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Manfred Kirchgeorg, Christiane Springer, Christian Brühe Live Communication Management Ein strategischer Leitfaden zur Konzeption, Umsetzung und Erfolgskontrolle

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Manfred Kirchgeorg, Christiane Springer, Christian Brühe

Live Communication Management

Ein strategischer Leitfaden zur Konzeption,

Umsetzung und Erfolgskontrolle

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Manfred Kirchgeorg

Christiane Springer

Christian Brühe

Live Communication ManagementEin strategischer Leitfaden zur Konzeption,

Umsetzung und Erfolgskontrolle

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketingmanagement

an der Handelshochschule Leipzig.

Dr. Christiane Springer ist Geschäftsführerin der Leipzig School of Media gGmbH.

Christian Brühe ist Group CEO von Uniplan GmbH & Co. KG, einer der führenden

Agenturen für Live Communication.

1. Auflage 2009

Alle Rechte vorbehalten

© Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009

Lektorat: Barbara Roscher | Jutta Hinrichsen

Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science + Business Media.

www.gabler.de

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dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als

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Satz: Anja Grimm Gestaltung, Hamburg

Druck und buchbinderische Verarbeitung: Druckerei Stürtz GmbH, Würzburg

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany

ISBN 978-3-8349-1025-7

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Geleitwort

Die Markenkommunikation steht angesichts des sich abzeichnenden Paradigmenwechsels

vor erheblichen Herausforderungen. Die Einwegkommunikation ist auf dem Rückzug und

wird durch Instrumente der Dialogkommunikation ergänzt oder abgelöst. Ein vielfältiges

Spektrum neuer Interaktionsformen zwischen Kunden, Anspruchsgruppen und Unterneh-

men hat sich im letzten Jahrzehnt entwickelt.

Ein Blick auf die Verteilung der Kommunikationsbudgets belegt, dass immer mehr Unter-

nehmen in die Dialogkommunikation investieren. Neben den neuen Medien haben dabei

Messen und Events einen festen Platz im Kommunikations-Mix vieler Unternehmen. Diese

Instrumente zählen neben Brand Lands, Showrooms, Roadshows bis hin zu Hauptversamm-

lungen zur Kategorie der Live Communication, bei der die direkte Begegnung zwischen

Kunden und Unternehmen bzw. Marke in einem emotional gestalteten Umfeld im Mittel-

punkt steht. Wenngleich ein Großteil dieser Instrumente bereits auf eine lange Tradition

zurückblicken kann, so haben sich die Wissenschaft und Praxis mit der systematischen

Planung, Umsetzung und Kontrolle der Live Communication bisher nur nachlässig aus-

einandergesetzt. Dieser Sachverhalt steht allerdings im Widerspruch zur Bedeutung, die

diesen Instrumenten gemessen am Kommunikationsbudget in der Wirtschaftspraxis zuteil

wird.

Somit ist es verdienstvoll, dass sich die Autoren in systematischer Weise mit der Planung die-

ser modernen Kommunikationsinstrumente auseinandersetzen. Aus einer entscheidungs-

und managementorientierten Sicht betonen sie die Notwendigkeit der Professionalisierung

der Live Communication in der Unternehmenspraxis – angefangen von der Wettbewerbs-

und Zielgruppenanalyse über die Festlegung operationaler Kommunikationsziele und -stra-

tegien bis hin zur Umsetzung, Kontrolle und organisatorischen Einbindung. Durch eine Viel-

zahl von empirischen Befunden wird die Entwicklung und der Stellenwert der Live Communi-

cation im Marken- und Kommunikationsmanagement aufgezeigt. Auf der Grundlage dieses

Spiegelbilds der Kommunikationsrealität ist es den Autoren möglich, branchenspezifische

Benchmarks wie auch Professionalisierungslücken in der Live Communication auszumachen.

Abgerundet werden die empirischen und konzeptionellen Überlegungen durch Stellung-

nahmen und Würdigungen renommierter Experten aus Wissenschaft und Praxis.

Wenngleich die Autoren in ihrer Betrachtung den Fokus auf die Live Communication richten,

so lassen sie keinen Zweifel daran, dass diese erst durch die intelligente und synergetische

Einbindung in den Kommunikations-Mix besondere Wirkungen entfaltet. Dabei werden

verschiedene Wege der Integration aufgezeigt. Die Autoren betonen, dass eine erfolgreiche

Live Communication immer auch eine gewisse Unternehmenskultur erfordert, die im Kern

eine kunden- und marktorientierte Unternehmensführung voraussetzt.

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Das vorliegende Werk liefert einen systematischen konzeptionellen Leitfaden für die Profes-

sionalisierung der Live Communication. Es richtet sich somit an die Zielgruppe der Prak-

tiker, die diese Instrumente im Rahmen ihrer Kommunikationskonzepte einsetzen werden

und Agenturdienstleister, die die Planung und Umsetzung von Live Com-Konzepten be-

g leiten. Es zielt aber auch auf jene Führungskräfte ab, die in die Planung, Budgetierung und

Kontrolle von Live Com-Konzepten aus anderen Unternehmensfunktionen einbezogen wer-

den und ein hinreichendes Verständnis für diese Kommunikationsinstrumente mitbringen

müssen. Gleichermaßen profitieren Studierende mit dem Schwerpunkt Marketing- oder Kom-

munikationsmanagement von der entscheidungsorientierten Aufbereitung der Thematik.

Nicht zuletzt liefert dieses Werk auch eine Reihe von Anregungen für Forscher, sich den

viel fältigen Fragestellungen der Ausgestaltung und Wirkung von Live Com-Konzepten zu-

künftig verstärkt zu widmen.

In diesem Sinne stellt das Werk einen wertvollen Beitrag zur sachgerechten Beurteilung

und erfolgreichen Gestaltung der Live Communication als attraktive Kommunikationsform

dar. Insofern empfehle ich der einschlägigen Zielgruppe das Werk als Pflichtlektüre.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert

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Vorwort

Im kommenden Jahrzehnt werden wir einen grundlegenden Wandel in der Kommunikati-

onslandschaft beobachten. Die Bastion der klassischen Kommunikation wird von den neuen

digitalen Medien erstürmt. Die Diskussion um das Leitmedium der Zukunft bewegt viele

Gemüter. Ein Blick auf die Kommunikationsbudgets lässt jedoch erkennen, dass ein Budget-

shift von der klassischen Kommunikation zur Virtual und Live Communication stattfindet.

Die Live Communication vereint in einigen Branchen sogar den dominanten Anteil am Ge-

samtbudget. Live Communication umfasst die persönliche, direkte, interaktive Begegnung

und das aktive Erlebnis der Zielgruppe mit einem Unternehmen und seiner Marke in einem

inszenierten und häufig emotional ansprechenden Umfeld zur Erzeugung einzigartiger und

nachhaltiger Erinnerungen. Auf diese Weise kann die Live Communication als ein „Kon-

zeptionsdach“ verschiedener Kommunikationsinstrumente verstanden werden, zu denen

insbesondere Messen, Events, Showrooms und Brand Lands zählen, wobei weitergehend

eine Vielzahl von Ausgestaltungsformen innerhalb der einzelnen Instrumentekategorien

unterschieden werden kann.

