Magazin Museum.de Nr. 18

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1 MAGAZIN MUSEUM.DE Ausgabe 18 09 | 2014 http://www.museum.de Mathematisch-Physikalischer Salon Staatliche Kunstsammlungen Dresden

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MAGAZINMUSEUM.DE

Ausgabe 18 09 | 2014 http://www.museum.de

Mathematisch-Physikalischer Salon

Staatliche Kunstsammlungen Dresden

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BMW-Museum.

Es gibt in Deutschland viele Museen, die privatwirtschaftlich geführt werden. Sie sind in den verschiedensten Katalogen gelistet, jedoch vermeidet man bei der ein oder anderen Einrichtung den Begriff „Museum“ als Namensbestandteil. Ein Museum ist ein Museum – auch wenn es privatwirtschaftlich geführt wird.

BMW blickt auf eine hundertjährige Fir-mengeschichte zurück. In dieser Zeit ent-wickelten die Konstrukteure stets moder-ne Pkw und Motorräder, deren Design auch den Zeitgeist widerspiegelte. Bei meinem Besuch im BMW-Museum sah ich viele Old- und Youngtimer, die auf der Straße inzwischen zu einer Sel-tenheit geworden sind. Erinnerungen wurden wach: Pünktlich zu meinem 18. Geburtstag wurde ich glücklicher Inhaber

eines Führerscheins. Schon Monate zuvor schienen die vier Räder das Wichtigste auf der Welt zu sein. Ein Klassenkamerad hat-te das erste Auto, und wir fuhren wäh-rend einer ausgedehnten Freistunde im voll besetzten Käfer zum Eisessen nach Venlo im benachbarten Holland. Das war wie eine Unabhängigkeitserklärung.

Wer es geschafft hat, mit der BMW-Isetta inklusive Freundin und Gepäck die Alpen zu durchqueren, der fühlt sich beim An-blick der cremefarbenen „Knutschkugel“ im Museum in alte Zeiten versetzt.

Nun war wirtschaftlicher Erfolg die Grundlage dafür, später überhaupt ein solches Museum eröffnen zu können. Für die BMW-Mitarbeiter ist das Museum vermutlich wie eine Ahnengalerie. Nach meinem Eindruck findet sich dort die See-le des Unternehmens, wo man auch viele Gäste aus der ganzen Welt willkommen heißt.

Herzlichst, Ihr Uwe Strauch

In diesem Heft Seite

Der PS.Speicher - Räder, die uns bewegen 4

MUSEUMSTREFFEN 2014 in Dresden 12

Attentat auf Hitler. Stauffenberg und mehr. 16

Anne Frank Huis, Amsterdam 30

LVR-Freilichtmuseum Kommern 36

Museum Boerhaave, Leiden 42

DO-DAYS, Dornier Museum Friedrichshafen 48

1250 Kindergeburtstage, Kreismuseum Peine 54

Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen. 58

Mathematisch-Physikalischer Salon, Dresden 66

Chargesheimer. Entdeckung des Ruhrgebiets 76

Das Bergbaumuseum Oelsnitz 82

Anatomicum Marburg 88

„At the Getty“, Los Angeles 96

BMW Museum 108

Kever Tor Xanten 120

Gabriele Fink, Leiterin BMW-Museum, und Uwe Strauch (Gründer museum.de) vor dem BMW-Rekordmotorrad von Ernst Jakob Henne. Foto: © Uwe FischerTitelseite: Mathematisch-Physikalischer Salon, Langgalerie. © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Hans Christian Krass

MAGAZIN MUSEUM.DE

Ausgabe Nr. 18 Herausgeber Kurfürstenstr. 9 Telefon 02801-9882072 [email protected] Druck: Strube Druck & Medien

September 2014 Uwe Strauch, Dipl.-Inf. TU 46509 Xanten Telefax 02801-9882073 www.museum.de Vers.: Dialogzentrum Rhein-Ruhr

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Der PS.Speicher – Räder, die uns bewegenAutor: Dr. Wolfgang Roddewig, ERCO Leuchten GmbH

Die mittelalterliche Fachwerkstadt Einbeck ist um eine Attraktion rei-cher: Nach fünfjähriger Planungs- und Bauzeit präsentiert sich die Erleb-nisausstellung PS.Speicher in einem denkmalgeschützten ehemaligen Kornspeicher auf über 6.500 m². Auf sechs Etagen – den ehemaligen Spei-cherböden – werden rund 300 ein-zigartige historische Fahrräder, Mo-torräder und Automobile aus einer der größten privaten Sammlungen der Welt gezeigt. In einem Nebenge-bäude präsentieren sich 26 Klein- und Kleinstwagen aus der Zeit des „Wirt-schaftswunders“.

Viele Jahre ungenutzt, öffnete der denk-malgerecht restaurierte Baukomplex des ehemaligen Kornhauses im Juli 2014 sei-ne Tore zu neuem Leben. Die ehemaligen Schüttböden, die als Lagerflächen für die Kornvorräte der Einbecker Kornhaus-Ge-nossenschaft dienten, beherbergen nun seltene Zeitzeugen der individuellen Mo-torisierung: Dort, wo früher das Futter für starke Pferde lagerte, stehen heute histo-rische Pferdestärken. So erklärt sich auch der Name PS.Speicher.

Das gut erhaltene Gebäude vermittelt einen Eindruck von der Atmosphäre der damaligen Zeit. Eine separat zugängliche Ausstellung zum historischen Kornhaus thematisiert die Architektur, die bewegte Geschichte des Gebäudes und die Funkti-onsweise der in Teilen gut erhaltenen his-torischen Lager- und Abfüllanlage. Der Stifter und seine Sammlungen

Trägerin des PS.Speichers ist die von dem Einbecker Unternehmer Karl-Heinz Reh-kopf im Jahr 2009 gegründete gemein-nützige Kulturstiftung Kornhaus. Der leidenschaftliche Sammler historischer Fahrzeuge war sechzehn Jahre alt, als er sich sein erstes eigenes Motorrad, eine Victoria mit 100 cm³, Baujahr 1938, für hart erarbeitete 100 DM kaufte. Seitdem sind über sechzig Jahre vergangen und seine Sammlung deutscher historischer

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Motorräder ist inzwischen weltweit die größte ihrer Art.

„Das ging natürlich langsam los. Ich konnte es mir erst nach und nach leisten, mir meine Jugendträume zu erfüllen“, erinnert sich Karl-Heinz Rehkopf. Inzwi-schen ist die Sammlung auf über 1.000 historische Zwei-, Drei- und Vierräder angewachsen. Neben seiner Begeiste-rung für die technischen Feinheiten und vielfältigen Formen seiner motorisierten

Sammelobjekte war es ihm von Anfang an wichtig, dieses technische Kulturgut zu erhalten, zu bewahren und zu pflegen. „Alle Motorräder sind durch meine Hän-de gegangen“, sagt er nicht ohne Stolz.

Vor einigen Jahren wuchs dann die Idee, noch einen großen Schritt weiter zu ge-hen. „Ich hatte und habe den Wunsch, mit einem modernen und lebendigen Ausstellungskonzept dauerhaft Besucher zu faszinieren und meine Freude an der

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Sammlung mit anderen Technikbegeis-terten zu teilen.“ So suchte und fand Karl-Heinz Rehkopf weitere Mitstreiter und gründete 2009 die gemeinnützige Kulturstiftung Kornhaus, in die er seine Sammlung als Stiftungskapital einlegte. Ausstellungsarchitektur und Licht-konzept

Die Innenarchitektur, das Ausstellungs-konzept sowie die Leitwege-Konzeption

entwickelte die auf Design und Innenar-chitektur spezialisierte Agentur ö_kon-zept aus Zwickau. Die baulichen Gege-benheiten im ehemaligen Kornspeicher und die Anforderungen des Denkmal-schutzes stellten das Ausstellungsteam beim Innenausbau vor spezielle Heraus-forderungen. Auf den sechs ehemaligen Speicherböden können Besucher nun an-schaulich und interaktiv nachempfinden, in welchen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen sich

Menschen seit mehr als 130 Jahren auf Rädern bewegen.

Historische Fahrräder, Motorräder und Automobile erzählen spannende Ge-schichten: Eine Straßenszene der „Gol-denen Zwanziger“, eine Milchbar der 1950er Jahre oder das Disco-Fieber der 1970er Jahre lassen den Besucher das ausgestellte Vehikel in seinem ursprüngli-chen Umfeld nacherleben. Diese Inszenie-rungen verschiedener Epochen wecken

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vielleicht Erinnerungen, aber auf jeden Fall Emotionen. Ein Zeittunnel gewährt Besuchern einen Blick auf denkbare, teils heute noch utopisch anmutende Visio-nen für die zukünftige Motorisierung und Fortbewegung auf Rädern.

Bei der Ausstellungsgestaltung wurde größter Wert darauf gelegt, dass das äußere Erscheinungsbild der einzelnen Bauelemente hinsichtlich gestalterischer Details einheitlich ist. Dies betrifft vor allem Materialien, Oberflächen, Materi-alstärken, Detailausbildungen, Beschläge und Fugen, aber natürlich auch die ein-heitliche Gestaltung der Beleuchtung.

Das Lichtkonzept mit Stromschienen und Strahlern ist bis auf Randbereiche konsequent mit nur einer Strahlerfamilie durchgeführt worden. Eingesetzt werden LED-Cantax-Strahler von ERCO mit einer warmweißen Lichtfarbe. Das einfache und klare Design stammt von Naoto Fu-kasawa und passt sich unmerklich an den technoiden Charakter der Ausstellung an.

Alle Strahler sind schwarz und nehmen sich daher sehr zurück, sie treten nicht in Konkurrenz zum Exponat. Eine Ausnah-me ist lediglich das helle, offene Foyer, in dem weiße Cantax-Strahler zum Einsatz kamen. Im Multifunktionsraum findet man zusätzlich RGBW-Cantax-Strahler mit einer DALI-Steuerung, um farbige Effekte zu erzeugen.

1950 - 1961 Der europäische Traum – vom Zweirad zum eigenen Auto

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LED-Cantax-Strahler sind nicht nur wirt-schaftliche Lichtwerkzeuge, sondern mit den werkzeuglos wechselbaren Sphero-litlinsen können differenzierte Lichtlö-sungen für die verschiedenen Exponate erzeugt werden. Lichtverteilungen von Spot bis Flood, sowie asymmetrische Oval Flood-Lösungen bis zur Wandflutung sind mit dem gleichen Strahler realisierbar. Überwiegend wurden LED 12W-Strahler eingesetzt, in einigen Bereichen, wo auf-grund der Raumhöhen mehr Licht erfor-derlich war, wurden LED 24W-Strahler im gleichen Design verwendet.

Die sorgfältig eingerichtete Beleuchtung im PS.Speicher erfüllt alle Anforderun-gen einer modernen und wirtschaftlichen Szenografie in der Ausstellung. Auch ist ein Lampenwechsel bei der Vielzahl der eingesetzten Strahler nicht mehr nötig, da bei LED-Leuchten aufgrund ihrer lan-gen Lebensdauer von 50.000 Stunden keine Wartung erforderlich ist.

Fotos: Dirk Vogel für ERCO GmbH

Fazit

Familien und Oldtimerfreunde, Motor-rad-Clubs und Schulklassen sowie Tech-nikinteressierte und Touristen können im PS.Speicher erleben, erfahren und erkunden, wie Tüftler und Erfinder mit neuen technischen Errungenschaften die individuelle Fortbewegung immer weiter entwickelt haben. Eine eindrucksvolle Ausstellungsarchitektur und Präsentation führt den Besucher durch die Jahrzehnte der Mobilität und Motorisierung, lässt ihn aber auch teilhaben mit Hilfe von über 80 Aktivstationen.

Weitere Informationen zum Projekt und zu den eingesetzten Produkten sind unter www.erco.com oder unter der nachfol-genden Adresse erhältlich:

Dr.-Ing. Wolfgang RoddewigLeiter Segment MuseumReichenberger Str. 113a, 10999 BerlinTel. 030-769 967 14email [email protected]

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Ich bin Architektin.Ich plane keine Gebäude.Sondern Orte, an denen Menschen sich wohlfühlen.Am Anfang eines Auftrages setze ich mich nicht in ein ruhiges Büro.Ich setze mich in das belebteste Café am belebtesten Platz der Stadt.Sehe die Menschen.Höre die Geschichten.Rieche den Duft.Fühle das Licht.Ich sitze da und warte, bis der Funke an meinen Tisch kommt.Er stupst mich an und sagt „So machen wir es. Genau so.“Ich bin Architektin.Ich plane keine Gebäude.Sondern Orte, an denen Menschen sich wohlfühlen.

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EINLADUNG

Das MUSEUMSTREFFEN findet in diesem Jahr am 8. Oktober unter dem Motto „Der begeisterte Museumsbesucher“ im Militärhistorischen Museum der Bundes-wehr in Dresden statt.

Gern möchten wir Sie zu der Veranstal-tung am besucherfreien Tag des Muse-ums einladen. Während der Pausen ha-ben Sie die Gelegenheit, die Ausstellung des Museums zu besichtigen.

Unser Dank gilt den Sponsoren:Zur Teilnahme sind ausschließlich Mitar-beiter aus Museen und der Sponsoren berechtigt. Hierzu ist eine Anmeldung unter http://treffen.museum.de erforder-lich. Für die ganztägige Teilnahme wird eine Bewirtungspauschale in Höhe von 29 Euro erhoben, mit deren Begleichung eine erfolgreiche Anmeldung abschließt.Bei einer Registrierung über das Fax-For-mular prüfen Sie bitte vorher unter o.g. Webadresse, ob noch Plätze frei sind.Idealerweise registrieren Sie sich bitte aus-schließlich Online.

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EXHIBITION

MUSEUMSTREFFEN 2014

am 8. Oktober im

Militärhistorischen Museum

der Bundeswehr in Dresden

Foto: © MHM/Bundeswehr

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AGENDA

09:30 - 10:00

Prof. Dr. Sunhild KleingärtnerGeschäftsführende Direktorin des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Bremerhaven

Erleben - Erinnern - Erforschen: Das Besucherverhalten im Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven.

10:00 - 10:30

Dr. Ulrich Rosseaux Stellvertretender Direktor des Geldmuseums der Deutschen Bundesbank, Frankfurt

Das Geldmuseum der Deutschen Bundesbank - Erfahrungen und Perspektiven.

11:30 - 12:00

Dr. Karl Borromäus Murr Museumsleiter tim | Staatli-ches Textil- und Industriemuseum Augsburg

Der „bewegte“ Museumsbesucher im Spannungsfeld von Bildung, Erlebnis, Performanz und Partizipation. Ein Erfah-rungsbericht aus dem Staatlichen Textil- und Industriemu-seum Augsburg (tim)

12:00 - 12:30

Otto SteinerSteiner Sarnen Schweiz AG, Szeongraf

Berührende Momente

08:15 Einlass

08:30 - 09:00 Frühstück

10:30 - 11:30 Pause 60 Minuten

09:00 - 09:20

Oberst Prof. Dr. RoggDirektor Militärhistorisches Museum der Bundeswehr DresdenBegrüßung

09:20 - 09:30

Uwe StrauchGründer museum.de, XantenDer begeisterte Museumsbesucher

12:30 - 13:45 Mittagsbuffet 75 Minuten

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AGENDA

13:45 - 14:15

Reimund HeinischLeiter Besucherservice, Ausstellungsmanagement und Werksführungen, Porsche-Museum, Stuttgart

Faszination Automobil. Wie begeistert das Porsche - Museum Museumsbesucher.

14:15 - 14:45

Prof. Heinrich Theodor GrütterDirektor Ruhr Museum, Essen

Fremdes und Vertrautes. Das Museum als Heterotop und Identitätsfabrik.

15:30 - 16:00

Dr. Sabine Wolfram Direktorin Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Aller Anfang ist leicht.

16:00 - 16:30

Dr. Peter Plaßmeyer Direktor Mathematisch-Physikalischer Salon / Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Foto: © SKD, Jürgen Lösel

Ein Erfahrungsbericht ein Jahr nach der Wiedereröffnung vom Mathematisch-Physikalischen Salon.

14:45 - 15:30 Pause 45 Minuten

16:30 - 17:30 Come together mit Radeberger Pils vom Faß

Moderation: Petra AlbrechtWDR Düsseldorf

MUSEUMSTREFFEN 2014

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„Attentat auf Hitler. Stauffenberg und mehr“

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Ausstellung vom 4. Juli 2014 bis 4. No-vember 2014 im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden

Am 20. Juli 1944 detonierte eine Bombe bei einer Lagebesprechung im „Führerhauptquartier Wolfschan-ze“ in Ostpreußen. Der Anschlag galt Adolf Hitler. Wenige Stunden später kam es zu einem Staatsstreichver-such in Berlin. Das NS-Regime sollte gestürzt und ein neuer Rechtsstaat aufgebaut werden. Vieles war vorbe-reitet, doch der Plan scheiterte. Hitler überlebte das Attentat mit nur leich-ten Verletzungen. Die am Umsturz-versuch beteiligten Personen, ihre Unterstützer und Mitwisser wurden anschließend durch das NS-Regime verfolgt, gefoltert und hingerichtet. Rund 200 von ihnen verloren ihr Le-ben. Familienangehörige kamen in die sogenannte Sippenhaft. Nur weni-ge Namen der Verschwörer sind heute noch im öffentlichen Gedächtnis prä-sent.

Links: Martin Bormann und Hermann Göring (Bildvordergrund) besichtigen in Begleitung von Luftwaffenoffizieren die zerstörte Lagebaracke nach dem Attentat am 20. Juli 1944.

Quelle: Gedenkstätte Deutscher Wider-stand

„Attentat auf Hitler. Stauffenberg und mehr“ Autorin: Linda von Keyserlingk

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Sammlung des Militärhistorischen Muse-ums von Alfred Hrdlicka (1928–2009) und Petrus Wandrey (1939–2012) fordern die Betrachter in ihrer starken und pointier-ten Darstellung zur eigenen Reflexion und Stellungnahme heraus. Sie stehen für die Vielschichtigkeit der Beurteilungen und In-terpretationen des Umsturzversuches und seiner Beteiligten.

Der Siebdruck „Heldenporträt. Claus Schenk Graf von Stauffenberg“ des in Dresden geborenen und später in Hamburg arbeitenden Künstlers Petrus Wandrey (1939-2012) ist ein Schlüsselexponat der Ausstellung. Er zeigt den Protagonisten in einem verpixelten Schwarzweißfotodruck mit Engelsflügeln. Nach eigenen Angaben des Künstlers stellt die Figur des Engels in seinem Ge-samtwerk weniger einen Erlöser, als einen Wegweiser und Vermittler dar. Engel sind für Wandrey eine Metapher für wieder-kehrende Themen wie Krieg und Frieden, Unterdrückung, Liebe, Verfremdung oder Vergangenheit und Gegenwart. Die Kon-traste des Stauffenberg-Engels sind hoch, Grauabstufungen gibt es kaum bzw. gar nicht. Unterschwellig mag sich dadurch die Frage nach einer notwendigen bzw. zulässigen Schwarzweißmalerei in der Re-zeption des 20. Juli 1944 stellen.

Der gelbe Boden und der schwarz-rote Hintergrund des Siebdrucks verweisen auf die deutschen Nationalfarben. Stauffen-berg erscheint wie ein einsamer Held vor dem Hintergrund einer blutroten deut-schen Geschichte. Die weltberühmten En-gel von Raffaels Meisterwerk „Sixtinische Madonna“ (1512/13) sind spiegelverkehrt dargestellt. In der Hand halten sie Fähn-chen von Großbritannien, der Sowjetuni-on, den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich – die Mächte, unter denen Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden ist. Der so schwierig zu interpretierende Blick der beiden weltberühmten Engel scheint die Frage in sich zu tragen, wie die Welt auf die jüngste deutsche Geschich-te schaut. Wie haben die Siegermächte Stauffenberg und damit den Widerstand des 20. Juli 1944 bewertet? Neben Nach-denklichkeit schwingt auch Gleichgültig-keit mit. Möglicherweise auch Ungläubig-keit, ob der deutsche Widerstand wirklich etwas gegen das NS-Regime tun wollte oder konnte. Ebenso könnten sich die En-gel fragen, wie die Entwicklung verlaufen wäre, wenn der Widerstand Unterstüt-zung insbesondere von den Westmächten

Der Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg ist in den vergangenen Jahr-zehnten immer stärker zu einem Symbol für den Widerstand gegen den National-sozialismus geworden. 70 Jahre nach dem Staatsstreichversuch vom 20. Juli 1944 er-innert die Sonderausstellung „Attentat auf Hitler. Stauffenberg und mehr“ im Militär-historischen Museum der Bundeswehr an dieses Ereignis. Wie ein Weitwinkelobjektiv öffnet die Ausstellung die Grenzen des ge-wohnten Blickfeldes, indem sie den Fokus nicht nur auf eine Person richtet, sondern an die Vorgeschichte des Ereignisses und die Männer und Frauen erinnert, die ge-meinsam mit Stauffenberg im Widerstand aktiv waren – einige bereits seit 1938. Die Ausstellung zeigt die Komplexität der Ver-schwörung, die jahrelang vorbereitet wor-den war und schließlich auf dramatische Weise scheiterte.Stellvertretend für die große Anzahl der Verschwörer werden 14 Protagonisten porträtiert, die – je nach ihrem Handlungs-spielraum und Charakter – unterschiedli-che Aufgaben und Funktionen innerhalb der Verschwörung ausübten. Während einige von ihnen Truppen bereit stellen konnten, schrieben andere die Umsturz-pläne, beschafften Sprengstoff, suchten Verbündete im Ausland, vermittelten zwi-schen den einzelnen Gruppen oder entwi-ckelten Aufbaupläne für die Zeit nach dem Staatsstreich. In einer Medienstation wird die Vielfalt der am Umsturz beteiligten Personen auch grafisch deutlich. Zu sehen ist, wie eng Angehörige des Militärs und verschiedenste zivile Widerstandsgruppen miteinander vernetzt waren. Die Kontak-te zwischen regimekritischen Offizieren, Vertretern nationalkonservativer Kreise, ehemaligen Gewerkschaftern und Sozial-demokraten sowie Kirchenvertretern und liberalen Unternehmern sind seit den ers-ten Umsturzplanungen im Jahr 1938 kon-tinuierlich auf- und ausgebaut worden. Mehr als 200 Personen hatten sich aktiv an der Vorbereitung des Attentats- und Um-sturzversuches beteiligt oder stellten sich für den Wideraufbau eines neuen Rechts-staates zur Verfügung.

