Medikamente: Wechselwirkungen mit Grapefruitsaft · PDF fileGenau so ist es. Prinzipiell muss...

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23 Grapefruitsaft schmeckt gut und ist als Vita- min C-Lieferant beliebt. Wer Grapefruitsaft trinkt, meint sich etwas Gutes anzutun. Um so erstaunlicher ist die Nachricht, dass Grape- fruitsaft gefährlich sein kann, wenn er zusam- men mit Medikamenten eingenommen wird. Sie, Frau Dr. Paneitz, haben in Cardio News über einen tragischen Fall von Wechselwirkungen von Grapefruitsaft mit Medikamenten berichtet. Ja, ein 29-jähriger Mann, der seit einiger Zeit täglich Grapefruitsaft getrunken hatte, litt unter allergischem Schnupfen. Dagegen nahm er Ter- fenadin (in: Hisfedin, Teldane, Terfedura, Ter- femundin, Terfenadin). Durch den Grapefruit- saft stieg der Spiegel von Terfenadin im Blut stark an, nämlich um das 30fache. Sein Kreislauf brach zusammen und er starb einige Stunden später. Um das Wichtigste vorweg zu nehmen: Raten Sie Menschen, die Medikamente einnehmen, gene- rell davon ab, Grapefruitsaft zu trinken? Ja, wer Medikamente einnimmt, sollte auf Grapefruitsaft verzichten. Das gilt besonders für Medikamente, die in der nebenstehenden Liste aufgeführt sind. Bei ihnen ist von Grapefruitsaft dringend abzuraten, weil man davon ausge- hen muss, dass Grapefruitsaft ihre Wirkung verstärkt. Wie kommt es zu dieser Wirkungsverstärkung? Unser Körper arbeitet mit Enzymsystemen, die dazu dienen, Stoffe, die nicht körpereigen sind, unschädlich zu machen oder abzubau- en. Das sind die sogenannten Cytochrome, abgekürzt: CYP. Sie sitzen in der Leber und der Darmschleimhaut. Wenn diese Enzyme durch eine Substanz blockiert werden, wie z.B. durch Grapefruitsaft, arbeiten sie nicht ausreichend. Dann kommt es im Kör- Medikamente: Wechselwirkungen mit Grapefruitsaft Interview mit Dr. rer. nat. Andrea Paneitz, Institut für Pharmakologie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Auswahl von Arzneimitteln, deren Bioverfüg- barkeit von Grapefruitsaft beeinflusst werden kann: Wirkstoff Medikamentenname* Kalziumantagonisten Amlodipin Norvasc Felodipin Modip Nifedipin Adalat Nitrendipin Bayotensin Nisoldipin Baymycard Verapamil Isoptin HMG-CoA-Reduktasehemmer Lovastatin Mevinacor Simvastatin Zocor Andere Ciclosporin Sandimmun Terfenadin Teldane Midazolam Dormicum *Die Wirkstoffe (links) sind in Medikamenten mit unterschiedlichen Namen enthalten. In der Liste ist jeweils nur ein Medikament aufgeführt. Auf der Verpackung und auf dem Beipackzet- tel sind die Wirkstoffe immer angegeben.

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Page 1: Medikamente: Wechselwirkungen mit Grapefruitsaft · PDF fileGenau so ist es. Prinzipiell muss man sagen, dass die Wirkung wahrscheinlich verstärkt ist, wenn man Medikamente gleichzeitig

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Grapefruitsaft schmeckt gut und ist als Vita-min C-Lieferant beliebt. Wer Grapefruitsafttrinkt, meint sich etwas Gutes anzutun. Um soerstaunlicher ist die Nachricht, dass Grape-fruitsaft gefährlich sein kann, wenn er zusam-men mit Medikamenten eingenommen wird.Sie, Frau Dr. Paneitz, haben in Cardio News übereinen tragischen Fall von Wechselwirkungenvon Grapefruitsaft mit Medikamenten berichtet.

■ Ja, ein 29-jähriger Mann, der seit einiger Zeittäglich Grapefruitsaft getrunken hatte, litt unterallergischem Schnupfen. Dagegen nahm er Ter-fenadin (in: Hisfedin, Teldane, Terfedura, Ter-femundin, Terfenadin). Durch den Grapefruit-saft stieg der Spiegel von Terfenadin im Blut starkan, nämlich um das 30fache. Sein Kreislaufbrach zusammen und er starb einige Stundenspäter.