Die Motivation der Autoren, das vorliegende Werk zu verfassen, liegt einerseits in der feh-

lenden Professionalisierung der Live Communication begründet. Es besteht eine eklatante

Lücke zwischen der Bedeutung der Live Communication in der Wirtschaftspraxis und dem

Professionalisierungsgrad ihrer Planungen, Umsetzung und Kontrolle. Dies mag nicht zu-

letzt auch daran liegen, dass die Live Communication in der Literatur, Wissenschaft wie

auch Lehre bisher stiefmütterlich behandelt wurde. Wie kann die Professionalisierung der

Live Communication voranschreiten, wenn ihr bei der Ausbildung von Führungskräften

und Kommunikationsexperten keine gebührende Beachtung zuteil wird? Nicht zuletzt vor

diesem Hintergrund haben sich die Autoren zusammengefunden, um die Lücke zwischen

Anspruch und Wirklichkeit zu schließen. Der Lehrstuhl Marketingmanagement an der Han-

delshochschule Leipzig befasst sich in seinen Forschungen mit Problemstellungen der Mar-

kenführung und Live Communication. Uniplan gehört zu den führenden Agenturen der Live

Communication, sodass eine symbiotische Verknüpfung der Kompetenzen beider Institu-

tionen nahelag.

Bereits seit 2004 betreiben Uniplan und der Lehrstuhl für Marketingmanagement eine ge-

meinsame Forschungsstelle für Live Communication. Ziel der gemeinsamen Aktivitäten

ist es, die im Vergleich zur klassischen Kommunikation noch junge Disziplin der Live Com-

munication weiter zu professionalisieren und dabei Theorie und Praxis eng miteinander

zu verzahnen. Die Fragestellungen der hierbei jährlich durchgeführten Studie „Uniplan

LiveTrends“ werden mit einem Expertenkreis aus der Unternehmenspraxis entwickelt. Die

Ergebnisse der Befragung von 400 Marketing- und Unternehmenskommunikationsleitern

erscheinen in diesem Jahr in sechster Auflage im Herbst. Die bisher durchgeführten For-

schungsprojekte und empirischen Studien belegen eindeutig den fundamentalen Wandel

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in der Markenkommunikation. Die virtuelle Kommunikation gewinnt an Bedeutung, und

neue Formen der Live Communication ergänzen bzw. ersetzen die bisherigen Instrumen-

te im Kommunikations-Mix. Dadurch erlangt die systematische Planung, Umsetzung und

Kontrolle von Messen, Events und Brand Lands einen herausragenden Stellenwert.

Das vorliegende Werk beschäftigt sich deshalb einleitend mit den neuen kommunikativen

Herausforderungen und dem Paradigmenwechsel von der klassischen Kommunikation hin

zur Live und Virtual Communication. Anschließend werden im Rahmen des management-

orientierten Ansatzes die einzelnen Live Com-Prozessschritte dargestellt – von der Situati-

onsanalyse, über die Festlegung von Live Com-Zielen, bis zur Ableitung von Strategien und

der Ausgestaltung einzelner Live Com-Instrumente sowie ihrer Umsetzung und Erfolgskon-

trolle. Mit Blick auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie die praktischen Erfahrungen

werden Lösungsansätze zum Live Com-Management vorgestellt. Interviews mit hochkarä-

tigen Expertenvertretern und konkrete Case-Beschreibungen verdeutlichen die Vorgehens-

weisen und Resultate. Ergänzend liefern verschiedene empirische Untersuchungen – u. a. die

seit 2003 jährlich durchgeführten, branchenübergreifenden Uniplan LiveTrends-Studien –

interessante Benchmark-Informationen. Abschließend werden die Potenziale der Live Com-

munication analysiert und Handlungsoptionen zum optimalen Einsatz der Live Com-In-

strumente konkretisiert.

„Live Communication Management“ wendet sich demzufolge an Führungskräfte aus Mar-

keting, Vertrieb, Kommunikation und PR in Unternehmen sowie an Beratungsunternehmen

und Agenturen. Studierende, die sich intensiver mit neuen Kommunikationsformen aus-

einandersetzen möchten, erhalten einen systematischen Einblick in die Entwicklung und

Umsetzung von Live Com-Konzepten. Dem Leser dieses Werkes stehen auch aktuelle Infor-

mationen zum Live Com-Management auf unserer Internetseite www.live-communication-

management.com zur Verfügung. Wenn Sie den Kontakt zu uns aufnehmen wollen, so finden

Sie auf dieser Webseite entsprechende Informationen.

Zum Gelingen der vorliegenden Schrift haben zahlreiche Personen und Institutionen einen

erheblichen Beitrag geleistet. Daher möchten wir uns an dieser Stelle bei allen Beteiligten

recht herzlich bedanken. Unser besonderer Dank gilt zunächst den Experten, die uns für

die spezifischen Fach- und Themengebiete des Live Com-Managements mit Interviews ver-

tiefende Einblicke und Einschätzungen gegeben haben. Namentlich hervorheben möchten

wir an dieser Stelle Prof. Dr. h.c. Roland Berger von Roland Berger Strategy Consultants,

Prof. Dr. Manfred Bruhn von der Universität Basel, Prof. Dr. Christoph Burmann von der

Universität Bremen, Prof. Dr. H. Dieter Dahlhoff von der Universität Kassel, Thomas Gries

von der Coca-Cola GmbH, Thomas Grimm vom Zweiten Deutschen Fernsehen, Dagobert

Hartmann von der Uniplan GmbH & Co. KG, Udo Klein-Bölting von der BBDO Consulting

GmbH, Oliver P. Kuhrt von der Koelnmesse GmbH, Dr. Peter Neven vom AUMA Ausstel-

lungs- und Messeausschuss der deutschen Wirtschaft e. V., Dr. Jesko Perrey von McKinsey &

Company, Inc., Willi Schalk und den Beiratsmitgliedern der „Radiate Experience“, die zur

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Omnicom-Gruppe gehört, Hartmut Scheffler von der TNS Infratest Holding GmbH & Co. KG,

Dr. StefanWachtel von ExpertExecutive, Prof. Peter Wippermann vom Trendbüro – Beratungs-

unternehmen für gesellschaftlichen Wandel GmbH, Prof. Dr. Cornelia Zanger von der Tech-

nischen Universität Chemnitz und Prof. Dr. Ansgar Zerfaß von der Universität Leipzig. In

das Werk sind umfangreiche empirische Analysen eingeflossen. Bei der Konzeption der

Studien stand uns Dagobert Hartmann als fachlicher Sparringspartner mit Rat und Tat zur

Verfügung. Hierfür gilt unser besonderer Dank.

Bei der Endredaktion haben uns Tanja Vatterodt, Nadine Horbas und Evelyn Kästner in be-

sonderer Weise unterstützt. Für die umfangreichen Layoutarbeiten danken wir dem 2erpack

Team, bestehend aus Behruz Tschaitschian, Hannes Mussbach und Anja Grimm.

Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Lektüre!

