Martin Dibelius Der Brief des Jakobus, 12. Auflage Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue...

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  • Kritisch-exegetischer Kommentar ber das Neue Testament

    Begrndet von Heinrich August Wilhelm Meyer

    Herausgegeben von Ferdinand Hahn

    Fnfzehnter Band - 12. Auflage

    Der Brief des Jakobus

    -Gttingen . Vandenhoeck & Ruprecht . 1984

  • Der Brief des Jakobus

    Erklrt von Martin Dibelius

    mit Ergnzungen von Heinrich Greeven

    6. Auflage dieser Auslegung mit einem Literaturverzeichnis und Nachtrag

    herausgegeben von Ferdinand Hahn

    -Gttingen . Vandenhoeck & Ruprecht . 1984

  • Frhere Auflagen dieses Kommmurs: I. Auflage von I. E. Huther 1857 2. ). 4. 5. 6. 7. 8. 9.

    10. 11.

    W. Beyschlag

    Martin Dibelius

    CI P-KI4Tztile"'l4{ruhme der Del4tschen Bibliothek

    186) 1870 1882 1888 1898 1921 1956 1957 1959 1964

    Kritucb-t%,g,tuchn Komrrwnt.r ilbn ,uJ N,,,, TtJ""",," / begr. von Heinrich August Wilhelm Meyer. Hrsg. von Ferdinand Hahn.-Guingen : Vandmhoeck und Ruprecht

    Teil ... ist kein Hrsg. ang~eben NE: Meyer, Heinrich August Wilhelm I Begr.]; Hahn, Ferdinand IHng.] Bd. 15. Dibelius, Martin: Der Brid des Jakobus. - 6. Aufl. dieser Auslegung mit e. Literaturverz. u. Nachtr. hrsg. von Ferdinand Hahn. -1984

    DibthMJ, M.rtin: Der Brid des Jakobus / erkJ. von Manin Dibelius. Mit Erg. von Heinrich Greevm. - 6. Auf!. dieser Auslegung mit e. Literaturverz. u. Nachtr. hrsg. von Ferdinand Hahn. - Guingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1984.

    (Kritisch-exegetischer Kommmtar ber das Neue Testament ; Bd.15)

    ISBN l-525-51612-6 NE: Greevm, Heinrich (Bearb.]

    C Vandenhoeck & Ruprecht. Gningen 1964. - Printed in Germany. -Ohne ausdrckliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestauet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu verviel-fltigen. - Gesamtherstellung: Hubert & Co., Gttingen

  • Jn~alt

    Vorwort............................................................ 7 Abkrzungen ....................................................... 10 Einleitung

    1. Die literarische Gattung des Jakobusbriefes .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . t 3 2. Der Verfasser des Jakobusbriefes .................................... 23 3. Religionsgeschichtliche Beziehungen ................................. 35 4. Literarische Beziehungen ........................................... 43 5. Sprache und Stil .................................................. 53 6. Arm und Reich ................................................... 58 7. Entstehungsverhltnisse ............................................ 67 8. Ethos............................................................ 69 9. Schicksale ........................................................ 74

    10. Literatur ......................................................... 8 t 11. Der Text. . . . . . . . . .. . . . . .. .. . ... . ..... ...... .... ...... .... .. .... .. 85

    Erklrung Prskript tl ......................................................... 93 1. Spruchreihe : von Versuchungen tz-J8 ... 97 2. Spruchreihe : vom Hren und Tun 11"27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Abhandlung: vom Ansehen der Person 21-13 ................ 156 4. Abhandlung: von Glauben und Werken 21N. . ....... . . . . .. 184 5. Abhandlung: von der Zunge 31-12 ................ 222 6. Spruchgruppc: wider Streitsucht 313-4IS .................... 249 7. Spruchgruppe : wider weltlich gesinnte Kaufleute und Reiche 41:1--501 .... 274 8. Spruchreihe mit wechselndem Thema 57-io ....................... 287

    Grere Exkurse Die literarischen Beziehungen von Jak IN .............................. 103 Die rhetorische Form der Kettenreihe .................................. 125 Die Beispiele im Jakobusbrief ......................................... 161 Das Abraham-Beispiel ................................................ 206 Glaube und Werke bei Paulus und Jakobus ............................. 214

    Anhang Neuere Literatur zum Jakobusbrief

    (in Verbindung mit Cilliers Breytenbacb erarbeitet von Ferdinand Hahn) 311 SchI ssel zu den Ergnzungen von Heinrich Greeven

    (zusammengestellt von Cilliers Breytenbacb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

  • 'DOrtDort

    Dieser Kommentar stellt sich die Aufgabe, den Jakobus-Brief als Zeugnis der urchristlichen Parnese zu verstehen und seine Probleme aus der Bedingt-heit dieser Parnese, ihrer Oberlieferungsart und ihrer christlich-jdisch-hel-lenistischen Zusammensetzung zu erklren. Ich hoffe allerdings, da auch Leser, die diese Betrachtungsweise ablehnen, in diesem Buche finden, was sie brauchen. Rechtfertigen kann meine in der Einleitung kurz vorgetragene Anschauung nur der Kommentar; zum Verstndnis ihrer Entstehung sollen die folgenden ~orte beitragen.

    Das Studium der Katholischen Briefe wird von einer Schwierigkeit gedrckt, die in der literarischen und religisen Art dieser Schriftstcke begrndet liegt. Wer von den Paulus-Briefen herkommt, ist gewohnt, in urchristlichen Briefen lebendige Zeugnisse bestimmter Gemeindezustnde zu sehen und berdies noch originale Kundgebungen einer schpferischen Persnlichkeit. Er wird bei den Katholischen Briefen - vielleicht mit Ausnahme der johanneischen -schwer enttuscht werden; zumal der Jakobus-Brief ist weder das eine noch das andere. Die bei den Paulus-Briefen oft und glnzend bewhrte Methode, aus Mahnungen und Warnungen wirkliche Zustnde zu erschlieen, fhrt hier zu keinem Erfolg; denn wenn man sie wirklich ernsthaft durchfhrt, erhlt man statt eines lebensvollen Bildes von bestimmter Prgung ein seltsames und unwahrscheinliches Gemisch von ursprnglicher Bewegtheit und zweifellosem Verfall. Im Jakobus-Brief handelt es sich eben nicht um die Wirklichkeit einer bestimmten Gemeinde, sondern um Mglichkeiten der gesamten Urchristenheit; darum knnen seine Worte nicht als Anspielungen auf bestimmte Vorgnge innerhalb einer Einzelgemeinde verstanden werden. Sogar die Individualitt des Verfassers, von der die Paulus-Briefe ein so beredtes Zeugnis ablegen, tritt zurck, denn der Autor ist weder Schriftsteller noch Prophet, sondern Lehrer und strebt als solcher nicht so sehr danach, neue Gedanken zu prgen, sondern alte \'

  • 8 Vorwort

    klrung nicht durch die Diskussion ber den Zusammenhang immer wieder zu zerreien, habe ich die Errterung dieser Probleme jeweils am Anfang eines Abschnitts in einer Analyse" zusammengestellt. Die Forderung, da eine solche Analyse des Abschnitts jeder Er klrung einer einzelnen Stelle vorherzugehen hat, soll damit nachdrcklich unterstrichen werden.

    Eine zweite Notwendigkeit ergab sich aus dem Bestreben, die Einzelmahnung aus der Geschichte der ethischen Tradition heraus zu verstehen. Es galt weniger Parallelen aus den verschiedensten Richtungen zusammenzutragen, als viel-mehr Belege aus bestimmten Kreisen zu sammeln, an denen sich eine gewisse Genealogie beobachten lie. Darum findet der Leser viele Zitate aus Sirach und den Sprchen der Vter", aus Pseudo-Phokylides und Philo, aus den Testamenten, aus Hermas, aus Epiktet und Mark Aurel, Seneca und Plutarch. Vieles habe ich aus Raumgrnden zurckstellen mssen; aber ich danke es der Verlagshandlung, da sie in Rcksicht auf die besondere Art der Probleme mich den ursprnglich geplanten Umfang des Kommentars um einen Bogen erweitern lie. Er erscheint nun in derselben Bogenzahl wie sein Vorgnger, der Beyschlagsehe Kommentar. Da er mit diesem nur die Stellung im Rahmen des Meyerschen Sammelwerks gemeinsam hat, brauche ich nach allem schon Gesagten kaum mehr zu betonen.

    Der Jakobus-Brief verliert nichts, wenn er, wie ich es hier versuche, als Niederschlag der Tradition und als Ermahnungsschrift fr das Alltagsleben der Christen verstanden wird. Denn in der Geschichte der Ethik kommt es nicht nur auf die Entbindung schpferischer Krfte an, sondern ebensosehr auf die Umsetzung dieser Krfte in Massenbewegung. Im Bereich dieser zweiten Aufgabe hat der Verfasser unserer Schrift sein Werk getan und tut es noch heute, ein Namenloser aus den Vielen redet er zu den Vielen von der Ver-christlichung seines und ihres Lebens. Diese Auffassung des Jakobus-Briefes als eines Buches der Massenlosungen berhrt sich aufs engste mit hchst aktuellen Fragen; um Mideutungen vorzubeugen. mchte ich aber ausdrck-lich bemerken, da mir dieses Verstndnis der Schrift im wesentlichen schon feststand, als ich lngst vor Krieg und Revolution in Jahre 1910 die Bearbeitung bernahm. DieVollendung des Manuskripts hat sich so lange hinausgezgert, vor allem weil Kriegsarbeit mannigfacher Art mich drei Jahre lang von literarisch-wissenschaftlicher Ttigkeit feIn hielt. Ein weiteres Hindernis bildeten die un-gnstigen Arbeitsverhltnisse der Heidelberger Universitts-Bibliothek in den letzten Wintern. Sie mute z.B. im Dezember 1917 als einzige deutsche Uni-versitts-Bibliothek wegen Kohlenmangels geschlossen werden und bis April 1918 geschlossen bleiben, da die fr ihre Zwecke gelieferten Kohlen bei ihrer Ankunft in Heidelberg von der Orts kohlen stelle beschlagnahmt wurden.

    Das groe Problem, das die Entstehung der urchristlichen Ethik der For-schung stellt, kann in einem Kommentar zum Jakobus-Brief natrlich nicht in seinem vollen Umfang abgehandelt werden. Wohl aber vermag die Lektre des Jakobus-Briefes dem Studierenden den Blick zu schrfen fr dies Problem, das mit wesentlichen Fragen nicht nur unserer Wissenschaft, sondern unseres Lebens in unmittelbarer Beziehung steht. In solcher Art sehen zu lehren, scheint mir des Kommentars vornehmste Aufgabe.

    Hcidelberg, im September 1920. Martin Dibclius

  • llorwort iur 12. ~uflagr

    Der Kommentar von Martin Dibelius ist ein Markstein in der Erforschung des Jakobusbriefes. Deshalb soll das Werk in unvernderter Fassung wieder erscheinen. nur ergnzt durch Nachtrge. die nach mehr als 60 Jahren dem Benutzer die Weiterarbeit erleichtern knnen.

    Unter den Nachtrgen steht an erster Stelle eine Bibliographie. die die wichtigste seit 1921 erschienene Literatur erfat (dabei ist das Abkrzungs-system der TRE magebend). Es folgt ein Schlssel zu den 1964 eingearbei-teten und in der Neuauflage beibehaltenen Ergnzungen von Heinrich Gree-ven. Da es sich nur um relativ wenige und sehr behutsam vorgenommene Nachtrge handelt. lieen sie sich leicht kennzeichnen. was dem Leser ermglicht. berall die ursprngliche Fassung von 1921 samt den Ergn-zungen aus dem Handexemplar von Dibelius zu rekonstruieren (allerdings nicht die alten Seitenzahlen, da 1964 ein Neusatz erfolgte). Von dieser Liste ausgenommen sind die von Greeven durchgefhrten Umstellungen auf neuere Bezeichnungen der textkritischen Zeugen. Im Bereich der Text-kritik hat sich allerdings die Situation seit 1964 erneut gendert. was durch das Erscheinen der 3. Auflage des Greek New Testament und der 26. Auf-lage der Textausgabe von Nestle-Aland dokumentiert ist (die neuen Text-ausgaben sind in jedem Fall zu vergleichen. eine Anpassung war mit Rck-sicht auf den photomechanischen Neudruck nicht mglich). Eine neue Editio maior mit dem Jakobusbrief als erster Lieferung ist im Institut fr Neutestamentliche Textkritik/Mnster in Vorbereitung. Verndert hat sich auch die Lage bei zahlreichen antiken Texten. wo inzwischen ne~e text-kritische Ausgaben erschienen sind. die im Einzelfall heranzuziehen und zu vergleichen sind; vor allem sei daran erinnert. da Dibelius noch die Septuaginta-Ausgabe von Swete benutzt hat.

    Zu danken habe ich meinem Mitarbeiter im Neutestamentlichen Institut der Evangelisch-Theologischen Fakultt Mnchen. Herrn Dr. Cilliers Brey-tenbach. ohne dessen Hilfe die umfangreiche Bibliographie nicht zustande gekommen wre. Fr mhsame technische Arbeiten bei der Bcherbe-schaffung und der Kontrolle der Einzelangaben sei Frau stud. theol. Susanne Kieling gedankt.