Die Rezeption des 20. Juli 1944 hat sich im Verlauf der vergangenen 70 Jahre von einer stark negativen zu einer vornehmlich positiven Beurteilung gewandelt. Die ver-schiedenen Sichtweisen und Bewertungen in Ost- und Westdeutschland sowie im Ausland waren – und sind – häufig von innen-, außen- oder tagespolitischen Fak-toren bestimmt gewesen. Die in der Aus-stellung präsentierten Kunstwerke aus der

Heldenportrait. Claus Schenk Graf von StauffenbergPetrus Wandrey, 2004, Siebdruck auf Leinwand,200 × 130 cm, MHM, BBAP5700

erhalten hätte. Zu Füßen Stauffenbergs wirken sie wie eine Fußnote, die Erinne-rungen an die viel zitierte Mahnung des Mitverschwörers Generalmajor Henning von Tresckow weckt: „Das Attentat muß erfolgen, um jeden Preis. Sollte es nicht gelingen, so muß trotzdem der Staats-streich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Wider-standsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“

Die verschiedenen Beweggründe, sich aktiv am Widerstand gegen das Regime zu be-teiligen, werden auf den 14 biografischen Plakaten der Ausstellung ebenso deutlich wie die jeweilige Art des Widerstandes. Je nach Handlungsspielraum und Charakter übernahmen die Protagonisten bestimmte Funktionen im Widerstand. So wird unter anderem die Bedeutung der militärischen Befehlshaber, der Diplomaten, der Volks-vertreter, der Unterstützer und Vermittler vorgestellt. Die Porträts der Ausstellung sind einer frühen Phase des Widerstandes um 1938/39 und einer späten Phase um 1943/44 zugeordnet. Sie werden eingeführt durch ein Zitat der jeweiligen Person über die aktuelle Lage, die Notwendigkeit zu Handeln oder ihre Motive, aktiv im Widerstand zu wirken. Anschließend wird die Bedeutung ihrer Funktion für den Umsturzversuch sowie ihr Weg in den Widerstand skizziert. Um der dokumentarischen Darstellung etwas Leben einzuhauchen, ist am Ende jedes Porträts ein Zitat von Vertrauten im Wi-derstand über die Charaktereigenschaften dieser Person beigefügt.Die Auswahl der 14 Personen zeigt die vielen Facetten der Beteiligten des 20. Juli 1944 im Hinblick auf den Zeitpunkt und die Art des Widerstandes.

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Wilhelm Leuschner (1890-1944, Hinrich-tung)

Der VolksvertreterGewerkschaftsführer. Hessischer Innenmi-nister. Fabrikant. Wichtiger Repräsentant und Vermittler der Gewerkschaftsbewe-gung

„Ich sitze für mein gutes Wollen nur, weil ich anderer Auffassung war.“Notiz Leuschners im Frühjahr 1933 in sei-ner Haftzelle

„Sie waren völlig machtlos, aber sie alle waren bei den Massen noch bekannt. Leu-schner bedeutete die Gewerkschaft, Mie-rendorff bedeutete die politische Arbeiter-schaft. (...) Im Falle eines Staatsstreiches wussten die Massen: Das ist unser Mann.“Emil Henk, der wie Leuschner auch nach seiner KZ-Haft noch im Widerstand aktiv blieb, über die am Umsturz beteiligten So-zialdemokraten, nach 1945

Wilhelm Leuschner. Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Carlo Mierendorf (1. von links obere Reihe) und Wilhelm Leuschner (3. von links obere Reihe) als Häftlinge im Konzentrationslager Lichtenburg, Winter 1933/34Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

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„Abwehr“-Ausweis von Hans Oster. Ausgestellt in Berlin, am 31. August 1939. MHM, BBAE7266

Von 1938 bis 1944 gab es zahlreiche zivil-militärische Umsturzvorbereitun-gen. Hierfür mussten Informationen zusammengetragen, Kontakte ge-knüpft und konkrete Aktionen koordi-niert werden. In der frühen Phase fiel vor allem Hans Oster im Amt Ausland/Abwehr diese Aufgabe zu.

Hans Oster (1887-1945, Hinrichtung)

Der Koordinator

Generalmajor. Leiter der Zentralabteilung des Amtes Ausland / Abwehr im Ober-kommando der Wehrmacht. Koordinator der Verschwörung 1938. Unermüdlicher Motivator im Widerstand

„Der Berufssoldat sollte der überzeugteste Pazifist sein, denn er kennt den Krieg und daher auch die Verantwortung.“Oster zu seinem Sohn Achim Oster, ver-mutlich um 1938

Oster war „derjenige Offizier, der am klarblickendsten, am entschlossensten, am unentwegtesten gegen die braune Tyran-nei gekämpft hat – und am längsten.“Hans Bernd Gisevius, Mitverschwörer 1938

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Axel Freiherr von dem Bussche als Leutnant an der Front, um 1940. Quelle: Nicola Dietzsch-Doertenbach

Axel Freiherr von dem Bussche-Streit-horst (1919-1993)

Der AttentäterHauptmann. Frontoffizier. Zum Attentat bereit

„Denn uns ging es wirklich darum, die Ar-mee eidfrei zu machen, den Zustand für einen Staatsstreich zu schaffen.“Bussche in einem Interview um 1990 über die Notwendigkeit des Attentats

„Bussche war ein beeindruckender junger Mensch: sehr groß, sehr blond, mit sehr hellen, blauen Augen, eigenwillig, ener-gisch, selbstsicher – nicht im Sinne von Selbstgewißheit oder Arroganz, sondern einfach gelassen, in sich ruhend.“Marion Gräfin von Dönhoff über eine Begegnung Ende der 1930er Jahre, nach 1945

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Soldbuch von Axel Freiherr von dem Bussche. Ausgestellt in Potsdam, am 27. August 1939. Leihgabe Nicola Dietzsch-Doertenbach

Ab 1943 galt die Beseitigung des Diktators für die meisten Verschwörer als notwendi-ge Voraussetzung für einen Staatsstreich. Hitler stand an der Spitze des Reiches, alle Beamten und Soldaten waren auf seine Person vereidigt worden. Bussche war Frontsoldat und gehörte zu jenen jungen Offizieren aus dem Kreis der Verschwörer, die zum Selbstmordattentat bereit waren, jedoch nur durch aufwändige Planung in die Nähe des Diktators kamen. Im Novem-ber 1943 war es den Mitverschwörern ge-lungen, Bussche kurzzeitig aus der Front

herauszulösen und ihn, mit Sprengmateri-al und den nötigen Papieren ausgestattet, ins „Führerhauptquartier Wolfschanze“ einzuschleusen. Mit dem Eintrag vom 15. November 1943 in sein Soldbuch durch seinen Regimentskameraden und Mitver-schwörer Richard von Weizsäcker ist der genehmigte Erholungsurlaub in Bussches Personalpapieren festgehalten worden. Bussche sollte das Attentat auf Hitler bei einer Uniformvorführung ausführen. Wäh-rend er im „Führerhauptquartier“ auf den Einsatz wartete, verbrannte das Vorführ-

material bei einem Bombenangriff auf Ber-lin. Der Termin konnte nicht stattfinden. Eine weitere Gelegenheit für ein Attentat bot sich nicht. Bussche musste zurück an die Front. Kurz darauf wurde er schwer verwundet. Für seinen Fronteinsatz erhielt er das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Sein langer Lazarettaufenthalt und die Verschwiegenheit seiner Mitverschwörer schützten ihn vor der NS-Verfolgung.

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Claus Schenk Graf von Stauffenberg als OberleutnantDeutsches Reich, um 1933Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand

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Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944, Hinrichtung)

Der Entschlossene

Oberst i. G . Chef des Stabes im Allge-meinen Heeresamt. Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres. Motivator. Organisator. Attentäter

„Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte ein-gehen wird.“Stauffenberg kurz vor dem Attentat am 20. Juli 1944

„Wir hatten in Stauffenberg jemanden gefunden, dessen innere Einstellung, Um-sicht, Ruhe, Klarheit, Zähigkeit, Tapferkeit (...) und Können ihn zum ‚Geschäftsführer‘ der Widerstandsbewegung wie geboren erscheinen ließen.“Fabian von Schlabrendorff, Mitverschwö-rer aus der Heeresgruppe Mitte, nach 1945

Aufgrund der zahllosen Rückschläge und gescheiterten Attentatsversuche drohten viele Beteiligte den Mut zu verlieren. Ins-besondere die zivilen Verschwörer zwei-felten an dem Willen der Militärs, den Umsturz tatsächlich noch durchführen zu wollen. Erst durch das Hinzukommen von Stauffenberg im Herbst 1943 änderte sich dies. Er war nicht nur fest entschlossen, das Attentat und den Umsturz durchzu-führen, sondern saß zudem noch an einer entscheidenden Position. Nicht zuletzt hatte er die Fähigkeit, seine Mitmenschen zu motivieren und zum Handeln zu über-zeugen. Darüber hinaus verfügte er über das für den Staatsstreich unabdingbare Organisationstalent eines leistungsstarken Generalstabsoffiziers.

Zum Teil noch nie öffentlich gezeigte ori-ginale Dokumente und Objekte aus den Nachlässen der Beteiligten ergänzen die Kurzbiographien. Viele Exponate konnten in den vergangenen Jahren in die Samm-lung des Militärhistorischen Museums aufgenommen werden. Hierzu zählen per-sönliche Dokumente von Generaloberst Ludwig Beck und Generalmajor Hans Os-ter. Ebenso können besondere Dokumente aus den Nachlässen von Generalfeldmar-schall Erwin von Witzleben und Oberst i.G. Wessel Baron Freytag von Loringhoven präsentiert werden. Hinzu kommen Expo-nate wie der Uniformrock von Oberst i.G. Johann Adolf Graf von Kielmannsegg oder das Verwundetenabzeichen zum 20. Juli 1944 von Generalleutnant Adolf Heusin-ger.Weitere Schlüsseldokumente und -objek-te konnten für die Sonderausstellung als Leihgaben aus Privatbesitz herangezogen werden. Hierzu zählen Dokumente aus dem Nachlass von Generalmajor Henning von Tresckow ebenso wie Dokumente und Abzeichen von Hauptmann Axel Freiherr

von dem Bussche und geheime Aufzeich-nungen von Oberst i.G. Alexis Freiherr von Roenne aus seiner Haft. Für den Themen-komplex des Attentats konnte die Pistole von Major Philipp Freiherr von Boeselager aus Privatbesitz geliehen werden, die bei einem für den 13. März 1943 vorgesehe-nen Gruppenattentat zum Einsatz kom-men sollte. Sie wird ergänzt durch Boe-selagers Offizierschirmmütze sowie den Autostander des Kavallerieregiments der Heeresgruppe Mitte.

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Als Abteilungsleiter II (Sabotage) im Amt Ausland/Abwehr hatte Wessel Ba-ron Freytag von Loringhoven Zugang zu Kampfmittelbeständen und beschaffte Sprengstoff für das geplante Attentat. Mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg war er seit dem gemeinsamen Besuch der Kriegsakademie befreundet. Im Juni 1944 kam Freytag als Oberst i.G. und Chef der Heerwesen-Abteilung ins Oberkomman-

do des Heeres ins Lager »Mauerwald«, Ostpreußen. Nach dem gescheiterten At-tentat vom 20. Juli 1944 drohte ihm die Verhaftung. Um sich nicht den Verhörme-thoden der Gestapo auszusetzen, wollte er mit einer Kuriermaschine in seine baltische Heimat fliegen und sich dort an der Front das Leben nehmen. Doch als er seine Ver-folger neben der bereitgestellten Kurier-maschine warteten sah, flüchtete er in den

nahe gelegenen Wald und erschoss sich. Am Abend wurde der Leichnam gefunden, daneben der kurze Brief an seine Frau, von Blutspuren gezeichnet. Mit weiteren persönlichen Gegenständen zunächst be-schlagnahmt, kam der Abschiedsbrief spä-ter wieder in den Besitz der Familie Freytag von Loringhoven.

Wessel Baron Freytag von Loringhoven. Deutsches Reich, um 1940. MHM, BBAF7663

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»Mein Geliebtes! Es geht nicht anders! Als Offizier des Generalstabes wird mir keiner der Menschen glauben, die diese Gn.Offiz. [Generalstabsoffiziere] hassen! Wenn ich zu Keitel soll – dann weiss ich an wen ich übergeben werden soll! Sonst wird man nicht so verständigt! Nein das tue ich nicht! Umarme die Kinder segne sie! Geliebt habe ich nur Dich! Ich sterbe als der ich mein ganzes Leben war! Getreu der Überlieferung. Wir sehen uns wieder im Jenseits bei Gott. Dein Alter! Ich danke Mami den Geschwistern u. Muttchen für alles für ihre Liebe!«

Schreiben des Wehrmachtfürsorge- und Versorgungs-amtes an die Witwe von Wessel Baron Freytag von Loringhoven. Wien, 13. November 1944. MHM, BBAB8739

Ein sogenannter „Ehrenhof“ des Heeres stieß die am Umsturz beteiligten Offiziere aus der Wehrmacht aus. Damit verfielen auch alle Versorgungsansprüche der Fami-lien. Auch nach 1945 mussten die Ange-hörigen des Widerstandes lange um An-erkennung und Entschädigung kämpfen. Die Betroffenen gründeten daher unter Mitwirkung des damaligen Bundespräsi-denten Theodor Heuss das »Hilfswerk 20. Juli 1944«. Die oft mittellosen Witwen konnten somit eine erste finanzielle und juristische Unterstützung erhalten.

Abschiedsbrief von Wessel Baron Freytag von LoringhovenHauptquartier des Oberkommandos des Heeres bei Angerburg (»Mauerwald«), Ostpreußen, 26. Juli 1944. MHM, BBAB8738

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Blick in die Ausstellung: Plakate mit Biographien der späten Phase 1943/44 sowie Exponate aus den persönlichen Nachlässen der Beteiligten vom 20. Juli 1944

Unten: Pistole, Offizierschirmmütze und Autostander des Kavallerieregiments der Heeresgruppe Mitte aus dem Besitz von Philipp Freiherr von Boeselager. Im Hintergrund Fotos und der persönliche Kalender von Henning von Tresckow von 1941.

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Die Gruppe der Beteiligten war in jeder Hinsicht äußerst heterogen. Die politi-schen, beruflichen und gesellschaftlichen Prägungen waren ebenso vielschichtig wie die Art der Beteiligung am Umsturzversuch oder die persönlichen Motive, daran teilzu-nehmen. Standen für die einen moralische Fragen im Mittelpunkt, ging es anderen eher um militärische Argumente. Auch in der Haltung zum NS-Regime gab es erheb-liche Unterschiede. Einige waren bereits 1933 als entschiedene Gegner der Nati-onalsozialisten in Konzentrationslagern inhaftiert worden, andere hatten mit den neuen Machthabern sympathisiert oder sich sogar selbst tief in die Verbrechen des Regimes verstrickt. Bei allen divergierenden Aspekten versuchten sich die Verschwörer auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen: Es galt, das NS-Regime zu stürzen, Deutschland vor dem befürchteten Un-tergang zu bewahren, einen Rechtsstaat aufzubauen und den Krieg wenn möglich als Verbündete der Westalliierten schnell zu beenden. Im Hinblick auf ihre Ziele ist entscheidend, was in den Grundsatzpapie-ren für die Begründung des Staatsstreiches und den Wiederaufbau eines neuen Staa-

tes steht. In der vorbereiteten Regierungs-erklärung ist unter Punkt 1 zu lesen: „Ers-te Aufgabe ist die Wiederherstellung der vollkommenen Majestät des Rechts. Die Regierung selbst muß darauf bedacht sein, jede Willkür zu vermeiden, sie muß sich daher einer geordneten Kontrolle durch das Volk unterstellen.“

Linda von Keyserlingk [Kuratorin der Ausstellung „Attentat auf Hitler. Stauffenberg und mehr“]

Militärhistorisches Museum der Bun-deswehr, Dresdenwww.mhmbw.de

Ausstellungsdauer 4. Juli – 4. November 2014

Die 20 Ausstellungsplakate können (ohne die Originalexponate) auf Anfrage ausge-liehen werden ([email protected]).

Ausstellungskatalog: Linda von Keyserlingk, Gorch Pieken, Mat-thias Rogg (Hrsg.): Attentat auf Hitler. Stauffenberg und mehr. (= „Forum MHM; Schriftenreihe des Militärhistorischen Mu-seums der Bundeswehr; Bd. 8“); Dresden 2014; 192 Seiten; 160 teils farbige Abbil-dungen; 18,00 Euro; ISBN 978-3-95498-121-2.

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„Gedächtnis der Welt“ in neuem Licht Autorin: Annette Stassen

Am Vormittag des 4. August 1944 hält vor dem Haus Prinsengracht 263 in Amsterdam ein Auto. SS-Oberschar-führer im Sicherheitsdienst Karl Josef Silberbauer hat einen Tipp bekom-men: In der niederländischen Filiale der deutschen Firma Opekta sollen

sich Juden ver-steckt halten. Mit v o r g e h a l t e n e n Waffen dringen er und seine Be-gleitung, drei oder vier Grüne Poli-zisten in Zivil, ins Haus ein. Sie stür-men das Hinter-

haus. Edith Frank wird als erste fest-genommen; auch die sieben anderen Untergetauchten, Ediths Mann Otto Frank und die beiden Töchter Margot und Anne, das Ehepaar van Pels mit Sohn Peter und Zahnarzt Fritz Pfeffer, werden abgeführt. Ihr Schicksal ist be-siegelt.

Seit dem Überfall der Wehrmacht auf die Benelux-Länder vier Jahre zuvor war die Verschleppung der weit über 100.000 Juden, die sich zu diesem Zeitpunkt in den Niederlanden aufhielten, mit grau-siger Präzision vorangetrieben worden. Systematisch wurden Straßenzüge durch-kämmt; ein Kopfgeld winkte jedem, der Juden meldete und so half, die Zeitvorga-ben zur „Säuberung“ ganzer Provinzen einzuhalten. „Als wären es Kakerlaken!“, schreibt die dreizehnjährige Anne Frank im März 1943 in ihr Tagebuch.

Zu dieser Zeit sind die beiden Familien schon seit acht Monaten im Hinterhaus untergetaucht. Nachrichten erreichen sie nur über den verbotenen Rundfunk und aus Berichten der Vertrauten, die sie mit allem Lebensnotwendigen und Neuigkei-ten aus der Außenwelt versorgen: Otto Franks Sekretärin Miep Gies, Bep Vos-kuijl, Johannes Kleiman und Victor Kugler. Auch Fritz Pfeffer, der im November bei ihnen Unterschlupf sucht, berichtet Grau-enhaftes.

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„Gedächtnis der Welt“ in neuem Licht

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könne. Sie streicht, was ihr unwichtig er-scheint, ergänzt und korrigiert „Fassung a“ in „Fassung b“.

Schreiben gegen das Vergessen

„Ich will den Menschen, die um mich he-rum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fort-leben, auch nach meinem Tod“, notiert Anne am 5. April 1944, und bis zum Au-gust schreibt sie weiter. „Mit Schreiben werde ich alles los. Mein Kummer ver-schwindet, mein Mut lebt wieder auf...“ Am 1. August, drei Tage vor ihrer Depor-tation, enden ihre Aufzeichnungen.

Die Erwachsenen wissen sehr wohl, was mit den Deportierten in den Konzentrati-onslagern geschieht, und auch die Kinder können sich dem Wissen und ihrem Ent-setzen darüber kaum mehr entziehen.

Warten auf den Frieden

Für die fantasievolle und lebhafte Anne ist es zunehmend schwierig, auf kleinem Raum mit ihrer eigenen und einer anderen Familie eingesperrt zu sein; im Vergleich mit der rundum vorbildlichen Schwester Margot fühlt sie sich von allen Seiten kri-tisiert und angegriffen. Lesen und Lernen bereiten ihr weiter Freude, aber Enge,

Einsamkeit und die Angst um die Freun-de und vor der Welt draußen setzen ihr immer wieder zu. Eine Freundin hat sie nicht; das Tagebuch, das sie kurz vor dem Untertauchen zu ihrem 13. Geburtstag bekommen hat, nimmt diese Stellung ein. Ihm vertraut sie zunächst ungefiltert ihre Gedanken und Stimmungen an. Als sie im Rundfunk hört, wie der niederländische Erziehungsminister im Exil seine Landsleu-te dazu auffordert, ihre Leiden während der deutschen Besatzung für die Nach-kriegszeit zu dokumentieren, beschließt Anne, ihr Tagebuch zu überarbeiten und künftig strukturierter fortzuführen, damit es später als Buch veröffentlicht werden

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SD-Mann Silberbauer interessiert es nicht, dieses Büchlein mit buntkariertem Ein-band und kleinem Schloss. Wie ein Poesiealbum sieht es aus, als es mit ein paar losen Blättern und Heften aus der Aktentasche fällt, die er auf der Suche nach Wertgegenständen ausschüt-telt – er lässt es liegen. Miep Gies nimmt die Schriften noch am Tag der Verhaftung an sich, um sie für Anne aufzubewahren.

