Wochen Unterschätzung Faktor 4,1326-Wochen Unterschätzung Faktor 3,7440-Wochen Unterschätzung Faktor 1,05 (nahezu

keine)52-Wochen Überschätzung Faktor 1,92

Die Daten zur Entwicklung der T25-Werte in Abhängigkeit von lebenslanger Expositionund Stop-Exposure-Versuchen mit Butadien zeigten, dass mit abnehmender Expositions-dauer die relative Wirkstärke der Substanz zunimmt (Extrapolation der T25 für lebens-lange Exposition auf 13 Wochen bedingt eine Risikounterschätzung um den Faktor 4).

Es zeigt sich, dass die Wirkung der geringeren als lebenslänglichen Exposition um somehr unterschätzt wird, je kürzer die Expositionsdauer ist. Diese Befunde bestätigensomit für eine umfassendere Datenlage bei Butadien die Plausibilität des bei NRC(2001) zur Anwendung kommenden Faktors 6.

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Abbildung 4-1: T25-Vergleich bei verschiedenen stop-exposure-Studien zu1,3-Butadien (Angaben in der Diagrammfläche sind Wochen; vgl.Tabelle 4-3)

4.3 Mechanistische Differenzierung

Als Ursache der unterschiedlich gerichteten Veränderungen der Potenz bei unterschiedli-cher Expositionsdauer vermuten Halmes et al. (2000) unterschiedliche Wirkmechanismender verschiedenen betrachteten Substanzen. Ausgehend von den Befunden einer älterenInitiations-/Promotionsstudie (Wirkung als Funktion kumulativer Dosis nur beim Initiator,nicht beim Promoter; Boutwell, 1964) formulieren die Autoren die Hypothese, dass beigentoxischen Substanzen eine lineare Beziehung zwischen Expositionsdauer und Wirk-stärke (also linearer Verlauf der Dosis-Zeitkurve, siehe Abbildung 3-1) bestehen sollte.

Die Autoren führten eine Überprüfung dieser Annahme anhand der 11 Verbindungendurch. Als Indikatortestsysteme für gentoxische Wirkung dienten hierbei in vitro der Ames-Test sowie Schwesterchromatidaustausch (SCE) und Chromosomenaberrationen inHamsterzellen, in vivo Mikronukleustest und Maus-Lymphoma-Assay. Die Ergebnissesind in Tabelle 4-4 dargestellt.

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Tabelle 4-4: Gentoxizität der 11 Substanzen (NTP-Studien) (aus Halmes et al.,2000)

Chinese hamster ovary cellassays

In vivo assays

Chemical

Salmonellamutagenicity

assays

Sisterchromatidexchange

Chromoso-mal aberra-

tions

Inductionof micro-

nuclei

Mouselymphoma

assay

1-Amino-2,4-dibromo-anthraquinone

+ + + ND ND

2,2-Bis(bromomethyl)-1,3-propanediol

+/- - + + ND

1,3-Butadiene +/- NDa ND + -

Coumarin +/- + + - ND

3,4-Dihydrocoumarin - + - - ND

Furan - + + ND +

Methyleugenol - + - - ND

o-Nitroanisole + + + ND +

Oxazepam - - - - ND

Pentachlorophenol - + + - ND

Salicylazosulfapyridine - - - + ND

Note. In mutagenicity assays: + is positive in two or more strains; +/- is positive in at least one strain ; - is negativein all strains, both with and without metabolic activation; ND, no data available.a1,3-Butadiene was not tested in Chinese hamster ovary cells, but did induce sister chromatid exchange andchromosomal aberrations in bone marrow cells of mice exposed by inhalation

Es ergab sich folgendes:

S die Verbindungen mit weitgehend linearem Dosis-Zeitkurvenverlauf (vgl. Tab 4-1und 4-2: Dihydrocoumarin, Oxazepam, Salicylazosulfapyridin, evtl.1-Amino-2,4-di-bromanthrachinon, Coumarin) waren nicht überwiegend gentoxisch (vgl. Tabelle 4-4), (gentoxisch -Ames-Test positiv: 1-Amino-2,4-dibromanthrachinon, fraglichgentoxisch -Ames fraglich, in vivo negativ: Coumarin, klastogen bei negativemAmes-Test: Salicylazosulfapyridin, fraglich gentoxisch oder negativ:Dihydrocoumarin, Oxazepam)

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S die Substanzen, die die größten Abweichungen von der Linearität der Dosis-Zeit-beziehung zeigten (Unterschiede > 10 in der relativen Wirkung zwischen Kurzzeit-und Langzeitstudien in mindestens einem Endpunkt, Tabelle 4-2), warenüberwiegend gentoxisch (2,2-Bis(bromomethyl)-1,3-propandiol; Butadien).

Aus diesen Ergebnissen ziehen Halmes et al. den Schluss, dass keine klare Abhän-gigkeit zwischen dem Wirkungsmechanismus (Gentoxizität) einer Substanz und Unter-schieden in der relativen Wirkung von Kurz- und Langzeiteinwirkung besteht.

Eine ergänzende Datenbankrecherche ergab für 1-Amino-2,4-dibromanthrachinon posi-tive Befunde zu promovierender Aktivität. Für Oxazepam und Coumarin waren dieBefunde in Abhängigkeit vom Testsystem uneinheitlich. Damit besitzen 1-Amino-2,4-dibromanthrachinon und Coumarin vermutlich sowohl initiierende (s.o.) als auch promo-vierende Eigenschaften, während Oxazepam ein ausschließlicher Promoter zu seinscheint. Aus Tabelle 4-1 und 4-2 ist ersichtlich, dass bei Oxazepam eine linearerWirkungsverlauf bei unterschiedlicher Expositionsdauer vorlag.

Aus Sicht der Autoren dieser Machbarkeitsstudie ergibt sich aus dieser Auswertung einHinweis, dass bei nichtgentoxischen Substanzen eher mit einem linearen Wirkungs-zusammenhang zu rechnen ist als mit einem stark nichtlinearen Zusammenhang.Allerdings lässt sich diese Bewertung bei dem sehr beschränkten und z.T. wider-sprüchlichen Daten nicht hinreichend absichern. Es ist im Zusammenhang mit weiterenStoffauswertungen zu prüfen, ob diese hier eine eindeutigere Aussage zulassen (vgl.Abschnitt 7).

4.4 Schlussfolgerungen

Ausmaß der Abweichung von der Linearität

Anhand der Ergebnisse von Halmes et al. (2000) zeigt sich, dass die Voraussagen desMultistage-Modells mit einer Wirkungsverstärkung bei bestimmten, kritischen Phasen derEinwirkung qualitativ bestätigt werden. Jedoch kann der nach Kodell et al. (1987) alsplausibel angesehene Faktor von max. 6 offensichtlich eine mögliche deutlicheRisikounterschätzung beinhalten. Die Abweichung von der Linearität in den von Halmeset al. (2000) untersuchten Datensätzen lag teilweise bei einem Faktor >10. Insgesamtwaren bei 9 Datensätzen Wirkungsverstärkung um einen Faktor > 10 zu beobachten.Damit zeigt sich auch, dass die von NRC (1993, 2001) praktizierte und auch von anderenübernommene Vorgehensweise nicht als “worst case“ anzusehen ist.

Organspezifische Differenzierung

Aus der Tabelle 4-1 geht hervor, dass bei Betrachtung der 5 Verbindungen mit mindes-tens 2 Tumorlokalisationen bei der Betrachtung verschiedener Tumorlokalisationen für einund der selben Substanz keine einheitliche Tendenz einer Wirkungsveränderung zu

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beobachten war. Unterschiedliche Zielorgane zeigten nebeneinander relative Wirkungs-verstärkung, -abschwächung und/oder unveränderte Response bei Kurzzeitexposition auf.

Dies war der Fall bei 1-Amino-2,4-Dibromanthrachinon, 2,2-Bis-(brommethyl)-1,3-pro-pandiol, 1,3-Butadien, Methyleugenol, o-Nitroanisol. Bei o-Nitroanisol war gleichzeitigeine Wirkungsverstärkung für die Endpunkte Blase, Niere und Darm zu beobachten, da-gegen Wirkungsabschwächung für Leukämie. Bei den anderen Verbindungen tratenKombinationen von nicht-veränderter Response mit Verstärkung oder Abschwächung derWirkung auf.

Speziesspezifische Differenzierung

Ein Speziesvergleich der Wirkungsdosen bei unterschiedlicher Exposition ist bei denuntersuchten NTP-Studien nicht aussagekräftig, da in den Stop-Exposure-Experimentenüberwiegend Ratten getestet wurden, mit Ausnahme von 1,3-Butadien, wo Mäuseexponiert waren. Damit erscheinen Generalisierungen nicht möglich.

Fazit

Die Analyse der Beispiele aus NTP-Studien (Auswertung von Halmes et al., 2000; eigeneAuswertung zu Butadien auf Basis des T25) zeigt, dass eine lineare Extrapolation invielen Fällen zu einer Unterschätzung des Risikos nach kürzerer Expositionsdauer führenwürde.

Deshalb ist es sinnvoll, einen Modifikationsfaktor 6, wie z.B. im AEGL-Konzeptvorgesehen einzuführen, bei dessen Berücksichtigung das tatsächliche Risiko nachkürzerer Expositionszeit besser abgedeckt ist.

Allerdings wurde auch deutlich, dass der Faktor 6, wie ihn Kodell et al. (1987) theoretischbegründen, in der Praxis überschritten werden kann. Dies tritt bei den Beispielen vonHalmes et al. bei Vergleich der beobachteten Risiken in subchronischen Studien bzw. inLebenszeitstudien häufig auf.

Es erscheint auf Basis der vorliegenden Auswertungen somit nicht wahrscheinlich, dassein Defaultwert (wie der oben genannte Faktor 6) toxikologisch gut begründet werdenkann. Organspezifisch und speziesspezifisch können völlig unterschiedlicheZeitextrapolationen erforderlich sein.

Die bisherigen Auswertungen hinsichtlich Zielorgan und Wirkungsmechanismus brachtenkeinen klaren Hinweis auf Regeln, wann von der Linearität abgewichen werden muss bzw.wann auch der Faktor 6 unzureichend ist.

Dies bedeutet, dass zwar ein ähnliches Verfahren - wie im AEGL-Konzept für Störfall-beurteilungswerte vorgeschlagen - vorgesehen werden kann, dass dieses jedoch eher alsKonvention anzusehen wäre und nicht als toxikologisch begründeter Ansatz.

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5 Die Relevanz kanzerogener Effekte nach Einmalexposition im Vergleich zunichtbösartiger Wirkung

Im Rahmen der vorliegenden Auswertung wurde geprüft, inwieweit das mit der obengenannten Methodik für AEGL-Werte berechnete Risiko von 10-4 unter Einschluss desModifikationsfaktors (Abschnitt 3.4) in einer relevanten Höhe liegen würde, um auchregulatorisch berücksichtigt werden zu müssen.

Sofern stoffspezifische Daten eine qualifiziertere Berechnung des Risikos nach Kurzzeit-exposition zuließen, wurden diese berücksichtigt (vgl. Abschnitt 5.2). Im anderen Fall (kei-ne stoffspezifischen Daten zur Quantifizierung des Krebsrisikos nach Kurzzeitexposition)wurde eine Extrapolation - ausgehend von Langzeitkrebsrisiko - vorgenommen (vgl.Abschnitt 5.1).

Zum Vergleich wurden Störfallbeurteilungswerte herangezogen, möglichst AEGL-Werte,ersatzweise jedoch auch Werte anderer Institutionen oder eigene überschläglicheBerechnungen.

Die vorgenommene Einordnung ersetzt keine stoffspezifische Detailbewertung, die imvorliegenden Rahmen nicht vorgenommen werden kann. Es erfolgt jedoch eine Plausibi-litätsaussage.

5.1 Beispiele mit Defaultansatz

5.1.1 Dimethylhydrazin

Als Basis der quantitativen Krebsrisikobewertung für Dimethylhydrazin diente in NRC(2001, Anhang H) in vorläufiger Vorgehensweise die (mittlerweile zurückgezogene)Krebsrisikoabschätzung der EPA (unit risk-Schätzung). Die Substanz wird in Deutschlandnicht mehr hergestellt (DFG, 2001).

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Tabelle 5-1: AEGL-Werte für Dimethylhydrazin auf Basis kanzerogener Effekte(NRC, 2001, Anhang H, Status: final)

Lebenszeitrisiko, kanzerogene Wirkung bei oralerExposition (slope-Faktor)

Risiko von 3,5 pro mg/kg · d(IRIS, EPA)

Umrechnung des Wertes auf Luftkonzentration (für inhalative Exposition)

3,5 pro mg/kg · d entspricht1 pro mg/m3 (Atemrate Mensch 20 m3/Tag,Körpergewicht 70 kg)

Luftkonzentration für ein zusätzliches Risiko von 10-

4 für inhalative Exposition1 · 10-4 mg/m3

lineare Umrechnung einer 70-Jahres-Expositionauf 24 Stunden

1 · 10-4 mg/m3 · 25 600(Tage/70 Jahre) = 2,56 mg/m3

Division durch 6 zur Berücksichtigung desMehrstufenmodells: Wert für 24 h Exposition

0,18 ppm (0,43 mg/m3)

Extrapolation auf andere Zeitintervalle erfolgt unterlinearer Extrapolation auf kürzere Zeiträume (nachHabers Gesetz)

8 h:0,5 ppm (1,3 mg/m3)4 h: 1,1 ppm (2,6 mg/m3)

1 h: 4,2 ppm (10,3 mg/m3)30 min: 8,5 ppm (20,6 mg/m3)

Die AEGL-Werte für nichtkanzerogene Endpunkte werden in der folgenden Tabelle 5-2zusammengefasst.