    D.as Buch erscheint in Neuauflage kurz nach dem 100. Geburtstag von Martin Dibelius (* 14. 9. 1883). Fr sein Lebenswerk sei verwiesen auf den Aufsatz von Werner Georg Kmmel. Martin Dibelius als Theologe (in: ders . Heilsgeschehen und Geschichte I. Marburg 1965. S. 192-206). Eine Bibliographie der wissenschaftlichen Verffentlichungen von Martin Dibe-lius findet sich in seiner von mir neu herausgegebenen Geschichte der ur-christlichen Literatur (ThB 58. Mnchen 1975. S. 174-180).

    Ferdinand Hahn

  • Asc. Jes. = Ascensio Jesaiae Barn - Barnabas-Brief Benj. = Benjamin (Test.) BFTh = Beitrge zur Frderung christi. Theologie BG U = Agypt. Urkunden aus den Knig!. Museen zu Berlin, Griech. Urkunden c hochgestellt = Korrektor (bei Handschriften-Bezeichnungen) Corp. Herrn. = Corpus Hermeticum, hrsg. v. A. D. Nock, I und XIII ziticrt ruch

    CPR CSCO Did

    Reitzenstein, Poimandres - Corpus Papyrorum Raineri = Corpus scriptorum christianorum orientaliurn = Didache

    Dittenberger, Or. inscr. = Orientis Graeci inscriptiones selectae ed. Dittenberger FRLANT - Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen TCH:!-

    GGA Hen HNT Ign. JBL JDTh JPTh Jub(il). Kautzsch

    Kle:n Klem. Horn. Magn. Mand. Min. MPG MPL NJDTh NKZ

    ments - Gttingische Gelehrte Anzeigen - Henoch - Handbuch zum Neuen Testament, hrsg. v. H. Lietzmann - Ignatius - Journal of Biblical Literature - Jahrbcher fr Deutsche Theologie - Jahrbcher fr Protestantische Theologie - Buch der Jubilen - Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Tesr.lmcms, hr;g.

    von Kautzsch - Klemens( -Brief) - Klementinische Homilien - Magnesier - Mandata (Hermas) - Minuskel - Migne, Patrologia graeca - Migne. Patrologia latina - Neue Jahrbcher fr deutsche Theologie - Neue Kirchliche Zeitschrift

    NovTest - Novum Testamentum. Leiden NTS - New Testament Studies. C.ambridge Occ - Oecumenius siehe S. 82 Orac. Sib(yll). = Oracula Sibyllina Philad. - Philadelphier Phok. - Phokylides Polyk. - Polykarp P.Oxy. = The Oxyrhynchus Papyri PRE3 = Realencyklopdie fr prot. Theologie lind Kirche, 3. AuA. P. Tebt. - The Tebtunis Papyri RGG - Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwrterbuch RVV - Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten SBA - Sitzungsberichte der Berliner Akademie

  • Abkrzungen

    Seb. - Sebulon (in den "Testamenten") Sim. (Test.) - Simeon (in den "Testamenten") Sim.(Hermas) = Similitudo (Hermas) StKr - Theologische Studien und Kritiken StTh - Studia Theologica, Lund Test. = Testamente der zwlf Patriarchen Th - Theodotion Theoph - Theophylact siehe S. 82 ThLBI - Theologisches Literaturblatt ThLZ - Theologische Literaturzcitung ThQ - Theologische Quartalschrift ThT - Theologisch Tijdschrift

    11

    ThWB - Theologisches Wrterbuch zum Neuen Testament, hrsg. v. G. Kittel ThZ Theologische Zeitschrift, Basel Trall. = Trallianer TU - Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur Vis. - Vision (Herrn.) ZA W Zeitschrift fr die alttestamentliche Wissenschaft ZKG - Zeitschrift fr Kirchengeschichte ZKWL - Zeitschrift fr kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben ZNW - Zeitschrift fr die neutestamentliche Wissenschaft ZWTh - Zeitschrift fr Wissenschaftliche Theologie

    Die LXXZitate dieses Kommentars folgen in der Zhlung der Kapitel und Verse der Ausgabe von Swete.

    Die Psalmen werden meist nach der Zhlung des masoretischen Textes und der der LXX genannt; die an der betreffenden Stelle weniger naheliegende Art der Zitierung steht dabei in Klammern. An den andern Stellen ergibt der Zusammenhang, ob es sich um den hebrischen oder griechischen Text handelt.

    Joscphus ist nach den Paragraphen Nieses zitiert, die sich auch in der Ausgabe von Naber finden, Philo nach den Paragraphen Cohn-Wendlands und den Seitenzahlen Mangeys. Den babylonischen Talmud zitiere ich im allgemeinen nach der Ausgabe von Laurus Goldschmidt, soweit sie erschienen ist; die Mischna nach den neueren Einzel-ausgaben (Pirke Aboth in der Zhlung von Strack).

    Die textkritischen Abkrzungen sind S. 85ff. verzeichnet, die nur mit kurzer Namens-angabe zitierten Kommentare S. 83 ff.

  • Glnleltung .. Wenn der Brief Itrobcm ist, 10 ist in dem

    Stroh vid ltarke, feste, nahrhafte, nur unaus-gelegte unausgetreteDe Frucht."

    Hetder (aus der ersten Niedencbrift zu .. Briefe zwecoer Brder Jesu in unsenn Kanon" WW. vn, 500 A. 2 Supban).

    1 . .l)(t llttrarlrdlt (Jattung bta yafobuebr(rfta Wer ein Schriftstck als Ganzes verstehen will, mu von seiner litera-

    rischen Art eine Vorstellung haben; sonst kann es geschehen, da er einen Roman mit einer Geschichtsdarstellung, einen amtlichen Erla mit einem Privatbrief verwechselt. Whrend aber die Gattungen unseres heutigen Schrifttums sich zumeist in der Art der Verffentlichung zu erkennen geben, mssen wir bei urchristlichen Schriften - und so auch beim Jak - auf dieses Kriterium verzichten. Denn wir wissen ber die Verffentlichung dieser "Bcher", die uns nur als Teile der Bibel er-halten sind, nichts Gewisses. Auch der Umstand, da der Jak nach seinem Anfang, seiner Einreihung in das Korpus der "katholischen" Briefe, der von den Sammlern ihm gegebenen Uber- oder Unterschrift und der kirchlichen Tradition als "Brief" zu betrachten ist, hilft uns nicht weiter. Denn die Feststellung der Briefform entscheidet, in jener Zeit zumal, noch nicht ber die literarische Gattung. Nicht nur gab man, wie Epikur und Paulus, Lehren in brieflicher Form - diese Briefe wurden ja wirklich abgesandt, waren also echte "Briefe" -, sondern man bediente sich auch der Briefform als einer bloen literarischen Ein-kleidung 1, erfand Briefe von Philosophen und Frsten aus biographisch-persnlichem wie aus fachwissenschaftlichem Interesse 2 und bezeichnete auch Schriftstcke, deren Text nicht das kleinste Kennzeichen eines Briefes enthielt, wie den Barnabas- und den 2. Klemensbrief als "Briefe".

    Das Schriftstck selber ist es, das allein uns Aufschlu ber seine Gat-tung geben kann. Wir mssen den Inhalt des Jak und seinen Zweck, seine literarische Technik, seinen "Stil" feststellen, d. h. wir mssen ihn analysieren. Im Kommentar ist jedem Abschnitt eine' Analyse vorange-stellt; die Ergebnisse dieser Einzel-Analysen fasse ich hier zusammen.

    1 Vgl. R. Hind, Der Dialog 1895, 300ft'. 353ft'. I Vgl. auer Hind a.a.O. noch Christ's-Schmid, Geschichte der griechischen Litera-

    tur II &1909, 365ft'. und Ropes in der Einleitung zum Kommentar 2.

  • 14 Einleitung

    Danach erweist sich das Kernstck des Jak, 21-312, als aus drei abhand-lungsartigen Ausfhrungen zusammengesetzt; sie zeigen in ihrem bald die Leser apostrophierenden, bald mit dem Gegner diskutierenden, bald lehrhaft vortragenden Stil- mit Ausnahme des isolierten Spruches 213 -die Art der Diatribe, wie wir sie vor allem aus Epiktet und in anderer Gestaltung beispielsweise aus Philos Schriften kennen (s. Einleitung 5) 1. Anderer Art ist, was diese Ab h a n d I u n gen einrahmt. 313-56 stehen zum Teil kleinere Abschnitte, die in sich geschlossen sind (318-17 41-6 413-16), zum Teil weniger einheitliche Texte, auch isolierte Sprche wie 318 und 417. Man wird hier von S p ru c h g r u p p e n reden knnen in demselben sehr allgemeinen Sinn, wie die berlieferung der Propheten-Reden und der Worte Jesu kleine und grere Einheiten zu Gruppen verbunden hat. Vllig eindeutig ist dagegen der Charakter von 11-27 57-20. Hier herrscht die Form des kurzen oder erweiterten Spruches vor, und diese Worte sind gewhnlich nur ganz lose aneinander gehngt: man wird darum nicht von Gruppenbildungen reden, sondern die betreffenden Abschnitte nur als Spruchreihen bezeichnen knnen. So mannigfaltig das Ergebnis dieser Analyse auch ist, so lehrt es doch ein einheitliches Merkmal des Jak erkennen: es fehlt in dem ganzen Schriftstck der gedankliche Zusammenhang, sowohl zwischen den Abhand-lungen wie zwischen den Sprchen und sonstigen kleinen Einheiten. Dabei soll dem Jak nicht jede einheitliche Note abgesprochen werden (vgl. Einleitung 8); ich betone damit zunchst nur den Hauptunterschied unseres Textes von zusammenhngenden Ausfhrungen, wie sie den gr-ten Teil der Paulusbriefe fllen 2

    Ober die Frage der Brieflichkeit ist damit allerdings noch nicht ent-schieden. Denn es gibt in den Briefen des Paulus und des Ignatius Ab-schnitte, die unserem Jak hnlich sehen. Aber sie sind dort doch von anderen Abschnitten entschieden brieflicher Art eingerahmt und stehen somit in einem Schriftstck, das eine Briefsituation hat, das Korrespon-denz sein will. Wir mssen also nach Andeutungen einer solchen Brief-si t u a ti 0 n fragen, wenn wir zu entscheiden haben, ob der Jak ein Brief ist oder wenigstens einen wirklichen Brief fingieren will (wie die Pastoral-briefe es wollen). Davon, da der Verf. sich aus persnlichen oder sach-lichen Grnden gedrungen fhlt, gerade in diesem Augenblick dies

    1 Vgl. auer Ropes E. Norden. Antike Kunstprosa I 1915. 129f.; A. Bonhoefrer. Epiktet und das Neue Testament (RVV X) 1911; R. Bultmann. Der Stil der paulinischen Predigt und die kynischstoische Diatribe (FRLANT 13) 1910; P. Wendland. Philo und die kynisch-stoische Diatribe. in P. Wend land und O. Kern. Beitr. z. Gesch. d. griech. Phil. u. Rel. 1895; ders . Die hellenistisch-rmische Kultur 21912. 75 fr.

    a Der Mangel an Zusammenhang. die Seltenheit in sich geschlossener Gedanken-gnge unterscheidet unseren Jak auch von der Diatribe. Ich kann darum die von Ropes (Einl. z. Kommentar 2) versuchte Charakteristik des Jak als Diatribe nicht anerkennen. Da ein Text kleine Diatriben enthlt (s. oben) und gelegentlich auch sonst stilistische Mittel der Diatribe verwendet (s_ Einl. 5). macht ihn noch nicht zu einer Diatribe.

  • 1. Die literarische Gattung des Jakobusbriefes 15

    Schreiben abzufassen, findet sich in dem Text des Jak nun schlechterdings keine Spur. Das Ich des Verf. tritt nicht hervor; ja, er erwhnt sich ber-haupt nur sehr zurckhaltend an einer fr unsere Frage vllig belanglosen Stelle 31 (denn das Ich in 218 ist rein rhetorisch). ber die Verhltnisse der Leser scheint auf den ersten Blick im Jak viel mehr verraten zu werden; wenigstens haben viele Erklrer aus den verschiedenartigen Warnungen und Mahnungen des Schriftstcks entsprechende Schlsse auf seine Leser gezogen. Von der Berechtigung solcher Urteile wird spter die Rede sein (Einleitung 7). Hier gengt es, festzustellen, da auch jene War-nungen und Mahnungen eine bestimmte Veranlassung des Briefes und somit eine eigentliche Briefsituation nicht erkennen lassen. Gewhnlich weist man (Beyschlag, Soden, B. Wei) auf die in 12 erwhnten An-fechtungen hin und betont, da auch 26f. den Gedanken nahelege, da die Leser des Jak unter Verfolgungen zu leiden htten. Aber das 12 an-gerhrte Thema wird alsbald wieder verlassen, und zu 26f. ist im Kom-mentar gezeigt, da diese Verse nicht auf Verfolgungen, sondern auf alltgliche zur Regel gewordene Schinderei der christlichen "kleinen Leute" zu beziehen sind. Auch die anderen Worte des Jak gegen die Reichen lassen, weil sie typische Gegenstze und Stimmungen zum Aus-druck bringen (Einleitung 6), keinerlei briefliche Situation erschlieen. Nirgends sagt der Verf., da er gerade darum jetzt an die Leser schreibe, weil er dies oder jenes von ihnen gehrt habe; nirgends spricht er so erregt und so ausfhrlich von einer aktuellen Gefahr, da wir diese Sorge als das seinen "Brief" auslsende Moment erkennen.

