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MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2002 INFORMATIK 27 HINTERGRUND Nach der Einschätzung zahlreicher Diagnosti- ker leben wir gegenwärtig in einer Informations- gesellschaft, die sich zunehmend als technisch vermittelt zeigt. /1/ Stichworte wie „Multime- dia“, „Informationstechnologie“, „Internet“ und viele mehr geben Zeugnis von diesem fortschrei- tenden Wandel, der in kaum zu überschätzender Weise alle gesellschaftlichen Bereiche – seien sie öffentlich oder privat; ökonomischer, kultureller oder wissenschaftlicher Natur – zu erfassen und umzugestalten begonnen hat. Hierbei sind im besonderen Maße auch die unterschiedlichen Formen der Kommunikation betroffen, deren Charakter entscheidend durch den Einsatz der jeweiligen Medien beeinflusst wird. Zum Erfolg dieses tiefgreifenden Wandels hin zu einer Mediengesellschaft haben maßgeblich die Bildmedien beigetragen, welche in besonderer Weise Möglichkeiten einer „wahrnehmungs- nahen“ Kommunikation bereitstellen. Dies gilt nicht nur für den Unterhaltungssektor, der sich hinsichtlich seiner kommerziellen Aspekte bereits zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor ent- wickelt hat. Auch im Bildungsbereich ist die Bedeutung einer Unterstützung der Lernprozesse durch moderne Bildmedien unbestritten. Selbst innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses kommt bildhaften Darstellungen eine sowohl diagnostisch als auch didaktisch unverzichtbare Funktion zu, zumal es teilweise ohne sie nicht mehr möglich ist, die mit dem Erkenntnisfort- schritt zunehmende Komplexität überhaupt adä- quat zu erfassen. Die Graphikprogramme des Designers sind daher genauso wenig von unserer Welt wegzudenken wie die Ultraschallgeräte der Mediziner oder die Simulationsmodelle der Kon- strukteure. Dieser Tatbestand einer zunehmenden „Verbild- lichung“ unserer Lebens- und Arbeitswelt ist sehr unterschiedlich beurteilt worden. /2/ Einerseits soll gerade das Bild uns Möglichkeiten eröffnen, sich über komplexe Sachverhalte zuverlässig und schnell zu orientieren. Insbesondere die digitalen Bilder eröffnen neue Zugänge zur Wirklichkeit und machen zudem die traditionellen Zugänge fasslicher. Andererseits beklagen Kritiker in kul- turpessimistischer Manier eine damit einsetzende Erosion rationaler Denk- und Diskursstrukturen, da nur das Medium Schrift eine souveräne und analytische, am Begriff geschulte Auseinanderset- zung mit Wissen und Wirklichkeit verlange wie fördere. Diese merkwürdige Diskrepanz der Einschät- zungen lässt sich teilweise durch den Hinweis auflösen, dass hier über sehr unterschiedliche Phänomene geurteilt wird: einerseits über die Phänomene der Unterhaltungsindustrie, ande- rerseits über spezielle Phänomene der moder- nen Technologie. Wichtiger zum Verständnis dieser Diskrepanz scheint uns zu sein, dass trotz der Bedeutung, die dem Bild neben der Sprache als dem wichtigsten Medium der Darstellung VON DER INTERDISZIPLINÄREN GRUNDLAGENFORSCHUNG ZUR COMPUTERVISUALISTISCHEN ANWENDUNG DIE MAGDEBURGER BEMÜHUNGEN UM EINE ALLGEMEINE WISSENSCHAFT VOM BILD Klaus Sachs-Hombach, Jörg R. J. Schirra Seit den ersten Höhlenzeichnungen haben bildhafte Darstellungen für Menschen eine zwar immer umstrit- tene, aber doch nie entbehrliche Orientierungsaufgabe besessen. Das Bild geriet hierbei oft in Konkurrenz zur Schrift: Als Ausdruck abstrakter Gedanken war es jener unterlegen, doch wurde ihm im Gegenzug eine gera- dezu magische Aura zugesprochen. Diese ambivalente Haltung den Bildern gegenüber hatte zur Folge, dass alle Erfindungen neuer Bildmedien immer zugleich höchste Begeisterung wie tiefste Skepsis hervorriefen. Sie ist vermutlich ebenfalls dafür verantwortlich, dass sich bis heute eine einheitliche und im strengeren Sinn wis- senschaftliche Erforschung der Bilder nicht etablieren konnte. Im vorliegenden Aufsatz werden die Bemühun- gen skizziert, die hierzu in jüngster Zeit an der Magdeburger Universität unternommen worden sind. Damit verbunden, möchten wir unseren Vorschlag einer Konzeption von Bildwissenschaft zur Diskussion stellen.

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HINTERGRUND

Nach der Einschätzung zahlreicher Diagnosti-ker leben wir gegenwärtig in einer Informations-gesellschaft, die sich zunehmend als technischvermittelt zeigt. /1/ Stichworte wie „Multime-dia“, „Informationstechnologie“, „Internet“ undviele mehr geben Zeugnis von diesem fortschrei-tenden Wandel, der in kaum zu überschätzenderWeise alle gesellschaftlichen Bereiche – seien sieöffentlich oder privat; ökonomischer, kulturelleroder wissenschaftlicher Natur – zu erfassen undumzugestalten begonnen hat. Hierbei sind imbesonderen Maße auch die unterschiedlichenFormen der Kommunikation betroffen, derenCharakter entscheidend durch den Einsatz derjeweiligen Medien beeinflusst wird.

Zum Erfolg dieses tiefgreifenden Wandels hin zueiner Mediengesellschaft haben maßgeblich dieBildmedien beigetragen, welche in besondererWeise Möglichkeiten einer „wahrnehmungs-nahen“ Kommunikation bereitstellen. Dies giltnicht nur für den Unterhaltungssektor, der sichhinsichtlich seiner kommerziellen Aspekte bereitszu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor ent-wickelt hat. Auch im Bildungsbereich ist dieBedeutung einer Unterstützung der Lernprozessedurch moderne Bildmedien unbestritten. Selbstinnerhalb des wissenschaftlichen Diskurseskommt bildhaften Darstellungen eine sowohldiagnostisch als auch didaktisch unverzichtbareFunktion zu, zumal es teilweise ohne sie nichtmehr möglich ist, die mit dem Erkenntnisfort-

schritt zunehmende Komplexität überhaupt adä-quat zu erfassen. Die Graphikprogramme desDesigners sind daher genauso wenig von unsererWelt wegzudenken wie die Ultraschallgeräte derMediziner oder die Simulationsmodelle der Kon-strukteure.

Dieser Tatbestand einer zunehmenden „Verbild-lichung“ unserer Lebens- und Arbeitswelt ist sehrunterschiedlich beurteilt worden. /2/ Einerseitssoll gerade das Bild uns Möglichkeiten eröffnen,sich über komplexe Sachverhalte zuverlässig undschnell zu orientieren. Insbesondere die digitalenBilder eröffnen neue Zugänge zur Wirklichkeitund machen zudem die traditionellen Zugängefasslicher. Andererseits beklagen Kritiker in kul-turpessimistischer Manier eine damit einsetzendeErosion rationaler Denk- und Diskursstrukturen,da nur das Medium Schrift eine souveräne undanalytische, am Begriff geschulte Auseinanderset-zung mit Wissen und Wirklichkeit verlange wiefördere.

Diese merkwürdige Diskrepanz der Einschät-zungen lässt sich teilweise durch den Hinweisauflösen, dass hier über sehr unterschiedlichePhänomene geurteilt wird: einerseits über diePhänomene der Unterhaltungsindustrie, ande-rerseits über spezielle Phänomene der moder-nen Technologie. Wichtiger zum Verständnisdieser Diskrepanz scheint uns zu sein, dass trotzder Bedeutung, die dem Bild neben der Spracheals dem wichtigsten Medium der Darstellung

VON DER INTERDISZIPLINÄREN

GRUNDLAGENFORSCHUNG ZUR

COMPUTERVISUALISTISCHEN

ANWENDUNGDIE MAGDEBURGER BEMÜHUNGEN UM

EINE ALLGEMEINE WISSENSCHAFT VOM BILD

Klaus Sachs-Hombach, Jörg R. J. Schirra

Seit den ersten Höhlenzeichnungen haben bildhafte Darstellungen für Menschen eine zwar immer umstrit-tene, aber doch nie entbehrliche Orientierungsaufgabe besessen. Das Bild geriet hierbei oft in Konkurrenz zurSchrift: Als Ausdruck abstrakter Gedanken war es jener unterlegen, doch wurde ihm im Gegenzug eine gera-dezu magische Aura zugesprochen. Diese ambivalente Haltung den Bildern gegenüber hatte zur Folge, dassalle Erfindungen neuer Bildmedien immer zugleich höchste Begeisterung wie tiefste Skepsis hervorriefen. Sieist vermutlich ebenfalls dafür verantwortlich, dass sich bis heute eine einheitliche und im strengeren Sinn wis-senschaftliche Erforschung der Bilder nicht etablieren konnte. Im vorliegenden Aufsatz werden die Bemühun-gen skizziert, die hierzu in jüngster Zeit an der Magdeburger Universität unternommen worden sind. Damitverbunden, möchten wir unseren Vorschlag einer Konzeption von Bildwissenschaft zur Diskussion stellen.