Tabelle 5-2: AEGL-2- und AEGL-3-Werte für nichtkanzerogene Effekte vonDimethylhydrazin (NRC, 2001, Status: final)

30-min AEGL-2 = 6 ppm 30-min AEGL-3 = 22 ppm

1-h AEGL-2 = 3 ppm 1-h AEGL-3 = 11 ppm

4-h AEGL-2 = 0,75 ppm 4-h AEGL-3 = 2,7 ppm

8-h AEGL-2 = 0,38 ppm 8-h AEGL-3 = 1,4 ppm

Vergleich von AEGL-Werten auf Basis nichtkanzerogener und kanzerogenerWirkungen

Die AEGL 2-Werte basieren auf akuter Toxizität (Endpunkt Neurotoxizität). Die auf Basisnichtkanzerogener Effekte abgeleiteten AEGL-Werte sind etwas niedriger (AEGL-2) bzw.

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höher (AEGL-3) als die Werte auf Basis krebserzeugender Wirkung (das Risikoniveau10-4 für Kanzerogenität bleibt für die unterschiedlichen Zeiträume jeweils gleich,abgesehen von Rundungsungenauigkeiten).

Prinzipiell scheint die Methode der linearen Extrapolation in den Niedrigdosisbereich, dieder unit risk-Abschätzung zugrunde liegt, geeignet, da es sich bei Dimethylhydrazin umeine Substanz mit gentoxischer Wirkung in vitro und in vivo, auch bei niedriger Dosierung,handelt (IARC, 1999). Allerdings bestehen analog zu Hydrazin die Unsicherheitenbezüglich der möglichen Beteiligung von Reizung bei den kanzerogenen Effekten,wodurch die Unsicherheiten einer linearen Extrapolation zunehmen.

Bei Einhaltung der AEGL-2-Werte bestünde ein Krebsrisiko von ca. 0,8 " 10-4.Dieses ist geringer als das von NRC (2001) tolerierte Risikoniveau von 10-4.Damit würde der AEGL-2-Wert auf Basis nichtkanzerogener Wirkung bewertungs-relevant.

Bei der Ableitung der AEGL-3-Werte wurde der Endpunkt Kanzerogenität nicht berück-sichtigt. Bei Einhaltung der AEGL-3-Werte wäre ausgehend vom unit risk ein Krebsrisikovon 2,8 "" 10-4 zu schätzen. Ob lokale Reizeffekte (nichtlineare Dosis-Wirkungsbeziehung)oder Gentoxizität (lineare Extrapolation statthaft) wichtiger für die Kanzerogenese sind,kann im vorliegenden Rahmen nicht abschließend beurteilt werden.

Unter vorsichtiger Vorgehensweise ist anzunehmen, dass bei Einhaltung derAEGL-3-Werte der Bezug auf krebserzeugende Wirkung zu niedrigeren Wertengeführt hätte.

FAZIT: Stoffspezifische Daten liegen nicht vor, um eine präzisere Einschätzung desKrebsrisikos nach Einmalexposition bei Dimethylhydrazin vorzunehmen. Das vorliegende(unsichere) “unit risk“ nach Lebenszeitexposition wird unter linearer Umrechnung undzusätzlicher Anwendung eines Modifikationsfaktors von 6 auf Einmalexpositionumgerechnet. Die mit der Quantifizierung des unit risk und der Umrechnung verbundenenUnsicherheiten sind zu benennen, jedoch im vorliegenden Rahmen nicht reduzierbar.Unter dieser Voraussetzung würde bei Dimethylhydrazin das Krebsrisiko nachEinmalexposition im Bereich zwischen AEGL-2 und AEGL-3 relevant, nicht jedochunterhalb des AEGL-2-Niveaus.

5.1.2 Ethylenoxid

Ethylenoxid ist ein klar gentoxischer Stoff. Damit scheinen lineare Extrapolationen desRisikos (zum Niedrigdosisbereich oder für Kurzzeiteinwirkung) angemessen. In einemForschungsprojekt des Umweltbundesamtes (Schneider et al., 2002) wurde von unseremInstitut eine Qualitätsbewertung der veröffentlichten Krebsrisikoabschätzungen zu Ethylen-oxid durchgeführt. Als geeignet zur Risikobewertung erwiesen sich Abschätzungen vonEPA (1985), OSHA (1983) und Denk und Filser (1990), alle auf Basis von Rattenstudien.Die Spanne der Risikoabschätzungen erstreckte sich von 8,7 " 10-6 bis 1 " 10-4 pro µg/m3.

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Die Krebsrisikoschätzung von NRC (2000) liegt mit einem unit risk von 8,8 " 10-6 proµg/m3 am unteren Ende des Intervalls der von Rattenstudien erhaltenen Schätzungen.Nachdem bei NRC (2000) keine Details berichtet sind, kann nur spekuliert werden, obaußer der Verwendung der anderen Spezies evtl. zusätzliche Gründe für diese Diskre-panz verantwortlich sind. Die Spanne der unit risk-Schätzungen reduziert sich, wenn manbei OSHA (1983) ein Scaling (Umrechnung einer tierrelevanten Konzentration auf einehumanrelevante Konzentration nach allometrischen Grundsätzen) berücksichtigt. OSHA(1983) verwendet keinen Scalingfaktor, obwohl die Übertragung vom Tier auf den Men-schen auf Basis der Körperdosen vorgenommen wird (bei Luftkonzentration wäre keinScaling erforderlich). Auf Basis des unterschiedlichen Grundumsatzes der Spezies bein-haltet dies eine Erhöhung des unit risk um einen Faktor 4. Wenn bei EPA (1985) statt desdort durchgeführten Scalings auf Basis der Körperoberfläche (Faktor ca. 7) ebenfalls aufBasis des kalorimetrischen Umsatzes (Faktor 4) scaliert wird, ergibt sich eine nur nochsehr geringe Spanne der abgeschätzten Risiken von 3,5 - 5,7 " 10-5 pro µg/m3 (gemittelt4,6 " 10-5), welche die Risikoabschätzung von NRC (2000) nur um etwa einen Faktor 5übertrifft. Die Werte auf Basis der Risikobewertung von NRC (2000) würden also um etwaden Faktor 5 höher als die in der folgenden Tabelle 5-3 abgeleiteten Werte liegen. Derverwendete Umrechnungsfaktor von ppm auf mg/m3 ist 1,83.

Tabelle 5-3: AEGL-analoge Werte für Ethylenoxid auf Basis kanzerogener Effekte

Lebenszeitrisiko, kanzerogene Wirkung beiinhalativer Exposition (unit risk)

4,6 " 10-5 pro µg/m3 (Zusammenschauverschiedener Ansätze, FoBiG, 2001)

Luftkonzentration für ein zusätzlichesLebenszeitrisiko von 10-4 für inhalativeExposition

2,2 µg/m3

lineare Umrechnung einer 70-Jahres-Exposition auf 24 Stunden

2,2 µg/m3 · 25 600 (Tage/70 Jahre) = 56 mg/m3

Division durch 6 zur Berücksichtigung desMehrstufenmodells:Wert für 24 h Exposition

5,1 ppm (9,3 mg/m3)

Extrapolation auf andere Zeitintervalleerfolgt unter linearer Extrapolation aufkürzere Zeiträume (nach Habers Gesetz)

8 h: 15,3 ppm (28 mg/m3)4 h: 30,6 ppm (56 mg/m3)

1 h: 122,4 ppm (224 mg/m3)30 min: 244,8 ppm (448 mg/m3)

Die AEGL-Werte für nichtkanzerogene Endpunkte werden in der folgenden Tabelle 5-4zusammengefasst.

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Tabelle 5-4: AEGL-2- und AEGL-3-Werte für nichtkanzerogene Effekte vonEthylenoxid (AEGL-Results, 2001, Status: interim)

30-min AEGL-2 = 80 ppm 30-min AEGL-3 = 360 ppm

1-h AEGL-2 = 45 ppm 1-h AEGL-3 = 200 ppm

4-h AEGL-2 = 14 ppm 4-h AEGL-3 = 63 ppm

8-h AEGL-2 = 7,9 ppm 8-h AEGL-3 = 35 ppm

Vergleich von AEGL-Werten auf Basis nichtkanzerogener und kanzerogenerWirkungen

Vorbemerkung: Als Grundlage für die Krebsrisikoabschätzung von Ethylenoxid diente denAutoren des SOP-Entwurfs eine Inhalationsstudie von NTP (1987) an Mäusen. Sie führteneine eigene unit risk-Schätzung auf Basis der Lungentumorraten in weiblichen Mäusendurch (Ergebnis: 8,8 " 10-6 pro µg/m3, dabei unit risk nicht korrekt als slope factor be-zeichnet). Dann erfolgte eine ähnliche Ableitung wie bei Dimethylhydrazin, mit folgenderAbweichung: es wurde nur Werte für 1 h-Exposition abgeleitet, wobei Risikoniveaus von10-4 - 10-6 angegeben wurden. Ein direkter Vergleich der Werte in obiger Tabelle 5-3 mitder Bewertung von NRC (2000) ist nicht möglich ist, da die anderen veröffentlichten Ab-schätzungen auf Basis von Ratten oder Humandaten, aber nicht der Mäusestudie erfolg-ten. Unter Verwendung der Risikoabschätzung von NRC (2000) würden die AEGL-Werteauf Basis kanzerogener Effekte durchgängig über den genannten AEGL-2- und AEGL-3-Werten liegen und wären somit nicht bewertungsrelevant.

Wenn man als Grundlage die Zusammenschau verschiedener Ansätze (FoBiG, 2001) zu-grunde legt, sind die auf Basis nichtkanzerogener Effekte abgeleiteten AEGL-Werteniedriger (AEGL-2) als die Werte auf der Basis krebserzeugender Wirkung.

Bei Einhaltung der AEGL-2-Werte bestünde ein Krebsrisiko von ca. 0,5 "" 10-4 (8h). Dieses ist geringer als das von NRC (2001) tolerierte Risikoniveau von 10-4.Damit würde in diesem Fall der AEGL-2-Wert auf Basis nichtkanzerogenerWirkung bewertungsrelevant.

Bei der Ableitung der AEGL-3-Werte wurde der Endpunkt Kanzerogenität nicht berück-sichtigt, obwohl die Ableitung auf Basis krebserzeugende Wirkung zu niedrigeren Luft-werten geführt hätte:

Bei Einhaltung der AEGL-3-Werte ist ein Krebsrisiko von 2,3 "" 10-4 (8 h)abzuschätzen.

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FAZIT: Stoffspezifische Daten liegen nicht vor, um eine präzisere Einschätzung desKrebsrisikos nach Einmalexposition bei Ethylenoxid vorzunehmen. Das vorliegende “unitrisk“ nach Lebenszeitexposition wird unter linearer Umrechnung und zusätzlicher Anwen-dung eines Modifikationsfaktors von 6 auf Einmalexposition umgerechnet. Unsicherheitenbestehen in der Datenbasis (gewählte Studien für die unit risk Berechnung). Die mit derQuantifizierung des unit risk und der Umrechnung verbundenen Unsicherheiten sind zubenennen, jedoch im vorliegenden Rahmen nicht reduzierbar. Unter dieserVoraussetzung würde bei Ethylenoxid das Krebsrisiko nach Einmalexposition im Bereichzwischen AEGL-2 und AEGL-3 relevant, nicht jedoch unterhalb des AEGL-2-Niveaus.

5.2 Beispiele mit vorliegenden Daten zur Kanzerogenität nach Kurzzeit-exposition

5.2.1 1,3-Butadien

Abschätzung AEGL-analoger Werte für Butadien (kanzerogene Wirkung)

Bei einer Plausibilitätsprüfung des ERPG-2 (Emergency Response Planning Guidelines;AIHA, 1992) wurde angemerkt, dass bei quantitativer Abschätzung kanzerogener Risikenvon Butadien ein leicht niedrigerer Wert als der abgeleitete Wert erhalten würde. Einekurze Qualitätsprüfung ergab, dass die zugrundeliegende Risikoabschätzung mit großenUnsicherheiten behaftet ist. Der zentrale Kritikpunkt ist die Verwendung einer Mäusestu-die als Basis. Der Metabolismus von Butadien bei Maus und Mensch ist so unterschied-lich, dass eine Risikobewertung auf Basis von Mausdaten eine deutliche Überschätzungdes Krebsrisikos für den Menschen bedingt. Nur unter Einbeziehung von geeignetenpharmakokinetischen Modellen könnten die Mausdaten zur Risikoextrapolation für denMenschen herangezogen werden, derartige Risikoabschätzungen liegen noch nicht vor.

