Max und Moritz. FSK 18 - · PDF file„eins von den äußerst gefährlichen...

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Max und Moritz. FSK 18 Ensemble spielt Busch Ein Projekt der Theaterfabrik Düsseldorf Premiere am 15.2.2014 Ach, was muss man oft von bösen Kindern hören oder lesen!! Wie zum Beispiel hier von diesen, Welche Max und Moritz hießen; Wer kennt sie nicht, diese beiden bösen Buben. Und ja, wer hat nicht als Kind die heimliche Schadenfreude über ihre Streiche empfunden. Max und Moritz fanden wir doch alle mal gut – wer hätte nicht gerne selber solche und ähnliche Streiche seinen Eltern und Lehrern gespielt. Das hatte ein Kritiker einer der ersten Ausgaben übrigens schon damals, 1883, mit Schrecken erkannt: Auf den „ersten Anblick ganz harmlos und belustigend“, so sei aber diese Geschichte „eins von den äußerst gefährlichen Giften, welche die heutige Jugend, wie man überall klagt, so naseweis, unbotmäßig und frivol machen.“ (zitiert nach Reclam, 1999) Witwe Bolte, Meister Böck, Lehrer Lämpel und all diese so netten Menschen, sie waren doch, genau besehen, viel schlimmer – man denke nur an das völlig überzogene Ende von Max und Moritz: bei lebendigem Leibe zu Korn gemahlen und verfüttert. Das habe ich nie verstanden, dass sie am Ende so einfach von Meister Müllers Federvieh weggepickt werden sollten. „Freilich!“ meint der Zuckerbäcker – „Warum ist der Mensch so lecker?!“ Eine böse Ironie. Aber eine herrschende Moral: Das haben sie eben davon!! Da musste ich jedes Mal wieder von vorne zu lesen anfangen: Max und Moritz in voller Anarcho-Lust.

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Max und Moritz. FSK 18 – Ensemble spielt BuschEin Projekt der Theaterfabrik Düsseldorf

Premiere am 15.2.2014

Ach, was muss man oft von bösenKindern hören oder lesen!!Wie zum Beispiel hier von diesen,Welche Max und Moritz hießen;

Wer kennt sie nicht, diese beiden bösen Buben. Und ja, wer hat nicht als Kind die heimliche Schadenfreude über ihre Streiche empfunden. Max und Moritz fanden wir doch alle mal gut – wer hätte nicht gerne selber solche und ähnliche Streiche seinen Eltern und Lehrern gespielt. Das hatte ein Kritiker einer der ersten Ausgaben übrigens schon damals, 1883, mit Schrecken erkannt: Auf den „ersten Anblick ganz harmlos und belustigend“, so sei aber diese Geschichte „eins von den äußerst gefährlichen Giften, welche die heutige Jugend, wie man überall klagt, so naseweis, unbotmäßig und frivol machen.“ (zitiert nach Reclam, 1999) Witwe Bolte, Meister Böck, Lehrer Lämpel und all diese so netten Menschen, sie waren doch, genau besehen, viel schlimmer – man denke nur an das völlig überzogene Ende von Max und Moritz: bei lebendigem Leibe zu Korn gemahlen und verfüttert. Das habe ich nie verstanden, dass sie am Ende so einfach von Meister Müllers Federvieh weggepickt werden sollten. „Freilich!“ meint der Zuckerbäcker – „Warum ist der Mensch so lecker?!“ Eine böse Ironie. Aber eine herrschende Moral: Das haben sie eben davon!! Da musste ich jedes Mal wieder von vorne zu lesen anfangen: Max und Moritz in voller Anarcho-Lust.

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Von eben dieser frivolen Lust erzählt das Stück „Max und Moritz“ in der Düsseldorfer Theaterfabrik, übrigens mit dem Zusatz „FSK 18“. Also doch nichts für Kinder?