Leipzig und Köln, im September 2009

Manfred Kirchgeorg

Christiane Springer

Christian Brühe

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Inhaltsverzeichnis

Geleitwort Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel 1.1 „ 50% des Budgets werden aus dem Fenster hinausgeworfen!“

oder: Die ewige Suche nach dem optimalen Kommunikations-Mix 1.2 Kommunikation – ein Blick in die Historie 1.3 Definitorische Abgrenzung der Live Communication 1.4 Besonderheiten der Live Communication 1.5 Stellenwert der Live Communication im Kommunikations-Mix 1.6 Problemfelder in der Live Communication

2. Konzept einer wirkungsvollen Live Communication 2.1 „ Coca-Cola – nur dunkle Limonade?“

oder: Was andere von der großen Verführung lernen können 2.2 Prozess der Planung und Umsetzung von Live Communication 2.3 Analyse der Situation 2.3.1 Elemente und Schlüsselfragen der Situationsanalyse 2.3.2 Überblick zu empirischen Studien der Live Communication 2.3.3 Design und Methode der LiveTrends-Studien 2.4 Identifikation von Zielgruppen 2.4.1 Bedeutung und Abgrenzung der Zielgruppen 2.4.2 Segmentierung der Zielgruppen 2.5 Festlegung von messbaren Zielen 2.6 Ableitung der Live Com-Strategien 2.7 Verteilung des Live Com-Budgets 2.8 Konzeption und Kreation der Live Communication

3. Gestaltung und Implementierung des Live Com-Mix 3.1 Instrumente der Live Communication 3.2 Messen und Ausstellungen 3.2.1 Kennzeichnung und Bedeutung 3.2.2 Planung und Umsetzung 3.2.3 Generelle Beurteilung der Wirkung 3.3 Brand Lands und Showrooms 3.3.1 Kennzeichnung und Bedeutung 3.3.2 Planung und Umsetzung

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3.3.3 Generelle Beurteilung der Wirkung 3.4 Events und Roadshows 3.4.1 Kennzeichnung und Bedeutung 3.4.2 Planung und Umsetzung 3.4.3 Generelle Beurteilung der Wirkung 3.5 Sonderformen der Live Communication 3.5.1 Mega-Events 3.5.2 Hauptversammlungen

4. Organisation und Umsetzung der Live Communication 4.1 Organisatorische Anforderungen 4.1.1 Integrationserfordernis der Live Communication 4.1.2 Organisatorische interne Verantwortlichkeiten der Live Communication 4.1.3 Live Communication in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern 4.2 Besonderheiten der Live Communication auf internationalen Märkten

5. Wirkung der Live Communication in der Umsetzung 5.1 „ Unsere Marke steht für …?“ oder:

Die unausgeschöpften Potenziale der Live Communication 5.2 Schwierigkeiten der Wirkungsmessung 5.3 Empirische Erkenntnisse zur Erfolgskontrolle der Live Communication 5.4 Effektivität und Effizienz der Live Com-Instrumente im

Kommunikations-Mix 5.4.1 Allgemeine Bewertung 5.4.2 Phasenspezifische Bewertung 5.4.3 Ansatzpunkte zur Verbesserung der Effektivität und Effizienz der

Live Communication aus Sicht von Entscheidungsträgern 5.5 Systematische Erfolgskontrolle in der Live Communication 5.5.1 Schritte der Erfolgskontrolle 5.5.2 Wirkungsstufen der Live Communication 5.5.3 Erfolgsbeurteilung in der Live Communication

6. Zukunftsherausforderungen des Live Com-Managements

Anhang Empirische Live Com-Studien in Deutschland

Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

AG Aktiengesellschaft

AIEST Association Internationale d’Experts Scientifiques du Tourisme

AktG Aktiengestz

AUMA Ausstellungs- und Messeausschuss der deutschen Wirtschaft e. V.

a. M. am Main

Aufl. Auflage

BCG Boston Consulting Group

Bd. Band

BIE Bureau International des Expositions

BMW Bayrische Mototren Werke AG

bspw. beispielsweise

bzw. beziehungsweise

ca. circa

CD Corporate Design

CEO Chief Executive Officer

Co. Compagnie

CRM Customer Relationship Management

D Deutschland

DAI Deutsches Aktieninstitut e. V

DAX Deutscher Aktienindex

DFB Deutscher Fussball-Bund e. V.

d. h. das heißt

DIRK Deutscher Investor Relations Kreis

EACA European Association of Communications Agencies

e. V. eingetragener Verein

et al. et alii, et alia, et alteri

EM Europameisterschaft

EstG Einkommenssteuergesetz

etc et cetera

EU Europäische Union

EVA Event Award

f., ff. folgende, fortfolgende

FAMAB Verband direkte Wirtschaftskommuniaktion e. V.

FIA Fédération Internationale de l‘Automobile

FIFA Fédération Internationale de Football Association

FKM Gesellschaft zur freiwilligen Kontrolle von Messe- und Austellungszahlen

FME Forum Marketing-Eventagenturen

GB Großbritannien

ggf. gegebenenfalls

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GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GWA Gesamtverband Kommunikationsagenturen

ha Hektar

HGB Handelsgesetzbuch

HHL Handelshochschule Leipzig

Hrsg. Herausgeber

I Italien

i. A. in Anlehnung

ICT Information and Communication Technology

i. d. R. in der Regel

IFRS International Financial Reporting Standards

IOC International Olympic Committee

IPTV Internet Protocol Television

IR Investor Relations

IT Information Technology

Jg. Jahrgang

Jh. Jahrhundert

Kap. Kapitel

km Kilometer

lat. lateinisch

Live Com Live Communication

mind. mindestens

Mio. Millionen

Mrd. Milliarden

m Meter

m2 Quadratmeter

n. Chr. nach Christus

No. Number

Nr. Nummer

o. ä. oder ähnliches

POE Point of Experience

POS Point of Sales

POR Points of Relevance

PR Public Relations

PWC PricewaterhouseCoopers

ROI Return of Investment

S. Seite

SMS Short Message Service

Sp. Spalte

SRM Stakeholder Relationship Management

StGB Strafgesetzbuch

SWOT Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats

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TV Television

u. a. unter anderem

UFI Union des Foires Internationales

URL Uniform Resource Locator (Internetadresse)

US United States

USA Vereinigte Staaten von Amerika

usw. und so weiter

vgl. vergleiche

Vol. Volume

vs. versus

VW Volkswagen

WAP Wireless Application Protocol

WM Weltmeisterschaft

www World Wide Web

z. B. zum Beispiel

ZDF Zweites Deutsches Fernsehen

z. T. zum Teil

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Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

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1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

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1.1 „50 % des Budgets werden aus dem Fenster hinausgeworfen!“ oder: Die ewige Suche nach dem optimalen Kommunika tions -Mix

Dem Vorstandssitzungsprotokoll eines international führenden Unternehmens für Haut-

und Schönheitspflege ist zum Tagungsordnungspunkt „Kommunikationskonzept für das

nächste Geschäftsjahr“ Folgendes zu entnehmen:

„ […] Das Budget wird für das kommende Geschäftsjahr vorgestellt: Gesamtbudget

42 Mio. Euro, davon 15 Mio. Euro für den Heimatmarkt und 27 Mio. Euro für die

Auslandsmärkte. Für die globale Dachmarkenkampagne wird das Budget aufgrund

des Umsatzwachstums der Auslandsmärkte um 10 % erhöht, im Heimatmarkt er-

folgt hingegen keine Erhöhung.

[…] Das Vorstandsmitglied für den Bereich Marken stellt den geplanten Budget-

s hift von der klassischen Werbung hin zur Online- und Live Communication

vor. Grund hierfür ist die Notwendigkeit, die Budgetprioritäten angesichts der

rückläufigen Reichweite bei Print und TV und der besonderen Kundenstruktur

des Unternehmens mit 82 % Stammkunden neu zu verteilen. Insbesondere das

Thema Kundennähe sei bei der Stammkundenpflege ausschlaggebend. Der per-

sönliche Dialog und ein „Mehr“ an Services dürften nicht vernachlässigt werden.

[…] Im Hinblick auf den geplanten Budgetshift von der klassischen Werbung hin

zum Online-Medium fordert das Vorstandsmitglied für den Bereich Finance eine

Aufstockung des Budgets, da die Betreuung des Internetauftrittes in diesen Be-

reich falle und anstehende Investitionen in ICT-Lösungen und Software berück-

sichtigt werden müssten.

[…] Das Vorstandsmitglied für den Bereich Produktentwicklung kündigt eine Pro -

dukteinführung an. Zum erfolgreichen Auftakt auf dem Heimatmarkt sei daher die

Aufstockung des Kommunikationsbudgets erforderlich.

