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Physikalisch-diätetische Therapie - NATURHEILVERFAHREN - Mitteilungsblatt des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren e. V. 3. Jahrg., Heft 8, August 1962 Merket Euch, daß nicht nur das Böse für unseren Körper ge- schaffen ist wie Gift und Opiate, sondern auch das Gute, das unser Leben so stark beschützt wie Gold und Melissa." Dieses Paracelsus-Wort bleibt aktuell: so wie die therapeutische Wirk- samkeit der Melisse schon im Altertum und Mittelalter bekannt war und „Arzneyen" aus ihr empfohlen wurden — so findet der seit 1826 nach überliefertem Rezept bereitete Klosterfrau Melissengeist in unseren Tagen ständig steigende Wertschätzung in der kleinen Therapie: Innerlich bei nervösen Herzbeschwerden, ve- getativen Dystönien und Erschöpfungszu- ständen, Nervosität und Schlafstörungen, Gefäßspasmen, dyspeptischen Beschwerden, Dysmenorrhoe, Störungen im Klimakterium — sowie Erkältungskrankheiten; äußerlich bei Neuralgien und Rheumatismus. M. C. M. Klosterfrau Köln am Rhein Angeschlossene Arbeitsgemein- schaften für: Biologische Zahnheilkunde Elektroakupunktur, Gesundheiisvorsorge und Frühheilbehandlung, Mikrobiologische Therapie, Neuraltherapie nach Huneke, Psychotherapie-Seminare Inhaltsverzeichnis Hochrein / Schleicher: Thera- peutische Prinzipien beim Lungenemphysem 122 Lampert: Einfache wirkungs- volle physikalisch-therapeu- tische Maßnahmen für Klinik und Praxis 127 Sartorius: Akutes Nierenver- sagen be; urologischen Er- krankungen 131 Buchinger: Grundlagen der Fastentherapie 134 Cordes: Aktuelle Steuerfragen 136 Berichte 137 Tagungen 138 Aus anderen Zeitschriften: . 138 Neue Bücher 139 Verschiedenes . 140 Medizinisch-Literarischer Verlag 2000 Hamburg 13 - Isestraße 115 Postfach 3049 Tel. 47 44 34 Hamburg C 7775 E Phys.-diät. Ther.

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Physikalisch-diätetischeTherapie

- NATURHEILVERFAHREN -

Mitteilungsblattdes Zentralverbandes

der Ärzte fürNaturheilverfahren e. V.

3. Jahrg., Heft 8, August 1962

MerketEuch,

daß nicht nur das Bösefür unseren Körper ge-

schaffen ist wie Gift und Opiate, sondern auch das Gute,das unser Leben so stark beschützt wie Gold und Melissa."

Dieses Paracelsus-Wort bleibt aktuell: so wie die therapeutische Wirk-samkeit der Melisse schon im Altertum und Mittelalter bekannt warund „Arzneyen" aus ihr empfohlen wurden — so findet der seit 1826nach überliefertem Rezept bereitete Klosterfrau Melissengeist in unserenTagen ständig steigende Wertschätzungin der kleinen Therapie:

Innerlich bei nervösen Herzbeschwerden, ve-getativen Dystönien und Erschöpfungszu-ständen, Nervosität und Schlafstörungen,Gefäßspasmen, dyspeptischen Beschwerden,Dysmenorrhoe, Störungen im Klimakterium— sowie Erkältungskrankheiten;

äußerlich bei Neuralgien und Rheumatismus.

M. C. M. Klosterfrau • Köln am Rhein

Angeschlossene Arbeitsgemein-schaften für:Biologische ZahnheilkundeElektroakupunktur,Gesundheiisvorsorge undFrühheilbehandlung,Mikrobiologische Therapie,Neuraltherapie nach Huneke,Psychotherapie-Seminare

Inhaltsverzeichnis

Hochrein / Schleicher: Thera-peutische Prinzipien beimLungenemphysem 122

Lampert: Einfache wirkungs-volle physikalisch-therapeu-tische Maßnahmen für Klinikund Praxis 127

Sartorius: Akutes Nierenver-sagen be; urologischen Er-krankungen 131

Buchinger: Grundlagen derFastentherapie 134

Cordes: Aktuelle Steuerfragen 136

Berichte 137

Tagungen 138

Aus anderen Zeitschriften: . 138

Neue Bücher 139

Verschiedenes . 140

Medizinisch-Literarischer Verlag

2000 Hamburg 13 - Isestraße 115Postfach 3049Tel. 47 44 34

HamburgC 7775 E

Phys.-diät. Ther.

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Physikalisch-diätetischeTherapie

-NATURHEILVERFAHREN-

Mitteilungsblatt und Organ des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren e. V.

Schriftleitung: W. Groh - W. Tiegel

Wissenschaftlicher Beirat:

H. Anemüller (Prien) - K. Franke (Bad Lauterberg) - P. Frick (Mainz) - S. Gräff (Burgberg/Schw.) - H.-G. Güttner (Dresden)-H. Harmsen (Hamburg) - A. Hoff (Bad Wörishofen) - R. G. Heyer (Nußdorf/Inn) - M. Hochrein (Ludwigshafen/Rh.) -F. Huneke (Düsseldorf) - K. Kötschau (Bad Harzburg) - H. Krauss (Berlin-Buch) - W . Küstner (Magdeburg) - H. Lampert(Höxter) - E. Meyer (Camberg) — H. Mommsen (Frankfurt/M.)- W. v. Nathusius (Hirzenhain/Oberhessen) - P. Neuhäusser(München) - F. Oelze (Hamburg) - G. W. Parade (Neustadt/Weinstraße) - H. P. Rusch (Frankfurt/M.) - H. Seyfarth (Ro-stock) - H. Storck (Endbach) - L. Strassburg (Berlin) - E.-G. Schenck (Starnberg) - R. Schmeicher (Karlsruhe) - H. Schoeler(Karlsruhe) - H. Tiegel (Hallbergmoos) - R. Voll (Plochingen) - H. F. Voss (Heidenheim/Brenz) - H. Waming (Frankfurt/M.)R. F. Weiss (Marstetten-Aitrach) - F. Wittenbeck (Mannheim) - Graf Wittgenstein (München) - W. Zabel (Berchtesgaden).

3. Jahrgang August 1962 Heft 8

Aus der Medizinischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Ludwigshafen am Rhein (Chefarzt Prof. Dr. M. Hochrein)

Therapeutische Prinsdpien beim Lungenemphysem®Von M. H o c h r e i n und I. Sch le i che r

Aus großen klinischen Statistiken entnehmen wir, daß nachdem 50. Lebensjahr das Lungenemphysem in 15 bis 20%des gesamten Krankengutes als Haupt- oder Nebendiagnosein Erscheinung tritt.Untersuchen wir die Todesursachen älterer Menschen, dannfinden wir, daß es vor allem dieses Lungenemphysem ist, dasden Menschen hindert, die biologische Lebensdauer von100 Jahren und mehr zu erreichen.Nach dem 80. Lebensjahr sterben nach unseren Untersuchun-gen ca. 40% aller Menschen durch Rechtsherzversagen in-folge Lungenemphysems und der damit verbundenen Krank-heiten wie Bronchopneumonie, fieberhafte Bronchitis usw.Die Therapie des Altersemphysems gilt allgemein als wenigerfolgversprechend und wird daher als schicksalsmäßigesEreignis hingenommen.Die Gesundheitsmedizin, die auf Wohlbefinden und Lei-stungsfähigkeit auch noch nach dem 80. Lebensjahr abzielt,kann sich mit dieser Resignation nicht zufriedengeben. Eserhebt sich daher die Frage, welche prophylaktischen undtherapeutischen Möglichkeiten beim chronischen Lungen-emphysem gegeben sind.Die Pathogenese dieser Erkrankung wird uns leichter ver-ständlich, wenn wir uns kurz mit der Physiologie der pulmo-nalen Haemodynamik und Aerodynamik beschäftigen.Wir konnten zeigen, daß der Lungenkreislauf in funktionellerHinsicht sich in 2 Strombahnen aufsplittert ( H o c h r e i n undK e l l e r , 1932):a) in arterrovenöse Anastomosen, d. h. Kurzschlüsse, undb) in das alveolare Kapillarsystem, das im Nebenschluß liegt.Da die Ch-Aufnahme von der Durchlüftung der Alveolen undder Größe der kapillaren Gasaustauschfläche abhängig ist,müssen bei der Beurteilung des kardiopulmonalen Systemssowohl die Durchlüftung der Alveolen als auch die Blutver-teilung auf die alveolaren Kapillaren bzw. auf die Kurz-schlüsse berücksichtigt werden.

Nach einem Vortrag vor dem Ärzfeverein Bad Reichenhall am 6. April 1962

Als adaequater, biologischer Reiz für die Blutverteilung inder Lunge ist vor allem der Sauerstoffbedarf zu betrachten,welcher nach dem Prinzip mehrfacher Sicherung den mäch-tigsten Impuls für die Durchblutungssteuerung des pulmona-len Strombettes darstellt. Das Blutfassungsvermögen desLungenkreislaufes ist ziemlich beträchtlich. Die Lunge kann10-25% der gesamten Blutmenge aufnehmen, ohne daß derPulmonalisdruck ansteigt ( H o c h r e i n und Mat thes ) .

Es muß daher der Lunge eine nicht unerhebliche Depot-funktion zugesprochen werden ( H o c h r e i n und Ke i le r ) .Betrachten wir die Durchblutungsverhältnisse der Lunge, sowissen wir, daß in der Ruhe das alveolare Kapillarsystem, jenach dem Atemtyp, in den einzelnen Teilen, verschiedendurchblutet wird. Eine relativ große Menge des Blutes kanndurch die Kurzschlüsse laufen.

Kommt es zu einer Sauerstoffnot, dann erfolgt eine Höher-stellung der respiratorischen Mittellage. Es wird eine Ent-leerung der Blutdepots, vor allem der Leber, ausgelöst. Dervenöse Rückstrom wird vermehrt, das alveolare Kapillar-system wird mit Blut aufgefüllt und so die Voraussetzungfür eine bessere Os-Aufnahme geschaffen. Begünstigt wirddieser Vorgang noch durch eine Größenzunahme derAlveolen (Verzar ) .

Die breite Eröffnung kapillarer Strombahnen erfolgt langsamim toten Punkt bei körperlicher Belastung. Die Erreichung dessecond wind ist durch breite Eröffnung des alveolaren Kapil-larsystems gekennzeichnet.

Die pulmonale Aerodynamik ist bisher nur mit sehr grobenMethoden untersucht worden. Die Bestimmung der Vital-kapazität, der Reserve- und Residualluft gibt ebenso wie dieRegistrierung der Brustbewegung und die Spirographie nureine sehr ungenaue Auskunft über die pulmonaie Aerodyna-mik. Wir haben daher in den letzten Jahrzehnten die Pneu-motachographie zur pulmonalen Leistungsprüfung entwickelt.Wir stellen mit dem Pneumofachogramm nicht nur die Dauer

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der Inspiration und Exspiration, son- Schema der pulmonalen Zirkulation in Ruhe und ihre Umstellung durch Belastungdem auch die Form der Atmung unddie aufgewendete Energie in den ein-zelnen Atemphasen fest. ^ ftFür die Beurteilung der Lungen- " ^erkrankungen ist es wichtig, zu wissen, |[ |^daß die pulmonale Aerodynamik einen ^ K

Altersgang besitzt, der u. a. durch eine | , | *"** SeHstungUmformung der Atemkurve und eine -|<§zeitliche Vorverlagerung des exspirato- t j ^ , Toter Punkt second windrischen Geschwindigkeitsmaximums ge- .j*;»kennzeichnet ist (Kehre l ) .Die von Natur aus schwächeren Kräfteder Exspiration nehmen mit zunehmen-dem Alter rascher ab, so daß dieDauer der Exspiration in bezug auf " 100%die Inspiration nicht nur relativ längerwird, sondern auch die Exspirations-form sich aus einer Kuppel- bzw. Pla-teauform in eine Spitzform umwandelt(siehe Abb. 3).Bei den engen Beziehungen zwischenchronischen Lungenerkrankungen undInfekten der oberen Luftwege wirdwenig beachtet, daß pulmonalen Zirku-lationsstörungen häufig Reizzustände,besonders in den Bronchien, voraus-gehen und so das Auftreten von In-fekten erleichtern.Ähnlich liegen die Verhältnisse amMagen, wo nach unserer Vorstellungdie Gastritis nicht so sehr Ausdruckeines entzündlichen Vorganges, son-dern einer Durchblutungsstörung derMagenschleimhaut, meist einer Man-geldurchblutung ist.

a. K. R.

a. v K.

Alveole

alveolares Kapillarsystem

alveolare Kapillarreserve

artenovenöse Anastoraose (Kurzschluß)

Gefäss- NervenSyste m

Hegstito• • - - >

Wirkungsmecbanismus

dör Neurozirkulat Dystonie

Abb 2

H o c h r e i n und S c h l e i c h e r I eistungssteigerung 3. Auflage

Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1953, Abb 9, S 44.

Abb. 1

Die Genese pulmonaler Zirkulationsstörungen ist, gleich-gültig ob organische Veränderungen im Lungenkreislauf vor-

, __ handen sind oder nicht, überwiegend funktioneller Art, wobeiallerdings infektiöse und degenerative Faktoren richtung-

*~* f gebend für das klinische Bild sein können.

Wir nehmen an, daß funktionelle Blutverteilungsstörungen inder Lunge meist auf einer vegetativen Dysregulation be-ruhen, deren Ursache in latenten Infektionen, fokalen Infek-ten, Trainingsverlust, Intoxikationen usw. beruht. Das patho-genetische Prinzip dieser vegetativen Dysregulation bestehtdarin, daß das stabile Gleichgewicht einer optimalen Blut-verteilung nicht mehr besteht und biologische Reize über-schießend oder paradox beantwortet werden. Wir sprechenvon einer neurozirkulatorischen Dystonie.

Aus Abb. 2 wird ersichtlich, in welcher Form sich die ausdem pathogenetischen Prinzip der neurozirkulatorischen Dys-tonie entstandenen Syndrome der zirkulatorisch bedingtenOrganinsuffizienz an den einzelnen Organen auszuwirkenvermögen.

An der Lunge können sich folgende funktionelle Durchblu-tungsstörungen abspielen:

a) Eine überschießende Reaktion, die zu einer stärkerenBlutanschoppung im alveolaren Kapillarsystem führt, kannsehr symptomarm sein und braucht keine größeren Be-schwerden zu machen. In der gleichen Entwicklungsreiheliegt aber auch das akute u. U. tödlich verlaufende Lun-genoedem.

Gesellt sich nun zu dieser Disposition eine Ubererregbar-keit des Atemzentrums, dann wird diese Blutanschoppungin der Lunge mit einer spezifischen Atemform beantwortet,welche mit dem verlängerten keuchend-stöhnenden Ex-spirium einhergeht. Dieses Symptom ist das Hauptkrite-rium des a s t h m a t i s c h e n A n f a l l e s .

b) Mangeldurchblutung des alveolaren Kapillarsystems.Sowohl vermehrte Blutfüllung der Lunge als auch Blut-verarmung des alveolaren Kapillarsystems führen zu einer

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erhöhten respiratorischen Mittellage und zu einem Volu-men pulmonum auctum.

Nimmt die Erregbarkeit des Atemzentrums gegen C O ab,dann entwickelt sich ein anfänglich funktionelles Lun-ge n em p hy s em.

Der Beginn beider Erkrankungen ist die Bereitschaft desLungenkreislaufes für reflektorische Störungen. Voraus-setzung ist meist eine konstitutionelle Bereitschaft odereine funktioneile oder organische Vorschädigung. Reize,die von den verschiedensten Organen, wie der Nase, vonHaut, Magen, Gallenblase, Cerebrum, Genitale usw. aus-gehen, werden vom Lungenkreislauf angenommen undpathologisch beantwortet.

Dem Emphysem und dem Asthma liegt das pathogenetischePrinzip einer funktionellen Fehlsteuerung des Lungenkreis-laufes, eine „ p u l m o n a l e D y s t o n i e " zugrunde.Die Klinik des Lungenemphysems zeigt je nach der Ursacheund dem Entwicklungsgrad mannigfaltige Bilder des pulmo-nalen Respirations- und des Zirkulationsapparates.Vom Standpunkt der Respiration aus fällt bei stärkeremEmphysem eine Verminderung der Vitalkapazität, eine Zu-nahme der Residual- sowie Abnahme der Reserveluft auf, sodaß es zu einer schlechten Durchlüftung der Lunge kommt, wo-bei eine verminderte exspiratorische Energie maßgeblich mit-beteiligt ist.

