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1 Marketing ± eine Einführung Klaus Roth, Bernburg Als ich meinen Kindern am Frühstückstisch erzählte, dass ich einen Artikel zum Thema Marketing schreibe, fragten mein Sohn, sieben Jahre, und meine Tochter, neun Jahre, mich, was denn Marketing sei. ÄWie man etwas verkauft³, erläuterte ich als Vater und Pädagoge, um es verständlicher zu machen. Daraufhin meine Tochter: ÄMan muss sich erst einmal einschleimen ± oh, Sie sehen entzückend aus! Diese Creme ist das richtige für Ihre Schönheit! Ich bin ein Fan von Ihnen, kaufen Sie das, dann werden Sie noch schöner! ± Man muss denen die Sa- chen richtig andrehen³, so die Schlussfolgerung meiner Tochter. Dann fragte ich: ÄUnd was passiert, wenn die Leute von der Creme Pickel kriegen?³ ÄDann muss man es extra billig machen, aber ± extra billig ist ja nur Schrott und Schrott würde ich gar nicht erst verkaufen!³ Meine Kinder haben hier schon viele Wahrheiten vom Marketing aufgegriffen. Marketing ist ein strategisches Vorgehen, das von vielen Faktoren abhängt. Meine Kinder haben hier intuitiv das Wesentliche getroffen, wenn auch vielleicht nicht mit den richtigen Worten. ÄEinschleimen³ könnte man mit ÄVertrauen schaffen³ übersetzen, ÄSie sehen entzückend aus³ mit Äwas will der Kunde in diesem Fall hören³, Äich bin ein Fan von Ihnen³ öffnet das Gegenüber, schließt auf für gute Kommu- nikation und sorgt für offene Ohren. ÄDie Sachen richtig andrehen³ heißt nichts anderes, als sich eine Marke- tingstrategie auszudenken und zu erarbeiten. Zwei wesentliche Einflussfaktoren sind Qualität und Preis. So ist auch die Antwort meiner Tochter richtig: ÄWenn Pickel, dann billig!³ Am Frühstückstisch war ich doch noch froh ob meiner gelungenen Erziehung und der ethischen Reife meiner Tochter, denn ÄSchrott würde sie gar nicht erst verkaufen!³ Aus diesem kleinen Einstieg halten Sie bitte folgendes fest: 1. Sie können nur verkaufen, was Sie haben. Der Kunde kauft nur, was er haben will. 2. Seien Sie ehrlich zu sich selbst und zu Ihrem Kunden. 3. Geschäfte sind nur gut, wenn alle Beteiligten etwas davon haben. Preis und Leistung müssen stimmen. 4. Gute Geschäftsbeziehungen gründen auf Vertrauen; mit Mogelpackungen kommen Sie nicht weiter. Dieser Artikel ist so aufgebaut, dass zunächst einige Grundbegriffe aus der Wirtschaft zum Thema ÄMarketing³ sowie etwas Theorie beschrieben werden. Danach werde ich zwei Praxisbeispiele unterschiedlicher Marketing- strategien vorstellen sowie die ÄFünf-Tage-Gruppe³ und ihre strategischen Möglichkeiten hinsichtlich der Vor- bereitung und Durchführung von Marketing erläutern.

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Marketing eine EinführungKlaus Roth, Bernburg

Als ich meinen Kindern am Frühstückstisch erzählte, dass ich einen Artikel zum Thema Marketing schreibe,fragten mein Sohn, sieben Jahre, und meine Tochter, neun Jahre, mich, was denn Marketing sei. Wie man etwasverkauft , erläuterte ich als Vater und Pädagoge, um es verständlicher zu machen. Daraufhin meine Tochter:Man muss sich erst einmal einschleimen oh, Sie sehen entzückend aus! Diese Creme ist das richtige für Ihre

Schönheit! Ich bin ein Fan von Ihnen, kaufen Sie das, dann werden Sie noch schöner! Man muss denen die Sa-chen richtig andrehen , so die Schlussfolgerung meiner Tochter. Dann fragte ich: Und was passiert, wenn dieLeute von der Creme Pickel kriegen? Dann muss man es extra billig machen, aber extra billig ist ja nurSchrott und Schrott würde ich gar nicht erst verkaufen!