[…] Das Vorstandsmitglied für den Bereich Finance hinterfragt, warum Events zur

Produkteinführung lediglich für den Heimatmarkt geplant werden. Viel mehr Impact

sei doch in den Wachstumsmärkten, wie z. B. China, Russland, Brasilien und Indien,

zu erwarten. Gleichzeitig sehe er die Chance, mit neuen Showrooms die Verbraucher-

wünsche in frequenzstarken Regionen wie Shanghai besser zu erfüllen und „Mar-

kenerlebnisse zum Anfassen“ zu schaffen. Des Weiteren kritisiert er die steigenden

Kommunikationsausgaben und die seiner Meinung nach zu kurzfristig greifenden

Kampagnen. Er fordert, den Erfolg einzelner Kommunikationsinstrumente – sei es

das klassische Werbeengagement, eine Messebeteiligung oder aber eine Eventinsze-

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„50 % des Budgets werden aus dem Fenster hinausgeworfen!“ 1.1

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nierung – zu prüfen, bevor die jeweiligen Kommunikationskonzepte abgesegnet

werden. Aus bisherigen Erfahrungen wisse man schließlich, dass mindestens 50 %

des Budgets „aus dem Fenster hinausgeworfen“ würden.

[…] Der Vorstandsvorsitzende betont die Wichtigkeit der Beteiligung an Leitmessen.

Im Hinblick auf die 100-jährige Firmengeschichte und eine heute weltweit starke

Präsenz mit führenden Marken könne die Teilnahme an diesen Messen nicht zur

Disposition gestellt werden und einem kurzfristigen Effizienzgedanken zum Opfer

fallen.

[…] Der Vorstandsvorsitzende vertagt die Entscheidung über die Genehmigung

des Kommunikationsbudgets und -konzeptes auf die nächste Sitzung. Sämtliche

offenen Punkte und Fragen werden bis dahin durch das Vorstandsmitglied des

Bereiches Marken geklärt.“

Dieser Auszug repräsentiert eine typische Diskussion der Verantwortlichen, die in einer Viel-

zahl von Unter nehmen in ähnlicher Form geführt wird. Sie wirft eine Reihe von Fragen auf, die

auf typische Problemfelder bei der professionellen Kommunika tions planung hinweisen:

Warum wird das Umsatzwachstum als Maßstab für das Kommunikationsbudget —genommen? Werden hier nicht Ursache und Wirkung miteinander verwechselt?

Warum stoßen traditionelle Kommunikationsinstrumente bei der Neukunden-—gewinnung und Kundenbindung an ihre Grenzen?

Warum liegt die Verantwortung für die Ausgestaltung von Internetauftritten und —CRM-Systemen bei der IT- und nicht bei der Marketingabteilung?

Warum sind Koordinationsprobleme zwischen den Abteilungen der Neupro dukt-—entwicklung und des Marketing aufgetreten?

Welche Vorteile bieten die oben zitierten Instrumente der Live Communication —und Virtual Commu nication tatsächlich?

Entfalten sie ihre Wirkungen in allen Phasen der Kundenbeziehung?—

Mit welcher Dosierung sind die verschiedenen Kommunikationsformen in ein —effizientes Gesamt portfolio der integrierten Kommunikation einzu beziehen?

Die Liste dieser Fragen könnte mühelos verlängert werden. Eines wird bereits an dieser

Stelle deutlich: Die Ent wicklung und Umsetzung erfolgreicher Kommunika tions konzepte

hat angesichts der zunehmenden Frag mentierung der Medien und des steigenden Wettbe-

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1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

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werbsdrucks erheblich an Komplexität gewonnen. Virtuelle Kom mu ni kationsinstrumente

übernehmen mehr und mehr Funktionen der traditionellen Werbung und bereichern sie

um interaktive Elemente. Die Einweg kommunikation wird durch virtuelle Interaktionen

in Form von Blogs oder Communities abgelöst. Es zeichnet sich ein fundamentaler Para-

digmenwechsel in der Marken- und Unternehmenskommunikation ab. Die „Leitmedien-

Bastion“ der klassischen Werbe medien erodiert.

Aber wie steht es in diesen Zeiten des Wandels um jene Kommunikationsformen, für die

persönliche Dialoge und Begegnungen zwischen Kunden und Verkäufer prägend sind?

Messen, Events und Brand Lands gehören weder zur Kategorie der klassischen Werbung

noch zu den virtuellen Werbewelten. Beobachtet man die Zusammensetzung der Kom-

munikationsbudgets von Unternehmen in verschiedenen Branchen, so entfällt auf diese

Instrumente ein erheblicher Anteil des Gesamtbudgets. Die so genannten Instrumente

der Live Communication erlangen ebenso wie die virtuelle Kommunikation einen Be-

deutungszuwachs. High Tech und High Touch scheinen eine wirkungsvolle Kommu ni ka-

tions symbiose einzugehen.

Angesicht der realen Bedeutung der Live Communication ist es erstaunlich, dass diese In-

strumente in der Literatur weitgehend stiefmütterlich behandelt werden. Deshalb ist es ein

Anliegen des vorliegenden Buches, sich mit der professionellen Planung, Umsetzung und

Kontrolle der Live Communication auseinanderzusetzen.

1.2 Kommunikation – ein Blick in die Historie

Angesichts des enormen Einflusses der Kommunikationstechnologien auf die Infor ma-

tions - und Wissens gesellschaft wird mit Beginn des neuen Jahrtausends auch vom Zeit-

alter der „totalen Kommunikation“ (Europäische Kommission, 2002, S. 8) gesprochen.

Diese Metapher lässt erahnen, dass damit einhergehend die Marken- und Unternehmens-

kom munikation vor gravierenden Herausforderungen steht, die Chancen wie auch Risiken

bedingen. Grundsätzlich erscheint ein Blick in die Historie der Kommunikation erkennt-

nisreich, den bisherigen Stellenwert verschiedener Kommunikationsformen und speziell

die Bedeutung der Live Commu nication tiefergehend zu beleuchten.

Der direkte persönliche Dialog zwischen Menschen zählt nicht nur zu den Wurzeln der

Live Communication, sondern er begründet auch den Ursprung der menschlichen Kommu-

nikation überhaupt. Karl Jaspers (1883–1969) sieht hierin sogar ein konstitutives Merkmal

des Menschen. Er betont: „Dass wir miteinander reden können, macht uns zu Menschen.“

Das Zitat des Dichters Franz Werfel (1890–1945) kann hier nahtlos angefügt werden: „Leben

heißt sich mitteilen“. Der persönliche Dialog mit Hilfe der Sprache prägte demzufolge die

gesellschaftliche Entwicklung in der Ver gangenheit in hohem Maße. Auch wenn die Entste-

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hungsgeschichte der Sprache bisher nur lückenhaft rekonstruiert werden konnte, ist es un-

strittig, dass die Menschen seit jeher miteinander kommuniziert haben. Die Sprache diente

der Selbst darstellung und Beziehungsgestaltung (vgl. Ebert/Piewinger, 2007, S. 205 ff.). Erst

durch die verbale Kombination von Dutzenden Lautäußerungen und der Abstraktion von

For mu lierungen konnten unendlich viele Bedeutungen ausgetauscht werden. Da mit wurde

es möglich, den persönlichen Dialog zum Zwecke der genauen Ab stimmung des Denkens

und Verhaltens zu perfek tionieren. Größere Entfernungen der auf Sprache basierten Kom-

munikation konnten jedoch nicht ohne Hilfsmittel über wunden werden. Aber der Mensch

war stets bestrebt, seine kommunikativen Potenziale auszubauen.