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und der Mitteilung zukommt, eine allgemeineBildwissenschaft – im Unterschied zur Sprach-wissenschaft – erst in jüngster Zeit im Entste-hen begriffen ist und eine einheitliche wissen-schaftliche Basis daher noch fehlt, um das über-aus heterogene Phänomen der Bilder überhaupterst einmal in intersubjektiv überprüfbarerWeise zu erfassen und zu beschreiben. Zwarlässt sich eine zunehmende Beschäftigung mitder Frage, was ein Bild ist, feststellen; Antwor-ten hierzu werden bislang hauptsächlich in denEinzeldisziplinen und teilweise in Konkurrenzzueinander verhandelt, traditionell besonders inKunstgeschichte und Ästhetik, Philosophie undSemiotik, zunehmend aber auch in Psychologieund Kommunikationswissenschaft, in Medien-wissenschaft und Medienpädagogik, neuer-dings verstärkt in der Informatik, etwa imBereich der Künstlichen Intelligenz (KI), derComputergraphik oder der Computervisua-listik, die sich als den Bildbereich übergreifendeSubdisziplin herauszubilden beginnt.

Darüber, dass Bildern wichtige Funktionen –etwa in politischen oder in pädagogischen Zu-sammenhängen – zukommen, sind sich die For-scher also schon seit langem weitgehend einig.Worum es gegenwärtig verstärkt gehen sollte, istdie Frage nach dem Status einer wissenschaftlichfundierten Bildtheorie. Denn nach wie vor istunklar, in welchem Maße wir überhaupt in derLage sind, die innerhalb der Bildverwendung alswesentlich erachteten Eigenschaften und Funk-tionen nach wissenschaftlichen Standards zubeschreiben. Es ist, um es in anderen Worten zusagen, bislang unklar, in welchem Sinn von Wis-senschaft es eine Bildwissenschaft überhauptgeben kann oder geben sollte. /3/ Bei der Beant-wortung dieser Frage kommt der Philosophieinsofern eine zentrale Bedeutung zu, als sie nichtnur die meisten der unterschiedlichen Bild-aspekte (über ihre Teildisziplinen verstreut) the-matisiert – vor allem in Ästhetik, Zeichen- bzw.Sprachphilosophie, Erkenntnistheorie und Philo-sophie des Geistes –, sondern zudem den Umgangmit wissenschaftstheoretischen und methodologi-schen Fragestellungen zu ihren Kernkompetenzenzählt.

In Verbindung mit diesen philosophischenBemühungen wurden an der Otto-von-Guericke-Universität zahlreiche interdisziplinäre Unterneh-mungen ins Leben gerufen. Die bisherigeGeschichte der Magdeburger Bildwissenschaftlässt sich hierbei in drei Phasen gliedern:1) Vorbereitung und Orientierung; 2) Skizzierung einer interdisziplinären Grund-

lagentheorie; 3) das Virtuelle Institut für Bildwissenschaft –

Interdisziplinarität und Institutionalisierung.Die nun folgende Schilderung dieser Stationenmöchten wir nutzen, um wesentliche Bestim-mungsstücke zu erläutern, durch die sich nachunserer Auffassung die Bildwissenschaft auszeich-nen sollte.

DIE PHASE DER

VORBEREITUNG UND ORIENTIERUNG

Mit der These, dass bisher nur sehr unzurei-chend geklärt ist, was unter dem Ausdruck„Bildwissenschaft“ eigentlich zu verstehen ist,wollen wir selbstverständlich nicht bestreiten,dass es zahlreiche Bildwissenschaften gibt (etwadie Kunstgeschichte), die sich um die Beschrei-bung und Analyse von Bildern verdient gemachthaben und die auch zur Standortbestimmungwie zur Methodologie einer solchen Wissen-schaft Wesentliches beigetragen haben und wei-terhin beitragen können. Im Singular geschrie-ben besitzt der Ausdruck „Bildwissenschaft“jedoch einen gewissen Neuigkeitswert – darübersollte nicht hinwegtäuschen, dass die Verwen-dung dieses Ausdrucks in sehr kurzer Zeit selbst-verständlich geworden ist (und vermutlicheinem allgemeinen Bedürfnis entgegenkommt)/4/, denn eine wirkliche Klärung steht bisheraus. Nachfolgende Anmerkungen verstehen sichals Versuch einer solcher Klärung, indem sie dieGeschichte dieses Ausdrucks, so weit die Magde-burger Bildwissenschaftler betroffen sind, nach-zeichnen.

Das Bildwissenschaftliche Kolloquium (BWK)Magdeburg

Eine explizite Verwendung hat der Ausdruck„Bildwissenschaft“ zuerst im Rahmen des Bild-wissenschaftlichen Kolloquiums Magdeburg(BWK) erfahren, das im Herbst 1994 alsZusammenschluss von Bildforschern unter-schiedlicher Disziplinen und Fakultäten gegrün-det wurde. Die Zielsetzung dieses Zusammen-schlusses bestand darin, ein besseres Verständnisdes Phänomens Bild dadurch zu erlangen, dassdie komplexen technischen Strukturen und dieentsprechenden gesellschaftlichen Zusammen-hänge aufeinander bezogen werden. Es sollten sovor allem die Fragen der digitalen Bilderzeugungund -aufbereitung einerseits auf die Problemekonkreter Anwendungen orientiert, andererseitsin die allgemeineren Fragen nach den begriffli-chen Voraussetzungen und den kulturellenImplikationen der Bildverwendung eingebettetwerden. Die beteiligten Wissenschaftler kamen(bedingt durch die bestehenden Forschungs-strukturen) aus fünf Fakultäten der Otto-von-Guericke-Universität: der Fakultät für Informa-tik (Computersimulation, Computergraphik,Algorithmische Geometrie, Mensch-Computer-Interaktion), der Fakultät für Elektrotechnikund Informationstechnik (Signal- und Bildver-arbeitung, Neuronale Netze), der Fakultät fürGeistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften(vor allem Philosophie, Psychologie, Politikwis-senschaft und Erziehungswissenschaft), derMedizinischen Fakultät (Bildgebende Verfahrenin speziellen klinischen und neurobiologischenBereichen) und der Fakultät für Maschinenbau(Industriedesign, CAD, Fabrik-, Prozess- undProduktmodellierung). Die in der Vorlesungs-zeit regelmäßig stattfindenden Vorträge undDiskussionen verfolgten insbesondere die Ziele,

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• „Theorien zu entwerfen, die Natur, psychischeErfassung und wünschenswerte Verwendungvon Bildern angemessen beschreiben,

• Methoden und Werkzeuge zu entwickeln, diezu einem gesteigerten Erkenntnisgewinn desBetrachters eines Bildes führen und zu einemvertieften Verständnis dieses Erkenntnisge-winns beitragen, und

• Anwendungen der Theorien mit Hilfe der ent-wickelten Methoden und Werkzeuge auszu-bauen.“ /5/

Die Hoffnung, langfristig ein Methodenreper-toire für Bilder aufbauen zu können, das dem derSprache in seiner Mächtigkeit gleichkommt, hatdas BWK mit einer Aufforderung zum wissen-schaftlichen Dialog verbunden. Parallel zurErstellung der Broschüre, in der sich die Magde-burger Bildwissenschaft der Öffentlichkeit vor-stellte (siehe www.computervisualistik.de/kollo-quium/bwk/), wurden hierzu Promotionsstipen-dien ausgeschrieben, die zu einem interdiszi-plinären Zugang zur Bildthematik ermunterten.Inzwischen wurden auf dieser Basis mehrere Dis-sertationen abgeschlossen.1)