Eine bessere Basis bieten die Risikoabschätzungen von EPA (1998) und CEPA (1992)auf Basis epidemiologischer Studien und Untersuchungen an Ratten (Delzell et al., 1995,1996; Owen et al., 1997). In einem Forschungsprojekt des Umweltbundesamtes(Schneider et al., 2002) wurden diese Abschätzungen bezüglich ihrer Qualität geprüft undals geeignet zur Risikobewertung angesehen. Sie kommen übereinstimmend zu unit risk-Schätzungen von 4 - 4,4 " 10-6 pro µg/m3 über die gesamte Lebensdauer. Dies entspricht(gemittelt) einem Risiko von 10-4 bei lebenslanger Exposition gegenüber 23,8 µg/m3 oder0,0238 mg/m3. In Anlehnung an die Vorgehensweise in NRC (2001) für Dimethylhydrazin(s.o.) ergibt sich die in Tabelle 5-5 dargestellte Ableitung.

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Tabelle 5-5: AEGL-analoge Werte für Butadien auf Basis kanzerogener Effekte

Lebenszeitrisiko, kanzerogene Wirkung beiinhalativer Exposition (unit risk)

4 - 4,4 " 10-6 pro µg/m3 (EPA, 1998; CEPA, 1992)

Luftkonzentration für ein zusätzliches Risiko von10-4 für inhalative Exposition

23,8 · 10-3 mg/m3

lineare Umrechnung einer 70-Jahres-Expositionauf 24 Stunden

23,8· 10-3 mg/m3 · 25 600(Tage/70 Jahre) = 609 mg/m3

Division durch 6 zur Berücksichtigung desMehrstufenmodells: Wert für 24 h Exposition

46,1 ppm (101,5 mg/m3)

Extrapolation auf andere Zeitintervalle erfolgtunter linearer Extrapolation auf kürzereZeiträume (nach Habers Gesetz)

8 h: 138,4 ppm (304,5 mg/m3)4 h: 276,8 ppm (609 mg/m3)1 h: 1107 ppm (2436 mg/m3)30 min: 2215 ppm (4872 mg/m3)

Die Daten zur Entwicklung der T25-Werte in Abhängigkeit von lebenslanger Expositionund Stop-Exposure-Versuchen mit Butadien (vgl. Tabelle 4-3) zeigten, dass mit abneh-mender Expositionsdauer die relative Wirkstärke der Substanz zunimmt (Extrapolationder T25 für lebenslange Exposition auf 13 Wochen bedingt eine Risikounterschätzung umden Faktor 4). Es zeigt sich, dass die Wirkung der geringeren als lebenslänglichen Expo-sition um so mehr unterschätzt wird, je kürzer die Expositionsdauer ist. Diese Befundebestätigen somit für eine umfassendere Datenlage bei Butadien die Plausibilität des beiNRC (2001) zur Anwendung kommenden Faktors 6.

AEGL-analoge Werte für Butadien (nichtkanzerogene Wirkung)

AEGL-Werte für nichtkanzerogene Endpunkte von Butadien liegen nicht vor. Ersatzweisewurden die ERPG-Werte (Emergency Response Planning Guidelines; AIHA, 1992) alsBasis herangezogen, die im Risikoniveau den entsprechenden AEGL-Werten ähnlichsind. Die ERPG-Werte gelten für 1 h Expositionsdauer.

ERPG-2: 50 ppm (110 mg/m3)ERPG-3: 5000 ppm (11000 mg/m3)

Der ERPG-2 basiert lt. AIHA (1992) auf den kumulierten Erkenntnissen zu Effektenberuflicher Exposition (nicht näher spezifiziert) und Fetotoxizitätsdaten bei Tieren, derERPG-3 auf Erkenntnissen zur Letalität.

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Vergleich von AEGL-Werten auf Basis nichtkanzerogener und kanzerogenerWirkungen

Für Butadien ist ersichtlich, dass die Ableitungsbasis Kanzerogenität (lineare Extra-polation, unit risk) den ERPG-2 überschreitet, aber deutlich unter dem ERPG-3 liegt.

Bei Einhaltung des ERPG-2-Wertes von 50 ppm resultiert ein geringes Krebs-risiko von ca. 4 "" 10-6.

Bei Einhaltung des ERPG-3 von 5000 ppm wäre ein Krebsrisiko von 4,5 ""10-4

abzuschätzen.

FAZIT: Stoffspezifische Daten zu 1,3-Butadien stützen den Defaultansatz zur Einschät-zung des Krebsrisikos nach Einmalexposition. Das vorliegende “unit risk“ nach Lebens-zeitexposition wird unter linearer Umrechnung und zusätzlicher Anwendung einesModifikationsfaktors von 6 auf Einmalexposition umgerechnet. Unsicherheiten bestehenin der Datenbasis (gewählte Studien für die unit risk Berechnung) und in Hinweisen aufabweichende Dosis-/Zeitbeziehungen für einzelne Tumorlokalisationen auf Basis derAuswertungen von Halmes et al. (2000). Die mit der Quantifizierung des unit risk und derUmrechnung verbundenen Unsicherheiten sind zu benennen, jedoch im vorliegendenRahmen nicht reduzierbar. Unter dieser Voraussetzung würde bei Butadien dasKrebsrisiko nach Einmalexposition im Bereich zwischen AEGL-2 und AEGL-3 relevant,nicht jedoch unterhalb des AEGL-2-Niveaus.

5.2.2 Hydrazin

Bei Hydrazin sind zur Ableitung AEGL-analoger Werte auf Basis kanzerogenerWirkungen zwei Verfahren möglich: wie bei der Ableitung von NRC (2001) für Dimethyl-hydrazin kann für die quantitative Krebsrisikobewertung die unit risk-Schätzung der EPA(EPA, 2000) zugrundegelegt werden. Diese basiert auf einer unveröffentlichten Studieeines Militärinstituts. Insofern kann die Qualität der Datenbasis und der Ableitung nichtgeprüft werden. Ein anderes mögliches Verfahren der Abschätzung der krebs-erzeugenden Potenz ist eine Ableitung auf Basis eines T25-Wertes, also Körperdosen,die mit einer Tumorinzidenz von 25 % korrelieren. Die Methode geht i.w. auf Dybing et al.(1997) zurück und war ursprünglich konzipiert, um von Studien mit kürzererExpositionsdauer (minimal 1/4 der Lebenszeit) linear auf die Wirkung bei lebenslangerExposition zu extrapolieren. Die Methode kann jedoch genauso bei Extrapolation vonLebenszeitexposition auf kürzere Zeiträume Anwendung finden. Das Verfahren beinhaltetden Vorteil, dass direkt die Effekte einer Kurzzeitstudie (im anderen Falle: Extrapolationvon Lebenszeit-unit risk-Schätzung) verwendet werden können. Beide Verfahren sollengegenübergestellt und die jeweils resultierenden Werte mit den AEGL-Werten fürnichtkanzerogene Wirkungen verglichen werden (Umrechnungsfaktor 1 ppm = 1,31mg/m3).

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Tabelle 5-6: AEGL-analoge Werte für Hydrazin auf Basis kanzerogener Effekte(Basis: unit risk-Schätzung)

Lebenszeitrisiko, kanzerogene Wirkung beiinhalativer Exposition (unit risk)

4,9 " 10-3 pro µg/m3 (IRIS, EPA)

Luftkonzentration für ein zusätzlichesLebenszeitrisiko von 10-4 für inhalative Exposition

0,02 µg/m3

lineare Umrechnung einer 70-Jahres-Expositionauf 24 Stunden

0,02 µg/m3 · 25 600 (Tage/70Jahre) = 0,5 mg/m3

Division durch 6 zur Berücksichtigung desMehrstufenmodells: Wert für 24 h Exposition

0,06 ppm (0,083 mg/m3)

Extrapolation auf andere Zeitintervalle erfolgt unterlinearer Extrapolation auf kürzere Zeiträume (nachHabers Gesetz)

8 h: 0,19 ppm (0,25 mg/m3)4 h: 0,38 ppm (0,5 mg/m3)

1 h: 1,5 ppm (2 mg/m3)30 min: 3 ppm (4 mg/m3)

Tabelle 5-7: AEGL-analoge Werte für Hydrazin auf Basis kanzerogener Effekte(Basis: T25-Schätzung)

T25-Wert für weibliche Tiere (1 h/w Exposition, 10w, nach Habers Gesetz gleichwertig zu einereinmaligen 10 h Exposition)

3000 ppm (3930 mg/m3;Latendresse et al., 1995)

Faktor von 2500 ausgehend von der T25 ergibtein Risiko von 10-4 (10 h Exposition) 1,2 ppm (1,6 mg/m3)

Extrapolation auf andere Zeitintervalle erfolgtunter linearer Extrapolation auf kürzere Zeiträume(nach Habers Gesetz)

8 h: 1,0 ppm (1,3 mg/m3)4 h: 1,9 ppm (2,5 mg/m3)1 h: 7,7 ppm (10,1 mg/m3)30 min: 15,4 ppm (20,1 mg/m3)

Grundlage: der T25-Berechnung liegen die Daten von Latendresse et al. (1995) zu-grunde. In dieser Studie wurden Ratten 10 x 1 h gegenüber 750 ppm exponiert. Bei weib-lichen Tieren zeigte sich eine Inzidenz von 6/96 für Nasenadenome, in der Kontrolle 0/97.Hieraus ergibt sich eine T25 von 3000 ppm (bei männlichen Tieren etwas höher).

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Vergleich der Ergebnisse der beiden Risikoabschätzungen für kanzerogeneEffekte:

Es zeigt sich, dass die Ergebnisse der Risikoabschätzungen für Kurzzeitexposition aufBasis der unit risk-Schätzung (Tabelle 5-6) um etwa den Faktor 5 niedriger sind als dieWerte auf Basis der T25-Methode (Tabelle 5-7). Es ist nicht zu klären, ob dieser Unter-schied lediglich die Summe der Unsicherheiten beider (linearisierten) Extrapolations-verfahren repräsentiert oder als Hinweis gewertet werden kann, dass eine Berücksich-tigung eines Faktors von 6 bei der Extrapolation vom unit risk auf Kurzzeitexposition beiHydrazin übervorsichtig ist.

AEGL-Werte für Hydrazin (nichtkanzerogene Effekte)

Für nichtkanzerogene Endpunkte wurden die in folgender Tabelle 5-8 aufgeführten AEGL-Werte abgeleitet.

Tabelle 5-8: AEGL-2- und AEGL-3-Werte für nichtkanzerogene Effekte vonHydrazin (AEGL-Results, 2001, Status interim)

30-min AEGL-2 = 15 ppm 30-min AEGL-3 = 45 ppm

1-h AEGL-2 = 13 ppm 1-h AEGL-3 = 35 ppm

4-h AEGL-2 = 3,1 ppm 4-h AEGL-3 = 8,9 ppm

8-h AEGL-2 = 1,6 ppm 8-h AEGL-3 = 4,4 ppm

Die AEGL-2-Werte basieren auf den Ergebnissen der Studie von Latendresse et al.(1995), wo nach 1 h Exposition gegenüber 750 ppm minimale zytotoxische Naseneffektebeobachtet wurden (NAS/COT, 2000). Die Werte ergeben sich bei Umrechnung auf dieverschiedenen Zeiträume und unter Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors von 60 (3für Interspezies-, 10 für Intraspeziesunterschiede, 2 als zusätzlicher Modifikationsfaktorwegen “inadequacies regarding exposure-response data for serious or irreversible, butnonlethal, effects of acute inhalation exposure to hydrazine”). Auch eine paralleleAbleitung der AEGL-2-Werte auf Basis 1/3 der AEGL-Werte kam zu übereinstimmendenWerten. Auf die Berücksichtigung des Endpunktes Kanzerogenität wurde mit folgenderArgumentation verzichtet: “The assessment revealed that AEGL-2 values derived fromnoncarcinogenic toxicity endpoints were greater than the 10-4 risk levels. However, theavailable animal data suggest that the tumorigenic response to inhaled hydrazine is afunction of prolonged tissue irritation resulting from repeated exposures and not the resultof a single low exposure. For this reason and because the AEGL values are applicable torare events or single once-in-a-lifetime exposures to a limited geographic area and smallpopulation, the AEGL values based on noncarcinogenic endpoints were considered to bemore appropriate.” (NAS/COT, 2000).

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Vergleich von AEGL-Werten auf Basis nichtkanzerogener und kanzerogenerWirkungen

Diskussion zum Wirkungsmechanismus:

NAS/COT (2000) verweisen auf eine wesentliche Beteiligung zytotoxischer Effekte beider Kanzerogenese, auch bezogen auf die Langzeitstudie von Vernot et al. (1985). Folgtman dieser Argumentation, wäre eine lineare Extrapolation in den Niedrigdosisbereichmit großen Unsicherheiten behaftet.

Dann ergäbe sich aus den T25-Daten unter Berücksichtigung eines Faktors von z.B.1000 Werte, die etwas höher als die AEGL-2-Werte liegen (3 ppm für den 8 h Stör-fallwert). Damit wäre die kanzerogene Wirkung beim AEGL-2 nicht von Relevanz.