So war es dem griechischen Heerführer Agamemnon bereits 1184 vor Christi Geburt

möglich, eine Nachricht vom Fall Trojas innerhalb kürzester Zeit durch eine Kette von

Signalfeuern über 800 km weit zu schicken. Diese Art der Kommunikation wurde

später von den Römern perfektioniert, die Hunderte von so genannten Rauchtürmen

bzw. Rauchtelegrafen nutzten, um ein umfassendes Nachrichtennetz zu errichten.

Dieses historische Beispiel verdeutlicht die Anfänge der Übermittlung von Infor mationen

über größere Distanzen. Im Laufe der letzten Jahrhunderte sind schrittweise viele weite-

re Errungenschaften von Medien formen hinzu gekommen, die der menschlichen Kom-

munikation kaum noch Grenzen setzen. Der Begriff Medium kennzeichnet in diesem

Zusammenhang die jeweilige Vermittlungsform bzw. den Träger von Infor mationen, die

zwischen Sender und Empfänger ausgetauscht werden. Die Abbildung 1 vermittelt einen

Überblick über die wichtigsten Entwicklungsstufen der Medienformen.

Abbildung 1. Entwicklungsstufen von Medienformen (seit dem 15. Jh.); (Quelle: i. A. Merten, 1994; Rogers, 1986)

Kommunikation – ein Blick in die Historie 1.2

Bu

chd

ruck

Zei

tun

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Tel

egra

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Mas

senp

ress

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ZeitSprach-ursprung

1500 1600 1700 1800 1900 2000

Periode der Druckmedien

Periode der Telekommunikation

Periode der inter-aktiven Medien

∑ R

elat

ive

Bed

eutu

ng Kommunikation

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1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

6

In allen Epochen wurde die Medienentwicklung maßgeblich durch die gesellschaft lichen

Herausforderungen mitbestimmt. Die Entwicklungsfähigkeit einer Gesellschaft ist in Ab-

hängigkeit von den Möglichkeiten und Mitteln der Kommunikation zu betrachten, da die

„Gesellschaft nicht nur aufrechterhalten wird durch Kommu nikation, sondern […] über-

haupt [erst] durch Kommunikation existiert“ (Dewey, 1916, S. 5). So wurde die anfäng liche

Periode der Schreibmedien ab dem 15. Jahrhundert von weiterführenden Perioden der

Druckmedien, der Telekommunikationsmedien und der inter aktiven Medien abgelöst (vgl.

Rogers, 1986). Auffällig ist die rasante Zunahme neuer medialer Formen in immer kürzeren

Zeitabschnitten. Die Crux besteht darin: Je mehr Medienformen entstehen, umso größer

ist die Vervielfachung kommunikativer Botschaften. Das verfügbare relevante Wissen wird

durch die weltum span nenden Kommunika tions netze nahezu an jedem Ort in Sekunden-

schnelle verfügbar.

Die fortschreitende Fragmentierung der Kommunikationsmedien führt zu einer erhöhten

Komplexität auf Seiten derjenigen Unternehmen und Institutionen, die ihre Zielgruppen

mit speziellen Botschaften ansprechen wollen. Gegenüber der klassischen Media planung,

die sich mit der bestmöglichen Aufteilung des Mediabudgets auf Print, Radio und TV be-

schäftigt hat, stellt die Optimierung des heutigen Kommu nikationsportfolios ungleich

höhere Anforderungen an die werbetreibenden Unternehmen. Der gleichzeitige Einsatz

mehrerer Medien stellt wiederum die Rezipienten vor das Problem der Informationsver-

arbeitung. Obgleich die Inanspruchnahme von vielfältigen Kommunikations wegen eine

individuellere Zielgruppen ansprache erlaubt, wirkt die Zunahme der Werbe impulse bei

gleichzeitiger Verringerung der Reichweiten einzelner Medien formen kontra produktiv.

Durch die starke Zunahme des Medienangebotes – das Schät zungen zu folge innerhalb

einer Generation um 4.000 % steigt (vgl. Merten, 1999, S. 208 ) – treten Phä nomene der In-

formationsüberflutung auf Rezipientenseite auf.

Die Ursache kann einerseits durch die große Informations menge (quantitative Informa-

tionsbelastung) und anderer seits durch die abnehmende Informations qualität (qualitative

Informations belastung) erklärt werden. Die Reizüberflutung hat zur Folge, dass die Infor-

mationen aufgrund der begrenzten physischen und psychischen Rezeptionskapazitäten

und der Zeitressourcen des Menschen nur selektiv aufgenommen und verarbeitet werden

(vgl. Munzinger/Musiol, 2008, S. 22). Während man einst noch davon ausging, dass zu-

mindest 1,9 % der produzierten und angebotenen Informationen der klassischen Medien

Zeitung, Zeit schrift, Hörfunk und TV ins Bewusstsein der Konsumenten gelangen (vgl.

Brünne et al., 1987, S. 46 f.), zeigen neueste Ergebnisse, dass lediglich 0,004 % aller Reize

und Signale von der Außenwelt aufge nommen werden (vgl. Häusel, 2004, S. 84). Die Dis-

kussion um das Anwachsen der Informationsflut bereitet den Marketing verantwortlichen

erwiesenermaßen größere Probleme als den Empfängern der Botschaften. Es kann dem-

nach geschlussfolgert werden, dass die Kommunikations vielfalt einerseits den Möglich-

keitsraum in der Gesellschaft erweitert, andererseits schlagen die negativen Begleiterschei-

nungen als „Kosten der Moderne“ (Rodenhäuser et al., 2005, S. 97 f.) zu Buche.

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Die Erkenntnisse zum Mediennutzungsverhalten können möglicherweise Aufschluss da-

rüber geben, welche Auswirkungen die Informationsüberflutung auf die Rezipien ten hat.

Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung bestätigt: Der Medienkonsum deutscher Rezipien-

ten stieg zwischen 1980 und 2005 von 346 auf 600 Minuten pro Tag an (vgl. Fritz/Klingler,

2006, S. 234). Dies entspricht einer Zuwachsrate von 73 %, auch wenn der Zeitaufwand für

die Mediennutzung bei Weitem nur einen Bruchteil des Medienangebotes darstellt. Dem

Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft zufolge wurden die Rezi pienten im Jahr

2005 pro Tag mit folgender Anzahl kommunikativer Stimuli konfrontiert (vgl. ZAW, 2005,

S. 197 ff.):

8.375 Fernsehspots,—

5.611 Radiospots und—

1.693 Anzeigen.—

Diese Zahlen repräsentieren exemplarisch die Mediendichte in der klassischen Kommuni-

kation. Nur in Ausnahmefällen verdrängen einzelne Medienformen die älte ren. Sie nötigen

diese allenfalls zu Funktions verschiebungen. Dies entspricht den Rieplschen Gesetzen der

Medien, nach denen kein Instrument der Information und des Gedankenaustauschs , das

einmal eingeführt wurde und sich bewährte, von anderen vollkommen ersetzt oder ver-

drängt wird. Die komplementäre Nutzung verschiedener Medien ergibt sich aus den unter-

schied lichen Funktionen, die ein Rezipient mit den einzelnen Medienformen verbindet.

So werden z. B. Internet und Tageszeitungen vor allem als Informations medien wahrge-

nommen. Das Fernsehen dient darüber hinaus als Unterhaltungs medium, und das Radio

gilt als Tagesbegleiter und Stimmungsmodulator. Diese Funk tionen werden mit einer zuneh-

menden Souve ränität von den Rezipienten individuell zusammen gestellt. Das so genannte

„Channel Hopping“ oder die parallele Nutzung verschiede ner Medien formen zur gleichen

Zeit bilden ein Indiz dafür, dass Informationen heute mehr denn je multimedial wahrge-

nommen werden. Umso wichtiger ist es, dass Marketing manager und Kommunikations ex-

perten die Auswahl geeigneter Kommunikationsinstrumente sorg fältig prüfen und dabei

die zeitlichen Allokationen der Mediennutzung berück sichtigen.