Die ComputervisualistikUm Forschung und Lehre zusammenzubringen,

entstand Anfang 1996 in Magdeburg aus demKreise des Bildwissenschaftlichen Kolloquiumsheraus (und unterstützt durch das seit 1993 von derDFG geförderte Innovationskolleg mit dem Kurz-

titel „Bildgebende Verfahren“) der Diplomstudien-gang „Computervisualistik“. Dieser kreist thema-tisch um all die Verfahren, die zum Erzeugen, Bear-beiten, Analysieren, Archivieren oder Übertragenvon Bildmaterial mit digitalen Medien verwendetwerden. Interdisziplinär angelegt und in die dreiSäulen der Methodik, der Reflexion und der Appli-kation strukturiert, liegt ihm ein modernes Ver-ständnis des Ingenieurberufs zu Grunde, in demgroßer Wert auch auf die Fähigkeit zu interdiszi-plinärer Zusammenarbeit und auf starke kommu-nikative und soziale Kompetenzen gelegt wird (vgl.Abb. 1 und die Informationen unter www.compu-tervisualistik.de). /6/

Die Bezeichnung des neuen Studienganges –„Computervisualistik“ – soll deutlich machen,dass hier der Umgang mit Visuellem, vornehm-lich mit Bildern, bildhaften Darstellungen undgraphischen Symbolen, in allen Aspekten unterbesonderer Berücksichtigung der Verwendungvon Computern studiert wird. Der Ausdruckwurde in Analogie zu „Computerlinguistik“gebildet: Unter dieser Bezeichnung hat sich seitrund 20 Jahren ein eigenständiger Studiengangetabliert, der im Überlappungsbereich von Infor-matik und Sprachwissenschaft die algorithmischeBehandlung aller Aspekte der menschlichenSprachverwendung lehrt. Zugleich wird an dieserAnalogie auch deutlich, dass bislang das bildbezo-gene Pendant einer allgemeinen Linguistik, näm-lich eine allgemeine Visualistik/Bildwissenschaft,

Abb. 1Die Säulen der Computer-visualistik

1)In Anspruch genommen habendiese Stipendien vor allem Stu-denten aus dem Bereich derInformatik bzw. Computer-visualistik. Unter anderen wur-den die Promotionen von AlfRitter (Texturbasierte Generie-rung synthetische Hologramme,1998), Frank Godenschweger(Darstellung von Gebärdenmittels Liniengrafiken, 1999),Stefan Schlechtweg (Interakti-ves wissenschaftliches Illustrie-ren von Texten, 1999) undMaic Masuch (Nicht-photorea-listische Visualisierungen: VonBildern zu Animationen, 2001)abgeschlossen.

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weder institutionell noch auch nur begrifflichexistiert hat. Von der stark interdisziplinärenKonzeption des Studienganges und den dadurchinitiierten gemeinsamen Lehrveranstaltungenangeregt, entstanden in der Folge eine Reihe vonArbeiten, die insbesondere Impulse der Design-theorie, der Politik-, der Erziehungs- und derKunst- sowie Kulturwissenschaft aus der compu-tervisualistischen Perspektive aufgriffen unddamit zugleich der zweiten Phase der Magdebur-ger bildwissenschaftlichen Bemühungen einebreite Basis schufen. /7/

Die erste Tagung zur Bildwissenschaft Die Orientierungsphase der Magdeburger

Bildwissenschaftler kulminierte im März 1997 inder ersten Tagung zur Bildwissenschaft: Sie fandunter dem Titel „Bild – Bildwahrnehmung –Bildverarbeitung“ statt und versammelte nam-hafte Bildforscher unterschiedlichster Fachrich-tungen. /8/ Die Organisatoren betrachteten dieseTagung ausdrücklich als Versuch, für die Erfor-schung der Bildthematik eine gemeinsame wis-senschaftliche Basis zu finden. Auf Grund derkomplizierten Zusammenhänge, die bei der Ver-wendung und Interpretation von Bildern einezentrale Rolle spielen, sollte diese Basis interdiszi-plinär verfasst sein. Der Schwerpunkt lag dabeiauf den Grundlagenaspekten, wie sie sich in denjeweiligen Fachgebieten darstellten, vor allem inPhilosophie, Psychologie, Semiotik, Kunstge-schichte und Informatik. Auf Grund der Eigenar-ten der beteiligten Disziplinen war zu vermuten,dass sich eine arbeitsteilige Struktur ergebenwürde: Die philosophische Kompetenz galtbesonders der Klärung der verwendeten Grund-begriffe, der Psychologie ging es als empirischerDisziplin primär um die Fragen zur Wahrneh-mung und kognitiven Verarbeitung von Bildernbzw. um die piktorialen Grundlagen des Kogniti-ven, die kunstgeschichtlichen Beiträge lieferteneine differenzierte Beschreibung formaler Gestal-tungsmerkmale, die Informatiker behandeltenschließlich in erster Linie die praktischen Pro-bleme einer optimalen maschinellen Erzeugungund Interpretation von Bildern. Das übergeord-nete Ziel der Tagung bestand darin, einerseitsvorwiegend empirisch arbeitende Wissenschaftlermit theoretischen Fragestellungen zu konfrontie-ren, andererseits theoretische Überlegungen anden speziellen Problemen der Praxis zu orientie-ren. Auf diese Weise sollte den Vertretern dergenannten Disziplinen ein Diskussionsforum zurVerfügung gestellt werden, mit dem die Hoff-nung auf weitere Impulse zum Entstehen einerallgemeinen Bildwissenschaft verbunden war.

SKIZZIERUNG EINER INTERDISZIPLINÄREN

GRUNDLAGENTHEORIE

Die 1997er Tagung zur Bildwissenschaft kannals Initialzündung dafür gesehen werden, einesystematischere Grundlegung der Bildwissen-schaft zu unternehmen. In der Folge dieser sehrpositiv aufgenommenen Tagung kam es zunächstzur Konzentration auf die theoretischen Grundla-

genprobleme. Neben der Frage, was die wesentli-chen Bestimmungsstücke des Bildbegriffs seien,ging es hierbei darum, den wissenschaftlichenStatus der Bildwissenschaft zu klären, wozu etwanach dem Verhältnis von Sprachwissenschaft undBildwissenschaft gefragt wurde. Eine erste Orien-tierung fand diese grundlagentheoretische Arbeitin der Konzeption vom Bild als wahrnehmungs-nahes Zeichen. Damit wurde als Ausgangspunktund Grundlage der Forschung eine semiotischeBildtheorie gewählt, die jedoch die Besonderheitaufwies, für ein angemessenes Verständnis vonBildern eine Verknüpfung von zeichentheoreti-schen und wahrnehmungstheoretischen Kompo-nenten zu fordern.

Die Buchreihe „Bildwissenschaft“Diese Konzeption diente der 1998 im

Anschluss an die Tagung zur Bildwissenschaftgegründeten Buchreihe Bildwissenschaft als Rah-men. /9/ Aus ihr ergab sich eine grundlagentheo-retische Orientierung an der Sprachwissenschaft,die in den drei programmatischen Eingangsbän-den zur Syntax, Semantik und Pragmatik bildhaf-ter Darstellungsformen zum Ausdruck kam. /10/Monographien zur Bildtheorie aus relevantenDisziplinen, vor allem Semiotik, Psychologie,Philosophie und Ästhetik traten inzwischenhinzu. Zudem liegt ein politikwissenschaftlicherSammelband zur Filmthematik vor. Weitere Stu-dien zu spezielleren Problemen unterschiedlicherBildarten wie Bildgestaltungsmittel sind derzeitin Vorbereitung.