Meine Kinder haben hier schon viele Wahrheiten vom Marketing aufgegriffen. Marketing ist ein strategischesVorgehen, das von vielen Faktoren abhängt. Meine Kinder haben hier intuitiv das Wesentliche getroffen, wennauch vielleicht nicht mit den richtigen Worten.

Einschleimen könnte man mit Vertrauen schaffen übersetzen, Sie sehen entzückend aus mit was will derKunde in diesem Fall hören , ich bin ein Fan von Ihnen öffnet das Gegenüber, schließt auf für gute Kommu-nikation und sorgt für offene Ohren. Die Sachen richtig andrehen heißt nichts anderes, als sich eine Marke-tingstrategie auszudenken und zu erarbeiten. Zwei wesentliche Einflussfaktoren sind Qualität und Preis. So istauch die Antwort meiner Tochter richtig: Wenn Pickel, dann billig!

Am Frühstückstisch war ich doch noch froh ob meiner gelungenen Erziehung und der ethischen Reife meinerTochter, denn Schrott würde sie gar nicht erst verkaufen!

Aus diesem kleinen Einstieg halten Sie bitte folgendes fest:

1. Sie können nur verkaufen, was Sie haben. Der Kunde kauft nur, was er haben will.2. Seien Sie ehrlich zu sich selbst und zu Ihrem Kunden.3. Geschäfte sind nur gut, wenn alle Beteiligten etwas davon haben. Preis und Leistung müssen stimmen.4. Gute Geschäftsbeziehungen gründen auf Vertrauen; mit Mogelpackungen kommen Sie nicht weiter.

Dieser Artikel ist so aufgebaut, dass zunächst einige Grundbegriffe aus der Wirtschaft zum Thema Marketingsowie etwas Theorie beschrieben werden. Danach werde ich zwei Praxisbeispiele unterschiedlicher Marketing-strategien vorstellen sowie die Fünf-Tage-Gruppe und ihre strategischen Möglichkeiten hinsichtlich der Vor-bereitung und Durchführung von Marketing erläutern.

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Einige Begriffe aus der Wirtschaft Was ist Marketing?

Marketing als unternehmerische Grundhaltung

Marketing ist alles, alles ist Marketing. Wird das heutige Verständnis dieses noch immer modernen Begriffesund Teilgebietes der Betriebswirtschaftslehre sowie seine vielen Interpretationen und die umfassende Anwen-dung dieses Ausdruckes näher betrachtet, so scheint diese Aussage gar nicht so weit hergeholt. Marketing istweder ein englischer Ausdruck für Marktforschung noch mit verführerischen Werbemethoden zu verwechseln.

Als zutreffende Definition sprechen wir von:

Markt- oder bedürfnisorientierter UnternehmenspolitikoderMarketing umfasst jene menschlichen Tätigkeiten, die darauf abzielen, Austauschprozesse zu erleichtern und

durchzuführen (Philip Kotler).

Marketing darf nicht für sich allein betrachtet werden, sondern ist Bestandteil der gesamten Unternehmensführung sozusagen die Innen- und Außenpolitik des Unternehmens.Marketing steht für die unternehmerische Grundhaltung, einen Betrieb markt- gerecht zu führen.

Marktgerecht kann heute heißen:

- schrumpfen,- konsolidieren oder- wachsen.

Dazu gebe ich ein Beispiel von der Stiftung Ev. Jugendhilfe St. Johannis in Bernburg, für die ich tätig bin: in-nerhalb der letzten Jahre ist die Stiftung immens gewachsen. Die Zahl der Mitarbeitenden stieg von 60 auf rund500. Dies geschah strategisch geplant und marktorientiert.

Marketing als praktische Tätigkeit

Aus dieser Grundhaltung heraus lässt sich eine ganze Reihe von Aufgaben für ein Unternehmen ableiten.