Untersuchen wir die Aerodynamik beim Lungenemphysem,dann zeigt bereits der Verlauf der Atemkurven, daß besondersim Exspirium die Kriterien des Alterns stärker ausgeprägtsind als den Lebensjahren entspricht. Die Dauer von Exspi-ration und Inspiration zeigt eine starke Verschiebung zumNachteil der Inspiration. Das Maximum der Atemgeschwin-digkeit ist im Hinblick zur Respirationsdauer noch weiternach dem Beginn verschoben.

iil»14«'Wi^BP»Abb. 3 Atemkurven junger und alter Menschen

sowie eines Emphysematikers

Der Emphysematiker hat einen stark vorgealterten Atemtyp.Da die Alterung des gesamten Menschen stets den Schritt-macherdiensten des weitest vorgealterten Organes, in die-sem Falle der Lunge, folgt, ist es nicht überraschend, daß diemeisten Emphysematiker früh gealterte Menschen sind.In zirkulatorischer Hinsicht muß daran gedacht werden, daßdie schwachen Atemexkursionen die Leber nur ungenügendauspressen, so daß der venöse Rückstrom, der das rechteHerz zur adaequaten Leistung ankurbeln soll, nur geringerfolgt. Andererseits gibt die oberflächliche Atmung demrechten Herzen nur eine geringe Unterstützung für die Durch-blutung der Lunge. Das ist um so schwerwiegender, je mehrdurch überdehnung und Ausfall zahlreicher Kapillaren derStrömungswiderstand in der Lunge erhöht wird. Die Folgeist ein pulmonaler Hochdruck, der unter dem Erscheinungs-bild des chronischen Cor pulmonale letzten Endes zur Rechts-insuffizienz führt.

Dieser Entwicklungsgang ist im fortgeschrittenen Stadiumleicht zu diagnostizieren. Schwieriger ist es jedoch, das Früh-stadium zu erkennen, da hierbei nicht nur Auskultation undPerkussion, sondern auch die Röntgenuntersuchung meist ver-sagen.Um einen tieferen Einblick in die aerodynamische Funktionder Lunge zu gewinnen, haben wir den pneumotachographi-schen Atemtest entwickelt. Wir verwenden dabei den mit derFa. Grundig, Fürth i. Bayern, entwickelten direktschreibendenPneumotachographen.

Der Atemtest verlauft in folgenden drei Stufen:S tu fe I: Normalerweise finden wir bei der Registrierungeines Pneumotachogramms eine spitze, runde oder plateau-förmige Inspiration. Die Atemzah!/min. beträgt 12 bis 14,das Verhältnis zwischen Inspirations- und Exspirationsdauerweniger als 1,2. Bei der respiratorischen Insuffizienz ist dieAtemform des Herzkranken nicht sonderlich verändert. Meistliegt eine Tachypnoe vor. Das Verhältnis zwischen Inspira-tions- und Exspirationsdauer ist verlängert und liegt in derRegel über 1,2. Handelt es sich um eine respiratorische In-suffizienz pulmonaler Genese, dann ist die Atemzahl normaloder verringert. Die exspiratorische Atemkurve zeigt einespitz-konvexe Deformation, und das Verhältnis zwischen In-spirations- und Exspirationsdauer liegt fast immer über 1,2.

Normal | Exspirium—

l Inspinurn- 0-Linie

insp/exsp --1,0 1,2 10 11

insp/exsp 10 12

Respiratorische Insuffizienz

| Exspirium-0 Linie

10 11

llnspirium

a) cardio/sr Genese

insp/exsp =•

b) pulmonaler Genese

10 Tti

insp/exsp •• 10 1 37

Abb. 4 Pneumotachogramm

a) normalb) cardiale Insuffizienzc) pulmonale Insuffizienz

Stu fe II: Atemstoßtest durch Pneumotachograph und Spiro-meter.la Kurzdauernder kräftiger Atemstoß wie beim Ausblasen

einer Kerze.1b Kräftiger Atemstoß mit voller Vitalkapazität.

Kurzer kräftiger Atemstoß wie bei 1a bei Vorsetzeneiner Stenose von 65%.Kräftiger Atemstoß mit voller Vitalkapazität bei glei-cher Stenosierung.

Aus einer Eichkurve läßt sich die Geschwindigkeit und damitdie Kraft ablesen, mit der in 1a bzw. 2a die Luft ausgestoßenwird. Weiterhin kann die Dauer des Atemstoßes mit vollerVitalkapazität in 1b und 2b bestimmt werden, die benötigt

2a

2b

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wird, um die volle Vitalkapazität ohne bzw. gegen einHindernis auszustoßen. Die Maximalgeschwindigkeit des Aus-stoßens sowie die Dauer beim Ausblasen der vollen Vital-kapazität sind normalerweise von Alter, Konstitution, indivi-duellen Eigenarten und sportlichem Training abhängig. DieGeschwindigkeit des Atemstoßes ist bei der kardialen Insuf-fizienz mäßig reduziert, ebenso die Dauer von Tb wegen ver-minderter Vitalkapazität.Schon beim geringen Lungenemphysem ist die Geschwindig-keit von la und 2a deutlich vermindert und die Dauer von1 b und 2b relativ verlängert.Bei der kardialen wie bei der pulmonalen respiratorischenInsuffizienz ist die Reaktion der Atmung auf die Stenosedurch eine Abnahme der Atmungsgeschwindigkeit und derVentilationsgröße charakterisiert. Nach Entfernung der Ste-nose kommt es zu einer Tachypnoe und Hyperpnoe, die oftsechs Minuten und länger andauert bis der Ruhewert wiedererreicht wird. Der Gesunde braucht hierfür meist weniger alsdrei bis vier Minuten.Für eine orientierende Untersuchung genügt meist schon dieStufe 1 dieses Atemtestes, der nur ein bis zwei Minuten inAnspruch nimmt und ausreicht, um eine respiratorische In-suffizienz und die Art ihrer Genese anzuzeigen. (I. SCHLEI-CHER).Bei der Aufstellung eines H e i l p l a n e s haben wir nebendem Versuch einer k a u s a l e n T h e r a p i e ein aerodynami-sches und ein haemodynamisches Problem zu lösen.Gibt eine chronische Entzündung der Nasennebenhöhlen dieVeranlassung für einen Reizzustand von seifen der oberenLuftwege, dann stellen wir an den Beginn unserer Therapieeine otologische Behandlung. Da die Zahl dieser Fälle nichtgering ist, besonders beim asthmatisierten Emphysem, gehörtdie fachärztliche Prüfung der oberen Luftwege beim Em-physematiker zu unseren Routineuntersuchungen. Die Beseiti-gung fokaler Infekte der oberen Luftwege geschieht auch ausder Überlegung heraus, daß diese häufig eine ursächlicheBedeutung für die Entstehung einer pulmonalen Dystoniebesitzen. Damit werden auch unsere guten Erfahrungen ver-ständlich, die wir häufig nach Fokalsanierung, Nikotinverbot,leichter Sedierung des Mittelhirns usw. beobachteten.In diesem Rahmen ist es interessant, daß es nicht selten ge-lingt, die Beschwerden eines vorwiegend funktioneilen Em-physems durch eine Umstimmung des Vegetativums wieKlimawechsel, diätetische Umstellung usw. zu beseitigen.Bei den meisten Emphysematikern ist der Liquordruck erhöht.Oft kann eine überraschende Besserung der respiratorischenInsuffizienz durch eine Liquorentnahme von 15 bis 20 ccm er-zielt werden, womit meist ein schlagartiger Anstieg der Vital-kapazität verbunden ist (HOCHREIN und SCHLEICHER).Zur Behebung der aeroaynamischen Störungen sind zahl-reiche Behandlungsvorschläge entwickelt worden, die meistan dem in der Inspirationsstellung erstarrten Thorax schei-terten. Gymnastische Übungen mit Armbewegungen durchdas Bali-Gerät, Lockerung der verkrampften Inspirations-muskulatur durch Bindegewebsmassage, Atemübungen usw.werden mit wechselndem Erfolg empfohlen.

Bei Emphysematikern ist das Zwerchfell erschlafft und tief-stehend. Hier ist der Ansatzpunkt für eine Aktivierung derRespiration gegeben, denn die Zwerchfellbewegung kannwillkürlich gesteuert werden. Wir haben für die Kräftigungdes Zwerchfells und dlie Vertiefung der Atmung die Bauch-atmung mit dem Sands.ack von 5 bis 10 kg empfohlen.

Bei der Behandlung der haemodynamischen Störungen giltes, in erster Linie die Mangeldurchblutung und die vermin-derte Blutfüllung des alveolaren Kapillarsystems zu beheben.Wir machten uns eine Beobachtung zunutze, welche uns beiexperimentellen Untersuchungen am Lungenkreislauf aufge-fallen war. Es gelingt nämlich, durch eine inspiratorische Ste-nose, d. h. durch einen willkürlichen Unterdruck in den Luft-wegen, die Blutfüllung der Lunge zu steigern, die Sauerstoff-aufnahme zu erleichtern, den Druck in der A. pulmonalis zusenken und das Vegetativum parasympathisch zu beein-flussen.

Wir haben bei mehreren hundert Kranken mit pulmonalerDystonie und Lungenemphysem dreimal tgl. 20 Minuten langvor dem Essen eine Beatmung durch eine Wasserpfeife miteinem inspiratorischen Widerstand von 2-5 cm H2O durch-geführt.

Behandlungserfolg bei einer Emphysembronchitis mittels Wasserpfeife

b)

201

ISO-Sehardlung mit 'A'

I l l l l l l lIQ 12 16 76

Behandlungstage

Abb. 5 Sandsackatmung nach HOCHREIN

Abb. 6 Behandlung von Emphysembronchitis mit Wasserpfeife

In Abb. 6 ist die Wasserpfeife dargestellt und gleichzeitiggezeigt, wie bei einem Fall von Emphysembronchifis inner-halb von 16 Behandlungstagen nicht nur die Sputummengezurückgeht, sondern auch die Vitalkapazität mittels dieserBehandlungsmethode weitgehend normalisiert wird.

Von vielen Emphysematikern wird eine Förderung der pul-monalen Durchblutung durch eine Anregung der Atmungüber den Riechnerv als sehr angenehm empfunden. Wirbedienen uns gleichzeitig der Reflextherapie und reiben dieobere Brusthälfte früh und abends mit Euflux ein. Der Erfolgdieser Anwendung läßt sich objektiv an der Besserung derO2-Sättigung nachweisen.

Hat sich aus dem Lungenemphysem ein pulmonaler Hoch-druck mit chronischem Cor pulmonale entwickelt und sindErscheinungen einer Rechtsinsuffizienz, wie Leberstauung,Beinoedeme, starke Zyanose, Polycythämie usw. aufgetreten,so ist heute die früher geäußerte schlechte Prognose nichtmehr gerechtfertigt. Wir konnten zeigen, daß es mit dervon uns ausgearbeiteten Therapie gelingt, auch schwere Fällevon dekompensiertem chronischem Cor pulmonale bei Lun-genemphysem zu rekompensieren. Es empfiehlt sich dabei,der alten Erfahrung zu gedenken, daß zu Beginn der Be-handlung ein Aderlaß von 200-300 ccm dem rechten Herzendie „Atempause" verschaffen kann, die es zu seiner Erholungbenötigt.

125

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Behandlung schwerer kardialer Rechtsinsuffizienz

G. A. 58 Jahre : Diagnose : Pulmonaler Hochdruck bei Pulmonalsklerose

und Emphysem, Rechtsinsuffizienz, Blausucht

R. R. :Vk.:Gewicht:Leber:Hb:Zyanose:Ruhedyspnoe:

16.XI.53

160/1001,6

90,24 Querfinger

118

14.1.54

150/903,7

77,51 Querfinger

108+•0

10.11.54

140/803,7

77,0normal

9400

am 16.XI.53 14.1.54 10.11.54

Rö : Linksverbreitertes aortengeformtes Herzmit betontem Pulmonalbogen undvermehrter Gefässzeichnung auf denLungen. Erhebliche Hilushyperaemie.

Die erheblich verstärckte Ge-fässzeichnung Im Hilus u. aufden Lungen gleichen in ihrer

Intensität dem Vorbefund.

Behandlungsverlauf:

Aderlass von 200 ccm.O2 - Atmung, Saftfasten.2X2 Eupond, 3X1 Veramon2 X tgl. 7s Strophantin mit

Embran und CebionAtempfeife mit 1 cm inspiratorischer Stenose-Rauchverbot.

Jod - Digitalis

3 cm insp. Stenose

Trokenbürsten — Massage — Sandsackatmung

Tab. 8 Therapie eines dekompensierten Lungenemphysems

Aus Tabelle 8 ist der therapeutische Erfolg bei einer Rechts-herzinsuffizienz mit Leberstauung, Ödemen und Polycyth-aemie infolge Lungenemphysem und pulmonalen Hochdurckzu ersehen.

Z u s a m m e n f a s s u n g :

Das Lungenemphysem ist eine weit verbreitete Erkrankung.Den Beginn bildet häufig eine pulmonale Dystonie. Damitwird der Entwicklungsgang von der respiratorischen Höher-stellung zur inspiratorischen Fixierung des Thorax bis zumLungenemphysem, pulmonalen Hochdruck und chronischenCor pulmonale mit seinen Versagenszuständen eingeleitet.

Um die Diagnose besonders im Frühstadium zu erleichtern,haben wir pneumotachographische Methoden erarbeitet.Für Prophylaxe und Therapie eignen sich besonders natur-gemäße Heilmethoden, wie Herabsetzen der vegetativenÜbererregbarkeit, Vertiefung der Atmung, Förderung derDurchblutung des alveolaren Kapillarsystems, Senkung despulmonalen Hochdruckes und Umstimmung des vegetativenNervensystems auf eine vagotone Reaktionsbereitschaft. Einekombinierte Beeinflussung der Aerodynamik und Haemody-namik führt auch bei schweren Fällen von dekompensiertemEmphysem häufig zu einer Besserung der Beschwerden undeiner Steigerung der kardiopulmonalen Leistung.

Forts, u. Schluß: Seite 127

126

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Kombinierte Segment- und Inhalationstherapie mit Euflux (oxymetrischer Nachweis derSauerstofjsdttigung). K. H., 41 Jahre, männl., neurozirkulatonsche Dystonie mit stenokar-

dischen Beschwerden und pulmonaier Dystonie bei Adipositas.

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VERZAR, F Pflugers Arch 232,322(1933)Anschrift. Prof Dr M HOCHREIN und Doz Dr med habil I SCHLEICHER,67 Ludwigshafen/Rh , Saarbruckener Straße 7

Aus der Weserbergland-Klinik Höxter/Weser - Spezialklinik für physikalische Medizin(Ärztl. Dir. u. Chefarzt: Prof. Dr. med. H. LAMPERT)

Einfache wirkungsvolle physikalisch-therapeutischeMaßnahmen für Klinik und Praxis*

Von H. La m p e r t

Meine Ausführungen möichte ich mit einem Erlebnis beginnen.Es war im Jahre 1947. Ich begegnete einem sehr abgemager-ten, abgehärmten Rußlrandheimkehrer. Er sprach mich mitfolgenden Worten an: „Herr Professor, Sie werden mich nichtmehr wiedererkennen, lieh war einst ein Hörer Ihrer Vor-lesung und möchte heute etwas abbitten. Wir Studentenhaben uns szt. häufig etwas lustig gemacht, wenn Sie vonErfolgen mit Ihren einfachen Methoden berichteten. Heutehabe ich Ihnen zu danken, daß ich bei Ihnen gelernt habe,was man mit kaltem und heißem Wasser, einem Handtuchund kaltem und heißem Lehm machen kann. Wie vielenKameraden habe ich auf diese Weise in der Gefangenschaftgeholfen, wie viele Fleckfieberkranke sind durch Anwendungder Uberwärmungsbäder nicht gestorben!"Diese Worte wiegen all die Mühe auf, die ich mir machte,

* Vorfrag, gehalten vor den Ärzten in Karlsruhe und Umgebung

um diese einfachen Methoden in das therapeutische Rüstzeugder Ärzte einzuführen.Doch wollen wir in medias res gehen und mit der Hydro-therapie beginnen. Wir unterscheiden den d i r e k t e n kaltenund heißen Reiz und das auf- und absteigende e i n s c h l e i -chende Bad. Dabei gehen wir von der Indifferenztempe-ratur der Haut von 34-35° C aus. Die Temperaturabschnittedarüber bis 37° C werden als warm, bis 40° als heiß unddarüber als sehr heiß bezeichnet. Die Unterscheidung istwichtig. Wer ein Fichtennadelbad von 40° C abgibt, wirdkeine Beruhigung erzielen, sondern eine Erregung erzeugen;das Bad macht zwar schläfrig, der Patient kann aber vorinnerer Unruhe nicht schlafen. Dagegen wird ein warmesBad von 35-37° C den Schlaf bringen. Die Wassertemperaturvon 34-30° C bezeichnen wir als lau. Sie ist d i e Temperatur,bei der der Körper auf den unterschwelligen Kältereiz nichtmit Gegenreaktionen, also Gefäßkontraktionen, reagiert,sondern mit einer Entwärmung des Körpers antwortet, da dieumgebende Wassertemperatur niedriger als die Körper- und

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Abb. 1 Heißer Guß. (Primäre Kontraktion der Gefäße und anschließend reaktive Hyperämie)

Abb. 2 10" dauernde Unterarmgüsse von 43°, 45° und 7° C. Je weiter sich die Temperatur vomIndifferenzpunkt der Haut (34°) entfernt, desto intensiver die Reaktion.