Bildwissenschaft und SprachwissenschaftDie Orientierung der bildwissenschaftlichen

Forschung an der Sprachwissenschaft ist wieder-holt als problematisch beurteilt worden. DieArgumente, die eine solche Kritik unterstützen,gründen in der Auffassung, dass ein Bild prinzi-piell etwas anderes ist als ein Wort oder ein Text.Aus diesem Grunde könne die Sprachwissen-schaft unmöglich eine der Bildwissenschaft hilf-reiche Bezugsdisziplin sein. Eine solche Auffas-sung unterstellt jedoch in unberechtigter Weise,dass mit der sprachwissenschaftlichen Ausrich-tung Bilder einseitig nur noch anhand von imstrengen Sinne linguistischen Begrifflichkeitenuntersucht werden sollen. Zudem verkennt siedie Funktion einer solchen Orientierung, die vorallem darin besteht, von einer Sprachwissenschaftund Bildwissenschaft umfassenden Rahmentheo-rie auszugehen, und diese in ganz unterschiedli-cher Weise, jeweils nach Vorgabe der speziellenPhänomene, auszuarbeiten. /11/

Im Zentrum einer solchen Rahmentheorie stehtals allgemeinster Begriff der Zeichenbegriff, dersich (u. a.) in die Begriffe des sprachlichen unddes bildhaften Zeichens aufgliedern lässt. Syste-matisch ergiebiger ist es vermutlich, zunächst zwi-schen arbiträren und wahrnehmungsnahen Zei-chen zu unterscheiden. Während die sprachlichenZeichen (neben abstrakten Symbolen oder belie-big verabredeten Zeichen) sicherlich die bedeu-

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tendste Klasse der arbiträren Zeichen bilden, las-sen sich insbesondere die gegenständlichen Bilderals paradigmatische Fälle der Unterklasse dervisuell wahrnehmungsnahen Zeichen bestim-men. Die Klasse der wahrnehmungsnahen Zei-chen sollte also vom Begriff her nach Wahrneh-mungsmodalitäten untergliedert werden.2) ImRahmen einer solchen Gliederung wird klar, dasses lediglich der Zeichenaspekt ist, der eine Orien-tierung an der Sprachwissenschaft nahe legt, diederzeit als die am besten ausgearbeitete spezielleZeichentheorie gelten kann. Das Spezifische derbildhaften Zeichen ist damit aber nicht erfasst. Esliegt in dem Wahrnehmungsaspekt dieser Zei-chenklasse. Eine Bildwissenschaft muss der vorge-schlagenen Konzeption zufolge deshalb notwen-dig auch die Erforschung der entsprechendenWahrnehmungskompetenzen einschließen undfolglich interdisziplinär verfasst sein.

Bilder als wahrnehmungsnahe Zeichen aufzufas-sen motiviert aus diesem Grunde nicht nur eineAnalogie zur Sprachwissenschaft, sondern weistzugleich auf die Grenzen dieser Analogie hin,denn die Sprachwissenschaft hat nur insoweiteine Vorbildfunktion für die Bildwissenschaft, alsunterstellt ist, dass sie bereits eine brauchbare all-gemeine Zeichentheorie enthält. Die Orientie-rung an der Sprachwissenschaft ergibt sich dem-nach vor allem aus historischen Gründen: DieEntstehung der Semiotik ist maßgeblich vonSprachwissenschaftlern vorangetrieben wordenund hat insbesondere mit der Linguistik eine wis-senschaftliche Fundierung erhalten. Die Sprach-wissenschaft als Vorbild aufzufassen heißt daherzunächst, jeweils im Einzelnen zu prüfen, welcheihrer Beschreibungskategorien sich als allgemeinezeichentheoretische Kategorien erweisen lassen,d. h. zu untersuchen, inwieweit sie geeignet sind,um gleichermaßen Sprach- und Bildphänomenezu erfassen. Vermutlich wird dies insbesondereauf die pragmatischen Kategorien zutreffen,während die entwickelten semantischen, und imbesonderen Maße die syntaktischen, Kategorienin der Regel sehr viel mehr auf die zeichentypspe-zifischen Aspekte abgestimmt sind.

Es ist also, anders gesagt, ganz entscheidend, dassder Zeichenbegriff sehr allgemein verstandenwird. Er dient lediglich als Oberbegriff, unterden nicht nur sprachliche Ausdrücke und Bilderfallen, sondern alle Gegenstände, von denen wirsagen würden, dass sie etwas bedeuten oder, prä-ziser formuliert: dass wir etwas mit ihnen zumAusdruck bringen wollen. Im Unterschied zurallgemeinen semiotischen Terminologie dientdie linguistische Terminologie dagegen zurErfassung des speziellen, sprachlichen Zeichen-typs. Sofern sich dennoch in allgemeinen semio-tischen Bildtheorien linguistische Beschrei-bungskategorien finden, sollten diese verstandenwerden als zu semiotischen Grundbegriffen ver-allgemeinerte Begriffe. Ein gutes Beispiel ist dieSprechakttheorie, /13/ die zwar innerhalb derLinguistik als eine auf Sprache bezogene Theorie

entwickelt wurde, die aber vom sprachlichenKontext abgelöst und als eine allgemeine Zei-chenhandlungstheorie aufgefasst werden kann.Als solche lässt sie sich dann auch auf Bilderanwenden, ohne dass damit in irgendeiner Weisedie Eigenständigkeit der Bilder angezweifeltwürde. So können wir etwa mit der Präsentationeines Bildes ganz analog zur Sprache ein Verbot,ein Gebot oder auch eine Warnung zum Aus-druck bringen. Auch für die Bildkommunika-tion gilt demzufolge, dass sie verschiedene illo-kutionäre Funktionen enthält, auch wenn sichhier im Einzelnen spezifische illokutionäreFunktionen als besonders wichtig erweisen soll-ten.

Kleine Typologie der Bilder anhand des Gradesihrer Wahrnehmungsnähe

Mit dem Moment der Wahrnehmungsnähewird die Differenz zur Sprachwissenschaftbezeichnet, denn für das Verständnis sprachlicherZeichen spielt die Wahrnehmungskompetenzeine untergeordnete Rolle. Zwar müssen wir auchsprachliche Zeichen erst einmal wahrnehmen,um sie dann interpretieren zu können. Im Unter-schied hierzu beruht aber bei Bildern auch nochdie Interpretation auf Wahrnehmungskompe-tenzen. So ergeben sich zumindest einige Aspekteder Bedeutung, die mit wahrnehmungsnahenZeichen vermittelt werden soll, aus der Wahrneh-mung der Struktur der Zeichen – genauer gesagt:der Zeichenträger – selbst, während die Wahr-nehmung arbiträrer Zeichen in der Regel keiner-lei Hinweise auf die entsprechende Bedeutungenthält, so dass wir uns diese, wie im Falle desErlernens einer Fremdsprache, erst mühsamaneignen müssen. Diese Besonderheit liegt amstärksten bei illusionistischen Bildern vor. Auchhier müssen wir bereits verstanden haben, dass essich um ein Zeichen handelt, also eine rudi-mentäre Zeichenkompetenz besitzen; aber um zubestimmen, was im Bild dargestellt ist, könnenwir im Wesentlichen auf die unbewussten Pro-zesse zurückgreifen, über die wir mit der Fähig-keit zur Gegenstandswahrnehmung bereits verfü-gen. /14/

Ein trompe l’œil ist der extreme Fall eines Bildes,für dessen Interpretation semiotische Aspekteeine untergeordnete Rolle spielen, denn was imBild dargestellt ist, können wir unmittelbar unddaher fast ausschließlich aufgrund unserer(eigentlich auf reale, anwesende Gegenstände aus-gerichtete) Wahrnehmungskompetenz erkennen.Alle weiteren Bildtypen bis hin zum Piktogrammund schließlich zum Ideogramm zeichnen sichdagegen dadurch aus, dass sich die allgemeinensemiotischen Anteile graduell erhöhen. Um beinicht-illusionistischen Bildern – etwa bei Karika-turen, bei Kinderzeichnungen oder auch beiLandkarten – entscheiden zu können, welcheEigenschaften in welcher Weise im Einzelnenabbildungsrelevant sind, ist neben der Wahrneh-mungskompetenz eine Kenntnis der zusätzlichenDarstellungskonventionen erforderlich. Für reali-

2)Für die akustischen Zeichen,die teilweise arbiträr (etwa einKlingelzeichen), teilweise wahr-nehmungsnah (etwa die Imita-tion einer Vogelstimme) sind,haben sich allerdings keine eige-nen Ausdrücke herausgebildet,so dass wir teilweise sogar von‚Hörbildern’ sprechen. /12/

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stische Zeichnungen würde eine solche Konven-tion etwa lauten: Abbildungsrelevant sind allevisuellen Eigenschaften des Bildes, die sich insystematisch geschlossener Weise als Eigenschaf-ten bekannter Objekte interpretieren lassen.Demgemäß würden wir etwa eine besonders breitaufgetragene Figurenkontur in einem Bild nichtals eine Hülle oder Aura des entsprechendenObjekts interpretieren (was ja durchaus der Fallsein könnte), sondern der besonderen Darstel-lungstechnik oder auch der Intention (bzw. derUnfähigkeit) des Bildherstellers zuschreiben.Folglich wird eine solche Auszeichnung der abbil-dungsrelevanten Eigenschaften auch in demMaße schwieriger, in dem wir es mit uns unbe-kannten Objekten zu tun haben, denn in diesemFall müssen allgemeine Wahrnehmungsprinzi-

pien an die Stelle der objektspezifischen Wahr-nehmungskompetenz treten.