    Aber es fehlen im Jak nicht nur Andeutungen einer Briefsituation, sondern auch alle Arten brieflicher uerung berhaupt. Wir ver-missen nicht nur Mitteilungen, Auftrge und Gre; wir suchen auch vergeblich nach einem Briefeingang, einem Promium, in dem der Faden der Korrespondenz zwischen Briefschreiber und Leser neu ge-schlungen oder wieder angeknpft wird. Es fehlt auch jede Art von Brief-schlu ; statt des Spruches 519f. knnte ebensogut eine andere von den Mahnungen des Jak am Ende stehen. Das Prskript 1t erscheint demnach als das einzige briefliche Element des ganzen Schriftstckes.

    All diese Beobachtungen machen es unmglich, den Jak fr einen wirklichen Brief zu halten. Nicht die - nur in 1t angedeutete - Brief-form ist fr ihn charakteristisch; seine formalen Eigentmlichkeiten reihen ihn einer anderen Gattung ein. Die nchste formale Parallele zum Jak im Neuen Testament bilden allerdings gewisse Abschnitte der Paulusbriefe, aber es sind ihre unbrieflichsten Abschnittei. 1Thess 41-12 511. Gal51S1r. 6 Rm 12. 13 Ko13. 4 finden sich Texte, die genau so wie Jak 1. 31311.4.5 Sprche und Spruchgruppen enthalten von mannig-

    1 Vgl. :zum Folgenden meine Schrift: Die Formgeschichte des Evangeliums 11933, 239ff.

  • 16 Einleitung

    faltigstem Inhalt, in bunter Anordnung und ohne jede Betonung eines besonderen, gerade in dieser Situation aktuellen Gedankens. Diese parnetischen Teile der Paulusbriefe besitzen nicht den Reiz und die Eigenart der brigen Briefabschnitte. Das hngt damit zusammen, da Paulus in der Parnese zumeist nicht Neues schafft, sondern lteres Spruch-Gut weitergibt. Infolgedessen lassen sich zu diesen Paulus-Kapiteln weit mehr Parallelen aus der urchristlichen Literatur beibringen als zu anderen. Auer dem Jak kommen vor allem Hebr 13, Teile des Barnabas-Briefes und der Didache in Frage: berall finden wir Parnese in ungebundener Spruchform ohne eigentlichen Zusammenhang. Auch die Sprche Jesu gehren in diese Reihe. Denn auch die "Reden" Jesu bei Matthus und Lukas bestehen aus Sprchen; diese Sammlungen sind in ihrer losen Zusammenfgung den ersten und letzten Abschnitten des Jak formal auerordentlich hnlich. Und das ist begreiflich; denn auch die Sprche Jesu sind zunchst nicht unter historischem, sondern unter parnetischem Gesichtspunkt gesammelt worden.

    Endlich ist hier noch ein urchristlicher Text zu erwhnen, der mit Recht immer wieder als Parallele zum Jak herangezogen wird: das Mittelstck des Hermas-Buches, die sog. Mandata. Die formale hnlich-keit scheint allerdings auf den ersten Blick zu fehlen, denn was wir bei Hermas lesen, sind ausfhrliche Mahnungen, nicht kurze Sprche. Aber nhere Betrachtung und Vergleiche mit entsprechenden Parallelen (z. B. von Mand. 114ft. mit Didache 47 h) zeigen, da bei Hermas in greren Zusammenhang gestellt und begrndet ist, was anderswo in Spruchform gelehrt wird. Die Mandata des Hermas enthalten also ausgefhrte Parnese; sie stellen - und zwar zumeist in Dialogform - dar, was ein urchristlicher Lehrer zur Erluterung und Anwendung parnetischer Sprche zu sagen hatte. Und damit gewinnen wir nun ein Verstndnis fr die drei Abhandlungen, die das Kernstck des Jak bilden. Denn auch sie enthalten, wie die Analyse zeigt, nichts anderes als Ausfhrungen parnetischer Sprche in spezialisierender oder verallgemeinernder Weise. Nur sind sie nicht in der Dialog-, sondern in der Diatribenform gehalten, die ja bekanntlich dialogische Elemente einschlieen kann (Jak 2wr.!). Da diese Abhandlungen den sie umgebenden Sprchen und Spruch-gruppen nicht wesensfremd sind, ergibt sich auch daraus, da Jak 213 zwischen der ersten und zweiten Diatribe ein isolierter Spruch steht und zwar, wie in der Analyse gezeigt ist, nicht anders angefgt, als wenn es sich um eine Spruchreihe handelte. Einen Ansatz zu einer ausgefhrten Parnese haben wir berdies in dem kommentierten Spruch Jak 411r. vor uns (vgl. die Analyse) - wieder ein Beweis, da diese erweiterte Form dem Jak nicht fremd ist!

    Wir drfen also den J akobus-"Brief" nach Prfung seiner lite-rarischen Art in allen seinen Teilen als Parnese bezeichnen. Unter Parnese verstehen wir dabei einen Text, der Mahnungen allgemein sitt-

  • 1. Die literarische Gattung des Jakobusbriefes 17

    lichen Inhalts aneinanderreiht 1. Gewhnlich richten sich die Sprche an eine bestimmte (wenn auch vielleicht fingierte) Adresse oder haben mindestens die Form des Befehls oder Aufrufs; das unterscheidet sie von dem Gnomologium, der bloen Sentenzen-Sammlung.

    Wir stellen den Jak mit dieser Einordnung in eine groe und bedeut-same Geschichte hinein. Denn die urchristliche Parnese ist nicht denkbar ohne Zusammenhang mit der jdischen und griechischen 2 Die Christen hatten ja zunchst, da sie in Erwartung des Weltendes lebten, weder Neigung noch Fhigkeit, eine ethische Erneuerung dieser \Velt in Angriff zu nehmen, dieser Welt, die doch dem Untergang geweiht zu sein schien. Aber im Lauf der Jahre verlangten die Alltagsfragen von den Gemeinden immer gebieterischer eine Beantwortung im christlichen Sinn. Und die ethischen Weisungen Jesu - das einzige, womit die Christen aus Eigenem dieses Bedrfnis erfllen konnten - umfaten lngst nicht alle Lebens-und Kulturgebiete, fr die man Entscheidungen zu treffen hatte. Es war selbstverstndlich, da die Christengemeinden sich auf diesem Gebiet wie auf anderen die Praxis des Diasporajudentums zunutze machten. Dessen Missionsbedrfnisse hatten bereits geschaffen, woran es den Christen fehlte: sittliche Weisungen fr Neubekehrte. Der in die Didache 1 ff. und den Barnabasbrief (19. 20) aufgenommene jdische Text. die sog. "bei de n Weg e", zeigt deutlich, da und wie die Christen sich der jdischen Hilfe bedienten. Den Reichtum der jdischen Parnese lassen uns christliche Schriften und jdische Autoren wie Philo und J osephus nur ahnen. Aber diese Ahnungen werden gewisser, wenn wir beobachten, welch eine groe und reiche Geschichte die populre Weisheitslehre des Judentums hinter sich hat. Die Spruchdichtung der Weisheitsliteratur hat eine Menge von Sentenzen verschiedener Herkunft und verschiedenen Inhalts ge-sammelt. \Venn diese Poesie sich in Prosa umsetzte. so entstand Parnese in unserem Sinn. So bilden die beiden parnetischen Kapitel des Tobit-buches, ~-19 126-10, eine Parallele zu unserm Jak. Gelegentlich zieht diese Parnese nun wieder ein besonderes literarisches Gewand an; sie ver-kleidet sich gem der Praxis des hellenistischen Judentums als Dichtung griechischer Poeten: die Verse des Ps.-Phokylides 3 und vielleicht die

    1 Vgl. zum Folgenden P. Wendland, Anaximenes von Lampsakos 1905, 81 ff.; R. Vetschera. Zur griechischen Parnese (Programm des Staatsgyrnnasiums zu Smichow) 1912. Dort wird auch ber den Unterschied zwischen Protrcpticus, Parnese und Gnome-logium gehandelt. Ropcs. der S. 18 die nahe Verwandtschaft des Jak mit der Parnese bestreitet, hat diesen Unterschied ignoriert.

    t Den greren Zusammenhang. in dem die urchrisdiche Parncse gesehen werden mu, hat M. Dibelius noch einmal skizziert in seiner Geschichte der urchrisdichen Literatur 11 (Sammlung Gschen 935). 1926, 6~76.

    a Das Gedicht. das den Namen des alten Spruchdichters Phokylides aus Milet trgt. hat J. Bemays, Ges. Abhandlungen I, 1885, 192-261 in kritischem Text herausgegeben und als jdisch.hellenistisches Erzeugnis m. E. erwiesen. V gl. aber dagegen A. Ludwich, Knigsberger Univ. Progr. 1904, auch A. Dieterich. Nekyia 11913, 180ff. und ber-haupt M. Robroich. De Pseudo-Phocylideis, Diss. Mnster 1910. 2 7162 Meyen Komm. XV, Dibelius, Jakobus

  • 18 Einleitung

    Spruche des Ps.-Menander 1 geben eine deutliche Vorstellung von der Art jdischer Morallehre in Spruchform. Eine Art ausgefhrter Parnese in Verbindung mit legendaren und apokalyptischen Elementen scheint in den Testamenten der 12 Patriarchen vorzuliegen I. In der PHege der Rabbinen hat die Spruchtradition neuen Aufschwung genommen, wie der Talmud-Traktat Pi r ke A both3 und sptere Sammlungen be-weisen.

    Allein das reiche Spruchgut des Judentums ist nicht einheitlich und ist nicht durchweg original. Der EinHu der hellenistischen Welt macht sich in der spteren Weisheitsliteratur bemerkbar und mag in den Proselyten-Belehrungen erst recht eine Rolle gespielt haben, da man gerade mit der Darbietung hellenistischen Spruchgutes an gewisse weltlufige Gedanken und Ideale anknpfen konnte. Vollends jene pseudepigraphen Schrift-werke, in denen man den Griechen auf griechisch zu kommen suchte, geben sich hellenistisch in Sprache und Begriffsgut. Es ist bezeichnend, da man bei Ps.-Menander zwischen jdischer und griechischer, bei Ps.-Phokylides gar zwischen jdischer, griechischer und christlicher Her-kunft schwanken konnte. Mindestens durch jdische Vermittlung ist also die werdende christliche Parnese auch vom Griechentum und vom Hellenismus her beeinflut worden. Auch damit tritt das Christentum das Erbe einer langen literarischen Entwicklung an, die wieder - wie wir es im Judentum beobachten konnten - von der Poesie zur Prosa fhrte. Auf die Lehrgedichte des Hesiod folgen Parnesen in Prosa, die ltesten uns erhaltenen die Schriften ad Nicoc1em und Nicocles des Isokrates, die bezeichnendste Ps.-Isokrates ad Demonicum. Hier finden sich die Weisheits sprche populrer Philosophie mit dem Sentenzen-Reichtum der Komdie zusammen; und diese Schtze sind dann von der hellenistischen Popularphilosophie reichlich vermehrt und in selbstndigen literarischen Werken sowie in Florilegien gebucht worden. Das Christen-tum hat von dem allen seinen Nutzen gezogen, zunchst indirekt durch Vermittlung des hellenistischen Judentums, sodann ganz sicher auch direkt. Christliche Schriften sind auf diese Weise zu Oberlieferern der volkstmlichen Ethik des Altertums geworden, und auch unser Jakobus-

    1 J. P. N. Land hat Anecdota Syriaca I. 1862. eine syrische Schrift herausgegeben mit der berschrift .. Der weise Menander hat gesagt." Es handelt sich wohl um ein Spruchbuch. das dem griechischen Komiker Menander zugeschrieben wird. weil er durch seine Sentenzen berhmt war. Sicher ist die Verwandtschaft mit jdischer Spruch-weisheit. nicht ebenso die rein jdische Herkunft der Menander-Sprche. V gl. A. Baum-stark. Jahrb. f. klass. Philol. Suppl. 21. 473ff.; W. Frankenberg. ZA W 15. 1895. 226ff.

    2 Ich halte die Grundlage der Schrift fr jdisch; vgl. aber Nils Messel in den Abhdlg. z. semit. Rel.-Kunde u. Sprachwiss. fr Baudissin. ZAW Beih. 33. 1918. 355ff.

    :I Ich zitiere immer nach der Ausgabe von H. L. Strack. 31901. - Den Talmud zitiere ich sonst nach der bersetzung von Lazarus Goldschmidt. 1897ff. (Neudruck. Den Haag 1933).

    , Vgl. zum Folgenden P. Wendland. Anaximenes von Lampsakos 1905. 81ff.

  • 1. Die literarische Gattung des Jakobusbriefes 19

    Brief zhlt zu diesen Schriften, wenn sich auch seine Bedeutung mit dieser Tradenten-Rolle bei weitem nicht erschpft.