Doch welche Rolle spielt die zwischenmenschliche Kommunikation im wirtschaftlichen

Kontext? Mit der Genese neuer Medienformen wie dem Buch, Radio, Fernsehen oder In-

ternet verlor der persönliche Dialog an Einfluss, obwohl sich die Kommunikation im All-

gemeinen zu einem führenden Teil system der Gesellschaft entwickeln konnte. Mit dem

Voranschreiten der elektronischen Medien ist als Gegenbewegung eine Renaissance des

persönlichen Austausches in der Unternehmenskommunikation zu beobachten.

Kommunikation – ein Blick in die Historie 1.2

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1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

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Abbildung 2. Entwicklung der relativen Bedeutung der Kommunikation und des persönlichen Dialogs

Die folgenden Thesen begründen diese Entwicklung (vgl. Brühe, 2003, S. 77 ff.; Kirchgeorg /

Klante, 2003, S. 14 ff.):

Individualisierungs-These —Die Individualisierung in der deutschen Bevölkerung sowie in anderen Industrie-

staaten nimmt zu (vgl. Meffert et al., 2008; Opaschowski , 2000). Durch persön-

liche Dialoge und Interaktionen kön nen die individualisierten Anfor derungen der

Kunden, wie z. B. Selbstverwirk lichungs wünsche und Erleb nis orien tierung, bes-

ser aufge nommen, interpretiert und in Dienst- und Produkt leistungen über führt

werden.

Produkthomogenitäts-These—

Die Homogenisierung und die dadurch bedingte Austauschbarkeit der Produkte

wirken dem Kun denbindungsgedanken ent gegen, wodurch die Loyalität in ge-

sättigten Märkten vielfach ab nimmt. Bei zunehmender technisch-physikalischer

Produktqualität werden vom Kunden zur Differen zierung verstärkt Merkmale der

persönlichen Geschäftsbeziehung heran gezogen (vgl. Meffert, 2002, S. 1 ff.). Posi-

tive persönliche Erlebnisse und Be ziehungen mit Unternehmensvertretern , Marken

und Pro dukten fördern die differenzierte Wahrnehmung trotz hoher sachlicher

Vergleichbarkeit.

Multisensualitäts-These—

Die Erinnerungsleistung von Informationen im Gedächtnis ist dann besonders

hoch, wenn die Infor mationen multisensual und multimedial vermittelt und vom

Kunden aufgenommen werden können (vgl. Springer, 2008; Becker, 2006; Mayer,

2005; Kroeber-Riel/Weinberg, 2003). Im Dialog bietet sich die Möglichkeit, alle

Sprach-ursprung

1500

Zeitu

ng

1600 1700 1800 1900 2000

Kommunikation

Persönlicher Dialog

Zeit

∑ R

elat

ive

Bed

eutu

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Sinne zu aktivieren. Wird die Reiz darbietung konsistent umgesetzt (vgl. Bruhn,

2005 b, S. 474), so erhöht sich die Er innerungs leistung der Zielgruppen an Unter-

nehmen, Marken und Produkte.

High Touch- versus High Tech-These—

Durch die Informationsflut der elektro nischen Kommunikation erfahren per-

sönlich erlebte Kontakte und Beziehungen eine Aufwertung (vgl. Blackston, 1992;

Park, 1986). Szenarioanalysen bestätigen, dass dem per sönlichen Dialog zwischen

Kunden und Unternehmen trotz der rasanten Entwicklung der elektronischen

Medien auch in den nächsten Jahrzehnten eine große Bedeutung zukommt (vgl.

Kirch georg et al., 2007 b, S. 21).

Unsicherheits-These—

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts haben u. a. terroristische Anschläge, Umwelt-

schutzprobleme sowie die Finanzkrise weltweit zu einer erhöhten Unsicherheit

in der Bevölkerung geführt. In gefährdeten Regionen und/oder unbeständigen

Zeiten nimmt das Bedürfnis nach Vertrauen sowie emo tionaler und gefühls-

betonter Ansprache ebenso zu wie die Suche nach Ge borgenheit und Sicherheit

(vgl. Rodenhäuser et al., 2005, S. 118 ff.). „First Hand Experiences“ (Weiss, 1979,

S. 206 ff.) durch persönliche Begegnungen mit Personen, Unternehmen und

Marken führen nachweislich zu einer glaubwürdigeren Wahrnehmung von Sach-

verhalten als massenmedial ver mittelte Inhalte (vgl. Lorbeer, 2003, S. 86 ff.).

Effizienz-These—

Eine glaubwürdige Wahrnehmung, hohe Erinnerungsleistungen sowie geringe

Streuverluste sorgen für eine attraktive Kosten-Ertrags-Bilanz der per sönlichen

Dialoge im Vergleich zu anderen Kommunika tions alternativen. Zielführend sind

jedoch die Berücksichtigung der jeweiligen Instrumente-Charak teristika und

deren entsprechende Integration im Kommu nikations-Mix.

Es sind somit mehrere Einflüsse, die begründen, warum den Unternehmen die klassischen

Medien der Kundenansprache und -bindung oftmals nicht mehr genügen, um sich auf glo-

balisierten Märkten zu behaupten (vgl. Riewoldt, 2002, S. 8). Je technisierter die Kom muni-

kation wird, desto wichtiger wird der persönliche Dialog. Die Virtual Commu nication und

Live Communication können sich in symbiotischer Weise vernetzen. Durch die persönliche

und oftmals emotionale Begegnung sowie die dadurch realisierbare Kundenintegration

lassen sich individuelle Kundenansprüche besser auf nehmen , interpretieren und in Dienst-

und Produktleistungen überführen. Hintergrund hierfür ist die konsequente Einbeziehung

des Kunden als Mitentwickler und Ideen geber. Auf die Integration und Vernetzung zielen

auch die neuen virtuellen Medien ab, sodass es auf die zielorientierte Orchestrierung der

zur Verfügung stehenden Instrumente im Rahmen der Unternehmens- und Marken kom-

mu nika tion ankommt. Die Unternehmen sind gefordert, ein modernes Kommu nika tions -

Kommunikation – ein Blick in die Historie 1.2

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1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

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verständnis zu erlangen. Statt einseitiger und kurzzeitiger Kommunikation sind zweisei-

tige Kommunikations pro zesse im Sinne von Dialogen gefragt, mit denen sich langfristige

Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden aufbauen lassen (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3. Entwicklung der Kommunikationsmodelle zwischen Unternehmen und Kunden

Kunde

Kunde

Kunde

UnternehmenBotschaft

Botschaft

Wissen

Wissen

Unternehmen

Kunde

Kunde

Kunde

Botschaft

Botschaft

Botschaft

Gestern Heute

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Kommunikation – ein Blick in die Historie 1.2

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„Die Unternehmen befinden sich noch mitten in der Phase der Dialogkommunikation“

Entwicklungsphasen und Status Quo der Kommunikation

Interview mit Prof. Dr. Manfred Bruhn von der Universität Basel

1. Prof. Bruhn, welche Gründe sind Ihrer Meinung nach verantwortlich für die Dynamik im

Kommunikationswettbewerb?