Ein ganz anderer Fall liegt dagegen bei einemstark formreduzierten Bild vor, das sich auf dieDarstellung weniger abbildungsrelevanterEigenschaften beschränkt. Den extremen Falleines solchen Bildes liefert das Ideogramm.Während das trompe l’œil für den wahrneh-mungstheoretischen Grenzfall steht, verkörpertdas Ideogramm den semiotischen Grenzfall desBildes. Hier findet die Wahrnehmungskompe-tenz keinen hinreichenden Halt mehr, um dieextreme Vieldeutigkeit des Bildes noch handha-ben zu können, so dass etwa im Fall des Kreisesals Ideogramm für die Sonne die Eigenschaft desRunden zwar noch abbildungsrelevant ist (und

Abb. 2„Café trompe l’œil“,Wandgemälde von

John Pugh

Abb. 3Frühe Phase von Pughs

„Café trompe l’œil“

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3)Der Täuschungseffekt illusionis-tischer Bilder ist besondershoch, wenn die Distanz zumBetrachter vergrößert wird oderwenn Objekte dargestellt wer-den, die selber nur eine geringeTiefe besitzen. Die besonderenEffekte illusionistischer Bilderlassen sich allerdings in einerAbbildung nur ungenügendwiedergeben, da die Bildgrenzenaturgemäß schlecht zu erken-nen ist. Das hier als Beispiel ver-wendete Wandbild von JohnPugh befindet sich in PalmDesert, California.

daher auch bildhaft interpretiert werden kann),die konkrete Bedeutung dieses Ideogramms sichin der Regel jedoch nur noch über eine Kennt-nis der entsprechenden Konvention erschließt.

Betrachten wir zur Veranschaulichung etwasgenauer das Beispiel des illusionistischen Bildes(vgl. Abb. 2 und 3).3) Damit hier überhaupt voneinem Bild geredet werden kann, muss einBewusstsein darüber bestehen, dass wir es mit einerDarstellung zu tun haben, sonst würde einfach nureine Verwechslung vorliegen. Ein solches Bewusst-sein, das bereits durch die (eventuell mit einemRahmen noch betonte) Begrenztheit der Bildflächeentsteht, bewirkt, dass der wahrgenommeneBildraum als imaginärer Raum erfahren wird.Diese minimale semiotische Komponente hatunter anderem zur Folge, dass unser Wahrneh-mungssystem die perspektivischen Verzerrungen,die durch unterschiedliche Betrachterstandpunktedem Bild gegenüber entstehen, weitgehend neutra-lisiert. /15/ Interessanterweise lässt sich der illusio-nistische Effekt jedoch verstärken, wenn wir dasBild durch ein einfaches Rohr betrachten, dennnun rückt die Bildgrenze außerhalb des Sehfeldes,zudem werden die Wirkungen des stereoskopi-schen Sehens, der wir viele Tiefeninformationenverdanken, auf diese Weise aufgehoben.

Betrachten wir zum Vergleich eine Kinderzeich-nung (vgl. Abb. 4). Obschon unmittelbar klarist, dass es hier nicht um eine „korrekte“ Dar-stellung eines Gegenstandes geht, kann der Bil-dinhalt doch eindeutig bestimmt werden.Anders als beim illusionistischen Bild gelingtdies aber nicht, weil die Kinderzeichnung undder Gegenstand, den sie darstellt, identischeLichtmuster erzeugen, denn Kinderzeichnungenweisen in der Regel gar keinen imaginären Raumauf: die Figuren sind nicht perspektivischgezeichnet, die geometrischen Informationensind oft inkorrekt und das Spiel von Licht undSchatten fehlt gänzlich. Statt dessen treten Teil-Ganzes-Beziehungen in den Vordergrund. DieKinderzeichnungen lassen sich daher eher alsindividuell variierbare Schemata /16/ ansehen,mit denen die für ein komplexes Objekt wesent-lichen Teile und ihre Anordnung festgelegt wer-den. Im Falle der Personendarstellung wird diesdurch einfache Striche und Flächen bewirkt, diejeweils Kopf, Körper und Extremitäten wieder-geben. Es ist offensichtlich bereits hinreichend,einige besonders relevante (insbesondereGestalt- und Struktur-) Eigenschaften einesGegenstandes abzubilden, um eine korrekteWiedererkennung zu sichern.

Traditionell wurde diese Leistung unter Rückgriffauf den Ähnlichkeitsbegriff erklärt, der uns trotzder eingehenden Kritik, die er erfahren hat, /17/als aussichtsreich erscheint, sofern er entspre-chend präzisiert wird. Was wir in einem Bildsehen, hängt dieser Auffassung zufolge zwar vonder Verarbeitung der jeweiligen Lichtmuster ab,diese kognitive Verarbeitung erfolgt aber relativ

zu bereits ausgebildeten mentalen Prototypen.Auf diese Weise ist eine Klassifikation des Bildin-haltes auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen,d. h. hinsichtlich unterschiedlicher Ähnlichkeits-dimensionen, möglich. Wie das Beispiel einerLandkarte besonders veranschaulicht, schränktdie Variabilität der Abbildungsstandards aber diebei der Bildinterpretation beteiligte Wahrneh-mungskomponente zugunsten semiotischerAspekte ein. Mit dem Begriff der Wahrneh-mungsnähe wird daher zwar eine systematischeBeziehung von Bild- und Gegenstandswahrneh-mung angenommen, zugleich aber unterstellt,dass insbesondere für die Entscheidung, welcheÄhnlichkeitsdimensionen relevant sind, verstärktsemiotische Aspekte ins Spiel kommen, so dassauch bei einer ähnlichkeitstheoretischen Rekon-struktion der Bildwahrnehmung mit kulturellenPrägungen zu rechnen ist. /18/

Die dargestellte Verknüpfung von wahrneh-mungsrelevanten und semiotischen Elementenim Bild hängt eng zusammen, ist aber nicht iden-tisch mit der Unterscheidung von Bildraum undBildfläche. Die zweite Unterscheidung ist viel-mehr ein Spezialfall der ersten. Denn auch um dievisuellen Eigenschaften eines Bildes ausschließ-lich als Eigenschaften der Bildfläche zu würdigen,sind gleichermaßen komplexe Zeichen- undWahrnehmungskompetenzen nötig. Der Aus-druck „wahrnehmungsnah“ bezieht sich alsonicht nur auf die im engeren Sinne abbildungsre-levanten Eigenschaften, sondern etwa auch aufdie verschiedenen Formen der Flächengestaltungoder der Farbkontraste. Eine Isolierung solcherbildeigenen Eigenschaften wurde vor allem inner-halb der Kunst des 20. Jahrhunderts betrieben.Sie lässt sich als der sicherlich überaus bemerkens-werte Versuch verstehen, mit den Mitteln derbildnerischen Gestaltung eine anschauliche Ver-ständigung über eben diese Mittel herbeizu-führen. Auch diese Form der Bildkommunika-

Abb. 4Kinderzeichnung von RosaHombach

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Abb. 6A schreibt B den immersiven

Rezeptionsmodus zu: B’sspontane Reaktion (immer-

siver Modus) wird durch dasWissen um die Zeichenhaftig-

keit (symbolischer Modus)blockiert

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tion verbindet also Zeichenhaftigkeit und Wahr-nehmungsnähe, auch wenn die Abbildungsfunk-tion dabei aufgehoben wird.