Abb. 3 Beginn mit einer Wassertemperatur von 35 bis 36° C; langsam steigend bis 44° C

Abb. 4 / a / der begossene Arm wird zugedeckt.

Abb. 5 Heißer Unterarmguß bei diabefischer Gangrän. Bei einem Vergleich mif Abb. 4 siehtman deutlich, daß der Kältereiz stärker und dementsprechend die darauffolgende ungünstigeReaktion bei Kälte auch stärker ausgeprägt ist als bei dem heißen Guß. Andererseits ist hier beiHitze die reaktive Hyperämie aber viel geringer, nur angedeutet, als bei Abb. 1. a, c = geringeBewegungen mit der begossenen Hand, b = begossene Hand wird zugedeckt.

Abb. 6 Deutlich sichtbare reaktive Hyperämie ohne primäre Kontraktion. (Die Nullinie ist ausVersehen zu hoch eingestellt).

a = Zudeckenb = Aufdecken des begossenen Armes

= Beginn= Ende der Anwendung

Hauttemperatur ist. Beson-ders günstig wirkt dieselaue Temperatur im Sinneeines langsam von 34 bis30° C absteigenden Badesberuhigend bei Basedowund Thyreotoxikosen. Eskommt zur Pulsverlang-samung. Man darf aller-dings nur soweit mit derWassertemperatur abstei-gen, daß kein Kältefrö-steln entsteht. Dhe Tem-peratur unter 30° C be-zeichnen wir als kalt. Sieführt zu Gegenregulatio-nen, also Gefäßkontrak-tionen.

Lassen Sie mich kurz dienotwendigen wissenschaft-lichen Grundlagen zumbesseren Verständnis anHand von Pfefhysmo-grammen, also Armvolu-menkurven, demonstrieren(siehe Abb. 1-6). DiesePlethysmogramme konntenwir dadurch aufnehmen,daß auf Grund der kon-sensuellen Reaktionen einauf den rechten Arm ab-gegebener Reiz links diegleiche Reaktion auslöst,so daß auf der einenSeite der Reiz ausgeführtund auf der anderenSeite die Reaktion aufeinem Kymographion sicht-bar gemacht werden kann.Zusammenfassend darfich nochmals auf Grundder vorgeführten Plethys-mogramme betonen, daßwir streng zwischen demdirekten kalten und hei-ßen Reiz einerseits, dernur bei gesunden Gefä-ßen angewandt werdendarf, und dem einschlei-chenden, mit der Tempe-ratur aufsteigenden Reiz,der auch bei krankhaftenGefäßen angewandt wer-den kann, unterscheiden.W i r h a l t e n d a b e if e s f , daß der kalteund der he iße Reizke ine G e g e n s ä t z e inb e z u g au f d i e R ich-tu ng i h r e r Re izw i r-k u n g d a r s t e i l e n , son-de rn nur h i n s i c h t -l i ch der I n t e n s i t ä tdes Reizes v e r s c h i e -den s ind .

Wie sieht nun die Praxisder Hydrotherapie aus?Ich verzichte wegen derRaumnot auf die Anfüh-rung der allgemein be-kannten Kneippschen An-wendungen und ihre Indi-kationen und greife nureinige bisher in der Praxisnoch wenig angewandteMaßnahmen heraus. Zu-

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nächst für den direkten kalten und heißen Reiz je einBeispiel. Was würden Sie als Internist therapeutisch beider Elephantiasis und den oft bretthart infiltrierten pigmen-tierten Narben und den oft von thrombosierten Krampf-adern und Geschwüren herrührenden Beschwerden tun? Hierhat sich das mindestens V2 Stunde dauernde k a l t e Un te r -s c h e n k e l b a d sehr bewährt. Je kälter das Wasser ist,desto besser. Der zu Beginn kurzdauernd auftretende Kälte-schmerz läßt bald nach. Zunächst wendet man es nur vor-mittags, später auch nachmittags an. Nach etwa vier Wochenwerden Sie eine Verkleinerung des Unferschenkelumfangesfeststellen. Stehen thrombosierte Venen im Vordergrund,kommt ein anderes einfaches Verfahren zur Rekanalisierungirüravasaler Blutgerinnsel in Frage, auf das ich a)s letzteMethode am Schluß noch eingehen werde.Während also bei der Elephantiasisbehandlung durch lang-anhaltende Kaltwasserbäder neben dem direkt kalten Reizund der dadurch bedingten Gefäßkontraktion noch die Wir-kung des hydrostatischen Druckes in Frage kommt, möchteich jetzt ein Beispiel für die Wirksamkeit des direkt heißenReizes bringen. Das he iße V o l l b a d , also den direkt hei-ßen Reiz, benutzen wir gern beim akuten Kreislaufkollaps.Dauert der Kreislaufkollaps etwas länger, wird man dasaufsteigende Ü b e r w ä r m u n g s b a d anwenden, doch dar-über später. Hier nur ein Beispiel für den Kreislaufkollapsbei einem Schwerkranken mit doppelseitiger Pneumonie.Nach siebentägiger Behandlung mit siebenmal zwei Tbl.Eubasin wurde dieser Feldwebel in unser Lazarett einge-wiesen. Er war zwar entfiebert, hatte aber einen kleinenPuls von 120 Schlägen und eine Leukopenie von 3000 Zellen.Als dieser völlig kollabierte Patient ohne jede Herzmedi-kation in ein heißes Bad gebracht wurde und er eine Kör-pertemperatur von 39° C bekam, fühlte er sich so wohl, daßer - als ich ihn nach einer halben Stunde wieder heraus-nehmen wollte — darum bat, eine weitere halbe Stunde imBad bleiben zu dürfen, da er sich die ganzen sieben Tagenicht so wohlgefühlt habe.

Als zweites Beispiel für die Anwendung des direkt heißenReizes sei das he iße T a u c h b a d genannt. Beim Panaritiumwird besonders von chirurgischer Seite gern das heiße Sei-fenbad empfohlen. Dies ist gut, wenn man die Haut er-weichen will. Besser ist es jedoch, durch das heiße Tauchbaddie lokale Entzündung und damit die Abwehr so zu steigern,daß der Prozeß wieder zurückgeht oder der Eiter durch eineIncision entleert werden kann. Zweimal, bei einem russischenKriegsgefangenen und bei mir selbst, habe ich dabei erlebt,daß der schon gelbe Eiter völlig eintrocknete und dann alsgelbes Pulver unter der dünnen Haut herausgekratzt werdenkonnte. Auch beginnende Armphlegmone konnte auf dieseWeise lokalisiert und gebessert werden.Die T e c h n i k des h e i ß e n T a u c h b a d e s ist sehr einfach.Das Wasser muß so heiß sein, daß man seine Hand nichtim Wasser lassen kann. Durch wiederholtes schnelles Ein-tauchen und wieder Herausziehen etwa zehn Minuten lang,fünf- bis sechsmal täglich gegeben, kommt man meist schonin ein bis zwei Stunden zum Ziel. Nach dem Bad wird zumAnhalten der entstandeinen hochgradigen Hyperämie die Ex-tremität warm eingehülltNach diesen Beispielen für den direkten heißen und kaltenReiz lassen Sie mich übergehen zum langsam a u f s t e i g e n -den S c h w e n i n g e r - H a u f f e s c h e n U n t e r a r m b a d ,also einem einschleichenden Reiz. Wie oben schon betont,kann dieses Bad im Gegensatz zu unseren bisher geschil-derten Methoden auchi bei kranken Gefäßen angewandtwerden. Zum besseren Verständnis der Fernwirkung dieserMethode mögen noch einige theoretische Bemerkungen überdie Morat-Dastresche Regel angeführt werden. Normaler-weise reagieren die ISplaochnicusgefäße entgegengesetztwie die Hautgefäße. Nur die Nieren- und Herzkranzarterienreagieren gleichsinnig. Dementsprechend können wir mit demaufsteigenden Armbad eine Hyperämie der Herz- und Nie-renarterien erzielen. Jede Herzmuskelschwäche, jede begin-nende Angina pectoris, sollte uns veranlassen, das au f -s t e i g e n d e A r m b a d anzuwenden. Die Techn i k ist sehreinfach: Wir legen den linken Arm in ein Becken mit Wasservon der Indifferenztemperatur von 34° C und steigern so-

lange die Wassertemperatur, bis ein allgemeines Wärme-gefühl im Körper auftritt; dann beenden wir den Zufluß desheißen Wassers und bleiben mit dem Arm noch fünf Minutenim Bade. Sollte Schweißausbruch auftreten, beenden wir dasBad vorzeitig. Um keine Entwärmung und eine erneuteEngerstellung der Gefäße durch die umgebende kalte Luftherbeizuführen, hüllen wir die erwärmte Extremität gut ein.Soweit ist das aufsteigende Armbad im allgemeinen denÄrzten bekannt.Weniger geläufig ist das wirkungsvollere, im gleichen Sinnedurchgeführte, aber in der Temperatur noch mehr gesteigerteTei I ü b e r w ä rm un gsbad . Das Hauptindikationsgebietsind die arteriellen Durchblutungsstörungen. Die Höhe derangewandten Wassertemperatur richtet sich nach dem Auf-treten des Schmerzes. Sobald das Bad unangenehm schmerz-haft empfunden wird, dürfen wir die Wassertemperatur nichtmehr steigern. Die durch dieses Teilüberwärmungsbad, dasman ohne Bedenken in jeder Allgemeinpraxis anwendenkann, erzielte Hyperämie hält mehrere Stunden an und kannder durch Sauerstoffinsufflation erzielten Wirkung gleichge-setzt werden. Die hierbei auftretende hochgradige langan-dauernde Erweiterung der Gefäße konnte auch rheogra-phisch objektiviert werden.Dieses aufsteigende Teilüberwärmungsbad kann sowohl beigesunden als auch bei arteriosklerotisch veränderten Ge-fäßen auf diabetischer Basis oder bei einer Endarteriitis obli-terans angewandt werden.Neben den ebengenannten Durchblutungsstörungen kommenzur Behandlung noch in Frage Sudeksche Atrophie, trophischeUlcera, schlechtheilende Knochenbrüche oder schlechtheilendeFisteln und vegetative Störungen an den unteren Extremi-täten als Restzustände nach Kinderlähmung; selbst bei Mor-bus Raynaud haben wir Besserungen erzielt.Zur T e c h n i k dieses Tei 1 ü b e r w är mung sba d es sei ge-sagt: Je schwerer die periphere arterielle Durchblutungs-störung, desto langsamer muß man mit der Wassertempe-ratur ansteigen und desto kürzer muß zunächst die Dauerdes Bades sein. Der auftretende Schmerz ist dabei stets einWarnsignal. Von diesem Zeitpunkt des beginnenden Schmer-zes an darf die Wassertemperatur nicht mehr gesteigertwerden.Bei der von uns benutzten Spezialwanne wird durch denGummiabschlußring eine leichte venöse Stauung ausgelöst,was wiederum sich günstig als venöse Hyperämie auswirkt.Zur Behandlung von Melanosarkomen an den Extremitätenmuß die Körpertemperatur höher gesteigert werden, wasdurch U n t e r b i n d u n g des a r t e r i e l l e n B l u t s t r o m e serzielt wird. Zur Behandlung dieser bösartigen Geschwulstsehen wir uns berechtigt auf Grund unserer früheren mitFrl. VOLLMAR, der damaligen Leiterin der Krebsabteilungdes Instituts für experimentelle Therapie in Frankfurt/M.,durchgeführten Untersuchungen an der Gewebekultur undan Tieren. Diese Untersuchungen ergaben eine Schädigungder Ca-Zelle bei einer umgebenden Temperatur von 39° Cund ein Absterben dieser Ca-Zellen bei 42° C, während dienormale Zelle bei 43° C noch nicht, sondern erst bei 44 bis45° C vernichtet wurde. Auch unsere Tierversuche an 200 Mäu-sen mit dem EHRLICHschen Impfcarcinom und dem Ascites-carcinom zeigt eine deutliche Beeinflussung des Carcinom-wachstums im Sinne der Vernichtung durch hohe Körpertem-peraturen. Aber auch schon das Studium der Weltliteraturhatte uns einen entsprechenden Hinweis gegeben. Es sind450 Fälle von histologisch gesicherten Carcinomen bekannt,die nach Spontanremissionen ausheilten. Bei diesen 450 Fällenwaren über 150, denen eine hochfieberhafte Entzündung (alsoHyperämie und Hyperthermie) voranging. Aber auch wir er-zielten ja durch das Teilüberwärmungsbad mit Unterbindungdes Blutstromes eine Hyperthermie von 43 bis 44° C und nachLösung der Staubinde eine sehr lang anhaltende Hyperämie.Die Techn ik des Te i I ü be rwä r m u n g s b a d es mi t Un -t e r b i n d u n g des B l u t s t r o m e s ist wiederum einfach. DieMethode selbst bedarf einer genauen Temperaturkontrolle inden verschiedenen Gewebstiefen, um eine Nekrose des ge-sunden Gewebes zu verhüten und muß wegen der Schmerz-haftigkeit in Narkose durchgeführt werden. Nach Hochhaltendes Beines oder Armes wird der Unterbindungsschlauch oder

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die Binde so fest angelegt, daß die Extremität auch bei hori-zontaler Lage weiß bleibt und der Puls in der Peripherienicht mehr zu fühlen ist. Die Extremität liegt in der Teilbade-wanne. Das Wasser wird langsam aufsteigend auf eine Tem-peraturhöhe gebracht, die eine Gewebstemperatur in deroberen Schichte von 43 bis 44° C erzielt. Genaue Beobach-tung der Haut des Beines ist notwendig. Jede Verfärbungzwingt zum Abbruch des Bades. Nach einer Stunde wird dieUnterbindung gelöst. Im Gegensatz zur Hautfarbe w ä h -rend des Bades sind jetzt nach dem Bade die Gliedmaßengerade umgekehrt verfärbt, d. h. das gebadete Bein ist jetztstärker hyperämisiert und daher röter. Bisher wurden mitdieser Methode fünf Melanome beseitigt. GÖTZE, Erlangen,hatte vor über 20 Jahren zwei Fälle, meine frühere Mitarbei-terin HOFFMANN einen Fall, der seit sechs Jahren beob-achtet wird und ich selbst habe zwei Fälle mit einer Beob-achtungszeit von fünf bzw. drei Jahren. In keinem Fallezeigte sich ein Rezidiv. Die Anwendung des Teilüberwär-mungsbades bei Melanosarkomen muß der Klinik vorbe-halten werden.

Nach der Beschreibung des Teilüberwärmungsbades sei nunauf die a l l g e m e i n e Ü b e r w ä r m u n g mittels des ein-fachen heißen Wasserbades hingewiesen. Dieses Überwär-mungsbad hat uns oft noch geholfen, wo die Chemotherapieversagte.Die T e c h n i k ist wiederum sehr einfach; trotzdem bedarfder Patient, wenn Körpertemperaturen von über 40° C erzieltwerden müssen, ärztlicher Überwachung. Das Bad ist einerOperation gleichzusetzen und muß dementsprechend ge-wertet werden. Der Patient wird in eine Wassertemperaturgebracht, die seiner Körpertemperatur entspricht. DurchHinzufließenlassen von heißem Wasser kommt es zumSchweißausbruch und dann zwangsläufig langsam zur Kör-pertemperatursteigerung. Bei auftretenden unangenehmenSensationen, Beklemmungsgefühl oder starker Pulsbeschleu-nigung genügt eine Übergießung des aus dem Wasser her-ausragenden Kopfes und der übrigen Körperteile auch unterWasser mit der kalten Dusche. Die daraufhin erfolgendesofortige subjektive Besserung ist und objektiv an dem Sin-ken der Pulszahl zu erkennen. Nach Erreichen der gewünsch-ten Körpertemperatur wird der Patient in mehrere Deckengepackt, damit er die Temperatur noch V2 bis 1 Stunde hält.Dann erst wird er ausgepackt, abgeduscht oder kalt abge-waschen. (Weitere Einzelheiten über die Technik usw. s. meinBuch „Überwärmung als Heilmittel", Hippokrates-Verlag.)Dort finden sich auch alle Angaben über die wissenschaft-lichen Grundlagen des Überwärmungsbades.Hier sei nur noch einmal darauf hingewiesen, daß Über -w ä r m u n g nicht gleichbedeutend mit F iebe r ist. Fieberist eine zentrale Störung des Wärmezentrums, Überwärmungaber eine periphere Stauung mit völlig normaler Reaktions-möglichkeit der Wärmeregulationsmechanismen. Ü b e r w ä r -mung ist s t e u e r b a r , das zur T h e r a p i e e r z e u g t ek ü n s t l i c h e F iebe r n i c h t und d e s h a l b g e f ä h r l i c h .Bei statistischen Vergleichen sahen wir bei gleichen Erfolgeneine wesentlich höhere Sterblichkeit beim Fieber. Doch lassenwir hier weitere Angaben beiseite und beginnen mit denI n d i k a t i o n e n des Überwärmungsbades, für das ich michjetzt seit über 30 Jahren eingesetzt habe. Auf meinen Vor-schlag hin wurden die für eine Überwärmungsbehandlunggeeigneten Kranken in drei Gruppen eingeteilt, je nach derzu erzielenden Körpertemperatur.

