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Mit Schwung in den Mai Tarifrunde 2007 metall Das Monatsmagazin der IG Metall Mai 2007 Jahrgang 59 D 4713 Nr. 5 Discounter Markt macht die Preise Ratgeber Rechte der Leiharbeiter

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  • Mit Schwungin den Mai

    Tarifrunde 2007

    metallD a s M o n a t s m a g a z i n d e r I G M e t a l l

    Mai 2007Jahrgang 59D 4713

    Nr. 5

    DiscounterMarkt macht die Preise

    RatgeberRechte der Leiharbeiter

    5_01_Titel_apm.qxp:01_Titel_1 20.04.2007 16:26 Uhr Seite 1

  • metall 5/2007

    Editorial

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    Jürgen Peters,Erster Vorsitzenderder IG Metall

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    Mehr Respekt für unsere Arbeit

    »Wir brauchen anständige Tarifverträ-ge, mehr sozialversicherungspflichtigeArbeitsplätze und Mindestlöhne. Hierist die Bundesregierung gefordert. DieRegierungsparteien dürfen sich nichtlänger auf Sonntagsreden beschränken.Aber auch wir sind gefordert. Wir habenzwar mehr verdient. Geschenkt bekom-men wir deswegen noch lange nichts.«

    »Du hast mehr verdient. Mehr Respekt. Soziale Sicherheit. Gute Ar-beit.« Der 1.-Mai-Aufruf des DGB bringt die Dinge auf den Punkt. Einer-seits explodierende Unternehmergewinne, steigende Aktienkurse undsinkende Unternehmenssteuern. Andererseits Druck auf Löhne und Ge-hälter, mehr unsichere Arbeitsplätze, sinkende Renten und höhereSteuern für Verbraucher. Wir haben in der Republik nicht nur eine sozia-le Schieflage – wir haben einen verteilungspolitischen Skandal.

    Unser Grundgesetz sagt: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.«Doch tagtäglich wird die Würde des Menschen verletzt. Beschäftigte wer-den zum Spielball der Finanzmärkte. Ein sicherer Arbeitsplatz, ein Ein-kommen, das zum Leben reicht, eine Rente, die den Lebensabend sichert,eine gute Ausbildungsstelle – das alles ist immer häufiger Fehlanzeige.

    Ein Blick auf die Zeitungsschlagzeilen beweist es. Die privatisierteTelekom will zehntausende Beschäftigte zwingen, für weniger Geld län-ger zu arbeiten. Der Weltkonzern Siemens spielt mit der Existenz der Be-schäftigten von VDO. Und viele Firmen ersetzen Festangestellte durchLeiharbeitnehmer, weil sie billiger sind. Das Ziel ist jedes Mal: mehr Ren-dite. Die Bundesregierung lobt sich, weil die Arbeitslosenzahlen sinken.Doch Fakt ist: Der wirtschaftliche Aufschwung geht an den meisten Men-schen vorbei. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist erfreulich. Noch er-freulicher aber wäre, wenn es sich dabei nicht um unsichere, sondernum reguläre und angemessen bezahlte Arbeit handeln würde.

    Wissenschaftler sprechen hier häufig vom Zuwachs des »prekärenSektors«. Ich drücke es lieber konkreter aus: Es gibt immer mehr unge-sicherte Arbeitsplätze mit einem Lohn, der zum Leben zu wenig undzum Sterben zu viel ist. Die Arbeitgeber missbrauchen die Massenar-beitslosigkeit, um Menschen in unwürdige Arbeitsverhältnisse zu zwin-gen. Deshalb brauchen wir dringend einen Schutz gegen Lohndumpingund Billiglöhne. Wir brauchen anständige Tarifverträge, mehr sozialver-sicherungspflichtige Arbeitsplätze und Mindestlöhne. Hier ist die Bun-desregierung gefordert. Die Regierungsparteien dürfen sich nicht län-ger auf Sonntagsreden beschränken. Aber auch wir sind gefordert. Wirhaben zwar mehr verdient. Geschenkt bekommen wir deswegen nochlange nichts. Die Arbeitgeber wollen uns mit einem Angebot abspeisen,das weder der wirtschaftlichen Lage noch den Ansprüchen der Beschäf-tigten gerecht wird. Auch in dieser Tarifbewe-gung müssen wir deshalbfür eine anständige Lohnerhöhung kämpfen.

    »Mehr Respekt. Soziale Sicherheit. Gute Arbeit.« Dafür lohnt es sicheinzusetzen. Am 1. Mai und darüber hinaus.

    5_02_03_Editorial_Inhalt_apm.qxp:2_3_Editorial_Inhalt 19.04.2007 19:01 Uhr Seite 2

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    Inhalt

    metall 5/2007

    Haben wir Ihre richtige Postanschrift?In der letzten Ausgabe baten wir unsere Leserinnen und Leser, diemetall per Post erhalten, die Adressangaben auf der Rückseite zuüberprüfen – steht dort der korrekte Vor- und Nachname und die aktu-elle Anschrift? Auch bei den Namen können durch ausgeschriebeneUmlaute (oe=ö, ue=ü, ae=ä) oder Sonderzeichen (zum Beispiel:ss=ß) die Angaben nicht ganz korrekt sein. Ist die Postleitzahl, Orts-name, Straße und Hausnummer korrekt? Änderungen melden Sie bit-te an Ihre Verwaltungsstelle oder direkt an unseren Vertrieb per E-Mail ([email protected]), per Fax (069 – 6693-2538) oder per Post(Postanschrift: IG Metall Vorstand, Ressort Vertrieb, 60519 Frankfurtam Main). Bei einem Umzug bitte die neue Anschrift möglichst früh-zeitig an die Verwaltungsstelle melden. Wir haben eine Menge geän-derter Daten bekommen. Trotzdem bitten wir nochmals um Prüfung.

    Aus der Redaktion

    EditorialJürgen Peters über die soziale Schieflage. . . . . . . . . . . . 2

    MagazinKfz: Etappe gewonnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4BenQ: UEFA-Sponsor ohne Fairplay . . . . . . . . . . . . . . . . 5Schieder: Insolvenz vorerst abgewendet . . . . . . . . . . . . 6

    TitelTarifrunde 2007:Schlagende Argumente für graue Herren . . . . . . . . 8

    Arbeitgebernahe OrganisationenAUB: Fast alles zerstört. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

    AusbildungGekränkt, gedemütigt und ausgenutzt . . . . . . . . . . . . 12

    Serie über EuropaBilanz der Osterweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    BetriebsreportAutohaus Wolfsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    DiscounterMarktmacht bestimmt die Preise . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    InternationalesDen Multis auf die Finger schauen . . . . . . . . . . . . . . . 18

    MaschinenbauNeuer Rekord in Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

    PorträtZu Besuch bei Franz Steinkühler . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

    RatgeberLeiharbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24Gesundheitstipps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    RätselMonats- und Drei-Monats-Rätsel . . . . . . . . . . . . . . . . 28

    MonatsökonomWilfried Kurtzke über die Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . 30

    RegionalesAus den Bezirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Lokales/Karikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35Impressum/Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

    Aldi, Lidl, Kik und CoMit Textilien setzen Discounter wie Aldi und Lidl Milliarden um. DieSchnäppchen sind beliebt und bringen den Unternehmen Gewinne.Den Preis zahlen Arbeiterinnen in China und Indonesien, wie eineneue Studie über Aldi-Zulieferer des Instituts Südwind zeigt.

    Seite 16

    Kfz500 neue Mitglieder und 10 000Beschäftigte aus 286 Betriebendes Kfz-Gewerbes in Nordrhein-Westfalen folgten am 27. Märzdem Aufruf zum Warnstreik. Ei-nen Tag nach dem Warnstreik er-klärten sich die Arbeitgeber zurFortsetzung der Tarifverhand-lung bereit.

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    Titel: Montage: Michael Schinke, Fotos: Jan-Peter Kasper /Marijan Murat (dpa/pa)

    5_02_03_Editorial_Inhalt_apm.qxp:2_3_Editorial_Inhalt 19.04.2007 19:01 Uhr Seite 3

  • 4 metall 5/2007

    Magazin

    XxxxxxMichael Glos

    Als Minister hat Mann oder Fraues nicht leicht. Irgendwie gibtes so viele, und wer kann sichschon all’ die Namen merken?Müller, Meier, Fischer oder so.Ja, Bundeskanzler, das ist ein-fach. Gibt’s ja nur einen odereben eine. Aber wer weißschon, wie der Wirtschaftsmi -nister heißt? Na? Sehen Sie.Das hat Michael Glos gemerkt,einen guten Zeitpunkt abge-wartet (die Bundeskanzlerin

    war gerade in Urlaub) und malso richtig dummes Zeug erzählt(nur sowas kommt in die»Bild«). Jetzt wo der Finanzmi-nister, der Dingsda, so viel Geldhat, will er, der Glos, den Men-schen ihre Steuern erlassen.Nach dem Motto: Is’ nich’ meinGeld, also verschenk’ ich esmal. War ja klar, dass dasnichts wird. Macht nix, dachtesich Glos, Hauptsache es wurdemal über ihn geredet.

    Pflaume des Monats Ab Juni haben die Beschäftigtenund Azubis in der ostdeutschenTextilindustrie mehr Geld auf ih-rem Konto. In der dritten Verhandlungs-runde gelang es der IG Metall,drei Prozent höhere Entgeltedurchzusetzen. Ab Juli 2008gibt es noch einmal 2,7 Prozentobendrauf. Wer zum Beispieljetzt in der Entgeltgruppe 3 istund 1693 Euro verdient, hat abJuni 51 Euro mehr im Monat.Bis März 2009 summiert sichsein Zuwachs gegenüber heuteauf 1536 Euro. Der Tarifvertragläuft bis Ende März 2009. Bis

    dahin wird auch der Altersteil-zeitvertrag verlängert.