Bildgebrauch und Reflexionsebenen: Ansätzeeiner logisch-genetischen Rekonstruktion

Grundsätzlich sollten bei diesen Überlegungenverschiedene Modi des Umgangs mit einem Bild-träger auf unterschiedlichen Reflexionsebenenauseinander gehalten werden: der dezeptiveModus, der symbolische Modus und der immer-sive Modus. Den dezeptiven Modus konstatierenwir, wenn wir ein Wesen beobachten, das aufeinen Bildträger in einer Weise reagiert, als wäredas im Bild Dargestellte tatsächlich anwesend(vgl. Abb. 5). Ein gutes Beispiel für den dezepti-ven Modus ist die Verwendung von Attrappen in

der Ethologie. Die komplexen Fähigkeiten zurZeichenhandlung sind hier also (noch) nicht vor-handen oder in einer speziellen Situation, etwaauf Grund einer Halluzination, nicht verfügbar.Diese Art der Wahrnehmungstäuschung schließtdaher aus, dass der thematische Gegenstand über-haupt als bildhaftes Zeichen für etwas Abwesen-des betrachtet wird.

Den symbolischen Modus schreiben wir hinge-gen immer dann jemandem zu, wenn er sichbewusst ist, dass mit dem Zeichenträger, mit demer gerade umgeht, etwas anderes, in der RegelAbwesendes dargestellt wird. Hier nimmt alsoinsbesondere ein Bildrezipient das Bild ganzbewusst als verschieden von dem, was es darstellt.Das Bild tritt damit als ein Zeichen auf, das in

Abb. 5Dezeptiver Rezeptionsmodus(der Vögel) und symbolischer

Modus (des Beobachters)

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einem kommunikativen Kontext gewissermaßenals Werkzeug dient, um eine Zeichenhandlungauszuführen. Allerdings bleibt beim symboli-schen Modus der spezielle Bildcharakter – näm-lich die Wahrnehmungsnähe – noch unberück-sichtigt: Ihn charakterisiert nur, dass eine allge-meine Fähigkeit zum Zeichengebrauch aktuali-siert wird, wie sie etwa auch beim Spielen vor-kommt.

Illusionistischen Bildern, und noch mehr dendigital erzeugten Virtuellen Realitäten, treten wiroffensichtlich in einer spezifischen Mischformder beiden erwähnten Modi gegenüber: Inner-halb einer Virtuellen Realität etwa handelt einePerson teilweise so, als wäre ein bestimmtes Bildein tatsächlich vorhandener, von ihm wahrge-nommener Gegenstand (dezeptiv), ohne doch dasBewusstsein der Zeichenhaftigkeit des Bildes auf-zugeben (symbolisch). Die Person tut gewisser-maßen und in bestimmten Grenzen absichtlichso, als ob sie mit realen Gegenständen konfron-tiert wäre. Wenn wir diese Mischform beobach-ten, schreiben wir den immersiven Modus zu(vgl. Abb. 6). Jemand in diesem Modus weiß umdie Illusion und geht mit ihr als Illusion um: Auchdie Fähigkeit zum Zeichengebrauch muss deshalbvorliegen und auf den Bildgegenstand angewen-det werden.

Diese Unterscheidung bildet die Grundlage füreine begriffsgenetische Betrachtung zum Aus-druck „Bild“ und seinem begrifflichen Umfeld:Während der dezeptive Modus das minimaleBegriffsfeld thematisiert, mit dem wir uns überWahrnehmungskompetenz verständigen, ohnedass bereits über Zeichenverwendung gesprochenwerden muss, verweist die Idee des symbolischenModus auf die Begriffsfelder, mit denen wir Zei-chenverwendung strukturieren. Offensichtlichlassen sich mehrere Komplexitätsstufen der Zei-chenverwendung unterscheiden. Wenn es zu zei-gen gelingt, auf welchem Weg beide begrifflicheKontexte auf systematische Weise miteinandergekoppelt werden können, haben wir eine ratio-nale Einführung eines Begriffsfeldes um das Cha-rakteristikum „wahrnehmungsnahes Zeichen“gewonnen, aus dem sich alle wesentlichenZusammenhänge, alle notwendigen Vorausset-zungen sowie alle möglichen Varianten ableitenlassen – ein Begriffsfeld, das, kurz gesagt, den all-gemeinen Rahmen für die Bildwissenschaft bil-det. /19/

Bildwissenschaft als interdisziplinäre Wissenschaft

Werden in dieser beschriebenen Weise mitdem Ausdruck „Bild“ zwei Komponenten ver-bunden, dann ist damit nicht nur die begrenzteBrauchbarkeit der Analogie von Bildwissenschaftund Sprachwissenschaft zugestanden, sondernauch eine essentielle Beziehung zur Psychologie,insbesondere zur Wahrnehmungspsychologie,behauptet. Ist die Erforschung der Wahrneh-mungskompetenzen zum adäquaten Verständnis

von Bildern nicht nur unverzichtbar, sondern lie-fert zudem das Spezifische der Bilder gegenübersprachlichen Zeichen, dann lässt sich sogar for-dern, dass eine allgemeine Bildwissenschaft, dieals Wissenschaft in einem strengeren Sinn auftre-ten will, eine psychologisch-experimentelle Kom-ponente enthalten, also grundsätzlich interdiszi-plinär verfasst sein muss. Dazu ist es freilichnötig, einen gemeinsamen Theorierahmen zuentwickeln, der für die unterschiedlichen Diszi-plinen als integratives Forschungsprogramm die-nen kann. Genau dieses integrative Forschungs-programm, so wäre die Vermutung, hat bishergefehlt. Um dieses zu entwickeln, müssen dieForscher der verschiedenen Disziplinen ihrejeweiligen Kompetenzen verbinden und aufein-ander abstimmen. Und genau hierzu soll dasForum dienen, das u. a. mit der Gründung derBuchreihe Bildwissenschaft entstanden ist.

Das Symposium „Was ist Bildkompetenz?“Um die Konturen einer derart interdisziplinär

verfassten, allgemeinen Bildwissenschaft genauerzu bestimmen und die Möglichkeiten ihrer Insti-tutionalisierung auszuloten, fand im März 2001als Fortführung der Tagung „Bild – Bildwahrneh-mung – Bildverarbeitung“ das interdisziplinäreSymposium „Was ist Bildkompetenz?“ statt. Eswar einerseits speziellen Fragen der Bildkompe-tenz gewidmet, andererseits aber der generellenFrage nach dem Status der bildwissenschaftlichenForschung. Mit der Organisation des Symposi-ums verband sich die Überzeugung, dass es an derZeit und dem weiteren Vorgehen hilfreich ist,erneut Zielsetzung und Ausgestaltung der Akti-vitäten um das geschaffene bildwissenschaftlicheForum zu bedenken. Als zehnter Band der ReiheBildwissenschaft wird ein Tagungsband die voran-gegangenen Grundlegungen vorerst beschließenund einen Ausblick auf das weitere Vorgeheneröffnen. /20/

VIRTUELLES INSTITUT FÜR BILDWISSENSCHAFT:INTERDISZIPLINARITÄT UND

INSTITUTIONALISIERUNG

Innerhalb der skizzierten Konzeption der Bild-wissenschaft ist mit dem Titel „Interdiszi-plinärität“ nicht nur an eine systematische Verbin-dung der relevanten Disziplinen gedacht, sondernauch an eine Verknüpfung von Grundlagenrefle-xion und Anwendung. Dieser Intention trägt vorallem die in Magdeburg angestrebte enge Bezie-hung von Bildwissenschaft und Computervisualis-tik Rechnung. Danach ist letztere eine ange-wandte Bildwissenschaft, deren Lösung prakti-scher Probleme der Bildgenerierung und Bildver-arbeitung von den grundlagentheoretischenErgebnissen profitieren kann, wie umgekehrt dieGrundlagenreflexion in der Praxis ein geeignetesKorrektiv für ihre Reflexionen finden mag. /21/

Das Virtuelle Institut für Bildwissenschaft (VIB)Forschung findet üblicherweise an Instituten

statt, die in der Regel eine Einheit von Forschungund Lehre anstreben, teilweise aber auch als reine

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Forschungsinstitute Grundlagenforschung betrei-ben. Das Entstehen neuer Wissenschaften war sotraditionell mit der Gründung neuer Instituteverbunden. Dies ist gegenwärtig nicht nur durchdie verknappten finanziellen Mittel immerschwieriger geworden. Im Rahmen der Magde-burger Bildwissenschaft wird daher der Versuchunternommen, neue Wege auch hinsichtlicheiner möglichen Institutionalisierung zubeschreiten. Hierzu wird derzeit mit den Mittelnder Informationstechnologie das Virtuelle Institutfür Bildwissenschaft aufgebaut (www.bildwissen-schaft.org). Virtuell ist es nur in dem Sinn, dasses die Prozesse der internen Abstimmung derArbeitsgruppen auf einer elektronischen Platt-form vornimmt. Zwar werden sich hierdurchauch einige Veränderungen in den Formen derDiskussion und der Vermittlung ergeben, dieeigentliche Forschung wird aber wie bisher voneinzelnen Forschern an ihren jeweiligen Institu-ten durchgeführt werden (müssen). Die mittel-fristige Zielsetzung des Virtuellen Instituts fürBildwissenschaft besteht darin, eine zentraleAnlaufstelle zur Verfügung zu stellen, die einer-seits durch die Unterstützung von entsprechen-den Datenbanken und digitalen Ressourcengezielt umfassende Informationen bereitzustellenerlaubt und die andererseits eine möglichst unge-hinderte Kommunikation der beteiligten Bild-forscher ermöglicht. Der Aufbau der nötigenInfrastruktur wird sicherlich längere Zeit inAnspruch nehmen, doch schon jetzt bietet dasVIB Arbeitsgruppen die Möglichkeit, gemein-same Projekte online zu diskutieren. Zudem fun-giert es als ein Preprint-Forum zur gegenseitigenAbstimmung.