    Wenn wir den Jak in diesem Zusammenhang betrachten, so entdecken wir in der Tat die Merkmale an ihm, die fr die literarische Gattung der Parnese wie fr das in ihr aufbewahrte Spruchgut am bezeichnendsten sind. Weitgehender E k lek ti z i sm u s, - das ist das erste, was sich ohne weiteres aus Geschichte und Art der Parnese ergibt. Es handelt sich ja um Weitergabe ethischer Tradition, die wohl umgetnt und umgeformt werden kann, aber nicht von Grund auf neugestaltet zu werden braucht 1. Da dies auch fr die allermeisten Abschnitte des Jak zutrifft, hoffe ich im Kommentar gezeigt zu haben. Man wird gut tun, den Anteil des Verf. an der Gedankenbildung nicht zu berschtzen. Mit dieser Erkenntnis verliert natrlich die Autorfrage berhaupt an Bedeutung. Wenn man fragt, in welchen Teilen der Schrift die Art und Absicht des Verf. am ehesten zu spren sei, so wird man zunchst auf die "Abhandlungen" verweisen drfen, vor allem auf die in Aufbau und Gedankenfhrung offenbar selbstndig gestalteten Abschnitte 21-12 214-26. Ferner ergibt die Aneinanderreihung der Gedanken in den Spruchgruppen, namentlich des 4. Kapitels, einen Eindruck von dem, was der Verf. will. Und endlich darf man einen solchen Eindruck auch der Auswahl entnehmen, die der Verf. (in den Spruchreihen, siehe die Analyse von 119-27, und berhaupt) aus der Tradition getroffen hat: Wiederholungen desselben Motivs (siehe unten) sind sichere Zeugnisse fr das, was ihm am Herzen lag. Aber auf Originalitt der Gedanken macht er keinen Anspruch.

    Andererseits darf man diese eklektische Art dem Verf. nicht vorwerfen und etwa (wie Grafe S. 11) ihn des "Prunkens mit den Frchten seiner Lektre" zeihen. Denn dieser Eklektizismus gehrt zum Wesen der Parnese. Auch Paulus ist in den parnetischen Abschnitten seiner Briefe mehr auf Weitergeben als auf Neuschpfung bedacht. Und berhaupt wird mit der Feststellung dieses Eklektizismus die geschichtliche Bedeu-tung und Wirksamkeit des Jak nicht herabgesetzt. Das an und fr sich so anspruchslose Schriftstck wird zum Zeugen einer bedeutsamen Ent-wicklung, wenn man in seinen Worten die Gedanken und Mahnungen aus Jahrhunderten aufklingen hrt, die Jak christlich umgetnt und unter den Christen alter und neuer Zeit populr gemacht hat. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Parallelen zu beurteilen, die ich im Kommentar - die Sammlungsarbeit anderer benutzend und fortsetzend -zu den Worten des Jak beigebracht habe. Meine Absicht ist dabei nicht auf Vollstndigkeit gerichtet, sondern auf den Nachweis des Eklektizismus berhaupt. Der Leser soll wissen, wie verbreitet die Gedanken waren,

    1 Isokratcs, Ad N icloclcm 41: illoc yocp oux lv 'tOi~ ).6YOL~ XPYj 'tOU'tOL~ ~lJuiv 't'oc~ X(XL-v6n)'t'(X~.

  • 20 Einleitung

    ~ie Jak im Christentum vielleicht nicht zuerst ausgesprochen, wohl aber lurch seine Schrift zu dauernder Wirkung gebracht hat.

    Eine zweite oft beobachtete Eigentmlichkeit des Jak ist das Fehlen des Zusammenhangs. Sie erklrt sich ebenso aus der literarischen Art der Parnese. Auch in den schon genannten Parnesen verschiedenster Herkunft, in den Kapiteln des Tobitbuches, in der Demonicea des Ps.-Isokrates, in den parnetischen Abschnitten bei Paulus und in den "beiden Wegen" lt sich oft genug ein Gedankenzusammenhang nicht nach-weisen. Ebenso steht es beim Jak 1. Freilich haben schon die Handschriften durch Textkorrektur Verbindungen zwischen den einzelnen Sprchen herzustellen sich bemht. Auch haben alte und neuere Kommentatoren immer wieder versucht, in dem Schriftstck eine durchgefhrte Disposi-tion oder mindestens einen planmigen Gedankenfortschritt aufzuzeigen'. Mir scheint von der Entscheidung dieser Frage die literarische Beurteilung des Jak berhaupt abzuhngen. Um die Erklrung

    1 Schon Luther hat von Jak gcsagt: er "wirft so unrdig eins ins ander" (in der Vorrede auf die Episteln St. Jakobi und Jud. Erlanger Ausg. Bd.63. 157). hnliche Urteile begegnen mehrfach im 16. Jh.: Erasmus Alberus, Dialogus vom Interim; Petrus Palladius. Isagoge ad libros proph. et apostolicos (die Zitatc bei G. Kawerau. ZKWL 1889. 368f.).

    1 Dispositionen haben aus 11. erschlossen: Pfeiffer, St Kr 1850, 163 ff. und Cladder, Zeitschr. f. kath. Theol. 1904, 37 ff. (vgl. die Analyse zu 111-17). Fr plan vollen Gedanken-gang treten ferner ein Ticlemann, NKZ 31894, 580ff.; B. Wei, Der Jak und die neuere Kritik 1904, 41 ff.; J. Parrey, A discussion of the general epistle of St. J ames. London 1903 (mir nur bekannt aus dem Theol. Jahresbericht 1903,306). Selbst C. F. G. Heinrici, Der lit. Charakter der neutestamentlichen Schriften 1908, 75, erkennt zwar die Verwandt-schaft mit den alttestamentlichen Spruchbchern an, findet aber doch in 313-18 einen das ganze Schriftstck zusammenhaltenden Gedanken. Ausdrcklich wird Zusammenhang und planmiger Gedankengang bestritten bei C. H. v. Weizscker, Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche, 31902, 378; A. v. Harnack, Geschichte der altchrist-lichen Literatur I, 1, 1897, 487; H. v. Soden, Urchristliche Literaturgeschichte 1905, 231 f.; E. Grafe, Stellung und Bedeutung des Jak in der Entwicklung des Urchristen-tums 1904, 1 Off. ; P. Feine, Einleitung in das NT 11918, 189. - Altere Versuche, die einzelnen Sprche zu verbinden, sind gelegentlich bei der Analyse angefhrt. Ein neuerer Versuch, die Disposition des Jak herauszuarbeiten, die Wiener Dissertation von M. Rustler, Thema und Disposition des Jak. Eine form kritische Studie. 1952, geht in der Systematisierung besonders weit. Als einheitliches Thema wird "das ProblcRt der sozialen Spannungen zwischen Arm und Reich" festgestcllt. Dieses Thema sei "in einer wohldisponierten und bis in lctztc Einzelheiten hinein durchdachten Art" (84) durch-gefhrt. In drei Hauptkapitcln werde nmlich "die christliche Lsung der sozialen Spannungen" dargeboten: I. grundlegend dogmatisch 12%7; 11. praktisch-moralisch 21-312; III. endgltig eschatologisch 313--520. Jeder dieser Hauptteile zerfllt in drei Abschnitte: These (1211; 2113; 31=--410), Antithese (ln18; 21'-:18; 411-5.) und Synthese (1111-27; 31-12; 57-:10). Es wird also eine in gewissen Teilen des Briefes zweifellos vorhandene Problemstellung zum Leitgedanken des ganzen Briefes gemacht und diesem damit ein strenges Schema bergestlpt. Ohne Gewaltsamkeiten kann es dabei nicht abgehen. So wirkt etwa die Verbindung der Zungensnden 3112 (68-73) mit dem sozialen Problem auffallend matt und gezwungen. Ob solche Schematisierung dem tieferen Verstndnis der einzelnen "Perikopen" zugute kommt, darf bezweifelt werden.

  • 1. Die literarische Gattung des Jakobusbriefes 21

    nicht mit der Untersuchung mglicher Gedankenverbindungen zu be-lasten, habe ich im Kommentar die Analyse jedes Abschnitts gesondert vorgenommen. Ich hoffe dort gezeigt zu haben, da der Jak auf weite Strecken hin des gedanklichen Zusammenhangs vllig entbehrt. Man kann an dieser Erkenntnis auch mit der Vermutung nichts ndern, da die Bedrfnisse der Leser den raschen Wechsel der Themen erfordert htten (Beyschlag). Denn erstlich ist von diesen Bedrfnissen im Text keine Rede; sodann wrden solche Notwendigkeiten der Korrespondenz wohl die abschnittweise Behandlung verschiedener nicht zusammenhngen-der Themen erklren wie im lKor, nicht aber den bunten Wechsel von Spruch mit Spruch. Ihn erklrt einzig der Vergleich mit anderen Schrift-stcken derselben literarischen Art, der uns darber belehrt, da die Aneinanderreihung von Spruch an Spruch die gelufigste Form der Parnese ist.

    Es fehlt solchen Aufreihungen zwar an gedanklichen, nicht aber an formalen Verbindungen. Das bekannteste Mittel ueren Anschlusses in parnetischer Literatur ist die Stichwort-Verbindung; es wird ein Spruch einem anderen angefgt, lediglich weil dasselbe W'ort oder ein \'\Iort desselben Stammes in beiden Sprchen vorkommt. Es handelt sich ursprnglich um ein mnemotechnisches Mittel; das Gedchtnis Mndet leichter von einem W'ort zum anderen, wenn es diese Stichwrter als Hilfen har. Aber das Mittel ist literarisch geworden, und seine Verwendung kann nicht als Beweis dafr angefhrt werden, da die fraglichen Worte schon von der mndlichen berlieferung aneinander geschoben worden wren. Sprche Jesu z. B. mgen ebenso von der vor-evangelischen Tra-dition wie von den Evangelisten auf diese Weise aneinander geigt worden sein. Man mu auch mit der Mglichkeit rechnen, da der Autor einer Parnese einen berlieferten Spruch leicht vernderte, um ihn zu solchem Anschlu tauglich zu machen.

    Es ist nun wieder ein Beweis fr die parnetische Art des Jak, da er dieses beliebte Mittel formaler Verbindung mehrfach verwendet. Ich glaube folgende Flle von Stichwort-Anschlu feststellen zu knnen (vgl. die Analysen): 14+!"J 112+13 (lu; + ltG-1K?) 126+27 212+13 (3tH. + 3m.?) 317+111 59+12 51311.+161l.+19.20. Um die Gelufigkeit dieser Technik in parnetischcr Literatur deutlich zu machen, fhre ich Beispiele reiner Stichwort-Ver-bindungen aus griechischen, jdischen und christlichen Parnesen an. Auer acht gelassen sind dabei die Flle, in denen das gemeinsame Stichwort zugleich einen gemeinsamen Gedanken reprsentiert, wie Ps. Isokrates, ad Demonicum 24-26, wo das Stichwort, aber auch das Thema rpt),m heit. Auer Betracht bleiben terner die Flle, in denen es sich nur um assoziativen Anschlu handelt: so hat Gal 6:'1. der Gedanke "jeder soll sein eigenes Bndel tragen" den anderen hervorgerufen XOLVW\ltL7{t) i: b ~~-:-'lZOU!.LS:'/0C:; ~.i .. , und ebenso bt vielleicht !-Lt-rPf.J'1 ;\11.. 4:!\ durch die Erwhnung von !-L~~lfJ~ 4:1\ bedingt. Ich zhle nur Beispiele aut,

  • 22 Einleitung

    die sachlich nicht Zusammengehriges durch Gleichheit von Wort oder \Vortstamm zusammenbinden 1.

    Ps. Isokrates, Ad Dem. 16 (J."1J8ev Cltaxp~v bleibt verborgen '" 15 ltO~ZLV CllOXpbv TCl,7. v6/-L~~e: /-L718~ tye:~v e:tva~ xClO\l - 22 TOL- Eph 4211 xpdCle; ,.., 428 Xpclcxv.

    Kol 31:1 MooIXO'&e '" 39-11 Muc:rciiJ-tVOL - 317 e:UXClpLO"'t'OVUe; ,." 31. Ev T'n XIiP~TL ,.., 314 eUXcXPLO"'t'OL.

    Solche uerliche Verbindung hat natrlich eine gewisse Planlosigkeit zur Folge. Mit dieser aber hngt wieder ein weiteres Merkmal parnerischer Literatur zusammen: die Wiederholung des gleichen Motivs an verschiedenen Stellen. Das formale Ordnungsprinzip verhindert bis-weilen - nicht immer - gedankliche Zusammenordnung. Auerdem mgen fr uns meist unerkennbare Bedingungen der Tradition mit hin-einspielen: was verbunden berliefert war, wurde in dieser Verbindung

    1 Dieser Unterschied zwischen thematischer, assoziativer (durch Antithese oder Synonymitt) und rein formaler Stichwort-Verbindung wird von Th. Soiron, Die Logia Jesu (Neutest. Abhdlg. VI 4) 1916, nicht bercksichtigt. Soirons Sammlungen aus den Synoptikern sind sehr ertragreich, knnen nur freilich nichts gegen die Annahme von Quellenhypothesen beweisen, da Stichwort-Anschlsse nicht notwendig auf die mnd-liche Tradition zurckgehen mssen.

  • 2. Der Verfasscr des Jakobusbriefes 23

    belassen; so konnten verwandte Gedanken nicht immer zusammenge-fgt werden. In der Tat liest man heute in der kurzen Parnese Tob 4

    ....

    in \". 7 wie in v. 18 die Mahnung zur Barmherzigkeit und im parnetischen Teil des Rmerbriefs steht die Warnung vor Hochmut 123 und 121Gb, die Mahnung zur Einheit 12. und 1216., zur Liebe 129 und 139r. hnliches ist im Jak oft bemerkt und gelegentlich zu Dispositionsversuchen (s. S.20 A.2) benutzt worden: zur Sanftmut wird 1u 31311. gemahnt, vor der Zunge 126 3311. gewarnt, Ausharren im Leiden 12-4.12 5711. gepredigt, das Tun als Pflicht 12211. 21411. eingeschrft; von den Reichen handelt 191r. 21 Ir. 5ur., vom glubigen Gebet h-II 5181f.