    Viele Beschäftigte hatten dieTarifrunden mit Aktionen inund außerhalb von Betriebenbegleitet. Wie in Zwi ckau, woim März rund 1500 Metallerin-nen und Metaller zum »Tarif-politischen Open-Air« kamen.Für Westdeutschland war schon2006 ein Tarifvertrag abge-schlossen worden. Er läuft nochbis Ende Februar 2008. Im Wes -ten gibt es ab Mai zwei Prozentmehr Geld – nach einer erstenErhöhung um 2,5 Prozent imvergangenen November.7

    Im Osten drei Prozent mehr GeldTextilindustrie

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    Kfz-Handwek

    Etappegewonnen

    klärten sich die Arbeitgeberzur Fortsetzung der Tarifver-handlung bereit.

    Doch in der vierten Rundeam 3. April weigerten sie sichhartnäckig, die bereits vorlie-genden Tarifabschlüsse von2,5 Prozent mehr Lohn auchfür NRW gelten zu lassen. Erstin allerletzter Minute akzep-tierten sie diese Forderung.

    Für Oliver Burkhard, denLeiter des FunktionsbereichsTarifpolitik beim IG Metall-Vorstand, ist der Tarifabschluss»ein ausgezeichneter tarif- undorganisationspolitischer Er-folg«. Er besitze bundesweit

    Bedeutung. »Wir haben hierbewiesen, dass wir auch imHandwerk handlungsfähigsind.«

    Diesen Beweis wird die IGMetall erneut antreten müs-sen. Dessen ist sich WernerBirkhahn, der Verhandlungs-leiter der IG Metall in NRW fürdas Kfz-Gewerbe, absolut sicher. »Wir haben allenGrund, stolz zu sein«, sagt er,aber auch: »Niemand sollteglauben, die Sache sei schongelaufen.« Denn die Kfz-Ar-beitgeber haben bereits ange-kündigt, den Manteltarifver-trag zum Jahresende zu kündi-

    gen. Ihnen schwebt ein – sowörtlich – von allem »sozial-politischen Brauchtum« be-freiter Tarifvertrag vor. Siewollen »die Grundarbeitsbe-dingungen« zur Dispositionstellen. Also beispielsweise Ar-beitszeit, Urlaub und Jahres-sonderzahlung.

    Die IG Metall NRW bereitetsich darauf vor. Sie hat sogareinen Mitarbeiter zusätzlicheingestellt. Und sie verstärktdie Mitgliederwerbung. Wäh-rend des jüngsten Tarifkon-flikts hat sie bereits mehr als500 neue Mitglieder gewon-nen.7

    Warnstreik im Kfz-Handwerk NRW: »Wir haben bewiesen, dass wir auch im Handwerk handlungsfähig sind«

    Damit hatte selbst die IG Metallnicht gerechnet: 500 neue Mit-glieder und 10 000 Beschäftigteaus 286 Betrieben des Kfz-Gewer-bes in Nordrhein-Westfalen folg-ten am 27. März dem Aufruf zumWarnstreik. Die Arbeitgeber hat-ten in der dritten Tarifverhandlungam 8. März den Ausstieg aus demFlächentarif angedroht. Der Zweite Vorsitzende der IGMetall, Berthold Huber, be-zeichnete diese Gefahr als»Herausforderung der ge-samten IG Metall«. In denneuen Bundesländern und inNiedersachsen existieren be-reits keine Flächentarifverträ-ge mehr mit den Landesin-nungen, sondern teilweisenur noch mit Tarifgemein-schaften. Sollte sich auch dasKfz-Gewerbe NRW aus der Tarifpolitik verabschieden,»werden andere Gewerke fol-gen«, warnte IG Metall-Be-zirksleiter Detlef Wetzel. EinenTag nach dem Warnstreik er-

    5_04_05_apm.qxp:04_05_Magazin 19.04.2007 20:28 Uhr Seite 4

  • Magazin

    metall 5/2007 5

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    Spieler von Real Madrid: »Zeigen Sie die Rote Karte«

    Außenansicht

    Unternehmenssteuer-Reform

    Reich beschenkt

    Fast beschlossen: ein neuesWohltaten-Paket für Unterneh-men und Reiche. Die Körper-schaftssteuerauf Gewinne vonKapitalgesell-schaften sinktvon 25 auf 15Prozent. Zinsenund Dividendenwerden nurnoch mit 26statt 44 Prozentbesteuert. DieZeche zahlen Ar-beitnehmer undVerbraucher:höhere Mehrwertsteuer, weni-ger Pendlerpauschale undSparerfreibetrag. Zwar sind die deutschen Un-ternehmenssteuersätze mit40 Prozent international Spit-ze. Tatsächlich zahlen Konzer-ne aber dank vieler Schlupflö-cher nur 20 Prozent – deutlichweniger als Durchschnittsver-diener und auch im internatio-nalen Vergleich wenig. Jetztwerden die Steuersätze radi-kal gesenkt, die meistenSchlupflöcher aber bleiben.Das Ergebnis: Allein das Steu-ergeschenk für Unternehmenbeträgt zehn Milliarden Eurojährlich. Deutschland unter-bietet damit die EU-Nachbarnnoch weiter.Die Alternative? Die Bundesre-gierung muss in Europa end-lich das Unwesen von Steuer-oasen und Steuerwettbewerbbeenden. Es kann nicht ange-hen, dass Länder wie Luxem-burg, Irland und die Schweizwirtschaftlich an der Spitzeliegen und gleichzeitig Dum-ping-Steuersätze anbieten.Der EU-Binnenmarkt hat denDruck auf Löhne und sozialeSicherheit erhöht. Nun müs-sen strenge soziale und steu-erliche Regeln her.7

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    Sven Giegold, Mitglied im Attac-Koordinie-rungskreis

    Nach 25 Stunden Arbeitsnieder-legung musste die Werkslei-tung des US-Automobilzuliefe-rers TRW zehn Kündigungen wie-der zurücknehmen.Zehn kranke und schwerbehin-derte Beschäftigte waren am 6.April gekündigt worden – ent-gegen vorheriger Absprachenmit dem Betriebsrat. Die Kolle-ginnen und Kollegen legten dieArbeit nieder und versammel-ten sich auf dem Parkplatz zueiner Protestaktion. Nach dreiSchichten knickte die Werkslei-tung ein. Die Kündigungensind vom Tisch.

    Laut Betriebsrat wollte TRW mitkrankheitsbedingten Kündi-gungen die bis 2009 laufendeBeschäftigungssicherung un-terwandern. Peter Behr von derIG Metall Krefeld unterstreichtdie Solidarität der 454 Beschäf-tigten: »Ein hoffnungsvollesZeichen und beispielgebendfür andere Betriebe«.

    TRW hat 19 deutsche Werkemit 12 200 Beschäftigten undgehört dem US-Finanzinvest-Giganten Blackstone, der unteranderem auch an der Telekombeteiligt und als Käufer beiChrysler im Gespräch ist.7

    Kündigungen weg gekämpftTRW Automotive Chassis Systems, Gellep

    BenQ

    UEFA-Sponsor ohne Fairplay

    Opel

    Kein Werk schließt

    Die nächste Generation desOpel-Astra wird in Deutschland,Schweden, Großbritannien undPolen gebaut. Damit ist dasÜberleben des Werks Bochumgesichert. Das Werk in Antwer-pen wird nicht am Astra betei-ligt sein, bekommt aber andereModelle für die Produktion.

    Bis Jahresende wird der Be-triebsrat mit dem Managementüber Einsparmöglichkeiten ver-handeln. In Bochum sollen nachersten Plänen rund 700 Arbeits-plätze abgebaut werden. Zur De-batte stehen werden auch Löhneund Arbeitszeit.7

    Der taiwanesische Konzern BenQ,durch dessen Pleite in Deutsch-land Tausende von Beschäftigtenihren Arbeitsplatz verloren ha-ben, will sich in der Öffentlichkeitals Vertreter des sportlichen Fair-play präsentieren. Die geschei-terten Handy-Hersteller tretenals einer der Hauptsponsorender Fußball-Europameister-schaft auf, die 2008 in derSchweiz und Österreich ange-pfiffen wird.

    Verbitterung bei den Be-triebsräten und der früheren Be-legschaft von BenQ in Kamp-Lintfort: In einem offenen Briefwenden sie sich an den geradeneu gewählten UEFA-Präsiden-ten Michel Platini und fordernihn auf, BenQ als Sponsor wie-der auszuladen.

    In ihrem Schreiben heißt es:»Wir möchten und können derUEFA nicht vorschreiben, mitwelchen Unternehmen sieSponsoring-Verträge abschließt.Wir erwarten jedoch, dass sichSponsoren der UEFA an den all-gemeinen Kriterien des Sportswie Fairness und moralischer In-tegrität messen lassen müssen.Ein Unternehmen, das durchden Entzug von 500 Millionen

    Euro die Vernichtung von über3000 Arbeitsplätzen billigend inKauf nimmt, darf nicht als Spon-sor für die Fußball-EM auftre-ten.« Die Millionen Fußball-Fanssollten sich auf fairen Sport freu-en können und nicht durch Wer-beauftritte an das unsoziale Ver-halten des taiwanesischen Kon-zerns erinnert werden. »ZeigenSie BenQ die Rote Karte,« for-derten sie.

    Von den moralischen Ansprü-chen, die im Sport gelten, istBenQ meilenweit entfernt.BenQ hat sich bisher strikt ge-weigert, finanzielle Entschädi-gungen an die früheren Mitar-beiter zu zahlen. Die deutscheStaatsanwaltschaft prüft derzeit,ob vor der Pleite in DeutschlandGeld nach Taiwan geschafft wur-de. Von bis zu einer halben Milli-arde Euro ist die Rede.7

    5_04_05_apm.qxp:04_05_Magazin 19.04.2007 20:29 Uhr Seite 5

  • 6 metall 5/2007

    Magazin

    Bei Europas größtem Möbelher-steller, der Schieder-Gruppe,konnte offenbar eine Insolvenzvorerst abgewendet werden. Das Unternehmen aus Schieder-Schwalenberg hatte aufgrund fi-nanzieller Schwierigkeiten imApril vorsorglich einen Insolvenz-antrag gestellt. Nachdem Beschäf-tigte mit Unterstützung der IGMetall vor der Hauptverwaltungder Deutschen Bank demonstrierthatten, lenkte das Geldinstitut we-nige Stunden später ein und ge-währte Schieder einen Überbrük-

    Insolvenz vorerst abgewendet – Probleme bleibenMöbelhersteller Schieder

    kungskredit, berichtet ReinhardSeiler, Erster Bevollmächtigter derIG Metall in Detmold.