Die Projekte des Virtuellen Instituts für Bildwissenschaft (VIB)

Hiervon profitieren derzeit insbesondere dreiProjekte. Unter den Titel „Bildwissenschaftenund Bildwissenschaft“ haben sich zum einen dieForscher von mehr als 20 relevanten Disziplinenzusammengefunden, um sich über die für diejeweilige Disziplin spezifische Stellung derBildthematik auszutauschen. Auf diese Weise istintendiert, eine halbwegs umfassende Bestands-aufnahme für die weiteren grundlagentheoreti-schen Überlegungen zu schaffen und möglicheFormen der Arbeitsteilung zu reflektieren. /22/Zudem wird im VIB eine Studie zur Bedeutungund Funktion eines sehr spezifischen Gestal-tungsmittels in verschiedenen Filmgenres, näm-lich der ‚schrägen Kamera’, vorbereitet, in der

exemplarisch eine anwendungsbezogene Fra-gestellung auf dem Hintergrund der skizziertenKonzeption einer allgemeinen, interdisziplinärverfahrenden Bildwissenschaft bearbeitet wer-den soll. Im Herbst 2003 sollen die Ergebnissedieser Studien im Rahmen eines größeren Bild-kongresses der Öffentlichkeit vorgestellt werden.Ebenfalls einer speziellen Fragestellung gewid-met ist schließlich das „Atmosphärenprojekt“:Anhand von computervisualistischen Rekon-struktionen eines architektonischen Gesamt-kunstwerkes (des nur teilweise originalgetreuerhaltenen Hauses Behrens in Darmstadt) wirduntersucht, mit welchen Elementen in einercomputergraphischen Darstellung sich Präsenta-tionen bereitstellen lassen, die für eine kunstwis-senschaftliche Untersuchung der Gesamtwir-kung – der „Atmosphäre“ des Raumes, mög-lichst gut geeignet sind.

AUSBLICK

Die vorangegangenen Überlegungen lassensich von der Überzeugung leiten, dass es mög-lich ist, eine allgemeine Bildwissenschaft alsWissenschaft in einem strengeren Sinne zu eta-blieren. Hierzu wird als nötig erachtet, einengemeinsamen Theorierahmen zu entwickeln,der für die unterschiedlichen Disziplinen einintegratives Forschungsprogramm bereitzustel-len gestattet. Dies ist primär eine begrifflicheund insofern philosophische Aufgabe. Untereinem Theorierahmen ist ein Aussagengefüge zuverstehen, das die gemeinsamen Annahmen ver-schiedener Theorien zusammenfasst, indemgewissermaßen aus den relevanten bestehendenTheorien einige wesentliche Begriffe destilliertund in eine kohärente Struktur gebracht wur-den. Ein Theorierahmen ist folglich eine verall-gemeinerte, integrative Theorie, in derbestimmte Begriffe als zur Erforschung einesPhänomens wesentlich ausgezeichnet werden.Einen solchen Theorierahmen möchten wir mitder These, dass Bilder wahrnehmungsnahe Zei-chen sind, vorschlagen. Sie ist so konzipiert,dass sie einerseits den unterschiedlichen Bildbe-griffen Rechnung trägt und andererseits hinrei-chend Anknüpfungspunkte für die verschiede-nen disziplinspezifischen Zugangsweisen eröff-net. Diesen Theorierahmen im Einzelnen aus-zugestalten, wird ohne die Unterstützung derBildforscher der unterschiedlichen Disziplinennicht möglich sein. Insofern ist unser Vorschlagvor allem als Bitte um Mitarbeit und als Ange-bot zur Koordination zu verstehen.

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Bibliographische Hinweise/1/ siehe etwa Degele, Nina: Informiertes Wissen : eine Wissenssoziologie der computerisierten Gesellschaft, Frankfurt a.

M. u.a.: Campus-Verlag 2000 oder Wersig, Gernot: Die Komplexität der Informationsgesellschaft, Konstanz : Univ.-Verlag Konstanz 1996.

/2/ Kritische Beurteilungen finden sich etwa bei Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode, Frankfurt a. M.: Fischer1985 oder bei Buddemeier, Heinz: Illusion und Manipulation, Stuttgart: Urachhaus 1996; eine positive Bewertungliefert z. B. Flusser, Vilém: Ins Universum der technischen Bilder, Göttingen: European Photography 1985. Sieheauch Degele, Nina: Informiertes Wissen : eine Wissenssoziologie der computerisierten Gesellschaft, Frankfurt a. M.u.a.: Campus-Verlag 2000 oder Wersig, Gernot: Die Komplexität der Informationsgesellschaft, Konstanz : Univ.-Verlag Konstanz 1996.

/3/ siehe Sachs-Hombach, Klaus: Bildbegriff und Bildwissenschaft (kunst – gestaltung – design, Heft 8, hg. von D. Ger-hardus & S. Rompza), Saarbrücken: Verlag St. Johann 2001.

/4/ Gero von Randow erwähnt in der ZEIT vom 7. April 1995 (S. 49-50) noch lediglich den amerikanischen Ausdruck„imaging science“, im Folgejahr ist dann explizit von der „Wissenschaft vom Bild“ die Rede. Siehe Randow, G. v.:Die Wissenschaft von der visuellen Wende: Mit Macht tritt das Bild neben das Wort und die Zahl: Thema einerneuen Disziplin, der Visualistik, DIE ZEIT vom 6. 12. 1996, 53. – Gegenwärtig bestehen auch in der Kunstge-schichte intensive Bemühungen um konzeptionelle Fragen einer allgemeinen Bildwissenschaft. Vgl. etwa Huber,Hans Dieter & Kerscher, Gottfried (1998): Towards The Iconic Turn. Interview mit Horst Bredekamp, in: KritischeBerichte 26 (1), 85-93. Siehe auch Belting, Hans: Bildanthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München:Fink 2001.

/5/ Das Bildwissenschaftliches Kolloquium an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, hg. vom Rektorat derOtto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg 1995.

/6/ Schirra, J. R. Jörg & Sachs-Hombach, K.: Von Bildern und neuen Ingenieuren. Computervisualistik als Studienfach,in: Reinhard, U. & Schmid, U. (Hg.): Who Is Who in Multimedia Bildung 98, Whois-Verlag, Heidelberg, 1998,226-231; Schirra, J.R.J. & Strothotte Thomas: Von Bildern und neuen Ingenieuren: Aspekte des Studiengangs Com-putervisualistik. In: Dreß, A. & Jäger, G. (Hg.) Visualisierung in Kunst und Mathematik: Technik – Bilder – Visio-nen, Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg, 1998, 189-205; sowie Schirra, J.R.J.: A New Theme for Educating NewEngineers: Computational Visualistics, in: Global Journal of Engineering Education 4(1), 2000, 73-82.

