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Wolfgang Hein

Mathematik im Altertum Von Algebra bis Zinseszins

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ISBN 978-3-534-24824-7

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72570-0 eBook (epub): 978-3-534-72571-7

Vorwort

Mathematik, wie wir sie heute kennen und in nahezu allen Lebensberei-chen bewusst oder unbewusst anwenden, hat ihre Wurzeln im antiken Griechenland. Diese unbestreitbare Tatsache bedeutet aber keineswegs, dass griechische Mathematiker das imposante Gebäude ihrer Mathema-tik sozusagen aus dem Nichts heraus geschaffen hätten. Wir wissen, dass die Griechen auf verschiedenen Wegen und auf verschiedenen Gebieten des Geisteslebens Anregungen im Orient gesucht und gefunden haben. Dass dies auch für die Mathematik gilt, wurde eindrucksvoll bestätigt durch archäologische Funde, die im 19. und dem frühen 20. Jahrhundert im Vorderen Orient und in Ägypten gemacht wurden und überwiegend aus dem beginnenden 2. Jahrtausend v. Chr. stammen.

Weniger gut, doch nicht aussichtslos, ist die Quellenlage zur alten, aber wesentlich jüngeren indischen und chinesischen Mathematik. Die Sache wird dadurch erschwert, dass über das Alter der Quellen weitge-hend Unklarheit besteht, jedoch dürften sie kaum weiter zurückreichen als bis in die Anfänge der griechischen Antike. Es ist daher nicht ver-wunderlich, dass man nicht selten auf Parallelen stößt, die Verbindungen mit dem Vorderen Orient und mit Griechenland nahe legen.

In Teil I dieses Buches wird versucht, ein Bild davon zu vermitteln, welches die allgemein- und geistesgeschichtlichen Voraussetzungen und Grundlagen für die Mathematik in den frühen Hochkulturen waren: von wem und zu welchem Zweck Mathematik „gemacht“ wurde, wie die verschiedenen Kulturen gleiche oder ähnliche Probleme gesehen, be-arbeitet und – vielleicht – gelöst haben, und unter welchen Bedingungen ähnliche oder ganz verschiedene Strategien entwickelt wurden. Für die frühen Hochkulturen schien eine thematische Gliederung besser geeig-net als eine nach Regionen und Zeiten.

Mit Thales und den frühen Pythagoreern begann ein Paradigmen-wechsel, wie man ihn sich drastischer kaum vorstellen kann. Deshalb schien es nötig, die griechische Mathematik getrennt von den Themen-bereichen der frühen Hochkulturen zu behandeln, was in Teil II ge-

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schieht. Das ändert aber nichts daran, dass sich hier die gleichen oder jedenfalls ähnliche Fragen stellen, wenn auch unter sehr verschiedenen Bedingungen: Was waren die historischen, geistesgeschichtlichen Vo-raussetzungen, welches waren die Einflüsse, woher kamen die Inspira-tionen, was ist eigentlich das typisch Griechische an der griechischen Mathematik? Das kann selbstverständlich nicht ohne Bezugnahme auf die Errungenschaften der alten Hochkulturen erhellt werden.

Wir geben deshalb in der Einleitung einen kurzen Abriss dessen, was über die schriftlose Zeit mit einiger Gewissheit gesagt werden kann; wirklich sichere Auskünfte sind hier kaum möglich. Was Karl Jaspers für die Philosophie hervorhebt, gilt ebenso für die Mathematik:

„Der eigenständige Ursprung der Philosophie ist gleichsam geborgen in einem Anderen, aus dem er sich nährt oder dem er sich entgegen-stellt.“ [Jaspers, S. 8]

Bei dem Umfang des Buches konnte das Vorhaben selbstverständlich nur unter wesentlichen Einschränkungen bei der Stoffauswahl ausge-führt werden. Dennoch wurde versucht, die oben angedeuteten Kriterien wenigstens durch eine möglichst charakteristische Auswahl zu erfüllen.

Siegen, im Frühjahr 2012 Wolfgang Hein

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................. 5 Einleitung – Zahlen und Figuren in der Vorgeschichte ..................... 9

Teil I: Die Mathematik in den alten Hochkulturen 15 1. Wozu Mathematik?...................................................................... 17

1.1 Geschichtliche Grundlagen .................................................. 17 1.2 Technische und wirtschaftliche Erfordernisse...................... 25 1.3 Ausbildung und Berufspraxis............................................... 26 1.4 Astronomie, Astrologie und Kalenderberechnung ............... 28 1.5 Mathematik in Philosophie, Theologie und Kunst ............... 31 1.6 Mathematik zur Bildung und Unterhaltung ......................... 34