    Endlich hat der Jak auch dies mit anderen Parnesen gemein, da ~eine Mahnungen nicht alle das gleiche Publikum und dieselben Verhlt-nisse angehen; sie fallen aus dem Rahmen einer bestimmten Situation heraus. Die 5111. angeredeten Reichen, die 41311. angeredeten Kaufleute sind sicher nicht die Adressaten der Ausfhrungen von 2111.; auch mchte man bei Leuten, denen Sn gilt, nicht ohne weiteres Gefahren voraussetzen, wie sie 3111. 4111. geschildert werden. Solche Widersprche sind in Parnesen gar nichts Auergewhnliches. Die in der Bergpredigt bei ~1t und in der Feldrede bei Lk gesammelten Sprche lassen sich schwer unter bestimmter Adresse vereinen; auch die Regeln des 1 Tim passen nicht ohne weiteres zu der vorausgesetzten Briefsituation ; die Sprche in Tob 4 sollen eine Abschiedsmahnung des Vaters an seinen Sohn sein; die Auswahl dieser Mahnungen scheint das aber keineswegs zu besttigen. Die letzte Ursache solcher Unstimmigkeit gibt Ps.-Isokrates in der Demonicea 44 (vgl. auch Isokrates, ad Nicoclem 40. 41) an: der Adressat, sagt er, solle sich nicht wundern, wenn einiges von des Autors Worten nicht fr sein, des Demonikos, Lebensalter passe. Er habe ihm beides geben wollen, Rat fr die Gegenwart, Vorschriften fr die Zu-kunft. So wrden seine Worte ihm eine Vorratskammer sein, aus der er holen knne, was er brauche. Ein T(X!J.Lc::i:ov, eine Schatzkammer zu sein -das ist auch die Absicht des Jakobusbriefes.

    2. .rr 1ltrfalTtr bte yafobuebrlefte Unter den katholischen Briefen tragen zwei einen eindeutigen Namen

    von groem Ansehen an der Spitze im Prskript, den des Petrus, drei weitere werden laut ihrer berschrift von einer anderen Autoritt des II rchristentums hergeleitet, von J ohannes. Wir werden also von vorn-herein geneigt sein, anzunehmen, da auch der Jakobusbrief, wenn er im Prskript den Sklaven Gottes und des Herrn Jesu Christi Jakobus als seinen Autor nennt) sich als Schrift eines berhmten Mannes geben will. Diese Annahme wird dadurch besttigt) da der Judasbrief sich am Anfang auf unsern Brief oder seinen Verfasser beruft: ))Judas, Sklave

  • 24 Einleitung

    Jesu Christi, des Jakobus Bruder" nennt sich der Autor; jener Jak mu also ein bekannter Mann sein. Unser Schriftstck selber bietet einen wei-teren Beweis: seine Mahnungen machen einen autoritativen Eindruck, und doch wird das Recht des Verf., so zu reden, nie begrndet. Nun stammt der Jakobusbrief entweder wirklich von einem Mann namens Jakobus : dann wrde er nicht so schreiben, wenn er seines Ansehns nicht gewi wre. Oder er ist einem solchen zu Unrecht zugeschrieben: dann wrde man nicht einen obskuren Mann zum Patron dieser autoritativen Parnese gewhlt haben.

    Es hat aber nach unsern Quellen im Urchristentum nur einen Mann von Ansehn gegeben, an den bei einer solcher Einfhrung des Namen~, wie sie in unserm Prskript vorliegt, gedacht werden kann; das ist Ja-kobus, der Bruder Jesu. Von Jakobus dem KleinenMk 1540 und dem Lk 616 als Vater des Judas genannten Jakobus ist natrlich abzusehen, aber auch von dem Apostel Jakobus, "dem Sohn des Alphus", denn cr wird nur in den Apostelkatalogen und nur mit diesem Zusatz genannt (seine Erwhnung Mk 2a bei einer Reihe von Zeugen beruht auf har-monisierender Korrektur). Auch der Zebedaide Jakobus hat in der llr-christenheit keine besondere Rolle gespielt; er ist zu frh hingerichtet worden, um fr die Gemeinden auerhalb Palstinas Autoritt werden zu knnen, viel zu frh auch, um fr die Autorschaft des Jak in Frage zu kommen, zumal wenn dieser die Predigt des Paulus voraussetzt (siehe 4 dieser Einleitung) 1. Dagegen wird der Fhrer der Christengemeinde in Jerusalem sowohl Apg 1217 1513 2118 als auch 1Kor 157 Gal212 ohne jede nhere Bezeichnung als "Jakobus" eingefhrt - und dies ist nach Gal 119 der "Bruder des Herrn". Er gehrt mit Petrus und Johannes nach Gal29 zu den "Sulen" der Gemeinde2, nur er kann die Autoritt sein, die das Prskript Jak 1t meint. Nun verstehen wir auch die titellosc Erwhnung des Mannes Jud 1. Von allen Versuchen, den Herrnbruder Jak mit einem der anderen Mnner gleichen Namens zu identifizieren, ist abzusehen. Die seit Hieronymus von der katholischen Tradition ver-tretene Gleichsetzung mit dem ;\postcl Jak, dem Sohn des Alphus\

    I In der Tat ist der Jak auch nur ganz sdten dem Zebedaidcn zugeschrieben worden, "gI. die Unterschrift der bersetzung im eod. Corbeien~is (ff): explicit epistola Jacobi tilii Zaebedei, und G. Jger, Ztschr. f. luth. Theol. 1878, 420ff., ber Luther siehe 9, uber sy'" 11. hir die Abfassung durch den Alphaus-Sohn, der nicht mit dem I-lerrn bruder identisch sei, hat sich .loh. ~Iader, BibI. Zeitsehr. 1908, 398 ausgesprochen.

    :: Dagegen mchte K. Heui, Gal2 und der Lebensausgang der jerusalcmischcn Crapostcl, ThLZ 77, 1952, 67-72, den zu den "Sulen" gehrigen Jakobus von Gal 29 auf den Zebedaiden beziehen. Auch dann aber wre die fhrende Stellung des Ikrren-bruders durch Gal 119 21~ hinreichend erwiesen.

    a Hieronymus, Adv_ Hclvidium 13ff., "gl. Th. \'. Zahn, Forschungen V I, 1900, 320tf. VgL unten S. 32A. 3. Die meisten katholischen Forscher (siehe aber auch K. Endc!11ann,

    ~KZ 1900, 833tf.) vertreten diese Identifizierung auch heute. Sie berufen sich 1. Jarauf, da Gal 119 Jak Apostel heie - aber die Stelle hit sich auch anders erklren und fr Paulus ist ~r:I,CJ'7(,i.CoC; nicht = Zwlf jnger, 2. auf die Einfhrung des Jak ohne erkhirendc

  • 2. Der Verfasser des Jakobusbriefes 25

    scheitert schon daran, da nach Mk 321.311[. (Joh 75) kein Bruder Jesu unter den zwlf Jngern war.

    Innerhalb und auerhalb der neutestamentlichen Schriften besitzen wir eine Reihe von Nachrichten ber den Herrnbruder Jakobus, die uns allerdings fast ebensoviele Rtsel aufgeben wie Tatsachen mit-teilen. Jak und seine Mk 63 erwhnten Brder und Schwestern waren jngere Geschwister Jesu, standen aber dem Werke ihres Bruders offenbar keineswegs freundlich gegenber (Mk 321. 311l. Joh 75). Und doch finden wir nicht nur diese Brder und ihre Mutter Apg 114 mit den Jngern als Christus-Glubige vereint, sondern aus Gal2 Apg 1217 1513 2118 ergibt sich, da Jak eine der jerusalemischen Autoritten war, ja immer mehr zum eigentlichen Haupt der Gemeinde wurde. ber Zeit und Art der Bekehrung des Jak wissen wir nichts; doch lt uns Paulus 1Kor 157 ahnen, da eine Christuserscheinung im Leben des Jak eine Rolle ge-spielt hat. Und das Hebrer-Evangelium, fragmentarisch zitiert bei Hieronymus, De viris inlustribus 2, hat eine Darstellung dieser Christo-phanie enthalten. Aber hier mssen wir zum erstenmal eine legendare Umbildung der Tradition ber Jak feststellen: whrend Paulus diese Erscheinung an vierter Stelle nennt, ist im Hebrer-Evangelium Jak offenbar der erste, oder mindestens der wichtigste Zeuge der Aufer-stehung. Jak habe, so heit es da, nach dem Abendmahl, an dem er teil-genommen, alle Nahrung verschworen, bis er Jesus als den Auferstandenen sehe. Nun erscheint ihm der Herr und bietet ihm selbst das Brot an 1. Die Verwandtschaft des Motivs mit J oh 2024-29 ist deutlich; ebenso aber auch der Unterschied: dort handelt es sich um einen Jnger, der die Botschaft von der bereits geschehenen Auferstehung bezweifelt, hier um einen, der schon vorher darauf besteht, die offenbar geweissagte :\ufer-

    Bemerkung in der Apg, die dessen Gleichsetzung mit dl'm einzigen sonst in der Apg (ha) noch genannten Jakobus fordere - aber diese abrupte Einfhrungsart findet sich auch Apg 8:; bei Philippus, 3. auf das Hebrer-E\., nach dem der Herrnbruder beim letzten Mahl zugegen war - aber das verbrgt nicht, da er zu den 12 Jngern g.:hrte, vollends nicht in einer Legende, die eine ltere Tradition zu Ehren des Jak umformt (s. im Text weiter unten). - Die Meinung des Hieronymus, nach der Jakobus nur ein Vetter jesu war, hat eine andere nahezu verdrngt, nach der er ein Sohn Josephs aus erster Ehe war. Heide nehmen die Keuschheit der Maria an, die ~Ieinung des Hieronymu5 auch die Keuschheit des joseph. Vgl. Zahn a.a.O. 306tf.

    1 Hicronymus, De viris inlustribus 2 (E. Preuschen, Antilegomena 21905, 7f.): domi nus autem cum dcdisset sindonem servo sacerdotis, ivit ad Iacobum et apparuit ei (Jak der Hauptzeuge !); iuraverat enim Iacobus se non comesurum panem ab ilh hora, qua biberat calicem domini (die Konjektur dominus ist berflssig und widerspricht der Pointe des Schwurs: das Abendmahl \var die letzte Mahlzeit des jak vor dem frei-willigen Fasten), donec videret eum resurgentem a dormientibus. Weiter zitiert Hierony-mus: adferte, ait dominus, mensam et panem (also sind andere, wohl die Jnger, zugegen); ferner: tutit pancm ct benedixit ac fregit et dedit Iacobo iusto et dixitei: frater mi (es ist also zweifellos dcr Herrnbruder), comedc panern tu um, quia resurrcxit tilius hominis a dormicntibus.

  • 26 Einleitung

    stehung nun auch wirklich zu erleben. Das lt eher auf Glaubenstrotz 1 als auf Zweifel schlieen; aber es wird dabei nicht klar, ob sich die Stim-mung des Jak von der der anderen Jnger unterscheidet, die doch dieselbe Weissagung kennen mssen. Ursprnglich wird es sich in dieser ber-lieferung doch wohl um Zweifel gehandelt haben, und zwar um Zweifel an der bereits eingetretenen und von anderen bezeugten Auferstehung, also um einen Schwur hnlich dem Gelbde J oh 2025. Dann mten in dieser Tradition andere der Vision des Jak voraufgehende Erscheinungen erzhlt worden sein; da es in der Tat so war, zeigt Paulus. Nun konnte aber eine berlieferung, die auf Verherrlichung des Herrnbruders be-dacht war, einen Zweifler Jak nicht brauchen. Sie verschob darum das ganze Bild, setzte den Schwur vor die Osterereignisse und machte ihn, im Anschlu an Mk 1425, aus einem Wort des Zweifels zu einem Wort des Glaubens. Damit war die Mglichkeit gegeben, Jak zum Hauptzeugen der Auferstehung zu machen.

    So mag die Bekehrung des Jak - zwar nicht nach dem Hebrer-Evangelium, wohl aber nach der lteren Tradition - mit einer Christus-vision zusammenhngen. Die FhrersteIlung des Jak aber ist offenbar durch andere Ereignisse bedingt worden - und erst auf Grund dieser FhrersteIlung hat man dann die berlieferung umgebildet 2 Dem Ver-

    1 Einen hnlichen Glaubenstrotz erzhlt die Historia Lausiaca 22, ebenso Ruhn, Historia monachorum 31, von Paulus dem Einfaltigen, der sich die Heilung eines Be sessenen vom Herrn durch die Drohung mit dem Hungerstreik erzwungen habe. Auch Apg 2312 ist das Gelbde ein Ausflu der trotzigen Entschlossenheit der Verschwrer.