Marketing als praktische Tätigkeit bedeutet:

· die nachgefragte Leistung (Produkt, beispielsweise Fünf-Tage-Gruppe)· zur richtigen Zeit und am richtigen Ort (Marktsegment / Distribution)· zum richtigen Preis (Produkt)· auf dem geeigneten Weg (Distribution)· mit wirksamer Werbung und Verkaufstechnik (Kommunikation)· den richtigen Kunden bieten (Zielgruppen)· und damit einen angemessenen Erfolg erzielen (Controlling)

Auf welche Bedürfnisse Ihr Unternehmen mit welchen Angeboten antwortet, ist Sache Ihres persönlichen Stils,aber auch des Charakters Ihres Betriebes und Ihrer Kundschaft. Praktisch bedeutet dies: Sie müssen sich ent-scheiden, ob Sie beispielsweise

· ein ruhiges Hotel für ältere Gäste führen wollen oder ein kinderfreundliches Familienhotel, in dem eszugeht, wie in einem Bienenkorb,

· ein rein vegetarisches Restaurant führen oder gutbürgerliche Küche anbieten wollen,· ein ambulantes oder ein stationäres Image aufbauen, Familienarbeit oder therapeutische Leistungen in

den Mittelpunkt stellen wollen.

Solche grundlegenden Entscheidungen müssen eindeutig getroffen und möglichst festgelegt werden kurz:

Sie brauchen eine Geschäftpolitik / Unternehmensphilosophie / Leitgedanken.

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Geschäftspolitik

Von der Geschäftspolitik als Rahmen - wird der Weg zum Marketing in Grundzügen bereits vorgezeichnet. Inder Praxis lässt sich Marketing am zweckmäßigsten in mehreren Schritten verwirklichen:

· Zuerst müssen Sie wissen, was um Sie herum und im Unternehmen los ist= Informationen sammeln und auswerten

· Danach fragen Sie sich, was Sie erreichen und was Sie anbieten wollen= Ziele setzen (und verfolgen)

Positionierung des Unternehmens auf dem zukünftigen Markt (Image) künftige zu befriedigende Bedürfnisse (Bedürfnis = das Empfinden

eines Mangels und der Wunsch, diesen Mangel zu beheben) künftig anzubietende Produkte oder Dienstleistungen (Leistungs-

segmentierung) Märkte, auf denen die Produkte / Dienstleistungen abgesetzt werden

sollen (Marktsegmentierung) prognostizierte Markt- und Umsatzdaten

· Sie überlegen sich nun, worauf Sie beim Verfolgen der Ziele besondersachten müssen= Marketing-Strategie festlegen

· Gleichzeitig suchen Sie nach geeigneten Maßnahmen, durch die Sie IhreZiele erreichen können= Marketing-Instrumente gestalten

· Sie bestimmen zudem, was bis wann durch wen zu tun ist und wie viel eskosten darf= den praktischen Einsatz planen (Maßnahmenplan)

· Schließlich verwirklichen Sie, was Sie sich vorgenommen haben undkontrollieren laufend, ob Sie damit erfolgreich sind= Aktionen durchführen und überprüfen (Tagesgeschäft und Controlling)

Marketing-Konzept

Das Marketing-Konzept dient zur Konkretisierung der unternehmerischen Denkhaltung und entspricht der Zu-sammenfassung aller strategisch bedeutsamen Weichenstellungen, die den eigenen Marktauftritt betreffen.

Der skizzierte Arbeitsablauf führt Sie schrittweise zum eigenen Marketing-Konzept. Wie die Geschäftspolitikwird auch das Marketing-Konzept auf einer gründlichen Analyse der Ausgangslage aufgebaut; es muss alle we-sentlichen Daten zu den Punkten Markt, Produkt, Distribution, Kommunikation und PR sowie Planungsprozessund Controlling enthalten.

Das Marketing-Konzept ist das Bindeglied zwischen der strategischen Unternehmensführung und den operativenTätigkeiten. Während auf der Stufe der Gesamtführung Leitbild und Kernstrategie erarbeitet werden, umfassendie operativen Marketingmaßnahmen die Probleme des Alltags, beispielsweise Marktabklärungen, Verkaufsakti-onen, Beschwerdemanagement.

Das Marketing-Konzept hat Gültigkeit für alle Unternehmensbereiche. Es soll einen Horizont von mindestensfünf Planjahren umfassen und soll sehr prägnante Formulierungen und klare Stellungnahmen bezüglich allermarktrelevanten Problemstellungen beinhalten.