Allerdings traten offensichtlich auch Nasentumoren ohne die Anzeichen von Reizungensowie zusätzlich auch systemische Wirkung (Schilddrüsentumoren) auf (“The nasal tumorswere often (Hervorhebung durch FoBiG) associated with chronic irritation. The increasedincidence of thyroid carcinoma was significant (13/98 vs 7/146; p#0.5) in the 5.0 ppmmales at the end of the 18-month observation period”; Zitat NAS/COT, 2000). DieseFakten sprechen gegen die ausschließliche Wertung der Tumoren als zytotoxisch beding-ten Effekt. Für eine prinzipielle mechanistische Eignung der unit risk- und der T25-Schät-zung spricht auch, dass Hydrazin in vivo bei Dosen gentoxisch wirkt (DNA-Addukte), dienicht zytotoxisch sind. Als Wirkungsmechanismus wird vermutet, dass aus Hydrazin untermetabolischer Aktivierung das alkylierende Diazomethan gebildet wird (IARC, 1999).Eine anders lautende Wertung (Gentoxizität nur bei hohen, toxisch wirkenden Dosen) beiHenschler (1989) ist dadurch erklärbar, dass die für IARC (1999) bewertungsrelevantenDaten zum Zeitpunkt der Abfassung der MAK-Begründung 1989 noch nicht vorlagen.

Auf Basis der unit risk-Schätzung ergibt sich: Die AEGL-Werte (sowohl AEGL-2 alsauch AEGL-3) sind deutlich höher als die Werte auf Basis der o.g. Risikoabschätzung fürkrebserzeugende Wirkung. Bei Einhaltung der AEGL-Werte wären Krebsrisiken von ca.6,4 " 10-4 für den AEGL-2-Wert und ca. 17,6 " 10-4 für den AEGL-3-Wert abzuschätzen.

Da die T25 auf einer Kurzzeitstudie basiert, scheint dem darauf basierenden Extrapola-tionsverfahren in diesem Rahmen eine etwas größere Verlässlichkeit zuzukommen. AufBasis der T25-Methode ergibt sich: Die AEGL-2-Werte sind praktisch identisch wie dieauf Basis der Extrapolation von der T25 erhaltenen Werte. Die AEGL-3-Werte sind dage-gen höher als die Werte auf Basis der o.g. Risikoabschätzung für krebserzeugende Wir-kung. Bei Einhaltung der AEGL-Werte ist auf Basis der T25-Methode beim AEGL-2-Wertein Krebsrisiko von ca. 1 " 10-4, beim AEGL-3-Wert ein Krebsrisiko von ca. 3,7 " 10-4 ab-zuschätzen.

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Unter vorsichtiger Vorgehensweise (Annahme einer linearen Dosis-Wirkungs-beziehung), ist anzunehmen, dass bei Einhaltung der AEGL-2-Werte sich dieBedeutung kanzerogener und nichtkanzerogener Effekte etwa die Wage halten,bei AEGL-3-Werten der Bezug auf krebserzeugende Wirkung zu niedrigerenWerten geführt hätte.

FAZIT: Stoffspezifische Daten zu Hydrazin führen zu einer abweichenden Einschätzungdes Krebsrisikos nach Einmalexposition im Vergleich zum Defaultansatz. Die konkretenDaten legen nahe, dass unterhalb des AEGL-2-Niveaus kein zusätzliches relevantesKrebsrisiko zu beachten ist, während dies beim Defaultansatz nicht auszuschließen wäre.In dieser Situation werden die stoffspezifischen Daten gegenüber der schematischenBerechnung bevorzugt. Die mit der Quantifizierung des unit risk und der Umrechnungverbundenen Unsicherheiten sind zu benennen, jedoch im vorliegenden Rahmen nichtreduzierbar. Unter dieser Voraussetzung würde bei Hydrazin das Krebsrisiko nachEinmalexposition bei Einhaltung des AEGL-2 nicht relevant, jedoch bei dessenÜberschreitung.

5.2.3 Bis(chlormethyl)ether (BCME)

Für diese Substanz liegen weder Kanzerogenitäts-Risikoabschätzungen noch AEGL-Werte vor. Dennoch erlauben die Daten in vorläufiger Vorgehensweise eine Abschät-zung, ob bei AEGL-analogen Werten auf Basis nichtkanzerogener Wirkungen ein rele-vantes Krebsrisiko bestehen würde.

Abschätzung AEGL-analoger Werte für BCME (kanzerogene Wirkung)

In neueren Veröffentlichungen wird (im Gegensatz zu früheren Untersuchungen) auf denklaren Zusammenhang zwischen BCME- und Chlormethylmethylether-(CMME)-Expositionund dem Auftreten von Lungentumoren beim Menschen verwiesen (Blair und Kazerouni,1997; Weiss und Nash, 1997). In Tierexperimenten zeigte BCME kanzerogene Wirkungnach kurzzeitiger Inhalation (Nasen- und Lungentumoren), dermaler Einwirkung (lokalkan-zerogene Wirkung) und s.c. Applikation (Lungentumoren im “newborn mouse assay”).Studien mit subchronischer bis zu lebenslanger Exposition über den inhalativen Pfadzeigten bei Ratten bei 0,1 ppm (0,475 mg/m3) ebenfalls vergleichbare kanzerogene Wir-kung, nicht aber bei niedrigeren Konzentrationen (0,01 und 0,001 ppm). Studien mitoraler Exposition liegen nicht vor (Delic und Fairhurst, 1990, ergänzt durch aktuelleRecherche).

Aufgrund der alkylierenden Wirkung von BCME wird ein gentoxisches Potenzial unterstellt(Delic und Fairhurst, 1990; Kuschner et al., 1975). Zur Gentoxizität sind folgende Datenbekannt: in Bakterien wirkte BCME mutagen. In vivo liegen 2 Untersuchungen zuklastogenen Effekten in Ratten (Exposition inhalativ, oral) und 2 zur Induktion von Chro-mosomenaberrationen in Hamstern (Exposition oral) vor. In Ratten waren nach mehr-maliger inhalativer oder oraler Exposition keine signifikanten Erhöhungen festzustellen

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(aber nur 50 Metaphasen pro Tier ausgezählt, keine Aussagen zur Knochenmarkstoxi-zität), in Hamstern war eine geringe Rate an Aberrationen zu beobachten. In vitro-Untersu-chungen zeigten Induktion von DNA-Schäden und DNA-Adduktbildung. Aus Untersuchun-gen an isolierten humanen Lymphozyten von BCME- und CME-exponierten Arbeitern er-gaben sich Verdachtsmomente auf klastogene Wirkung, die aber noch abzusichern sind(Delic und Fairhurst, 1990). Bei dieser Datenlage kann die Relevanz gentoxischer Wir-kung nicht abschließend beurteilt werden. Bei der Annahme gentoxischer Wirkung als Ur-sache der kanzerogenen Effekte wäre von einer T25-Konzentration (eine unit risk-Schät-zung liegt nicht vor) linear auf ein Risikoniveau von 10-4 zu extrapolieren (Faktor 2500).

Kuschner et al. (1975) untersuchten die tumorigene Wirkung bei Ratten nach mehrmaligerinhalativer Exposition gegenüber 0,1 - 1 ppm BCME. Es ergaben sich die in derfolgenden Tabelle 5-9 dargestellten T25-Werte.

Tabelle 5-9: T25-Werte für BCME bei Ratten

AnzahlExpositionen (7 h)

Konzentration T25 extrapolierte T25 fürEinmalexposition

100 0,1 ppm 0,04 ppm 4 ppm

80 0,1 ppm 0,06 ppm 4,8 ppm

60 0,1 ppm 0,11 ppm 6,6 ppm

40 0,1 ppm 0,11 ppm 4,4 ppm

20 0,1 ppm 0,38 ppm 7,6 ppm

10 0,1 ppm 1,04 ppm (unsicher) 10,4 ppm (unsicher)

3 1 ppm 12,5 ppm (unsicher) 37,5 ppm (unsicher)

Die Extrapolation auf einmalige 8 h-Exposition (unter Vernachlässigung des Unter-schiedes 7 zu 8 h Exposition) ergibt T25-Werte, die mit abnehmender Expositionshäufig-keit um fast eine Größenordnung zunehmen, also nicht die Linearität nach Habers Gesetzbestätigen. Der T25-Werte für Exposition mit 10 ppm und 3 ppm sind unsicher, weil sielediglich auf dem Auftreten eines einzigen Tumors basieren (in Hamstern wurden in einerParallelstudie nach 3 Expositionen 2 Tumore beobachtet, also wäre die T25 nur halb sohoch). Insofern ist zu vermuten, dass diese Diskrepanz eher von der Konzeption derStudie (20 - 50 Tiere/Gruppe) und weniger von mechanistischen Aspekten (mit der Folgevon Nichtlinearität der C x t-Relation) beeinflusst wird. Die verbleibenden Werte zeigentrotz der Tatsache, dass auch die T25-Werte für 20 - 60 Expositionen nur auf 3 - 4 aufge-tretenen Tumorereignissen basieren, eine gute Übereinstimmung (Faktor < 2). Als Basiswerden die Daten aus diesem Bereich mit der kürzesten Expositionsdauer, also bei 20Expositionen, zugrundegelegt.

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So ergibt sich ein T25-Wert für Einmalexposition (unter Ausschluss unsichererWerte) von 7,6 ppm (36,1 mg/m3).

Abschätzung AEGL-analoger Werte für BCME (nichtkanzerogene Wirkung)

Für die Abschätzung von AEGL-analogen Werten auf Basis nichtkanzerogenerWirkungen können die in Drew et al. (1975) und Delic und Fairhurst (1990) angegebenDaten zur akuten Toxizität herangezogen (1 ppm entspricht ca. 4,7 mg/m3).

LC50

(Ratte, Hamster, einmalig 7 h Exposition, 14 d Nachbeobachtung): 7 ppm

LC10

(Ratte, Hamster, einmalig 7 h Exposition, 14 d Nachbeobachtung): 4,6 ppm

LC0

(Ratte, einmalig 7 h Exposition, 14 d Nachbeobachtung): 4,6 ppm

Lebenszeitverkürzung um ca. 10 % und erhöhtes relatives Lungengewicht(Ratte, einmalig 7 h Exposition, 14 d Nachbeobachtung): 0,94 ppm

Angelehnt an NRC (2001) wird zur Ableitung eines AEGL-3-analogen Wertes die Kon-zentration von 4,6 ppm als Schwelle zugrundegelegt und ein Sicherheitszuschlag von 30veranschlagt (Interspeziesfaktor von 3, da keine deutlichen Unterschiede zwischen dengetesteten Spezies, Faktor für innerartliche Variation von 10). So erhält man einen AEGL-3-Wert in der Größenordnung von 0,15 ppm für 8 h Exposition. Angesichts der wenigenvorliegenden Daten und der Unsicherheiten dieser Abschätzung wird keine Korrektur derExpositionsdauer von 7 h auf 8 h vorgenommen, auch wenn dies evtl. eine Risikounter-schätzung bedingen kann (nach 8 h Exposition der Tiere könnten möglicherweise dieEffekte bei etwas niedrigeren Konzentrationen auftreten). Der AEGL-2-analoge Wertergibt sich angesichts der wenigen vorliegenden Daten standardisiert (Default) als 1/3des AEGL-3-analogen Wertes zu 0,05 ppm.

Tabelle 5-10: AEGL-2-analoge und AEGL-3-analoge Werte für nichtkanzerogeneEffekte von BCME

30-min AEGL-2-analog = 0,4 ppm 30-min AEGL-3-analog = 2,4 ppm

1-h AEGL-2-analog = 0,2 ppm 1-h AEGL-3-analog = 1,2 ppm

4-h AEGL-2-analog = 0,1 ppm 4-h AEGL-3-analog = 0,3 ppm

8-h AEGL-2-analog = 0,05 ppm 8-h AEGL-3-analog = 0,15 ppm

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Vergleich von AEGL-Werten auf Basis nichtkanzerogener und kanzerogenerWirkungen

0,1 - 1 ppm BCME wirken bereits nach wenigen Expositionen in hoher Inzidenz krebser-zeugend. Ein größenordnungsmäßiger Vergleich dieser Werte mit den 8-h Werten fürnicht kanzerogene Effekte (AEGL-2-analog = 0,05 ppm, AEGL-3-analog = 0,15 ppm)zeigt bereits (bei allen Unsicherheiten der Abschätzungen), dass die kanzerogeneWirkung auch bei Kurzzeitexposition relevant sein kann.

Angesichts der vorliegenden Daten ist gentoxische Wirkung möglich, jedoch nicht ge-sichert (s.o.). Bei Exposition gegenüber 1 ppm über 30 d an 7 h/d wurden keine zyto-toxischen Wirkungen, allerdings bereits hyperplastische Reaktionen, in der Lunge vonRatten beobachtet. 10,6 ppm wirkten bei Ratten noch nicht reizend. In einer anderenStudie war die RD5 0 145 ppm (Delic und Fairhurst, 1990; Drew et al., 1975). So kannvermutet werden, dass fortgesetzte Reizwirkung oder andere zytotoxische Effekte bei derKanzerogenese der Substanz bei Konzentrationen von 0,1 ppm keine dominante Rollespielen sollten. Je nachdem, ob man Zytotoxizität oder Gentoxizität als relevant für dieKrebsentstehung ansieht, wäre die Zytotoxizitätsschwelle oder ein Faktor von 2500 aufden T25-Wert (lineare Extrapolation auf ein Risiko von 10-4) zu veranschlagen. DieZytotoxizitätsschwelle entspräche jedoch definitionsgemäß dem AEGL-2.