2. Arithmetik und Algebra ............................................................... 37 2.1 Zahlschrift und Zahlsysteme ................................................ 37 2.2 Der Weg der indischen Ziffern ins Abendland ..................... 43 2.3 Die Grundrechenarten .......................................................... 46 2.4 Proportionale Verteilungen, Zinsrechnungen, Dreisatz........ 53 2.5 Arithmetische und geometrische Folgen und Reihen........... 55 2.6 Lineare, quadratische und kubische Gleichungen................ 57 2.7 Unbestimmte Gleichungen................................................... 66 2.8 Negative Zahlen in China und Indien?................................. 68 2.9 Vom Nutzen algebraischer Symbolik................................... 70

3. Geometrie .................................................................................... 73 3.1 Landvermesser oder Priester? –

Über die „Erfinder“ der Geometrie ...................................... 73 3.2 Die Sätze von Thales und Pythagoras .................................. 75 3.3 Seilspanner, Schnurregeln und pythagoreische Zahlentripel 78 3.4 Flächen- und Körperberechnungen ...................................... 83 3.5 Welches π? – Kreisberechnung ............................................ 86 3.6 Anfänge der Trigonometrie .................................................. 89

8 Inhaltsverzeichnis

Teil II: Die Mathematik im alten Griechenland 93 4. Vorbereitungen ............................................................................. 95

4.1 Geschichtliche Grundlagen................................................... 95 4.2 Vom Mythos zum Logos – Der ionische Rationalismus....... 97 4.3 Mensch und Kosmos – Die Pythagoreer .............................. 100 4.4 Parmenides und das tertium non datur ................................. 104 4.5 Logistik – Mathematik für den Alltag .................................. 105

5. Auf dem Weg zu einer beweisenden Wissenschaft – Die Frühzeit.................................................................................. 110 5.1 Thales und die Geometrie..................................................... 110 5.2 Alles ist Zahl – Die pythagoreischen mathémata oder

das Quadrivium .................................................................... 114 5.3 Ist alles Zahl? Inkommensurabilität und das Irrationale....... 126 5.4 Zenon von Elea, Achilles, die Schildkröte und

das Unendlichkleine ............................................................. 129 5.5 Eine neue Proportionenlehre – Bedeutung und Nachleben .. 131 5.6 Quod erat demonstrandum – Die deduktive Methode.......... 133

6. Ausbau und Vertiefung – Athen oder Die klassische Zeit ............ 136 6.1 Licht und Schatten – Platon über Mathematik...................... 136 6.2 Lernen oder Erinnern – Sokrates, Menon und die

Quadratverdopplung ............................................................. 140 6.3 Eine Frage der Ästhetik –

Konstruktionen mit Zirkel und Lineal .................................. 144 6.4 Elemente des Universums – Die platonischen Körper ......... 147 6.5 Die „klassischen“ Probleme und die Möndchen

des Hippokrates .................................................................... 151 6.6 Exhaurire – Wie berechnet man krummlinig

begrenzte Flächen? ............................................................... 158 7. Alexandria – Glanz und Elend der griechischen Mathematik...... 162

7.1 Ein Lehrbuch für Jahrtausende – Die „Elemente“ Euklids... 162 7.2 Ein Lehrbuch für Kenner – Die Conica des Apollonius ....... 168 7.3 Archimedes und die Rolle der Heuristik in der Mathematik 172 7.4 Zurück nach Babylon – Diophant und die Algebra .............. 177 7.5 Das goldene Erbe – Handbücher und Kommentare.............. 180 7.6 Mathematik zur Erbauung – Die Epigramme

des Metrodoros ..................................................................... 183 Literaturverzeichnis........................................................................... 185 Personen- und Sachverzeichnis ......................................................... 189

Einleitung – Zahlen und Figuren in der Vorgeschichte

Die Schaffung eines Zahlsystems, in dem Zahlen beliebiger Größe leicht überschaubar und praktisch handhabbar dargestellt werden können, ist eine der großen geistigen und sozialen Leistungen des Menschen. Die ältesten uns bekannten schriftlichen Quellen zur Mathematikgeschichte zeigen, dass die Arithmetik (Aufbau des Zahlensystems und der Grund-rechenarten) ebenso wie die Geometrie am Beginn der geschichtlichen Zeit schon ein beträchtliches Niveau erreicht hatte. Es muss demnach in vorgeschichtlicher Zeit eine lange Phase mathematischer Tätigkeit ge-geben haben.

Bei der Herausbildung eines Zahlbegriffs kann man zwei Phasen unterscheiden: das Vergleichen von Mengen hinsichtlich der Anzahl ihrer Elemente (heute reden wir von der „Kardinalzahl“) und das „ge-ordnete“ Abzählen (die Ordinalzahl).