1. G r u p p e : Auf über 40° C müssen die Paralyse, die Tabes,Meningitis epidemica und die Malaria tertiana gebrachtwerden. Während die Paralyse eine sehr dankbare Indika-tion für die Überwärmung darstellt, kommen bei der Tabesnur die Fälle mit gatrischen Krisen in Frage. Bei der Malariatertiana-Behandlung hatten wir folgende Arbeitshypotheseals Richtschnur: Wir sehen in den Schüttelfrösten den Ver-such der Natur, mit hohen Körpertemperaturen die in derfreien Blutbahn sich findenden Plasmodien zu bekämpfen.Für das Erreichen der hohen Vernichtungstemperaturen von40 bis 41° C benötigt der Körper jedoch eine gewisse Zeit,in der die Plasmodien wieder in die schützende Hülle derErythrocyten sich begeben. Wenn wir also zum Erfolg kom-men wollten, mußten wir in dem Zeitpunkt der Sprengung

der Erythrocyten nach Bildung der Morula schon durch dasÜberwärmungsbad die gewünschte hohe Körpertemperaturerreicht haben. Durch eingehende Blutuntersuchungen konn-ten wir auch den richtigen Zeitpunkt festhalten. Immerhinsind von 49 c h e m o r e s i s t e n t e n Fällen 40 noch geheiltworden. Beobachtungszeit über IV2 Jahre.Während die eben geschilderten Erkrankungen eine dank-bare Indikation für das Überwärmungsbad ist, kommt dieallgemeine Überwärmung für eine Carcinombehandlungnicht in Frage. Ich kann an dieser Stelle leider nicht auf dieverschiedenen Gründe eingehen.Für die z w e i t e G r u p p e der Indikation benötigen wirKörpertemperaturen zwischen 38,5 und 39,5° C, das Optimumder Körperabwehr. Hier sind in erster Linie zu nennen dieInfektionskrankheiten, schlecht heilende Wunden, trophischeGeschwüre, die Acrodermatitis atrophicans Herxheimer-Pieku. a. m.

Zur d r i t t e n G r u p p e rechnen wir das große Gebiet derrheumatischen Erkrankungen, wie die BECHTEREWsche Er-krankung, die Arthrosis def., den chron. Gelenk- und Weich-feilrheumatismus u. a, m. Hier benötigen wir nur Körper-temperaturen bis 38,5° C.

An K o n t r a i n d i k a t i o n e n für die allgemeine Überwär-mung kommen in Frage: Basedow, Lebererkrankung, Myo-karderkrankung nach Infektionskrankheiten, schwere Kachexieund fortgeschrittene Tuberkulose.Mit diesen Ausführungen möchte ich die Hydrotherapie ver-lassen. Leider konnte ich nicht auf die oft so wirksamenWickel, Packungen und langsam sich erwärmenden Um-schläge eingehen. Ich möchte nur noch eine für die Praxism. E. sehr wichtige, einfache physikalische Maßnahme, dieder Embolieverhütung, beschreiben. Die Embolie beruht nichtauf einem einfachen Losreißen des Thrombus durch Er-höhung des Gefäßinnendruckes oder einem Stoß von außen.So wie der Korkstopfen erst aus dem Flaschenhals fällt, wenner kleiner geworden ist, so wird auch der Thrombus durchseine eigene Retraktionskraft nach allseitiger Lösung vonder Gefäßwand erst zur Embolie. Auf Grund meiner lang-jährigen Studien an zahlreichen Gelen (Kieselscure, Vana-dynpentoxyd, Blut von Tier und Mensch) auf dem Gebiete derSchrumpfung, kolloidchemisch Synärese genannt, ist es unsgelungen, den Thrombus zu rekanalisieren, d. h. ihn nur voneiner Wandseite zu lösen und damit zu richten; denn einsei-tig von der Wand gelöste Thromben führen nie zur Embolie,da sie sich immer mehr nach der gegenüberliegenden Ge-fäßwand retrahieren.

T e c h n i k : Eine solche Rekanalisierung gelingt auf einfacheWeise durch den galvanischen Strom, der zusätzlich nochinnerhalb 24 Stunden ein Einwachsen von Gefäßsprossen inden Thrombus erreicht und dadurch die Haftung noch ver-stärkt. Die Technik ist wiederum sehr einfach. Hat man eineBeinvenenthrombose, so legt man zu beiden Seiten derThromben Zinkblechelektroäen, die mit angefeuchtetemSchwammgummi unterlegt sind, und beginnt bei 1—2 mA sichmit dem galvanischen Strom einzuschleichen. Man steigtdann langsam auf 10-30 mA an. Treten leichtes Hautjuckenoder gar Schmerzen an der Haut unterhalb der Elektrodeauf, so muß die Schaumgummiunterlage ausgewaschen wer-den. Nach 40-60 Minuten beenden wir die Prozedur. Schonnach der ersten oder zweiten Sitzung verschwinden bei einerakuten Thrombophlebitis die Schmerzen und das begleitendeödem. Als Indikationen kommen nicht nur die akute undchronische Thrombose und ThrombophSebitis, die Jugular- u.Beckenvenenthrombose und die Sinusthrombose bei Eklamp-sie, sondern auch die arteriellen Thrombosen jeder Größe inFrage.

Ich bin am Ende meiner Ausführungen über einige einfacheMaßnahmen der physikalischenTherapiefürKlinik und Praxis.Ich möchte schließen mit einem Wort, das die Art meinerklinischen und wissenschaftlichen Arbeit widerspiegelt:

„Simplex sigillum veri".Das Einfache ist das Zeichen der Wahrheit.

Anschrift: Prof. Dr. med. LAMPERT, 347 Höxter/Westf., Weserbergland-Künik.

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Ahutes Nierenversagen bei urologischen Erkrankungen

Von Hermann S a r t o r i u s

Das Syndrom des a k u t e n N ie ren ve rsage ns mit Oligo-Anurie und Urämie gehört zu den kritischen und lebens-bedrohlichen Syndromen. Es ist andererseits aber unter Um-ständen völlig reparabel und für den Kliniker eine der dank-barsten therapeutischen Aufgaben. Der Ausdruck „akutesNierenversagen" wird der Einheit des Syndroms gerecht,ohne pathophysiologische Einzelheiten zu präjudizieren.Wegen der einheitlichen klinischen Symptomatologie ist esletzthin für den Kliniker gleichgültig, obdas zurOligo-Anurieauslösende Ereignis praerenal, renal oder auch postrenal an-greift. Bei den postrenal ausgelösten Harnverhaltungen stehtbis zur Feststellung des Obstruktionsfaktors die Symptoma-tologie des akuten Nierenversagens ganz im Vordergrund.

Der k l i n i s c h e I n t e r n i s t unterteilt die ätiologischen Fak-toren, die zum akuten Nierenversagen führen, in praerenale,renale und postrenale ein. Die klinische Erfahrung hat nungezeigt, daß praerenale und renale Faktoren sich überschnei-den und daß in diesen beiden Gruppen meist mehrere Fak-toren zusammenkommen müssen, um ein akutes Nierenver-sagen zu erzeugen. Das ist grundsätzlich anders in derGruppe von akutem Nierenversagen, die durch postrenaleFaktoren entstanden sind. In dieser letzteren Gruppe habenwir aber vorwiegend die urologischen Erkrankungen zusuchen, die zum akuten Nierenversagen geführt haben.

Grundsätzlich werden dem Internisten meist die Fälle zurBehandlung überwiesen, bei denen das a k u t e N i e r e n -v e r s a g e n p r a e r e n a l oder auch r e n a l entstanden ist.Die Medizinische Universitäts-Poiiklinik in Freiburg, die nun-mehr seit ungefähr sieben Jahren Erfahrungen in der Dia-gnose und Behandlung des akuten Nierenversagens gesam-melt hat, kann ein Patientengut von 65 Patienten mit aku-tem Nierenversagen überblicken, die alle mit der Künst-lichen Niere behandelt worden sind. Es ist erstaunlich, daßbei der Analyse dieses Patientenguts lediglich ein Patient einakutes Nierenversagen durch eine Obstruktion der Harn-wege entwickelt hatte (Abb. 1).

Einteilung des akuten Nierenversagens,nach klinisch ätiologischen f-actoren

1) Crush

2) Nephrotoxine

3) dkure N itn

4) postoperdifivA) Fehltransfutsionb) Septikamiec) Flussigkeit-FlekrolytvciluiU

5) BhAchuduibfcilLs) Infektb) toxisch-septischc) Flüssigkeit- Elektrolytverluste

5) ^chwötngerschatftskumphkationeiid) Abort, mechanisch 14 chemisch

septischb) Entbindung' c, Fehltrdnsfusc) Prae - Eklampsie

?) Obstruktion der Ha/nwtqt'

Abbildung

Schlüsselt man aber die einzelnen Gruppen und hier ins-besondere die postoperative Gruppe nach Art und Durch-führung der O p e r a t i o n e n auf, so fällt auf, daß verschie-dene Male Operationen am Urogenitaltrakt, dem Ureteroder auch der Niere durchgeführt worden waren. Wir habenin unserem Krankengut jetzt genau acht Patienten, bei denendas akute Nierenversagen durch eine urologische Erkran-kung oder auch durch einen urologischen Eingriff ausgelöstwurde.

Bei Durchsicht dieser Patienten fällt aber auch wiederum auf,daß nur zwei Patienten eine a b s o l u t e E n t l e e r u n g s -s t ö r u n g hatten. In einem Fall war die Obstruktion derHarnwege durch ein refroperitoneal wachsendes Sarkom un-terhalten worden. Bei dem zweiten Fall kam es durch eineProstatahypertrophie zur Harnentleerungsstörung. In denanderen Fällen waren entweder Nephrektomie vorausgegan-gen und an der Restniere waren urologische Untersuchun-gen wie eine retrograde Pyelographie vorgenommen wor-den, auch operative Steinextraktion und akuter pyelonephri-tischer Schub. Die seltene Erkrankung einer Blasenbilharziosemit Verstopfung beider Ureteren bei einem Araber war ein-mal vorhanden. Stichelung von Cystennieren führte post-operativ ebenfalls zur akuten Oligoanurie. Tuberkulose ver-bunden mit Pyelonephritis bei einer Rest-Niere war eben-falls durch ein Nierenversagen kompliziert. Die Übersichtüber das akute Nierenversagen bei rein urologischen Erkran-kungen ist auf der nächsten Abbildung zu sehen (Abb. 2).

Postrenale Anunen

1) Nierenbeckenstein rechts, Pyelotomie mit T- Dramage, N/erenhypoplaste links2) Nephrekhmie rechts, Nieren - Tbc links mit akutem pyelonephritischem Schub3) Ureterstewextraktion links mit akutem pyelonephntischem Schub4) Stichelung bei rechtsseitiger Cyslennlere,5) Zustand nach Nephrektomie links, nach retrograder Pyelographier

pyelovenöser Reflux rechts.

6) Blasen - und Ureter - Bi/lharzrose7) Retroperitonea/es Sarkom mit doppelseitiger Ureterensbklemmung.6) Prostdtcihypertrophie mit kompletter Entleerungsstorung.9) Multiple Nierenabszesse nach septischer Pneumome.

Abbildung 2

Der Anteil der Patienten mit akutem Nierenversagen durchurologische Erkrankungen oder Eingriffe ist aber prozentuaigemessen an allen Patienten mit akutem Nierenversagen ge-ring. Das mag wohl daran liegen, daß uns die Patienten mitNierenversagen in erster Linie aus anderen internen Klinikenüberwiesen werden. Viele urologische Kliniken besitzen über-dies heute schon die entsprechenden Dialysatoren, um einePhase des Nierenversagens durch die e x t r a ko r p o r a IeH a e m o d i a l y s e entsprechend zu behandeln.

Ich möchte annehmen, daß die urologischen Erkrankungenund urologischen Ursachen, die zu einem Nierenversagenführen, von fachärztlicher Seite erfahrener und besser ge-würdigt werden können, so daß es mir obliegen wird, aufdie S y m p t o m a t o l o g i e und den k l i n i s c h e n V e r l a u feines akuten Nierenversagens näher einzugehen. Bis zurEntdeckung und Beseitigung des Obstruktionsfaktors,also des postrenal ausgelösten oder auch renal ausgelöstenakuten Nierenversagens, steht das klinische Syndrom mit derhäufig raschen Entwicklung zur akuten Urämie ganz im Vor-dergrund.

Wird uns ein Patient mit akutem Nierenversagen überwie-sen, und ist die Ä t i o l o g i e nach mitgeteiltem Befund oderselbst erhobener V o r g e s c h i c h t e unsicher, so ist nebender klinischen Untersuchung auch für uns Internisten die we-sentliche Maßnahme die Ka th ete r i s ie ru n g der Blase

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bzw. die Katheterisierung beider Ureteren, um einen O b -s t r u k t i o n s f a k t o r in den ableitenden Harnwegen auszu-schließen. Wir befürworten diese Maßnahme auch dann,wenn mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen ist, daß dasNierenversagen durch einen T r a n s f u s i o n s z w i s c h e n -f a l l oder durch einen U n f a l l mit Gewebszertrümmerungausgelöst worden ist. Häufig genug finden sich bei dieserurologischen Untersuchung Stops in den ableitenden Harn-wegen, die evtl. das Nierenversagen mit unterhalten. Istder Patient komplett anurisch, das heißt, lassen sich über-haupt keine kleinsten Mengen Harns gewinnen, dann ist dieWarscheinlichkeit groß, daß ein die Harnwege verschließen-des Hindernis vorhanden ist. Das kann natürlich auch sehrweit oben vorhanden sein.

So z. B. bei einer Ausfällung von Sulfonamidkristallen in denT u b u l u s l u m i n a . Hierzu sei nur bemerkt, daß die gleich-zeitige Anwendung von Formaldehyd abspaltenden Medi-kamenten und Sulfonamiden eine Sulfonamid-Ausfäilung mitentsprechender Verstopfung in den Tubuluslumina begünstigt.Sitzt der Stop indessen im Nierenbecken oder in den Ure-teren, so muß ein uroiogischer Eingriff angeordnet werden,um dadurch die Harnsekretion wieder in Gang zu bringen.Natürlich ist es Voraussetzung, daß der Obstruktionsfaktordoppelseitig ist. Man wird an der nächsten Abbildung er-kennen können, daß die Maßnahme der doppelseitigenUreterkatheterisierung diagnostisch aufschlußreich wie auchtherapeutisch wesentlich ist. Dieser Patient wurde uns miteinem akuten Nierenversagen und bereits akuter Urämiewegen Harnverhaltung unklarer Genese überwiesen. Bei derK a t h e t e r i s i e r u n g der Blase war kein Harn zu gewin-nen. Aber durch Heraufführung beider Katheter bis zumNierenbecken, gelang es, genügende Mengen Harns zu be-kommen. Hier handelte es sich um ein retroperitoneal wach-sendes Sarkom, das zur Verlegung beider Ureteren geführthatte. Wurden die Katheder entfernt, so trat augenblicklichwieder die Harnverhaltung auf.

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Abbildung 3

Anurie bei retroperitoneal wachsendem Sarkom mit doppel-seitiger Verlegung beider Ureteren. Nach der Katheferesie-rung der Ureteren Anstieg der Diurese und Abfall des Harn-

stoffs im Serum.

Ein e i n s e i t i g e r V e r s c h l u ß der Harnwege durch Stein,Tumor oder ähnliches kann u. E. nach unseren Erfahrungenzu keiner Harnverhaltung führen. Das gilt auch für die ein-seitige Steinkolik. Die viel diskutierte r e f l e k t o r i s c h eA n u r i e soll nicht in Abrede gestellt werden. Sie ist nachunseren Erfahrungen jedoch immer nur kurzfristig. Stellt sichz. B. nach einer Steinextraktion mit der Schlinge ein Nieren-versagen ein, das heißt, daß auch die Harnsekretion derkontralateralen Niere aufgehoben ist, so ist sicherlich dasEreignis nur von kurzer Dauer. Existiert aber die Harnsekre-tion länger als zwei bis drei Tage, so kann angenommenwerden, daß auf der „gesunden" Seite ebenfalls eine Affek-

tion vorliegt, häufig genug ein akuter pye lo n e p h r i t i -scher Schub , der dann in Zusammenhang mit dem kon-sekutivem ö d e m auf der Seite des Eingriffs zur Harnver-haltung geführt hat.

Welche Veränderungen bei den Patienten mit akutem Nieren-versagen erwarten nun den Kliniker? Welche Untersuchun-gen müssen vorgenommen werden, um den Schweregradder bereits vorliegenden S to f f wechse I stö ru n g zu ob-jektivieren? Vor allem aber welche B e h a n d l u n g ist wäh-rend der oligoanurischen Phase des Nierenversagens undüuch später nach Lösung der Oligoanurie während der poly-urischen Phase durchzuführen? Ganz im Vordergrund stehtdie Stoffwechselstörung der akuten U räm ie . Die Entwick-lung zu diesem immer lebensbedrohlichen Syndrom kannmehr oder weniger rasch sein. Das hängt meist von demauslösenden Ereignis ab. Ist das Nierenversagen Ursacheeines p os t o p ejra t i ve n Schocks oder eines C rush -S y n d r o m s , dann kann durch den vermehrten Zellzerfallim Operationsgebiet und entsprechendem Emstrom vontoxisch-wirksamen Stickstoffsubstanzen in den Extracellulär-raum die Urämie sehr rasch zur Entwicklung kommen. AuchFieber steigert den Zellkatabolismus und führt schneller zururämischen Stoffwechselstörung. Für den S c h w e r e g r a dbzw. I n t e n s i t ä t der U r ä m i e ist n i c h t nur derRest-N maßgebend. Solange ein sog. Urämiestoff nichtmeßbar ist, müssen wir die Urämie als eine Stoffwechsel-störung auffassen, die neben dem Eiweißstoffwechsel vorallem aber auch zu Störungen im E l e k t r o l y t h a u s h a l tund S ä u r e b a s e n a u s g l e i c h führt.