„Ich will nicht umsonst gelebt haben“

Als nach dem Krieg endgültig feststand, dass auch Anne nicht mehr lebte, über-gab Miep die Dokumente dem einzigen

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Überlebenden aus dem Versteck, Annes Vater Otto Frank, der nach einiger Über-legung beschloss, sie Annes Wunsch ent-sprechend zu veröffentlichen. Wohl um das Andenken an seine Frau und die Ge-fährten aus dem Hinterhaus zu schützen, kürzte er die beiden Fassungen um ihm allzu intim erscheinende Passagen und erstellte „Fassung c“, die 1947 zunächst in den Niederlanden erschien. Nach der französischen folgt 1950 eine Überset-zung für Deutschland; 1952 wird das Buch in Großbritannien und den USA und in der Folge in der ganzen Welt bekannt.Kaum jemand kann sich der Wirkung

entziehen; scharf beobachtet, fein emp-funden und eindringlich formuliert, ist es ebenso wahrhaftig wie bewegend. Nach verschiedenen Authentizitätsnach-weisen, unter anderem durch Expertisen des Bundeskriminalamtes und des NIOD (Nederlands Instituut voor Oorlogsdocu-mentatie), ist das Tagebuch heute als un-bestechliches Zeugnis ein wichtiges, wenn nicht das Kernstück im Anne-Frank-Haus in Amsterdam.

„Werde ich jemals etwas Großes schreiben können?“

… so fragt Anne im April 1944. Das hatte sie schon – Zeit, das zu begreifen, blieb ihr selbst nicht mehr. Seit dem 50. Jahrestag seiner Öffnung im Jahr 2010 zeigt das Anne-Frank-Haus in der Prinsengracht 263 die komplette Sammlung von Annes Manuskripten in allen Fassungen. Die Verantwortung für die Vitrinen übertrug das NIOD im März 2010 offiziell der Gedenkstätte.

Die besondere Bedeutung der Doku-mente – 2009 war das Tagebuch zum UNESCO-Weltdokumentenerbe erklärt worden – erforderte besondere Sorgfalt auch bei ihrer Präsentation. Roel Meijer von Q-CAT Lighting, beauftragt, das Tage-buch zu beleuchten, hatte sich für einen Framing-Spot von Roblon entschieden; er bat um die Entwicklung einer LED-Ver-sion des bereits gebräuchlichen faseropti-schen Modells.

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Der Tod bedient das Maschinengewehr: Mit einer Skizze jener Waffe, die in Euro-pa wesentlich zur Verwandlung des Ersten Weltkriegs in einen Stellungskrieg beitrug, enden im Januar 1919, somit weit nach Kriegsende, die Tagebuchaufzeichnungen „Meine Kriegserlebnisse“ des Soldaten Anton Keldenich. Mit 41 Jahren wird der gelernte Anstreicher aus Großbüllesheim bei Euskirchen, der hauptsächlich von Aufträgen zur Dekoration örtlicher Bau-ten lebt und für die örtliche Bevölkerung Ölbilder malt, einberufen. Er wird die Kriegsjahre in den Vogesen verbringen, direkt an der Front wird auch er am Ma-schinengewehr auf den Feind zielen.

Seine künstlerischen Fähigkeiten führen Keldenich aber auch ins Hinterland, in die Etappe: Grabkreuze zu entwerfen und zu beschriften, lautet der Befehl, auch Schlichtsärge durch Maserierung auf-zuhübschen. Beides muss in der Etappe stets auf Lager sein. Seine Soldatenkreu-ze skizziert Keldenich in seinem Tage-buch. Urlaubstage und Kampfpausen an der Front nutzt er, um Situationen mit Öl und Terpentin auf Papier zu bringen: „Militär-Friedhof b. Belval“, „Beim MG“, „Kaffé wird in Stellung gebracht“, „Gra-benblick“, „Gasalarm“…

Keldenichs beeindruckende Eindrücke vom Großen Krieg, seine akribischen Aufzeichnungen und Zeichnungen in vier Kriegstagebüchern, die bereits seit Jahr-zehnten im LVR-Freilichtmuseum Kom-mern für die Nachwelt erhalten werden, aber auch eine erst kürzlich vom Museum erworbene und hier jetzt erstmals veröf-

fentlichte Serie seiner Kriegsölgemälde ziehen sich wie ein schwarzweißroter Fa-den durch die Ausstellung, die sich der „Kriegsgeschichtsschreibung von unten“ widmet.

„Kriegs(er)leben im Rheinland – Zwischen Begeisterung und Verzweiflung“Ausstellung im LVR-Freilichtmuseum Kommern vom 29. Juni 2014 bis 18. Oktober 2015 ist Teil des LVR-Verbundprojektes „1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg“. Autor: Dr. Michael H. Faber

Oben: Anton Keldenich in feldgrauer Uniform, Feldpostkarte um 1915Links: Der Tod als Maschinist. Tusche auf Notizbuchpapier, 1919

„Kriegs(er)leben im Rheinland - Zwischen Begeisterung und Verzweiflung“ ist die siebte von 11 Ausstellungen, die im Rah-men des vom Landschaftsverband Rhein-land gemeinsam mit Partnern realisierten

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„Kriegs(er)leben im Rheinland – Zwischen Begeisterung und Verzweiflung“

Oben Hintergrund: Anton Keldenich: Militärfriedhof bei Markirch/Vogesen. Öl mit Terpentin auf Papier, dat. 1918. Unten: Güterwagen „A 2“, ca, 1910, vor den Ausstellungs-hallen. 122.000 Stück wurden für den Deutschen Staatsbahnwagenverband gebaut. Im I. Wk diente der Wagentyp zum Truppentransport (pro Wagen 48 Mann oder 8 Pferde).

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Etappen-hilfsbäckereikolonne XVI.AK, Fotografie auf Feldpostkarte, dat. 16.03.1916

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und bis Mitte 2015 laufenden Verbund-projektes „Mitten in Europa. Das Rhein-land und der Erste Weltkrieg“ gezeigt werden. Die von der NRW-Stiftung groß-zügig geförderte Ausstellung lässt neben Anton Keldenich weitere Protagonistin-nen und Protagonisten zu Wort kommen. „Zwischen Hilfsdienst und Schlangeste-hen“ – von den Lebensbedingungen und dem Einsatz der Frauen an der Heimat-front berichten Tagebuchaufzeichnun-gen der Eiflerin Anna-Maria Haas, deren Söhne in Frankreich kämpften und die den Kanonendonner selbst in ihrem Hei-matdorf noch hören konnte, ein Brief der Katharina Veithen, die als junge Bürgers- tochter freiwillig in einer Troisdorfer Mu-nitionsfabrik Pulver sortierte und die No-tizen der ebenfalls jungen und aus gutem städtischen Hause stammenden Else Pfef-ferkorn, die freiwillig in der Eifel und an der Mosel auf Bauernhöfen mitarbeitete.

Von besonderem dokumentarischen Wert sind aber auch die Kriegsfotografien des Amateurfotografen Peter Rodert. Der gelernte Bäcker aus dem Eifeldorf Eicher-scheid nahm seine Laufbodenkamera so-zusagen mit in die Schlacht. Er fotogra-fierte Stellungskrieg und Grabenkampf,

Das grüne Museum

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25. September 2014 in Berlin | 15. Oktober 2014 in Wien | 28. Oktober 2014 in Düsseldorf

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Kriegsgerät und auch die „Etappen-Hilfs-bäckerei-Kolonne“, in der er eingesetzt war. Die meisten dieser Aufnahmen und viele weitere, die etwa Landschaften und zerstörte Orte in besetzten Gebieten ab-bilden oder auch das alltägliche Milieu in besetzten Orten studieren, sind von be-achtlicher künstlerischer Qualität. Viele seiner Motive wurden auf Feldpostkarten veröffentlicht.

Ergänzt werden die Text- und Bilddoku-mente dieser Zeitzeugen von Werken des Eifelmalers Curtius Schulten, der seine Kriegserfahrungen ebenfalls im Bild fest-gehalten hat.

Mehr als 200 Exponate sind in der Aus-stellung zusammengetragen, darunter Objekte und Dokumente aus dem Fun-dus des LVR-Freilichtmuseums Kommern, aber auch zahlreiche Leihgaben, viele da-von aus privatem Besitz. Feldpostkarten, Kriegsgerät, feldchirurgisches Besteck und Soldatenausrüstung, Werbeplaka-te, Verpackungen und Produkte aus der Kriegszeit, Flugblätter und Bekanntma-chungen, Fahnen und Insignien, „Nagel-bilder“ und viele „patriotische“ Objekte bilden die Bandbreite des Ausgestellten.

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Beispiele für den dem Krieg schon lange vorauseilenden „Hurrapatriotismus“ sind etwa die massenhaft produzierten Por-zellan- und Glasartikel, die patriotische Sprüche, Eisernes Kreuz, Nationalfarben und Konterfeis von Wilhelm II. und Hin-denburg zieren, Reservistenpfeifen mit Bildmotiven und Militärdienst-Andenken-tassen mit Widmung des Rekruten an Mutter, Vater und Schwester. Die Ausstel-lung zeigt, wie sich die Motivik der patri-otischen Haushaltsware mit Kriegsbeginn verändert, radikaler und aggresiver wird. Auch beim Kriegsspielzeug lässt sich dies feststellen, von dem die Kommerner Aus-stellung einen breiten Querschnitt bietet.

Die Aussagequalität der Exponate wird betont durch ihre Einbindung in eine be-hutsame Szenografie, die den Charakter dieser Ausstellung bestimmt. Szenen il-lustrieren auch die Zeitzeugenberichte, thematisieren Erlebnisse der Protagonis-ten während des Krieges, führen den Ausstellungsgast von Station zu Station, vom Bahnhof an kriegswichtiger Eisen-bahnstrecke durch den Güterwaggon, in dem genau 48 Mann oder 8 Pferde an die Front transportiert wurden, bis zum Oldti-mer Marke „Overland“ – mit solch einem unternahmen Honoratioren aus der Vor-eifelstadt Euskirchen eine abenteuerliche

„Liebesgaben“-Fahrt zu den Soldaten an der Somme. Diese Liebesgabenfahrt ha-ben Schülerinnen und Schüler eines Eus-kirchener Gymnasiums im Zuge der Aus-stellungsvorbereitungen nachempfunden. Mit einem Reisebus sind sie die damalige Strecke abgefahren, haben Gedenkstät-ten und Soldatenfriedhöfe besucht und sind ins Gespräch mit Nachfahren derjeni-gen gekommen, die die deutsche Invasion und die Brutalität des Krieges erlebt ha-ben. Der Film, der diese Schülerfahrt do-kumentiert, ist Bestandteil des umfangrei-chen Medienangebots in der Ausstellung. Er ist aber auch ein beeindruckendes Bei-

spiel für die Auseinandersetzung junger Menschen mit einer Epoche, die bis heute im Schulunterricht vernachlässigt wird. Auch andere Schulen haben mit Doku-mentationen und kleinen Installationen zu Einzelaspekten die Ausstellung bereichert. Nicht zuletzt mit diesen Beiträgen wird die Ausstellung gerade junge Menschen an-ziehen und ansprechen.

LVR-Freilichtmuseum KommernRheinisches Landesmuseum für Volks-kundeD-53894 Mechernich-Kommernhttp://www.kommern.lvr.de

Oben Links: „Gefangen“: Zettelhalter, dekoriert mit Figuren von Kindern in den Uniformen der KriegsnationenOben: Kaffeegeschirr mit patriotischem Spruch von Kaiser Wilhelm II. vom 4. August 1914

© Fotos/Repros: Hans-Theo Gerhards/LVR

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Neues Leben im anatomischen Theater neues Leben eingehaucht. Vier Jahr-hunderte Wissenschaft werden in ei-nem multimedialen Spektakel und einem Raritätenkabinett erlebbar. Mit

Dem berühmten anatomischen Thea-ter im niederländischen Leiden, 1594 in einer ehemaligen Kirche für die Universität errichtet, wurde unlängst

den Augen eines Wissenschaftlers können Besucher die Entwicklung von Medizin und Naturwissenschaften nachvollziehen.

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Inspiriert von den berühmten Anatomie-vorlesungen im 17. Jahrhundert, hat Tin-ker Imagineers die Ausstellung im und rund um das anatomische Theater im Boerhaave-Museum gestaltet. Wie in frü-heren Zeiten nehmen die Besucher Platz auf den Holzbänken des Vorlesungssaals, einem Replikat aus dem Jahr 1991. Wäh-rend der sechsminütigen Präsentation wird das historische „Theatrum Anatomi-cum“ mit modernster Technik zum Leben erweckt. Staunen, Kreativität und auch der Mut, die mit jeglicher Wissenschaft verbunden sind, werden erlebbar und wecken Neugierde auf die Sammlung.

Seit mehr als 20 Jahren konzipiert Tinker Ausstellungen, die nicht nur darstellen,

sondern Erlebnisse ermöglichen. Über-raschungsmomente zu schaffen, Inhalte und Exponate anschaulich und durch das Unerwartete Lust auf mehr zu machen, ist der Leitgedanke für alle Ausstellungs-konzepte. Im Gegensatz zur klassischen Szenografie arbeitet Tinker nach der Ima-gineerings-Methode. Schon 1952 entwi-ckelt von Walt Disney, verschmelzen bei diesem Konzept „Imagination“ und „En-gineering“. Erstes Ergebnis der kreativen Zusammenarbeit der drei definierten Ty-pen „Träumer“, „Kritiker“ und „Pragma-tiker“ waren die phantastischen Kulissen in Disneys Vergnügungsparks; längst in der Welt digitaler Kreativkonzepte ange-kommen, ermöglicht diese Arbeitstechnik auch Tinkers schöpferische Arbeiten.

Der wachsenden Nachfrage nach echter Ausstellungskommunikation Rechnung tragend, entwickelt Tinker authentisch wirkende Geschichten in inspirierenden Settings. Für den einstigen Vorlesungssaal im Boerhaave-Museum wurde mit der Imagineerings-Methode ein einzigartiger Gestaltungsansatz entwickelt; mittels modernster Technik reisen Besucher in die Vergangenheit.

Zweimal jährlich erhielt im 17. Jahrhun-dert die Universität Leiden von der Ge-meinde Schenkungen der etwas anderen Art: die Leichen gehängter Krimineller. Auf dem Untersuchungstisch wurden diese seziert – nicht nur Studenten und Ärzten, sondern auch interessierten oder

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nur neugierigen Bürgern gegen Eintritt zugänglich.

Heute spielt sich im einstigen anatomi-schen „Theater“, der einzigen derartigen Rekonstruktion in den Niederlanden, rund um den Besucher eine audiovisuelle Insze-nierung ab. Auf dem Untersuchungstisch scheint ein menschlicher Körper zu lie-gen, der mittels Video-Mapping unter-schiedliche Gestalten in verschiedenen Stadien der Sektion annimmt. Projektio-nen an der Decke und den Wänden grei-fen Einzelheiten der erzählten Geschichte auf. Am Rand des Theaters befinden sich Skelette von Menschen und Tieren in ei-nem geheimnisvollen Spiel von Licht und Ton. Durch die Kombination von räumli-

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chen, theatralischen, multimedialen und erzählenden Techniken verwandelt sich der Theaterraum in einen Kosmos für den neugierigen Geist.

Ein ganz eigenes Sammlungskonzept seit der Renaissance waren die Raritäten- oder Kuriositätenkabinette, Vorläufer heuti-ger Ausstellungsformen: Zur Belustigung oder Bewunderung wurden verschiedens-te fremdartige oder wunderlich anmuten-de Objekte in Schränken oder ganzen Räumen ausgestellt. Für das „Showcase of Curiosities“ im anatomischen Theater Leiden entwickelte Tinker eine rund um die gesamte Hinterseite des Saals durch-gehende Vitrine mit kleinen, thematisch um wissenschaftliche Apparate und Ge-rätschaften aus Medizin und Naturwis-senschaften strukturierten Welten. Über große, transparente Touchscreens an der Vorderseite der Vitrinen können Besucher das Raritätenkabinett aktivieren und so einzelne Exponate als Teil einer zusam-menhängenden digitalen Animation er-leben.

Museum Boerhaave, Leiden, www.museumboerhaave.nl

Tinker imagineers Nieuwegracht 133512 LC UtrechtTelefon: +31 (0)30 230 0405E-Mail: [email protected]

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DO-DAYSKnapp 10.000 Gäste besuchen die DO-DAYS im Dornier Museum Friedrichshafen

Die Dornier Do 24 ATT von Iren Dornier, Enkel des Luft-fahrtpioniers Claude Dornier, über dem Bodensee beim Anflug in Richtung Dornier Museum.

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DO-DAYSFriedrichshafen, 10. August 2014 – Die fünften DO-DAYS im Dornier Muse-um Friedrichshafen waren ein voller Erfolg und stellen erneut einen Be-sucher-Rekord auf. Über 50 Oldtimer der Lüfte, Rundflugangebote und der Überflug eines Airbus A380 als Über-raschungsgast begeistern am Flugwo-chenende 9650 Besucher.

Zum fünften Mal verwandelte sich das Dornier Museum Friedrichshafen an diesem Wochenende in ein fliegendes Museum. Lautstark waren die über 50 angemeldeten Gastmaschinen über das ganze Wochenende zu hören und Mu-seumsbesucher hoben mit verschiedenen Oldtimerflugzeugen wie der legendären „Tante Ju“, den Do 27 Maschinen oder in der De Havilland Dove ab. Auch Heli-copter-Rundflüge waren im Angebot. Den Traum vom Fliegen in einer der Oldtimer-

maschinen erleben zu dürfen war so groß, dass die Rundflüge über mehrere Stunden im Voraus bereits ausgebucht waren.

Höhepunkt des Wochenendes war ein Überraschungsgast der Superlative. Als Hommage an das Jubiläum „100 Jahre Dornier“ meldete die Deutsche Lufthan-sa AG kurzer Hand das größte Passagier-flugzeug der Welt, einen Airbus A380, zu einem Überflug am Sonntagmittag an. Berthold Porath, Direktor des Museums

erreichte diese Meldung erst vor kurzem und freute sich darüber sehr. „Ein Über-flug eines Airbus A380 als das größte und schwerste Passagierflugzeug der Welt ist für uns etwas ganz Besonderes. Denn der Vorfahre dieses Flugzeuges ist das von Claude Dornier gebaute Flugschiff Do X, das vor über 80 Jahren als erstes Groß-raumflugzeug vom Bodensee in die Welt flog.“

Besucher die lieber am Boden blieben konnten auf dem Museumsgelände die zahlreichen historischen Gastflugzeuge er-kunden. Hier gab es Technik zum Anfassen und interessante Gespräche mit den Pilo-ten. Maschinen wie der Bundeswehr-Trans-porthubschrauber CH 53, die Corsair und der Alpha-Jet der Flying Bulls, die Do 24 ATT von Iren Dornier oder der Hubschrau-ber Bell 47 G ließen die Herzen der knapp 10.000 Besucher höher schlagen.

Die Crew macht die Do 24 ATT startklar

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Die Mustang P-51 „Lucky Lady“ zog mit ihrem unver-wechselbaren Motorgeräusch die Blicke zahlreicher Besucher auf sich.

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Museumspädagogik

Inklusion

Bewahren & Erhalten

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Wissenschaft & Forschung

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Presse und Öffentlichkeit

Diversität

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Aber auch zahlreiche weiter Programm-punkte unterhielten die Gäste an diesem Wochenende. Ob Vorführungen der Flug-hafenfeuerwehr, die zwischenzeitlich für eine angenehme Abkühlung in der Mit-tagssonne sorgten, Modellfugshows oder ein abwechslungsreiches Musikprogramm – an den DO-DAYS war wieder einmal für jeden etwas geboten.

Strahlende und funkelnde Kinderau-gen waren in der Kinderwelt zu se-hen. Ein buntes Kinderprogramm mit zahlreichen Kooperationspartnern wie dem Europa-Park sorgte für Span-nung und Spaß für die ganze Familie. Bühnenshows mit dem Museumsmas-kottchen DODO, Mini-Tretflieger, Kin-derschminken oder das umfangreiche Bastelprogramm unterhielten auch die kleinsten Besucher.

Museumsdirektor Berthold Porath resü-miert: „Wir sind sehr stolz im Jubiläums-jahr 2014 mit 9650 einen neuen Besu-cher-Rekord bei den DO-DAYS aufgestellt zu haben. Dass wir die 7000 Besucher des letzten Jahres so deutlich übertref-fen freut uns sehr. Dies ist wieder einmal Bestätigung für das attraktive Programm und die hervorragende Organisation der Dornier-Mitarbeiter/-innen. Viel Lob beka-men wir von den zahlreichen Piloten, die bereits alle für die nächsten Do-Days zu-gesagt haben.“

Dornier Museum FriedrichshafenClaude-Dornier-Platz 188046 Friedrichshafen

www.dorniermuseum.de

Die Flying Bulls waren auch in diesem Jahr wieder zu Gast bei den DO-DAYS. Die Corsair aus dem Jahr 1945 ließ die Herzen technikbegeisterter Besucher höher schlagen.

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Ticket meets mobileLassen Sie sich fundiert beraten!

Viele Menschen mit Verantwortung in Museen, Kulturstätten und Science Centern haben uns in den letzten Monaten

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M1257_BB_AZ_museum_de_Kulturbetrieb_RZ 29.08.14 12:28 Seite 1

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Foto: © Birthe Kußroll-Ihle

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1250 Kindergeburtstage - und kein bisschen müde…?!Autorin: Kirsten Brandes, Museumspädagogin Kreismuseum Peine

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Vor rund acht Jahren kam ich zur Museumspädagogik im Kreismuseum Peine. Bereits 2001 absolvierte ich dort ein Praktikum im Rahmen meines Kulturwissenschaftsstudiums und traf Frau Dr. Evers (Leiterin des Kreismuse-ums Peine) 2006 zufällig wieder. Es entstand die Idee, Kindergeburtstage anzubieten. Kurzerhand wurden The-men geplant und Requisiten gebaut.