    »Wir sind erleichtert, abernicht euphorisch«, sagt Seiler.Die Entscheidung der Deut-schen Bank verschaffe Schiederlediglich finanziell wieder etwasLuft. So müssten etwa noch dieMärz-Löhne gezahlt werden.Doch damit seien die Problemenicht gelöst. Das Unternehmenhabe sich zu Sanierungsplänennoch nicht geäußert. Für Seilersteht aber fest: »Wir wollen kei-

    ne Sanierung auf Kosten der Be-schäftigten«. Diese hätten ihrenAnteil durch den Abschluss ei-nes Sanierungstarifvertrags be-reits geleistet.

    »Jetzt ist das Management ander Reihe«, sagt Seiler. Aus seinerSicht beruhen die Probleme aufeiner völlig verschachteltenStruktur, in der die Geschäfts-führung den Überblick verlorenhabe. Auch die Entscheidung,sich auf die Billigproduktion zukonzentrieren, habe zur Miserebeigetragen.7

    Rest im Oktober 2006 an denamerikanischen FinanzinvestorKKR (Kohlberg Kravis Roberts).Die Produktion sei nicht ausge-lastet und Investitionen lohntennicht mehr – so die Begründungvon KKR für die Stilllegung. Daswies der Betriebsrat energischzurück: »Das Werk ist in einemguten technischen Stand undhöchst produktiv«, steht in ei-nem Flugblatt. Deshalb sind Wutund Empörung über die »Heu-schrecke« in der Belegschaft be-sonders groß. »Wir werden biszum letzten Moment kämpfen«,sagt BetriebsratsvorsitzenderKarl-Heinz Baumgarten. Die Ge-

    Der Name des Böblinger Halblei-terwerks NXP kommt vom engli-schen »Next Experience« – näch-ste Erfahrung. Die 550 Beschäf-tigten fragen sich derzeit, ob ihrenächste berufliche Erfahrung dieArbeitslosigkeit sein wird. Dasehemalige Chip-Werk von IBMsoll Ende 2007 dichtgemachtwerden. Momentan heißt die»nächste Erfahrung« Wider-stand.

    Einst Europas modernsteChip-Fabrik, waren Mitte der80er Jahre dort über 6000 Men-schen beschäftigt. 1999 ver-kaufte IBM an den Philips-Kon-zern und der verscherbelte den

    schäftsleitung aus Hamburg warzuerst nicht einmal bereit, imBöblinger Werk zu verhandeln.»Sie wollten nur zum Flughafenkommen, keinen Stuttgarter Bo-den betreten«, sagt Uwe Mein-hardt von der IG Metall Stuttgart.Das änderte sich nach der erstenProtestkundgebung. Zwar rück-te KKR nicht von der Stilllegungab, will aber neue Nutzungskon-zepte prüfen. Ziel der IG Metallist es, möglichst viele Arbeits-plätze zu erhalten und, wenn dasunmöglich sei, sagt Uwe Mein-hardt, wenigstens »zu verhin-dern, dass ein einziger von euchunter Hartz IV fällt«.7

    NXP, Böblingen

    »Nächste Erfahrung« Widerstand

    Kundgebung vor dem Böblinger Halbleiterwerk: Wut und Empörung über die »Heuschrecke«

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    CNH

    Neuer Investor in Sicht Der Kampf um eine Zukunftfür das CNH-Werk in Berlinhat sich wahrscheinlich ge-lohnt. Ein Industrie-Investorwill sich dem Vernehmennach bald auf dem Geländeansiedeln. Bis zu 150 Arbeits-plätze könnten dadurch ent-stehen. Der CNH-Betrieb, derfrüher zu dem traditionsrei-chen Unternehmen Oren-stein&Koppel gehörte, war imvergangenen Jahr Schauplatzeines dramatischen Arbeits-kampfs gewesen. Der Fiat-Konzern, zu dem CNH gehört,wollte die Fabrik schließenund die Produktion nach Ita-lien verlagern. Die Beschäf-tigten traten darauf hin in ei-nen Streik, der 107 Tage dau-erte. Mit Unterstützung derIG Metall erkämpften sie ei-nen Sozialtarifvertrag undAbfindungen. Das Unterneh-men wurde außerdem ver-

    pflichtet, nach einem neuenInvestor zu suchen. Rückzah-lungsansprüche des BerlinerSenats von 70 Millionen EuroFördergeldern erhöhten dasBemühen um eine alternativeProduktion. Der Betriebsrats-vorsitzende Christian Frommbegrüßte die Entwicklung:»Für die Leute, die in die Be-schäftigungsgesellschaft ge-gangen sind, ist das ein deut-licher Lichtblick.«7

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    Die Hoffnung auf eine Zukunftdes Werkes nie aufgegeben:Die CNH-Belegschaft hielt 107Tage Arbeitskampf durch

    5_06_07_apm.qxp:06_07_Magazin 19.04.2007 20:30 Uhr Seite 6

  • Magazin

    7metall 5/2007

    Andrea Nahles,36, ist Mitgliedim Präsidium undim Bundesvor-stand der SPD,Bundestagsab -geordnete – und IG Metall-Mit-glied

    Grundeinkommen

    Jeder bekommt vom Staat je-den Monat 600 Euro. Egal, ober arm ist oder reich, berufstä-tig, Hausfrau, arbeitslos, Rent-ner oder Student. Auch der, dernicht arbeiten will. Das fordernso unterschiedliche Leute wieThüringens MinisterpräsidentDieter Althaus (CDU), der Chefder Drogeriemarktkette dm,Götz Werner, und Katja Kip-ping von der Linkspartei. Überden Charme des zurzeit vieldiskutierten Modells sprachmetall mit SPD-Sozialpolitike-rin Andrea Nahles.

    metall: Klingt doch gut?Andrea Nahles: Auf den erstenBlick ja. Aber für die Betroffenenwäre das von Althaus propagier-te Modell ein schlechtes Ge-schäft. Das Grundeinkommensoll unter dem ArbeitslosengeldII liegen. Die 600-Euro-Pauscha-le ist ein All-inclusive-Paket, daskeine zusätzlichen Leistungenwie Wohngeld vorsieht. Bedürf-tige sollen weniger erhalten, gutVerdienende und Arbeitgeberentlas tet werden.

    metall: Man könnte es auf biszu 1500 Euro aufsto cken, wieLinke oder Werner fordern.Nahles: Das würde bis zu 1,2Billionen Euro kosten – ein gi-gantisches Verteilungsvolu-men, das gegenfinanziert wer-

    den müsste. Werner schlägt vor:durch 50 Prozent Mehrwertsteu-er. Die wirtschaftlichen Folgenkann man sich ausmalen.

    metall: Befürworter sagen, dieSozialversicherungsbeiträgekönnten abgeschafft werden undgeringfügig und schlecht bezahl-te Arbeit würde attraktiv.Nahles: Wenn alle Bürgerinnenund Bürger das Grundeinkom-men erhalten, egal, ob sie be-dürftig sind oder nicht, würde

    dieses rein über Steuern finan-zierte Sozialsystem viel teurerals unser jetziges System. Nur fürdie Arbeitgeber nicht, die bei soeinem Kombilohn die Löhne dras-tisch drücken können. Ich findees übrigens auch nicht unanstän-dig, wenn jemand für Hilfe, die ervon der Gemeinschaft erhält,auch nachweisen muss, dass ersie braucht. Andernfalls würdedie Akzeptanz unseres Sozialsys -tems leiden – und die Motivationzu arbeiten. Die Wertschöpfung

    »Das ist ein schlechtes Geschäft«würde geringer und damit das ge-samte Gebäude der sozialen Si-cherheit gefährdet.

    metall: Ein Argument fürs Grund-einkommen ist: Vollbeschäfti-gung wird es nie mehr geben.Nahles: Auch wenn es in den letz-ten 30 Jahren nicht gelungen ist,Vollbeschäftigung zu erreichen, istdas Ziel dennoch richtig. Die über-große Mehrheit der Menschen willberufstätig sein und sucht Aner-kennung durch Arbeit. Wer diesesZiel aufgibt, gibt damit auch dasRecht auf Eingliederung und Qua-lifizierung auf. Das Grundeinkom-men ist eine Ausgrenzungsprä-mie, auch wenn es die Befürworternicht wahrhaben wollen.

    metall: Gibt es Alternativen?Nahles: Ja. Eine Grundsicherungfür jeden Bedürftigen. Die bisheri-ge ist zu bürokratisch, für zu weni-ge zugänglich und für einige Grup-pen, wie Alleinerziehende mit Kin-dern, nicht ausreichend. Wahr-scheinlich schaffen wir es nochdieses Jahr, den Kinderzuschlagauszubauen und das Sys tem einfa-cher zu machen. Außerdem einenöffentlich geförderten Arbeits-markt für schwer Vermittelbare –100000 hat die Große Koalitionschon vereinbart. Ferner: Rechts-anspruch auf Weiterbildung, Ar-beitszeitverkürzungsmodelle undeine moderne Industriepolitik. 7

    Björn Böhning, Klaus Dörre und Andrea Nahles (Hrsg.)

    Unterschichten?Prekariat? Klassen?Moderne Politik gegen soziale Ausgrenzung

    Schriftenreihe des Forum Demokratische Linke 21 e.V.