Die Inszenierung, eine Abschlussaufführung des Theaterkurses 2013/2014 mit vierzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern, setzt diesen bitterbösen Hintergrund in anschauliche und lustvolle Bilder um. Hier nun wirklich keine Kindergeschichte mehr. Vielmehr ein Kaleidoskop von Unterwerfung und Auflehnung, Einschüchterung und Widerstand, sozusagen der anarchische Untergrund von Beziehungen und (bürgerlichen) Verhältnissen. Ja, und mit diesen Bildern kommt sie mir als Zuschauer wieder, die fast verdrängte kindliche Schadenfreude. Die hat man sich ja später nicht mehr erlaubt. Zumindest nicht mehr öffentlich. Denn sie ist ja politisch nicht korrekt. Und nun hier auf der Bühne in böse und dennoch bekömmliche Bilder umgesetzt, wird diese Lust am Bösen geradezu provoziert. Der Zuschauer darf gemeinsam mit den Tätern Schadenfreude haben. Nicht Mitleid mit den Opfern stellt sich ein, denn es sind ja wahrlich absurde Streiche: So wird z.B. ein weibliches Opfer mit Mengen von Schlagsahne und Süßem garniert und dem Zuschauer mitsamt Löffel zum 'Absahnen' gereicht. In solchen Bildern zeigt sich der konzeptionelle Ansatz von Lars Evers, Cornelius Kabus und Tabea Pollen: Das Tragische verbirgt sich hinter dem unerwartet Komischen. Hier bewährt sich die Stärke der Inszenierung, denn sie trifft genau die Sprache des bösen Humors, mit dem Wilhelm Busch seine scheinbar harmlose Bildergeschichte erzählt.

Klug ist, diese Bildergeschichte nicht einfach abzukupfern, nachzuerzählen. Das Theater erzählt in einem eigenen Rhythmus, in anderen Bildern: Die Inszenierung beginnt mit einer wunderbar lang angehaltenen Szene, wie mit einem Filmstill. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, auf der Bühne verteilt und sich gerade wie in der Garderobe zur Aufführung ankleidend, verharren in scheinbarer Bewegungslosigkeit. Fast unmerklich und gänzlich in Zeitlupentempo kleiden sie sich an. Währenddessen wird über Lautsprecher ein Text über Anarchie eingesprochen: Führt Befreiung zur Freiheit? Dazu das Bild auf der Bühne: Vorbereitung zum Kampf. Anspannung aller Kräfte Und dann eruptive Entladung: In einer glanzvollen, lebendigen und mitreißenden Szene erzählt uns Antje Coenen in Gebärdensprache den ersten Streich von Max und Moritz, von Witwe Boltes Hühnern. Verdienter Szenenapplaus. Und nun baut sich die Geschichte in einer raschen Folge von Bildern auf. Ein Beil wird gewetzt. Hühner gemästet. Menschen missbraucht. Man merkt, das hier wird böse enden. Assoziativ reihen sich szenische Bilder, die keine platten Deutungen einfordern und nicht festlegen. Vielmehr lassen sie in ihrer Offenheit und spielerischen Entwicklung den Vorstellungen des Zuschauers Raum.

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In dieser ganz auf's Spielen angelegten Inszenierung macht sich die lange Kurserfahrung der Theaterleiter Evers und Kabus bemerkbar. Ihnen gelingt es, die so unterschiedlichen Voraussetzungen der Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer auszuschöpfen und miteinander ins Spiel zu bringen, jedem seinen Spielraum zu geben. Das zeigt sich auch in der Idee, die unterschiedlichen Muttersprachen der Teilnehmer einzusetzen: persisch, russisch, französisch, englisch. Max und Moritz sind an keine Landessprache gebunden. Ihr Dorf ist die ganze Welt.

„Schade, dass es schon zuende ist!“ schreibt jemand anschließend ins Gästebuch. Tatsächlich, große Spielfreude und treffsichere Anschaulichkeit der Szenen halten den Zuschauer in Atem, ein Wechselbad von Gefühlen, die sich immer wieder in Lachen entladen, wo es einen doch eher gruseln könnte. Ganz entschiedenen Anteil an dieser so glaubwürdigen und gleichzeitig unterhaltsamen Aufführung hat Steffi Klein, die die Kostüme entworfen und geschneidert hat. Wirkungsvoll übernimmt sie die Vorgaben aus Wilhelm Buschs Bildergeschichte. Und es entsteht ein überraschender Kontrast: in dem braven Outfit stecken wahre Monster. Weiter soll nun nichts verraten werden.

„Kurz, im ganzen Dorf herum Ging ein freudiges Gebrumm:'Gott sei Dank! Nun ist's vorbeiMit der Übeltäterei!!“

Ich hätte noch länger zuschauen können.

Auf der Bühne: Niky Ballo, Antje Coenen, Maria Eichhorn, Michael Klein, Carine Lin-Kwang, Jenny Menzel, Christina Nockher, Wencke Otte, Uli Schmid, Silke Schreiber, Alex Smeja, Peter Späth, Salomeh Talimi, Katrin Wendrich.

Weitere Aufführungen am 22. und 23.Februar 2014

Düsseldorf, den 15.2.2014Wolfgang Waldmann