2007 wurden wir von Kindergeburtstag-sanfragen überrannt; 189 konnten im ersten Jahr durchgeführt werden. Wie ich das mit noch einer halben Stelle in ei-nem Spielwarengeschäft und einer 6-Ta-ge-Woche damals geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Das alles hört sich nach nackten Zahlen an. Die Arbeit, die Emo-tionen und Erfahrungen und das meis-tenteils positive Feedback der Kinder und Eltern stehen auf einem anderen Blatt Papier. Manche Begebenheiten und Be-gegnungen haben sich unauslöschlich in mein Herz gebrannt. Eine örtliche Zeitung schrieb einmal über mich, ich sei ein biss-chen wie Pipi Langstrumpf, die sich ihre Welt macht, wie sie ihr gefällt. Mal ab-

gesehen von der Haarfarbe und den Zöp-fen, die ich oft trage, ist da sicher etwas Wahres dran.

Anfangs betrieb ich die Veranstaltungen vielleicht ein wenig oberlehrerhaft, aber immer mit viel Engagement. Die Kinder sollen neben dem Spaß ja auch etwas ler-nen, so mein Credo. Mittlerweile und mit den Erfahrungen bin ich auf Augenhöhe der Kinder, bin Lehrerin, Animateurin, So-zialarbeiterin und Fremdsprachenkorres-pondentin, alles in einem.

Ich sehe die Kinder groß werden, weil manche Familien jedes Jahr wiederkom-men. Und zwar nicht, weil das dreistün-dige Programm mit den mittlerweile fast 20 Themen und der Möglichkeit, Ver-pflegung mitzubringen so bequem für die Eltern ist (obwohl einige von weit anrei-sen), sondern weil die Kinder überzeugte „Wiederholungstäter“ sind. Sie haben Lust auf ein neues Thema, freuen sich, wenn sie endlich alt genug sind, einen Detektivgeburtstag zu feiern. Viele dieser Kinder kommen auch zu Führungen zu uns ins Haus. Unaufgefordert melden sich diese „Wiederholungstäter“ zu Wort und

sagen, dass sie sich ja schon bestens hier im Museum auskennen, schließlich seien sie schon zum Kindergeburtstag bei Frau Brandes gewesen.

Die Kinder lachen herzlich über meine Art und meine Witze, fragen mich immer wie-der, wieso ich meine Stimme so komisch verstellen könne, wie alt ich sei und mei-nen, dass ich echt cool und lustig wäre. Und wenn ich in der Stadt unterwegs bin und eines der über 10.000 Kinder, die bestimmt schon im Museum waren, mal wieder treffe, gehen sie oft lächelnd an mir vorbei, erinnern sich an mich und ich habe sie in meiner Erinnerung. Mit den positiven Erfahrungen finden sie Museum doch nicht so langweilig wie anfangs ge-dacht. Für mich ist es nicht nur ein Job, sondern auch eine Leidenschaft, bin mit Herz und Verstand bei der Sache. Aber wie immer sind es zwei Seiten einer Me-daille. Da gibt es auch die sogenannten ADHS-Kinder. Die unaufmerksamen, de-nen man etwas wieder und wieder er-klärt und oft an seine Grenzen stößt. Es gibt Tage, gerade samstags, wenn ich zwei Veranstaltungen mache, an denen bin ich abends erledigt. Ich könnte so

Kirsten Brandes (Dipl. Kulturwissenschaftlerin, Museumspädagogik). Foto: © Henrik Bode

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viele Geschichten erzählen, von Kindern und Eltern. Dass es mich auch manchmal sprachlos gemacht hat, im negativen wie

im positiven Sinne. Wenn Kinderaugen leuchten und Geburtstagskinder sagen, dass sei ihr schönster Geburtstag gewe-sen. Wenn sie mich drücken und danke sagen und gut gelaunt rausgehen oder man eine rote Rose geschenkt bekommt als Anerkennung. Das alles macht mich schon ein bisschen stolz und zufrieden, denn ich nehme die Kinder ernst und sie mich. Sie lassen mich in ihre Welt und ich zeige ihnen etwas von meiner.

Die Übergänge, wann was stattfand, wa-ren fließend. Arbeitstechnisch wurde eine Kooperation mit der KVHS (Kreisvolks-hochschule) Peine gebildet, die die Kin-dergeburtstage nun in ihrem Programm anbietet. Alle profitieren voneinander. Und ich profitiere sehr von meinen lieben Kollegen/innen, die mir nicht nur mit Rat und Tat durch Unterstützung bei neuen Ideen zur Seite stehen, sondern auch An-träge schreiben, telefonieren und Abläu-fe bei den Kindergeburtstagen erklären.

Es gibt immer wieder neue Themen. Dar-über und über den Service findet Kunden-akquise statt und wenn die „kleinen Kun-

den“ erst einmal im Museum waren, ist der Bann gebrochen. Eltern werden vom „Museumsvirus“ ebenso infiziert wie mit-gebrachte Großeltern. Eine mitgekom-mene Oma meinte einmal zu mir, dass es schade sei, dass es in ihrer Kindheit so et-was nicht zum Kindergeburtstag gegeben hätte. Schon entstand die nächste Idee: Geburtstage nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene und Senioren/innen anzubieten.

Wenn mich abschließend jemand fragt „Würdest du das wieder machen?“ Ein-deutig ja. Trotz des Stresses und der vie-len Arbeit und nervlichen Belastung ar-beite ich relativ frei und selbstständig. Es sind die Menschen, die mich durchhalten lassen, und die es wertvoll machen. Wie lange noch? So lange es mir Spaß macht und ich mir die Welt ein bisschen machen kann wie sie mir gefällt.

Kreismuseum PeineStederdorfer Straße 1731224 Peinehttp://www.kreismuseum-peine.de/http://www.kvhs-peine.de/

Elke Ostelmann-Janssen (VHS Peine), Dr. Ulrika Evers (Direktorin), Kirsten Brandes. Foto: © Thorsten Pifan

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Kaum eine Kultur fasziniert die Men-schen so nachhaltig wie die Hochkul-tur des Alten Ägypten. Die Pyramiden, die Hieroglyphen oder die altägypti-sche Götterwelt beschäftigten seit je-her die Phantasie zahlreicher Gelehr-ter und Reisender. Bis heute ist die Begeisterung für das Alte Ägypten ungebrochen. Die Ausstellung „Ägyp-ten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte bietet einen kompletten Überblick zu 4.000 Jahren altägyptischer Hoch-kultur vor Christus. Sie spannt einen zeitlichen Bogen, der noch vor der eigentlichen Gründung eines altägyp-tischen Staates beginnt und bis zur Er-oberung Ägyptens durch Rom reicht.

Die 250 hochkarätigen Exponate stam-men aus dem Museum Egizio Turin, dem ältesten ägyptischen Museum der Welt mit einer der international bedeutends-ten Sammlungen zur altägyptischen Kul-tur. Nahezu alle dieser Leihgaben sind erstmals in Deutschland zu sehen. Auch in anderen mitteleuropäischen Ländern wie Frankreich, Luxemburg oder Belgien wurden diese Exponate noch nie gezeigt. Damit wird das Weltkulturerbe Völklinger Hütte für einige Monate zu einem inter-nationalen Zentrum der altägyptischen Kultur.

„Die alten Ägypter träumten den Traum vom ewigen Leben. Nicht zuletzt dadurch wurde die Kultur des Alten Ägypten zum Vorbild für viele nachfolgende Kulturen. Als Weltkulturerbestätte, die maßgeblich dazu beiträgt, das Erbe und die Kultur der Industrialisierung für weitere Generatio-nen zu bewahren, gehört es zu unserem Programm, regelmäßig ein Portal für die großen Kulturen der Menschheit wie die der Inkas oder der Kelten zu öffnen. Wir sind sehr glücklich, dass wir die Ausstel-lung „Ägypten – Götter. Menschen. Pha-raonen. – Meisterwerke aus dem Muse-um Egizio Turin“ aus den Beständen des Ägyptischen Museums Turin zusammen-stellen und damit einige der bedeutends-ten Exponate der altägyptischen Kultur

im Original im Weltkulturerbe Völklinger Hütte präsentieren können“, sagt Mein-rad Maria Grewenig, Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte.

Der Totenkult nahm in der Kultur des Al-ten Ägypten eine herausragende Stellung ein. Die Alten Ägypter beschäftigen sich intensiv mit dem Jenseits und dem Leben nach dem Tod. Die Ausstellung „Ägyp-ten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte setzt hier einen besonderen Akzent und zeigt den Totenkult des Alten Ägypten in all seinen Facetten. Sarkophage mit Mumi-en, Kanopenkrüge oder Grabstelen mit Hieroglyphen geben einen faszinierenden Einblick in die Vorstellungswelt der alten Ägypter.

Weitere Themen der Ausstellung sind die Kultur der Hieroglyphen, die Kunst und die Alltagskultur im Alten Ägypten. „Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ macht die exponierte Position eines „Schreibers“ in der altägyptischen Kultur verständlich und präsentiert die Spezialgattung der Totenliteratur wie Bestattungspapyri. Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte präsen-tiert Kunst, die mehr als 5.000 Jahre alt ist und zeigt die vielgestaltige Götterwelt des Alten Ägypten. Archäologische Funde und Grabbeigaben geben den Besuchern des Weltkulturerbes Völklinger Hütte ei-nen Eindruck, wie die Menschen des Al-ten Ägypten vor vielen tausend Jahren gelebt haben. Komplettiert und durch einen zeitgenössischen Aspekt ergänzt wird die Ausstellung durch Fotoarbeiten des renommierten Fotografen Hemut R. Schulze, die das heutige Ägypten sowie das Erbe der Pharaonenzeit in Grabanla-

gen und Museen des heutigen Ägypten zeigen.

Eine Besonderheit ist die Inszenierung der Exponate in der Gebläsehalle des Welt-kulturerbes Völklinger Hütte. Altägypti-sche Schätze wie eine zwei Meter hohe Statue der löwenköpfigen Sachmet-Göt-tin stehen hier in unmittelbarer Nähe der weltweit einmaligen Gebläsemaschinen. Die Hochkultur des Alten Ägypten und die Industriekultur des UNESCO-Weltkul-turerbes Völklinger Hütte verbinden sich in der Ausstellung „Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ zu einem unver-gesslichen Erlebnis. Nach „InkaGold“ und „Die Kelten – Dru-iden. Fürsten. Krieger.“ ist „Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ die dritte Ausstellung des Weltkulturerbes Völklin-ger Hütte zu einer herausragenden anti-ken Kultur der Menschheitsgeschichte.

Das Museum Egizio Turin wird zurzeit um-fassend umgebaut. Daher kann das Welt-kulturerbe Völklinger Hütte Highlights der Sammlung in Deutschland präsentieren.

4.000 Jahre Hochkultur vor Christus

„Ägypten – Götter. Menschen. Phara-onen.“ bietet einen Überblick über die komplette Zeitspanne des Alten Ägypten. Keramik aus der prädynastischen Periode ist zu sehen, die noch aus der Zeit vor der Gründung eines altägyptischen Staates stammt. Sie belegt, dass es bereits im vierten Jahrtausend vor Christus und da-mit noch vor der politischen Vereinigung eine kulturelle Einheit im Norden und Süden Ägyptens gab. Die Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte zeigt ei-nen Holzsarg, der 4.500 Jahre alt ist und Sandalen aus Papyrus, die rund 3.000 Jahre alt sind. Und sie endet mit Kunst-

Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.Der Traum vom ewigen Leben. Eine Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte bis zum 22.2.2015Autor: Dr. Armin Leidinger

Oben: Stele des Ni-anch-Inpu, Kalkstein, Altes Reich, 6. Dynastie, 2.325-2.175 v. Chr., 50,5 x 87cm

Rechts: Pharaonischer Prinz, Sohn eines Gottkönigs, aus der Regierungszeit Pharao Ramses IINeues Reich, 19. Dynastie, 1.292-1.186 v. Chr.Kalkstein, 133 x 56 x 21 cm

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objekten aus der ptolemäischen Zeit, die die Vermischung der ägyptischen und der hellenistischen Kultur zeigen.

Absolut zentral für die altägyptische Kul-tur ist der hochentwickelte Toten- und Begräbniskult. Der Übergang vom Leben zum Tod und das Leben nach dem Tod spielte bei den alten Ägyptern eine her-ausragende Rolle. Bis heute ist dieser As-pekt der altägyptischen Kultur besonders faszinierend.

„Ägypten – Götter. Menschen. Pharao-nen.“ zeigt den Totenkult und die damit verbundene Vorstellungswelt in all sei-nen Facetten. Särge aus verschiedenen Dynastien und Epochen, Totenstelen mit Grabopferformeln und Bestattungspapyri sind zu sehen. Die Inschriften und Verzie-rungen dieser Exponate zeigen die My-then und die Religion der alten Ägypter und wie sie sich das Leben nach dem Tod vorstellten.

Das Gleiche gilt für eine Scheintür, deren mutmaßlicher Abschluss – eine mehr als 4.000 Jahre alte Grabstele - in der Ge-bläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte zu sehen ist. Durch eine Scheintür, eine unpassierbare Nachbildung einer Tür in Grabanlagen, konnte nach altägypti-scher Vorstellung, eine der drei Seelen, die nach dem Tod in den Körper zurück-kehrt, die Grenze zwischen Jenseits und Diesseits passieren und so die Opfergaben in der Grabanlage nutzen. Für die alten Ägypter war das Jenseits die Fortsetzung des Lebens im Diesseits. Gräber waren die „Wohnung“ des Toten.

Die Lehre von der Unversehrtheit des Körpers zeigen mehrere Mumien in der Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklin-ger Hütte. Die Ägypter glaubten an eine rituelle Wiederbelebung. Der Körper des Verstorbenen sollte daher möglichst un-versehrt bleiben, um die Unsterblichkeit der (drei ägyptischen) Seelen zu garantie-ren. Zu diesem Zweck wurden die Körper hochrangiger Verstorbener mumifiziert. Einzelne Organe wie Leber, Lunge, Magen und Gedärm wurden einzeln mumifiziert und in sogenannten „Kanopenkrügen“ aufbewahrt. Die Ausstellung versammelt mehrere dieser Kanopenkrüge. Außer-dem sind Mumiendekorationen sowie Herzskarabäen zu sehen, die die Mumie schützen sollten.

„Ägypten – Götter. Menschen. Pharao-nen.“ zeigt eine Welt, die uns teilweise

Seit Beginn des Neuen Reichs (18. – 20. Dynastie, 1550 – 1070 v. Chr.) bestan-den die Särge besonders wohlhabender Menschen aus mehreren ineinander ge-schachtelten Sarkophagen. Der innere Sarg war in der Regel dem Umriss des menschlichen Köpers nachempfunden, der äußere dagegen meist rechteckig. Aus den Inschriften der Sarkophage geht hervor, dass die Verstorbene Ta-peni heißt und eine Tochter des Pries-ters Ankh-Khonsu und dessen Gattin Nesikhonsu ist. Der menschenförmige Innensarg zeigt die Verstorbene als Mumie in Leinenstreifen, aber mit un-bedecktem Gesicht wie zu Lebzeiten. Tapeni trägt eine schwere Perücke, auf deren Oberseite die Göttin Nephthys dargestellt ist, während an der Fußseite des Holzsarkophags ein Bild des Apis-stiers mit der Verstorbenen auf dem Rü-cken auf dem Weg zum Grab zu sehen ist.Um die Brust liegt ein breiter Hals-schmuck mit reicher Pflanzenmotivik, unterhalb breitet die Göttin Nut ihre Schwingen über den Körper, darunter steht ein versiegelter Schrein mit Opfer-formeln zu beiden Seiten. Der Schmuck der übrigen Körperpartien wird vertikal in drei Hauptbereiche geschieden. In der Mitte ist in einem Rahmenfeld die Verstorbene auf dem Totenbett zu se-hen, während ihre Seele in Gestalt des ba-Vogels den Körper verlässt. Darun-ter liest man in drei Spalten Opferfor-meln. Am Fuß ist ein Bild der Isis zu se-hen, daneben eine Inschrift, in der die Göttin gebeten wird, der Verstorbenen ein gutes Begräbnis zu gewähren. Im ausgestellten Sarkophag ruht der mumifizierte Körper der Tapeni in der originalen Umwicklung.

Mumiensarg mit Mumie der Tapeni, InnensargStuckiertes und bemaltes HolzSpätzeit, 25. Dynastie (712–655 v. Chr.)191 x 45 x 29 cm

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Schriftkultur, die bis etwa ins Jahr 3.000 vor Christus zurückreicht. „Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ zeigt Beispiele dieser Schriftkultur aus den ver-schiedensten Epochen und Dynastien des Alten Ägypten. Auch hier ist die Sonder-form der Totenliteratur zu nennen. Spek-takuläre Exponate wie Bestattungspapyri, die dem Verstorbenen auf seinem Weg ins Jenseits helfen sollten, sind im Welt-kulturerbe Völklinger Hütte zu sehen. „Ägypten – Götter. Menschen. Pharao-nen“ beleuchtet ausführlich die expo-nierte Position des Schreibers in der Kultur des Alten Ägypten. Das Handwerkszeug des Schreibers – eine Schreibpalette mit Vertiefungen für Farben, ein Pinselfutte-ral, Papyrus und andere seiner Utensilien werden ebenso gezeigt wie Schreibtafeln aus Holz auf denen Schreibschüler ihren Beruf erlernten. Und schließlich sind auch sogenannte Ostraka zu sehen, Ton- und Kalksteinscherben, auf die unter anderem Alltagsnotizen geritzt wurden.

„Ägypten – Götter. Menschen. Pharao-nen.“ zeigt Kunstobjekte des Alten Ägyp-ten aus allen Epochen. Herausragend ist beispielsweise eine mehr als 5.000 Jahre

alte weibliche Sitzstatuette – eine der frü-hesten Darstellungen der menschlichen Gestalt, die als Fruchtbarkeitssymbol fun-gierte. Zu sehen sind außerdem die typi-schen ägyptischen Sitzfiguren, Schmuck und Fayence-Arbeiten.

Die Kunst im Alten Ägypten hatte ihre Hauptaufgabe in der Verherrlichung des göttlichen Pharaos. Der Pharao stammte nach altägyptischer Vorstellung von den Göttern ab. Die Kunst beschäftigte sich vor allem mit ihm und den Göttern. Zahl-reiche Statuen und Statuetten der Ausstel-lung zeigen die ägyptischen Götter. Auch hier treffen die Besucher des Weltkulturer-bes Völklinger Hütte auf die klassischen Götter wie Horus, Thot, Anubis oder Ha-thor, aber auch auf einen Schutzgott wie Bes, der trotz seiner abstoßenden Gestalt als Gott der Zeugung und als Beschützer von Müttern und Kindern galt. Amulette mit wichtigen Elementen der altägypti-schen Kultur wie dem Anch-Zeichen oder dem Djed-Pfeiler geben einen Eindruck von den Werten, auf denen die Kultur des Alten Ägypten basierte. Einige archäologische Funde erzählen auch vom Alltag im Alten Ägypten. So

fremd erscheint, die aber mit ihrem Traum vom ewigen Leben auch für die christliche Kultur prägend wurde. Die Exponate im Weltkulturerbe Völklinger Hütte erzählen vom Wiegen der Herzen beim Totenge-richt, von Göttern wie Horus, Anubis und Osiris und von der Reise der Sonne durch die Nacht. Die Besucher treffen auf die vier Söhne des Horus, denen die Organe in den Kanopenkrügen zum Schutz an-vertraut waren und natürlich sind in der Gebläsehalle auch die Uschebtis zu sehen – die zahlreichen Helfer des Verstorbenen im Totenreich, die an seiner Stelle die Ar-beiten im Jenseits verrichten sollten.

Durch die Inszenierung der Exponate er-wartet die Besucher des Weltkulturerbes Völklinger Hütte ein unvergleichliches visuelles Erlebnis. „Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ bietet die einzig-artige Gelegenheit, beinahe leibhaftig ein Grab des Alten Ägypten zu betreten.

Die Kelten, denen das Weltkulturerbe Völklinger Hütte 2010/2011 eine große Ausstellung widmete, hinterließen so gut wie keine schriftlichen Zeugnisse. Die al-ten Ägypter verfügten über eine reiche

Alle Bilder:© Weltkulturerbe Völklinger Hütte / Hans-Georg Merkel

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war es damals üblich, dass sowohl Frau-en als auch Männer sich schminkten, um die Augen vor Sand und Infektionen zu schützen. Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte sind zahlreiche der Schminkuten-silien und teilweise kunstvoll gestalteten Schminkbehälter zu sehen. Ein weiteres Exponat der Alltagskultur ist beispielswei-se eine Kopfstütze, die die alten Ägypter benutzten, um den Kopf beim Schlafen darauf abzulegen und so kühl zu halten. Der Schlafende sollte durch die Kopfstüt-ze aber auch symbolisch vor den Gefah-ren der Erde geschützt werden.

Zu den ausgefallenen Exponaten der Aus-stellung „Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen“ zählen ein Katzensarg, eine Katzenmumie und ein Sarg mit einer Fi-schmumie. Im Alten Ägypten wurden Tie-re verehrt und teilweise auch mumifiziert. Die Katze galt den alten Ägyptern als Fruchtbarkeitssymbol. Bemerkenswert ist auch eine Grabstele für eine Sistrumspie-lerin. Denn nur wenige Frauen erhielten im Alten Ägypten ein eigenes Grab mit Grabstein. Nicht zuletzt zeigt das Weltkulturerbe Völklinger Hütte eine der Fotokameras

aus der Zeit um 1900, die Ernesto Schi-aparelli, der Leiter des Ägyptischen Mu-seums Turin benutzte, um seine Ausgra-bungen fachgerecht zu dokumentieren. Damals war der Einsatz einer Fotokamera eine bahnbrechende Neuerung in der ar-chäologischen Arbeit. Sogar ein Labor zur Entwicklung der Aufnahmen hatte das Grabungsteam dabei.