Neben der Messung des R e s t s t i c k s t o f f s im Blut sindgleichwohl wichtig die A I ka I i r ese rve und die f l a m -me n p h o t o m et r is ch e E r f assung der K a t i o n e n k o n -z e n t r a t i o n , Kalium, Calcium, Natrium. Hat der Patientstarke Brechneigung und besteht diffuses Erbrechen, dannmuß auch die C h l o r i d k o n z e n t r a f i o n im Blut festgestelltwerden.

Klinische Untersuchung und die entsprechenden Laborato-riumsuntersuchungsergebnisse vermitteln den Schweregradder Stoffwechselstörung. Für den behandelnden Arzt ist eswichtig, die Störung so lange wie möglich hintanzuhalten.Das gilt besonders für den W a s s e r h a u s h a l t . JeglicherVersuch, die Nierensperre durch Überflutung mittels Wasser-stößen zu durchbrechen, wirkt sich unmittelbar nachteilig,häufig sogar lebensbedrohlich aus. Unkontrollierte Flüssig-keitsaufnahme ohne entsprechende Ausscheidung fuhrt zuÖdemen und letzthin zum Lungenödem. Am besten führt dietägliche Gew i c h ts kon t ro 11 e zur entsprechenden Bilanz.Man gibt nicht mehr als ausgeschiedene tägliche Harnmenge

Hypokaliaemie

10

11

Hyperkaliaemie

Abbildung 4, Erklärung siehe Text

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und 500 ccm Hvssigkeit entsprechend der Perspiraho insen-sibilis. Nimmt der Patient Nahrung auf, so soll sie fett- undkohlehydratreich sein, v o l l s t ä n d i g e E i w e i ß k a r e n z isto b l i g a t o r i s c h

Neben der flammenphotometrischen Erfassung der Elektrolytwerte gibt auch das Elektrocardiogramm über die Elektrolythaushaltstörungen Aufschluß Bei drohender Hype rk a l i a m i e mit Kaliumintoxikation kommt es zur Erhöhungund zeitformigen Ausziehung der T-Zacke (Abb 4)

Die Störung im K a h u m h a u s h a l t ist immer ein bedroh-liches Symptom Mit der D i a l y s e soll dann nicht zu langegewartet werden Vorübergehend kann man den Kalium-haushalt, das heißt die Normalisierung des Kahum-Quotien-ten, mtraextracellular durch Glukose Insulin-Infusionen her-stellen (Abb 5)

Dauer in f 100q Glucose +361. Insulin i,

i \

I5

V3

' Norm

171Vt

18IV 6Jsühr

C Polyi/nsche Phase1 Ernährung wie oben2 Flüssigkeit, Kochsalz und Kalium entsprechen dem Verlust im Harn (im

allgemeinen 3 g NaC + 1 g K pro Liter Harn)3 Cave Kalium- NaCI- und Wasserverlust und Resistenzschwache mit In

fektionen I

Abb 6 Allgemeine therapeutische Maßnahmenbei akuter Anune

Heute wartet man nicht mehr allzulange mit der e x t r ak o r p o r a l e n D i a l y s e Der Eingriff ist nicht schwer durch-fuhrbar und mit dieser extrarenalen Entschlackung gewinntman Zeit, um die Nierenfunktion wieder in Gang kommenzu lassen Für den U r o l o g e n ist die prophylaktische Dialysevon besonderer Wichtigkeit Hat sich z B eine Entleerungs-storung durch Obstruktion der ableitenden Harnwege, wieProstatahypertrophie und Blasentumor, gezeigt, und ist derPatient praeuramisch oder gar uramisch, so kann man durchdie Dialyse die Uramie beseitigen und den Patienten opera-tionsfahig machen Im Uramie-freien Intervall ist das Risikoder Operation bedeutend geringer Ich darf an die Aussagenvon kompetenten Urologen erinnern, die z B eine Prostatek-tomie bei einem Rest-N-Wert über 70 mg% ablehnten DasP r i n z i p der D i a l y s e ist e i n f a c h Auf der nachfolgen-den Abbildung sieht man in einem Schema Prinzip und Wir-kung der exfrakorporalen Dialyse Die früher verwandtenEntschlackungsmethoden der intestinalen Dialyse und derperitonealen Dialyse treten mehr und mehr in den Hinter-grund Sie sind in ihrer Wirkung der Kunstlichen Niere deut-lich unterfegen

Abb. 5 Behandlung der Hyperkaliamie mit Glukose und InsulinFlachere T-Zacke mit Sekung der Serum K Konz

Lange hält der therapeutische Effekt dieser Infusionen abernicht an Sinkt der Blutdruck und zeigt sich eine cardialeArrhythmie, dann kommen meist alle therapeutischen Maß-nahmen zu spat und der Patient geht am Herzversagen zu-grunde Im V e r l a u f |edes a k u t e n N i e renve rs a ge nsmuß deswegen d i e B e o b a c h t u n g und V e r f o l g u n gder A b w e i c h u n g e n im E l e k t r o l y t h a u s h a l t undi n s b e s o n d e r e e i n e r H y p e r k a l i a m i e b e s o n d e r eB e a c h t u n g g e s c h e n k t w e r d e n Man sollte sich stetsvergewissem, daß das Vollbild einer a k u t e n U r a m i e akutund lebensbedrohlich werden kann Das gilt insbesondere füraltere Patienten Jüngere Patienten können wohl eine oligoa-nunsche Phase von 10 bis 12 Tagen durchstehen, aber auchnur dann, wenn die Grundkrankheit, die zum Nierenversagengefuhrt hat, relativ geringfügig ist

Die Z u s a m m e n s t e l l u n g der therapeutischen Konsequen-zen wahrend der Oliigoanune sehen Sie auf der nächstenAbbildung

Abb 7

Korrektur der urdmischen Serumkonzentrationen durch dieextrakorporaie Dialyse (Künstliche Niere) An der semiper-meablen Membran finden die Austauschvorgange zwischendem Blut des uramischen Patienten und der dialysierendenFlüssigkeit statt (3) Die Werte im ausgezogenen Quadratwerden beim Austritt aus dem Dialysator gemessen. DieZahlen untei 1,2 und 4 geben die Werte vor und nach einer

sechsstündigen Dialyse wieder

A Ätrofogischz B bei Schwermetallvergiftungen BAL (Sulfaktin) bei Hamolyse Blutaustausch, Alkalisierung (3100 ml 5%ige Natnumbicarbonatlosung langsami v ) , bei Exsikkose und Kollaps Blut bzw Kochsalzinfusionen, Kreislauf-therapieB ^nunsche Phase1 Kalorienreiche Ernährung, am besten mit Sonde oder Infusion (500 ccm

5O°/oige Traubenzuckerlosung) 0 NaCI, 0 K (kein Obst, keine Kartoffein), 0 Eiweiß

2 F l ü s s i g k e i t 400 - höchstens 600 ml pro Tag + Menge des Erbrochenen und der Diarrhöe

3 N a C I nur bei Salzmangelsyndrom (Verbrennung, HgCI Exsikkose)3 Cave Wasser und NaCI Uberschuttung1

5 Cave Kaliumvergiffung» (Therapie der Kaliumvergiftung Gabe von Calcium, 20 ml 10°/oige NaCI Losung 500 ml 30«/oige Glukose 4- 50 EinhAlt Insulin extrarenale Dialyse )

Durch häufigere Anwendung der extrakorporalen Dialyse istes möglich, auch langer anhaltende anunsche Zustande zuüberbrücken. Für den Urologen ist das Dialyse-Verfahrenvon besonderer Bedeutung, da durch seine Anwendung derprauramische oder gar uramische Patient infolge akutenNierenversagens erst operationsfahig wird

Literatur kann beim Verfasser angefordert werden

Anschrift Pnv-Doz Dr med habil H SARTORIUS, Freiburg/BrMed Umv-Poliklinik

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Grundlagen der Fastentherapie

Von Otto H F B u c h i n g e r

Das Ideal biologischer Therapie konnte sein, die Heilkräftedes Organismus durch F o r t l a s s e n von Schädlichem undG a b e n natürlicher Medikamente derart zu befreien undanzufachen, daß sie in der allgemeinen Mobilmachung akuteund chronische Krankheiten überwinden können Begreiflicherweise sind solchem Tun Grenzen gesetzt Aber mit weleher Therapie konnte man a l i es so schnell und nachhaltigerreichen, wie es zumeist die Ungeduld des Patientenwünscht2 Daher müssen wir den letzten Satz berichtigenwir streben durch die Behandlung des Kianken an, die Gesundheit soweit wie möglich und auch nachhaltig wiederherzustellen in der Zeit, die die Natur für solchen Regenerationsprozeß braucht Diesem Prinzip kommen die Natuiheilweisen und in fast idealer Weise gerade die Fastenkur entgegenZu den G r u n d l a g e n der Fas tenku r zahlt eine stattlicheReihe von erwähnenswerten Momenten, nämlich geschiehtliehe, stoffwechselphysiologische und empinsche MomenteDie letzteren erscheinen mir |edenfalls besonders wichtigweil selten so genau wie gerade im Fasten zu erkennen ist,von welch überragender Bedeutung die Erfahrung am e genen psychophysischen Organismus und dann die Praxis amKranken überhaupt ist Und so war es eben von Anfang an,wie die ehrwürdig alte Geschichte des Fastens zeigtWir wissen nicht, ob zuerst die Menschen die Erfahrungmachten, daß im Verlaufe des instinktbedingten Gesundf a s t e ns das Empfinden seelischer Befreiung, Läuterungund Entsuhnung bemerkbar wurde oder ob die Menschenvor alten Zeiten mit dem Fasten aus religiösen Gründen begannen, als Zeichen der Scheu vor dem Tremendum, undüberrascht feststellten, welch ein Segen sich daraus für denOrganismus entband

Die M o t i v e des Fastens wechselten im Laufe der Geschichte oft, sie wandelten sich entsprechend dem von W!LHWUNDT entdeckten Gesetz von der Verschiebung der Motive Jedoch das Phänomen des heilenden Fastens begleitet— so oder so — von Anfang bis zur Gegenwait die Geschichte des MenschenDie wissenschaftliche Erkenntnis von der W i r k u n g desFastens im lebenden Organismus ist ein Kind der |ungsten Zeit Erst auf dei Erforschung der Nahrungs und Lebensmiffelwirkungen und der Stoffwechselablaufe ließ sichder Einfluß der N U L L - D I Ä T des Fastens studierenNach der Feststellung der chemischen Hauptgruppen und dernotwendigen Zusatzstoffe unserer Nahrung fand man dieSchwankungsbreite der erfoiderhchen Nahrungsmenge heraus Nun erlaubt uns solcher Einblick in den Energiehaushalt zu unterscheiden zwischen Nahrungsenthaltung, wie esz B die winterschlafenden Tiere tun, Hunger unter einerNaturkatastrophe oder wie beim Menschen unter innererProtesthaltung und dem freiwilligen Vorgange des FastensFrüher galt der Begriff V e r s c h l a c k u n g und Schlackenstoff als anrüchig Heute haben Stoffwechsellabor und Klinikdiese Begriffe in exakten Untersuchungen glänzend gerecht-fertigi. An erster Stelle sind Xanthoprotem und Indikan, daleicht meßbar, zu nennen Sie wnken ebenso wie die eineAntitoxikation verursachenden Stoffwechsel-zwischen Stoffe,die sog Intermediarprodukte, schädlich auf den Organismus,da sie sich anhäufen Diese Situation und auch die Bindegewebsverschlackung dazu sind die biologische Begründungder Heilfastenkur Die sog Schlackenstoffe, die Krankheitenverursachen können und die deshalb auf naiurlichem, logischem Wege zu eliminieren sind, stammen hauptsächlich ausdem E i w e i ß a b b a u , |edoch auch aus dem Z u c k e r s t o f fWechse l , wie die Birenztraubensaure und eine Form derMilchsäure Dabei dürfen wir auch bestimmte Abbaustufender Neutralfeite nicht zu erwähnen vergessen Die Fermentchemie führte uns in das Verständnis wesentlicher Einzelhelfen der Stoffwechselablaufe ein Jedenfalls gilt nur der

Satz als feststehend ein Organismus kann nur insoweit ge-sund sein, als er ubei ein gunstiges, entgiftendes Ausschei-dungsgefalle für seine Intermediaiprodukte, Schlackenstoffeund Autotoxme überhaupt verfugt Damit ist die alte Auf-fassung von der E n t s c h l a c k u n g des Korpers auf chemischund stoffwechselphysiologisch einleuchtende Weise als richtigerwiesen und zugleich einige Thesen der HumoralpathologieBegreiflicherweise gibt es manchmal K r i sen wahrend derauf vollen Touren laufenden Entgiftungsarbeit im Fasten Wirnennen das Ereignis gern R u c k v e r g i f t u n g s e r s c h e i -nung Es ist recht wahrscheinlich die Folge der psychophy-sischen Umschaltung Vom Organismus her gesehen, handeltes sich wohl überwiegend um die Folge der vorübergehen-den Überschwemmung des Korpers mit den losgelöstenStoffwechselschlacken, die dos Vegetativum reizen und denBlutgefaßtonus mit manchmal alarmierenden hypotonischenKnsen stark absinken lassen In eindrucksvoller Weise hatZABEL solche Fastenzwischenfalle in seinem Büchlein be-schrieben, so daß ich mich mit diesem Hinweis begnüge Zuden möglichen K o m p l i k a t i o n e n rechnet auch das Mani-fesiwerden einer latenten Tetanie, das Mobilwerden einerbisher verborgenen Fokaltoxikose und allergische Erschei-nungen gegenüber den eigenen mobilisierten SToffwechsel-giften Das kann zu starken urtikanellen Eruptionen fuhienoder zu qualenden Exacerbationen eines bereits bestehendenallergischen Ekzems So alarmierend das auch alles im Ein-zelfall aussehen mag Geeignete naturarztlich homöopa-thische Therapie, Herdsanierung, Darmkontrolle, CalciumInjektionen u a beherrschen das Bild recht schnell so gut,daß man ohne Panik weiterfasten lassen kann In dieserFtappe gewinnt und festigt aer Fastende seine Widerstands-kiaft, Nieren- und Gallensteine geraten in Bewegung undwerden - wenn sie nicht zu groß sind - ausgetriebenDer Kranke sollte - ebenso wie der noch gesunde zur Vor-beugung Fastende — das agrotante hausliche oder geschäft-liche Milieu verlassen und sich in die Atmosphäre eines ärzt-lich geleiteten Fas tenhe imes begebenÜber die erste Aussprache mit dem Arzt, die klinische Auf-nahmeuntersuchung und die Laboratoriumskontrolle braucheich so wenig zu sagen wie darüber, daß man dem Patientenbereits zu Kuranfang die Angst vor dem Unbekannten neh-men muß, da sonst bei ihm, bewußt oder unbewußt, eineSperrung eintritt und das regenerativ wirkende Fasten sichzum qualenden und degenerativ wirkenden Hungern ent-wickelt. Erst aus einem von disziplinierter innerer Freiwilligkeit getragenen Ja zum Fasten entbinden sich die segens-leichen Kräfte der Kur'Bei der A u f n a h m e u n t e r s u c h u n g ist sorgfaltig auf dieZahne, Tonsillen und die Nasennebenhöhlen zu achten, sonstkann es geschehen, daß die durch einen Fokus verursachteFieberreaktion an den Abwehrkampf erinnert, den man mitHilfe des Facharztes erleichtern und abkurzen sollte DasFasten allein vermag einen Zahn- oder Mandelherd nichtauszuheilen In der ,Diaita' habe ich ausführlich über dasHerd Problem in der Fastenkur berichtet Um des Patientenwillen kann man schon zu Kbrbeginn kaum gewissenhaftgenug sein Um all das, was zur Diagnostik und Therapiegeschieht, übersehen zu können, wird eine täglich zu ergän-zende Wiege und Kurverordnungskarte angelegt Ein, besserzwei Obsttage bereifen den Organismus zum Fasten vorNur der behandelnde Kurarzt ist für die Dauer des Fa-stens maßgebend unter Berücksichtigung der Untersuchungsbefunde und des persönlichen Eindrucks1 Man kann im gro-ben formulieren Je hartnackiger chronisch und |e mehr inder Konstitution die Krankheit verankert ist, desto langersollte gefastet werden Eine Fastendauer von 14 Tagensollte möglichst nicht unterschritten werden, und über ein30tagiges Fasten werden wir nur selten hinausgehen Manch-mal genügt auch ein Re izs toß von nui drei bis sieben

