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DER BEWAHRER Kein anderer nennt so viele Suppenschüsseln privat sein Eigen wie er. Der Wiener Unternehmer Heinz Schinner, Sammler aus Passion, gibt Einblick in seine „Wunderwelt“ der schönen Dinge. 11 SAMMELLEIDENSCHAFT WOHNEN » Der frühe Vogel fängt den Wurm. Keiner weiß das besser als Heinz Schinner. Als passionierter Sammler ist er an Wochenenden stets unter den Ersten am Flohmarkt. Sei es der große amWienerNaschmarktodereinerder vielen kleinen in den Bundesländern. Schinner kennt sie alle. „Die besten Schnäppchen macht man zeitig in der Früh.Deshalbbinichmeistschoncirca um sechs Uhr vor Ort, lange bevor die große Masse kommt“, sagt er und hat auch nach Jahrzehnten noch großen Spaß am Suchen, Stöbern und Finden. Und fündig geworden ist der aner- kannte Versicherungs- und Immobi- lienprofi oft und oft. »

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magazin1/magazin1/wohnen - # 10 # - 28.03.2017 gedruckt am 23.03.2017 09:44:10 von cpuchwei

DER BEWAHRERKein anderer nennt so viele Suppenschüsselnprivat sein Eigen wie er. Der WienerUnternehmer Heinz Schinner, Sammler ausPassion, gibt Einblick in seine „Wunderwelt“der schönen Dinge.

11 SAMMELLEIDENSCHAFT WOHNEN

» Der frühe Vogel fängt den Wurm.Keiner weiß das besser als HeinzSchinner. Als passionierter Sammlerist er anWochenendenstetsunterdenErsten am Flohmarkt. Sei es der großeamWienerNaschmarktodereinerdervielen kleinen in den Bundesländern.Schinner kennt sie alle. „Die bestenSchnäppchen macht man zeitig in derFrüh.Deshalbbinichmeistschoncircaum sechs Uhr vor Ort, lange bevor diegroße Masse kommt“, sagt er und hatauch nach Jahrzehnten noch großenSpaßamSuchen,StöbernundFinden.Und fündig geworden ist der aner-kannte Versicherungs- und Immobi-lienprofi oft und oft. »

Schwer vorstellbar, wie viele der sta-bilen Bananenkartons er randvoll mit„Beute“ in all den Jahren nach Hausegetragen hat. Einige Hundert warenes bestimmt, nicht selten war Zer-brechlichesdarin.Davonzeugenetwadie vielen Schnapsgläser, die Schinnersein Eigen nennt. Irgendwo bei 5000Stückmüssenesmittlerweile sein.Dieschönstenverwahrter ineinerschrein-ähnlichenVitrine.Kleinundbauchig,schlank mit zartem Stil, geschliffen,geätzt, bemalt, goldgerändert – dieVielfalt unterschiedlicher Provenienzist enorm. Schinner nimmt ein Stam-perlzurHand.„SehenSie,wiezartundfein das gearbeitet ist. Ein Kleinod“,sagt er und in seiner Stimme schwingtechte Hingabe zu schönen Dingenwie diesen mit. Und davon hat derSammler in seiner traumhaften Bele-tage-Wohnung nahe des Konzert-hauses viele.

Zurück zum Glas. Neben TausendenStamperln und einer bedeutendenSammlung Logengläser stehen auchPantographiegläser, also ornamentalgeätzteGläser inkomplettenSerien inden Vitrinen. Verblüffend dabei:Schinner hat sie nicht in Bausch und

Bogen gekauft, sondern über Jahrezusammengetragen. Das zeugt vonHartnäckigkeit und Ehrgeiz. AuchschöneFarbgläser findensich imGlas-sortiment von gut und gerne 3000Stück. Und weil wir gerade bei Statis-tiksind:ZuseinerkostspieligstenAus-

lese,nämlichetlichenZinshäusern,dieder Immobilienprofi im Hauptberufbewirtschaftet, gesellen sich noch 100Paperweights,100Krüge,50barockeFiguren,200Teller, 300Suppenterri-nen, ebenso viele Saucieren, sechs ve-nezianischeSpiegel,Sammlungenvon

Uhren, Fingerhüten, Glasbildern und100 Porzellanpferdeskulpturen. Diesind dem passionierten Reiter undPräsidenten der „Gesellschaft derFreunde der Spanischen Hofreitschu-le“ besonders lieb. „Mit 19 Jahren binich in Besitz von drei kaputten Reiter-figuren von Augarten gekommen.Teilefehltenoderwarenabgebrochen,Bruchporzellan.“Schinnerhatsichder„lahmenden Pferde“ angenommenundsiefachmännischrepariert.Wiesovieles andere auch,denner ist aucheinausgezeichneter Restaurator.