/7/ siehe u. a. Schirra, J.R.J. & Scholz, Martin: Abstraction versus Realism: Not the Real Question. Kap.22 von Strot-hotte et al.: Computer Visualization – Graphics, Abstraction, and Interactivity, Heidelberg: Springer 1998, 379-401;Sachs-Hombach, K. & J.R.J. Schirra: Zur politischen Instrumentalisierbarkeit bildhafter Repräsentationen. Philoso-phische und psychologische Aspekte der Bildkommunikation, in: Hofmann, Wilhelm (Hg.): Die Sichtbarkeit derMacht. Theoretische und empirische Untersuchungen zur visuellen Politik, Baden-Baden: Nomos Verlag 1999, 28-39; Quaiser-Pohl, Claudia, Lehmann, Wolfgang & Schirra, J.R.J.: Sind Studentinnen der Computervisualistikbesonders gut in der Raumvorstellung? Psychologische Aspekte bei der Wahl des Studienfachs, in: FiffKo 18(3),2001, 42-46; Buchholz, Kai & Schirra, J.R.J.: Das Haus als Gesamtkunstwerk – eine Herausforderung an die Com-putervisualistik, in: Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bildhandeln – Interdisziplinäre Forschungen zur Pragmatik bildhafterDarstellungsformen, Magdeburg: Scriptum Verlag 2001, 241-268; Sachs-Hombach, K.: Interaktion und Entgren-zung. Aspekte des digitalen Bildes, in: Gerhardus, Dietfried (Hg.): Das entgrenzte Bild, Saarbrücken: Verlag St.Johann 2001, 73-76; Schirra, J.R.J. & Carl-McGrath, Stefan: Identifikationsformen in Computerspiel und Spielfilm,in: Strübel, M. (Hg.): Film und Krieg – Die Inszenierung von Politik zwischen Apologetik und Apokalypse, Leverku-sen: Leske & Budrich 2002, 149-163.

/8/ Sachs-Hombach, K. & Rehkämper, Klaus (Hg.): Bild – Bildwahrnehmung – Bildverarbeitung. InterdisziplinäreBeiträge zur Bildwissenschaft, Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag 1998 (Neuausgabe 2000).

/9/ Sachs-Hombach, K. & Rehkämper, K.: Aspekte und Probleme der bildwissenschaftlichen Forschung – Eine Stand-ortbestimmung, in: Sachs-Hombach, K. & Rehkämper, K. (Hg.): Bildgrammatik. Interdisziplinäre Forschungen zurSyntax bildhafter Darstellungsformen, Magdeburg: Scriptum Verlag 1999, 9-20.

/10/ Sachs-Hombach, K. & Rehkämper, K. (Hg.): Bildgrammatik. Interdisziplinäre Forschungen zur Syntax bildhafterDarstellungsformen (Reihe Bildwissenschaft, Bd. 1), Magdeburg: Scriptum Verlag 1999; Sachs-Hombach, K. &Rehkämper, K. (Hg.): Vom Realismus der Bilder. Interdisziplinäre Forschungen zur Semantik bildhafter Darstel-lungsformen (Reihe Bildwissenschaft, Bd. 2), Magdeburg: Scriptum Verlag 2000; Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bild-handeln. Interdisziplinäre Forschungen zur Pragmatik bildhafter Darstellungsformen (Reihe Bildwissenschaft, Bd. 3),Magdeburg: Scriptum Verlag 2001.

/11/ vgl. Sachs-Hombach, K.: Kann die semiotische Bildtheorie Grundlage einer allgemeinen Bildwissenschaft sein?, in:Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bildhandeln. Interdisziplinäre Forschungen zur Pragmatik bildhafter Darstellungsformen,Magdeburg: Scriptum Verlag 2001, 7-25.

/12/ vgl. etwa Lakoff, George: Women, Fire, and Dangerous Things – What Categories Reveal about the Mind, Chicago:University Press 1987, 444.

/13/ siehe Searle, John R.: Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1983./14/ Ein Ansatz zur Integration von Gegenstandswahrnehmung und Sprachverwendung, wie er insbesondere der Rede

von mentalen Bildern zugrunde liegt, wird vorgestellt in: Schirra, J.R.J. (1995): Understanding Radio Broadcasts OnSoccer: The Concept ‘Mental Image’ and Its Use in Spatial Reasoning, in: Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bilder im Gei-ste. Zur kognitiven und erkenntnistheoretischen Funktion piktorialer Repräsentationen, Amsterdam: Rodopi, 107-136.

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/15/ siehe etwa Pirenne, Henri: Optics, Painting and Photography, Cambridge 1970./16/ siehe Gombrich, Ernst H.: Bild und Auge. Neue Studien zur Psychologie der bildlichen Darstellung, Stuttgart:

Klett-Cotta, 1984, 16 ff./17/ siehe die klassische Kritik bei Goodman, Nelson: Languages of Art. An Approach to a Theory of Symbols. Indiana-

polis: Hackett Publishing Company 1968; vgl. auch die detailliertere Analyse von Scholz, Oliver R.: Bild, Darstel-lung, Zeichen. Philosophische Theorien bildhafter Darstellung, Freiburg / München: Alber 1991.

/18/ siehe Sachs-Hombach. K.: Ähnlichkeit als kulturelles Phänomen, in: Sachs-Hombach. K. & Rehkämper. K. (Hg.):Vom Realismus der Bilder, Magdeburg: Scriptum 2000, 89-106.

/19/ Schirra, J.R.J.: Täuschung, Ähnlichkeit und Immersion: Die Vögel des Zeuxis, in: Sachs-Hombach, K. & Rehkäm-per, K. (Hg.): Vom Realismus der Bilder. Interdisziplinäre Forschungen zur Semantik bildhafter Darstellungsfor-men, Magdeburg: Scriptum 2000, 119-135; sowie Schirra, J.R.J.: Bilder – Kontextbilder, in: Sachs-Hombach, K.(Hg.): Bildhandeln – Interdisziplinäre Forschungen zur Pragmatik bildhafter Darstellungsformen, Magdeburg:Scriptum 2001, 77-100.

/20/ Sachs-Hombach, K. (Hg.): Was ist Bildkompetenz? (Reihe Bildwissenschaft, Bd. 10), im Druck./21/ Sachs-Hombach, K. & Schirra, J.R.J.: Computervisualistik als angewandte Bildwissenschaft, in: Hess-Lüttich, Ernst

W. B.: Medien, Texte und Maschinen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2001, 117-137./22/ Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bildwissenschaften und Bildwissenschaft, in Vorbereitung.

Dr. phil. Klaus Sachs-Hombach,Jahrgang 1957; Studium der Philosophie, Psychologie und Germanistik in Münster; Promotion1990, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg; in den Jahren 1993 und 1994 Forschungsaufenthalte in Oxford und amMIT in Cambridge; seit 1997 im Rahmen der Interdisziplinären Forschungsstelle für Computer-visualistik tätig.Forschungsschwerpunkte: Zeichen- und Bildtheorien, philosophische Probleme der Psychologieund Kognitionswissenschaft, Fragen der angewandten Ethik und soziomoralischen Entwicklung.Thematisch wichtige Veröffentlichungen: Philosophische Psychologie im 19. Jahrhundert, Frei-burg/ München: Alber 1993; Ähnlichkeit als kulturelles Phänomen, in: Sachs-Hombach. K. &Rehkämper. K. (Hg.): Vom Realismus der Bilder, Magdeburg: Scriptum, 2000; Bild und Prädika-tion, in: Klaus Sachs-Hombach (Hg.): Bildhandeln. Interdisziplinäre Forschungen zur Pragmatikbildhafter Darstellungsformen, Magdeburg: Scriptum 2001; Bildbegriff und Bildwissenschaft(kunst – gestaltung – design, Heft 8, hg. von D. Gerhardus & S. Rompza), Saarbrücken: VerlagSt. Johann 2001.

Dr. rer. nat. Jörg R. J. Schirra,Jahrgang 1960; Studium der Informatik, Physik, Psychologie und Philosophie an der Universitätdes Saarlandes; Promotion 1994; Forschungsaufenthalt am International Computer ScienceInstitute in Berkeley 1994/95; seit 1996 wissenschaftlicher Assistent am Institut für Simulationund Graphik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg; dort beteiligt an der Einrichtungund Organisation des Diplomstudiengangs Computervisualistik.Forschungsschwerpunkte: Handlungstheoretische Bildtheorien in der Computervisualistik,Computerspiele als Thema von Technologie und Reflexion.Thematisch wichtige Veröffentlichungen: Bildbeschreibung als Verbindung von visuellem undsprachlichem Raum., St. Augustin: Infix 1994; A New Theme for Educating New Engineers:Computational Visualistics, in: Global Journal of Engineering Education 4 (1), 2000; Bilder – Kon-textbilder, in: Sachs-Hombach, K. (Hg.): Bildhandeln. Interdisziplinäre Forschungen zur Prag-matik bildhafter Darstellungsformen, Magdeburg: Scriptum 2001.

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