Marktgerichtetes Handeln ist nicht die Angelegenheit einer einzigen Abteilung. Somit gelten die Konzeptinhalteals Vorgaben für die Marktforscher, Produktmanager, Produktentwickler, Werber, Verkäufer, Einkäufer, Logis-tiker ebenso wie für die Personalfachleute.

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Marketing-Instrumente und Marketing-Mix

Ein Mix entspricht einer guten Mischung verschiedener Bestandteile, wie die viel versprechende Mixtur einesZauberers das Ergebnis der gekonnten Zusammenstellung von geheimnisvollen Essenzen ist. Im Marketing sinddie geheimnisvollen Essenzen die Marketing-Instrumente. Dazu zählen:

· Marktforschung· Leistung· Preise und Konditionen· Verkaufswege· Verkaufsförderung· Werbung· Öffentlichkeitsarbeit

Diese Instrumente sind voneinander abhängig, beeinflussen sich gegenseitig und müssen deshalb aufeinanderabgestimmt sein. Das Zusammenspiel mehrerer Marketing-Instrumente bestimmt, wie harmonisch das Konzertder kombiniert eingesetzten Instrumente ertönt.

Marketingstrategien

Wenn die Marketingziele festgelegt sind, stellt sich die Frage: Wie können diese Ziele in konkrete Maßnahmenumgesetzt werden? Welcher Weg führt mit vernünftigem Aufwand und in möglichst kurzer Zeit zu diesen Zie-len?

Was wollen wir erreichen? Ziele Wir wollen beispielsweise vom Jugendwerk-Hof zum modernen Dienstleistungszentrum werden

Wie wollen wir es erreichen? Strategie indem wir (Vorgehensweise)- Produktumbau- Qualifizierung- Partizipation

Was ist zu tun? Maßnahmen folgendes tun. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausbilden, Häuser kaufen, Konzepte entwickeln,

Erfolge kommu-nizieren usw.

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a) Marktdurchdringung

Diese häufigste und a priori mit dem geringsten Risiko behaftete Strategie bezieht sich auf das vermehr-te Verkaufen von gegenwärtigen Produkten in vorhandenen Märkten. Das Ziel besteht in der Regel dar-in, den eigenen Marktanteil zu erhöhen. Zur Zielerreichung müssen entweder die Verwendungsintensi-tät der eigenen Produkte gesteigert, Kunden der Konkurrenz abgeworben oder neue Verwendungsartengefunden werden.

b) Marktentwicklung

Mit bestehenden Produkten können auch neue Märkte erschlossen werden. Alternative Distributionska-näle, Ausweitung der Verkaufsregionen oder Export stellen die Hauptmöglichkeiten der Marktentwick-lung dar.

c) Produktentwicklung

Wachstum durch das Angebot von neuen Produkten oder Dienstleistungen auf heutigen Märkten ist hierdas Ziel. Sowohl die Weiterentwicklung von Produktdetails als auch eine vollständig neue Lösung fürdas Kundenbedürfnis erlauben das angestrebte Wachstum.

d) Diversifikation

Beim Versagen der drei ersten Strategien verbleibt nur die Flucht nach vorn , die echte Innovation.Natürlich birgt das Vorstoßen in neue Märkte und neue Produkte einen hohen Risikograd in sich.

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Markt

Markt bezeichnet die gesamte, wirtschaftlich maßgebende Umgebung eines Unternehmens.

Es ist besser, einen Markt zu haben als eine Fabrik. (Peter Drucker)

Diese Aussage manifestiert, was wir unter dem Primat des Absatzes zu verstehen haben: nämlich, dass sichsämtliche unternehmerischen Bestrebungen nach den Bedürfnissen des Marktes auszurichten haben und dem-nach auch das zu produzieren haben, was dieser verlangt (und nicht das, was wir traditionell am einfachstenkönnen). Denn letztlich ist es immer der Markt, der über Erfolg und Misserfolg eines Produktes (Kindergruppen,Jugendgruppen, BBJ) oder einer Dienstleistung entscheidet.