Das Bewusstsein eines Kardinalzahlbegriffs als Mächtigkeit endlicher Mengen, zuerst kleiner, dann größerer, wird wohl so alt sein wie die Menschheit selbst. In der Anthropologie ist bekannt, dass es einfache Kulturen gibt, in denen Hirten intuitiv erkennen, ob bei ihrer Herde von einigen hundert Tieren eines oder mehrere fehlen, ohne dass sie die Herde abzählen könnten.

Ein erheblicher Abstraktionsschritt besteht darin, dass man eine ge-gebene Menge mit einer anderen gleichmächtigen, selbst geschaffenen, leichter überschaubaren Hilfsmenge bewusst in Beziehung setzt.

Eine solche gliedweise Zuordnung (ohne wirklich zu zählen) bietet allerdings nur dann Vorteile, wenn die Hilfsmengen in irgendeiner Weise strukturiert sind oder strukturiert werden. Eine sinnvolle, leicht über-schaubare Strukturierung ist ein wichtiger Fortschritt in der Entwicklung des Zahlbegriffs. Sie besteht in einem frühen Stadium in der Regel darin, dass Strichlisten in Form von Kerben auf Hölzern, Knochen oder ähnli-chem Material angelegt werden und dabei kleinere, auf einen Blick fassbare Gruppen gebildet und als neue Einheiten aufgereiht werden.

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Steinzeitliche Knochenfunde bestätigen diese Praxis des „Bün-delns“ und „Reihens“. Auf einem etwa 30000 (?) Jahre alten Wolfskno-chen erkennt man 55 Kerben (vielleicht als Beuteangabe) mit einer größe-ren Kerbe bei 25, und eine genauerer Untersuchung des Fundstücks hat Hinweise auf eine 5er-Einteilung ergeben.

Weitere Knochenfunde stammen meist aus der ausgehenden Alt-steinzeit oder der mittleren Steinzeit (ca. 10000–5000 v. Chr.). Auch hier finden sich Gruppierungen der Kerben, ein eindeutiges System lässt sich aber nicht erkennen.

Bemerkenswert ist, dass die meisten Völker Bündelungen bei 10 (Zehnerpotenzen) vorgenommen, also ein Zehnersystem eingeführt ha-ben. Dies mag wohl auf die natürlich vorgegebene Struktur des Finger-zählens zurückzuführen sein. Untersuchungen von 387 Zahlensystemen bei primitiven amerikanischen Gesellschaften haben 146 Zehnersysteme, 106 Fünfersysteme, 81 Zweiersysteme, 35 Zwanzigersysteme, 15 Vie-rersysteme, 3 Dreiersysteme und 1 Achtersystem ergeben.

Auf dem bisher skizzierten Niveau der Herausbildung eines Zahlbe-griffes benötigt man weder sprachliche Ausdrucksformen, also Zahlwör-ter, noch braucht man überhaupt zählen zu können; auch Zahlzeichen werden nicht benötigt.

Anders verhält es sich mit der „Ordinalzahl“. Das Zählen (genauer: Abzählen) setzt das Vorhandensein von Zahlwörtern voraus, ist also an die Sprache gebunden.

Das von gezählten Gegenständen unabhängige Zahlwort ist eine ver-gleichsweise späte Entwicklungsstufe. Zuerst wurden Ausdrücke für Viel und Wenig, für Ein-Zahl und Mehr-Zahl durch Abwandlung des Substantivs geschaffen (wie das heute noch als Singular und Plural exis-tiert). Für alle frühen Entwicklungsstufen ist charakteristisch, dass an einer bestimmten Stelle N das Weiterzählen abgebrochen wird und die folgenden Zahlen einheitlich durch einen Wert im Sinne von „viele“ bezeichnet werden. Beispiele für N = 2 gibt uns das Ägyptische am Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. (Abb. 1).

Ein weiterer Fortschritt besteht darin, aus Zahlwörtern für eins und zwei durch einfaches Nebeneinanderstellen neue Zahlwörter zu bilden. Eine Gesellschaft in Ozeanien hat die Zahlwörter urapun = 1 sowie okasa = 2 und bildet daraus neue in der Form okasa urapun = 3 (= 2 + 1), okasa okasa = 4 (= 2 + 2), okasa okasa urapun = 5 (= 2 + 2 + 1).

Dass ein perfektes Zahlsystem nicht an die Schrift gebunden ist, be-legt eindrucksvoll das folgende Beispiel. Im peruanischen Hochland

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Abb. 1: Bilderschrift im alten Ägypten (4. Jahrtausend v. Chr.). Links: Drei

Wellen = Wasser, Mitte: Himmel mit drei Wasserkrügen = Wasserflut, rechts: Auge mit drei Tränen = weinen (nach [Menninger Bd. I., S. 28]).

haben die Inka eine technisch und ökonomisch hochentwickelte, aber dennoch schriftlose Kultur begründet. Für Zwecke der Kommunikation und des wirtschaftlichen Austausches hat man als Ersatz eine Notation erfunden, die darauf beruhte, auf Schnüren Knoten anzubringen. Diese sogenannten „Quipus“ waren ein brauchbares Hilfsmittel zur Darstel-lung – und zur Übermittlung – von Zahlen (Abb. 2).