    Interessantes zumGrundeinkommen bie-tet das Buch »Unter-schichten? Prekariat?Klassen?« von BjörnBöhning, Klaus Dörre, Andrea Nahles. spw-Verlag, 2006. Im Inter-net bestellen unter:www.spw.de 3Aktuelles Buchpro-gramm

    3Bedingungsloses Grundeinkommen:Jeder Mensch, unabhängig von Einkom-men und Alter hat einen gesetzlichenAnspruch. Die Höhe schwankt je nachModell zwischen 600 und 1000 Euro.Abgezogen werden Beiträge für dieKrankenversicherung (200 Euro). Be-zahlt werden soll es aus Steuermitteln.Andere Sozialleistungen, wie Arbeitslo-sengeld, werden gestrichen, langfristig

    auch die Rente. Damit entfallen Sozial-versicherungsbeiträge. 3Bürgergeld: Dieses Modell unterstütztdie FDP: Alle steuerfinanzierten Sozial-leistungen sollen zu einer zusammenge-fasst, pauschaliert und strikt an Bedürf-tigkeit ausgerichtet werden. Anders alsdas Grundeinkommen ist es bei Arbeits-fähigen an eine Arbeitspflicht gekop-pelt; bei Weigerung droht Kürzung.

    Was ist was?Ihr Buch

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    5_06_07_apm.qxp:06_07_Magazin 19.04.2007 20:31 Uhr Seite 7

  • 8 metall 5/2007

    Mainz Metaller von VW Kassel hauen auf die Pauken, was das Zeug hält: »Wir sind eine Gewerkschaft. Darum müssen wir zusammenhalten«, sagt Trommler Christoph Meyer. Gut 400 Beschäftigte aus Betrieben in Hessen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz sindschon zur zweiten Tarifrunde an den Rhein gekommen, um sich für die heiße Phase »warm zu laufen« und den Arbeitgebern zu zeigen, dass siewas tun werden, um für sich einen gerechten Anteil an den wirtschaftlichen Erfolgen der Firmen durchzusetzen .

    Foto:Frank Rumpenhorst

    5_08_10_apm.qxp:8_11 20.04.2007 8:57 Uhr Seite 8

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    »Mogelpackung«, »Magerquark« oder schlicht einen »Witz« nannten IG Metall-Mitglieder das Angebot, mit dem die Arbeitgeber seit der zweiten Tarifrundedurch die Lande zogen. Mit vielfältigen Aktionen zeigten sie: »Wir wollen für das, was wir leisten, fair bezahlt werden.« Von Sylvia Koppelberg

    Tarifrunde 2007

    metall 5/2007

    Schlagende Argumente für die grauen Herren

    BremenSüß und trotzdem schwer verdauliche Kost für die Ar-beitgeber: Bevor die dritte Ver-handlungsrunde für die rund150 000 Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie ander Küste beginnt, verteilt einAzubi »Amerikaner« mit rotemZuckerguss und der weißenAufschrift »6,5 %«.

    »Mit dem Angebot der Arbeitgeber ist es wie beim Zwiebelschneiden.Ist die Schale weg, kommen einem die Tränen.«Jörg Hofmann, IG Metall Baden-Württemberg, nach dem ersten Angebot

    Her mit dem Zaster. Sonst gibt’s keineLaster«, ist auf dem Transparent zu le-

    sen, das Metaller aus einem Lkw-Werk vonMAN mitgebracht haben. Sie stehen auf demPlatz neben der Rheingoldhalle in Mainzmit rund 400 Kolleginnen und Kollegen vonBosch, ZF Getriebe, VW Kassel und anderenBetrieben – weithin sicht- und hörbar dankmitgebrachter Fahnen, Transparente undTrommeln. Nach kurzer Zeit mischt sich einArbeitgeber in die Menge. Bereitwillig über-lässt man ihm das Mikrofon. »Bei allem un-ternehmerischen Risiko bieten wir drei Pro-zent«, sagt er, und erntet dafür auf dem PlatzPfiffe und Buhrufe. »Unsere Erfahrung ist,dass das unternehmerische Risiko immernur wir tragen«, hält ihm ein Demonstrantaus Nordhessen entgegen.

    Es gehe auch darum, Arbeitsplätze zuschaffen, redet der Arbeitgeber weiter. Dasgehe nur, wenn die Löhne nicht zu stark stei-gen. Noch mal widerspricht der Metaller. »Inder Tarifrunde vor einem Jahr haben die Ar-beitgeber gesagt, der Abschluss koste Arbeits-plätze. Aber genau das Gegenteil ist eingetre-ten. Weil sich die Nachfrage verbessert hat,sind zusätzliche Arbeitsplätze entstanden.«

    Wenig später Szenenwechsel: Konferenz-raum im benachbarten Hilton-Hotel, das ei-nen direkten Zugang zur Mainzer Spielbankhat. Dort mag es an diesem Tag Gewinner ge-ben, im Konferenzraum nicht. Zwei langeTischreihen. Auf der einen Seite 24 Mal diegleichen dunkelgrauen Anzüge, dazwischenzwei mittelgraue. 26 Männer, die aussehenwie die »Grauen Herren« aus Michael EndesRoman »Momo«: die Arbeitgeber der Ver-handlungsdelegation. Auf der anderen Seite,kleidungsmäßig etwas aufgelockerter unddurch einige Frauen bereichert: die Ver-handlungskommission der IG Metall. Es ist

    die zweite Tarifrunde für die »Mittelgrup-pe«, also für die Metall-Beschäftigten inHessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland.

    »Das nimmt kein Mensch ernst«Einige Tage vorher hatten die Arbeitgeber inStuttgart ihren ersten »Lösungsvorschlag«gemacht. Ein Angebot, das Metaller, weil eskurz vor Ostern war, »faule Eier« nannten.Oder zeitlos schön »Magerquark«. Gebotenwurde eine Lohnerhöhung, die nach einemJahr auf 1,5 Prozent schrumpfen kann. Dennnur 2,5 Prozent sollten von Dauer sein unddie restlichen 0,5 Prozent nur Zulage, die

    nach Ende der Tariflaufzeit weg wäre, einLohn mit Verfallsdatum also. Außerdem soll-ten die Betriebe das Weihnachtsgeld um biszu 15 Prozent variieren können, also auchkürzen. »Das ist ein Witz. Das nimmt dochkein Mensch ernst«, kommentierte Wolf-gang Berz, Betriebsratsvorsitzender bei denBergischen Achsen im nordrhein-westfäli-schen Wiehl, das Stuttgarter Angebot. Er war– wie IG Metall-Mitglieder in der gesamtenRepublik – stinkesauer.

    »Ihr Angebot zeugt von keinem Respektvor dem, was die Beschäftigten leisten«, sag-te Armin Schild, Verhandlungsführer der IG

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  • 10 metall 5/2007

    Metall für die Mittelgruppe, den Arbeitge-bern. »Es ist kein Lohn für Leistung, sondernHohn.« Schild forderte die Arbeitgeber auf,ein besseres Angebot zu machen. Aber dastaten sie weder in Mainz noch in Hannover,Berlin, Augsburg, Hamburg, Erfurt, Gelsen-kirchen oder den anderen Verhandlungsor-ten. Stattdessen füllten sie die Zeit mit ermü-denden Ritualen: Allein in den zweiten re-gionalen Tarifrunden trugen sie den IG Me-tall-Verhandlern elf Mal den gleichen Textvor, elf Mal das gleiche Angebot. Und in derdritten Runde ging das gleiche Spiel weiter.Nix außer Spesen. »Damit provozieren die

    Arbeitgeber Warnstreiks«, warnte der IGMetall-Bezirksleiter von Nordrhein-Westfa-len, Detlef Wetzel. Dabei wollten die Arbeit-geber von Anfang an einen schnellen Ab-schluss. Denn sie haben ein Problem: DieAuftragsbücher der meisten Firmen sind sorandvoll und die Kapazitäten so ausgelastet,dass sie Ausfälle durch Warnstreiks oder garStreiks fast genauso fürchten wie einen ausihrer Sicht zu hohen Abschluss.

    »Nach dem Ende der Friedenspflichtwird es kein langes Fackeln geben«, warnteBaden-Württembergs IG Metall-Verhand-lungsführer Jörg Hofmann und kündigte

    »Krach in aller Breite« an. Schon in den ers-ten Runden haben Metallerinnen und Metal-ler den Arbeitgebern vor Augen geführt, dasssie den Willen haben und fähig sind, Druckzu machen. Tausende kamen zu den Verhand-lungen und begleiteten sie durch Kundge-bungen. Darunter sehr viele Jugendliche.Tausende machten schon im April bei Aktio-nen in ihren Betrieben mit. Und viele Metal-ler starteten Kampagnen, um Mitglieder zuwerben und zu motivieren, sich selbst zu en-gagieren. Weil das, was am Ende mehr in der»Lohntüte« ist, davon abhängt, dass sich vie-le vor Ort selbst mit darum kümmern.7

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    LudwigsburgJugend aktiv: Rund 2500 – vorallem junge – Leute ziehenam 16. April durch die Stadt.

    ZwickauOstern: 1500 Menschen ka-men. Sie boten Schoko-Eier,die Arbeitgeber »faule Eier«.

    HannoverGeiziges Angebot: Ein Schot-te bläst den Arbeitgebern denDudelsack.

    Nürnberg »Gebt uns 6,5 %, sonst seid ihr amEnde«, drohen Kundgebungsteilnehmer aus Bayern.Gut 1000 IG Metall-Mitglieder kamen zur zweiten Runde. Bei der dritten Verhandlung in Augsburg sindes noch mal genau so viele. Vergeblich hoffen sie aufein besseres Angebot der Arbeitgeber.

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    GelsenkirchenRot ist Trumpf: Menschen ausHerne und anderen Orten be-gleiten die Tarifrunden in NRW.

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    AUB-Ermittlungen

    metall 5/2007

    er Verdacht, dass Siemens die sogenannte »ArbeitsgemeinschaftUnabhängiger Betriebsangehöri-

    ger« (AUB) geschmiert haben könnte,trennt nun die Spreu vom Weizen. AUB-Mitglieder und -Betriebsräte distanzierensich von ihrer Organisation. Im Betriebsratvon Siemens in Hamburg etwa gab es bisvor kurzem eine Gruppe von AUB-Vertre-tern. Auf Grund der jüngsten Enthüllungenüber die Machenschaften ihres früherenVorsitzenden Wilhelm Schelsky haben sichdie Betriebsräte jetzt von der AUB losgesagt.