    I Eine besondere Stellung der 8r:mr6cruvot wird von G. Kittel, ZNW 41, 73f., fur die Zeit vor dem Jahre 50 bestritten; s. aber K. Aland, ThLZ 1944, 99. Zur Frage der Begrndung eines urchristlichen "Kalifats" durch den Herrenbruder Jakobus vgl. ferner H. Frhr. v. Campenhausen, Die Nachfolge des Jakobus, ZKG 63, 1950/51, 133-144; E. Stauffer, Zum Kalifat des Jacobus, Zeitschr. f. Relig .. u. Geistesgeschichte 4, 1952, 193-214; Petrus und Jakobus in Jerusalem. Begegnung der Christen, Fest schrift fr O. Karrer, 1959, 21960, 361-372. W. K. Prentice, James the Brother of the Lord, Studies in Roman Economic and Sodal History in Honor of A. Ch. Johnson, cd. by P. R. ColemanNorton, Princeton 1951, 14+-151 mchte den "Herrenbruder Jakobus" mit Jak dem Kleinen (Mk 15.0) und Jak des Alphus Sohn (alle Apostellisten) gleichsetzen. Er vermutet mit anderen, da Alphaios = Halphai = Klopa ist, vet:Steht Joh 19~ von der Frau des Klopas und setzt sie mit der Mutter von Jak (dem Kleinen) und Joses (Mt 2768 Mk 15.0) gleich, so da man an eine Schwgerin, nicht an eine -dann gleichnamige! - Schwester der Mutter Jesu zu denken habe: nach Hegesipp (Euseb., Hist. eccl. III 11) war Klopas der Bruder von Joseph, dem Vater Jesu. Ebenso berichte Hegesipp, da der Nachfolger des Herrenbruders Jak sein Bruder Simon ge wesen sei. Somit habe man eine Gruppe von drei Brdern: Jak (der Kleine), Joses und Simon. Diese findet Pr. nun in Mt 13~~ und Mk 6a wieder und schliet daraus: Jak, Joses (Joseph), Simon und Judas waren nicht Brder, sondern Vettern Jesu. - Die ganze Konstruktion scheitert daran, da von dem Herrenbruder Jak, der eine so be-deutende Rolle in der Urgemeinde gespielt hat, schwerlich wie im Vorbeigehen als von .. Jak dem Kleinen" (Mk 15.0) gesprochen werden knnte. Aber wenn man das noch hinnehmen wollte: welche Tendenz sollte es bewirkt haben, da alle vier Apostelkataloge ihn hartnckig als .. Jak des Alphus Sohn" bezeichnen!

  • 2. Der Verfasser des Jakobusbriefes 27

    wandten Jesu hatte die Gemeinde eine Ehrenstellung eingerumt; als Petrus (und die anderen Apostel?) nun Jerusalem, wohl im Laufe einer Verfolgung (Apg 12), verlieen, ward der zurckbleibende Jak zum ersten Mann der Gemeinde; aus der patriarchalischen Ehrenstellung ward die fhrende Autoritt. Zu dieser nderung der Lage mag noch ein weiterer Umstand beigetragen haben. Nach allem, was wir wissen, vor allem nach Gal212, sodann nach Apg 21181r., endlich nach Hegesipp (s. u.) ist Jak ein Anwalt gesetzlicher Praxis im Christentum gewesen. Nun ist gerade um diese Zeit zunchst in den judischen Christengemeinden, spter in Form der judaistischen Bewegung auch anderswo, die nomistische Richtung hochgekommen: fr Jerusalem zeigen die Worte Rm 1531, wessen ein Mann wie Paulus sich dort zu versehen hatte. Es ist kein Wunder, da der gesetzlichen Ansprchen weit mehr als Petrus gewachsene Jak, auch wenn er selber kein "Judaist" war, sich doch in jenen Zeiten als Fhrer durchsetzte. So haben Patriarchalismus und Nomismus als die tiefsten Ursachen seiner Autoritt zu gelten, und die Abwesenheit anderer fh-render Mnner hat die Entwicklung begnstigt. Dieser Sachverhalt scheint mir auch noch durchzublicken, wenn Sptere, getreu ihren An-schauungen ber Sukzession und Episkopat, von einer ausdrcklichen bertragung der Gnosis an Jak den Gerechten, Johannes und Petrus durch den Herrn reden, sowie von einer Art Verzicht der Apostel auf die Ehrenstellung und der daraufhin erfolgenden Einsetzung des Jak I.

    Der Herrnbruder Jak ist Mrtyrer geworden. Aber die Nachrichten ber sein Ende widersprechen einander. Die einfachste steht bei Josephus) Ant. XX 200. Danach hat der Hohepriester Ananos der Jngere in der Zeit des Interregnums zwischen dem Tod des Festus und dem Amtsantritt des Albinus (62 n. Chr.) kraft jdischen Gerichtsver-fahrens einige Leute wegen angeblicher Vergehen gegen das Gesetz ab-urteilen und steinigen lassen) darunter auch "den Bruder Jesu) des soge-nannten Christus) mit Namen Jakobus". Diese Vorgnge hatten dann eine Beschwerde der Phariser ber den Sadduzer Ananos und dessen Absetzung zur Folge.

    Wer diese Nachricht ber Jak fr eine christliche Interpolation ansieht) kann sich eigentlich nur darauf berufen) da Christen-Hnde auch sonst den Josephus-Text verndert und in die Antiquitates oder das Bellum judo gerade ber den Tod des Jak eine Stelle eingefgt haben) die den Unter-gang Jerusalems als die gttliche Strafe fr die Hinrichtung jenes "Ge-rechten" bezeichnete 2. Allein das ist kein stichhaltiger Grund) zumal die

    1 So Klemens Alex. in den Hypotyposen, zitiert bei Eusebius, Hist. eccl. Il htr. Klcmens scheint seinerseits Hegesipp zu folgen, vgl. Zahn a. a.O. 271 ff. gegen A. Schlatter, TU 12/1, 1894, 31 f.

    2 Diese Interpolation ist von Origenes offenbar gelesen worden (c. Celsum I 47, Il 13, In Matth. 135& tom. X, 17), vielleicht auch von Eusebius (Hist. eccl. Il 2310), der sie aber wie Origenes ohne Stellenangabe zitiert. Unsicherer Herkunft ist ein ge-naueres Zitat in der PassaChronik (Chron. pasch. I 463 Dindorf). In unserer Josephus-

  • 28 Einleitung

    fraglichen \\1 orte nichts enthalten, was sie als christliche Interpolation kennzeichnet, also keinerlei Verherrlichung des Jak oder des Christentums, und da sie auch von Christus selbst in einem so khlen Ton reden, wie wir ihn aus den chri5tlichen Flschungen im griechischen und slavischen Josephustexte nicht gewohnt sind.

    Mit der Nachricht des Josephus reimt sich nun aber keineswegs die christliche berlieferung vom Tode des Jak, wie sie durch Hegesipp (bei Euseb., Hist. eccl. II 23,,-111) aufbewahrt ist l Allerdings kann man zweifeln, ob der Text dieses Fragments ganz in Ordnung ist 2 Aber die Haupt-motive der Erzhlung sind jedenfalls deutlich. Jak wird als ein richtiger Heiliger geschildert: er lebt als Nasirer und betet um Vergebung fr des Volkes Snde mit solcher Ausdauer; da seine Knie schwielig werden wie die eines Kamels, Er fhrt die Beinamen "der Gerechte" und Oblias - dies letztere wird mit "Veste" (T.::PLOX.~) des Volkes bersetzt 3 Die berlieferung fehlt die Stelle. Ihre Pointe ist vielleicht nicht aus Abhngigkeit von Hegesipp zu erklren, sondern als eine bertragun~ des Motivs der gttlichen Vergel-tung, wie es der echte Josephus in der Geschichte des Tufers verwendet, Ant. XVIII 116. Vgl. Schlatter a.a.O. 66ff. (der diese Josephus-Zitate bei Origenes [ur unzuver-lssig hlt); E. Schrer, Gesch. des jd. Volkes I 1901, 58tf.; Zahn a.a.O. 301ff. (hlt beide Josephustexte fr christliche Flschungen); E. Schwartz, Zl'W 1903, 59[.; Joh. Wei, Urchristentum II 1917, 552 (beide fr die Echtheit vun Am. XX 200).

    I Von Hegesipp abhngig ist wahrscheinlich Klemens Alex. in den Hypotyposen (bei Euseb. II 1.r.), ferner Epiphanius, Haer. 78, 14. (Bedenken gegen diese Ableitung bei Schlatter a. a.O. 75ff.) Dagegen bemht sich die eigene Darstellung des Eusebiu" II 231.1, Josephus und Hegesipp zu vereinigen. - Die Angaben ber Jak in den Kind-heitsevangelien und den Pseudo-Klcmentinen bergehe ich hier, da sie fr die Ent-scheidung der Autorfrage ohne Belang sind. Vgl. ihre kurze Zusammenstellung bci Ropes S.69ff. Ober die Ableitung der naassenischen Geheimtradition \'on Jak dem Herrnbruder siehe Hippolyt, Refutatio V 71 X 93.

    2 Weitgehende Kritik am Text bei E. Schwartz, ZNW 1903, 48ff., andere Vurschldgc bei Schlatter a.a.O. und Joh. Wei a.a.O. 554f. Mir scheinen die hauptschlichsten Bedenken folgende: 1. Die Nachricht 236, da Jak allein in das Heilige oder Allerheiligste eintreten durfte, ist eingefgt, um das folgende Beten im Tempel zu rechtfertigen. 2. 238-10 stehen als Gegner des Jak die jdischen Sektierer und die Schriftgelehrten und Phariser in unertrglicher Konkurrenz. 3. 238 und 2312 ist die Frage nach der ~,jf>X -::ri~ '(-"(JO entstanden aus Miverstndnis eines semitischen Ausdrucks; gemeint ist wohl die "Thorah Jesu". 4. Die drei Gewalttaten 231~-18 (Sturz vom Tempel, Steinigung, Attentat des Walkers) bilden ein gerade in einer Legende schwer ertrgliches Neben-einander. Hier ist wohl eine Tradition mit einer anderen oder mit einem aus der Schrift erschlossenen Motiv zu einer schwer auflsbaren Kette \'on Handlungen verbunden. - -Vgl. brigens noch E. v. Dobschtz, Die urchristl. Gemeinden 1902, 272ff. und F. C. Burkitt, Christian Bcginnings 1924, 57-63, der der Erzhlung Hegesipps doch wenig-stens einige Wesenszge des geschichtlichen Jakobus entnehmen mchte, whrend G. Kittel, ZNW 30, 1931, 145 Hcgesipp als historische Quelle unter Berufung auf Ed. l\Ieyer, Ursprung und Anfnge des Christentums III, 1923, 73 A. 2, verwirft.

    3 Der berlieferte Text bei Euseb. lautet: 8LIl: yt -::ot -ri)v ~EP~OAlJV -::ijc; 8LY.~XLO~i-rr,; ClU':'O EY.IV,ELTQ 0 8tY.CltOC; y'(lL WAL(loC;,;'; i(J-::w ElJ;tjVL

  • 2. Der Verfasser des Jakobusbriefes 29

    Juden heischen von ihm, dessen Gerechtigkeit sie anerkennen, ein Zeugnis wider Jesus; er soll es beim Passa von der Zinne des Tempels herab allem Volk zu Gehr bringen. Als er sich aber an diesem Ort zu Jesus als dem Menschensohn und zu seiner Wiederkunft bekennt, strzen sie ihn herab und steinigen den noch nicht Getteten, der sterbend noch fr seine Feinde betet. Endlich gibt ihm ein Walker mit seinem \Valkholz den Rest. Sein Grabdenkmal sei noch zu sehen. Und alsbald, so schliet das Frag-ment, habe Vespasian die Belagerung Jerusalems begonnen.

    Diese Erzhlung Hegesipps zeigt nun - abgesehen von einigen sach-lichen Ansten - eine ganze Anzahl typisch legendarer Motive, so da man ihre Glaubwrdigkeit schon an sich sehr skeptisch beurteilen mte; erst recht wird man sich hten mssen, sie gegen die Nachricht des J osephus auszuspielen. Ich erwhne folgende Einzelheiten:

    1. Legendare bertreibung ist es, da die Juden von dem Fhrer der Christengemeinde ernsthaft eine antichristliche Aufklrung des Volkes erwarten. Der Verf. will die Gerechtigkeit seines Helden im jdisch-technischen Sinn dadurch verherrlichen, da er ihn zur Autoritt auch fr die Juden macht.

    2. Eine Wurzel der Legendenbildung ist das Alte Testament. Der Verf. zitiert 221~ selbst die Stelle Jes 310 in dem Wortlaut &pWlLe'J -rov alxtov X't'A. und lt, offenbar um deren Erfllung darzutun, die Gegner ausdrcklich rufen uAt&cl(JW~ 'Iclx(a)ov -rov atx.octOv." Wahrscheinlich haben noch andere bekannte atx.toc;-Stellen eingewirkt, etwa Sap. Sal. 21& (5't't tiv6lLOtO~ 't'oi:c; clllotc; 0 loc; ocu't'o), vielleicht auch Ps. 33 (34)16, wo von der 8bjatc; der Gerechten die Rede ist.