FAZIT: Bei BCME ist dann, wenn die Gentoxizität als Mechanismus für die krebserzeu-gende Wirkung unterstellt wird, davon auszugehen, dass die Kanzerogenität nach Einmal-exposition entscheidungsrelevant wird, und zwar bereits unterhalb des AEGL-2-Niveaus.Sollte jedoch die entscheidende Wirkung eine zytotoxische sein, wird mit der Einhaltungdes AEGL-2 zugleich sichergestellt, dass auch vor krebserzeugender Wirkung geschütztwird. Im Rahmen des vorliegenden Projekts ist eine weitergehende mechanistischeBewertung der Kanzerogenese bei BCME nicht möglich.

5.2.4 Formaldehyd

Abschätzung AEGL-analoger Werte für Formaldehyd (kanzerogene Wirkung)

Formaldehyd ist ein im Tierversuch lokal wirkendes Kanzerogen mit einer nichtlinearenDosis-Wirkungskurve im Niedrigdosisbereich. In Langzeit-Rattenstudien zeigten sicherste Tumoren ab ca. 6 ppm (6 h/d, 5 d/w) inhalativer Exposition, bei 14 ppm aber bereitsInzidenzen von 50 %, (ATSDR, 1999; Conolly et al., 1995; Conolly und Andersen, 1993).Eine Kurzzeitstudie an Ratten dokumentiert, dass 4-wöchige inhalative Exposition gegen-über 20 ppm (6 h/d, 5 d/w) zur Tumorbildung in der Nase führte, bei 10 ppm wurden zweiaufgetretene Nasentumoren nicht als behandlungsbedingt bewertet (Feron et al., 1988).Ein Mangel dieser Studie ist aber die Gruppengröße mit nur ca. 45 Tieren pro Kon-zentration, die keine besonders hohe Sensitivität zum Erkennen von Effekten aufweist. ObFormaldehyd auch beim Menschen kanzerogen wirkt, wird in der Literatur nochkontrovers diskutiert (ATSDR, 1999; Conolly et al., 1995; Conolly und Andersen, 1993).

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Trotz einer in Tierstudien deutlich nichtlinearen Dosis-Wirkungsbeziehung mit Schwel-lenwert ist der Wirkungsmechanismus Gentoxizität (DNA-Protein-Vernetzung). Infolge vonErschöpfung der DNA-Reparaturkapazität im Bereich $ 2 ppm entstehen vermehrtdauerhafte DNA-Läsionen, die für die Entstehung der Tumoren verantwortlich gemachtwerden. Diese DPX genannten Addukte wurden bereits nach einmaliger Expositiongegenüber 2 ppm beobachtet, nicht mehr bei 0,7 ppm. Nach den Befunden zum Mecha-nismus wird mittlerweile häufig die Ansicht geäußert, dass bei der Tumorbildungvermutlich eine Wirkungsschwelle von Relevanz ist (ATSDR, 1999; Conolly et al., 1995;Conolly und Andersen, 1993).

Eine vergleichende Auswertung für die Korrelation von DNA-Addukten und kanzero-genem Potenzial von Otteneder und Lutz (1999) kam auf Basis der Betrachtung einerReihe verschiedener Stoffe zu dem Schluss, dass von der Menge der DNA-Addukte ineinem bestimmten Organ auf das kanzerogene Risiko extrapoliert werden kann.Formaldehyd war in die Betrachtung nicht eingeschlossen, dennoch unterstützt dieseAnsicht die Vermutung, dass DNA-Addukte auch bei Formaldehyd als ein Mittel zurAbschätzung kanzerogener Risiken geeignet sind. Nach Analyse der Stoffdaten durch dieAutoren ist plausibel, dass (unter Berücksichtigung üblicher Gruppengrößen inKanzerogenitätsstudien) die DNA-Addukte mit höherer Sensitivität, also bei niedrigerenKonzentrationen als erhöhte Tumorraten, bestimmt werden können. Insofern stellen dieBefunde von Feron et al. (1988) und der Gruppe von Conolly keinen Widerspruch dar.Otteneder und Lutz (1999) verweisen aber auch auf die eingeschränkte quantitativeVerlässlichkeit von DNA-Adduktbestimmung nach Einmalexposition.

Ratten sollten nach Conolly et al. (1995) eher empfindlicher auf die Entstehung der DNA-Schäden reagieren als der Mensch. Neuere Untersuchungen dieser Gruppe (Conolly etal., 2000) kommen aber auf Basis einer Neuauswertung bereits vorliegender Daten (Ca-sanova et al., 1991, 1994) mittels Einbeziehung pharmakokinetischer Modelle zu denVoraussagen, dass die DPX-Bildung bei Ratte, Affe und Mensch bei gleichen Konzentra-tionen in etwa gleich hoch ist und die modellierten DPX-Dosis-Wirkungskurven bis zuKonzentrationen von 0,1 ppm, der unteren Grenze der Modellierung, annähernd linear ver-laufen. Unter der Annahme, dass beim Menschen ein vergleichbarer Wirkungsmechanis-mus wie beim Tier vorliegen könnte, scheint deshalb bei Extrapolation der Befunde aufden Menschen keine Berücksichtigung eines Interspeziesfaktors nötig. Zudem sindEffekte auf zellulärer Ebene beschrieben, wo Unterschiede in der Toxikodynamikzwischen den Spezies nur gering sein sollen. Eine weitere Untersuchung von Kimbell etal. (2001) beschreibt lokale Unterschiede der Dosimetrie in der Nase verschiedenerSpezies, jedoch ist noch unklar, wie die Befunde zur Risikobewertung dienen können.

Zusammenfassend kann also davon ausgegangen werden, dass die Dosis-Wirkungs-kurve für Formaldehyd nichtlinear ist. Die kanzerogene Wirkung steht in Zusammenhangmit der Sättigung von Entgiftungsmechanismen. Bereits einmalige Exposition gegenüberKonzentrationen von 2 ppm führt in der Nase von Ratten zu DNA-Addukten, dies kannauch auf den Menschen extrapoliert werden. Eine Quantifizierung für kanzerogeneWirkung nach Kurzzeitexposition ist unsicher.

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Tabelle 5-11: Bewertungsbasis für Formaldehyd (kanzerogene Effekte unterBerücksichtigung der Zytotoxizität nach Einmalexposition)

erstes Auftreten von DNA-Schäden nachEinmalexposition(keine DNA-Schäden)

2 ppm (2,46 mg/m3)(0,7 ppm; 0,86 mg/m3)

quantitative Unsicherheiten des Experiments?Dosis-Wirkungsbeziehung?Intraspeziesvarianzen?

Quantifizierung unsicher

keine Zeitanpassung,Bezugsbasis: 6 h Versuchsdauer

unsicher: # 2 ppm (2,5 mg/m3)

AEGL-analoge Werte für Formaldehyd (nichtkanzerogene Wirkung)

AEGL-Werte für nichtkanzerogene Endpunkte von Formaldehyd liegen noch nicht vor.Ersatzweise wurden wie bei Butadien die ERPG-Werte (AIHA, 1992) als Basis heran-gezogen, die im Risikoniveau den entsprechenden AEGL-Werten ähnlich sind. DieERPG-Werte gelten für 1 h Expositionsdauer.

ERPG-2: 12,3 mg/m3 (10 ppm)ERPG-3: 30,8 mg/m3 (25 ppm)

Sowohl ERPG-2- als auch ERPG-3-Wert basieren auf den Erkenntnissen zu reizendenWirkungen beim Menschen. Es wird angenommen, dass ein Vergleich der ERPG-Wertemit den AEGL-analogen Werten für kanzerogene Wirkungen trotz der unterschiedlichenZeitbasis (1 h vs. 6 h) statthaft ist. Eine Überprüfung der ERPG-Werte im Rahmen desAEGL-Programms ist mittelfristig vorgesehen.

Vergleich von AEGL-Werten auf Basis nichtkanzerogener und kanzerogenerWirkungen

In den Kurzzeitstudien von Feron et al. (1988) bei Ratten traten Nasentumore bei Konzen-trationen von 20 ppm (4 Wochen Exposition, 6 h/d, 5 d/w) auf, nicht aber nach Expositiongegenüber 10 ppm (beschränkte Anzahl getesteter Tiere). Die niedrigste berichtete Ef-fektkonzentration für Effekte im Tierversuch, die mechanistisch mit der Kanzerogenesevon Formaldehyd in Zusammenhang gebracht werden, ist 2 ppm (6 h). Diese Konzentra-tionen bewirken nach einmaliger Exposition über 6 h erste Zellveränderungen, die in Zu-sammenhang mit kanzerogener Wirkung stehen. Nach Otteneder und Lutz (1999) ist plau-sibel, dass die DNA-Addukte mit höherer Sensitivität als erhöhte Tumorraten bestimmtwerden können. Die Autoren verweisen aber auch auf die quantitativen Unsicherheitenvon Einmalbestimmungen (s.o.). Wie die o.g. Tabelle 5-11 zeigt, ist die quantitative Be-wertung der experimentellen Befunde zu DNA-Addukten im Hinblick auf eine Krebsrisiko-abschätzung mit großen Unsicherheiten behaftet.

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Ein Vergleich mit den ERPG-Werten (10 bzw. 25 ppm) zeigt, dass damit die kanzero-gene Wirkung vermutlich auch bei Kurzzeitexposition von Relevanz sein könnte. Dieniedrigste Wirkkonzentration für Zellschäden, die mit kanzerogenen Effekten in Ver-bindung gebracht werden (2 ppm, 2,5 mg/m3) liegt noch unterhalb der ERPG-Werte aufBasis der nichtkanzerogenen Effekte.

FAZIT: Es ist anzunehmen, dass gentoxische Interaktionen nach Formaldehyd-Expositionbereits bei 2 ppm oder darunter auftreten. In mechanistischen Betrachtungen zumKrebsgeschehen wird davon ausgegangen, dass die krebserzeugende Potenz ganzwesentlich davon beeinflusst wird, ob zusätzlich zur gentoxischen eine zytotoxischeWirkung vorliegt. Diese ist bei Überschreitung des AEGL-2 anzunehmen, so dass grund-sätzlich eine enge Kopplung von AEGL-2 und relevanter Kanzerogenität naheliegt.Andererseits ist bei dem derzeitigen ERPG-Wert von 10 bzw. 25 ppm bereits einedeutlich ausgeprägte Gentoxizität vorhanden und zugleich ein sehr geringer Abstand zubelegten kanzerogenen Effektkonzentrationen im Tierexperiment. Aus diesem Grundkann die Frage, ob eine krebserzeugende Wirkung von Formaldehyd auch nachEinmalexposition auftritt, a) nur nach einer gründlichen Überarbeitung der vorliegendenERPG-Werte und b) nach einer exakteren quantitativen Krebsrisikobewertung imnichtzytotoxischen Bereich beantwortet werden. Entsprechende Auswertungenübersteigen den Rahmen der vorliegenden Machbarkeitsstudie. Es liegt jedoch nahe,dass bei den derzeitigen ERPG-Werten auch unterhalb des ERPG-2 noch einregulationsrelevantes Krebsrisiko nach Einmalexposition besteht.

5.2.5 Hexamethylphosphoramid (HMPA)

Für diese Substanz liegen insgesamt mit Ausnahme der Endpunkte Gentoxizität und Kan-zerogenität nur wenige Informationen zu toxischen Wirkungen, speziell nach inhalativerExposition vor (IARC, 1977; 1999). Die relevanten Befunde werden im folgenden kurzdargestellt.

Abschätzung AEGL-analoger Werte für HMPA (kanzerogene Wirkung)

Bereits einmalige inhalative 6 h-Exposition von Ratten gegenüber HMPA in Kon-zentrationen von ca. 3 ppm (nur diese Konzentration getestet) entsprechend 22 mg/m3

(bei einem Konversionsfaktor von 1 ppm = 7,325 mg/m3) verursachte in Zellen vonNasengeweben proliferative Wirkung, auch noch in Abwesenheit zytotoxischer Effekte.Als Wirkungsmechanismus der Kanzerogenese wird die intrazelluläre Freisetzung vonFormaldehyd postuliert (Harman et al., 1997).

Exposition von 100 - 120 Ratten je Geschlecht und Konzentration gegenüber 10, 50, 100,400 und 4000 ppb (1 ppm = 1000 ppb; entspricht 0,073, 0,37, 0,73, 2,93 und 29,3mg/m3) an 6 h/d, 5 d/w über einen Zeitraum von 6 Monaten bis 2 Jahren führte beiKonzentrationen von $ 50 ppb zu vermehrter Tumorbildung in den Atemwegen(Plattenepithel, Respirationsepithel, Nasenhöhle) (Lee und Trochiomowicz, 1982a,b,c;Lee und Trochiomowicz, 1984).