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Tagen; denn das Fasten wirkt |a nicht nur durch die starkeAusscheidung, sondern auch durch die Umstimmung des Or-ganismus, und diese kann man zuweilen bereits mit einemsog Stoßfasten erreichen, wiewohl sich manchmal zeigt, daßes nicht gut ist, mitten in der Reaktionsphase abzubrechenDas Allgemeinbefinden des Kranken muß täglich ebenso be-obachiet weiden wie die Veränderungen im Kräfte-, Kreis-lauf- und Reaktionsmaß Erfahrungsgemäß bedürfen chro-nische Ekzeme, die Psonasis und chronische Rheumaformeneines langen Fastens Die „Jahresringe', die man im Laufeder Zeit um sich gesammelt hat, und die meist eine extremeAdipositas begleitende Herz- und Kreislaufmsuffizienz wei-chen auch nur dem langen Fasten In solchen und ähnlichenFallen gingen wir gelegentlich über ein "21tagiges Fastenhinaus Im Herbst 1960 ließen wir eine Patientin mit gutemErfolg 61 Tage fasten Aber soweit geht man höchst seltenEs sollte nie vergessen werden, daß man l a n g e Fas ten -z e i t e n im allgemeinen nur Ü b e r g e w i c h t i g e n zumutendarf Denn die unangenehmen, |a manchmal bedenklichenErscheinungen einer starken Acidosis treten bei magerenlängere Zeit Fastenden eher auf Dennoch kann man auchschlanke, |a magere Patienten unter Frischobst- und Buttei-milchzufuhr (in maßigen Mengen) langer fasten lassenDas A l t e r des P a t i e n t e n spielt eine relativ geringeRolle bei der Festsetzung der Fastendauer Je nach dem Ver-lauf der Kur sind — wenn erforderlich — Änderungen moglieh Jeder Patient weiß, daß der Plan kein unabänderlicherRichterspruch, sondern lediglich ein Entwurf istObjekiive Zeichen des „ Au s g ef a s tets e i n s " gibt esnicht, da weder der Zungenbelag, geschweige denn seinVerschwinden, noch der wieder klargewordene Harn oderetwa das äußerlich frische Aussehen des Patienten einen ver-laßlichen Anhaltspunkt liefern können Es ist der Arzt, derden rechten Zeitpunkt kennt1 Auch scheinbar schlechtes Aus-sehen bedeutet nicht unbedingt, daß es dem Fastenden wirk-lich schlecht geht - besagt es doch fast stets, daß der Pa-tient sich in dei Phase erfreulicher starker Reaktion befindetSelbst bei gut gestellter I n d i k a t i o n können uns gelegent-lich Z w i s c h e n f a l l e dazu bewegen, das Fasten vorzeitigabzubrechen Aus irgendeinem besonderen Grund, wie z Baus seelischen oder schilddrusenbedingten Umstanden odermanifest werdender Kreislaufmsuffizienz, kann der Puls aufüber 120 Schlage in der Minute ansteigen Wenn er keineNeigung zur Normalisierung zeigt, lassen wir die Kur ab-brechen unter gleichzeitigen ArzneigabenSchon immer lehrten die N o t z e i t e n mit knapper Kost, daßeine Fülle sogar schwerer Krankheiten durch die qualitativeund quantitative Kostemschrankung zurückging Wenn aberschon auf diese Weise die Nahrungsbeschrankung ein we-sentliches krankheitsvorbeugendes Moment darstellt, wievielmehr noch vermag das |ahrliche Fasten den Organismus zureinigen1 Instinktiv macht es das erkrankte Kind richtig esverweigert die Nahrung, weil ihm der Appetit entschwandDurch das instinktive Fasten zeigt sein Organismus den Heilweg an, den er zu seiner Genesung beschriften sehenmochte

Freilich ist vornehmlich beim Erwachsenen und bei chroni-schen Krankheiten (dei Domäne des Fastens) der „Archaus",der „innere Arzt" nicht sotort zur Stelle Aber wir könnenihn rufen Etwa durch Erzeugung k u n s t l i c h e n F iebersAber die diesem Zwecke dienenden Methoden verlangeneinen recht stabilen Patienten; sie bringen manches Risikomit sich Viel naturgerechter und weniger riskant ist beichronischen Krankheiten dei Heilweg des Fastens, da beidieser Totalmobilmachung der in die Autarkie, ]a sogar —sit venia verbo - in eine Art Autokannibahsmus gezwungeneOrganismus erst das Krankhafte, dann das Unnötige, Überflussige (z B übermäßiges Fett), abbaut und ausscheidet,ehe er gesundes Gewebe angreiftEntscheidend freilich ist die M i t a r b e i t des P a t i e n t e n ,der in einem aus der höheren Freiwilligkeit geborenen EntSchluß eine bestimmte (also tage oder wochenlange) Zeitauf [egliche feste Nahrung verzichtet, wohl aber in der Penode Heiltees, Frucht und Gemüsesafte und bestimmte Mineralwasser zu sich nimmt Die Tees, Frucht- und Gemüse-safte machen etwa 800 cem pro Tag aus Das Royal Austra-

han College of Physiceans stellte 1959 fest, daß nach einem30tagigen reinen Wasserfasten eine bedenkliche Freßsuchtaufträte, die man |edoch vermeiden könne duich leichlicheVitaminzufuhr sogar synthetischer Herkunft intra [e|unioDann sei die Neigung zu knapper, vernunftiger, beherrschterKost in der Nachfastenpei lode bemei kenswert Des Patien-ten innerliche disziplinierte, einsichtige, |a geradezu begei-sterte Mitarbeit ist eine conditio sine qua non der Kur Dasrechte Fasten ist eine Art Adelsdiplom und Willens- und ln-telligenznachweis für den Menschen, wahrend W i l l e n s -schwäche und D u m m h e i t zu den K o n t r a i n d i k a t i o -nen zahlen Der kranke Korper heizt wahrend der Fasfen-tage seinen StofFwechselofen mit dem Minderwertigsten, wasdas abbaugienge Fasterblut aus allen Ecken und Winkelnzusammenraffen kann mit Krankheitsablagerungen undLuxusfett Die Sparlogik der Fastenwirtschaftsmethode ist ein-leuchtend Die körpereigenen Abbaustoffe wirken nach etwa3-4 Tagen leakutisierend mit (erträglichem) Herzklopfen,Schwache und Benommenheitszustanden, Appetitlosigkeit, ge-legentlichem Exanthem, belegter Zunge, schlechtem Mund-und Hautgeruch und sogar hier und da - als ob die Schlak-kenverbrennung intensiviert werden sollte — mit leichterenFieberzustanden bei hochgestelltem Fieberurin Es ist die Zeit,in. dei im Blute der Indikan- und Xanthoprotemspiege! ganzwesentlich erhöht und die Ausscheidung der genannten Stoffeim Urin auf das Zehnfache des normalen Wertes gesteigertis+ (nach E G SCHENCK) Aus dem Le iden wird, wieBRAUCHLE sagt, wieder eine therapeutisch ansprechbareK r a n k h e i t Ohne Heilkrisen geht es kaum ab Der Patientrekapituliert häufig seine Krankheitsvorgeschichte Der Fasterverspürt gar keinen Hunger, es sei denn, daß ihm seine in-disziplinierte Imagination einen Streich spieltWie im Fasten die Zeit um den 3 bis 4 Tag von solchenKrisen bevorzugt ist, erinnert uns das an die beiden sogschlechten Tage, die mit Herz- und Kreislaufstörungen, all-gemeinem Unbehagen, mit Leistungsminderung die Antwortauf eine K l i m a u m s t e l l u n g sind Auffällig ist weiter, daß— ebenso wie im Fasten1 — häufig eine ähnliche Krisis nachKlimaumsfellung erneut zu Anfang der dritten Woche auftrittBegreiflicherweise sind im üblichen Vollbetrieb des Verdau-ungs- und Assimilationsapparates große Energ emengengebunden Über diese Energien allein schon kann der fa-ssende Organismus frei verfugen und sie zu Reinigungs- undUmstimmungskorrekturen einsetzen Das Herz ist duich dieVerminderung der zirkulierenden Flussigkeitsmenge und desGewichts entlastet Es atmet buchstäblich auf und erholt sichEin unerfahrener Fastentherapeut lenkt mitten in einer Krisis,die er nicht als Heilknsis erkannte, durch verfiuhtes Fasten-biechen ein, denn eine Heilknsis im Fasten kann uns bis-weilen in der Tat außerordentlich beeindrucken1 Bei nichtindiziertem und zu frühem Fasienbrechen riskiert man, aufdie noch laufende Heilknsis eine A u f b a u k r i s i s aufzu-pfropfen die gut auszusteuern einige Muhe machen kannEi gibt die dnekte Seh I a c k e n s t o f f aussch e i d u ng deneisten Abschnitt der Heilfastenkur, so die S a u r e k r i s e( Azidosis') den zweiten Sie kiont die Heilfastenkur inForm einer nun einsetzenden Läuterung des Organismus(,Cyclus metasyncriticus')

Auf einen besonderen Hinweis können wir nicht verzichtendie viermal in der Woche stattfindenden, medizinischen undgeistig religiösen Themen gewidmeten A b e n d vo rt ra g egehören zu den unentbehi liehen Hilfsmethoden Wir sehendie sog Allgemeinsprechstunden als unabweisbar notwendigan, erstens als ein Mittel, die alle Patienten verbindendeHeilatmosphare zu schaffen und das Vertrauen, das Inter-esse und den Gehorsam zu wecken Zweitens bedeuten dieVortrage eine Gesundheitsschulung Wie viele Menschen wer-den aus Ahnungslosigkeit und Unwissen krank2 Wer küm-mert sich denn in unserm derzeit wohlgepolsterten Lande indem eigentlich notwendigen Umfange um die Gesundheits-erziehung der Heranwachsenden, geschweige denn um dieder Erwachsenen2

Es liegt mir fern, ein verbindliches Schema entwerfen zuwollen darüber, wie man eine Fastenkur durchfuhren lassensoü Jedoch die Grundzuge einer in Pyrmont nach unsererArt seit langem bewahrten Kur sollen dargestellt werden

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Jeden zweiten Tag wird die Mandel-, Rachen- und Nasen-behandlung nach ROEDER angewandt. Beim Roedern han-delt es sich keineswegs nur um eine Entlastung des lympha-tischen Rachenrings allein, sondern zugleich um eine Ein-wirkung auf Hypophyse und Dienkephalon. Die h o m ö o p a -t h i s c h e n A r z n e i e n steuern in eindrucksvoller Weise Fa-stenkuren. Wir verwenden gern dort, wo es angebracht ist,ein Simillimum, weil der Fastende erfahrungsgemäß eine er-höhte Ansprechbarkeit gerade für feine Arzneireize hat.E n t s p a n n u n g s ü b u n g e n , A te m u n te r r ic h t , B i nde -gewebs massa gen und reguläre Massagebehandlungensind ebenso Bereicherungen des Fastens wie die je nach demEinzelfall zu regelnden Stunden der M o r g e n g y m n a s t i k .Die bromartige Monotonie des Fastenkurablaufs eupho-risiert den Patienten oft zu einem Zustand, den ein Erfah-rener beschrieb als heiligen Rausch der Nüchternheit desFastens. Solche seelische Läuterung, eine Psycho-Katharsis,ist genau das, was viele Menschen unserer nüchternen undnervösen Zeit suchen.

Nur in seltenen Fällen muß der Fastende im Bett liegenbleiben. Die während der Kur mobilisierten Abbaustoffewerden bei Bewegung in Sonne und Luft bei tiefer Atmungbesser oxydiert und ausgeschieden. Manche Patienten mußman aber vor einem übertriebenen Bewegungsdrang bewah-ren, da die Fastenkur keine Gelegenheit sein sollte, irgend-welche Wanderrekorde aufzustellen.Für den letzten Fastentag gilt das alte englische Wort:„Selbst Narren können fasten, aber nur Weise können nachdem Fasten richtig aufbauen." Mindestens sieben Tage ärzt-lich überwachter diätetischer Nachfastenzeit muß der Zeit-raum des Aufbauens umfassen. ZABEL setzt hinzu: „DerKampf um die vernünftige Gestaltung des Aufbaues ist meistviel schwieriger, als die Fastenperiode selbst." Der gewissen-hafte A u f b a u entscheidet über Erfolg und Nichterfolg derKur.Das Wasser- und Teefasten hat zweifellos eine optimaleEntgiftungswirkung, zumindest theoretisch. Jedoch laufen wirGefahr, den Patienten unter zunehmendem Vitamin- und Mi-neralmangel leiden zu lassen. Schwächezustände, Paraesthe-sien und tetanoide Erscheinungen gefährden die Kur. Sielegen Arzt und Patient den Entschluß nahe, das Fasten vor-zeitig abzubrechen, überwiegend durch solche Ursachen undFolgen bedingte Krisen rechtfertigen die nun bereits vierJahrzehnte lang erfolgreich von OTTO BUCHINGER seniorpraktizierte Fastenmethodik, die mineralreiche Gemüseab-kochungen (sog. Brühen) und Frischobstsäfte vorsieht. In denButtermilchfastenzusätzen hat man beides, und stabilisiertaußerdem bei besonderer Situation das Herz durch die Zu-fuhr geringer Mengen bekömmlichen Eiweißes. Um ein übri-ges für die Ausschwernmung zu tun, kann man den Patienten(der bislang krisenfrei fastete) zwei bis drei Tage ausschließ-lich unter täglich dreiviertel Liter eines fast natriumfreienMineralwassers (z. B. Pyrmonter Säuerling) weiterfasten lassen.Wenn man sich dennoch zum totalen Wasserfasten entschlie-ßen will, so mag man das wohl mit gutem Brunnenwasserund Mineralwasser turn, muß jedoch zusätzlich und regel-mäßig ein gut zureichendes Multi Vitamin- und bei allge-

meinen oder lokalisierten tetanoiden Krisen ein Calcium-Präparat injizieren. Treten die tetanoiden Erscheinungen zufrüh auf, so sollte man unter allen Umständen nach einemStreuherd fahnden (larvierte Fokaltoxikose).Nicht nur die S p u r e n s t o f f e (die in den erwähnten mine-ralischen Fastengetränken enthalten sind), sondern geradeauch das Kalium spielen in der Transmineralisation (Myocard-stoffwechsel) eine bedeutende Rolle. Aus solchen Erwägun-gen halten wir das Fasten mit destilliertem Wasser (nach derMazdaznan- oder der amerikanischen Shelton-Methode) fürunsinnig, ja für gefährlich. Recht bald nämlich treten beimanchen Personen bedenkliche Kalium-Mangeloedeme undEiweißmangelerscheinungen wegen der Störung der Vitamin-und Eiweißrelation auf. Das Schrothsche Weißwein- undTrockenfasten verlangt gewiß mehr Heroismus als die Mehr-zahl der anderen Fastenmethoden, bedarf jedoch zweifellosnoch einer sorgfältigen Beobachtung und Wertung. Wir hal-ten jedenfalls den Vergleich des menschlichen Organismusund seiner Stoffwechselverhältnisse mit einem Schwamm fürfalsch wie auch der Umstand bedenklich ist, daß durch dasAlkoholtrinken im Schroth-Fasten die Leber belastet wird,da sie zur Entgiftung des Körpers gerade entlastet werdenmüßte.Noch immer bestehen Vorurteile gegen die Fastenkur. Wirleben ja in einer Zeit, die bandwurmlangen Formeln derChemotherapeutika mehr Verständnis entgegenbringt (unddem faulen und sogar gesundheitsschädlichen Betrieb derdiversen „Iß-wer-weiß-was-Diäten" oder des magentäuschen-den Quellungsgelees aus der bedenklichen Methylzellulose)als dem Kaltwasserzwickel und der ehrwürdigen Wahrheitdes heilenden Fastens.Aber es steckt noch mehr hinter dem Widerstand: nämlichder menschliche, allzu menschliche Hang zur Trägheit! EineSpritze, eine Behandlung mit Schilddrüsen-Präparaten undvielleicht sogar auch das Messer des Chirurgen: sie stellenan die Einsichtigkeit und an die Disziplin kaum besondereAnsprüche; wohl aber tun dies die naturärztliche Behandlungund insbesondere das Fasten. Sie konfrontieren den Patien-ten in eindringlicher Weise sofort und für alle kommendeZeit mit einer Aufgabe, die er nur unter S e l b s t ü b e r w i n -dung und Änderung des bisherigen Schlendrians in der Le-bens- und Ernährungsweise bewältigen kann. Wilienschlaff-heit ist nun einmal wie ein sperriges Gut, mit dem man nichtdurch die Pforte anhaltender Gesundheit gehen kann. Aberauch etwas anderes will uns diese Kur sagen: die eigeneund auch die allgemeine Erfahrung des heilenden Fastenserscheint mir gerade in unserer Zeit der zunehmendenmetaphysischen Impotenz von besonderer Bedeutung!Und so sei denn abschließend gesagt: das Heilfasten istwirklich und geradezu mit Zwangsläufigkeit eine ideale Me-thode der Ganzheitsmedizin! Das Fasten ist sowohl Hei-lungsweg, wie auch Heiligungsweg für diejenigen, die esrecht verstehen! Möchten möglichst viele Ärzte es kennen-lernen! Möchten in stetig steigendem Maße Menschen sichihm anvertrauen!