In der Ausstellung „Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ kann man die Entdeckungslust und Abenteuerlust spü-ren, die Ernesto Schiaparelli umgetrie-ben haben muss. Ja, ein Hauch von In-diana Jones durchzieht die Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Gleichzeitig treffen hier herausragende Zeugnisse zweier Menschheitsepochen an einem Ort aufeinander. Und schließ-lich ist „Ägypten – Götter. Menschen. Pharaonen.“ auch eine tiefe Verbeugung vor einer der faszinierendsten und bedeu-tendsten Hochkulturen der Menschheits-geschichte – dem Alten Ägypten.

Die Ausstellung wird von einem aus-führlichen Rahmenprogramm begleitet. In Zusammenarbeit mit der Universität

des Saarlandes und der Universität Trier mit der Fachrichtung Ägyptologie bietet das Weltkulturerbe Völklinger Hütte eine Ringvorlesung zum Alten Ägypten an.

Ägypten – Götter. Menschen Pharaonen.täglich von 10 bis 19 Uhr (ab 10. Novem-ber 2014, bis 18 Uhr)

Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche / Schüler und Studenten bis 27 Jahre mit Studentenausweis

Erwachsene 15 €Ermäßigt 13 €

Besucherservice:Tel. 06898 / 9 100 100Fax 06898 / 9 100 [email protected]

Weltkulturerbe Völklinger HütteEuropäischen Zentrum für Kunst und Industriekultur66302 Völklingen / Saarbrücken

[email protected]

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Mathematisch-Physikalischer SalonStaatliche Kunstsammlungen Dresden

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der Dresdner- und Zwinger-Geschichte schrieb, integraler Bestandteil des baro-cken „Gesamtkunstwerk Zwinger“. Als Stätte der Forschung trug er seit Jahrhun-derten zur internationalen Bekanntheit und Wirkung des Bauwerks bei. Noch das Adler Planetarium in Chicago beruft sich bei dessen Gründung 1930 auf den Mathematisch-Physikalischen Salon. Im Zwinger wurde im ‚Physikalischen Kabi-nett’ mit den wissenschaftlichen Instru-menten der Sammlung geforscht, hier wurde im 18. Jahrhundert ein Observa-torium zur Himmelsbeobachtung einge-richtet, und von hier aus wurde bis ins zwanzigste Jahrhundert die offizielle Zeit für Dresden und Sachsen ermittelt – der

Mathematisch-Physikalische Salon war das Greenwich von Sachsen. Auch als der Salon schon weitgehend als Museum diente, blieb er ein ‚Meilenstein des Wis-sens‘ – trug er doch unter anderem zur Gründung der Technischen Universität Dresden bei und inspirierte den Dresdener Uhrmacher Ferdinand A. Lange, der 1845 die deutsche Feinuhrmacherei in Glashüt-te begründete. Mit der Präsentation der Sammlungen des Grünen Gewölbes und der Rüstkammer im Dresdner Residenzschloss haben die SKD einen hohen Maßstab gesetzt. Die Neupräsentation im Mathematisch-Phy-sikalischen Salon rückt die einzelnen Objekte ins Zentrum. Diese können nun so nah betrachtet werden, dass selbst kleinste Gravuren und Verzierungen kein Geheimnis mehr bleiben. Möglich ma-chen dies moderne, doppelt entspiegelte und klimatisierte Vitrinen sowie eine frei-stehende Präsentation der Großgeräte. Eine stimmungsvolle Ausleuchtung der

Säle erzeugt eine besondere Aura, zudem werden die Objekte durch pointierte Be-leuchtung und spiegelnde Oberflächen in Szene gesetzt. Medienstationen und Animationen geben erstmals Einblicke in das Innenleben und die Funktionswei-seausgewählter Objekte. So können die Besucher beispielsweise an einem 3-D Modell die Rechenmaschine des großen französischen Mathematikers und Philo-sophen Blaise Pascal – übrigens die ältes-te Rechenmaschine Deutschlands – selbst ausprobieren. Der Mathematisch-Physi-kalische Salon wird so auch zum Lernort. Detailgetreu nachgebaute historische Ins-trumente wie beispielsweise die Vakuum-pumpe von Jacob Leupold beleben eine Erfahrung der Aufklärung wieder: das gemeinsame Erleben öffentlicher Vorfüh-rungen von physikalischen Experimenten und das gemeinschaftliche Ringen um Erklärungen für die beobachteten Phä-nomene. Neben Werkstattkursen und Führungen geben diese Vorführungen spannende Einblicke in den historischen Kontext der Mathematik, Naturwissen-schaften und Technik.

August der Starke (1670-1733) gründete ihn 1728 im Dresdner Zwinger. Heuteist er nicht nur das älteste Museum an die-sem Ort, sondern auch eines der führen-den Museen wissenschaftshistorischer Instrumente und Uhren: der Mathema-tisch-Physikalische Salon der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD).Das Museum öffnete im April 2013 nach sechs Jahren umfangreicher Sanierungs-arbeiten am barocken Zwinger wieder seine Türen für die Besucher. Seitdem präsentiert sich diese „Schatzkammer des Wissens“ auf fast verdoppelter Aus-stellungsfläche, mit einem modernen Eingangsbereich, einem neugeschaffe-nen, unterirdischen Saal im Zwingerwall sowie einem grundlegend überarbeiteten Konzept der Dauerausstellung. In vier Ausstellungsräumen gliedert sich diese in folgende Kapitel:

Der Kosmos des FürstenMechanische Wunderwerke und mathe-matische Instrumente um 1600

Instrumente der AufklärungPhysikalisches Kabinett – Observatorium – Behörde. Der Salon im 18. Jahrhundert

Der Lauf der ZeitUhren und Automaten seit der Renaissance

Das Universum der GlobenErd- und Himmelsmodelle aus sieben Jahrhunderten

Zu sehen und zu erleben sind hochpo-lierte Brennspiegel, erlesene historische Uhren und Automaten, Teleskope, ast-ronomische Modelle sowie Erd-und Him-melgloben, darunter einer des Mondes und einer des Mars, die nicht nur durch ihre Funktion, sondern auch durch ihre Schönheit begeistern. Die umfangreiche Sammlung von bedeutenden Kunstwer-kendes 16. bis 19. Jahrhunderts, die fast alle die Bestimmung hatten, der wis-senschaftlichen Erkenntnis der Welt zu dienen, macht den Mathematisch-Phy-sikalischen Salon zu einem einzigartigen Museum. Der Mathematisch-Physikalische Salon geht in seinem Ursprung auf die Kunst-kammer zurück, die Kurfürst August (1526–1586) im 16. Jahrhundert im Dresdner Residenzschloss einrichtete. Er unterstrich mit dieser Kunstkammer sei-nen Machtanspruch und seine Stellung in der ersten Liga der Fürsten. Seit 1728 ist der Mathematisch-Physikalische Salon,

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© Mathematisch-Physikalischer Salon, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Foto links: Mechanischer Himmelsglobus, Georg Roll und Johannes Reinhold, Augsburg, 1586. Foto David Brandt

Foto mitte: Porzellanmantelfernrohr, Johann Gottlob Rudolph, um 1750. Foto: Jürgen Karpinski

Foto unten: Vollkreisinstrument, Edward Troughton, 1793.

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des Kurfürsten August von Sachsen am Hof seines Schwagers, des hessischen Landgrafen Wilhelm IV., und folgte einer ersten, für Wilhelm selbst gebauten Uhr, die sich noch heute in Kassel befindet. Die Mechanik beider Uhren wurde unter direkter Beteiligung des hessischen Land-grafen berechnet und unter der Leitung

seines genialen Konstrukteurs Eberhard Baldewein realisiert. Die Planetenuhr zeigt nach dem geozentristischen Welt-bild den Lauf der sieben mit bloßem Auge am Himmel sichtbaren Planeten – Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn sowie der Sonne und des Mondes – an. Wo sich ein jeder dieser „klassischen“ Planeten, von

PlanetenlaufuhrEberhard Baldewein, Hans Bucher, Hermann Diepel, Kassel 1563 –1568

Die monumentale Planetenlaufuhr gehört zu den mechanisch aufwendigsten und künstlerisch herausragenden Uhren der Frühen Neuzeit. Sie entstand im Auftrag

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der Erde aus gesehen, gerade im Tier-kreis befindet, kann einzeln auf den vier Schauseiten der Uhr abgelesen werden. Bekrönt wird die Uhr von einem silbernen Himmelsglobus, auf den die vom hessi-schen Landgrafen gemessenen Sternen-positionen graviert wurden.

Der Kosmos des Fürsten

Mechanische Wunderwerke und mathe-matische Instrumente um 1600Langgalerie

Um 1560 richtete Kurfürst August von Sachsen im Residenzschloss eine „Kunst-kammer“ ein, in der mechanische Wun-derwerke, erlesene mathematische In-strumente und raffinierte Werkzeuge dominierten. Dieser Kosmos des Fürsten stellt die Vorgeschichte des Mathema-tisch-Physikalischen Salons dar. Figuren-automaten wie der Trommelnde Bär, frühe Messinstrumente, mit denen Kur-fürst August das sächsische Territorium persönlich vermaß, sowie die monumen-tale Planetenuhr Eberhard Baldeweins, die zu den schönsten und komplexesten Maschinen des 16. Jahrhunderts gehört, bilden den Schwerpunkt.

© Mathematisch-Physikalischer Salon, Staatliche Kunst-sammlungen Dresden. Fotos: Hans Christian Krass

Foto oben, im Vordergrund: Planetenlaufuhr von Eber-hard Baldewein, Hans Bucher, Hermann Diepel, Kassel 1563-1568.

Foto rechts: Automatenuhr „Trommelnder Bär“, um 1625.

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Automatenuhr „Trommelnder Bär“ um 1625

Der fast 400 Jahre alte Automat in Form eines lebensgroßen, hockenden Bären ist eines der ganz wenigen erhaltenen Exemplare dieser Zeit, die mit einem echten Fell bezogen sind. Das Zifferblat-tauf seiner Brust verweist auf das Uhr-werk im Inneren. Solange die Uhr geht, rollen die Augen des Bären hin und her. Auf dem Zifferblatt steht eine drehbare Weckscheibe. Zur eingestellten Weck-zeit fängt er an zu trommeln, und sein Maulschnappt auf und zu. Der trom-melnde Bär war ein Geschenk des Her-zogs Julius Heinrich von Sachsen-Lau-enburg an den sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. (reg.1611–1656).

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Instrumente der Aufklärung

Physikalisches Kabinett – Observatorium – Behörde. Der Salon im 18. JahrhundertFestsaal

Imposante Fernrohre und Brennspiegel prägen seit seiner Gründung das Bild des Mathematisch-Physikalischen Salons.Die Brennapparate von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und eine Vakuumpumpe von Jacob Leupold stehen im Zentrum des Physikalischen Kabinetts. Große Telesko-pe verweisen auf das Observatorium, das hier ab 1777 eingerichtet wurde und bis 1928 bestand. Übereiner Nord-Süd-Linie wurde von hier aus die Dresdner Ortszeit mit Hilfe eines Passageinstruments und einer Präzisionspendeluhr ermittelt. Über 150 Jahre bestimmte das Museum die offizielle Zeit und war damit das „Green-wich“ von Sachsen.

Sphärischer Brennspiegel, Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, 1686

Der aus der Oberlausitz stammende Eh-renfried Walther von Tschirnhaus (1651 –1708) schuf mit diesem 1686 hergestell-ten Spiegel ein ganz besonderes Instru-ment. Die Kupferoberfläche ist wie eine Hohlkugelgewölbt. Dreht und kippt man den Spiegel zur Sonne, können unter op-timalen Bedingungen Temperaturen bis zu etwa 1500° C im kleinen Brennraum erreicht werden. So konnten ein Loch in eine Metallplatte gebrannt und sogar Asbest, das damals noch als absolut un-brennbar galt, zum Schmelzen gebracht werden. Dank ihrer Leistung wurden Tschirnhaus’ Brenngeräte europaweit be-rühmt. Die mittels seiner Brennspiegel und -linsen vollzogenen Schmelzexperimente, teils in Zusammenarbeit mit Johann Fried-rich Böttger durchgeführt, trugen we-sentlich zur Entdeckung der Rezeptur des europäischen Hartporzellans bei.

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© Mathematisch-Physikalischer Salon, Staatliche Kunst-sammlungen Dresden. Fotos: Hans Christian Krass

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Das Universum der Globen

Erd- und Himmelsmodelle aus sieben Jahrhunderten. Neuer Saal im Zwingerwall

In einem neugeschaffenen Saal im Zwin-gerwall ist eine der faszinierendsten Globensammlungen der Welt zu entde-cken: Himmelsgloben, Erdgloben, ein Mondglobus und sogar einer des Mars. Sie erfahren hier, wie das geographische Wissen sich ausbreitete und wie man mit

einem Himmelsglobus rechnen kann. Zu den Höhepunkten zählen Riesengloben der führenden Kartographen aus Amster-dam und Venedig sowie das älteste Expo-nat des Museums: der „Arabische Him-melsglobus“, der im 13. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Iran hergestellt wurde.

© Mathematisch-Physikalischer Salon, Staatliche Kunst-sammlungen Dresden. Foto: Sven Döring

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der sächsischen Präzisionsuhrmacherei. Ist sie doch unmittelbar mit dem Observa-torium im Zwinger verbunden und führt direkt zu den Uhrenmanufakturen im Erzgebirgischen Glashütte, wo bis heute Uhren gebaut werden, die zu den besten der Welt gehören. Der anschließende„Sa-lon im Salon“ wird zum besonderen Ler-nort für Besucher aller Altersgruppen. Hier kann man die älteste Rechenma-

schine Deutschlands selber ausprobieren, die Vorführung von historischen Experi-menten mit detailgetreu nachgebauten Instrumenten hautnah erleben und ei-nen offenen Teil des Museumsdepots durchwandern.

Mathematisch-Physikalischer SalonStaatliche Kunstsammlungen Dresdenwww.skd.museum

Der Lauf der Zeit

Uhren und Automaten seit der Renaissan-ce. Bogengalerie mit „Salon im Salon“

Die Geschichte der mechanischen Uhr vom 16. bis ins 19. Jahrhundert lässt sich anhand der ausgestellten Renaissan-ce-Türmchenuhren, kostbaren Halsuhren sowie früher Versuche der Präzisierung der Zeitmessung nachvollziehen. Ein be-sonderes Kapitel ist dabei die Entwicklung

© Mathematisch-Physikalischer Salon, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Foto: Hans Christian Krass

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Als der Schriftsteller Heinrich Böll und der Fotograf Chargesheimer 1957 für ihr Buch „Im Ruhrgebiet“ die Region bereisten, befand sich das Ruhrgebiet auf dem Höhepunkt der industriel-len Produktion. So beschreiben der Text von Heinrich Böll und vor allem die Fotografien von Chargesheimer das typische Ruhrgebiet der späten 1950er Jahre: einen industriellen Bal-lungsraum, der völlig von Kohle und Stahl geprägt ist. Sie zeigen die Zer-störung der Landschaft, die Gesichts-losigkeit der Städte, die Dominanz der schweren Männerarbeit, aber sie zeigen auch schon den beginnenden Strukturwandel: die Freizeit und die

Chargesheimer. Die Entdeckung des RuhrgebietsSonderausstellung im Ruhr Museum vom 26. Mai 2014 bis 18. Januar 2015

Unterhaltung, den modernen Kon-sum und den beginnenden Autover-kehr, vor allem aber die Menschen in ihrer alltäglichen Umgebung, ihrer zur „Heimat“ gewordenen Industrie-region.

Der Band „Im Ruhrgebiet“ ist seit Jahren vergriffen und noch nie sind ausschließlich die Ruhrgebietsfotografien Chargeshei-mers ausgestellt worden. Vor allem aber sind noch nie jene Bilder gezeigt worden, die 1957 in Vorbereitung für den Bildband gemacht, seinerzeit aber nicht für das Buch ausgewählt wurden. Insgesamt lie-gen über 1.500 Negative im Rheinischen

Bildarchiv, die in diesem Zusammenhang entstanden sind. Die Ausstellung „Char-gesheimer. Die Entdeckung des Ruhrge-biets“ zeigt über 150 dieser bisher unver-öffentlichten und etwa 50 der im Bildband erschienenen Fotografien.Die über 200 ausgewählten Fotografi-en sind in der Ausstellung sechs The-men zugeordnet, die sich im zentralen Ausstellungsraum verteilen: Es sind die „Ruhrgebietslandschaft“, die „Stadt“, die „Arbeit“, das „Wohnen“ und die „Frei-zeit“ und vor allem die „Menschen“, dieChargesheimer am meisten interessierten.

Diesen Großthemen ordnen sich in den Seitenkabinetten des Ausstellungsraumes

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eine Reihe von Unterthemen zu. „Berg-bau“, „Stahl-“ und „Frauenarbeit“, „Taubenzüchter“ und „Pferderennen“, „Passanten“, die „Kirche“, die „Kneipe“ und der „Konsum“, der „Markt“ und die „Milieus“.„Im Ruhrgebiet“ erschien im Herbst 1958 als großformatiger, für die Zeit fast über-dimensionierter Bildband, der eindeutig den Schwerpunkt auf die Fotos von Char-gesheimer legte. Die radikale Subjektivität und Intensität des Buches entfachten eine Kontroverse, die viel über die Identität und den Kampf um die Deutungshoheit über das Bild der Region verrät. Außer-halb des Ruhrgebiets erfuhr das Buch höchstes Lob, während im Ruhrgebiet ein Sturm der Entrüstung losbrach.Bereits im darauffolgenden Jahr brachte der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk den ebenfalls aufwendig gestalteten Band „Ruhrgebiet – Porträt ohne Pathos“ heraus und in der Folge erschien eine Flut von Bildbänden und Fotobüchern, die bis heute nicht abgeebbt ist. Man kann sa-gen: Mit Bölls und Chargsheimers Band wurde das Ruhrgebiet als Thema für fo-tografische Reportagen populär. Die Aus-stellung zeigt die wichtigsten Fotobücher dieser fast sechzig Jahre – insgesamt ca. 200 – und stellt sie den Fotografien Char-gesheimers gegenüber, so dass eine Bild-geschichte des Ruhrgebiets entsteht.Zur Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König ein um-fangreicher, 340 Seiten starker Katalog, der alle Fotografien der Ausstellung und die wichtigsten Fotobücher der letzten sechzig Jahre präsentiert. Aufsätze von Stefanie Grebe, Heinrich Theodor Grüt-ter, Dieter Nellen, Andreas Rossmann und Sigrid Schneider interpretieren die Fotografien von Chargesheimer und das begleitende Essay von Heinrich Böll, die Kontroverse, die das Buch hervorgerufen hat, die Geschichte der Bildbände und Fo-tobände, die in der Folge entstanden sind und den damit verbundenen Wandel des öffentlichen Bildes des Ruhrgebiets.

Vorträge und Diskussionen im Rah-men der Ausstellung „Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets“

Vorträge:

Mi 19.11._18 UhrStefanie GrebeChargesheimer neu entdeckt – Fotogra-fien zum Ruhrgebiet aus dem Jahr 1957

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Mi 26.11. um 18 UhrProf. Heinrich Theodor GrütterChargesheimer und die Folgen. Zu einer Bildgeschichte des Ruhrgebietes

Podiumsdiskussion: Mi 3.12. um 18 Uhr

Das fotografische Bild des Ruhrgebiets im StrukturwandelDer Bildband „Im Ruhrgebiet“ von Böll und Chargesheimer löste 1958 eine Kon-troverse um das Bild des Ruhrgebiets aus. Die Podiumsdiskussion versucht die Kern-punkte dieser Kontroverse herauszuarbei-ten.Teilnehmer: Peter Liedtke, Dr. Sigrid Schneider, Andreas RossmannModeration: Prof. Heinrich Theodor Grüt-ter

Ort: Ruhr Museum, Kokskohlenbunker [A16]

Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist kostenlos.

Ruhr MuseumUNESCO-Welterbe ZollvereinAreal A [Schacht XII], Kohlenwäsche [A14]Gelsenkirchener Straße 18145309 Essenwww.ruhrmuseum.de

Fotos: Chargesheimer, aus dem Projekt „Im Ruhrge-

biet“, 1957/1958, Rheinisches Bildarchiv Köln

Bilder Ausstellungsräume: Ruhr Museum/Rainer Ro-

thenberg

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Das Bergbaumuseum OelsnitzAutor: Dagmar Borchert

Das Bergbaumuseum Oelsnitz/Erz-gebirge ist als Originalschauplatz ein beeindruckender Zeitzeuge des Steinkohlenbergbaus auf sächsischem Boden. Das einstige Produktionszen-trum ist heute Sammlungs- und For-schungsstätte, wo neben geologischer Geschichte vor allem das Zeitalter der Kohlenförderung und der Industriali-sierung thematisiert werden.

Den Grundstein für die hiesige Steinkoh-lenförderung legte Karl Gottlob Wolf, der als Bergfaktor (Bergverwalter) 1844 den

Abbau von Steinkohle im Oelsnitzer Re-vier in Gang setzte. In neun Meter Tiefe fand er ein abbauwürdiges Flöz und be-gann, bergmännisch Kohle zu gewinnen.

Die schnelle Industrialisierung Sachsens wäre ohne die heimische Steinkohle nicht denkbar gewesen. Selbst Erfindungen aus hiesigen Revieren wurde weltweit expor-tiert; zum Beispiel die Benzinsicherheits-lampe der Firma Friemann & Wolf aus Zwickau oder die Großtechnologie des Blasversatzes, mit der die Zahl von Boden-senkungen verringert werden sollte. Bis zur

Einstellung des Bergbaues im Lugau-Oels-nitzer Revier am 31. März 1971 sind 142 Millionen Tonnen Steinkohle gefördert worden. Diese Epoche hat deutliche Spuren hinterlassen - in der Region, der Landschaft, vor allem aber bei den Men-schen, die hier seit Generationen leben und mit dem Bergbau verwurzelt sind. In den verschiedenen Themenbereichen der Ausstellung auf dem Gelände des 1986 eröffneten Bergbaumuseums finden sich einzigartige Zeugnisse jener Geschichte. Inmitten eines breiten Spektrums unge-wöhnlicher Installationen laden sie zu ei-

Foto © Arndt Gaube. S/W-Bild: Karl-Liebknecht-Schacht um 1950. Archiv/BBM. Unten: Tropföler für das Gelenk, Foto © Dagmar Borchert.