    Unappetitlich auch, was der sozialdemo-kratische Newsletter »blick nach rechts«ans Licht brachte. In den 90er Jahren warenin der AUB Mitglieder aktiv, die der rechtenSzene zugerechnet wurden. So saß derfrühere Kreisvorsitzende der Republikanervon Starnberg für die AUB im Betriebsratder Rüstungsschmiede Krauss-Maffei. Einanderer AUBler im Betriebsrat von Merce-des-Benz Stuttgart agitierte für die NPD.

    Der AUB und ihrem früheren Vorsitzen-den Schelsky gehen die Truppen von derFahne. Da hilft es wenig, wenn die kommis-

    sarische Vorsitzende Ingrid Band-Hückstädtin einem Rundbrief sich von den eventuel-len Verfehlungen des autoritären Vorsitzen-den distanziert und gelobt: »Nie wiederdarf uns passieren, dass eine Person alleswusste, alles leitete und damit beinahe alleszerstörte.«

    Nach bisherigen Ermittlungen dürfte einTeil des Geldes, das Schelsky für angeblicheBeratertätigkeit von Siemens erhalten hat,

    an die AUB geflossen sein. Dem Vernehmennach genossen AUB-Betriebsräte gute Auf-stiegschancen innerhalb des Siemens-Kon-zerns. AUBler wurden von der Arbeit freige-stellt, um ungehindert Wahlkämpfe für denBetriebsrat zu organisieren. Die IG Metallgeht davon aus, dass die Betriebsratsarbeitder AUB bei Siemens systematisch beein-flusst worden ist.7

    Martina Helmerich

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    Chronik des AUB-Skandals

    3Gründung der AUB 1986 bei Siemens inErlangen. Die AUB ködert mit niedrigenBeiträgen Mitglieder. Angeblich hat sie 32 000 davon und 19 000 Betriebsratsmit-glieder. Die IG Metall hält die Zahlen je-doch für weit überzogen. 9000 Mitgliedersind wahrscheinlich. Die AUB ist keine ta-riffähige Gewerkschaft.3Februar 2007: Der AUB-Vorsitzende Wil-helm Schelsky wird wegen Steuerhinter-ziehung festgenommen und sitzt seitdem

    in Untersuchungshaft. Er soll 34 MillionenEuro von Siemens kassiert haben.3März 2007: Verhaftung von Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer. DieNürnberger Staatsanwaltschaft ermitteltwegen Steuerhinterziehung und Untreue. 3April 2007: IG Metall und Siemens-Ge-samtbetriebsrat stellen Strafantrag nachParagraf 119 Betriebsverfassungsgesetz.Es besteht der Verdacht der unzulässigenBeeinflussung von Betriebsratswahlen.

    Fast alles zerstörtImmer mehr belastende Informationen kommen über die fragwürdige Or-ganisation AUB ans Tageslicht, seit ihr Ex-Vorsitzender Wilhelm Schelskyfestgenommen wurde. Die IG Metall stellte Strafantrag wegen Verletzungdes Betriebsverfassungsgesetzes.

    Viele offene Fragen: Was hat man in der Siemens-Zentrale in München von den Millionenzahlungen an den AUB-Vorsitzenden Wilhelm Schelsky ge-wusst, der seit Februar in Untersuchungshaft sitzt?

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  • as Telefon bei »Azuro« im Münche-ner Westend klingelt ganz sanft. Einrichtiger Kontrast zu dem, was

    dann kommt. »Nein, nein, für Azubis be-steht Schulpflicht, das sind keine Arbeitneh-mer«, klärt Beraterin Nina Fleck gerade ei-nen Anrufer auf. »Im Grunde ist das eineOrdnungswidrigkeit. Die Azubis laufen jaGefahr, bei der Prüfung durchzufallen undkönnten dann Schadenersatz fordern.«

    Eine Sachbearbeiterin beim Jugendinfor-mationsdienst ist dran. Sie hat gleich mehre-re Lehrlinge im Büro, deren Firma den obli-gatorischen Berufsschul-Unterricht als ver-lorene Zeit einstuft und die Azubis nichtmehr hinschicken will. »Die sollen mal zuuns in die Beratung kommen«, rät Fleck.

    »Azuro« ist eine Einrichtung der Münche-ner DGB-Jugend und des bayerischen DGB-Bildungswerks und wird von der Stadt Mün-chen mitfinanziert. »Wir sind parteiisch fürdie Azubis. Bei uns ist viel los, wir könntenunsere Kapazitäten gut verdoppeln«, sagt Ge-werkschafterin Fleck. So groß ist die Not. Al-lein im vergangenen Jahr sind in dem Bürorund 1300 Fälle aus München und der Regi-on aktenkundig geworden.

    Der nächste Anrufer ist ein Arzt. Es gehtum einen Auszubildenen mit Angstsympto-men. Er wird vom Chef gemobbt und trautsich nicht mehr zurück in den Betrieb. Fleckkennt den Fall und blättert seine Akte durch.»Der Junge braucht in jedem Fall eine Thera-pie«, sagt sie bestimmt, »wir müssen Zeitgewinnen und wollen nicht überhastet in ei-ne Schlichtung reingehen.«

    Nein, leichtfertig geben die Lehrlinge beidem Mangel an Ausbildungsplätzen ihre er-kämpften Ausbildungsplätze bestimmt nichtauf. Dass dennoch jedes Jahr über 130000, jeder Fünfte, das Handtuch wer-fen, deutet an, wie groß der Leidensdruckist. Viele Betriebe nutzen den Lehrstellen-

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    Gekränkt, gedemütigtund ausgenutzt

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    Angesichts des Mangels an Lehrstellen glauben vor allem Handwerksbetriebe, ihre Azubis ausnutzen zu können. Dabei setzen sie sich sogar über Gesetze hinweg.In der Regel wird das von den Behörden übersehen.

    Beratung für Auszubildende

    Ausbildung mangelhaft

    1. Ausbildungsinhalte voll vermittelt

    2. größtenteils

    3. kaum

    4. nicht vermittelt

    Quelle: DGB-Jugend München

    den länger, zudem besteht mein Chef darauf,das ich samstags und sonntags arbeite.« Dabei sind obligatorische Überstunden garnicht erlaubt. Und wer zustimmt, hat An-spruch auf eine entsprechende Vergütung –in Euro oder Arbeitszeit.

    In aller Regel bleiben unseriöse Ausbilderungeschoren – obwohl sie gegen geltendeGesetze verstoßen. Jeder dritte Azubi, belegteine Umfrage des DGB, muss Überstundenableisten (Metallberufe: 25 Prozent, Büro-kaufmann: 29 Prozent), oft ohne Vergütungund Freizeitausgleich. Genauso viele müs-sen ausbildungsfremde Arbeiten überneh-men, oft mehr als 20 Wochenstunden. EinBürokaufmann, zweites Ausbildungsjahr,beschrieb seine Aufgaben Dr. Azubi gegen-über so: »Be- und Entladen von Pkw, Aufräu-men, Müll entsorgen, Halle fegen, Leergutsortieren«. Kaufmännische Aufgaben gäbees nie, auch keinen Ausbildungsplan.

    Andere kriegen kein oder zuwenig Geld.»Ich habe für Januar und Februar noch keineAusbildungsvergütung bekommen«, be-

    mangel aus und sehen Azubis als billige Arbeitskräfte an. Zehntausende werden aufdiese Weise in die Enge getrieben, sie kündi-gen.

    Vor allem in kleinen Handwerksbetriebenist das Klima für Azubis oft rau. Während In-dustriemechaniker in einem DGB-RankingPlatz 4, Mechatroniker Platz 3 und IT-Sys-temelektroniker gar Platz 1 belegen, landenKFZ-Mechatroniker auf dem 15., Tischlerauf 13. Platz. »Auszubildende werden in zu-nehmendem Maße gekränkt, ausgenutztund schlecht ausgebildet«, klagt auch IngridSehrbrock, Mitglied des geschäftsführendenDGB-Bundesvorstands, im aktuellen DGB-Ausbildungsreport.

    Überstunden nicht erlaubtÜber die DGB-Online-Beratung »Dr. Azubi«bekommt sie hautnah mit, unter welchemDruck die Jugendlichen stehn. Ein angehen-der Tischler, zweites Lehrjahr, klagte etwa:»Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.Zur Zeit arbeite ich täglich bis zu drei Stun-

    Ausbildung

    – in Prozent –

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  • Ausbildung

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    »Was tun?«

    1. In großen Betrieben ist die Aus bildungs -qualität am besten. Daher sollten sie ihreAusbildungsquoten erhöhen.

    2. Betrieben, die die Mindestanforderun-gen bei der Ausbildung nicht erfüllen undgravierend gegen Gesetze verstoßen, soll die Ausbildungseignung entzogenwerden.

    3. Behörden müssen weit häufiger als bis-her unangemeldet Betriebe inspizieren

    und Auszubildende befragen. Außerdemsollten Beschwerdekästen in den Berufs-schulen aufgehängt werden und anony-men Hinweisen nachgegangen werden.

    4. Die Ausbilder-Eignungsprüfung im Bereich der Industrie- und Handelskam-mern sollte wieder eingeführt werden.

    5. Es muss stärker geprüft werden, ob inHandwerksbetrieben betriebliche Aus -bildungspläne existieren.

    schwerte sich ein Karosseriebauer-Azubi En-de März beim DGB, »mein Chef sagt, er kannmich jederzeit rausschmeißen und ist derMeinung, dass Lehrlinge eigentlich Geld für

    die Ausbildung bezahlen müssten. Ich habenicht einmal Geld für die Monatskarte.«Selbst optimistischste und starke Jugendli-che verlieren da leicht die Nerven und

    schmeißen hin. Oft zu Recht,denn wenn schon die Ausbil-dung miserabel ist, sind dieChancen auf dem globalen Ar-beitsmarkt ziemlich mau.

    »Die staatlichen Kontrollin-stanzen müssen sich überlegen,ob sie weiterhin über diezahlreichen Gesetzesverstöße hinwegsehen wollen«, mahntRoland Wehrer von der Mün-chener DGB-Jugend, notfallsmüsse Betrieben die Ausbilder-eignung entzogen werden.