Um das Wichtigste vorweg zu nehmen: Raten SieMenschen, die Medikamente einnehmen, gene-rell davon ab, Grapefruitsaft zu trinken?

■ Ja, wer Medikamente einnimmt, sollte aufGrapefruitsaft verzichten. Das gilt besondersfür Medikamente, die in der nebenstehenden Listeaufgeführt sind. Bei ihnen ist von Grapefruitsaftdringend abzuraten, weil man davon ausge-hen muss, dass Grapefruitsaft ihre Wirkungverstärkt.

Wie kommt es zu dieser Wirkungsverstärkung?

■ Unser Körper arbeitet mit Enzymsystemen,die dazu dienen, Stoffe, die nicht körpereigensind, unschädlich zu machen oder abzubau-

en. Das sind die sogenannten Cytochrome,abgekürzt: CYP. Sie sitzen in der Leber und derDarmschleimhaut.Wenn diese Enzyme durch eine Substanz blockiertwerden, wie z.B. durch Grapefruitsaft, arbeitensie nicht ausreichend. Dann kommt es im Kör-

Medikamente: Wechselwirkungen mit Grapefruitsaft

Interview mit Dr. rer. nat. Andrea Paneitz, Institut für Pharmakologie,

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Auswahl von Arzneimitteln, deren Bioverfüg-barkeit von Grapefruitsaft beeinflusst werdenkann:

Wirkstoff Medikamentenname*

KalziumantagonistenAmlodipin NorvascFelodipin ModipNifedipin AdalatNitrendipin BayotensinNisoldipin BaymycardVerapamil Isoptin

HMG-CoA-ReduktasehemmerLovastatin MevinacorSimvastatin Zocor

AndereCiclosporin SandimmunTerfenadin TeldaneMidazolam Dormicum

*Die Wirkstoffe (links) sind in Medikamenten mitunterschiedlichen Namen enthalten. In derListe ist jeweils nur ein Medikament aufgeführt.Auf der Verpackung und auf dem Beipackzet-tel sind die Wirkstoffe immer angegeben.

Page 2: Medikamente: Wechselwirkungen mit Grapefruitsaft · PDF fileGenau so ist es. Prinzipiell muss man sagen, dass die Wirkung wahrscheinlich verstärkt ist, wenn man Medikamente gleichzeitig

■ Genau so ist es. Prinzipiell muss man sagen,dass die Wirkung wahrscheinlich verstärkt ist,wenn man Medikamente gleichzeitig mit Gra-pefruitsaft nimmt. Aber wenn man den Gra-pefruitsaft vorher oder nachher trinkt, mussman ebenfalls damit rechnen, dass die Wir-kung über den Tag hinweg bestehen bleibt.

Wie sieht es mit den Beipackzetteln der Medi-kamente aus, die besonders betrof-

fen sind (s. Liste S.23)? Wir inder Herzstiftung haben nach-

gesehen und gefunden, dassdurchaus nicht alle diese

Medikamente eine War-nung vor Grapefruitsaftenthalten, wie es eigent-lich notwendig wäre.Und wenn ein Hinweisauf Grapefruitsaft gegebenwird, dann ist er oft für

den Laien unverständlichoder irreführend.

■ Ja, in der Tat sind die Bei-packzettel für den Laien oft

schwer verständlich. Für einigeder in der Liste aufgeführtenMedikamente, wie z.B. das Ter-fenadin sind ausreichende Hin-weise auf dem Beipackzettelaufgeführt. Meiner Meinungist es dringend erforderlich,allgemein verständliche undgut sichtbare Hinweise in dieBeipackzettel aller Medika-

mente aufzunehmen, bei denen entsprechen-de Wechselwirkungen zu erwarten sind.

Wenn die Beipackzettel nicht ausreichend infor-mieren, hängt es von den Ärzten ab, ob diePatienten über Grapefruitsaft Bescheid wissen.Glauben Sie, dass die Ärzte sie ausreichendaufklären?

■ Dazu kann ich wenig sagen. Die Ärzte beiuns in der Klinik in Greifswald sind natürlichdurch unsere Forschungsarbeit sensibilisiertund weisen darauf hin. Was draußen in derPraxis geschieht, weiß ich nicht. Aber ich fürch-te, dass die Patienten oft nicht ausreichendinformiert werden. Man muss hoffen, dass dieBeipackzettel in Zukunft deutlicher und ver-ständlicher warnen.

Wenn die Warnung vor dem Grapefruitsaftankommt, besteht dann nicht die Gefahr, dassdie Patienten Fruchtsäfte nicht mehr trinkenwollen?