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Das Bergbaumuseum Oelsnitz

ner Zeitreise ein. So führt ein künstlicher Karbonwald bis zu den Ursprüngen der Entstehung von Steinkohlenvorkommen vor rund 300 Millionen Jahren. Dieser „Wald“ ist fossilen Funden aus umliegen-den Kohlengruben nachempfunden und gibt mit seiner teilanimierten Atmosphäre das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein. Baum- und Moosfarne wiegen sich ver-spielt im Wind, während Schuppen- und Spiegelbäume unheimlich knarren. Man kann das feuchtwarme Klima förmlich spüren, wenn Vegetationen in unvorstell-baren Zeiträumen immer wieder aufkei-

Oben Rechts: Bergbauspielplatz „Zwergenschacht“ – hier können die Kids alle Schritte der Kohlenförderung selbst nachspielen, wie hier am Förderband mit Sortieranlage.

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men, sich Pflanzen in Sturm und Regen winden, bevor sie absterben, im Morast versinken und die Inkohlung beginnt.

Was mögen die Bergleute im 19. Jahrhun-dert gedacht haben, als sie Kohle aus den Schächten förderten? Fanden Sie noch Zeit, die unzähligen beim Abbau mit he-rausgekratzten fossilen Pflanzenreste zu betrachten? Interessierte es sie, was den Ausgangspunkt ihrer schweren Arbeit mit begründet hatte?Eine populärwissenschaftliche Ausstellung in der Geologie regt zum Nachdenken an und bietet mit verschiedenen interakti-ven Elementen zusätzliche Informationen über die Geschichte der Erde; eine dicke Sanduhr mit schwarzen Kugeln fungiert als Zeitraffer. Mehrmals am Tag jedoch unterbricht eine Durchsage die gespannte

Oben: Foto © Arndt Gaube. Unten: Künstlicher Carbonwald. Foto: © Dagmar Borchert

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Neugier der Besucher, wenn sie zur nächs-ten Führung durch den „Schacht“ ruft. Dessen markanter Förderturm lockt viele schon aus der Ferne. Von der Autobahn 72 kann man ihn sehen, und ganz beson-ders schön sieht er aus in den Farben des Herbstes. Dann verleiht ihm das Licht eine unglaubliche Ausstrahlung. In seinem Baujahr 1923 war dieses Anmutige auch ein Zeichen für große Kohlenvorkommen, für den Wohlstand der Gewerkschaft Gottes Segen, die sich den seinerzeit in Sachsen so erfolgreichen Erich Basarke als Hausarchitekten leisten konnte. Mehr als fünfzig Meter hoch konzipierte er diesen Turm, dazu eine ausladende Empore, auf der eine elektrische Fördermaschine von

Siemens&Schuckert aufgestellt wurde. Mit einer Leistung von 1120 kW trieb sie eine riesige Koepescheibe an, über die ein dickes Stahlseil wechselseitig zwei Förderkörbe auf und ab bewegte; mit Bergleuten, Kohlenhunten und Holz für den Ausbau. Ein Bergmann hat diese Ma-schine bedient, einer pro Schicht hat acht Stunden lang nach Signalen der Schacht-glocken und Position des Teufenzeigers die Hebel vor- und zurück geschoben, um Strom zuzuführen, zu drosseln oder anzuhalten. Heute gibt es nur eine De-monstration von wenigen Minuten, und von der umlaufenden Galerie aus wirkt dieser unterhalb großer Fenster gelegene Arbeitsplatz mit seinem Holzstuhl fast ge-

Unten: Dampffördermaschine, die einzige noch funktionsfähige ihrer Art in Sachsen. Bj. 1923; wurde 1933 auf dem Kaiserin-Augusta-Schacht in Betrieb genommen und leistete bis zur Einstellung der Kohlenförderung 1971 ihren Dienst. Foto © Gregor Lorenz. Foto Oben: © Dagmar Borchert

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mütlich. Jeder Fördermaschinist hätte für diese Perspektive vielleicht sonst was ge-geben. Doch diese Empore, von der aus man auch einen wundervollen Panorama-blick vom einstigen Revier bekommt, gibt es erst seit Bestehen des Museums.

Sechs ehemalige Bergleute haben sich da-mals 1976 daran gemacht, den einstigen Karl-Liebknecht-Schacht umzubauen. Die Hängebank im unteren Teil des Fördertur-mes sollte dabei auch weiter als „Tor zur Tiefe“ fungieren – fast wie einst, als hier täglich mehr als zweitausend Bergleute

ein- und aus fuhren und bis zu sieben-tausend Hunte voll Steinkohle gefördert wurden. Doch die Tiefe gab es nicht mehr. Unberechenbare Einsturzgefahr, Schlag-wetter und Grubenbrände gehörten für immer der Vergangenheit an. Zuvor hatte man noch intakte Maschinen ans Tages-licht geholt, um sie nun „oben“ in einem Anschauungsbergwerk aufzustellen. Den besten Platz bot das ausgediente Mann-schaftsbad - die Waschkaue, in der Tau-sende Kleiderhaken an Ketten von der De-cke hingen. Dort ließen sich verschiedene Ebenen als „Sohlen“ für Grubenbaue einfügen, um die gesamte untertägige Arbeitswelt des Bergmanns darstellen zu können: Holz- und Eisenausbauar-ten, Flöze, Gesteinsstaubsperren, Blind-schächte, Förderanlagen, Gezähkammer (Werkzeugkammer), markscheiderische Arbeitsgeräte, Versatztechnik. So ent-stand auf rund vierhundert Meter Lände ein authentischer Ort, der in Dunkelheit und Enge von ständigen Gefahren, von schwerer körperlicher Arbeit unter teils unvorstellbaren Bedingungen, aber auch vom mitunter gewöhnungsbedürftigen Humor der Bergleute zeugt. Eine ältere Dame, die nach dem Zweiten Weltkrieg in einem benachbarten Schacht als Lok-fahrerin gearbeitet hat, prägte einmal den

Satz: „Bergbau ist kein Blumenladen!“. Und sie fügte hinzu: „es gab Verletzte, es gab auch Tote, es war immer gefährlich – aber ich würde jederzeit wieder als Berg-mann arbeiten“.

Mancher scheint am Ende der Führung froh, nicht wirklich „unten“ gewesen zu sein, dass eine Illusion genügt hat, Berg-bau fast schon hautnah gespürt zu haben - ohne die 35 Grad, die im Schacht einst herrschten, ohne den Staub, den Dreck und diesen ständigen Lärm. Man tritt durch eine Eisentür, hängt seinen gelben Helm an einen Haken und könnte jetzt gehen. Doch war da nicht noch etwas? Zeigte der Querschnitt des Förderturmes zu Beginn der Führung nicht vier Förderge-stelle, und waren es davon nicht die zwei Schmalen, die von einem Nebengebäude aus mit einer anderen Maschine bewegt wurden? Es soll Sachsens größte und ein-zige noch funktionierende Dampfförder-maschine sein. Laut zischt sie, wenn sie ihre Kurbelgestänge stolz und schwermü-tig schnaufend in Gang setzt. Die ganze Halle riecht nach Öl, Patina macht die-sen Koloss geschichtsträchtig. Bis zuletzt diente diese Anlage der Kohlenförderung, und so mancher Fördermaschinist zog seine Straßenschuhe aus und schlüpfte in

Anschauungsbergwerk mit „Kopfstrecke und Muldentrogband“ zum Transport von Material für den Grubenausbau. In der Kopfstrecke wurden die Leitungen für Strom, Press-luft und Wasser entlang geführt. Foto: © Gregor Lorenz. Unten: Der Stuhl ist der Arbeitsplatz des Fördermaschinisten an der Turmfördermaschine. Foto: © Dagmar Borchert.

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Pantoffeln, wenn er in „der guten Stube“ seine Schicht leistete. Mit 1500 PS war sie nicht die Leistungsstärkste, aber ihr Einbau 1933 machte diesen Schacht fle-xibler. Gab es mal keinen Strom, war sie der einzige Ersatz, alles lief nur über sie. Heute braucht sie den Strom, denn das

Kraftwerk, das einst den Dampf lieferte, steht halb verfallen als Industriebrache. Unweit dieser Ruine sind Kinderstim-men zu hören, laut und durcheinander wird dort gerufen – in dieser kunter-bunten kleinen Bergmannswelt. „Zwer-genschacht“ heißt sie. Erst im Juni war

Eröffnung dieses jüngsten Museumsberei-ches. Mit einer mechanischen Spielanlage lassen sich im Förderturm Bodenschätze bergen. Verwinkelte unterirdische Gänge liegen darunter. Eine angrenzende Sand-spiellandschaft lädt zum Graben nach fos-silen Abdrücken von Karbonpflanzen ein. Hier können Kinder spielend Geschichte lernen, jene Geschichte, die sich mit die-sem Museum und dieser ganzen Region verbindet.

Bergbaumuseum Oelsnitz/ ErzgebirgePflockenstraße 2809376 Oelsnitz/ Erzgebirge

www.bergbaumuseum-oelsnitz.de

Die Grubenlok fuhr mit Strom aus der Oberleitung und konnte bis zu 100 Hunte transportieren. Ein Hunt hatte ein Leergewicht von rund einer Tonne, die Kohle wog oft ebenso viel. Foto: © Gregor Lorenz

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Die Philipps-Universität Marburg ist dank der geringen Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg im Besitz von 31 interessanten universitären Sammlungen, doch nur wenige sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Zu diesen gehört das Museum Anato-micum, das etwas versteckt im Dach-geschoss des alten Pathologischen Instituts in der Robert-Koch-Str. 6 zu finden ist und jeden ersten Samstag im Monat von 10 – 12 Uhr für jeder-mann seine Pforten öffnet. Größere Gruppen können auch au-ßerhalb dieser Öffnungszeit eine Führung vereinbaren (Kontakt: www.uni-marburg.de/fb20/museum-ana-tomicum). Das Museum liegt in der Nähe des Marburger Hauptbahnhofs, und ein Besuch lässt sich gut mit einer Besichtigung der gotischen Elisabeth-kirche und der historischen Marbur-ger Oberstadt vereinbaren.

Der Geruch von Formalaldehyd und al-tem Holz steigt dem Besucher in die Nase, wenn er die Treppen zum Museum Ana-tomicum empor steigt. Zwei Jahrhunderte Marburger Medizingeschichte warten hier auf ihre Entdeckung und können unter-stützt durch die Erklärungen von geschul-ten Medizinstudenten erkundet werden. Im Ambiente von alten Vitrinen werden menschliche und tierische Präparate, Skelette und Schädel, medizinisches Ge-rät, Atlanten, Kupferstiche und Ölgemäl-de gezeigt, die seit Anfang des 19. Jahr-hunderts von den Marburger Anatomen hergestellt und gesammelt wurden. Die ursprünglich zu Lehrzwecken ange-legte Sammlung wurde durch ihren Be-gründer, den Anatomieprofessor Christian Heinrich Bünger (1782 – 1842) stetig auf über 3000 Präparate erweitert; weitere Sammlungsstücke kamen durch seine Nachfolger im Amt dazu. Zahlreiche die-ser Exponate sind erhalten geblieben und zeigen deren meisterhafte Kunst des Prä-parierens. Bünger fertigte beispielsweise Injektionspräparate von Körperteilen und

Organen an, bei denen Blut- und Lymph-gefäße durch Einspritzen von gefärbten Wachsmassen dargestellt wurden (Abb.2). Das „Bünger-Zimmer“ mit einer Vielzahl dieser nach Art von Mumien hergestellten Trockenpräparate beeindruckt außerdem

durch zahlreiche Exponate von Tieren, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Forschungsreisenden mitgebracht oder angekauft wurden. Unter diesen eher ungewöhnlichen Sammlungsstücken ist auch eine 1000 Jahre alte Mumie aus

Was uns die Todten=Schedel lehren ...Das Museum Anatomicum in Marburg an der Lahn. Autorin: Dr. Kornelia Grundmann

Abb. 1: Das alte Pathologische Institut, heute Institut für Cytobiologie. Im Dachgeschoss ist das Museum Anatomi-cum untergebracht. Foto: © Kornelia Grundmann

Abb. 2: Von Chr. H. Bünger um 1810 präparierter Kopf. Arterien und Venen sind durch Gefäßinjektion dargestellt (Foto: Bildarchiv Foto © Marburg, fmd 453604)

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Abb. 3: Das „Büngerzimmer“ mit den von Chr. H. Bünger angefertigten Präparaten, die Mumie ist rechts im Bild zu sehen. (Foto: Bildarchiv Foto © Marburg, fmd 453563)

Peru, die man eher in einem ethnologi-schen Museum vermuten würde (Abb. 3).

Einen weiteren Raum nimmt die Ausstel-lung von Exponaten zur Geburtsmedizin ein. Dort kann der Besucher die Entwick-

lung des menschlichen Embryos, aber auch die dabei möglichen Fehlbildungen anhand einer Reihe von sogenannten Feuchtpräparaten (in mit einer Mischung aus Formaldehyd und Alkohol gefüllten Gläsern) betrachten. Alte Instrumente,

Lehrbücher und anatomische Atlanten geben Auskunft über die damaligen Möglichkeiten von Hebammen und Ge-burtshelfern, bei schwierigen Geburten das Leben von Mutter oder Kind zu retten (Abb. 4).

Abb. 4: Ein Blick in die Geburtsmedizinische Abteilung (Foto: © Gerhard Aumüller)

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scher Präparierkunst, die Mazeration. Abb. 5: Überblick über die Sammlung von anatomischen und pathologischen Skeletten und Einzelknochen (Foto: Bild-archiv Foto: © Marburg, fmd 453561)

Die menschlichen und auch einige tieri-sche Skelette und Einzelknochen bilden einen weiteren Schwerpunkt der Samm-lung und verdeutlichen das schon im Mit-telalter angewandte Verfahren anatomi-

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Das Highlight ist hier für jeden Besucher der „Lange Anton“, das imposante Skelett eines riesenwüchsigen Mannes mit einer Körpergröße von 2,44 m. Wie aus den erhaltenen Sammlungskatalogen Büngers hervorgeht, brachte er dieses Skelett 1810 aus Helmstedt mit, als die dortige Universität aufgelöst wurde. Aus weiteren Quellen wissen wir, dass die Lei-che bereits 1596 in Helmstedt skelettiert wurde, und aus Veränderungen an den Schädelknochen kann man heute die Ur-sache des Riesenwuchses rekonstruieren. Ein ebenfalls zur Sammlung gehöriges Ölgemälde zeigt den „Langen Anton“ in Lebensgröße als Landsknecht. Es wird zurzeit mit Geldern der Kulturstiftung Deutscher Länder restauriert und soll das Ensemble komplettieren.

Abb. 6: Der „Lange Anton“, das Skelett eines riesen-wüchsigen Mannes (Foto: © Bildarchiv Foto Marburg, fmd 453671)

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Die zahlreich ausgestellten Wachs- und Gipsmodelle verschiedener Organe und Körperteile wurden hauptsächlich für Lehrveranstaltungen benutzt, denn es war für die Anatomen des 19. Jahrhun-derts oftmals schwierig, den Studieren-den genügend Leichen zu präsentieren. Niemand wollte sich der Anatomie frei-willig nach seinem Ableben zur Verfü-gung stellen, so dass man auf die Leichen hingerichteter Verbrecher zurückgreifen musste. Aber auch ästhestisch schöne Wachsplastiken sind zu sehen, bei denen die Venus von Medici in Florenz als Vorla-ge diente. Das Halbrelief der „Marburger Venus“ zeigt eine junge Frau mit eröff-neter Bauchdecke, bei der der Blick auf das ungeborene Kind frei gegeben wird. (Abb. 8)

Die umfangreiche craniologische Samm-lung (cranium = der Schädel) umfasst etwa 400 Exponate. Die Variationsbreite von menschlichen Schädelknochen wird an 50 Schädeln aus verschiedenen Kultur-kreisen deutlich. Sie dokumentieren die im 19. Jahrhundert einsetzende Entwicklung der Anthropologie, die sich unter dem Einfluss Darwins mit der Spezies Mensch und der Ausbildung der „Menschenras-sen“ befasste. Auf der Grundlage der Rassenideologie der NS-Zeit wurde die-se Sammlung in den 1930er Jahren von einem Marburger Anatomen nochmals (pseudo-)wissenschaftlich untersucht, um so das Weltbild der Nationalsozialisten von der „nordischen Herrenrasse“ zu un-termauern. (Abb. 7)

Abb.8: Die „Marburger Venus“, Halbrelief aus Wachs (Foto: © Bildarchiv Foto Marburg, fmd 453593)

Abb. 7: Einige Exponate der Marburger „Rassenschädelsammlung“ (Foto: Bildarchiv Foto Marburg, fmd 453566)

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in Frankfurt am Main (SeSam) aufgenom-men werden soll, so dass die Exponate zu wissenschaftlichen Zwecken auch online verfügbar sein werden. Darüber hinaus ist mit Hilfe der alten, noch erhaltenen Sammlungskataloge und durch Quellen-forschung in den Archiven mehr über die Herkunft von herausragenden Präparaten wie z. B. den erwähnten Schädeln und To-tenmasken zu erfahren. Hinterfragt man den Kontext der Objekte, so erschließen sich oft spannende Geschichten (Sahm-land, I., Grundmann, K.: Tote Objekte – lebendige Geschichten. Exponate aus den Sammlungen der Philipps-Universität

Marburg, Imhof Verlag Petersberg 2014).Der Umgang mit medizinischen Objek-ten aus menschlichem Material hat im-mer eine besondere ethische Dimension. Es gilt, diese Präparate mit Sorgfalt zu behandeln und in einem angemessenen Umfeld würdig zu präsentieren. Nach wie vor dringend erforderlich und dem Wert der Sammlung angemessen ist deshalb die Unterbringung des Museums in groß-zügigeren Räumen, eingerichtet nach heutigen Museumsstandards, die eine bessere und zeitgemäße Präsentation der Sammlungsstücke ermöglichen. Unter den heutigen Gegebenheiten, wechseln-

Ebenfalls darunter sind Schädel mit zuge-hörigen Totenmasken von Hingerichteten aus der Zeit um 1850, an denen man eine „Typologie des Verbrechers“ erarbeiten wollte. Die Phrenologie, eine damals sehr verbreitete, heute eher belächelte Lehr-meinung jener Zeit, sollte durch wissen-schaftlich betriebene Schädelmessungen Aufschluss über die Veranlagungen und intellektuellen Fähigkeiten des Menschen geben. (Abb. 9) Zurzeit wird ein vollständiger Katalog aller Sammlungsstücke erstellt, der in die Da-tenbank des Senckenbergischen Instituts

Abb. 9: Schädel und zugehörige Totenmasken von hingerichteten Mördern (Foto: © Bildarchiv Foto Marburg, fmd453610)

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den Temperatureinflüssen und Luftfeuch-tigkeit, sind die historischen Präparate stark gefährdet. Angesichts leerer Univer-sitätskassen ist zu hoffen, dass sich Geld-geber finden, um das historische Erbe der Marburger Anatomie auch für die nächs-ten Jahrzehnte zu erhalten.Die Marburger Anatomische Sammlung mit ihren einzigartigen Exponaten hat sich in den letzten Jahren zu einem me-dizinhistorischen Museum mit ständig steigenden Besucherzahlen entwickelt. Bezeichnungen wie „Gruselkammer“ werden der Intention des Museums nicht gerecht, das vielmehr zeigt, mit welcher

Ausdauer und Geschicklichkeit die Ana-tomen früherer Jahrhunderte den Bau des menschlichen Körpers zu ergründen suchten, ihrem alten Wahlspruch folgend: Gnothi seauton – Erkenne Dich selbst!

Dr. Kornelia Grundmann, Kustodin der Anatomischen Sammlung der Phil-ipps-Universität Marburg

Emil von Behring-BibliothekArbeitsstelle für Geschichte der Medizin der Philipps-Universität MarburgBahnhofstr. 7, 35037 [email protected]

Abb. 10 Kartusche aus der der Kasseler Anatomie (1785) mit der griechischen Aufschrift: Gnothi seauton – Erkenne Dich selbst! (Foto: © Gerhard Aumüller)

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Zuweilen trägt die Beschäftigung mit der spätmittelalterlichen Malerei des Niederrheins köstliche Früchte auch ganz unverhoffter Art: Eine Reise nach Los Angeles. Nach wunderbaren Stun-den an der felsigen Küste von Malibu an einem hellen Junimorgen – und nach einer irritierenden Begegnung mit einem leibhaftigen Hollywood-star, um die mich ausschließlich meine weiblichen Freunde daheim benei-den würden, die an dieser Stelle aus-zuplaudern mich jedoch viel zu sehr vom eigentlichen Thema abdriften ließe – fahre ich den Highway No. 1 in Richtung Süden die Pazifikküste ent-lang. Mein Ziel ist die Getty Villa. Und der Gedanke daran, wie es überhaupt dazu kam, jetzt in diesem Moment die sonnenverwöhnte Pazifikküste entlang zu gondeln, läßt mich augen-blicklich schmunzeln.