    Vor diesem Hintergrundwirkt die ewige Nörgelei der Ar-beitgeber über die »mangelndeAusbildungsreife« von Auszu-bildenden reichlich schräg.»Wieviele Ausbildungsbetrie-be«, fragt Wehrer zu Recht,»bringen eigentlich die not-wendige Ausbildungsreife mit?«

    Bei »Azuro« in München hatNina Fleck gerade ein altes Pla-kat ausgekramt. Es zeigt Lehrlin-ge, die Bierkisten schleppenoder Haushaltsarbeit erledigen.»Nicht ducken, aufmucken«,steht obendrüber. Das Plakatstammt aus den 80er Jahren. Daklingelt wieder das Telefon, but-terweich wie immer. Ein Ener-

    gie- und Gebäudetechniker-Lehrling istdran. Der Firmenchef hat ihn gefeuert, esgibt viel zu tun.7

    Fritz Arndt

    Auszug aus einem »Maßnahmenkatalog« von DGB-Jugend, Region München, und »Azuro«, München:

    Infos unter

    3Service der DGB-Jugend:www. doktor-azubi.de3Beratungsbüro der DGB-Jugend, Region München:»azuro«, Landwehrstraße 87, 80469 München, Hotline:089–54404640. E-Mail: [email protected]

    Weitere Infos zur Ausbildungbieten die folgenden Adressen:

    Karikatur: Klaus Espermüller

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  • 14 metall 5/2007

    Der Haustarifvertrag,den Betriebsrat und IGMetall mit dem Auto-haus Wolfsburg abge-schlossen haben, hatein Signal für die Kfz-Branche gesetzt.Nachdem die nieder-sächsischen Arbeit -geber vor rund dreiJahren aus den Tarif-verträgen ausgestie-gen sind, wurde mitdem Haustarifvertragim Autohaus der tarif-lose Zustand in diesemGroßbetrieb beendet.Die Beschäftigten haben jetzt wieder Sicherheit.

    SerieSerie

    Von großen Hoffnungen, aberauch von Befürchtungen war dieOsterweiterung der EU vor dreiJahren begleitet. Als am 1. Mai 2004 die zehn mit-tel-und osteuropäischen Länder(Estland, Lettland, Litauen, Po-len, Tschechien, die Slowakei,Ungarn, Slowenien, Malta undder südliche Teil Zyperns) mitihren rund 75 Millionen Ein-wohnern zur Europäischen Uni-on stießen, war der offizielle Jubel groß. Weniger froh gestimmt waren die Bürger: Dieneuen EU-Angehörigen fürchte-ten, unter die Räder zu kommen,die »Alt-Europäer« hatten Sorgevor billiger Ost-Konkurrenz aufihren Arbeitsmärkten.

    Gewinner der Osterweiterungsind vor allem die Beitrittsländer.Ihr Wirtschaftswachstum er-reichte im Durchschnitt 3,75Prozent pro Jahr (in den »alten«Ländern nur 2,5 Prozent). Grundfür den Aufschwung sind dieverbesserten Absatzchancen aufden Märkten der EU und Investi-tionen, die den Unternehmenund der Infrastruktur zugutekommen.

    Für die deutsche Wirtschafthat sich die Osterweiterung als

    IG Metall: Kontakte gegen die Konkurrenz

    Die IG Metall bemüht sich vor allem in den Bezirken, die an dieBeitrittsländer grenzen, um den Austausch von Gewerkschaf-tern und Betriebsräten. Rege Kontakte gibt es bereits seit 15Jahren von Bayern nach Südosteuropa. Auch Niedersachsen/Sachsen-Anhalt hat ein Projekt aufgelegt. Berlin-Brandenburg-Sachsen pflegt vor allem Kontakt nach Polen. Infos: www.igmetall-bbs.de 3Internationale und www.igmetall-bayern.de3Die Serie »Europa« stellt in den kommenden Monaten die Arbeit von Gewerkschaften, Arbeitnehmervertretern und wichti-ge Entwicklungen in der EU vor.7

    Konjunkturprogramm erwie-sen. Die Exporte kletterten von56,2 Milliarden Euro im Jahr2003 auf 64 Milliarden 2005.Damit hat der Außenhandel mitden Beitrittsländern das Niveaudes Exports in die USA bereitsüberholt, stellt das Institut für Ar-beitsmarkt-und Berufsforschungfest. Besonders dynamisch ent-wickelte sich der Export nach Polen (plus 29 Prozent).

    Auch die IG Metall beurteiltdiese Entwicklung positiv: Diemittel- und osteuropäischenLänder tragen entscheidend zuden Exporterfolgen der deut-schen Industrie bei und sicherndamit auch Arbeitsplätze hierzu-lande. Großen Anteil hat die Me-

    tall- und Elektroindustrie,denn die neuen europäischenLänder beziehen vor allem ihre dringend benötigten Maschinen und Ausrüstungenbei deutschen Lieferanten.

    Auf der Suche nach ArbeitDie Einwanderung aus denneuen EU-Ländern spielt(noch) nicht die befürchtetenegative Rolle – nicht zuletztweil in Deutschland bis 2011Zuwanderungsbeschänkun-gen gelten. 2004 zogen etwa36 000 Menschen aus Mittel-oder Osteuropa nach Deutsch-land, ein Jahr später 63 000.Anders in Großbritannien, das– wie Irland – von Anfang anvolle Freizügigkeit für Arbeit-nehmer gewährte: Dorthinzogen im gleichen Zeitraummehr als 500 000 Menschenauf der Suche nach Arbeit. Ins-gesamt stellen Angehörige derneuen Mitgliedsstaaten in denalten EU-Ländern nicht ein-mal ein Prozent der Bevölke-rung im erwerbsfähigen Alter.

    Bis sich die Lebensverhält-nisse angeglichen haben, wirdes nach Einschätzung der EU-Kommission noch etwa 35Jahre dauern, vorausgesetzt,die aktuellen Trends haltenan.7 Gabriele Prein

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    Bilanz der Ost-Erweiterung: überwiegend positiv

    5_14_15_Betriebsreport_apm.qxp:14_15_Europa_Betriebsreport 19.04.2007 20:43 Uhr Seite 14

  • 15metall 5/2007

    BetriebsreportBetriebsreport

    BetriebsratsvorsitzenderHelge Fahr: Unterschrif-tenaktion zum Einlenken

    Haustarifvertrag beim Autohaus Wolfsburg

    er Kampf hat sich gelohnt: 2,1Prozent mehr Geld zum 1. Januar2007, weitere 2,5 Prozent zum 1.

    Januar 2008, Beschäftigungssicherung biszum 31. Dezember 2008, 50 neue Ausbil-dungsplätze pro Jahr – das sind die Eckdatendes neuen Haustarifvertrags im AutohausWolfsburg. Erfolg einer mehr als zweijähri-gen Auseinandersetzung von Betriebsratund IG Metall.

    »Haben Sie 6500 Euro zu verschenken?«Mit dieser provokanten Frage machten dieBetriebsräte im Autohaus Wolfsburg den Be-schäftigten in einemFlugblatt klar, was ih-nen ohne Tarifvertragblühen würde. Minuti-ös listeten sie auf, wel-che tariflichen Leistun-gen sie bislang genie-ßen: sechs statt vierWochen Urlaub; 36-Stunden-Woche stattbis zu 48 Stunden;1370 Euro Urlaubs-geld, 960 Euro Weih-nachtsgeld und 320Euro vermögenswirk-same Leistungen. Bis zu6500 Euro, ergab dieRechnung der IG Me-tall, würde den Kolle-ginnen und Kollegendurch unbezahlteMehrarbeit, wenigerUrlaub und den Wegfallvon Urlaubs- undWeihnachtsgeld imJahr weggenommen.

    Hintergrund derspektakulären Flug-blattaktion ist die unge-klärte Tarifsituation inder niedersächsischenKfz-Branche gewesen.Im Herbst 2004 miss-

    achteten große Autohäuser und Kfz-Werk-stätten gültige Tarifverträge und zwangenihren Beschäftigten neue Arbeitsverträgeauf. Wenig später kündigten die Arbeitgeberlandesweit alle Tarifverträge und weigertensich, mit der IG Metall neue Vereinbarungenabzuschließen.

    150 neue Mitglieder»Da haben wir uns entschlossen, unsere Ge-schicke selbst in die Hand zu nehmen«, erinnert sich Helge Fahr, freigestellter Vorsit-zender des Betriebsrats im Autohaus Wolfs-

    burg. Immer wieder haben die IG Metall-Kollegen ihren Kfz-Mechanikern und Auto-verkäufern eingetrichtert, dass nur Gewerk-schaftsmitglieder einen Rechtsanspruchauf tarifliche Leistungen haben. Selbst aufWeihnachtsmännern und Ostereiern habensie ihre Botschaft verbreitet. Mit Erfolg: Fast150 Beschäftigte sind in dieser Zeit in die IGMetall eingetreten.

    Aber es dauerte trotzdem mehr als zweiJahre bis die IG Metall für die knapp 750 Beschäftigten einen Haustarifvertrag aus-handeln konnten. Mehrfach standen die

    Gespräche vor dem Aus.»Aber erst als die Beschäftigten sich beieiner Unterschriftenak-tion innerhalb kürzes -ter Zeit mit den Forde-rungen der IG Metallsolidarisierten, lenktedie Geschäftsleitungein«, sagt Helge Fahr.