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Die Ergebnisse der verschiedenen Expositionen und die resultierenden T25-Werte sindin der folgenden Tabelle 5-12 aufgeführt

Tabelle 5-12: T25-Werte für HMPA bei Ratten (zunehmende Zeitdauer derExposition)

AnzahlExpositionen(6 h/d)

Konzentration Inzidenz T25 extrapolierte T25 fürEinmalexposition

130 (6 Monate) 100 ppb 19 % 132 ppb 17,2 ppm

195 (9 Monate) 4000 ppb 83 % 1204 ppb 234,8 ppm (unsicher)

217 (10 Monate) 400 ppb 82 % 122 ppb 26,5 ppm

260 (12 Monate) 50 ppb 16 % 78,1 ppb 20,3 ppm

282 (13 Monate) 100 ppb 56 % 44,6 ppb 12,6 ppm

520 (24 Monate) 10 ppb keine Tumoren entfällt

520 (24 Monate) 50 ppb 26 % 48,1 ppb 25,0 ppm

Es hat den Anschein, als ob bei den höheren Konzentrationen ein Plateau in der Dosis-Wirkungskurve erreicht wird, da etwa gleich lange Exposition gegenüber 4000 ppb imVergleich zu 400 ppb einen nur noch geringen Anstieg der Tumorrate von 82 % auf 83 %bewirkt. Damit scheint die T25 bei 4000 ppb Expositionshöhe unsicher.

Aus den Ergebnissen der Kanzerogenitätsstudien von Lee und Trochiomowicz(1982a,b,c; 1984) ergibt sich bei der kürzesten Expositionsdauer von 6 Monaten ein T25-Wert von 17,2 ppm (126 mg/m3) für Einmalexposition.

Auch die anderen erhaltenen Werte (den unsicheren T25-Wert von 4000 ppb ausge-schlossen) variieren nur um einen Faktor ca. 2, ebenso die Inzidenz pro ppm x Monat(Maß für C x t-Relation) für die verschiedenen Expositionen (ausgenommen 10 und 4000ppb).

Die in IARC (1977) zitierte Kanzerogenitätsstudie von Zapp (1975a,b) ist ein vorläufigerBericht der o.g. Studie von Lee und Trochiomowicz (1982a,b,c; 1984). Diese Datenwerden nicht weiter berücksichtigt.

Ein Vergleich der Effektkonzentration der Studie von Harman et al. (1997) für Induktionvon Zellproliferation (3 ppm) und des T25-Wertes für 8 h einmalige Exposition (17,2 ppm)zeigt nur einen Unterschied von ca. einem Faktor 6. Aus diesem Grund wird die ein-malige Exposition gegenüber 3 ppm (auf 6 h Exposition basierend) wegen der zu beob-achtenden mitogenen Wirkung als relevant im Hinblick auf die Tumorentstehung gewertet.

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Bei 8 h Exposition ist eine etwas niedrigere Wirkkonzentration zu vermuten, bei linearerUmrechnung auf 8 h resultiert eine Konzentration von 2,3 mg/m3.

Nach dem postulierten Wirkungsmechanismus der intrazellulären Formaldehydfreisetzungzur Kanzerogenese von HMPA ist ein Beitrag von Formaldehyd wahrscheinlich. Wie nachFormaldehydexposition wurden auch nach HMPA-Exposition DNA-Protein-Crosslinks(DPX) beobachtet (Kuykendall et al., 1995). Die Autoren vermuten aber zusätzlich anderewichtige Wirkungsmechanismen, da HMPA bei deutlich niedrigeren Konzentrationen alsFormaldehyd krebserzeugend wirkt (HMPA: 50 ppb, Formaldehyd: 6 ppm) und somit derMechanismus via Formaldehyd nicht im Vordergrund zu stehen scheint.

AEGL-analoge Werte für HMPA (nichtkanzerogene Wirkung)

AEGL-Werte für HMPA oder vergleichbare Werte anderer Institutionen sind nicht bekannt.

Zur Abschätzung der Toxizität nach Kurzzeiteinwirkung liegt eine LCLo-Angabe (niedrigs-te Konzentration mit Beobachtung einer letalen Wirkung) in Höhe von 2920 mg/m3 bei 4h Einwirkungsdauer vor (NIOSH, 2000). Als Quelle ist ein NTIS-Dokument genannt.Gleichzeitig existiert aber eine Studie, nach der Exposition gegenüber 351 ppm (2571mg/m3) keine Verringerung der Respirationsrate bewirkte, was auf das Fehlen einerReizwirkung hinweist (Gardner et al., 1985).

Aus den vorliegenden Daten zu inhalativer Exposition ist kein verlässlicher AEGL-2-analoger Wert abzuleiten. Wenn man zur Ableitung eines AEGL-3-analogen Wertes dieLCLo von 2920 mg/m3 bei 8 h Basis zugrunde legt, ergibt sich unter Berücksichtigungeines reduzierten Sicherheitsfaktors von 30 (NRC, 2001) eine Konzentration von ca. 50mg/m3 entsprechend 6,8 ppm. Ein AEGL-2-Wert ergibt sich mangels geeigneter Datenstandardmäßig als 1/3 des AEGL-3-Wertes zu 2,3 ppm (16,7 mg/m3).

Vergleich von AEGL-Werten auf Basis nichtkanzerogener und kanzerogenerWirkungen

Der aus obigen Daten abgeschätzte AEGL-3-analoge Wert von 6,8 ppm entsprechend50 mg/m3 liegt nur etwas unterhalb des Bereichs der abgeschätzten T25-Werte für Ein-malexposition von (verlässlich) 12,6 - 26,5 ppm. Der AEGL-2-Wert von 2,3 ppm bzw. 16,7mg/m3 ist identisch mit der (auf 8 h umgerechneten) Konzentration, bei der mitogeneWirkung beobachtet wurde. Dieser Effekt scheint im Hinblick auf die krebserzeugendeWirkung von Relevanz.

FAZIT: Sollte tatsächlich bereits in Höhe des festzulegenden AEGL-2-Werts Zellprolife-ration nach Einmalexposition zu beobachten sein, wie dies die Studie von Harman et al.(1997) nahelegt, spricht dies zusammen mit dem vorliegenden T25-Wert von ca. 17,2ppm dafür, dass eine relevante kanzerogene Potenz von HMPA auch nach Einmal-exposition unterhalb eines AEGL-2-Werts zu beachten ist. Gegenstand einer vertiefendenStudie wäre die Ableitung von AEGL-Werten auf Basis nichtmaligner Effekte.

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5.2.6 Vinylchlorid

Es wurden Krebsrisikoberechnungen und Ableitungen von AEGL-Werten im Rahmeneines Projektes für das Umweltbundesamt (FKZ 201 65 203) durchgeführt. Da diese der-zeit noch nicht abschließend diskutiert sind, soll der Bewertung durch die zuständigenGremien nicht vorgegriffen werden. Es zeigt sich nach dem ersten Entwurf jedoch:

a) das abgeschätzte Krebsrisiko auf Basis substanzspezifischer Daten dürfte zu 40 -50 ppm (8h; 10-4-Risiko) als möglicherweise noch zu tolerierende Konzentrationführen; bei Verwendung des unit risk (Lebenszeit) und Umrechnung über denDefaultansatz hätte sich ein niedrigeres Risiko abgeleitet;

b) die derzeit vorliegenden Einsatztoleranzwerte (100 ppm) bzw. Störfallbeurteilungs-werte (1000 ppm) überschreiten dieses Risiko um einen Faktor $ 2.

Sollten die AEGL-Wert-Vorschläge nicht unter den oben genannten Werten liegen, ergibtsich die Kanzerogenität als kritische Toxizität bei Einmalexposition.

5.3 Schlussfolgerung

Die Beispiele in Abschnitt 5 demonstrierten:

a) Über die Abschätzung der Krebsrisikopotenz nach Einmalexposition ergibt sich ineinigen Substanzen ein Hinweis auf ein Krebsrisiko, das im regulationsrelevantenBereich (unterhalb AEGL-3-Niveau, möglicherweise in Einzelfällen auch unterhalbvon AEGL-2-Niveau) liegt;

b) Substanzspezifische Hinweise können zu einer Modifikation des Defaultansatzesführen und dann sowohl zu einer niedrigeren Potenzeinschätzung (Hydrazin) wie zueiner höheren Potenzeinschätzung (Vinylchlorid) führen. Damit bestätigt sich dieWichtigkeit der Verwendung substanzspezifischer Daten;

c) bei einigen Substanzen lohnt sich eine vertiefte Betrachtung, da nur nach gründ-licher Analyse angegeben werden kann, ob die Kanzerogenität entschei-dungsrelevant wird (vgl. Tabelle 5-13).

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Tabelle 5-13: Relevanz der krebserzeugenden Wirkung nach Einmalexpo-sition im Vergleich zu anderen Endpunkten

Substanz Beurteilung Prüfungsbedarf

Dimethylhydrazin Kanzerogenität erst überAEGL-2 relevant

keine Datengrundlage für genau-ere Bewertung

Ethylenoxid Kanzerogenität erst überAEGL-2 relevant

Absicherung über Bewertung vonKanzerogenitätsdaten zu anderenTierspezies möglich

1,3-Butadien Kanzerogenität erst überAEGL-2 relevant

keine weitere Datenauswertungerforderlich

Hydrazin Kanzerogenität erst überAEGL-2 relevant

Mechanistische Absicherung(Relevanz der Gentoxizität)wünschenswert

Bis(chlormethyl)-ether

Kanzerogenität möglicher-weise unterhalb vonAEGL-2-Niveau

Ableitung von AEGL-Werten vor-dringlich; mechanistische Klärung(Gentoxizität)

Formaldehyd Kanzerogenität möglicher-weise unterhalb vonAEGL-2-Niveau

Ableitung von AEGL-Werten vor-dringlich; verbesserte quantitativeKrebsrisikoabschätzungerforderlich

Hexamethylphos-phoramid

Kanzerogenität möglicher-weise unterhalb vonAEGL-2-Niveau

Ableitung von AEGL-Werten vor-dringlich; mechanistische Klärung(Zellproliferation)

Vinylchlorid Kanzerogenität möglicher-weise unterhalb vonAEGL-2-Niveau

laufendes Projekt (Prüfung erfolgt)

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6 Lebensalter und relative Empfindlichkeit gegenüber Kanzerogenen

Chemisch induzierte Tumoren

Bei Ratten gibt es ein zeitliches Fenster (Alter 40 - 55 Tage), innerhalb dessen einmaligeExposition mit verschiedensten kanzerogenen Substanzen zu höherer Inzidenz fürMamatumoren führt. An Humanbefunden wurde vor allem die vermehrte Entstehung vonVaginaltumoren bei Frauen bekannt, die in utero gegenüber Diethylstilbestrol exponiertwaren (Calabrese und Blain, 1999). Eine andere, detailliertere Untersuchung ergab, dassBeispiele sowohl für gentoxische (z.B. Nitrosamine, Benzidin, Aflatoxin) als auch nichtgentoxisch wirkende Stoffe (Saccharin, Polybromierte Biphenyle) vorliegen, die beiExposition in frühen Lebensabschnitten in Tierstudien ein erhöhtes Krebsrisikoverursachen (Schneider, 1999). Auch bei Tierstudien mit Vinylchlorid zeigte sich für diekanzerogene Wirkung eine erhöhte Empfindlichkeit von Jungtieren.

Quantitative Unterschiede bei der Krebsentstehung in den verschiedenen Altersgruppensind somit mehrfach dokumentiert. Sykora et al. (1986) beobachteten ebenfalls eine hoheSensitivität bei kurzzeitiger subkutaner Exposition neonater Ratten gegenüberDimethylhydrazin-Dichlorid in Dosen von 0,36 bis 2,16 mg pro Tier. Ein bei Expositionvon adulten Tieren übliches Auftreten von Adenokarzinomen des Gastrointestinaltrakteswurden in dieser Studie nicht beobachtet. In den unterschiedlichen Altersgruppen zeigtensich aber auch Unterschiede in den Wirkungsspektren (vermehrt Nierentumoren beipostnataler Exposition an den Tagen 5 - 15, bei Exposition an den Tagen 5 - 20 relativmehr Lebercholangiosarkome), allerdings waren die Gruppengrößen gering (initial 5 - 8Tiere) und die Unsicherheiten dieser Daten damit hoch. Zudem ist die Übertragbarkeitauf inhalative Exposition wegen der subkutanen Exposition mit Unsicherheiten behaftet.Die Befunde sind dennoch als Hinweis auf qualitative Unterschiede in der Kanzero-genese zwischen Kindern (hier auch Einfluss der Expositionsdauer) und Erwachsenen zuwerten.

Strahlung

Anhand der Berichte zur Einwirkung von Strahlung bei Menschen unterschiedlichen Alterssind Rückschlüsse möglich, inwieweit die Exposition in verschiedenen Lebensphasenunterschiedlich wirksam im Bezug auf die Krebsentstehung ist. Je niedriger das Alter beider Exposition ist, desto höher war das resultierende relative Risiko einer vergleichbarenDosis (Miller, 1995). Für das Brustkrebsrisiko nach Atombombenabwürfen gibt es eineSpanne relativer Risiken von 3,4 (0 - 9 Jahre) bis 0,7 (Alter über 40) (UNSCEAR, 1994).Vergleichbare Ergebnisse wurden auch für die Entstehung von Leukämie nachAtombombenabwürfen erhalten (Miller, 1995). Auch das relative Risiko für Mamma-tumoren infolge therapeutischer Exposition gegenüber Radium 224-Präparaten war beiMädchen höher als bei analog behandelten erwachsenen Frauen (Spiess et al., 1989).Das Risiko für die Entstehung von Schilddrüsentumoren infolge therapeutischerBestrahlung war bei Kindern im Alter unter 5 Jahren ca. 5-mal höher als bei Kindern imAlter von 10 - 14 Jahre (Ron und Saftlas, 1996).