■ Dazu gibt es überhaupt keinen Grund. Oran-gensaft ist eine hervorragende Alternative zu Gra-pefruitsaft. Es gibt sogar Studien, die unter-sucht haben, ob er die Abbauprozesse beeinflusst.Dabei ist herausgekommen, dass Orangensaftvollkommen unbedenklich ist. Überhaupt soll-te sich niemand durch die Risiken des Grape-fruitsaftes scheu machen lassen. Nach wie vorgilt: Obst, Gemüse, Salat sind für die Gesund-heit von großem Wert, weil sie Vitamine undSchutzstoffe enthalten. Das haben neuere Stu-dien wieder eindrucksvoll bestätigt.Nur: Medikamente sollte man immer mit Was-ser einnehmen.

Interview: Irene Oswalt

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D e u t s c h e H e r z s t i f t u n g

Für Gesundeist Grapefruitsaft ein gutes,wohlschmeckendesGetränk. Wer aber Medi-kamente nimmt, sollte dar-auf verzichten.

per zur Anreicherung des Arzneistoffes, derüber dieses Enzym abgebaut wird. Ganz einfach:Ein Patient nimmt z.B. das Medikament X ein.Das Medikament X wird durch die CYP imDarm und in der Leber abgebaut und ausge-schieden. Deshalb muss jeden Tag eine Tablet-te genommen werden, damit der Spiegel auf-recht erhalten werden kann.Sowohl in der Darmschleimhaut als auch inder Leber findet in unterschiedlichem Maß einAbbau statt. Das ist bei jedem Medikamentanders. Nehmen wir mal an, dieser Abbau betra-ge 50% und damit erreiche ich den Wirkspie-gel, den ich brauche. Wenn ich den Abbau die-ses Medikamentes dadurch blockiere, dass ichGrapefruitsaft trinke, kommen nicht nur 50%,sondern 70 oder 80% des Medikamentes insBlut. Wie im vorliegenden Fall beschrieben,kann diese ungewollte Blutspiegelerhöhungbei Medikamenten, die in höheren Dosierungengiftig sind, zu gefährlichen Nebenwirkungenführen.

Weiß man, was im Grapefruitsaft diese Wir-kung auslöst?

■ Seit fünf bis sechs Jahren hat man versuchtherauszufinden, was für Stoffe im Grapefruitsafteinen Einfluss auf die Medikamente abbauen-den Enzyme haben. Zunächst wurde das Narin-gin, ein Flavonoid, für diese Wirkung verant-wortlich gemacht. Nachfolgende Studien ließenvermuten, dass nicht Naringin allein für dieWirkungsverstärkung mancher Medikamenteverantwortlich ist. In der Folge wurden mehrereInhaltsstoffe des Grapefruitsaftes auf ihre enzym-hemmende Wirkung getestet. Auch diese Unter-suchungen lieferten keine einheitlichen Ergeb-nisse, so dass man bis heute nicht sicher weiß,welche Stoffe die CYP-Hemmung des Grape-fruitsaftes bewirken.

In dem tragischen Fall, über den Sie berichteten,war der Wirkstoffspiegel des Antiallergikumsum das 30fache erhöht. Bei einer Studie angesunden Erwachsenen hat man eine viel gerin-gere Steigerung gesehen, nämlich eine dreifa-che. Wie erklären Sie den Unterschied?

■ Zunächst: Die Reaktionen vonGesunden lassen sich mit denenvon Kranken nicht vergleichen.Aber hauptsächlich erklärt sichder Unterschied dadurch, dassNatursäfte, also auch Grape-fruitsäfte, nicht standardisiertsind. Das heißt: Wir wissen nicht,wie sie zusammengesetzt sindund wie stark sie verdünnt sind.Sind es Preßsäfte? Sind es Kon-zentrate? Grapefruitsaft ist nichtgleich Grapefruitsaft. Deswegenist es auch nicht möglich anzuge-ben, von welcher Menge an derGenuss von Grapefruitsaft gefährlichwird. Aus diesem Grund empfehlen wir,auf Grapefruitsaft ganz zu verzichten, wennman Medikamente nimmt.

Verstehe ich Sie richtig? Es geht also nicht nurdarum, Medikamente nicht mit Grapefruitsafteinzunehmen, sondern den ganzen Tag über kei-nen Grapefruitsaft zu trinken, wenn man Medi-kamente einnimmt.

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D e u t s c h e H e r z s t i f t u n g