    Kein Wort mehr vonder 40-Stunden-Wocheohne Lohnausgleich,keine Silbe mehr von derKürzung des Urlaubs beiKrankheit und auch dasUrlaubs- und Weih-nachtsgeld hängt nichtmehr von der Renditedes Unternehmens ab.»Das Ergebnis ist bei derBelegschaft super ange-kommen«, sagt DietmarBrennecke von der IGMetall Wolfsburg, derden Großbetrieb be-treut. Er lobte die zumSchluss »ungewöhnlichvertrauensvolle Zusam-menarbeit« mit der Ge-schäftsleitung. Und erlobt noch einen Punktder Vereinbarung: die Al-tersvorsorge: »Das istein Signal. Das gibt es imHandwerk bisher sonicht.« 7

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    5_14_15_Betriebsreport_apm.qxp:14_15_Europa_Betriebsreport 19.04.2007 20:44 Uhr Seite 15

  • Aldi ist der achtgrößte Textileinzel-händler in Deutschland. Frauen inChina und Indonesien arbeiten fürdiesen Erfolg oft zu Hungerlöhnen

    aum liegen sie im Laden, sind sieauch schon weg. Drei Paar Sockenfür knapp zwei Euro, die Windjacke

    für weniger als 15 Euro oder die Kinder-Jeans für 6,99. Aldi-Kunden sind Frühauf-steher. Wer nicht rechtzeitig im Laden ist,geht bei der Schnäppchen-Jagd schnell leeraus. Das Geschäft mit Schlafanzügen, Sport-bekleidung oder Jacken läuft prima – zu-mindest für die Discounter. Den Preis zahlenArbeiterinnen und Arbeiter in den Zuliefer-fabriken, wie eine neue Studie von Südwind,Institut für Ökonomie und Ökumene, zeigt.

    Das Institut hat Aldi-Zulieferer in Chinaund Indonesien ausfindig gemacht und dieBeschäftigten befragt. Was die Arbeiterinnen

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    Marktmachtbestimmt die Preise

    16 metall 5/2007

    Mit Textilien setzen Discounter wie Aldi und Lidl Milliarden um. DieSchnäppchen sind beliebt und bringen den Unternehmen Gewinne.Den Preis zahlen Arbeiterinnen in China und Indonesien, wie eineneue Studie über Aldi-Zulieferer des Instituts Südwind zeigt.

    Arbeitsrechtsverletzungen bei Aldi-Zulieferern

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    5_16_17_apm.qxp:12_13 19.04.2007 20:49 Uhr Seite 16

  • Discounter

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    und Arbeiter erzählten, hat selbst IngeborgWick von Südwind überrascht. Die Autorinder Studie kennt die Arbeitsbedingungen inChina. Aber die Abeitsrechtsverletzungen indiesen Fabriken übertrafen ihre bisherigenErfahrungen, sagt Ingeborg Wick. »Das gingbis hin zu Zwangsarbeit. Anders kann ich esnicht nennen, wenn Frauen daran gehindertwerden zu kündigen, und sich nachts heim-lich aus der Fabrik schleichen müssen.«

    Die Beschäftigten berichteten nicht nurvon endlosen Arbeitstagen, bei nur zwei bisvier freien Tagen pro Monat, Löhnen, dienicht einmal der Hälfte des chinesischenMindestlohns entsprechen und oft wochen-lang nicht gezahlt werden. In einigen Fabri-ken mussten die Frauen eine Kaution für ih-ren Arbeitsplatz bezahlen. Andere Zuliefererbeschäftigten Minderjährige und halfen ih-nen, ihre Ausweise zu fälschen.

    Über Arbeitsrechtsverletzungen berich-teten auch die Beschäftigten in Indonesien.Hier klagten Arbeiterinnen über erzwunge-ne Überstunden, über körperliche und psy-chische Misshandlungen und illegale Be-schäftigung von Jugendlichen. Zwar erhiel-ten die meisten gesetzlichen Mindestlohn,doch reiche dieser zum Leben nicht aus.

    Aldi hat die MarktmachtIngeborg Wick konfrontierte Aldi mit denErgebnissen ihrer Studie. Das Unternehmenerklärte sich zum Gespräch bereit. Für dieAutorin der Studie eine kleine Sensation.Schließlich war der Konzern bislang für sei-ne besonders verschlossene Informations-politik bekannt. Eindeutig Stellung hat Aldiallerdings bisher nicht bezogen. »Das Unter-nehmen befreit sich ein wenig von der Ver-antwortung, indem es auf die Händler ver-weist«, sagt Wick.

    Doch so einfach entlässt Ingeborg Wickden Konzern nicht. »Aldi hat die Markt-macht und damit auch die Verantwortung.«Unter den größten Textileinzelhändlern inDeutschland belegt Aldi Platz 8, gefolgt von

    Tchibo und Lidl. Vor Aldi, auf Platz 7, liegtder Tengelmann-Konzern, zu dem der Textil-Discounter Kik gehört. Wer so weit obensteht, bestimmt auch die Preise. »Wenn einsolches Unternehmen beispielsweise sagt,wir brauchen eine bestimmte Lieferung in-nerhalb weniger Wochen zu einem be-stimmten Preis, muss ihm klar sein, dass sieihre Vorgaben mit enormen Überstunden

    und geringen Löhnen erkaufen«, sagt Wick.Deshalb hätten Unternehmen wie Aldidurchaus die Macht, die Arbeitsbedingun-gen bei ihren Zulieferern zu verbessern.Schließlich gehe es nicht darum, einen Zu-lieferer fallen zu lassen und zum nächsten zuwechseln. »Dadurch würde sich das Lebender Arbeiterinnen auch nicht verbessern.«7

    Fabienne Melzer

    Aldi-Studie

    Die Studie, »All die Textil-Schnäppchen – nur rechtund billig? Arbeitsbedingungen bei Aldi-Zulieferernin China und Indonesien«, erscheint am 8. Mai undkostet fünf Euro. Bestellungen: Südwind, Institut fürÖkonomie und Ökumene, Lindenstraße 58-60, 53721Siegburg oder per Mail [email protected] Studie kann auch im Internet heruntergeladenwerden unter www.suedwind-institut.de.

    Der öffentliche Druck wirkt

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    Bei Tchibo hat die Kampagne für saubereKleidung einiges erreicht. Nun will sie dreiweitere Riesen bewegen: die DiscounterAldi, Lidl und Kik.

    metall: Wirkt öffentlicher Druck?Maik Pflaum: Ja, auf jeden Fall. Die meis -ten Unternehmen reagieren inzwischenviel schneller auf unsere Kampagnen.

    metall: Wie haben Tchibo und Lidl auf dieKampagnen reagiert?Pflaum: Lidl ist eigentlich nur seitlich aus-gewichen. Dort gibt es jetzt das »Green-peace-Magazin« und ein paar fair gehan-delte Produkte. Das ist Kosmetik. Tchibodagegen hat eine Sozialabteilung einge-richtet und einen Verhaltenskodex verein-bart. Damit hat sich für die Textil-Arbeite-rinnen aber noch lange nichts verbessert.Nur können wir den Konzern jetzt auf sei-nen eigenen Kodex festnageln. Das Unter-nehmen hat auf Druck reagiert, und eswird auch in Zukunft nur soweit gehen, wiees muss.

    metall: Warum hat die Kampagne sich nunAldi, Lidl und Kik vorgenommen?Pflaum: Auf dem Bekleidungsmarkt spie-len Aldi und Lidl ganz oben mit. Über Kikwissen die meisten nichts, etwa, dass Kikzu Tengelmann gehört. Der Konzern gibtsich gerne ein Saubermann-Image. Dapasst Kik aber nicht unbedingt zu.

    metall: Was muss sich bei den Discoun-tern ändern?Pflaum: Sie müssen ihre Einkaufspolitikoffen legen. Aldi hat ja keine eigenen Fa-briken in China oder Indonesien. SeineVerantwortung können wir nur daran mes-sen, wie Aldi beschafft, was das Unterneh-men den Händlern zahlt, und welche Lie-fer-Bedingungen es stellt.

    metall: Viele Unternehmen klagen überextremen Preiswettbewerb. Sind die Kun-den schuld, weil sie zu wenig zahlen?Pflaum: Nein, die »Geiz-ist-geil-Philoso-pie« kam ja von der Industrie. Es würdenichts ändern, wenn wir nur noch 100-Euro-Jeans kaufen. Sie wurden oft unterden gleichen schlechten Bedingungenproduziert. Um die Arbeitsbedingungenmüssen sich die Konzerne kümmern. Esgehört zur Preiskalkulation und Qualitäteines Mantels, dass er unter menschen-würdigen Bedingungen produziert wird.7

    Maik Pflaum von derKampagne für sau-bere Kleidung: »DieUnternehmen kön-nen uns nicht mehrignorieren.«

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    Ingeborg Wick vom Südwind-Insti-tut hat die Aldi-Studie verfasst.

    5_16_17_apm.qxp:12_13 19.04.2007 20:49 Uhr Seite 17

  • nicht nur Natur schützt, sondern auch einPuffer ist gegen den Ansturm von Armuts-siedlungen.

    »Gut dass ihr da seid, wir brauchen eureUnterstützung«, begrüßt José Maria Araújo,Chef der Metalúrgicos, der Metallgewerk-schaft, die deutschen Companheiros im Ge-werkschaftshaus von Sao Luís.

    »Alumar weigert sich, den Arbeitern eineGefahrenzulage zu zahlen, lieber zahlt derKonzern eine Strafe«, berichtet Zé Maria vonder Realität. »Und zu unseren Mitgliedernsagen sie: Wenn du Meister werden willst,musst du aus der Gewerkschaft austreten,manche bleiben dann heimlich drin.«

    Lange war nicht klar, ob Zé Maria, dessenGewerkschaft 35 Prozent der Belegschaft or-ganisiert hat, die deutsche Delegation beimWerksbesuch begleiten darf. Werksleiter Nil-son Ferrez ist sichtlich angespannt, weil erdann doch dabei ist: »Unser Ziel ist es, dassdie Arbeitnehmer glücklich sind bei der Ar-

    metall 5/2007

    Deutsche Betriebsräte waren im Amazonasgebiet. Hier stellen Aluminium kon- zerne Megafabriken hin. Die Konzerne halten die noch jungen Gewerkschaften kurz.Doch die halten dagegen mit Unterstützung der deutschen Gewerkschaften.

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    Foto: Peter Camin

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    ie sind eine eingeschworene Truppe,Hannelore Elze vom IG Metall-Zweig-büro in Düsseldorf und »ihre« Be-

    triebsräte aus dem Branchenarbeitskreis Alu-minium, der IG Metaller und IG BCEler um-fasst. Sie haben um ihre Werke gekämpft undgegen die Shareholder wie Norsk Hydro undAlcoa. Sie wissen: Die Multis investierenweltweit nur noch dort, wo alles billig zu ha-ben ist: Strom, Arbeit, Rohstoffe.