EXAKT & FEINFÜHLIG. Ein Kästchenmit Elfenbeinintarsien aus 1700, woetliche Einlegeteile fehlten, hat er inmikroskopischer Präzisionsarbeitnachgeschnitzt. Auch in der Woh-nung, die, als er sie mit seiner FamilieEnde der 1970er-Jahre bezog, in ei-nem erbarmungswürdigen Zustand

war, hat er alles in Ordnung gebracht– die Intarsienböden repariert. Aucheine Historismusdecke, von denVorbesitzernsträflichübermalt,haterin schwindelnder Höhe in pitzeligerKleinstarbeit von unpassender Patinabefreit. Die Decke mit Gemälden desösterreichischen Malers Leopold CarlMüller erstrahltheutewieder so schönwie vor 150 Jahren – eine schicksal-hafteOffenbarung.DieDecke ist,wieüberhaupt die gesamte Wohnung,rundumeineAugenweide.Dazunochspäter. Trotz all der historischen Stü-cke wirkt hier nichts museal, sonderngediegen-gemütlich.„DafüristmeineFrau verantwortlich. Sie hat eineunglaublich gute Hand für stilvollesArrangieren.Auch fürBlumen,die siehingebungsvoll drapiert“, sagt HeinzSchinner bewundernd.Und so folgt man dem Kunstfreundstaunend durch die »FO

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magazin1/magazin1/wohnen - # 12 # - 28.03.2017 gedruckt am 23.03.2017 09:45:58 von cpuchwei

Für dasgeschmackvolleWohnambienteist Gabriele, dieGattin von HeinzSchinner,zuständig

Die Sammlungvon Suppen-schüsseln undSaucieren ist wohleinzigartig.Abgestaubt wirdalle zwei Jahre

Biedermeier-tassen – eines vonvielen Sammelge-bieten Schinners,der auch Obmanndes Vereins der„Freunde vonPorzellan, Glasund angewandterKunst“ im MAK ist

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Räumlichkeiten. Da hätte jeder Ho-me- und Lifestyle-Fotograf seine helleFreude daran. Nichts müsste hinzu-gefügt oder anders arrangiert werden,hier stimmt jedes Detail. Die getrock-neten Rosen in den Silberschalen, diezierlichen Bilderrahmen am Sekretär,die Augarten-Übertöpfe in den Fens-tern.Keramikensindesdennauch,diefür den optischen Superflash sorgen:IneinemkleinerenZimmerschlichtensich Suppentöpfe und Saucieren andenWändenbisunterdiemannshoheDecke. Es müssen Hunderte sein undsinddochnureinTeilvongut500.EinTopf schöner als der andere, darunterviele Topmarken – Augarten, Meis-sen, Herend, Villeroy & Boch. DerAnblick ist spektakulär. ReflexartigkommtdieFrage,diewohl jederstellt,der vor dieser „Schüssel-Wand“ steht.„Wie staubt man all das ab?“Und dennoch, all das ist nur das Vor-spiel zudenzweibesonderenSammel-lieben,dieHeinzSchinnernochpflegt.Die eine: Biedermeier-Tassen, die inihrer Vielfalt und Schönheit so man-chen Kunsthistoriker erstaunen. Dieandere: Gemälde des österreichischenMalersLeopoldCarlMüller.Schinners