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Die Befunde an Ratten von Lundgren et al. (1992) zeigten, dass Exposition von 94 dalten, also jungen erwachsenen Tieren, bei gleicher Strahlendosis zu geringererTumorinzidenz führt als bei alten Tieren (s.o.).

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7 Gentoxizitätsdaten als Hinweis auf kanzerogene Potenz nach Einmal-exposition

In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, ob bei Substanzen mit einemgentoxischen Wirkungsmechanismus die Expositionskonzentrationen, die bei kurzzeitigerExposition bereits kanzerogen wirkten, im Bereich der Luftkonzentrationen (bei inhalativerExposition) oder auch Körperdosen (bei oraler Exposition) liegen, die gentoxisch wirken.Als Beispiele dienen die in Abschnitt 5-1 und 5-2 ausgewählten Stoffe. Bei denGentoxizitätstests wird vor allem inhalative Exposition betrachtet, orale nur ersatzweise.

Dimethylhydrazin

Dimethylhydrazin wirkte in einer Reihe von Studien an Ratten und Mäusen kanzerogen,auch in Kurzzeitstudien. So führte bereits einmalige Gabe von 35 mg/kg in Ratten in hoherInzidenz (79 %) zur Tumorbildung im Darm (IARC, 1999). Untersuchungen für deninhalativen Pfad liegen nicht vor. Auf Basis der (unsicheren) Krebsrisikoabschätzung derEPA, die für die Ableitung eines AEGL-Wertes für kanzerogene Effekte herangezogenwurde, ergibt sich für eine einmalige 8 h-Exposition bei zugrunde gelegtem Risikoniveauvon 10-4 eine abgeschätzte Expositionskonzentration von 1,3 mg/m3 (0,5 ppm).

Mutagenitätstestung von Dimethylhydrazin in Bakterien führte zu widersprüchlichen Ergeb-nissen. Als mögliche Ursache für Negativbefunde werden ungeeignete Aktivierungssys-teme diskutiert. In anderen Assays wirkte die Substanz in vitro und in vivo genmutagen, in-duzierte Mikronuklei sowie DNA-Brüche und -Addukte. Daten speziell zum inhalativenPfad liegen nicht vor. Die niedrigsten Effektdosen für Gentoxizität sind für die Induktionvon DNA-Brüchen berichtet (0,45 - 1 mg/kg, 2-malige Exposition). Andere Endpunktewurden meist erst bei Dosen getestet, die um ca. eine Größenordnung höher lagen(IARC, 1999).

Damit zeigt sich, dass Gentoxizität in Form von DNA-Addukten bei niedrigeren Dosenbeobachtet wurde, als bei einmaliger Applikation im Tier bereits kanzerogen wirkendeDosen (0,45 - 1 mg/kg vs. 35 mg/kg).

Für einen Vergleich der Krebsrisikoabschätzung mit den Effektdosen für Gentoxizitätkönnen die Körperdosen der Gentoxizitätsstudien in Luftkonzentrationen umgerechnetwerden. 0,45 - 1 mg/kg entsprechen beim Menschen einer 8 h Exposition gegenüber 4,7- 10,5 mg/m3 (Annahmen: 20 m3/d Atemvolumen, 70 kg Gewicht bei 100 % Resorption),also einer Konzentration, die 4 - 6-fach über dem Wert liegt, für die bei linearer Extrapo-lation ein 10-4 Risiko abgeschätzt wird.

Ethylenoxid

Für Ethylenoxid liegt ein Fülle von Daten zu Human- und Tierkanzerogenität sowie derGentoxizität in Mensch und Tier vor. Die folgenden Daten entstammen, wenn nicht andersberichtet, der Übersichtsarbeiten von IARC (1994) und BUA (1994). Erhöhte Risiken für

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lymphatische und hämatopoetische Tumoren wurden in den meisten der vorliegendenStudien an Berufstätigen bei Expositionskonzentrationen von $ 5 ppm beobachtet, evtl.auch noch geringeren Luftbelastungen. Bei diesen Kollektiven oder bei anderen Gruppentraten in vergleichbaren Konzentrationen auch gentoxische Effekte in peripheren Lympho-zyten auf, vornehmlich Schwesterchromatidaustausch und Chromosomenaberrationen.Diese Daten zeigen bereits, dass Gentoxizität und Kanzerogenität beim Menschen beigleichen Konzentrationen beobachtet wurden.

An Kanzerogenitätsstudien beim Tier liegen für den inhalativen (und auch oralen) Pfad nurLangzeituntersuchungen vor. Die Wirkkonzentrationen für Kanzerogenität bei inhalativerExposition waren $ 33 ppm, trendmäßig war ein Effekt bereits bei Konzentrationen $ 10ppm zu erkennen. Ab 50 ppm waren in Tierstudien an unterschiedlichen Spezies mit ein-maliger oder mehrmaliger inhalativer Exposition (4 - 6 h Dauer, je nach Studie) in soma-tischen Zellen vermehrte Raten an Chromosomenveränderungen (Schwesterchromatid-austausch und Mikronuklei) zu beobachten. Mittels Extrapolation von Schätzungen desKrebsrisikos bei lebenslanger Exposition von Tieren wurde hieraus ein Humanrisiko von10-4 bei einer 8 h-Exposition gegenüber 15,3 ppm abgeschätzt (vgl. Abschnitt 5.1.2).

Damit zeigt sich in Tierstudien, dass bei Ethylenoxid gentoxische Effekte bei wenighöheren Konzentrationen auftraten als die (gleichfalls aus Tierstudien) abgeschätzteKonzentration für ein 10-4-Risiko bei Einmalexposition.

Hydrazin

Hydrazin verursachte nach oraler Exposition Tumoren in Ratten und Mäusen (IARC,1999). Aus der Studie von Latendresse et al. (1995) mit Exposition gegenüber 750 ppman 1 h/w bei 10 w Exposition (vgl. Abschnitt 5.2.2) kann mittels der T25-Methode einRisiko von 10-4 bei 8 h Exposition gegenüber 1 ppm (1,3 mg/m3) abgeschätzt werden.Diese Abschätzung beinhaltet aber Unsicherheiten bezüglich des zugrundeliegendenMechanismus.

Hydrazin ist mutagen in Bakterien. In weiteren Tests zur Induktion von Gen- und Chromo-somenmutationen sowie DNA-Schäden in vitro wurden positive, aber auch teilweisewidersprüchliche Ergebnisse erhalten. In vivo verursachte Hydrazin DNA-Addukte inmehreren Spezies. Die niedrigste Effektdosis für DNA-Addukte in vivo ist 0,2 mg/kg, beiweiteren Untersuchungen sind die niedrigsten getesteten Dosen bereits 1 - 2Größenordnungen höher (IARC, 1999).

Für einen Vergleich der Krebsrisikoabschätzung für den Menschen mit den Effektdosenfür Gentoxizität können die Körperdosen der Gentoxizitätsstudien in Luftkonzentrationenumgerechnet werden. 0,2 mg/kg entsprechen beim Menschen einer 8 h Exposition ge-genüber ca. 2,1 mg/m3 (Annahmen: 20 m3/d Atemvolumen, 70 kg bei 100 % Resorption).Diese Konzentration liegt nur wenig oberhalb der (unsicheren) abgeschätzten Kon-zentration für ein Risiko von 10-4 bei 8 h Exposition in Höhe von1 ppm (1,3 mg/m3).

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Bis(chlormethyl)ether (BCME)

In peripheren Lymphozyten von Chlormethylether-exponierten Arbeitern (Mischexposition)wurden klastogene Effekte berichtet, die aufgrund von Datenunsicherheiten aber nur alsVerdachtsmomente zu werten sind (Delic und Fairhurst, 1990; WHO, 1998). In vivo liegenweiter 2 Untersuchungen zu klastogenen Effekten im Knochenmark von Ratten(Exposition inhalativ bis 0,1 ppm bzw. 0,475 mg/m3, oral bis 130 mg/kg " d) und 2 zurInduktion von Chromosomenaberrationen im Knochenmark von Hamstern (Expositionoral, einmalig bis 236 mg/kg) vor. In Ratten waren nach subchronischer inhalativer oderoraler Exposition keine signifikanten Erhöhungen festzustellen (aber nur 50 Metaphasenpro Tier ausgezählt, keine Aussagen zur Knochenmarkstoxizität), in Hamstern war einegeringe Rate an Aberrationen zu beobachten (Delic und Fairhurst, 1990).

Die Wirkungsdosen für Gentoxizität in vivo liegen damit (wenn auch keine konkretenDaten für diesen Dosisbereich vorliegen) vermutlich höher als die Wirkungsdosen fürEinmalkanzerogenität bei angenommener Gentoxizität (linear extrapoliert auf ein Risikovon 10-4 0,0022 ppm (0,01 mg/m3).

1,3-Butadien

Butadien verursachte nach inhalativer Exposition von Ratten und Mäusen Tumoren (IARC,1999).

Mittels Extrapolation von Schätzungen des Krebsrisikos bei lebenslanger Exposition vonRatten wurde ein Humanrisiko von 10-4 bei einer 8 h-Exposition gegenüber 138,4 ppm(304,5 mg/m3) abgeschätzt (vgl. Abschnitt 5.2.1).

Die gentoxische Wirkung des Butadiens wurde in vielen Tests in vitro und in vivo unter-sucht. Es erwies sich sowohl in bakteriellen Systemen als auch in Säugerzellen bzw. -organismen als mutagen (u.a. Ames-Test, Genmutationen in Escherichia coli undSaccharomyces cerevisiae, außerplanmäßige DNA-Synthese, Schwesterchromatid-austausch (SCE), HPRT-Test, Chromosomenaberrations-Test (CA), Mikrokerntest (MK),geschlechtsgebundene rezessive Letalmutationen in Drosophila melanogaster). Butadienführte in vitro zu Zelltransformationen. Weiterhin wurde für Butadien die Bindung an DNAin vitro und in vivo nachgewiesen (IARC, 1999).

Kreiling et al. (1986) untersuchten die DNA-Adduktbildung nach inhalativer Exposition.Dazu wurden Mäuse und Ratten in einem geschlossenen System einer anfänglichenKonzentration von 700 ppm ausgesetzt und bis zur Aufnahme von 98 % der Radioaktivitätexponiert (durchschnittliche Exposition nach IARC (1999): 13 ppm, dies ist aber wenigaussagekräftig). Bei Mäusen (4 h Exposition) und Ratten (6,6 h Exposition) wurde indiesem Versuch DNA-Adduktbildung in der Leber beobachtet. Koivisto et al. (1998)beobachteten nach 5-maliger 6 h-Exposition gegenüber 200 ppm ebenfalls in beidenSpezies DNA-Addukte.

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Die Konzentrationen für Gentoxizität und Kanzerogenität bei Kurzzeitexposition (200 vs.138 ppm) liegen damit in vergleichbarer Größenordnung, wobei ein direkter Vergleichwegen der mehrmaligen Exposition bei Koivisto et al. (1998) unsicher ist.

Formaldehyd

Bei Formaldehyd ist der Mechanismus der Kanzerogenese (Rolle der Zytotoxizität zurGentoxizität, zusätzliche zytotoxische Komponente) noch in der Diskussion. Otteneder undLutz (1999) verweisen zudem auf die eingeschränkte quantitative Verlässlichkeit vonDNA-Adduktbestimmung nach Einmalexposition. Aus diesem Grund erscheint einVergleich der Effektkonzentrationen für gentoxische und kanzerogene Wirkungen nichtsinnvoll.

Hexamethylphosphoramid (HMPA)

In einer Kanzerogenitätsstudie von (Lee und Trochiomowicz, 1982a,b,c; 1984) tratenbereits bei Konzentrationen ab 50 ppb entsprechend 0,37 mg/m3 (6 h/d, 5 d/w, 12Monate) Tumoren auf. Wenn man hieraus eine Zeitextrapolation auf Einmalexpositiondurchführt, ergibt sich für kanzerogene Wirkung ein T25-Wert für einmalige Exposition vonca. 17,6 ppm (126 mg/m3).

In der Studie von Harman et al. (1997) wurde nach 6 h Exposition von Ratten bei 3 ppm(22 mg/m3) Induktion von Zellproliferation im Nasengewebe beobachtet. Dies istvermutlich ein zentraler Prozess der Tumorigenese. Möglicherweise ist Gentoxizität dieUrsache für den mitogenen Effekt, dies ist aber beim gegebenen Wissenstand noch nichtzu klären. Es liegen keine entsprechenden Versuche vor.

Ein Vergleich von gentoxisch und kanzerogen wirkenden Konzentrationen kann nichterfolgen.

Benzol

Für Benzol liegt eine Vielzahl von Humanuntersuchungen und Tierstudien zu kanzerogenerWirkung vor (vgl. z. B. ATSDR, 1997). Auf Basis dieser Befunde wurden von mehrerenAutoren Risikoabschätzungen vorgenommen. Eine Schätzung zur Leukämieentstehungbei Benzol-exponierten Arbeitern mit guter Absicherung gibt eine Spanne des unit riskvon 2,2 - 7,8 " 10-6 pro 1 µg/m3 an (EPA, 2000). Umgerechnet auf ein Risiko von 10-4 füreine 8 h-Exposition (Division durch Faktor 6 berücksichtigt) resultieren Luftkonzentra-tionen von 166 - 576 mg/m3). Die niedrigste verlässliche Konzentration für Gentoxizitätberichtet Erexson et al. (1986) mit 1 ppm entsprechend 3,25 mg/m3 für die Induktion vonMikronuklei im Knochenmark bei Mäusen (6 h), bei wenig höheren Konzentrationen auchdie Induktion von Chromosomenaberrationen.