Bruhn: Im Rahmen einer systematischen Kommunikationsplanung ist die Berücksichtigung

und Analyse jeglicher Rahmenbedingungen unabdingbar. Die unternehmerische Kommu-

nikation ist dynamisch den verschiedenen, aktuellen Entwicklungen und Veränderungen

anzupassen, die sowohl angebotsseitiger als auch nachfrageseitiger Natur sein können.

Auf der Anbieterseite, d. h. die Kommunikationstreibenden betreffend, sind insbesondere

die Entwicklung der Werbeeinnahmen bzw. der starke Anstieg der Werbeinvestitionen zu

betrachten. Die Aufwendungen für die Kommunikation sind in den letzten 15 Jahren ext-

rem stark um knapp 40 % angestiegen (vgl. ZAW, 1991 und 2007). Die höheren Werbeauf-

wendungen der Anbieter resultieren u. a. aus einem verstärkten Mehreinsatz von (inno-

vativen und neuen) Kommunikationsmitteln und -instrumenten. Eng verbunden mit dem

rapiden Anstieg ist ein zunehmendes Medienangebot, d. h. die Zersplitterung bzw. Atomi-

sierung der Medien. Zudem hat die Anzahl an Werbetreibenden extrem stark zugenommen.

All diese Entwicklungen führen zu einem gesteigerten Werbedruck, dem auf Nachfrager-

seite eine begrenzte Aufnahme- und Verarbeitungskapazität und eine nur unwesentlich

veränderte Mediennutzung als früher gegenüberstehen. Allerdings bleibt abzuwarten, wie

stark die Auswirkungen der aktuellen Weltwirtschaftskrise auf die Entwicklung des Kom-

munikationseinsatzes, speziell auf die klassische Mediawerbung und das Sponsoring, aber

auch auf andere Kommunikationsinstrumente sein werden.

Auf der Rezipientenseite ergeben sich zwei zentrale Veränderungen der Wahrnehmung:

die Tendenz zur reduzierten Konzentrationsfähigkeit sowie eine selektive Informations-

aufnahme und -verarbeitung. Die Werbeflut resultiert bei den Konsumenten in einer Kurz-

zeitigkeit der individuellen (Kommunikations-)Wahrnehmung und Verarbeitung bis hin

zur aktiven Verweigerungshaltung. Um dennoch die Aufmerksamkeit der Nachfrager zu

erhalten sowie Präferenzen zu schaffen, haben Unternehmen auf diese veränderten Bedin-

gungen zu reagieren, die Kommunikation entsprechend anzupassen sowie kontinuierlich

weiterzuentwickeln.

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1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

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2. Die Dialogform der Kommunikation wurde ja schon immer eingesetzt. Warum befinden

wir uns Ihrer Meinung nach erst seit der Millenniumsgrenze in einer Phase der Dialog-

kommunikation?

Bruhn: Die erläuterten Veränderungen und Tendenzen haben teilweise schon vor vielen

Jahren eingesetzt. Die Unternehmen haben darauf reagiert und ihre Kommunikations-

aktivitäten angepasst. Primäres Ziel stellt die Aufmerksamkeit und Erinnerung der Rezi-

pienten dar, eine Abgrenzung gegenüber der Konkurrenz ist hierfür unabdingbar. Diese

Entwicklungen führten in den 1990 er Jahren in eine Phase, in der die Unternehmen sich

gegenseitig mit kreativen und innovativen Kommunikationsbotschaften und neuen bzw.

alternativen Kommunikationsformen „bekämpften“; die Werbetreibenden standen in einem

immer intensiveren Kommunikationswettbewerb zueinander. Die Beziehung zum Kunden

spielte meines Erachtens in dieser Zeit nur eine untergeordnete Rolle; die Bedeutung des

Dialogs wurde von den Unternehmen noch nicht ausreichend erkannt. Erst seit diesem

Jahrtausend rückt der Konsument in den Fokus der Werbetreibenden. Neue Medien, die

eine interaktive Kommunikation fördern, und die stärkere Betrachtung der Kommunikati-

onsbedürfnisse haben zum Wandel und Übergang in die Phase der Dia log kommunikation

geführt.

3. Zeichnet sich unter Berücksichtigung der fortschreitenden Kundenintegration eine neue

Phase ab?

Bruhn: Momentan sind die Kommunikationstreibenden noch mit den Herausforderungen

der Dialogkommunikation genügend gefordert. Eine zunehmende Erlebnisorientierung

ermöglicht den Unternehmen, (potenzielle) Konsumenten z. B. zu speziell veranstalteten

Events, in eigens zur Unterhaltung eingerichtete Brand Lands oder zu extravaganten

Road shows einzuladen. Diese dienen als Plattform, um den Konsument in eine zweiseitige

Kommunikation zu „verwickeln“ sowie – durch die Freiwilligkeit der Teilnahme und eine

entspannte Atmosphäre – die Dialogbereitschaft zu erhöhen. Die Ausgestaltung dieser

erlebnisorientierten Kommunikationsformen ist jedoch noch lange nicht ausgereift. Die

zurzeit intensiv geführte Diskussion zum Thema Marken-Konsumenten-Beziehung zeigt

ebenfalls die Aktualität des Themas. Insbesondere die Betrachtung der Interaktion stellt

eine stark diskutierte Bedingung für das Zustandekommen von Dialogen dar. Meines Er-

achtens befinden sich die Unternehmen noch mitten in der Phase der Dialogkommuni-

kation , die durch die fortschreitende Kundenintegration zusätzlich verstärkt wird. Die

Frage der Dimensionen und Faktoren der „Interaktionsqualität“ werden dabei eine zu-

nehmende Bedeutung erhalten.

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Kommunikation – ein Blick in die Historie 1.2

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4. Gibt es empirische Belege dafür, dass die Bedeutung der Kommunikation für den unter-

nehmerischen Erfolg noch weiter ansteigen wird? Und welche Auswirkungen ergeben sich

hieraus für die Umsetzung des Marketing-Mix in den Unternehmen?

Bruhn: Die herausragende Bedeutung der Kommunikation für den Unternehmenserfolg

ist inzwischen unbestritten. Ob die Relevanz jedoch zukünftig noch ansteigt oder auf dem

bisherigen Niveau stagniert, bleibt meines Erachtens noch abzuwarten. Wir dürfen keines-

falls vergessen, dass die anderen Marketing-Mixbereiche ebenfalls sehr wichtig sind; nur

wenn ein Unternehmen eine gute Leistung zu einem angemessenen Preis anbietet, wird

sich diese Leistung auch verkaufen lassen. Kommunikation kann sich dementsprechend

nicht zum alleinigen Marketingbereich entwickeln, sondern hat die anderen Bereiche zu

unterstützen. Zentral ist jedoch, dass die bereits vorhandene Relevanz der Kommunika-

tion beachtet und von Unternehmen genutzt wird. Kommunikation darf nicht „nebenbei“

erfolgen, son dern ist systematisch zu planen und umzusetzen. Die Abstimmung der Kom-

munika tion mit den strategischen Entscheidungen der übrigen Marketing-Mixbereiche ist

hierbei kontinuierlich zu gewährleisten, um instrumenteübergreifend ein konsistentes

Unter nehmensbild zu kreieren. Die Höhe des Kommunikationsbudgets ist dabei an den

angestrebten Zielen – im Sinne einer Ziel-Maßnahmen-Kalkulation – auszurichten; nur so

kann die Reali sation der Kommunikationsziele und die Unterstützung der übergeordneten

Unternehmensziele sichergestellt werden. Aber sicherlich werden wir es – bedingt durch

die Weltwirtschaftskrise – noch weiter verstärkt mit einer „Ökonomisierung der Kommu-

nikation“ zu tun haben.

5. Stellt die zunehmende Virtual Communication eine Gefahr für die Dialogkommunika-

tion dar?