Interesse an dem Maler, der auchDirektor der Wiener Akademie war,wurdeeinstdurchdieDeckengemäldeim Salon entfacht. „Damals habe ichbegonnen, mich näher mit diesemKünstlerzubeschäftigen,derschonzuLebzeitenmitseinenOrientbilderner-folgreichwar. Ich liebe seineauthenti-schenAlltagsdarstellungenausÄgyp-ten, einLand,dasLeopoldCarlMüllerab den 1870er-Jahren oft bereist hat.AusgesprochenattraktivsindauchdiePorträtbilder und Landschaftstudi-en“,schwärmtHeinzSchinner.Längstist er zu einem hochversierten Kennerdes Œuvres von Leopold Carl Müllergeworden, der als „Orient-Müller“ indie Kunstgeschichte eingegangen ist.Früh hat Heinz Schinner die Magieseiner Bilder erkannt, die ihn, wie ersagt, „jeden Tag aufs Neue erfreuen.Vor allem aber begeistert mich diesesbesondere Licht der Wüste, das Leo-pold Carl Müller so grandios ein-gefangen hat.“ Und plötzlich beginntman zu begreifen, weshalb dasSammeln kunstvoller Dinge zu einerechten Leidenschaft werden kann.

– TEXT: CORDULA PUCHWEIN,FOTOS: FRANZ GRUBER FO

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Der Maler Leopold Carl Müller im Kurzporträt.

Der „Orient-Müller“

magazin1/magazin1/wohnen - # 14 # - 28.03.2017 gedruckt am 23.03.2017 09:46:40 von cpuchwei

Leopold Carl Müllerwar einer der bedeu-tendsten österreichi-schen Orientmaler,auch „Ägypten-Mül-ler“ oder „Orient-Müller“ genannt.Sein Vater war Litho-graf in Wien, aus-gebildet wurde er ander Kunstakademie.Seine Lehrer warenKarl von Blaas undChristian Ruben.Müllers Werke stel-len vor allem Land-schaften, Stadtansichten und Menschen dar. Gemein-sam mit seinem Malerfreund August von Pettenkofenbereiste er viele Male Ungarn und Italien. Ab 1873weilte Müller häufig, dann wiederum in Begleitungvon Hans Makart, in Ägypten, dessen Menschen,Kultur, Farben- und Lichtzauber er überaus liebteund sie in zahllosen Gemälden, Studien und Skizzenfesthielt. Nicht die imposanten Relikte der Pharaonen-zeit interessierten ihn, sondern das Leben derBevölkerung und ihr Treiben auf den Straßen undPlätzen Ägyptens. „Das, was mich am meisteninteressierte in Egypten, sind jene Volkssitten, welchesich in Gottes freier schöner Natur manifestieren,das Treiben auf den Märkten, die Gebräuche aufden Friedhöfen, auf den Dörfern und das Lebenin der Wüste“, schrieb er 1876 an den Schriftstellerund Ägyptologen Georg Ebers.Ein anderes Mal überschlägt er sich ob der vielenEindrücke und schreibt, wiederum an Freund Ebers.„Das ist ein Treiben! Man möchte sich 100 Augenmehr wünschen. Die Augen haben so viel zu tun,dass die anderen Sinne sowieso abgesetzt sind.“Immer wieder beschreibt er auch die schönePhysionomie der Orientalen. „Sie kennen Sie ja,diesegraziösenWeibermitdenriesigenWasserkrügen,die sie so leicht tragen, den einen schlanken, immerschön geformten Arm senkrecht gestreckt bis zumHenkel des Kruges, den anderen in die Hüftegestemmt. Wie herrlich ihnen die Gewänder immerfallen. Wir Maler mit unseren Absichtlichkeitensind Pfuscher neben diesen Weibern mit dememinenten Sinn für die Anordnung eines Gewandes.“Die Bilder Müllers, der zwischenzeitlich zumProfessor, dann auch zum Direktor der Akademiein Wien ernannt wurde, erzielten schon in den1880er-Jahren Höchstpreise.Das wohl bekanntestes Werk von Leopold CarlMüller ist der „Markt in Cairo“ aus dem Jahr 1878,das in der Österreichischen Galerie im OberenBelvedere in Wien zu bewundern ist.

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Da passt alles perfekt zusammen. Jedes Detail in der Beletage der FamilieSchinner ist liebevoll arrangiert; jede Ecke ein Gemälde für sich