    James thc Just, and his Name "Oblias", JBL 63, 1944,93 98; H. Sahlin, Noch einmal Jacobus "Obi ias" , Biblica 28, 1947, 152f.; Kl. Baltzer u. H. Kster. ZNW 46. 1955, 141 f. Schocps wie Sahlin setzen Verschiebung oder Umdeutung eines hebrischen Te:a.:tes voraus, um die Entstehung von Oblias (Schoeps) oder mpv)x1l TOij M:O X(ll. 8U(lto o&nj (Sahlin) zu erklren. Torrey vermutet zwar, da nBAIAC aus nB~IAC entstand. ignoriert aber das EGnV 'ElllJVtOT{ und denkt nicht an den Schriftpropheten Obadja. Schocps hatte bereits auf den LXXText von Obadja 1 hingewiesen. wo nW C"'Wl ""'J1

    T, - I

    wiedergegeben wird mit xo:l. 7tEPLO;(lJV dc; er lYrJ E~o:m(TtEtAcv, und die auffallende ber setzung auf eine Verwechslung der Stmme ""3 (Bote) und "~3 (einengen; ';37.3 Ein

    T

    schlieung) zurckgefhrt. Aber erst BaltzerKster haben gesehen. da ohne Rck-gang auf einen hypothetischen hebrischen Text. den Hegcsipp gelesen oder gar ge-schrieben htte. Obadja 1 LXX vllig ausreicht. um Hegesipps Interpretation von '!l8ktl;, dem berlieferten Ehrennamen des Herrenbruders. zu erklren. Auerdem wird nunmehr der Hinweis auf die Propheten verstndlich und sinnvoll. In Jak 11 knnte ferner auf '!l8~ = Knecht des Herrn angespielt sein. Ohne befriedigende Er-klrung bleibt einstweilen lediglich: Xett 8txo:too&nj nach mptQXlJ TOij M:o. ber eine Weiterbildung der Jak-Legende in einer Jak-Apokalypse des Nag Hammadi-Fundes berichtet A. Bhlig, Zum Martyrium des Jak. NovTest .5. 1962. 207-213. Als "der Gerechte" wird Jak auch im Thomasevangclium (12) bezeichnet; um seinetwillen seien Himmel und Erde geworden.

  • 30 Einleitung

    3. Wir haben eine der ltesten Mrtyrerlegenden des Urchristentums vor uns. Es ist kein Wunder, da sie Motive entlehnt und zwar vor allem aus der Geschichte Jesu (Zinne des Tempels, Zeugnis vom Menschensohn, letztes Gebet fr die Feinde). Aber auch sonst hat der Verf. das Leben seines Helden mit herkmmlichen Heiligen-Motiven ausgestattet; dahin gehrt vor allem das Nasirat, das der Verf. aber durch andere Zge der Kulturfremdheit - Ablehnung der Fleischnahrung, des lgebrauchs und des Badens - gesteigert (und zugleich verbildet) hat. Bezeichnenderweise ist es ein Rechabit, der whrend der Hinrichtung fr Jak eintritt. Hierhin gehrt wohl auch das Gebet fr das Volk; die schwieligen Knie drften in irgendwelchen Asketengeschichten ihr Vorbild haben. Epiphanius hat bei seiner Wiedergabe des Hegesipp-Berichts Hres. 7814 ein aus Jak 518 herausgesponnenes Motiv hinzugefgt - 8hj

  • 2. Der Verfasser des Jakobusbriefcs 31

    Ernstere Bedenken gegen die Autorschaft dieses Jak ergeben sich aus der Chronologie. Auch wenn wir zunchst darauf verzichten, die Lage der Christengemeinden aus dem Text zu rekonstruieren: Jak 21411. ist jedenfalls, wie im Kommentar gezeigt wird, nicht ohne das Wirken des Paulus zu begreifen (vgl. den zweiten Exkurs zu 226). Unser Schriftstck knnte also nur in die letzten Lebensjahre des Jak gesetzt werden. Nun wird aber nicht nur die Fragestellung des Paulus vorausgesetzt, sondern auch die Erledigung seiner Kmpfe um das Gesetz. Nur so erklrt sich die Harmlosigkeit, mit der vom "Gesetz der Freiheit" gesprochen wird 126 2111. Und damit gelangen wir ber die Lebenszeit des Jak betrchtlich hinaus.

    Auch die Sprache unseres Textes deutet nicht auf einen Verf., der als Jude in Palstina sein Leben zubringt. Unser Autor schreibt Griechisch als seine Muttersprache, er verwendet rhetorische Knste ( 5 dieser Einleitung) und Stichwort-Anschlsse (siehe 1) so oft, da jede ber-setzungshypothese hinfllig wird, und er gebraucht die griechische Bibel (siehe 4) 1.

    Die letzte Entscheidung gegen die Autorschaft des Jak gibt die Stellung unseres Schriftstcks zum Gesetz. Denn das Verbrgteste an der ber-lieferung ber den Herrnbruder ist seine gesetzliche Frmmigkeit und die Nachricht Ga1212, da er in den Kmpfen um das Recht des Ritualis-mus im Christentum auf der Seite der Tradition gestanden habeI. Nun bringt unser Autor zwar kein Wort wider den Ritualismus; aber er fordert 127 Reinhaltung von der Welt, ohne die schweren Probleme z. B. der Speisegebote auch nur anzudeuten, die sich mit dieser Forderung fr Zeit und Umgebung des geschichtlichen Jak verbanden. Diese Probleme scheinen fr ihn nicht zu existieren; das bedeutet aber, da er nicht vor Paulus schrieb, da sie aus seinem Gesichtskreis bereits verschwunden sind. Jak wagt es ja auch, mit einer jdischen Regel 210 Erfllung des ganzen Gesetzes zu verlangen, offenbar ohne die Anwendung dieser Forderung im Sinne des Judentums auf Sabbat, Beschneidung und Rein-

    1 Diese Argumentation verliert an Kraft, wenn man mit Dalman, Zahn und Schlatter die Palstinenser des urchristlichen Zeitalters als zweisprachig ansieht; vgl. hierzu auch G. Kittel, Die Probleme des pa!. Sptjudentums und das Urchristentum 1926, 38f. 58f.

    2 Da der fehlende Ritualismus ein gewichtiges Argument gegen die Autorschaft des Herrenbruders sei, war von G. Kittel in der Besprechung dieses Kommentars (ThLB 44, 1923, 6f.) noch zugegeben. Dagegen legt er ZNW 30, 1931, 148-154 und 41,1942,99 dar, da Jak (im Gegensatz zu dem Zerrbild und der Karikatur des rabiaten, wilden Judaisten) nur die Haltung des frommen Juden bewahrte, wie sie fr die ersten Christen in Jerusalem zunchst das Gegebene war. Das aber gengt vllig (und es bedarf darum in diesem Zusammenhange nicht erst einer Diskussion um die antiochenischen Ereignisse GaI21l1l.), um die Frage aufrechtzuerhalten, warum die in der synoptischen berlieferung so vielfltig erhaltenen Auseinandersetzungen (b. Sabbatheiligung, Reinheitsgebote, Geltung der Gelbde, Ehescheidung) im Jakobusbrief keinen oder jedenfalls keinen auch nur andeutend jdisch konservativen Widerhall hinterlassen haben. Vgl. auch K. Aland, ThLZ 1944, 1~102.

  • 32 Einleitung

    heitsgesetze irgendwie ins Auge zu fassen. Da er gar nicht das mosaische Gesetz mit seinen rituellen und sittlichen Forderungen meint, zeigt offen-bar auch der Ausdruck "Gesetz der Freiheit" 125 212. Aber er braucht auch nicht mehr im Namen dieses neuen Gesetzes gegen das alte zu pro-testieren, denn die Gefahr einer ritualistischen Reaktion besteht anschei-nend gar nicht mehrl. Das zeigt die Harmlosigkeit, mit der er vom Gesetz, mit der er 2atr. auch von den "Werken" redet - als ob kein Mensch diese Ausdrcke mit rituellen Forderungen in Verbindung bringen knnte 2. Jak 210 ist kau m von ein e mAn ti p 0 den des Pa u I u s ge s c h ri e ben, Jak 125212 offen bar ni eh t von einem gesetzess trengen Chris ten, Jak 127 sicher ni eh t von ei ne m chris dichen Ri tualis ten - und berdies der ganze "Brief" gewi nicht von einem aramisch Redenden. Diese Erkenntnis scheint mir die Abfassung unseres Schrift-stcks durch Jak, den Bruder Jesu, auszuschlieen.

    Aber ist diese Autorschaft denn von Anfang an fr diesen Text in Anspruch genommen worden? Zwar da ein obskurer Mann namens Jak ihn geschrieben htte. ist nach dem. was am Anfang dieses Paragraphen gesagt ist, kaum zu glauben. Aber auch die ihrer Natur nach nicht vllig zu widerlegende Hypo-these, die das Prskript 11 fr eine Zutat erklrt. mu als unbeweisbar und darum mindestens unwahrscheinlich gelten. Das spte Auftreten des Schrift-stcks im Kanon treibt A. v. Harnack (Geschichte der altchristlichen Literatur I 1, 1897. 487f.) zu der Annahme, der Text msse eine Zeitlang existiert haben, ohne die Jakobus-Etikette zu tragen. Aber das Schweigen der Kirchen-vter lt sich anders und der von Harnack gleichfalls betonte Eklektizismus des Autors viel besser erklren (Einl. 1 und 9). Und was Joh. Wei (Urchristentum II 1917. 578 A. 1) zur Abtrennung des Prskripts treibt, ist nur die Schwierigkeit. die dessen Worte dem Interpreten bereiten (s. zu 11). Dagegen ist doch zu beachten, da das Wortspiel XClLpe:tV - XClpiv 11 und 12 sehr fest verbindet und da solche rhetorischen Knste bei unserem Autor auch sonst begegnen (siehe Einl. 5). Auch wrde derjenige, der um 200 einen parnetischen Text durch Hinzufgung von 1t zu einem "Jakobusbrief" machte. seinen Patron Jak vermutlich auch im Titel - durch ,.Bruder des Herrn" - entsprechend heroisiert haben 3

    1 Das Fehlen jeglicher Abgrenzung in dieser Richtung entscheidet gegen die Hypo-these, Jak habe spter seinen Standpunkt gendert; Lemme, NJOTh 1892, 342 A. 1. Aber dieser Meinung widerspricht auch die Nachricht des Josephus (Beschwerde der Phariser!) wie die Legende bei Hegesipp.

    I Weit erklrlicher als bei einem palstinensischen Judenchristen der Zeit des Paulus wre diese Harmlosigkeit bei einem Juden der Diaspora, vgl. darber Einl. 3.

    3 Die Bezeichnung des Autors als ~c:o XiXL xup(ou 'IlJao XpL

  • 2. Der Verfasser des Jakobusbriefes 33

    W'ir haben es also mit einem pseudonymen Schriftstck zu tunl. Manchem scheint diese Annahme darum bedenklich, weil der Text auer 11 nirgends die Autorschaft des berhmten Jak verrate, also offenbar gar keine Fiktion erstrebe, und sodann weil man die Unsittlichkeit einer be-wuten Tuschung einem solchen christlichen Lehrer nicht zutrauen drfe. Beide Argumente erfordern eine Prfung auf Grund dessen, was wir von antiken und frhchristlichen literarischen Gepflogenheiten wissen.

    Die Echtheitsfrage des Jak ist von vornherein anders zu beurteilen als die der Paulusbriefe. Dort handelt es sich um einen originalen Schrift-steller, von dem eine Anzahl echter Briefe bekannt und eine Anzahl ver-loren waren. Es lag nahe, da man eine Schrift mit den nachweislichen Kennzeichen eines solchen verlorenen Briefes ausstattete und zugleich Diktion und Stil des "Briefes" durch Nachahmung dem groen Vorbild mglichst annherte. So scheint der Epheserbrief entstanden zu sein; hnlich zu verfahren war lngst blich. Aber auch wer sich auf solche literarischen Knste nicht einlie, konnte doch in der ungefhren, viel-leicht auch absichtlich etwas verschleierten Situation des Paulus schreibend pseudonyme Paulusbriefe herstellen; die Pastoralbriefe sind Zeugen dafr. Bei den andern klassischen Mnnern des Urchristentums war jene Methode literarischer Nachbildung nicht mglich, weil man nichts Schriftliches von ihnen besa; und auch die Nachbildung der historischen Gestalt des Verf. konnte nur in den Fllen gelingen, wo gewisse Daten aus seinem Leben allgemein bekannt waren, vgl. 2Petr 118.

    Von einer Pseudonymitt dieser Art ist weder beim Jak- noch beim Judas- und beim Barnabas-Brief die Rede. Ihre Haltung erklrt sich nur aus dem Umstand, da die Form des Briefes bereits literarisch geworden war (siehe 1). Man nahm sie nicht mehr ernst, man konnte mit ihr spielen, indem man Briefmotive verwendete, ohne die Briefform durch-zufhren oder gar eine Situation herauszuarbeiten. Eine lngst ausge-bildete Technik kommt damit im Christentum zur Geltung'. Ihr ist es

    da ein pseudonymes Schriftstck, das dem Jakobus zugeschrieben wird, ihn auch als Herrenbruder bezeichne. In das Jahr 66 (Auswanderung der Urgemeinde nach Pella in der Basanitis) fhre nmlich die Nachricht des Julius Afrikanus (Euseb., hist. eccl. I 7, 14) die &:mr6cruvoL htten von Nazareth und Kokaba (bei Pella t) aus Mission getrieben (a. a.O. 73 f.).

    1 Fr Pseudonymitt treten u.a. ein: F. H. Kern, Tb., Zeitschr. f. Theol. 1835, 2. Heft, 3ft'. (aber anders 1838 im Kommentar); A. Hilgenfeld, ZWTh 1873. 27; W. Brckner, ZWTh 1874. 539; Grafe a.a.O. 48; die Einleitungen in das NT von H. J. Holtzmann 31892 und A. Jlicher 71931 (mit E. Fascher); die Kommentare von H. v. Soden und Ropes (mit wertvollen Ausfhrungen ber Pseudonymitt im allgemeinen S. 8ft'.). O. PAeiderer. Urchristentum II 21902. 552 A.2 nimmt nachtrgliche falsche Identifizierung des unbekannten Verfassers namens Jak mit dem Herrenbruder an. Win-disch hlt diese Meinung wie die Pseudonymitt fr erwgenswert.