Nur ein paar Wochen zuvor, ich war noch wissenschaftliche Mitarbeite-rin bei der Stiftung Deutsches Histo-risches Museum in Berlin, erhielt ich eines Tages aus Los Angeles die Zusa-ge, bei einem Kongress an der UCLA (University of California, Los Angeles) einen Vortrag über Maltechnik zu Be-ginn des 16. Jahrhunderts zu halten. Der Zufall wollte es, daß mich der mir zu diesem Zeitpunkt noch unbekann-te Herr Uwe Strauch just an diesem Morgen im Museum anrief. Eigentlich hatte er mit einer Kollegin sprechen wollen, doch rasch glitten wir in eine anregende Unterhaltung über das Museumswesen ab. Er teilte meine Begeisterung. Zu der Freude, in einer der weltweit renommiertesten Uni-versitäten sprechen zu dürfen, gesell-te sich die Vorfreude auf einen Besuch im Getty Center, das es vor meinem

letzten Besuch viele Jahre zuvor in Los Angeles noch gar nicht gegeben hat-te. Ich durfte also sehr gespannt sein. Mit den folgenden Ausführungen komme ich dem Wunsch nach, über meine ganz persönlichen Eindrücke im J. Paul Getty Museum für Museum.de zu berichten.

Die Getty Villa, 17985 Pacific Coast Highway

Das J. Paul Getty Museum besitzt zwei Standorte in Los Angeles, die Getty Villa und das Getty Center. Als erstes will ich die Getty Villa besuchen. Sie liegt prak-tisch auf meinem Weg von Malibu nach Downtown Los Angeles. Kaum vom Paci-fic Coast Highway abgebogen, stehe ich auch schon vor einem relativ bescheide-nen neobarocken Pförtnerhaus, wo ein

„At the Getty“Autorin: Dr. Lioba Schollmeyer

Links: Eingang Getty Center. Oben: Luftaufnahme Getty Villa. Fotos: © 2014 The J. Paul Getty Trust. All rights reserved.

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hilfsbereiter Museumsmitarbeiter den Ankommenden den Weg hoch zur Villa beschreibt. Bereits von Deutschland aus hatte ich per Internet den obligatorischen Platz im Parkhaus sowie eine Eintrittskarte für eine abendliche Lesung des Pulitzer-preisgewinners Stephen Greenblatt reser-viert. Dort kann alles online gebucht wer-den, vom Parkplatz bis zur Picknick-Box. Der Eintritt ist sowohl für die Getty Villa als auch für das Getty Center frei, ledig-lich das Parken ist kostenpflichtig – wie überall in Los Angeles. Ist man ohne ein Fahrzeug unterwegs, wird man vom Ein-gang abgeholt und zur Villa chauffiert und nach dem Museumsbesuch wieder zum Eingang zurückgebracht – ein be-sucherfreundlicher Service, der zugleich gewährleistet, daß sich niemand auf dem ausgedehnten hügeligen und schwer einsehbaren Gelände unbeaufsichtigt be-wegt. Die Getty Villa befindet sich im maleri-schen Pacific Palisades. Allein der Klang des Stadtteilnamens beschwört Assoziati-onen. Zahlreiche deutschsprachige Intel-lektuelle, die wegen des Nationalsozialis-

mus in die USA exiliert waren, lebten in Los Angeles. Die Betuchteren unter ihnen konnten sich zum Teil schlossartige Villen in Pacific Palisades leisten. Hier wohnten Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, Theo-dor W. Adorno, Max Horkheimer, Bert Brecht und Helene Weigel, Hanns Eisler, Max Reinhardt und Arnold Schönberg, um nur einige zu nennen. Entlang eines künstlich angelegten Ba-ches führt die geschwungene Auffahrt durch einen Hain hoher Eukalyptusbäu-me zur Villa hinauf, von der zuerst nur ein kleiner Teil zu erspähen ist. Ziemlich ab-rupt endet der Weg in der untersten Eta-ge eines vierstöckigen und in einen Hügel hineingebauten Parkhauses, dessen Wän-de mit Abbildungen antiker Mosaiken geschmückt sind. Die Vorfreude auf das, was gleich zu sehen sein wird, wächst. Ein Fahrstuhl führt weiter hinauf. Wer will, kann den gesamten Höhenunterschied mit dem Fahrstuhl überwinden; ich ent-scheide mich für die langsamere Annähe-rung zu Fuß, Schritt für Schritt. Die Villa ist noch immer nicht zu sehen; nur dann und wann kann man durch die Zweige einen Blick auf das Gebäude erhaschen. Eine hochmoderne und zugleich behut-sam in den Eukalyptushain hineingebaute Gartenarchitektur aus Sichtbeton lenkt den Besucher durch den Garten. Das alles folgt einer unaufgeregten Dramaturgie: immer häufiger und in immer kürzer wer-denden Abständen wird der Blick auf die Villa auf dem noch immer ansteigenden Weg freigegeben. Oben angelangt, stehe ich unvermittelt auf der obersten Galerie eines der Antike nachempfundenen Am-phitheaters, dessen Bühne zugleich die Eingangsfront der zweigeschossigen Villa ist. Der Kontrast zwischen der Architek-tursprache des Gartens und des Baukör-pers der Villa könnte größer kaum sein: hier spitze Kanten, kompromisslos klare Linienführung, nackter Sichtbeton, Stahl und Glas, absolute Abwesenheit von Or-nament und Dekor, unübersehbares und zugleich unaufdringliches Understate- ment, dort indessen wird nicht mit üppi-gen Anleihen aus dem Wörterbuch der antiken Architektursprache gegeizt: Säu-len mit farblich abgesetzten Basen und Kapitellen, Kolonnaden, fein geäderte italienische Marmorplatten unterschied-licher Farbgebung neben gemusterten Fliesenböden. Dort oben sollte man erst einmal verweilen, die Architektur und den Ort auf sich wirken lassen, sich auch noch einmal zum strahlend blauen Pazifik um-wenden, und sich erst dann in die Aus-stellungsräume begeben.

Als ich die Stufen des Theaters hinabstei-ge, bemerke ich eine Gruppe Museums-besucher, die von einer Kuratorin freund-lich begrüßt wird, und die sie gleich durch die von ihr betreuten Ausstellungsäume begleiten wird. Jeden Tag bietet das Mu-seum mehrere solcher Führungen kosten-los von ihren kundigsten Mitarbeitern an. Man mag es nicht so recht glauben, aber das Villengebäude entstand erst in den 1970er Jahren. Es ist in großen Teilen ein sehr freier Nachbau der Villa Papiri in Her-culaneum und anderen Villen in Pompeji sowie dem antiken Stabiae, dem heu-tigen Castellammare di Stabia am Golf von Neapel. J. Paul Getty war nicht nur ein unermesslich reicher Öltycoon, er war auch ein Sammler, ein hungriger Samm-ler, der Kunst aus allen Epochen sammel-te – oder zutreffender, anhäufte. Gab es ein Sammlungskonzept, dann lautete es: Was gefällt, wird gekauft. Bereits in den 1950er Jahren hatte er an sein Pri-vathaus oberhalb der heutigen Villa einen Anbau für seine Kunstschätze anbringen lassen, den er der sehr kunstinteressierten Gesellschaft von Los Angeles zugänglich machte. Schon bald war das Gebäude für die unstrukturierte Sammlung viel zu klein geworden. Im Jahr 1974 ließ Getty auf demselben Gelände dann die heutige Villa als Museum erbauen, das dann auch bald wieder für die Sammlung zu klein wurde, weswegen später dann sehr gro-ße Teile in das Getty Center in Brentwood umzogen. Die Getty Villa zeigt Antiquitäten der Griechen, Etrusker, Römer und des Zweis-tromlandes aus rund 7000 Jahren, vom Ende der Steinzeit (um 6500 v. Chr.) bis zum Untergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert. Von den über 44.000 Kunstgegenständen der Sammlung wer-den 1200 in großen Galeriesälen ausge-stellt. Wie sich die Getty Villa heute prä-sentiert, ist das Ergebnis umfangreicher,

Unteres Eingangsgeschoss mit Übergang zum Garten

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achtjähriger Renovierungsarbeiten, die 2006 abgeschlossen werden konnten. Verantwortlich für den Umbau der Villa und für die sie umgebende moderne Ar-chitektur waren die beiden renommierten Bostoner Architekten Rodolfo Machado und Jorge Silvetti. Sie ließen ausschließ-lich edelste Baumaterialien zur Verwen-dung kommen, weshalb unter anderem die Villa nicht wirklich die liebenswerte Aura eines antiken Gebäudes besitzt, zu perfekt sind die Winkel, zu gelackt das Erscheinungsbild, zu ostentativ der Reich-tum des Hauses, der dadurch die fragile Kostbarkeit mancher zarter Objekte all-zu oft zu erdrücken scheint. Und dabei sind diese zum Teil höchst zerbrechlich aus hauchdünnem antikem Glas einfach nur wunderschön. Schön, ich verwende dieses Wort ganz bewußt, obwohl es un-wissenschaftlich ist und seit dem Diktum Heinrich Wölfflins aus dem Wortschatz ei-nes jeden Kunsthistorikers gestrichen ge-hört, aber dies hier sind meine ganz per-sönlichen Eindrücke, und deshalb erlaube ich mir diese unwissenschaftliche Begeis-terung. Ja, sie sind wunderschön, beson-ders die mesopotamischen Gläser der im Jahr 2003 angekauften Sammlung des Stuttgarters Erwin Oppenländer haben es mir an diesem Nachmittag angetan. Als Museumsmensch genieße ich die Le-bendigkeit des Ortes. Die Besucher sind zahlreich, und ganz offensichtlich sind sie gern da, und sprechen angeregt mitein-ander über die Objekte. Vielleicht, weil deren Beschriftungen äußerst spärlich sind und über die Provenienz nur selten informieren? Die Gründe hierfür gingen vor einigen Jahren ausführlich durch die Presse, als publik wurde, daß von der Getty Villa Artefakte angekauft worden waren, obwohl bekannt war, daß sie aus ziemlich düsteren Kanälen Süditaliens stammten. Tempi passati, diese unhaltba-ren Zustände sind gottlob vorbei!Besondere Wertschätzung erfährt offen-bar die Vermittlung. Ein großzügig be-messener Raum direkt am ersten Innen-hof beheimatet das Family Forum. Auf unterhaltsame Weise kann sich Groß und Klein ganz praktisch der Antike annähern.

Linke Seite: Eingang zum TimeScapeRechte Seite:Oben: Fleischman Theater mit Eingang Villa/Museum. Mitte: Atrium Unten: PeristylFoto Atrium: © 2014 The J. Paul Getty Trust. All rights reserved. Alle weiteren Fotos: © Lioba Schollmeyer

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Fröhliches Geplapper lockt auch mich in den Raum, wo gerade einige Familien vor einer Schattenwand lachend Posen aus-probieren, deren Umrisse sie dann später auf ihre eigene Vase aufbringen sollen. Dem Family Forum gegenüber befindet sich ein anderer Raum, der TimeScape. Art and Culture in the Ancient World. Hier werden mit modernen Medien die Entwicklungen von Kunst und Kultur in den unterschiedlichen Ländern sowie deren Beziehungen untereinander über-sichtlich dargestellt.Nach drei Stunden Schauens und Stau-nens bin ich reif für eine Pause. Aus mehreren Ausstellungsräumen hatte ich einen wundervollen Blick auf die Gärten in den Außenhöfen bis hin zum Pazifi-

schen Ozean. Mich zieht es hinaus. Ich habe sowieso nur noch eine Stunde, bis die Villa geschlossen wird. Also sehe ich mir die unterschiedlichen Kolonnaden mit ihren verblüffenden Trompe-l‘œil -Male-reien an, passiere Repliken antiker Bron-zeskulpturen und strebe einer Terrasse mit einem herrlichen Ausblick auf den Ozean entgegen. Zwischen Museumsschließung und Beginn des Vortrages von Stephen Greenblatt sind wir Besucher gehalten, die Zeit ausschließlich im Kräutergarten zu verbringen. Und das ist wahrlich keine Zumutung! Hier gedeihen duftende Blu-men und mediterrane Kräuter, die als Tee verarbeitet regelmäßig vom Museumsca-fé den Besuchern dargereicht werden. Ich finde, das ist eine entzückende Idee,

möglichst viele Sinne zu stimulieren, und bedaure zugleich an diesem Tag nicht in diesen Genuss zu kommen. Unter einer Pergola zwischen Zitronenbäumchen und duftendem Salbei schlendere ich zu einem kleinen Bassin mit Seerosen und neugierigen Kois. Später dann, nach einer amüsanten wis-senschaftlichen Lesung (in Amerika ist das kein Widerspruch) im gediegenen Auditorium – zur Hälfte mit Mäzenen der Getty Villa besetzt – mit anschließender

Ausstellungssäle. Unten: Mythological Heroes Galerie

Fotos „Mythological Heroes Galerie“, „Tempel des Herakles“ © 2014 The J. Paul Getty Trust. All rights reserved. Alle weiteren Fotos: © Lioba Schollmeyer.

Garten mit Blick zum Pazifik

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Laubengang im Kräutergarten Korridor zu den GaleriesälenTempel des Herakles

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Autogrammstunde mit Umtrunk trete ich begleitet vom Zirpkonzert der Zikaden und mit vielen belebenden Eindrücken meinen Rückweg durch die nun dezent illuminierte moderne Gartenarchitektur im Mondschein an. Noch während ich durch den nächtlichen Moloch Los An-geles zu meinem Hotel mäandere, weiß ich: Diesen Tag im Museum werde ich nie vergessen.

Das Getty Center, 1200 Getty Center Drive

Ein paar Tage später und nach meinem Vortrag steige ich ins Auto und fahre schließlich zum Getty Center. War ich jemals zuvor in einem Museum mit ei-gener Autobahnausfahrt? Schon am Tag meiner Ankunft in Los Angeles führte mein Weg am Getty Center vorbei. Einer

uneinnehmbaren Burg gleich hoch oben auf einem Hügel in Brentwood gelegen, leuchtete es hell in der Nachmittagsson-ne, während sich die glitzernde Metall-lawine der Rushhour über den Freeway schlängelte.

Für das Getty Center habe ich einen gan-zen Tag vorgesehen, und weiß doch nur zu gut, daß ich bloß einen kleinen Teil werde sehen können. Soll ich an dieser Stelle in den Chor der Superlative zum Getty Center einstimmen? Ich könnte er-wähnen, daß zum Center neben anderen ehrenwerten Instituten nicht nur das Get-ty Museum mit europäischer Kunst des Mittelalters bis zur Gegenwart, sondern auch das Getty Research Institute und das Getty Conservation Institute beherbergt, das weltweit seine fachlichen Kapazi-täten bei der Erhaltung von Kunst- und

Getty Center

Kulturgütern mit einbringt wie 2002, als es nach dem großen Elbehochwasser Re-staurierungsexperten nach Dresden ent- sandte. Ich entscheide mich dagegen, weil das nur Fakten sind, die der Interes-sierte selbst leicht in Erfahrung bringen kann.Ich nehme also die Ausfahrt zum Getty Center und befinde mich ziemlich schnell auf der Einfahrt zu einem siebenstöcki-gen Parkhaus, das wie auch schon bei der Getty Villa in den Hügel hineingebaut ist. Freundlich wird mir ein Parkplatz zu-geteilt. Auch hier sind die einzigen ent-stehenden Kosten die Parkgebühren, die wunderbaren Kunstobjekte, wie z. B. von van Gogh, Rubens oder Rembrandt, sind

Rechte Seites Links „piano curve“Rechts: Eingang Rotunde. Alle Fotos: © 2014 The J. Paul Getty Trust. All rights reserved.

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kostenlos. Ein Fahrstuhl bringt mich auf die untere Plattform, zu einem kleinen, weißgehaltenen Bahnhof. Freundlich wie von guten Gastgebern ist der Empfang vom Personal. Man bittet um ein wenig Geduld bis die nächste Bahn uns zu holen kommt. Diesmal ziehe ich die niedliche Bahn dem steilen Anstieg auf schattenlo-ser Asphaltstraße vor. Lautlos gleitet die Elektrobahn in Kurven den Hügel hinauf, eine Stimme aus dem Lautsprecher gibt bereits hier erste Informationen zum Get-ty Center. Nach nur wenigen Minuten empfängt mich auch schon eine weite, mit Skulpturen geschmückte und Pinien bestandene Piazza. Wirkte der Baukom-plex aus der Ferne sehr kompakt, so über-rascht er hier oben mit luzider Leichtig-keit. Über mehrere Ebenen erstreckt sich das Center, wie zufällig sind die zahlrei-chen Gebäude auf dem großen Grund-stück verteilt. Immer wieder ergeben sich neue Perspektiven; reizvolle Ausblicke in die Landschaft werden von Architektur-teilen in Szene oder, wie etwa das Kloster auf dem Nachbarhügel, zum Center in Bezug gesetzt. Im Jahr 1982 begann Richard Meier mit der Planung für das 45 Hektar große Ge-lände. Nur einige Jahre später sollte er auch in Deutschland mit dem Stadthaus

Oben: Eingang Family Forum. Unten Links: Blick über die Piazza auf ein Kloster, rechts wartet die Pendelbahn.Unten Rechts: Galeriesaal mit Natur-Ober-licht, hier der Saal mit den Impressionisten.

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Ulm (1986-1993), dem Forschungszen-trum der Daimler-Benz AG in Ulm (1989-1992) und dem 1985 fertiggestellten Mu-seum für Angewandte Kunst in Frankfurt architektonische Spuren hinterlassen. Nach 15 Jahren Bauzeit eröffnete 1997 das Getty Center. Wahrscheinlich erlebt es ein Architekt nicht oft, daß Geld für den Bauherrn keine Rolle spielt. Tatsäch-lich beliefen sich die Baukosten dann auf 1 Milliarde US-Dollar. Charakteristisch für das Getty Center ist seine Ummantelung mit unpoliertem Travertin mit vielen sicht-baren Versteinerungen. Ganze Schiffsla-dungen des Sedimentgesteines wurden

Links: Einer der vielen einladenden Winkel, hier bei der Cafeteria. Rechts: Ebene zwi-schen Ausstellungsgebäuden und Bibliothek. Alle Fotos: © Lioba Schollmeyer.

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Autorin museum.de: Dr. Lioba Schollmeyer

eigens aus demselben Steinbruch bei Rom über den Ozean geschickt, aus dem schon die Säulen von St. Peter zusam-mengesetzt wurden. Einige Flächen des Getty Centers sind mit weißlichen Alu-miniumplatten verkleidet. Ursprünglich hatte Meier das Center ausschließlich mit diesen Platten ummanteln wollen, wie er es auch bei seinem zeitgleich entstande-nen Museumsbau des Atlanta High Mu-seums (1980-1983) vorsah, er nahm aller-dings auf die Besorgnis der Nachbarschaft Rücksicht, die die störende Reflexion des Sonnenlichtes von den riesigen weißen Flächen fürchtete. Natürlich schaue ich mir auch die Kunst-sammlungen an, mit wirklich prachtvollen Höhepunkten, wie van Goghs Schwertlili-en von 1889 oder Rembrandts Hl. Bartho-lomäus aus dem Jahr 1661, doch wie schon in der Getty Villa läßt sich auch hier nicht wirklich ein Konzept entdecken. Das tut dem Genuss dieser Meisterwerke aber keinen Abbruch! Aber es verwundert. Die eigentliche Sensation des Centers ist aber das Center selbst, die Architektur Richard Meiers und der zentrale Garten des Landschaftskünstlers Robert Irwin, dessen Credo in den Stein der zentralen

Piazza gemeißelt steht: „Always chan-ging, never twice the same“. Beide haben das Center zu einem lebendigen Ort der Begegnung gemacht – und zu einem, der Einkehr ermöglicht. Wie in einer quirligen Stadt strömen die Menschen zwischen den Ausstellungsgebäuden, pausieren an den Wasserbecken und Springbrunnen, ruhen aus im Schatten der zahlreichen Statuen, picknicken auf dem Rasen in der Nähe des Wasserfalls oder sitzen einfach an einem der vielen malerischen Winkel und genießen die Aussicht auf den Pazi-fik, der sich weit unter ihnen ins Grenzen-lose ausdehnt.Es scheint, daß nicht wenige Besucher hier oben sich einfach im Getty Center verabreden, nicht unbedingt, weil sie ins Museum wollen, sondern ganz einfach weil es ein schöner Ort ist. Er ist leben-dig, er bietet Gelegenheit zur Muße, und wenn gewünscht, zudem die Möglich-keit, prachtvolle Kunstwerke anzuschau-en und Hirn und Sinne zu kitzeln. Man fühlt sich wohl. Kann ein Museum mehr leisten? Richard Meier hat hier zweifels-ohne seine Definition von Architektur in Stein umgesetzt: „I believe that architecture has the pow-

er to inspire, to elevate the spirit, to feed both the mind and the body. It is for me the most public art.”

Lioba Schollmeyer

Innenhof J. Paul Getty Museum. Foto: © 2014 The J. Paul Getty Trust. All rights reserved.

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„Elvis’ BMW 507: lost & found“ im BMW Museum

Der Kultsportwagen kam zur Restaurierung nach München

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Vom 24. Juli bis 17. August zeigte das BMW Museum die Sonderausstel-lung „Elvis’ BMW 507: lost & found“. in München. Besucher konnten den Sportwagen des King of Rock in sei-nem aktuellen Zustand erleben. Das BMW Museum erzählt die Geschichte dieses Kultfahrzeugs, um das sich viele Mythen ranken. Seit Ende der Ausstel-lung wird das Auto von Experten der BMW Group Classic restauriert.