Es geht nicht mehr darum, das beste Produkt anzubieten, sondern das richtige. So unterscheiden wir:

Verkäufermarkt Käufermarkt

produktorientiert Marketing bedürfnisorientiert

es wird angeboten, was am es wird produziert, wasbesten produziert werden kann der Markt verlangt

der Kunde ist mangels der Kunde hat eine großeAlternativen und Kaufkraft Auswahl und Kaufkraft undgezwungen, die angebotenen bestimmt deshalb, was derGüter zu kaufen Anbieter zu produzieren hat

In unserer heutigen Gesellschaft liegt somit fast immer ein Käufermarkt vor. Eine Ausnahme bilden allerdingsMärkte mit einem Monopol entweder auf der Angebots- oder auf der Nachfrageseite.

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Stichworte für die Erstellung einer Materialsammlung als Vorbereitung für den Marketing-Plan:

Unternehmen

· Unternehmensphilosophie (Zielsetzung, Grundsätze)· Rolle von Marketing und Vertrieb im Unternehmen (Verantwortung, Kompetenz, Organisationsform)

Markt

· Zielmärkte und Zielgruppen (Marktsegmente, Käuferstruktur, Konsumgewohnheiten)· Marktposition (des Unternehmens)· Marktforschung (Konkurrenz, Stärken, Schwächen, Kennzahlen)· Marktprognose (lang-, mittelfristig, Einflussfaktoren)

Produkt

· Programm aller Produkte· Markenpolitik Image, Gestaltung, Markenschutz· Ausstattung· Preise und Konditionen· Herstellung (Zeitbedarf Konzept bis Herstellung)

Distribution

· Vertriebspolitik (Grundsatz, Konzeption, System)· Vertriebsstufen und kanäle· Verkaufsorganisation

Kommunikation und Promotion

· Werbe- und Promotion - Aufwendungen (Budget)· Kreative Werbestrategie· Werbe- und PR-Maßnahmen· Werbung und PR der Konkurrenz· Durchführung (eigene Werbeabteilung oder Agentur)

Planungsprozess und Controlling

· Evtl. Teilpläne, Budget, Verantwortlichkeit, Koordination, Entscheidung, Durchführungsverantwor-tung, Kontrolle, Änderungskompetenz

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Praxisbeispiel: 1

Der Name Jil Sander sagt Ihnen sicherlich etwas. Was war Jil Sander zu Beginn? Was verbinden Sie mit JilSander? Mode. Was für Mode? Designermode, besondere Mode. Auf einem Kostenniveau der gehobenenKlasse. Im Folgenden verdeutliche ich Ihnen den Zusammenhang dieser Fragen und die Bedeutung einesImages.

Jil Sander war zunächst eine einfache Dame in Hamburg. Sie konnte schneidern. Sie machte Analysen und,was stellte sie in Hamburg fest? Dort gibt es die höchste Millionärsdichte in Deutschland. Sie hat sich alsogesagt: Aha, interessant, ich kann schneidern und der Markt ist hier gut betucht. Sie hat gesagt: Ich willeine besonders hochwertige, qualifizierte Mode für besonders Betuchte machen. Besonders betucht, imwahrsten Sinne des Wortes. Selbstverständlich analysierte sie den Markt und überlegte, welche Kleidungbesonders betuchte Damen tragen. Besondere Tücher, besondere Schnitte. Wenn ich so etwas produzierenund schneidern kann, ist dies das eine. Jedoch muss ich es auch verkaufen können. Ich muss Distributions-wege finden, also Absatzwege. Wie setze ich eigentlich etwas Besonderes ab? Welcher Rahmen ist derrichtige? Die Präsentation ist für diejenigen, die wir erreichen wollen. Also gehen wir dahin, wo es richtigteuer ist.

Also hat Jil Sander in Hamburg in der teuersten, besten Lage einen Geschäftsraum angemietet und eine ganzbesondere Ausstattung gewählt. Sie hat sich abgesetzt. Sie hat sich auch mit der Geschäftsausstattung abge-setzt, von dem was üblich ist. Regale gab es ganz wenige, es gab wenig Stücke, es gab ganz Edles und eswurde edel präsentiert und die Damen kamen und kauften. Das Konzept ging auf. Sie hat ganz klar auf dasSegment teuer gesetzt, auf edel, auf besonderes Image. Es waren Einzelstücke für besonders betuchte Da-men. Nur in diesem einem Geschäft in Hamburg, exklusives Geschäft, exklusive Mode, exklusiver Preis.Dies war ihre Geschäftsstrategie, dies war ihr Image. Es ging auf. Jil Sander hat dieses Konzept in mehrereStädte übertragen und hat auch da gut verkauft. Da gab es noch kein Parfüm von Jil Sander, es gab nurMode. Sie hat bewusst diesen Weg gewählt. Diesen Vertriebsweg, nur in Einzelgeschäften: Jil Sander. Siehat nur mit ihrem Gesicht geworben. Jil Sander war die Marke. Sie hat sich selbst präsentiert.