Anschrift: Dr. med. Otto H. F. BUCHINGER, 3280 Bad Pyrmont, Forstweg

SteuerfragenGemeinsame Ausübung der Praxis unter Ehegatten(C.) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs fordert fürAnerkennung von GesellschaftsyerhäJtnissen zwischen Ehe-gatten grundsätzlich klare Vereinbarungen und deren tat-sächliche Durchführung. Bei f r e i e n Be ru fen hat der1. Senat des Bundesfinanzhofs dagegen in verschiedenenEntscheidungen angenommen, daß sich aus gemeinsamerAusübung der Praxis die Mitunternehmerschaft ergeben unddann die Aufteilung des Gewinns auch ohne a u s d r ü c k -l i c h e V e r t e i l u n g s a b r e d e nach Maßgabe der von bei-den Berufsträgern erbrachten Leistungen erfolgen könne. Inden damaligen Fällen haben beide Ehegatten j e d e r f ü rs ich d i e g l e i c h e b e r u f s e i g e n e T ä t i g k e i t entfaltet.Sie behandelten die Patienten bzw. übten für ihre Klientendie Steuerberatung aus.

In dem vom Bundesfinanzhof mit Urteil vom 4. 9. 1961(I 172/61) entschiedenen Falle hatte die Ehefrau (Zahnärztin)zwar auch in der Praxis ihres Ehemannes mitgearbeitet. Je-doch bestand ihre Tätigkeit, abgesehen davon, daß sie ihrenMann in Verhinderungsfällen vertreten hat, im wesentlichenin t e c h n i s c h e n A r b e i t e n nicht in der Behandlung vonPatienten.

Die Tätigkeit der Ehefrau war mithin in diesem Fall nichtdie gleiche wie die des Berufsträgers, ihres Ehemannes, undnicht tragend für den Betrieb. Es kann daher, wie es im Ur-teil abschließend heißt, nicht aus dem Gesamtbild der Ver-hältnisse auf die Mitunternehmereigenschaft der in dem Be-trieb mitarbeitenden Ehefrau geschlossen werden.

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Voraussetzung für ein Gesellschaftsverhältniszwischen freiberuflich tätigen Ehegatten

Wenn beide Ehegatten beruflich qualifiziert sind und ge-meinsam in Vollbeschäftigung die freiberufliche Praxis aus-üben, so kann nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom24. 1. 1961 (I 242/60) angenommen werden, daß jeder vonihnen seinen Beruf s e l b s t ä n d i g ausübt und die Zusam-menarbeit auf gesellschaftlicher Grundlage so geschieht, wiees auch zwischen Fremden der Fall sein könnte. Es brauchenkeine eindeutigen Abmachungen über die von jedem zuleistende Arbeit sowie über die Beteiligung an den Unkostenund den Erträgen der gemeinsamen Praxis vorzuliegen, wiedies zwischen Fremden üblich ist.

Verwendet eine Ehefrau ihr erhebliches eigenes Vermögenoder ihre gehobene berufliche Qualifikation zu gemeinsamergewerblicher oder beruflicher Tätigkeit mit dem Ehemann,so können die Finanzbehörden, wie der Bundesfinanzhofweiter ausführt, gewöhnlich davon ausgehen, daß es aufgesellschaftlicher Grundlage geschieht. In diesem Fall genügtes für die Durchführung des Gesellschaftsverhältnisses, wenndie Ehegatten die Gewinnteilung in i r g e n d e i n e r er-k e n n b a r e n Form vorgenommen haben. Es dürfen dabeikeine dem Wesen der gesunden Ehe als Wirtschaftsgemein-schaft widersprechenden formalen Anforderungen gestelltwerden, wie z. B., daß jedem Ehegatten sein Gewinnanteilauf ein besonderes Konto überwiesen werden müsse.

Rückzahlung von Studiendarlehen

Aufwendungen zur Tilgung von Schulden können für eineSteuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung nach§ 33 Einkommensteuergesetz (EStG) nur dann in Betracht kom-men, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlaßtwurde, die als z w a n g s l ä u f i g und a u ß e r g e w ö h n l i c hanzusehen sind. Diese Voraussetzungen sind bei der Tilgungvon Schulden, die zur Bestreitung eigener Studienkosten auf-genommen worden sind, nicht gegeben (OberfinanzdirektionKoblenz S 2220 A v. 24. 1. 1962).

Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung

Selbst die Mutter kann im Haushalt ihrer berufstätigen Toch-ter als Hausgehilfin beschäftigt und diese Beschäftigungunter besonderen Umständen gemäß § 33a Abs. 3 EStG beiVorliegen der dort aufgeführten Voraussetzungen als außer-gewöhnliche Belastung wegen Beschäftigung einer Haus-gehilfin anerkannt werden. In diesem Falle wird auf Antragdie Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwen-dungen durch die Beschäftigung einer Hausgehilfin, höchstensjedoch ein Betrag von 1200 DM (für den Veranlagungszeit-raum 1961 900 DM) im Kalenderjahr vom Einkommen abge-zogen werden.

Dabei ist nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. 10.1961 (VI 244/61 U) Anhaltspunkt für ein ernsthaftes Arbeits-verhältnis vor allem, ob die Beteiligten alle Folgerungenauch "in soziaWersicherungsreditlkher und steuerrechtlicherHinsicht aus dem behaupteten Arbeitsverhältnis ziehen. Ar-beitet die Mutter im Haushalt ihrer Tochter mit und behaup-ten die Beteiligten, daß es auf Grund eines ernsthaften Ar-beitsverhältnisses als Haushälterin oder Hausgehilfin ge-schehe, so bedarf es aber darüber hinaus noch besonderssorgfältiger Prüfung der Umstände des Einzelfalles. Anhaltfür ein ernsthaftes Arbeitsverhältnis kann sein, 6b die Toch-ter eine fremde Hausgehilfin beschäftigen müßte, wenn dieMutter nicht einspringen würde, ob die Mutter körperlich undgeistig überhaupt noch in der Lage ist, einen Haushalt zuführen. Hier spielt vor allem das Alter eine Rolle. Auch dieFrage, ob die Mutter wirtschaftlich auf ein Gehalt angewie-sen ist, kann bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit bedeut-sam sein (BB Nr. 32/1 S. 1225).

Erhöhte Absetzungen für Wohngebäude:Praxisräume bei der Wohnflächenberechnung

Bei Gebäuden, die zu mehr als 662A v. H. Wohnzweckendienen, können nach § 7b Einkommensteuergesetz (EStG)1961 im Jahr der Fertigstellung des Gebäudes und in dem

darauffolgenden Jahr auf Antrag jeweils bis zu 71A v. H.der Herstellungskosten abgesetzt werden. Ferner können inden darauffolgenden acht Jahren jeweils bis zu 4- v. H. derHerstellungskosten abgesetzt werden. Nach Ablauf dieseracht Jahre bemessen sich die Absetzungen für Abnutzungnach dem dann noch vorhandenen Restwert und der Rest-nutzungsdauer des Gebäudes. Bei Ein- und Zweifamilienhäu-sern sind die vorgenannten erhöhten Abschreibungssätze aufden Teil der Herstellungskosten, der 120 000 DM übersteigt,nicht anzuwenden.Bei der Feststellung, ob ein Raum Wohnzwecken oder ande-ren Zwecken (Praxiszwecken) dient, ist, wie der Bundes-finanzminister im Bescheid vom 28. 11. 1961 (IV B/l) ausführt,nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs grundsätzlichauf die h a u p t s ä c h l i c h e Nutzung abzustellen. Dient einRaum hauptsächlich Wohnzwecken, so gehört seine Grund-fläche ganz zur Wohnfläche, auch wenn der Raum nebenbeifür Berufszwecke mitbenutzt wird. Umgekehrt darf dieGrundfläche eines Raumes, der überwiegend Berufszweckendient, nicht teilweise zur Wohnfläche gerechnet werden, wenner gelegentlich auch für Wohnzwecke mitbenutzt wird.G e m i s c h t g e n u t z t e Räume sind hiernach je nachdem,w e l c h e m Z w e c k sie ü b e r w i e g e n d d i e n e n , entwederganz zu den Wohnzwecken dienenden Räumen oder ganzzu den nicht Wohnzwecken dienenden Räumen zu rechnen.Die Grundfläche eines Heizungskellers, der der Beheizungeines überwiegend Wohnzwecken dienenden Gebäudes dient,ist deshalb ganz der Wohnfläche zuzurechnen. Soweit bis-her eine andere Auffassung vertreten worden ist, wird andieser nicht länger festgehalten.Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer des ArztesDie Kosten für die Praxis- und Geschäftsräume gehören auchdann zu den Betriebsausgaben, wenn sie innerhalb der ge-schlossenen Wohnung des Steuerpflichtigen liegen, falls of-fenkundig ist, daß sie ihrem tatsächlichen Verwendungszwecknach nicht zur eigentlichen Wohnung gehören. In solchenFällen werden die Steuerpflichtigen eine größere Wohnungmieten müssen, als sie für die privaten Wohnzwecke ihrerFamilie benötigen. Da dann die zusätzlichen Aufwendungenfür solche Räume ausschließlich durch den Betrieb veranlaßtsind, steht ihrem Abzug § 12 Nr. 1 des Einkommensteuer-gesetzes (EStG) nicht entgegen.

Ob im Einzelfall das sogenannte Arbeitszimmer innerhalbder Wohnung ein ausschließlich beruflich bedingter Ge-schäftsraum oder ein privaten Zwecken dienender Raum ist,in dem der Steuerpflichtige auch berufliche Arbeiten erledigt,wird man im allgemeinen auf Grund der Größe der Woh-nung, der besonderen Ausstattung und der beruflichen undsonstigen Verwendung des Zimmers unter Berücksichtigungder gesamten Verhältnisse des Steuerpflichtigen unschwerfeststellen können (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. 5.1961 - IV 354/60). Dr. jur. Cordes

Berichte

Kurzbericht über den 22. Kongreß des Zentralverbandes derÄrzte für Naturheilverfahren, Bad Pyrmont, 17.-23. März 1962

Die Sondertagung dieses Kongresses war dem Thema Uro-logie des praktischen Arztes gewidmet. Sie fand gemeinsammit der Ärztekammer Niedersachsen statt und stand unterder Leitung von SIMON (Oldenburg). STAEHLER (Tübingen)war für das Hauptreferat gewonnen worden. Es folgten eineReihe, besonders den Praktiker interessierende Vorträge,z. B. über Haematurie, akutes Nierenversagen, Diät bei uro-logischen Erkrankungen, über Phytotherapie, Cystitis undReizblase.Ein ganzer Tag war dem Thema Arzt und Jugendarbeits-schutzgesetz gewidmet. Unter der Leitung von FRICK (Mainz)sprachen und diskutierten E. A. VOSS (Kassel), K. NITSCH(Hannover), GRÖNINGER (Oeynhausen), K. FRANKE (Lauter-berg) und H. HOSKE (Köln).Am Mittwoch der Kongreßwoche fand das beliebte Rund-g e s p r ä c h unter Leitung von HAFERKAMP (Mainz) statt.

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Diesmal standen die Behandlung der Herzinsuffizienz unddie Behandlung der Pneumonie zur Debatte.Den letzten Teil des Kongresses bildeten die Fortbildungs-themen. Zuvor hatte noch GRAF WITTGENSTEIN einen leb-haft begrüßten Vortrag über das Schlüsselkind gehalten.Hervorzuheben ist noch der Vortrag SCHENCKS (Starnberg)über die Stellung der physikalisch-diätetischen Therapie inder Gesamtmedizin, der bereits in Heft 4/62 dieser Zeitschrifterschienen ist.Neben den Vorträgen fanden eine Reihe von Kursen statt.Es sei darauf hingewiesen, daß ein großer Teil der Vorträgeim Laufe der Zeit in der physika/iscri-diäfefischen Therapieerscheinen werden bzw. schon erschienen sind. Die Referateder Sondertagung werden in der Schriftenreihe des Zentral-verbandes der Ärzte für Naturheilverfahren erscheinen.

W. Tiegel

Tagungen

Der 23. Kongreß des Zentralverbandes der Ärzte für Nafur-heilverfahren findet vom 15. bis 22. September 1962 in Freu-denstadt/Schwarzwald statt.Die Sondertagung steht diesmal unter dem Thema Gynäko-logie und Naturheilkunde. Die einleitenden Referate haltenKLEES (Gelsenkirchen) und KIBLER (Heilbronn). Es sind wei-terhin folgende Referenten gebeten worden: LAURENZ (Borg-horst), HELLMANN (Hamburg), LEHMACHER (Köln), KREBS(Villingen), MEYER (Camberg), KIRN (Stuttgart), JANCKE(Kömgsfeid), UECH71-BRASCH (Zürich), MÖRING (Hamburg),GEIGER (Horrheim), FINK-EITEL (Heidelberg), KOLB (Wetz-lar).Ein Sondertag ist dem Thema „Die Zeit v o r dem Herzinfarkt"gewidmet. Das Hauptreferat hält HOCHREIN (Ludwigshafen).Ferner sprechen HAFERKAMP (Mainz), KOMMERELL (Berlin),SEEMANN (Salzuflen), REINSTEIN (Bad Cannstatt), ANE-MÜLLER (Bernau). Im Rahmen des Fortbildungsprogammessind folgende Vortragenden vorgesehen: KEIDERLING (Frei-burg), OELZE (Hamburg), BALDEWEIN (Nürnberg), WEISS(Marstetten), OESTEREICHER (Pyrmont), ROED1G (Köln),PETER (Frankfurt), SCHÖNMEHL (Goddelau), WEIDLICH(Pyrmont), TIEGEL (Mannheim).Neben den Vorträgen finden Kurse über Bindegewebs-massage, Gelomassage und Gelopunktur, Elektro-Akupunk-tur, Atemtherapie, Chiropraktik (D-Kurs), Kosmetik und Diätsowie über EKG- und Labordiagnostik statt.Zuvor und am 15. September gemeinsam mit dem ZÄN tagtdie Internationale Gesellschaft für Neuraltherapie nachHUNEKE mit einer Reihe von Verträgen.Traditionsgemäß findet zum Schluß des 23. Kongresses dasPsychotherapie-Seminar statt.Die Teilnahme an dem 23. Kongreß zählt für den Ausbil-dungsnachweis zur Führung der Bezeichnung Naturheilver-fahren.Auskunft und Anmeldung bei Dr. HAFERKAMP, Mainz, Adam-Karrillon-Straße 13.

12. Ärztlicher Fortbildungskurs für physikalische Medizinund Neuralmedizinin der Weserbergland-Klinik Höxter/Weservom 28. Oktober bis 3. November 1962Physikalische Therapie (Hydro- und Thermotherapie, Ultra-schall, Elektrodiagnostik und -therapie, manuelle Wirbel-säulentherapie usw.).Neurotopische Diagnostik und Therapie.Täglich Krankendemonstrationen.Begrenzte Teilnehmerzahl.Auskunft und Programm: Sekretariat Prof. Dr. LAMPERT,347 Höxfer/Weser, Weserberg/and-Klinik.Anmeldungen bis 20. Oktober 1962.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Österreich der Internationa-len Gesellschaft für Elektroakupunktur e.V. hält die 2. öffent-liche A r b e i t s t a g u n g am 6. und 7. Oktober 1962 in Wienab.

Tagungsort: Wien XII, Tivolistraße 73, Vogelsangheim.Tagungsleiter: Vizepräsident Dr. KOLLMER, Wolfsegg,Oberoestr.Themen: Elektroakupunktur und Kippschwingstherapie, Elek-troakupunkturdiagnostik des therapeutischen Fortschritts, Arz-neimittelprüfung, Fokaltoxikose, Einzelvorträge.Unkostenbeitrag für Nichtmitglieder der Gesellschaft 15,-DMbzw. 90 Schillinge.Anmeldung wegen Unterkunft usw. im Reisebüro Wagons-Lits Cook, Wien I, Kärterring 5.

Einführungskurs für Ärzte in die Bindegewebsmassage

Im Rahmen des 23. Kongresses des Zentralverbandes derÄrzte für Naturheilverfahren im September 1962 in Freuden-stadf findet ein Kurs für Ärzte zur Einführung in die Binde-gewebsmassage nach Elisabeth Dicke statt. Der Kurs wirdvom 17. bis 22. September täglich von 14.15 bis 16.00 Uhrvon Frau Annemarie Wolff mit Unterstützung von Dr. Hafer-kamp, Mainz, durchgeführt.In diesem Kurs werden Erfindung und Entwicklung der Me-thode geschildert. Die Indikationen und Gegenindikationen,auch die Art der ärztlichen Verordnung, werden angegebensowie erfahrungsgemäß günstige Kombinationen mit ande-ren therapeutischen Maßnahmen, wie auch die Einfügungder Bindegewebsmassage in Thermalbäder und Kneipp-kuren.Weg und Wirkungsweise der Methode werden erläutert undan Reflexweg- und Segmentschemata veranschaulicht. DasBehandlungsprinzip, die Art der Technik werden erklärt,praktisch demonstriert und in einem Film veranschaulicht. Eswird auf die von der Autorin der Methode erstmalig imBindegewebe im Zusammenhang mit dem Krankheitsgesche-hen stehenden Gewebsspannungserhöhungen und Verände-rungen hingewiesen, auch Gelegenheit gegeben, solche zuertasten und besonders eindrucksvolle Bindegewebsbefundein Farbdias zu sehen. Auch zum üben und Erleben der Tech-nik und ihren Auswirkungen bietet der Kurs Gelegenheit.