    I Andere Zeugen solcher Technik sind gewisse rhetorische, nicht recht ernst zu nehmende Einfhrungen der Gedanken: so erklrt Hebr 5utr. die Leser fr unreif. um ihnen gleich darauf 6ttr. das Schwerste zuzumuten. Barn 1s will der Verf. nicht als Lehrer reden. und rhmt sich doch 9, der ihm von Gott eingepflanzten Lehrgabe I 3 7162 Meyers Komm. XV, Dibelius, Jakobus

  • 34 Einleitung

    zuzuschreiben, wenn der Verf. des Barnabasbriefes - einer Abhandlung, die Didaskalie und Parnese enthlt, aber keinerlei Korrespondenz-charakter trgt - doch vom Verschicken des Schriftstcks redet 16 und am Anfang mit XltptU EV &LP~vn, am Ende 219 mit E07to,j8l(Jl YPcX~lL d~ ':'0 tUCPPVlt UIlCic; und einem Segenswunsch briefliche Motive variiert, ohne doch vllig in den Briefstil zu geraten. Auch die briefliche Haltung von Hebr 1322-26 bei vllig unbrieflichem Anfang gehrt wohl hierher. Diesen Texten reiht sich die Parnese des Jak an, die niemals auf eine Brief-situation anspidt, die auch mit der Anrede "Brder" wohl kaum den Brief-, eher den Redestil nachbildet und endlich vllig unbrieflich ausklingt. Und doch wird am Anfang das Briefmotiv eines Prskripts verwendet, und zwar des blichen profanen, nicht eines religis getnten Prskripts. Als Adressat kann der Verf. nicht eine bestimmte Gemeinde nennen, so "schreibt" er, apokalyptische Terminologie verwendend, an die zwlf Stmme in der Diaspora d. h. an die Christen (siehe Kommentar). Ein Briefmotiv ist nun auch die Nennung eines Absenders, und zwar eines klassischen Absenders. Diese Art einer falschen Etikettierung ist besonders bei religisen und philosophischen Gemeinschaften beliebt, die ein Inter-esse an der bereinstimmung ihrer Anschauungen mit denen der klassi-schen Zeit haben. Wir kennen diesen Brauch zumal aus dem Kreis der Neupythagoreer, und als Motiv einer solchen Falschetikettierung knnen wir 1Joh 27 in Anspruch nehmen: "Nicht ein neues Gebot schreibe ich euch, sondern das alte, das ihr von Anfang an hattet."

    Diese harmlose Etikettierung unseres Textes ist weit von jeder literari-schen Nachahmungs- oder Maskierungskunst entfernt. Nirgends versucht der Verf. durch Anspielung oder Nennung von Personennamen im Text die Urheberschaft des Jak glaublich zu machen!. Die moralische Ver u r te i I u n g seines Verfahrens wre also schon darum einzuschrnken, weil die Tuschung gar nicht durchgefhrt ist und 11 das einzige Zeichen der Pseudonymitt bildet. Sie ist aber auch in eingeschrnktem Mae unzulssig, weil eine Verkleidung, die der literarischen Gewohnheit der Zeit entspricht, nicht wie ein betrgerischer Tuschungsversuch ge-wertet werden kann.

    Die groe Harmlosigkeit dieser Pseudonymitt zeigt sich auch in der Wahl des Namens. Wir freilich meinen auf Grund historischer Kritik zu erkennen, da Jak so nicht geschrieben haben kann. Dem Verf. aber lagen solche kritischen Bedenken fern. Er war sich bewut, dem Gesetz der Freiheit zu dienen und einem Ideal praktischen Christentums nachzustreben, das man wohl Gerechtigkeit nennen konnte (2231.). Fr ein solches Schriftstck schien lllm, der den wirklichen Gesetzesstreitig-

    I Selbstverstndlich ist Y-ClLpElV 1 I nicht etwa Nachahmung des auf Jak zurckge-fhrten Briefgrues Apg 1523 (so W. Brckner, Studien der ev.-prot. Geistlichkeit Badens V 1879, 168, ehron. Reihenfolge der Neutest. Briefe 1890, 292), denn XClLpc~v ist der gewhnliche Briefgru.

  • 3. Religionsgeschichtliche Beziehungen 35

    keiten der ersten Generation fremd war, Jak der "Gerechte", der Ge-setzeseiferer, der rechte literarische Schutzpatron zu sein. Einen beson-deren Zweck, wie er bei knstlichen Fiktionen von Stil oder Situation in der pseudepigraphen Literatur erstrebt wird, hatte der Verf. bei der Wahl dieses Namens nicht im Auge. Mit gleicher Harmlosigkeit handelten diejenigen, die dem Barnabas-"Brief", der sich im Text nirgends auf den berhmten Missionar und Begleiter des Paulus bezieht, die berschrift gaben, die er heute trgt. Wir trauen freilich ein Schriftstck so anti-semitischer Tendenz dem Leviten Barnabas (Apg 436) nicht zu; aber eine Zeit, die mit den wirklichen Interessen der apostolischen Generation keine Fhlung mehr hatte, mochte gerade zu diesem Text mit seiner Verwertung von Fasten- und Speisegesetz in Barnabas, dem Leviten unter den klassischen Zeugen, den geeigneten Schutzpatron erkennen.

    Was wir von dem wirklichen Verf. des J ak 1 aus dem Text ent-nehmen knnen, ist so gut wie nichts. Er zhlt nach 31 zu den "Lehrern", und er verfgt, wie der Kommentar zeigt, ber eine reiche Tradition. Diese ist zum Teil jdischer Herkunft und mag, auch wo ihr Ursprung im Hellenismus zu suchen ist, den Christen doch durch die Propaganda und Literatur des griechischen Judentums vermittelt sein. Aber die Ver-mutung, da der Verf. selbst als Jude geboren sei, ist damit nicht zu begrnden. Denn es handelt sich - frhestens - um die zweite Genera-tion; diesen Christen ist aber das jdische Erbe schon zu festem Besitz geworden, zumal in den Gemeinden, die sich gradlinig und ohne wesent-lichen Bruch aus dem Diaspora-Judentum herausentwickelt haben. Ihnen ist Abraham "unser Vater" (221), ohne da sie diesen Anspruch noch irgendwie begrnden mten. Man wird also auf nheres Wissen ber den Verf. zu verzichten haben, zumal wenn man bedenkt, da sein Werk eine Parnese, also eine von der Tradition abhngige Schrift ist. Fr die Bekundung originalen Geistes ist hier kein Raum; so bleibt der Verf. fr uns mit Recht ein Unbekannter unter den Vielen, mehr Zeuge als Gestalter. Was uns deutlich ist, sind seine Gesinnungen; und sie sind, wie sich zeigen wird, trotz seines Eklektizismus von einheitlichem Cha-rakter.

    3. eliglonogrfdJldJtlld7e ~ei(r~ungtn Der Jak ist eine Parnese. Damit ist gesagt, da er viel berliefertes

    Gut verwendet. Der Verf. bekundet, was er glaubt und erstrebt, oft mehr auf indirektem als auf direktem Wege, mehr durch Auswahl, Fassung und Neutnung herkmmlicher Gedanken als durch Schpfung und Formung neuer Ideen. Das Bemhen um den religionsgeschichtlichen Ort der Schrift stt infolgedessen auf zwei Schwierigkeiten.

    1 Ich bezeichne im folgenden mit "Jak" unterschiedslos den Verf. und seine Schrift. 3*

  • 36 Einleitung

    Zunchst hat der Jak keine ,.Theologie". Denn auch wenn die Welt der Gedanken und Werte, die seine Schrift bezeugt, trotz seines Eklektizismus relativ einheitlich ist, so bietet eine Parnese doch keinen Raum fr die Entfaltung und Durchfhrung religiser Ideen. Sie werden bestenfalls berhrt und meistenteils nur vorausgesetzt. Wieviel Jak aber voraussetzt und welcher Art im einzelnen der religise Besitz ist, den er seinen Lesern zutraut, das knnen wir nicht mit Sicherheit ausmachen. Man vergleiche die parnetischen Teile der Paulusbriefe: schwerlich knnte jemand aus ihnen berhaupt eine "Theologie" und ganz gewi nicht die des Paulus erheben.

    Sodann ist bernommenen Gedanken die geistige Lage des Verf., der sie aufnimmt, nicht immer abzuspren. Wenn einzelne Worte altertmlich klingen, so braucht deswegen noch nicht die ganze Schrift altertmlich zu sein. hnliches gilt von technischen Ausdrcken. Im Kommentar zu 118 wird gezeigt, da Jak dort von der "neuen Geburt" spricht; es wre verkehrt, nun auch die mystische Vorstellungswelt bei ihm vorauszusetzen, der dieser Gedanke letztlich entstammt. Selbst wenn lfL

  • 3. Religionsgesduchtliche Beziehungen 37

    Spittas in dieser Beziehung epochemachendes Buch hat gezeigt - und die Ausfhrungen dieses Kommentars werden es wieder besttigen -, da der Jak zu einem Teil wenigstens Gedanken lterer, nichtchristlicher, zumeist jdischer Herkunft enthlt. Die Frage ist nur, ob die Christiani-sierung dieses Materials durch unsern Verf. zustande gekommen i~t, der diese Sprche in seine (von vornherein christliche) Schrift aufnahm 1, oder aber durch einen Interpolator, der in einen jdischen Text zwei Erwhnungen Jesu Christi zu Unrecht hineinbrachte.

    Fr die Entscheidung dieser Frage kann nun freilich die von Spitta und Massebieau empfohlene Interpolationshypothese keinen Beweis liefern. In 11 wird die Streichung von Xllt XUPLOU 'I7Jt1o XPLa't'O (Spitta) oder von 'I7Jt1o XPLa't'O (Massebieau) berhaupt durch nichts nahegelegt (siehe Kommentar). In 21 wird der Text unstreitig bequemer, wenn man ,:,oij XUPLOU njr; 86~7Jr; (Spitta) oder ':'. xuptou l)(.Lwv ':'. 8. (Massebieau) liest. Aber auch der unbequeme Text lt sich verstehen, und bei irgendwie techni-schen Ausdrcken kultischer oder liturgischer Sprache wird man solche Hufungen eher ertrglich finden als anderswo. Und selbst wenn die Streichung hier angebracht sein sollte, so wrde die sptere Interpolation doch wohl nicht als heimliche Verchristlichung eines jdischen Textes zu deuten sein. Wer dergleichen vorhatte, wrde wohl kaum einen so befremdlichen Ausdruck geschaffen haben. Die Interpolation wrde ich in diesem Fall vielmehr dem Wunsch zuschreiben, die Art des Glaubens deutlicher und volltnender zu bezeichnen - ein Wunsch, wie er sich hnlich auch sonst aus den Varianten neutestamentlicher Schriften ab-lesen lt (Gal 16 tu). Ebenso liee sich vielleicht auch die Annahme ver-fechten, da njr; 86~7J~ interpoliert sei. Jedenfalls wrde, wenn 11 nicht anzutasten ist, eine Interpolation in 21 denn doch sehr harmlos erscheinen. Aber zwingende Grnde, eine Interpolation anzunehmen, liegen ber-haupt nicht vor (siehe Kommentar).

    Die Entscheidung mu auf einem anderen Gebiet gesucht werden. Massebieau nimmt offenbar den grten Ansto daran, da die Theologie des Jak unchristlich sei, und wo sie sich mit \Vorten Jesu berhre, diese nicht in der gebhrenden Weise kennzeichne. Aber er verkennt damit vllig das Wesen der Parnese. Diese kann es ihrer Art nach gar nicht zu einer zusammenhngenden theologischen Gedankenbildung bringen; was Massebieau davon skizziert und als nichtchristlich bezeichnet, ist sein eigener Entwurf. Da und warum solche Parnesen die in ihnen enthal-tenen Worte Jesu nicht kenntlich machen, habe ich im Kommentar zu 512 zu zeigen versucht. :Massebieaus Befremden ber diese Stelle knnte sich ebensogut gegen Rm 1214 richten. Das Fehlen einer Zitationsformel in solchem Falle beweist noch nicht den vorchristlichen Ursprung der

    1 An der Fragestellung wrde nichts gendert, wenn uns unbekannte christliche Vorgnger des Verf. es in ihren uns verlorenen Schriften schon hnlich gemacht htten.

  • 38 Einleitung

    Schrift; freilich verbrgt ein Wort wie Jak 512 auch nicht ihren christlichen Charakter.

    Denn darin haben Spitta wie Massebieau unzweifelhaft recht, da der unbefangene Leser des Jak an einigen Stellen entschieden christliche Beziehungen vermit. Als Vorbilder erscheinen Abraham, Rahab, Hiob und Elias; ein Hinweis auf das Leiden Jesu drfte auch aus 511 nicht herauszulesen sein. Spuren eines Christus kults, einer Predigt von Kreuz und Auferstehung, ja irgend eine wrmere Betonung eigentlich christ-lichen Empfindens sucht man vergebens. Der Jak scheint sich vllig auf der Linie vorchristlicher jdischer Literatur zu halten. Aber