Als nächstes verkaufte sie Accessoires und Parfüme; hier hat sie ihre Strategie gewechselt und ist umge-

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sprungen. Diese Artikel waren neuerdings auch bei Karstadt oder in der guten Parfümerie erhältlich. JilSander Parfüme gibt es mittlerweile in jedem Discounter. Sie hat an dieser Stelle, sozusagen die Linie ver-lassen. Sie hat gesagt, Das mache ich nicht als exklusives Image, das Parfüm sollen sich mehrere ansprü-hen.

Praxisbeispiel 2

Hennes & Mauritz sagt Ihnen sicherlich auch etwas. Was fällt Ihnen dazu ein? Mode. Was für Mode?Frisch, jugendlich, farbenfroh, kindgerecht, schnelllebig, wunderbarer Preis, kann ruhig mal was kaputt ge-hen, nicht so hochwertige Qualität, trendy, schnell gekauft, schnell kaputt, schnell weggeschmissen, kostetaber auch nicht viel. Modern. Wo wird Hennes & Mauritz präsentiert? An der Litfasssäule. Wie sehen dieModels aus? Jung, spritzig, also das, was jede/r sich immer erhalten möchte. Ganz klar ein Image von jung,spritzig, kann sich auch ein Jugendlicher leisten.

Hennes & Mauritz-Geschäfte wie sehen die aus? Voll, eng. Es läuft trendy Musik, die Leute sind gutdrauf. Nach einem Einkauf dort sind die Taschen voll, weil Sie für wenig Geld viel mitnehmen können. Essind immer aktuelle und moderne Produkte in den Regalen. Geschäfte von Hennes & Mauritz versucht dieGeschäftsleitung immer auf eine Straßenecke zu platzieren. Geworben wird auch mit Zeitungsbeilagen. Wirhaben es hier mit einem ganz anderen Image zu tun, mit einer ganz anderen Verkaufsstrategie. Daran wirddeutlich, dass das transportierte Image immer auch etwas mit den Methoden, wie Sie in der Öffentlichkeitauftreten, zu tun hat. Wollen Sie also eher edel wirken, dann werben Sie nicht mit irgendwelchen Zeitungs-blättern, dann werden Sie nur in Max o. ä. Zeitschriften auftauchen. Hennes & Mauritz will die Massetreffen, demnach müssen Sie auch in die Masse gehen und auch ihre Kommunikationswege auf die Masseausrichten.

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Marketing in der Fünf-Tage-Gruppe

Unternehmensphilosophie

Auch die Fünf -Tage-Gruppen-Betreiberinnen und Betreiber greifen auf eine Philosophie für ihr Angebotzurück. Im Folgenden wurde das Angebot unter Marketinggesichtspunkten durchdeklariert. Stichworte hier-zu sind:

· das Angebot ist gemeindenah, d. h. die Kinder und Jugendlichen werden in der näheren Umgebung un-tergebracht,

· es ist präventiv und verhindert ggf. einen stationären Heimaufenthalt,· es ist systemisch, d. h. eine gewisse Kontinuität und Regelmäßigkeit in den Beziehungen (beispielswei-

se Schule, Freundeskreis) bleiben erhalten,· es ist familiennah, weil es Kinder bzw. Jugendliche nicht vollständig aus der Herkunftsfamilie heraus-

nimmt,· es ist ressourcenorientiert und spart ca. 25 Prozent der Kosten gegenüber der stationären Unterbringung.

Zielgruppe / MarktWir haben es mit verschiedenen Zielgruppen zu tun:Die eine sind Kinder und Jugendliche, die Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen in ihrerFamilie, der Schule und/oder in ihrem sozialen Umfeld zeigen, denen mit ambulanten oder teilstationärenHilfeformen keine ausreichende Unterstützung geboten werden kann.