Bruhn: Wie bereits aufgezeigt, erlauben die elektronischen Medien wie das Internet oder

die Nutzung von mobilen Endgeräten den Unternehmen eine verstärkt interaktive Aus-

richtung der Kommunikation. Diese Entwicklung beeinflusst meines Erachtens die Mög-

lichkeiten einer zweiseitigen Kommunikation und die Initiierung von Dialogen positiv.

Viele dieser Medien ermöglichen die Speicherung und Verarbeitung von Kundendaten.

Dies gestattet eine individuellere Ausrichtung der Kommunikationsinhalte an den spezi-

fischen Kundenwünschen und steigert oftmals die Dialogbereitschaft der Konsumenten.

Ein weiterer Vorteil der Virtual Communication stellt die Überwindung von räumlichen

Distanzen dar. Entsprechend den Herausforderungen an die Kommunikationstreibenden,

die im Zuge einer zunehmenden Globalisierung auftreten, beinhaltet die Nutzung neuer

Medien und virtueller Kommunikation eine Chance, den Kunden direkt anzusprechen

und eine Beziehung zwischen Unternehmen und Rezipienten aufzubauen.

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1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

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6. Ist die Dialogkommunikation Ihrer Meinung nach ein Phänomen ge sättigter Märkte?

Welchen Herausforderungen muss sich die Dialogkommunikation dem nach in Zukunft

auf internationalen, wachsenden Märkten stellen?

Bruhn: Gesättigte Märkte und eine zunehmende Homogenisierung der Leistungen haben

sicherlich dazu beigetragen, die Dialogkommunikation voranzutreiben. Weitere Gründe

stellen die Übersättigung der Rezipienten dar, die täglich mit einer sehr hohen Anzahl an

Kommunikationsstimuli konfrontiert werden, sowie die begrenzte Aufnahme- und Ver-

ar beitungskapazität von Informationen. Die zunehmende Globalisierung und Internatio-

nalisierung verstärkt dieses Phänomen; neue Wettbewerber treten in den (Kommuni-

kations- )Markt ein und kämpfen um die Aufmerksamkeit der Konsumenten. Das eigene

Unternehmen betritt evtl. ebenfalls neue Märkte und hat neue Zielgruppen anzusprechen.

Im Rahmen der Internationalisierung bestehen Herausforderungen für die Dialogkom-

munikation zum einen in der (räumlichen) Distanz zwischen Unternehmen und Rezipient

sowie deren Überwindung. Zum anderen erfordert die dialogorientierte Ansprache neuer

Zielgruppen die Berücksichtigung sowohl sprachlicher als auch kultureller Gegebenheiten,

die Beachtung länderspezifischer Gesetzgebungen sowie der jeweiligen Mediennutzungs-

gewohnheiten und Medieninfrastruktur.

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Definitorische Abgrenzung der Live Communication 1.3

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1.3 Definitorische Abgrenzung der Live Commu nication

Bedient man sich der Kommunikationsformen als gedanklich isolierbarer Dimen sionen,

um einzelne Kommu nika tionsinstrumente anhand von gemeinsamen Merkmalen zu klas-

sifizieren, so lassen sich üblicherweise die folgenden Formen unter scheiden (vgl. Bruhn,

2005 b; Steffenhagen, 2004):

persönliche vs. unpersönliche Kommunikation—

direkte vs. indirekte Kommunikation—

einseitige vs. zweiseitige Kommunikation—

interne vs. externe Kommunikation—

Individual- vs. Massenkommunikation.—

Tabelle 1. Above-the-Line- vs. Below-the-Line-Kommunikation (Quelle: i. A. Lischka, 2000, S. 14)

Gegenüber diesen Formen werden die Kommunikationsinstrumente in der Praxis häufig

pragmatisch bestimmten Kategorien zugeordnet. Eine typische Unter teilung – wenn auch

nicht über schneidungs frei – ist der Instrumentesplit in Above- the - Line- Maßnahmen vs. Be-

low-the-Line-Maßnahmen (vgl. Nufer, 2007, S. 10 f.), deren Chara k te ristika in Tabelle 1 zu-

Merkmale der Above-the-Line-Kommunikation

Merkmale der Below-the-Line-Kommunikation

Monolog Kommunikationsart Dialog

unpersönlich Begegnungsform persönlich

passiv Kundenintegration aktiv

gering Erfahrbarkeit hoch

mittel Emotionalisierung hoch

gering Kundenvernetzung hoch

gering Multisensualität hoch

kurzfristig zeitlicher Horizont langfristig

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1. Kommunikations- und Medienmärkte im Wandel

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sammengefasst dargestellt sind. Der Kategorie „Above-the-Line“ werden alle für die Masse

der Zielgruppe sichtbaren Kommunikationsinstrumente zuge ordnet, wie die Presse, Radio,

Fernsehen, Kino sowie Außenwerbung. Demgegenüber zählen alle nicht-klassischen Inst-

rumente, die eine persönliche und individuelle Kommuni kation sicherstellen und nicht für

alle sichtbar sind, zu den Below-the-Line- Instrumenten. Dies sind bspw. Messen, Events,

Mailings, Sponsoring, Product Placement und Sales Promotions.

Gemäß dieser Klassifizierungen kann die Dialogkommunikation zunächst wie folgt chara k-

te risiert werden:

als persönliche, direkte und zweiseitige Kommunikation, —

als Bereich, der die Below-the-Line-Instrumente umfasst.—

Auch wenn in der Literatur kein einheitliches Begriffsverständnis zur Dialogkommu nika-

tion existiert, so können dennoch „sämtliche Maßnahmen eines Unter nehmens [dieser

Kommunikationsform zugeordnet werden], die einen dauer haften, interaktiven Informa-

tionsaustausch zwischen dem Unternehmen und poten ziellen sowie aktuellen Kunden

ermöglichen mit dem Ziel, profitable Kunden beziehungen aufzubauen und zu pflegen“

(Lischka, 2000, S. 16).

Sie bildet ein wesentliches Element der Live Communication. Der englische Begriff „Live“

(lebend, unverzögert) betont die direkte Erlebbarkeit einer persönlichen Begegnung. Damit

verbunden ist auch die multisensuale Erfahrbarkeit von Produkt- und Markenleistungen

(vgl. Springer, 2008, S. 6 f.). Gegen über der Dialogkommunikation verbindet sich mit dem

Konzept der Live Commu nication der Anspruch, einen persönlichen Dialog in einem vom

Unternehmen kon trollierten und inszenierten Umfeld zu gestalten. Der explizite Kontext-

bezug zur Stimulierung der Kommunikationsziele grenzt die Live Communication zum

einen von so genannten „Live Com-Attrappen“ (siehe Abbildung 4) ab. Nicht jede Veran-

staltung ist als Live Com-Maßnahme zu werten. So ist den Autoren eines Eventmanage-

ment-Buches in ihrer Einleitung beizupflichten, in der sie schrieben: „Ich erinnere mich

an keine Veranstaltung, die nicht auch ein Event gewesen wäre – die anderen habe ich

alle vergessen“ (Holzbauer et al., 2002). Solche eher wirkungs losen Veranstaltungen, die

weder stark von ihrem Erinnerungs- noch von ihrem Insze nierungsgrad sind, können der

Kategorie „Live Com-Attrappen“ zugeordnet werden. Darüber hinaus ist die Live Com-

munication auch von dialoggeprägten Situationen zu unterscheiden, in denen das Unter-

nehmen keinen Einfluss auf eine markengerechte Umfeldgestaltung nehmen konnte, wie

es z. B. bei reinen Verkaufsgesprächen eines Vertreters im Hause des Kunden der Fall ist.