Automobil-Fans bekommen nicht oft die Gelegenheit, einen BMW 507 zu bewun-dern. Das Auto besitzt Seltenheitswert, denn zwischen 1955 und 1959 wurden nur 254 Exemplare gefertigt. Das Modell gilt seit jeher als Luxus- und Statussymbol. Stars aus Film und Musik zählen zu den Käufern des Zweisitzers, darunter Ursula Andress, Alain Delon, Toni Sailer und eben Elvis Presley. Der Rock’n’Roll-Star fuhr während seiner Zeit als GI in Deutschland einen weißen BMW 507. Der BMW 507 wurde erstmals 1955 auf der Internati-onalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt präsentiert, bereits zwei Jahre später, im Jahre 1957, wurde Elvis‘ Road-ster auf der Messe am Main vorgestellt. Anschließend fuhr Hans Stuck damit eini-

ge Bergrennen, die er allesamt gewann. Für Elvis baute BMW jedoch einen all-tagstauglichen Leichtmetall-V8-Motor in den ehemaligen Rennwagen ein – mit für die 50er-Jahre gewaltigen 150 PS. Nach fast 60 Jahren kehrte Elvis’ Roadster jetzt an den Ort seiner Produktion zurück. Im BMW Classic Center ist dieses Kultauto in den besten Händen. Die Experten dort besitzen jahrzehntelange Erfahrung in der Restaurierung von Oldtimern. „So ein Pro-jekt realisieren zu können ist der Traum ei-nes jeden Fahrzeugrestaurateurs. Alleine dass der BMW 507 des King of Rock´n´Roll den Weg in das BMW Museum findet, ist schon bemerkenswert. Diesen Oldtimer dann auch noch bei uns restaurieren zu können, ist eine ganz besondere Aufgabe

für uns. Wir freuen uns, dass der BMW Group Classic dieses Vertrauen ausge-sprochen wurde“, sagt Ulrich Knieps, Leiter der BMW Group Classic. Die BMW Group Classic archiviert und dokumentiert die Historie der Marken und macht diese erlebbar. Zu ihr gehören auch das BMW Museum und das Classic Center, die An-laufstelle für Besitzer klassischer Fahrzeu-ge der Marken. Die BMW Group Classic wird den BMW 507 im Anschluss an die Sonderausstellung restaurieren. Nach der Vorstellung feierte die Presse das neue Modell des jungen Designers Albrecht Graf Goertz damals als „Traum von der Isar“. Heute ist nicht nur das Exemplar, das Elvis Presley gefahren hat, ein begehr-tes Sammlerstück.

1958 holte Elvis Presley seinen BMW 507 in der BMW Vertretung Frankfurt ab. Die Schlüssel übergab damals Uschi Siebert, Miss Hessen und Assistentin von Hans-Joachim Kulenkampff. Die „Lippenstift-Botschaften“ seiner weiblichen Fans veranlassten Elvis, den Roadster nachträglich rot lackieren zu lassen. Foto © BMW AG

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BMW R32, 1923 erstes BMW Motorrad.

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Mitte der 1920er Jahre entstand im BMW Werk München die erste museumsad-äquate Ausstellungsfläche für historische BMW Produkte. In einem eigens dafür geschaffenen Raum innerhalb des Werks inszenierte BMW bereits 1925 seine Pro-dukte. Im Mittelpunkt standen dabei historische Exponate, ausgestellt wurden jedoch zudem vereinzelt aktuelle Produk-te. Anlässlich des 50-jährigen Geburtstags des Unternehmens erfuhr dieser erste

Ausstellungsraum 1966 dann als BMW Werksmuseum eine enorme Aufwertung – eröffnet wurde das erweiterte Werks-museum offiziell am 20. Januar 1967. Zu diesem Anlass wurde das Museum erstmals öffentlich beworben und stand für jeden an der BMW Geschichte inter-essierten Besucher offen. Doch waren das Platzangebot wie auch die Zahl der histo-rischen Exponate noch sehr bescheiden und der Standort innerhalb des Werksge-ländes hielt zahlreiche potenzielle Besu-cher ab.

Breite öffentliche Wahrnehmung durch eine eigenständige, repräsentative Ar-chitektur außerhalb des Werksgeländes erhielt das Museum jedoch erst Anfang der 1970er Jahre mit dem Bau der neuen BMW Konzernzentrale. Obwohl von dem Preisgericht des Architekturwettbewerbs im Jahr 1968 der Entwurf eines Automo-bilmuseums nicht gefordert wurde, kon-struierte der Wiener Architekt Professor Karl Schwanzer ein externes und eigen-ständiges Gebäude für eine Fahrzeugaus-stellung, mit ebenfalls runder Grundform. Nach Ansicht der Jury war der Vorschlag für ein BMW Museum an der Kreuzung Petuelring und Lerchenauer Straße in sei-ner eigenwilligen Form ein glücklicher Ge-danke, da sich die Kreissegmentsform gut in das Ensemble einfügte. Die „Museums-schüssel“ stehe in einer harmonischen Verbindung zu weiteren zylindrischen oder kreisförmigen Bauwerken – wie Fernsehturm, mehreren Gasometern und einer Verkehrsinsel in der näheren Umge-bung. Am 2. Dezember 1968 wurde des-halb auf einer Aufsichtsratssitzung in Bad

Homburg der Architekt Schwanzer nicht nur mit dem Bau des BMW Hochhauses beauftragt, sondern ebenfalls die Idee ei-nes eigenständigen Museums noch nach-träglich in den Bauauftrag einbezogen.

Das BMW Museum und die Olympi-schen Sommerspiele

Neun Monate nach Baubeginn des BMW Hochhauses setzten im Frühjahr 1971 die Arbeiten zum BMW Museum ein. In direkter Nachbarschaft zum Olympiasta-dion mit seiner leicht und luftig wirken-den Zeltdachkonstruktion sollte das BMW Museum während der Olympischen Som-merspiele zu einem Publikumsmagnet und Aushängeschild der Marke BMW

BMW 328 Mille Miglia Touring Coupé.

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werden. Es war die junge Bundesrepublik Deutschland, die sich im Sommer 1972 auf sympathische Weise der Welt prä-sentierte – und das BMW Museum war Bestandteil dieser neuen, zukunftswei-senden und weltoffenen Geisteshaltung. Zwar gab sich seine äußere, silbern schim-mernde Form kompakt und geschlossen, sein Inneres aber war für die breite Öf-fentlichkeit bestimmt. Zur gleichen Zeit wie das Münchener Olympiastadion, konnte auch das BMW Museum pünkt-lich zu Beginn der Sommerspiele 1972 in seiner äußeren Gestalt vollendet werden.

Architektur und Konzept

Neben dem Hochhaus ist das Museum in

Form einer Schale ein zweites architekto-nisches Highlight des von Professor Karl Schwanzer für BMW entwickelten Ge-bäudeensembles. Der Architekt entwarf im Inneren ein Gerüst aus Rundpfeilern, raumgreifenden Rampen und optisch schwebenden Plattformen. Die äußere Hülle, eine Betonschale, wurde nach dem Prinzip einer selbsttragenden Karosserie errichtet. Auf ihr lastet das Dach mit mehr als 40 m Durchmesser. Die Struktur im In-neren ruht dagegen auf sechs massiven Rundpfeilern, die unterschiedlich weit in den Raum der Schüssel hinauf ragen.Mit dem Museumsbau gelang es Schwan-zer die „Lebensräume“ des Autos in ei-nen aus Platzgründen relativ beschränk-ten Raum zu integrieren. Leitgedanke

war hierbei die Fortsetzung der Straße im umbauten Raum. Keinesfalls sollte BMW ein konventionelles, statisches Museum in Form eines Abstellplatzes für Expona-te erhalten. Räumliche Weite, Dynamik und Bewegung als gestaltetes Pendant zur tatsächlichen Lage des Bauwerks an einem Verkehrsknotenpunkt war das Ziel.Zugleich sollte das Museum in Verbin-dung mit dem im angrenzenden Flach-bau untergebrachten Bildungszentrum zu einem Schwerpunkt des Public-Relati-on-Programms von BMW werden. Schon die Abkapselung nach außen durch die geschlossene Schalenform provoziert Neugier, allein der verglaste Sockel im Eingangsbereich gewährt kurze Einblicke.Das Museum sollte die geistige Klammer

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zwischen Werk, Produkt und Öffentlich-keit bilden und sich durch ausgewählte Veranstaltungen zu einer ständigen Ein-richtung des Münchener Kulturlebens entwickeln. Im Inneren durchlief der Be-sucher den Museumsparcour von oben nach unten. Schon vor dem Erreichen der obersten Plattform auf einer ungewöhn-lich langen, gelben Rolltreppe, erhielt der Betrachter überraschende Durchbli-cke auf Elemente der Ausstellung. Durch Projektionen auf das Innere der Scha-lenwand wurde im oberen Bereich des Museums bereits die Illusion von Bewe-gung geschaffen. Anschließend wurde der Besucher von Plattform zu Plattform über eine spiralförmige Rampe abwärts geleitet, vorbei an Automobilen, Motor-rädern, Rennfahrzeugen und Motoren, repräsentativ für die Vielfalt der Produk-te der BMW Geschichte. Technische De-tailexponate wurden in damals hochmo-derner Form in gleichsam schwebenden, runden Plexiglasbehältern präsentiert, die es ermöglichten, z. B. einen Motor im Laufe des Vorbeigehens von allen Seiten zu betrachten. Begleittexte erläuterten historische Zusammenhänge und techni-sche Details. Automobile und Motorrä-der wurden nicht nur auf den insgesamt fünf runden Plattformen, sondern auch in Schräglage an der nach oben hin immer steiler werdenden Schalenwand gleich-sam beim Durchfahren einer Kurve darge-stellt. Im unteren Bereich der Außenwand gewährten schmale Fensterschlitze einen Bezug zur Außenwelt.Die farbliche Gestaltung des Museums in den Farben Silber, Weiß und Tiefblau strahlte nicht nur edle Wertigkeit aus, sondern repräsentierte auch auf subti-le Weise die weltbekannten Farben des BMW Logos, das zudem als monumen-tale Grafik von oben betrachtet auf dem Museumsdach mit über 40 m Durchmes-ser erschien.

Ausstellungskonzept

Als das BMW Museum 1973 offiziell er-öffnet wurde, war sein Konzept einzigar-tig. Großartige Architektur verband sich mit einer völlig neuartigen Idee der Wis-sensvermittlung und machte das BMW Museum zum Vorbild für unzählige Mu-seumskonzepte weltweit. Seit seiner Er-öffnung versteht sich das BMW Museum als ein Ort, der nicht nur die Geschichte der Marke BMW reflektiert, sondern die Historie gleichzeitig in Bezug zu Gegen-wart und Zukunft setzt. Dem Besucher nicht durch die Anhäufung einer Fülle

historischer Exponate zu imponieren, son-dern ihn durch lebendige Konfrontation mit Themen zu faszinieren, die Mobilität, Kommunikation und gesellschaftlichen Strukturwandel zum Inhalt haben – das war das Anliegen des 1973 eröffneten BMW Museums.

Neugestaltung und Erweiterung

Zu Beginn des neuen Jahrtausends wur-den auch die Technik und Konzeption des BMW Museums – gemeinsam mit der Sanierung des angrenzenden Ver-waltungsbaus am Petuelring – grundle-

gend erneuert. Durch die Verlagerung der Hochhauskantine und der Veranstal-tungsräume des westlichen Flachbaus in andere Bereiche bot sich die Möglichkeit, das mittlerweile deutlich zu klein gewor-dene BMW Museum großzügig zu erwei-tern. Zusammen mit den verantwortli-chen BMW Fachstellen entstand ab 2002 unter der Federführung der Architekten und Ausstellungsgestalter des Stuttgarter Atelier Brückner und der Berliner Medien-agentur ART & COM ein neues Ausstel-lungskonzept, das sich an den ursprüng-lichen Leitgedanken orientierte und diese weiterentwickelte. Die Fläche des BMW

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Museums wurde durch den angrenzen-den Flachbau auf das Fünffache (5.000 m2) erweitert. Das Gebäude, das zu zwei Dritteln unterirdisch besteht, wurde kom-plett entkernt. Im Inneren entstanden sie-ben teils transparente „Häuser“ über drei Stockwerke, verbunden durch Brücken, Straßen und Plätze. Jedes dieser Gebäu-de ist einem wichtigen Thema der BMW Unternehmens- und Produktgeschichte gewidmet, ein großer zentraler Platz ist als exklusiver Veranstaltungsort vielseitig nutzbar. Der hinzugewonnene Flachbau beheimatet in den unterschiedlichen Häu-sern und Räumen auf 4.000 m² die Dau-

erausstellung des BMW Museums, wäh-rend im Inneren der „Museumsschüssel“ Wechselausstellungen zu unterschiedli-chen Themen gezeigt werden.Auch mit der Wiedereröffnung am 21. Juni 2008 steht weiterhin die Faszinati-on der Marke BMW im Mittelpunkt des Museumskonzeptes. Dabei versteht sich das neue Museum als authentisches Spie-gelbild der Marke und vermittelt den Be-suchern auf unterschiedliche Arten den Charakter von Innovation, Kraft und Dy-namik. Besonderes Augenmerk liegt auf den neuen Präsentationstechniken. Sie rücken die rund 125 Originalexponate ins

Rampenlicht und unterstreichen gleich-zeitig die neue Architektur des Gebäu-des. Ein zentraler Parcours in Straßenform schafft eine großstädtische Situation, führt inhaltlich durch Zeit und Raum und bietet ein breites Spektrum an Ausstellun-gen, Themenpräsentationen und Einzel- aspekten der Marke BMW.

BMW MuseumAm Olympiapark 2, 80809 Münchenwww.bmw-museum.com

Wer Wert auf Stil und Sportlichkeit legt, träumte vom BMW 2002 tii.

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Das Klever Tor in XantenAutor: Peter Kummer

Xanten 1641: Seit 23 Jahren verwüs-ten marodierende Heere die Länderei-en Mitteleuropas, der Dreißigjährige Krieg wütet, die Soldateska verbreitet Angst und Schrecken. Zu dieser Zeit lässt der Hessenoberst Rabenhaupt die Stadtmauern des niederrheini-schen Xanten schleifen. Die Tore blei-ben allerdings stehen, für 100 Taler verzichtet er auf die vollkommene Zerstörung der Verteidigungsanlage. So bleibt unter anderem das Klever Tor erhalten, heute eines der Wahr-zeichen Xantens.

Sein Bau geht auf die Fehde zwischen dem Kölner Erzbischof und dem Grafen von Kleve zurück; erstmals urkundlich er-wähnt wurde es 1393. „Dabei ging es in erster Linie um die davor liegenden Gärten des Stiftes, welche zu diesem Zeitpunkt verpachtet wurden“, berichtet Hawicks1. Gegenüber anderen doppeltürmigen To-ren ist es recht schmal errichtet. Damit reagierten die Stadtväter auf die neueste militärische Entwicklung, im Kampf im-mer mehr Feuerwaffen einzusetzen. Je schmaler die Front zur Front, um so ge-ringer die Angriffsfläche. Mit dem steiner-nen Tor ersetzten die Xantener nach und nach den bisherigen Schutz, der haupt-sächlich aus einem Wall mit Holzpalisa-den und einem Wassergraben bestand, „also eine vergleichsweise bescheidene, aber zu jener Zeit am Niederrhein übliche Wehreinrichtung“, urteilt der Kunsthisto-riker und Denkmalpfleger Udo Mainzer in seinem Beitrag „600 Jahre Klever Tor in Xanten. Symbol des Machtkampfes zwi-schen dem Kölner Erzbischof und dem Grafen von Kleve“. Sie war im Geldri-schen Erbfolgekrieg von 1362 bis 1372 vollkommen niedergebrannt.

Es waren Jahrzehnte einer Auseinander-setzung zwischen den beiden Landes-herren aus Köln und Kleve. „Sie stritten um die Herrschaft über das (nicht zuletzt wegen des dortigen bedeutsamen und begüterten Stifts) auch wirtschaftlich at-traktive Xanten“, beschreibt Müller2 die damalige Situation.“Ohne die Wehranlage

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Das Klever Tor in Xantenwar die Stadt schwach und schutzlos; eine willkommene Gelegenheit für den Erzbischof, sozusagen in einer Nacht- und Nebelaktion und mit einem Heer von Handwerkern und Arbeiter nach Xanten zu ziehen, um die insgesamt rund zwei Kilometer lange Bewehrung aufzubau-en. Fünf Straßen, jedes durch ein Tor ge-schützt, führten in die Stadt hinein. Eins davon ist das Klever Tor, wie die anderen nun hauptsächlich aus Backsteinen er-richtet. Heute ist es das einzige noch in Gänze erhaltene Stadttor, errichtet als monumentale und repräsentative Anlage, um unter anderem dem Klever Grafen, in dessen Richtung es liegt, zu imponieren.

Backsteine waren zu diesem Zeitpunkt längst zum vorherrschenden Baumaterial geworden. Gegenüber dem Naturstein hatten sie eine Reihe von Vorteilen: Her-stellung und Bearbeitung gingen schnel-ler von der Hand. In der Regel wurden sie in der Umgebung gefertigt – das sparte Zeit und Transportkosten. „Das macht verständlich, weshalb dieser zu-gleich gegen mechanische Einwirkungen recht resistente Baustoff vorzugsweise an Wehranlagen, deren Zweckerfül-lung entscheidend von einem zügigen Baufortgang abhing und deren Vielzahl im Rheinland zu Wirtschaftlichkeit und Rationalisierung zwang, sich zunehmend

und am Niederrhein im Befestigungsbau fast ausnahmslos durchzusetzen ver-mochte“, schreibt Mainzer. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Wehran-lage noch nicht durchgehend aus Stein; er geht davon aus, dass anfangs noch ein Palisadenring zwischen den Toren die Stadt umschlossen hatte, der vermutlich erst seit der zweiten Hälfte des 15. Jahr-hunderts nach und nach durch Steinmau-ern ersetzt wurde.

Nach dem Ende ihrer Fehde 1392 teilten sich Erzbischof Friedrich von Köln und Graf Adolf von Kleve Stadt und Gericht Xanten und regierten es gemeinsam. Der Friede hielt nur fünf Jahrzehnte, wie ein Detail in dem Backsteinbau erzählt. Über der Durchfahrt des Klever Tores waren zwei quadratische Wappen eingearbeitet, links das noch gut erkennbare Wappen

Maria Eichelberg bediente im Geschäft der Familie am Klever Tor, in dem es von der Schraube bis zum Sauer-kraut alles gab, © Stadtarchiv Xanten. weitere Fotos: © Uwe Strauch

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des Klever Adelsherrn, rechts ein desola-tes Wappen2, das den Kölner Erzbischö-fen zuordnet. Die Theorie, dass es das Wappen der Stadt Xanten darstellte, ist für ihn nicht glaubhaft, denn zu diesem Zeitpunkt existierte es noch nicht und au-ßerdem, so argumentiert er weiter, dürfte das Wappen einer Stadt kaum heraldisch vor dem des Landesherrn angebracht ge-wesen sein. Darüber hinaus habe dem

älteren und geistlichen Landesherrn im-mer Vorrang vor dem weltlichen gebührt. Die Antwort auf die Frage, warum nur eins der beiden Wappen kaum noch zu erkennen sei, ist auch für Mainzer offen-sichtlich. „Nach gänzlicher Übernahme der Stadt Xanten durch den Klever Lan-desherrn hat dieser den Besitz bekunden-de Heraldik seines unterlegenen Kontra-henten sorgfältig abschlagen lassen. Er hat damit das Klever Tor zum sprechen-den Symbol seines nach zähem Ringen für sich entschiedenen Machtkampfs mit dem Kölner Erzbischof erkoren.“

Streng genommen besteht das Klever Tor aus drei Teilen. Dominiert wird es von dem 25 Meter hohen Haupt- und Innen-tor. Nach außen hin schließt sich der 31 Meter lange Zwinger an, der wiederum die Straße durch das um 1400 errichtete Vortor, flankiert von zwei Eulentürmchen (die zu Zeiten, als die Türme lange Zeit ohne Dach waren, Eulen nisteten), ins Vorland verlängert. Die Tür auf der einen Seite führte in die ehemalige Torschrei-berstube, der späteren Wohnung für den Gefängniswärter. Über die Tür gegenüber gelangte man in die Obergeschosse. In der damaligen Zeit wurden Vortore, so auch hier, oft nachträglich errichtet. Ihr

Bau „fällt bezeichnenderweise zeitlich zusammen mit dem Aufkommen von Ex-plosivwaffen im Rheinland Ende des 14. Jahrhunderts“, erläutert Mainzer weiter. So hatte der Feind zunächst ein vorgela-gertes Hindernis einzunehmen, ehe er mit dem Angriff gegen das Haupttor begin-nen konnte. Als weiteren, diesmal spiri-tuelles Mittel gegen einen Feind setzten die Xantener ihren Schutzpatron ein, so wie es damals vielerorts geschehen ist. In einer Mauer ist eine vergitterten Nische eingelassen für die Statue des Heiligen Viktors,.

Einige Jahrhunderte nach dem Hes-senoberst Rabenhaupt wurde die Befesti-gung erneut geschleift. Die Regierung in Kleve gab 1821 einem Antrag des Xan-tener Bürgermeisters Hermann Schmid-hausen statt, wegen der schlechten Fi-nanzlage die Tore abreißen zu dürfen. Am Meertor bissen sich die Arbeiter jedoch die Zähne aus; er widersetzte sich allen Abrissversuchen. Und auch das Klever Tor blieb verschont, weil es seit 1770 als Zivil-gefängnis diente.Nach der Generalinstandsetzung von 1906 diente das Turmtor bis 1935 als Museum des niederrheinischen Alter-tumsvereins mit römischen Sammlungen, anschließend als Hitlerjugendheim. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Beseiti-gung der schweren Schäden wohnten hier zuerst mehrere Maler, in den 1960er Jahren auswärtige Archäologen und Grabungshelfer, heute bietet die Stad-tinformation Xanten an gleicher Stelle Ferienwohnungen in stadthistorisch be-deutsamen Gemäuer an.

www.xanten.de

Quellen: 1 Xanten im späten Mittelalter: Stift und Stadt

im Spannungsfeld zwischen Köln und Kleve. Heike Ha-

wicks (2006). Böhlau-Verlag GmbH. Rheinisches Archiv.

Seite 461. 2 Xanten entdecken: Führer zu den histori-

schen Bauten. von Wolfgang R Müller (2006) , Verlag:

OLV Organischer Landbau. Seite 27.

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