Die andere sind die Eltern bzw. Bezugspersonen, die Unterstützung bei der Bewältigung aktueller familiärerProbleme benötigen, da sie momentan nicht in der Lage sind, alleinverantwortlich die Erziehung und Ver-sorgung ihrer Kinder zu gewährleisten.

Zielgruppe sind zu dem die Jugendämter, die an einer möglichst kurzen Verweildauer und geringen Kosteninteressiert sind.

Die Vorteile der Fünf -Tage-Gruppe für die Eltern:· die Eltern werden entlastet, der Druck in der Familie wird durch das Herausnehmen des Kindes/des

Jugendlichen vermindert,· der Verbleib in der Familie wird gesichert,· Eltern können berichten, dass ihre Kinder im Internat (einige Träger nennen die Fünf -Tage-

Gruppe so) sind, dies bedeutet: kein Heimaufenthalt, dadurch Entstigmatisierung,· Ressorcenanalyse der Erziehungs- und Systemkompetenzen,· Unterstützung durch die Mitarbeitenden zur Reintegration, Erlernen von Erziehungsmodellen,

Kommunikation,· das Kind/der Jugendliche wird nicht in ein Heim abgeschoben , dadurch gutes Gewissen, verant-

wortungsbewusstes Handeln,· Wertschätzung, Belohnung für die aktive Teilhabe am Erziehungsprozess durch andere Eltern und

Mitarbeitende

Die Vorteile der Fünf -Tage-Gruppe für die Kinder / Jugendlichen:· die Kinder und Jugendlichen verbleiben während der gesamten Hilfe in ihrem gewohnten sozialen

Umfeld, d. h. ein Schulwechsel ist nicht nötig, der soziale Bezug zu Freunden bleibt erhalten,· sie sind schnell wieder zu Hause, der Kontakt zu den Eltern bleibt erhalten, keine Entfremdung,· durch die Fünf -Tage-Gruppe wird eine gute Grundversorgung gewährleistet, interessantes Umfeld,· Aktivitäten in der Freizeit (Hobby) werden gefördert,· positive Verhaltensweisen werden gefördert, neue eingeübt, Kinder und Jugendliche werden ernst

genommen und wertgeschätzt,· adäquate Schulförderung,· keine Stigmatisierung durch Heimaufenthalt

Die Vorteile der Fünf -Tage-Gruppe für die Jugendämter· Die Kostenersparnis gegenüber einem Heimaufenthalt beträgt rund 25 Prozent,· d. h. gute Qualität für wenig Geld,· gute Familienarbeit, durch die Einbeziehung der Eltern, dadurch kurze Verweildauer,· Elternbeteiligung und Elternverantwortlichkeit wird gestärkt, keine Entmündigung,

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· dadurch Ressourcenerhaltung und entwicklung,· gute Planung, situationsbezogen modifiziert· Transparenz, durch Beteiligung aller,· Zuverlässigkeit durch passgenaue Absprachen,· Konfliktbereitschaft und fähigkeit wird gestärkt,· Controlling, Dokumentation,· Aufsuchende Familienarbeit

ProduktSchaut man sich den Markt und die einzelnen, oben aufgeführten Marktinteressenslagen an, sollte das Produktfolgend Ausprägungen erhalten:

· Implementierung von Beteiligungs- und Partizipationsformen der Eltern sowie der Kinder und Jugend-lichen, verantwortungsvolles Planen, Umsetzung z. B. Elternabend,

· Analyseeinheit zur Feststellung von Kompetenzen und Ressourcen, Lernteile für Kommunikation, sozi-ale und emotionale Kompetenz, System- bzw. Familientraining,

· Einzelförderung der Systemteile Eltern Kind,· Erhaltung und Einbeziehung des Umfeldes,· Lernen am Gruppenmodell,· Elternpflege, Elternarbeit Hilfe zur Selbsthilfe,· Planungs-, Dokumentations- und Controllinginstrument,· Regional verortet und infrastrukturelle Anbindung,· keine Beziehungsabbrüche Nachsorge ,· Zusatzleistung Therapie ,· Schulische Unterstützung bzw. Elternverantwortung,· Kostengünstig

Qualität und Kostenbewusstsein müssen in einer guten Produktabstimmung zwischen Anbieter und Nachfragerermittelt werden. Ein Controlling, das die Qualität und die Kosten im Blick hat, sollte selbstverständlich sein.