Bei Benzol wurde damit Gentoxizität bei niedrigerer Luftkonzentration beobachtet als die-jenige Konzentration, bei der bei einmaliger Exposition ein Risiko von 10-4 abzuschätzen

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ist.

Zusammenfassung:

Die Ergebnisse des Vergleichs der Effektkonzentrationen für Gentoxizität in vivo und fürKanzerogenität findet sich in der folgenden Tabelle 7-1.

Tabelle 7-1: Vergleich der Effektkonzentrationen für Gentoxizität in vivo undKanzerogenität

Substanz

Luftkonzentration

Gentoxizität in vivoEffektkonzentrationen nachEinmalexposition (mg/m3)

Kanzerogenität (Risiko 10-4, 8h Exposition, extrapoliert vonunit risk oder T25) bei einerKonzentration von (mg/m3)

Dimethyl-hydrazin

4,7 - 10,5

(DNA-Brüche, Pfad-zu-Pfad)

1,3

Ethylenoxid 111

(Mikronuklei, SCE)

28

Hydrazin 2,1

(DNA-Addukte; Pfad-zu-Pfad)

0,25 - 1,6

Butadien 440

(DNA-Addukte, Ratte)

305

Benzol 3,25

(Mikrokerne, Mäuse)

166 - 576

Fazit: Für alle Vergleichsbeispiele, für die ein Vergleich sinnvoll ist, zeigt sich, dass nachEinmalexposition Gentoxizität im lebenden Säuger im Bereich der Konzentrationenauftritt, für die ein Krebsrisiko von 10-4 bei einmaliger Exposition abzuschätzen ist. ImFalle von Benzol findet sich Gentoxizität bereits deutlich unterhalb dem genanntenReferenzrisiko für Krebserkrankungen.

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8 Machbarkeit: Möglichkeiten der Bewertung der kanzerogenen Potenznach Einmalexposition

8.1 Methodischer Vorschlag

Es hat sich gezeigt, dass die Abschätzung der Kanzerogenität nach Einmalexposition mitrelevanten Unsicherheiten verbunden ist. Dennoch bestätigen substanzspezifischekursorische Auswertungen:

a) die krebserzeugende Wirkung kann ein relevanter Endpunkt in Störfall-szenarien sein,

b) die mit Hilfe des Defaultansatz (lineare Umrechnung unter zusätzlicherBerücksichtigung eines Modifikationsfaktors von 6) ermittelte Größen-ordnung der kanzerogenen Wirkung ist plausibel.

Es wird deshalb vorgeschlagen, diesen methodischen Ansatz, wie er auch bei denAEGL-Werten angewendet wird, als Konvention für die Störfallbeurteilung zu überneh-men. Sofern substanzspezifische Daten vorliegen, sollten diese für eine besser qualifi-zierte Ableitung ergänzend herangezogen werden. Eine Differenzierung nach Mechanis-mus (gentoxische/nichtgentoxische Wirkung) kann nicht abgesichert werden. Bei Zytotoxi-zität als dominierendem Mechanismus der Kanzerogenese ergibt sich jedoch automa-tisch bei der Einhaltung des AEGL-2 auch eine Einhaltung der Kanzerogenitätsschwelle.

Ob die juristische Definitionsebene der so abgeleiteten Werte einer hinreichend abge-sicherten “ernsten Gefahr“ im Sinne der Störfallverordnung genügt, kann angesichts derdargestellten Unsicherheiten nicht abschließend bewertet werden.

Es wird vorgeschlagen, eventuelles Handeln an dem Vergleich zwischen AEGL-2 undKrebsrisiko festzumachen, nicht an dem Vergleich zwischen AEGL-3 und Krebsrisiko,weil ohnehin mit AEGL-2 weitreichende regulative Maßnahmen verbunden sind und weileine Absenkung des AEGL-3 angesichts der Unsicherheiten, die mit der Krebsrisiko-bewertung verbunden sind, unangemessen wäre: die entsprechenden Maßnahmen (z.B.Evakuierung etc.) wären selbst wiederum mit relevantem Risiko verbunden und müsstenmit dem Erfolg gegengewogen werden.

8.2 Umsetzung bei störfallrelevanten Substanzen

Datenlage bei den Stoffen der Prioritätsliste (NRW, 13-02-2002)

1,2-Dibrom-3-chlorpropan

Bei dieser Substanz ergab die Auswertung von Übersichtsarbeiten (ATSDR, 1992 undIARC, 1999) und eine ergänzende Recherche, dass

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S keine geeigneten Kurzzeitdaten zur Kanzerogenität vorliegen (zwar Spanne von 76- 103 Wochen Exposition in NTP-Studien, aber keine Zeitvergleiche möglich)

S als Wirkungsmechanismus Gentoxizität zu vermuten istS keine pharmakokinetischen Modelle (PBPK-Modelle) existierenS keine AEGL-Werte oder analoge Werte abgeleitet wurden.

Aufgrund der (vermutlich) möglichen linearen Extrapolation in den Niedrigdosisbereichdürfte bei fehlenden Kurzzeitdaten eine Default-Vorgehensweise resultieren (Wertung:weitere Detailbetrachtung vermutlich nicht sinnvoll).

1,2-Dibromethan

Bei dieser Substanz ergab die Auswertung aktueller Übersichtsarbeiten (IARC, 1999)und eine ergänzende Recherche, dass

S keine geeigneten Kurzzeitdaten zur Kanzerogenität vorliegen (zwar eine Studie mitnur 53 Wochen Expositionsdauer (oral), aber keine Zeitvergleiche möglich)

S als Wirkungsmechanismus Gentoxizität zu vermuten istS PBPK-Modelle existierenS keine AEGL-Werte oder analoge Werte abgeleitet wurden.

Aufgrund der (vermutlich) möglichen linearen Extrapolation in den Niedrigdosisbereichdürfte bei fehlenden Kurzzeitdaten eine Default-Vorgehensweise resultieren, wenn auchein PBPK-Modell existiert (Wertung: weitere Detailbetrachtung vermutlich nicht sinnvoll).

Benzotrichlorid

Bei dieser Substanz ergab die Auswertung von Übersichtsarbeiten (ACGIH, 1998 undBG Chemie, 1995) und eine ergänzende Recherche, dass

S Kurzzeitdaten zur Kanzerogenität vorliegen (inhalativ: 30 min/d, Einmalexpositionsowie über 2, 5 und 12 Monate bei Mäusen; 6 h/d für 1, 3, 6 und 24 Monate beiRatten)

S als Wirkungsmechanismus Gentoxizität zu vermuten ist (auch Gentoxizitätsstudienbei verschiedener Expositionsdauer vorhanden), evtl. aber auch andereMechanismen (starke Reizwirkung) von Relevanz sind

S keine PBPK-Modelle existierenS keine AEGL-Werte oder analoge Werte abgeleitet wurden.

Unter Einbeziehung von Kurzzeitdaten und bei Abwägung des Wirkungsmechanismusscheint eine stoffspezifische Verbesserung gegenüber der Default-Vorgehensweisemöglich (Wertung: Detailbetrachtung vermutlich sinnvoll).

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Diethylsulfat

Bei dieser Substanz ergab die Auswertung von Übersichtsarbeiten (IARC, 1999 undHenschler, 1981) und eine ergänzende Recherche, dass

S Kurzzeitdaten zur Kanzerogenität vorliegen (s.c. Exposition mit Einmalapplikationund einmal/Woche über 49 Wochen bei Ratten)

S als Wirkungsmechanismus Gentoxizität zu vermuten ist, evtl. aber auch andereMechanismen (Reizwirkung) von Relevanz sind

S keine PBPK-Modelle existierenS keine AEGL-Werte oder analoge Werte abgeleitet wurden.

Unter Einbeziehung von Kurzzeitdaten (Pfad-zu-Pfad-Extrapolation) und bei Abwägungdes Wirkungsmechanismus scheint eine stoffspezifische Verbesserung gegenüber derDefault-Vorgehensweise möglich (Wertung: Detailbetrachtung vermutlich sinnvoll).

Dimethylsulfat

Bei dieser Substanz ergab die Auswertung von Übersichtsarbeiten (IARC, 1999 undHenschler, 1985/86) und eine ergänzende Recherche, dass

S Vergleichsdaten zur Kanzerogenität bei unterschiedlich häufiger Exposition vor-liegen (6 h/d, 2-mal/w; 6 h/d 1-mal/14d; 1 h 4-mal/Vierteljahr; alle 15 MonateDauer, Hamster (unveröffentlichte Studie, möglicherweise zugänglich); evtl. ergän-zend noch s.c. Exposition, einmal und 1-mal/w, aber hier Gesamtdauer nicht ange-geben, Ratte)

S als Wirkungsmechanismus Gentoxizität zu vermuten ist, evtl. aber auch andereMechanismen (Reizwirkung) von Relevanz sind

S keine PBPK-Modelle existierenS es liegt ein ERPG-Entwurf von Frau Prof. Dr. Stephan (Störfallkommission) vor.

Unter Einbeziehung von Vergleichsdaten mit unterschiedlicher Expositionshäufigkeit undbei Abwägung des Wirkungsmechanismus scheint eine stoffspezifische Verbesserunggegenüber der Default-Vorgehensweise möglich (Wertung: Detailbetrachtung vermutlichsinnvoll).

Ethylenoxid

Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie ergaben, dass bei dieser Substanz vermutlichdie Default-Vorgehensweise der Risikoabschätzung zum Tragen kommt (Wertung:Detailbetrachtung vermutlich nicht sinnvoll).

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Formaldehyd

Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie ergaben, dass bei dieser Substanz bei stoffspe-zifischer Betrachtung vermutlich eine Verbesserung der Risikoabschätzung gegenüberder Default-Vorgehensweise resultiert (Wertung: Detailbetrachtung vermutlich sinnvoll).

Hydrazin

Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie ergaben, dass bei dieser Substanz bei stoffspe-zifischer Betrachtung vermutlich eine Verbesserung der Risikoabschätzung gegenüberder Default-Vorgehensweise resultiert (Wertung: Detailbetrachtung vermutlich sinnvoll).

Propylenoxid

Bei dieser Substanz ergab die Auswertung von Übersichtsarbeiten (ACGIH 1998, undGreim, 1996) und eine ergänzende Recherche, dass

S keine Kurzzeitdaten zur Kanzerogenität vorliegenS als Wirkungsmechanismus Gentoxizität zu vermuten istS keine PBPK-Modelle existierenS AEGL-Werte oder analoge Werte abgeleitet wurden

Damit kommt bei dieser Substanz vermutlich die Default-Vorgehensweise der Risiko-abschätzung zum Tragen (Wertung: Detailbetrachtung vermutlich nicht sinnvoll).

Vinylchlorid

Für diese Substanz ist bekannt, dass Kurzzeitdaten vorliegen, die eine erhöhte Empfind-lichkeit bei Einwirkung in frühen Lebensstadien belegen. Es existieren mehrere PBPK-Modelle und Wirkungsmechanismus Gentoxizität scheint hinreichend abgesichert. AEGL-Werte werden zur Zeit von unserem Institut abgeleitet (Draft-Status).

Unter Einbeziehung von Kurzzeitdaten und bei Einbeziehung der pharmakokinetischenModelle scheint speziell bei Vinylchlorid eine stoffspezifische Verbesserung gegenüberder Default-Vorgehensweise möglich (Wertung: Detailbetrachtung vermutlich sinnvoll).

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Tabelle 8-1: Übersicht über die Datenlage bei Stoffen der Prioritätsliste

Stoff EUCanz.Cat

Vergleich Kurzzeit/Langzeitdaten fürKanzerogenität

möglich?

Gentoxizität (EU Muta Cat oder in

vivo-Daten:+/-)

vermuteterWirkungs-

mechanismus

AEGL-Wert(oder

Analoge)

PBPK-Modell

Detail-betrachtung

sinnvoll ?

1,2-Dibrom-3-chlorpropan

2 - 2 G - - -

1,2-Dibrom-ethan

2 - + G? - + -

Benzotrichlorid 2 + + G/andere? - - +

Diethylsulfat 2 + 2 G/andere? - - +

Dimethylsulfat 2 + 3 G/andere? + (ERPG)1) - +

Ethylenoxid 2 - 2 G/andere? + + -

Formaldehyd 3 + + G + S + (ERPG) + +

Hydrazin 2 + + G/andere? + - +

Propylenoxid 2 - 2 G + - -

Vinylchlorid 1 + + G + (Draft) + +

Anmerkungen: G:gentoxische Wirkung; andere?: unklar, ob andere Wirkungsmechanismen Nichtlinearität der Dosis-Wirkungsbeziehung bedingen; S: Schwellenwert; ERPG: Emergency Response Planning Guidelines; 1):es liegt einERPG-Entwurf von Frau Prof. Dr. Stephan (Störfallkommission) vor.

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