Abb. 2: Peruanischer Quipu. Rechts: Prinzip der Zahldarstellung. Die Hunderter

sind oben, darunter die Zehner, darunter die Einer geknotet. Die Schnüre (von rechts nach links) tragen die Zahlen 231, 42, 150, die „Kopf-schnur“ K trägt die Summe 423 [Menninger Bd. II, S. 60 f.].

Zum wirklichen, zum bewussten Rechnen, das heißt zum Rechnen nach einem festen Schema, einem „Algorithmus“, ist gewiss ein weiter Weg. Da die Hochkulturen beim Eintritt in die geschichtliche Zeit diese „algo-rithmische Phase“ bereits erreicht haben, muss dem eine lange, „präal-gorithmische Phase“ vorausgegangen sein.

Die Darstellung von Zahlen durch Kerben, Steinhäufchen oder ähnli-chem führt in natürlicher Weise zu den Grundoperationen des Addierens

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und Subtrahierens, was ja nichts anderes bedeutet als „hinzufügen“ und „wegnehmen“.

Wenn Zahlwörter für höhere Zahlen additiv gebildet werden, zum Bei-spiel 3 als 2 + 1 statt 1 + 1 + 1 (wie in obigem Beispiel einer ozeani-schen Kultur), so liegt hier ein eindeutiger Hinweis auf einen gezielten Umgang mit der Addition vor. Zur Subtraktion ist es nur ein kleiner Schritt, wenn 14 als 15 – 1 oder 30 als 40 – 10 gebildet wird. Ähnliches finden wir für die Multiplikation, beispielsweise bei 20 = 2 · 10 oder 50 = 2 · 20 + 10.

Schwieriger und vielfältiger in der Ausführung sind Divisionen. Wir werden das in den betreffenden Kapiteln im Einzelnen behandeln, ein-schließlich der Bruchrechnung, die im Allgemeinen eine eigene Ent-wicklung gemacht hat.

Von den bis hierher gestreiften Entwicklungsstufen hin zu einem abs-trakten Zahlsystem, in dem beliebig große Zahlen dargestellt werden können, und das für ein algorithmisches Rechnen geeignet ist, bleibt noch ein weiter Weg zurückzulegen, und die Quellen aus der folgenden Zeit zeigen, dass man beim Eintritt in die geschichtliche Zeit noch kei-neswegs am Ziel angelangt war.

Wie verhält es sich mit der anderen Säule der Mathematik, der Geo-metrie? Ihre Anfänge wurden von den Griechen den alten Ägyptern zugeschrieben, von Herodot den Landvermessern, von Aristoteles der Muße der Priester. Beide haben zweifellos das Alter der Geometrie unterschätzt. Die Menschen der Steinzeit hatten sicher keinen Bedarf an Grundstücksvermessungen und vermutlich wenig Grund zur Langeweile. Dennoch finden wir einen ausgeprägten Sinn für geometrische Figuren, der eine Voraussetzung jeder geometrischen Wissenschaft ist. Die reichen Ornamente auf keramischen Erzeugnissen und auf Web- und Flechtwaren einfacher Kulturen geben ein beredtes Zeugnis vom Be-streben der Menschen, ihre Werke nicht nur nach zufälligen Eingebun-gen zu gestalten, sondern nach Gesetzen der Regelmäßigkeit, Symmetrie und Kongruenz – alles wichtige Merkmale der Geometrie. Gleichseiti-ges Dreieck, Quadrat, Kreis und aus diesen regelmäßig zusammenge-setzte Figuren machen manche geometrischen Sachverhalte unmittelbar einsichtig.

Sowohl ästhetische Aspekte als auch praktische Erwägungen der Haltbarkeit und des Materialverbrauchs, des Konstruierens und Messens können als Vorbereitung auf geometrische Studien angesehen werden. Es soll hier nicht behauptet werden, dass steinzeitliche Menschen sich

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Abb. 3: Prähistorische indianische Webware (links) und neolithische Keramik aus

Ungarn (rechts), Beispiele geometrischer Intuition.

solche oder ähnliche Sachverhalte bewusst gemacht hätten, aber ein allmähliches Bewusstwerden von geometrischen Gesetzmäßigkeiten durch geometrische Betätigung darf man auf Grund der Fundstücke und der Hinweise auf die Lebensumstände ihrer Schöpfer wohl annehmen.

Teil I

Die Mathematik in den alten Hochkulturen