Aus anderen Zeitschriften

Aufbrauchschädender Wirbelsäule unabhängig von der Matratze

G l o g o w s k i , Münch. med. Wschr. 9 (1962), 422.

Verfasser verneint, daiß durch Schlafen auf Schlaraffia-Ma-frafzen Wirfoelsä'ufenibescriwerden und -aufbrauchschä'denentstehen können. „Federkernmatratzen" sind unterschiedlichkonstruiert, entsprechend der Federspannung gibt es harteund weiche. Daß WSi-Veränderungen sowohl entzündlicherwie auch nichtentzündliicher Genese durch relativ harte La-gerung günstig beeinflußt werden, ist eine alte Erfahrungder Orthopädie. Der WS-Aufbrauchschaden hängt von kon-stitutionellen Fehlformen der WS ab, kann aber durch beruf-liche Faktoren nicht zusätzlich beeinflußt werden.

Oelze

Grundsätzliches zur deformierenden Arthropathie desKiefergelenkes

A r n a u d o w , Michael (Kiel), DZZ, 5 (62), 369.

Der Autor setzt sich mit der im zahnärztlichen Schrifttumvertretenen Auffassung der Entstehung der Arthritis defor-mans des Kiefergelenkes kritisch auseinander. Die meistenAuioren vertreten die Ansicht, das Kiefergelenk stehe nichtnur in enger funktioneller Abhängigkeit von den Zähnenund Kaumuskeln, sondern bestimmt dominant deren Funk-tionieren. Komme dieses System aus seinem „Gleichgewicht"durch Ausfall einzelner Zähne oder Zahngruppen, so müßtensich zwangsläufig Schadensfolgen an den Kiefergelenkenganz bestimmter Art - vor allem in Gestalt einer defor-mierenden Arthropathie — manifestieren. Nach seiner Mei-

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nung gelten auch für dieses Gebiet die Erkenntnisse der all-gemeinen Pathologie, die Tatsache also, daß Abbauerschei-nungen und Nekrosen des Knorpels als Ursache der Gelenk-erkrankungen anzusehen sind. Es entbehrt jeder Grundlage,die Pathogenese der deformierenden Arthropathie des Kie-fergelenkes unter besonderen, nur für dieses Gelenk gelten-den Bedingungen zu betrachten. Hans Tiegel

Qualitätsschwankungen in hausgepreßten Orangensäften

K o c h , J. (Mainz), und K ü h n e , P. (Berlin W 30}, Medizinund Ernährung, 1 (62), 10.

In einem Jahresdurchschnitt der auf den bundesdeutschenMärkten im Raum Hamburg, Mönchen, Frankfurt und Ruhr-gebiet angebotenen Orangen in an Hand von 20 chemischund physikalisch bestimmten und errechneten Kriterien dieQualitätsstreuung hausgepreßter Orangensäfte verfolgt wor-den. Es hat sich gezeigt, daß die Variation sämtlicher ge-prüfter Kriterien recht beträchtlich ist, so daß die mittlerenWerte, wie sie in Nahrungsmitteltabellen gefunden werden,nur ungenügende Angaben über die Einzelbestandteile derOrangensäfte abgeben können. Die Untersuchung gibt denzahlenmäßigen Beleg für die Tatsache, daß der Begriff„hausgepreßter Orangensaft" nur schwerlich der Erwartungeiner einheitlichen Qualität gerecht wird. Sowohl in bezugauf den Ascorbinsäuregehalr wie in bezug auf den Gesamt-zuckergehalt und andere Kriterien besteht große Uneinheit-lichkeit.

Beispiele für die Gründe dieser Uneinheitlichkeit der Zu-sammensetzung von hausgepreßten Orangensäften werdenan Hand der jahreszeitlichen Variation und an Hand derdurch die Anbautechniken und das Klima der Herkunftslän-der bedingten Variation erläutert.

Von beträchtlicher praktischer Bedeutung dürfte die Be-obachtung sein, daß der Preis hausgepreßter Säfte über demvon Orangensäften liegt, die im Ursprungsland aus kontrol-liert ausgereiften Orangen gepreßt und durch Tiefkühl-konzentrierung und Ausgleich der Saisonvariationen innahezu vollständig standardisierter Form verfügbar sind.

Hans Tiegel

Infektion und stille Feiung durch Polio- und Coxsackieviren.HENIGST, Münch. med. Wschr. 10 (1962), 459.Stuhluntersuchungen bei gesunden Kindern aus MünchnerKindergärten und Kinderkrippen ergaben in einem Drittelder untersuchten Proben Ausscheidungen von Polioviren. Ineinem geringen Prozentsatz fanden sich auch Coxsackieviren(Erreger der Bornholmer Krankheit, von Herpes, Angina,„aseptischer Meningitis" und der als „Dreitagefieber" be-kannten „Sommergrippe"). Virusausscheidungen insbesonderevon Polioviren fanden sich vorwiegend bei den jüngsten Kin-dern, nicht bei deren daraufhin untersuchten älteren Ge-schwistern und Eltern. Vermutlich war bei letzteren zum Zeit-punkt der Familieninfektion bereits eine durch frühere In-fektion erworbene Immunität vorhanden, die man als stilleFeiung bezeichnet. Leider kann bei einem Eingriff von außenin die Reaktionsweise der Kinder solche stille Feiung ihreHarmlosigkeit sehr schnell verlieren. 29 Kleinkinder einesgrößeren Kinderheims sollten Anfang 1961 mit einem Kom-binations-Impfstoff gegen Diphtherie, Pertussis und Tetanusgeimpft werden. Wegen einer leichten harmlosen Grippe-welle im Januar wurde die Impfung bis zum Februar ver-schoben. Acht Tage nach der Impfung erkrankte ein Kindmit Lähmungserscheinungen, beginnend am rechten Arm,dem Impfarm. Am 11. Tag erkrankte das zweite und am13. Tag das dritte Kind, beide zuerst am linken Arm, andem diese beiden Kinder geimpft worden waren. Daraufhinangestellte virologische Untersuchungen ergaben bei fastsämtlichen Kindern Poliovirus vom Typ 1 im Stuhl, währendkeiner der die Kinder betreuenden Erwachsenen Poliovirenausschied. Eines der drei erkrankten Kinder genas nach eini-gen Monaten, das zweite hatte nach acht Monaten noch eineLähmung des rechten Oberarmes und Schwäche der Rücken-muskulatur, das dritte starb leider am fünften Tag der Polio-erkrankung an rasch aufsteigenden Lähmungen trotz künst-licher Beatmung. Solche Beobachtungen wurden auch nochvon anderer Seite mehrfach beschrieben.

Oelze

Neue BücherFervers, S c h ö n e r e Z u k u n f t ? Der Mensch zwischen Raum-flug und Erdenwirklichkeit.

Karl F. Haug Verlag, Ulm, 333 S., 1961, Gzln. 24,40 DM.

Da sich die ungünstigen Gesundheitsfolgen chemisch-techni-scher Ereignisse erst nach einer unbekannten Latenzzeit be-merkbar machen, kann nicht oft und eindringlich genug aufdiese Zusammenhänge hingewiesen und aufmerksam ge-macht werden.

FERVERS, durch sein ähnliches Buch „Der allmächtigeMensch" bekannt, tut das auch in diesem Werk mit vielenBeispielen und weist auch Wege auf, das Dilemma zu über-winden.

Groh

Möhring, G., R a u c h e n v e r b o t e n ? Badische Arzneimittel-gesellschaft Baden-Baden.

Zu den schwierigsten Problemen der Gesundheitserziehunggehört die Entwöhnung von falschem Genuß und Sucht. Möh-ring versteht es, dem Raucher sehr vorsichtig und geschicktdurch überzeugende Argumente, unterstützt durch amüsanteZeichnungen, dabei zu helfen. Im übrigen eine Empfehlungvon Unilobin, das sich zur Nikotinentwöhnung bewährt hat.

Linden, S t e u e r d i e n s t f ü r den A r z t . Verlag Kirchheim& Co, Mainz, 5. Ergänzungslieferung, 3,50 DM.Inzwischen sind fünf Ergänzungslieferungen des Lose-Blatt-Kommentars erschienen. Sie enthalten in übersichtlicher Formden neuesten Stand aller Steuerfragen. Empfehlenswert zueigenem Gebrauch oder für den Steuerberater (siehe auchHeft 1, Seite 20).

Groh

Leibig, H e i l u n g d u r c h E n t s p a n n u n g .Dr. H. Heilmaier & Co, Buchverlag, München, 200 S.,10,80 DM.Wer gebildete Laien über das Problem der Entspannungund Hypnose aufklären wil l , der kann ihnen das Buch vonLEIBIG empfehlen. Es ist geeignet, falsche Vorstellungenüber die Hypnose zu beseitigen und sie vom magischenNimbus zu entkleiden. LEIBIG, der aus der Sanatoriums-praxis große Erfahrungen auf diesem Gebiet hat, gibt einensystematischen Überblick mit Literaturhinweisen, so daß dasBuch auch für Ärzte lesenswert ist. Groh

Merletr G., E n t s c h l a c k u n g . Verlag Volksgesundheit,Zürich 2. 3 - DM.Der Verlag Schweizerischer Verein für Volksgesundheit bringtin seiner Schriftenreihe diese neue Broschüre einer Schülerinvon Franz Xaver Mayr, die in knapper prägnanter Formüber die Gesundung durch geregelte Verdauung und Darm-sanierung aufklärt.

Kollmer, Elektroakupunktur nach Voll, Grundlagen der ge-zielten Mesenchymentschlackung durch Nosoden-Therapie.Mit 57 Abbildungen und 17 Tabellen, Haug Verlag, Ulm/Donau, 219 Seiten.„Der heutige Stand der Elektroakupunktur" mit Kommentarenvon Dr. med. R. Voll.Band 7 der Schriftenreihe des Zentralverbandes der Ärzte fürNaturheilverfahren, herausgegeben von Dr. med. H. Hafer-kamp und Dr. med. W. Tiegel. Mit zahlreichen Abbildungenund Tabellen, 220 Seifen.Medizinisch-Literarischer Verlag Dr. Blume & Co, 2000 Ham-burg 13, Postfach 8049.Besprechung erfolgt in einem der nächsten Hefte.

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Urlaub mit Reformkost

Viele Urlauber möchten eine liebgewonnene Reformkost fort-setzen oder die Urlaubszeit kurmäßig zur Durchführung vonReformkost benutzen. Hierzu bietet der Reform-Rundschau-Reisedienst Gelegenheit, der erstmalig vor zwei Jahren be-gonnen hat, Reisen mit Ernährung nach modernen Erkennt-nissen zu organisieren. Diese Reformreisen haben einen sogroßen Anklang gefunden, daß der Reform-Rundschau-Reise-dienst in diesem Jahre sein Reiseprogramm weiter ausgebauthat. Neben Schiffsreisen nach dem Süden und nach Nor-wegen, den kombinierten Schiff-Aufenthaltsreisen nach derSonneninsel Rhodos und dem Feriendorf Xylokastron amGolf von Korinth mit Ausflügen zu den klassischen StättenGriechenlands, sind nun in diesem Jahre auch Reiseziele andie Nordsee, nach Bayern und Österreich aufgenommenworden.

Nähere Angaben enthält das Reiseprogramm, das unsernLesern auf Anforderung gern vom Reform-Rundschau-Reise-dienst, Bad Homburg v. d. H. (Hochhaus), kostenlos über-mittelt wird.

Vierteljahreszeitschrift: Atem — Massage — Entspannung -moderne Gymnastik. Schriftleitung: Dr. K. O. Kuppe, BadFüssen, Faulenbach. Helfer Verlag E. Schwabe, Bad Hom-burg v. d. H.Die Zeitschrift „Atem und Mensch" hat ihren Themenkreiserweitert. Sie wendet sich nicht nur an Ärzte, sondern auchan interessierte Laien.Heft 1 (1962), 4. Jahrgang, enthält Beiträge von Medau,Kuppe, Glaser, Hoheisel, Isbert, Guth.Schweizer Rundschau, Monatsschrift für Geistesleben undKultur. Union-Druck Verlag A. G. Solothurn. Jahresabonne-ment 25,- DM.Die älteste Kultur-Zeitschrift der Schweiz, die sich nicht nurauf die Landesgrenzen beschränkt, beleuchtet das geistigekulturelle Leben aus europäischer Sicht in christlicher Ver-antwortung. Heft 2/3 ist dem Thema „Arzt und Arznei" ge-widmet und bietet eine gute Zusammenschau aus den wich-tigsten medizinischen Problemen. Es enthält auch ein Kapitelüber die Naturheiiverfahren, die unter Hinweis auf Hippo-krates, F. Hoff, Jores, Katsch empfohlen werden.

In der Zeit vom 30. 9. bis 4. 10. 1962 findet in Baden-Baden der Internatio-nale Kongreß für Balneologie und Medizinische Klimatologie statt. Präsi-dent: Prof. Dr. V. R. Ott, Bad Nauheim/Gießen. Hauptthemen: AllgemeineBalneologie, Medizinische Klimatologie, Balneo- und Klimatotherapie desextraartikutären Rheumatismus, Balneotherapie der Leber- und Gallenwegs-erkrankungen, Medizinische Rehabilitation in der Balneo-, Klimato- undThajassotherapie. Offizielle Kongreßsprachen: Deutsch, Französisch, Englisch,Italienisch. Anfragen an Kongreßbüro ISMH - FITEC, Baden-Baden, Augusta-platz 1 (Telefon: Baden-Baden 2444, Fernschreiber 0782/308).

ÄrsitegeseHschaften im Zentralverband

1. Internationale Gesellschaft für Elektroakupunktur.Leiter: Dr. med. V. Voll, Plochingen.

2. Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsvorsorge und Frühheil-behandlung.Leiter: OMR Dr. med. W. Groh, Badenweiler.

3. Arbeitsgemeinschaft für Mikrobiologische Therapie.Leiter: Prof. Dr. med. Mommsen, Frankfurt, Baseler Str. 21.

4. Ärztegesellschaft für Naturheilverfahren e. V. Berlin.Leiter: Chefarzt Dr. L. Straßburg, Berlin SW 61, Warten-burgstr. 1.

5. Internationale Gesellschaft fürNeuraltherapie nachHuneke.Leiter: Dr. med. H. F. Voß, Heidenheim a. d. Brenz.

6. Arbeitsgemeinschaft Psychotherapie-Seminare.Leiter: Dr. med. J. Kaminski, Wolfsburg, Porschestraße 56.

7. Medizinisch-Biologische Arbeits- und Fortbildungsgemein-schaft Deutscher Zahnärzte e. V., Leiter: Dr. Paul Neu-häusser, Gräfelfing bei München, Akilindastraße 52 a.

Der Vorstand des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren

Vorsitzender: Dr. med. H. Haferkamp, Mainz, Adam-Karrillon-Straße 13Stell. Vors.: Dr. med. W. Tiegel, Mannheim, Hebelstraße 3Schriftführer: Ob.-Med.-Rat Dr. med. W. Groh, Badenweiler, Badstraße 7Kassenwart: Dr. med. J. Dumrese, Lüneburg, Haagestraße 2Erweiterter Vorstand: Dr. med. R. F. Weiß, Marstetten-AitrachDr. med. E. Meyer, Bad Camberg/TaunusDr. med. W. Warning, Frankfurt/Main, Mainkai 38

Herausgeber:Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren e. V.Schriftleitung: Ob.-Med.-Rat Dr. med. W. Groh, Badenweiler,Badstr. 7, Tel. (07632) 640, und Dr. med. W. Tiegel, Mann-heim, Hebelstraße 3, Tel. (0621) 21458.Zuschriften mit Originalien (wissenschaftlichen Beiträgen) wer-den an Dr.Tiegel, Referate, Nachrichten, Verbandsangelegen-heiten an Dr. Groh erbeten.Verlag: Medizinisch-Literarischer Verlag Dr. Blume & Co.,2000 Hamburg 13, Isestraße 115, Postfach 8049, Tel. 474434.Erscheinungsweise: monatlich.Bezugspreis für Nichtmitglieder 12,- DM für 12 Hefte.Bestellungen beim Verlag erbeten.Einzahlungen auf Postscheckkonto Hamburg 239216, Vereins-bank Hamburg, Dresdener Bank Hamburg, Zweigstelle Eppen-dorf, Konto Nr. 37101.Druckt C. Beckers Buchdruckerei, 3110 Uelzen.Zur Zeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 3.Anzeigen-Generalvertretung: Fritz Täuber, 3140 Lüneburg,Am Graalwall 7, Tel. (041 31) 5034.

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