DistributionswegeWerden die Vertriebswege genauer betrachtet, so wird deutlich, dass wir uns nicht auf einem freien Käufermarktbefinden. Das Produkt ist nicht frei zu erwerben sondern gründet auf einem Vertrag zu Gunsten Dritter, der imRahmen der Hilfe nach §§ 27 ff. geschlossen wird.

· Schule,· Psychiatrie,· Jugendamt,· Stadtteilnetzwerke / Kirche und· Mundpropaganda

sind wohl die häufigsten Vertriebsformen.

Kommunikation Werbung ÖffentlichkeitsarbeitHier gilt es die oben herausgearbeiteten Besser- bzw. Alleinstellungsmerkmale in den Vordergrund der Strategiezu stellen. Wichtig ist, dass Sie für Ihr Produkt brennen , dass Sie von dem Produkt überzeugt sind. Sie könnennur verkaufen, was Sie haben!Wenn Sie nun Ihr Produkt Fünf -Tage-Gruppe am Markt platzieren wollen und es sich um eine Markteinführunghandelt, werden Sie anders vorgehen als bei einer Markterweiterung aus einem Marktbestand heraus. Bei derMarkteinführung gilt es erst einmal, strategisch das Interesse für das Produkt zu wecken, das Produkt bekannt zumachen. Wie sagte schon Karl Marx: Das Produkt schafft den Konsumenten. Dieses Interesse können Sie mitfolgenden Bausteinen wecken:

· Fachaufsätze schreiben,· Fachtagungen durchführen,· Hospitation in bestehenden Gruppen anbieten,· Kosten-Nutzen-Analysen erstellen,· Konzeptvorstellung / Konzepterarbeitung hin zum Modell, gemeinsam mit dem Jugendamt,· bei funktionierender Jugendhilfe-Planung: Einbringen des Konzeptes in den Unterausschuss Jugendhil-

fe-Planung,· Modell beschreiben, zeitlich befristen mit einer Begleitung durch AG Jugendamt Träger, Evaluation

und Reflexion sind selbstverständlich

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Bei guter Kooperation werden Sie Ihr Amt werben, mitnehmen und es von dem Mehrwert für die Klientinnenund Klienten überzeugen.

MarktbestandEtwas anders werden Sie vorgehen, wenn Sie bereits am Markt sind. Dann wird Ihr Ziel sein, neue Märkte zu er-schließen und/oder ihrer Konkurrenz Marktanteile abzunehmen. Es kann aber auch darum gehen, den Bestanddes Produktes bei Produktüberprüfungen durch die finanzielle Angespanntheit der öffentlichen Träger schadloszu überstehen. Hier sollten Sie sich:

· von anderen Angeboten abgrenzen, Besonderheiten herausstellen,· Qualifizierungssysteme bekannt machen (Qualifizierung, Supervision, Fachcontrolling) und aktiv damit

werben,· Ergebnisse Ihrer Arbeit (Qualität und Preis) evaluieren und kommunizieren,· Erfahrungsberichte von Eltern und Kindern veröffentlichen,· Öffentlichkeitsarbeit (Zeitung, Texte, Jahresberichte),· Videos von Freizeiten versenden

Sicher konnten die hier getroffenen Ausführungen nur Vorschläge sein, die Ihnen eine Anregung geben, wie SieIhre Arbeit strategisch und planerisch mit Instrumenten des Marketings am Markt platzieren.

Ich bin mir sicher: ohne ein strategisches Vorgehen, das an einem Leitgedanken und einer Geschäftsphilosophieausgerichtet ist, geht es nicht! Nur wenn alle Mitarbeitenden in Ihrem Unternehmen Jugendhilfe wissen, wohindie Reise geht, werden sie mithelfen, den Weg zum Ziel zu finden.

Klaus RothGeschäftsführer Start gGmbH

Dr.-John- Rittmeister-Str. 606406 Bernburg

[email protected]