    Wie billig?, fragen die Gewerkschafter hierim Amazonasgebiet in Nordbrasilien bei ihrenWerksbesuchen und erfahren: Der RohstoffStrom kostet ein Drittel soviel wie in Deutsch-land. Der Rohstoff Bauxit liegt beispielsweisegreifbar nah unter dem Boden des Regen-walds, das sehen die Betriebsräte zwei Tage spä-ter in der drittgrößten Bauxitmine der Welt inPorto Trombetas. Die Arbeitskosten fallen nichtsonderlich ins Gewicht: Rund 500 Euro ver-dient ein Arbeiter im Monat. Das Fabrikgelän-de von Alumar ist eine reiche Insel. Im Besu-

    cherzentrum wird ein Film abgefahren.Strahlende Arbeiter, unzählige Sozial- undnoch mehr Ökoprojekte werden darin prä-sentiert. »Als wären wir hier in einer Land-kommune, die ganz nebenbei auch noch ei-ne Fabrik betreibt«, kommentiert HanneloreElze die Show. Vieles ist aufgemotzte Fassade,hinter der sich eine zweite Wirklichkeit ver-birgt. So wie das Vorzeigeprojekt Ökopark

    Internationales

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    Alufabriken in Brasilien

    Metallerin Hannelore Elze in Brasilien: »Als wä-ren wir in einer Landkommune«

    Aluminiumwerk Alunorte in Brasilien: Lieber Strafe als Gefahrenzulage gezahlt

    Den Multis auf dieFinger schauen

    5_18_19_apm_neu.qxp:18_19 19.04.2007 20:53 Uhr Seite 18

  • beit. In diesem Raum des Glücks dürfen wirnatürlich keine Unfälle zulassen«, erläuterter die Arbeitsschutzphilosophie.

    »Was für ein autoritärer Laden. Gleichzei-tig weigern sie sich mit den Gewerkschaftengemeinsam ein Arbeitsschutzkonzept zuerarbeiten«, brummt Hydro-Konzern -betriebsratsvorsitzender Peter Camin.

    »Raum des Glücks«: Für José Maria klingtdas wie Hohn. Die Arbeiter kommen scha-renweise zu ihm ins Gewerkschaftshaus, da-mit er etwas unternimmt gegen das neue,feste Schichtsystem. Viele Arbeiter malochenseit der Einführung des neuen Schichtsys-tems nur noch nachts. Die Ehen kriseln, dasFamilienleben leidet.

    »Für uns ist es unvorstellbar, ein Schicht-system ohne Arbeitnehmer-Mitwirkung an-zuordnen und fürs Unternehmen ist das mitSicherheit kein Vorteil«, vermitteln die deut-schen Betriebsräte. Sie machen sich hier zuFürsprechern kooperativer Arbeitsbeziehun-gen. Die Betriebsräte betonen, dass es allennützt, wenn die Gewerkschaften als Verhand-

    Neulinge aus dem Personalbereich. »Warumkommt unser Gewerkschaftskollege ManoelPaiva nicht ins Werk«, fragen die deutschen Be-triebsräte, »er hat die Hälfte der Belegschaft or-ganisiert, er macht die Tarifverhandlungen.«Paiva hält seinen Werksausweis hoch und allesehen, es fehlt die Kennung. Die Vertreter desManagements reagieren betreten und sagen, eshandele sich um ein »technisches Versehen«.

    Das »Versehen« machte Hannelore Elze aufder jüngsten Aufsichtssitzung zum Thema unddabei klar, dass hier ein Bruch der Kernarbeits-normen der ILO vorliegt. Das Norsk-Hydro-Management reagierte betroffen. VorstandSven Rickard Brandzaeg versicherte, man wol-le daraufhin wirken, dass »das Managementvor Ort mit den gewählten Gewerkschaftsver-tretern konstruktiv zusammenarbeitet«.

    Nicht lange nach dem Besuch der deut-schen Delegation schickt Paiva an alle deut-schen Companheiros eine überschwänglicheE-Mail: Er hat einen ordentlichen Tarifvertragerhalten mit regulären Verhandlungsfristen.7

    Cornelia Girndt

    lungspartner anerkannt und nicht ausge-grenzt werden.

    Genau daran arbeiten seit sechs JahrenManfred Brinkmann vom DGB-Bildungs-werk und das vom DGB mitfinanzierte brasi-lianische »Observatorio social«. Sie versor-gen die noch jungen Gewerkschaften in dendrei Aluminiumfabriken und der Bauxitmine

    mit Know-how und vernetzen sie – auch in-ternational. Eine globale Schiene kann auchdie Mitbestimmung im Aufsichtsrat sein. Daserlebt die deutsche Delegation zwei Flug-stunden nördlich im Amazonasdelta, beiAlunorte. Über die Werkserweiterung dieserweltgrößten Aluminiumoxidfabrik haben Elze und drei Betriebsräte im Aufsichtsrat derHydro Aluminium Deutschland mitent-schieden, weil Norsk Hydro an Alunorte be-teiligt ist – einem der rentabelsten Werke deshalbstaatlichen norwegischen Konzerns.

    »Wie? Ihr habt in Deutschland über die Kapazitätserhöhung von Alunorte mitent-schieden? Und wir müssen vor den Fabrikto-ren auf dem Lkw stehen, um die Arbeiter zu er-reichen«, faucht Manoel Paiva, Chef des Sindi-catos dos Quimicos, der Chemiegewerkschaftvon Barcarena, mit heiserer Stimme.

    Die Deutschen werden in einem verschlos-senen Bus über das riesige Werksgelände ge-fahren. Der Vorstand lässt sich entschuldigen,nur der technische Direktor ist da und zwei

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    »Gut dass ihr da seid. Wir braucheneure Unterstützung.«

    Gewerkschafter Manoel Paiva: »Aus Versehen«nicht ins Werk

    Brasilianische Alu-Arbeiter:Seit der Einführung eines neuenSchichtsystems malochen vieleArbeiter nur noch nachts

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    5_18_19_apm_neu.qxp:18_19 19.04.2007 20:53 Uhr Seite 19

  • 20 metall 5/2007

    Lieferungen gehen ins Ausland, zum Beispielnach Südamerika, Russland oder die Ukraine.Die 400 Beschäftigten schieben regelmäßigÜberstunden, und so geht es derzeit vielenBelegschaften in der Branche. Viele Unterneh-men arbeiten an ihrer Auslastungsgrenze.

    Denn der Maschinenbau erlebt sein viertesRekordjahr in Folge. Die Stimmung ist bes -tens, die Auftragsbücher mit Bestellungen aus

    Der deutsche Maschinenbau steht glänzend da und erlebt die beste Konjunktur seit 30 Jahren. Viele Firmen sind bis unters Dachausgelastet und Technologieführer auf ihrem Gebiet. Die Brancheist international in hohem Maße wettbewerbsfähig.

    Gute Branchenkonjunktur

    Der Maschinenbau hat seine Prognosen fürdas laufende Jahr nach oben korrigiert undwill wieder mehr Leute einstellen

    Maschinenbau

    dem In- und Ausland sind voll. Die Beschäftigten erbringen Höchstleistungen.Allein 2006 legte die Produktion um 7,4 Pro-zent zu, auf den Rekordwert 159 MilliardenEuro. Die Unternehmen sind mit 92 Prozentmehr als gut ausgelastet. »Bei der hervorra-genden Auslastung geht schon der Kalauerum: Kunde droht mit Auftrag«, sagte der ErsteVorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, aufeiner Maschinenbaukonferenz in Mannheim.

    Der nächste Rekord ist bereits in Sicht. Für2007 rechnet der Branchenverband VDMAmit einem Anstieg der Produktion von vierProzent und mehr. Auch 2008 soll es so wei-tergehen. Das ist die längste Wachstumsphaseseit 30 Jahren. Gestützt wird die Branchen-konjunktur vor allem durch den Export, derum 15 Prozent zulegte. Die neuen Wachs-tumsmärkte sind China, Russland und Indien.

    Endlich wieder mehr ArbeitsplätzeNach Jahren des Beschäftigungsabbaus wur-den 2006 über 20 000 neue Stellen geschaf-fen. Für 2007 rechnet der VDMA mit 10 000weiteren Stellen. Allerdings werden auch im-mer mehr Leiharbeitskräfte eingesetzt. Betrie-be mit einem Anteil der Leiharbeit von zehnbis 20 Prozent sind im Maschinenbau keineSeltenheit mehr. »Leiharbeit frisst sich immerweiter in unsere Normalarbeitsplätze hin-ein«, warnt der Zweite Vorsitzende der IG Me-tall Berthold Huber.

    Der deutsche Maschinenbau ist vor denUSA der führende Anbieter im Welthandel,gefolgt von China und Frankreich. Sorgen be-reitet dabei die Zunahme von Plagiaten. DreiViertel aller kopierten Produkte stammen ausChina. Die Branche ist stark mittelständischgeprägt. 70 Prozent der knapp 6000 Unter-nehmen haben weniger als 100 Beschäftigte.Der Maschinenbau ist noch vor der Automo-bilindustrie der größte industrielle Arbeitge-ber mit rund 900 000 Beschäftigten. Er um-fasst ein breites Spektrum, angefangen vomGroßanlagenbau über Baumaschinen, Indus-triearmaturen bis hin zu Landmaschinen.

    ir können uns zur Zeit kaum vorAufträgen retten«, sagt JosefHouben. »Um die Arbeit zu be-

    wältigen, fahren wir 17 Schichten in der Wo-che, von Sonntag- abend bis Samstagmittag.Der Laden brummt.« Houben ist Betriebs-ratsvorsitzender der Firma Sempell AG inKorschenbroich. Das Unternehmen stellt In-dustriearmaturen für Kraftwerke her. Viele

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    Nächster Rekord in Sicht

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    5_20_21_neu_apm.qxp:10_20_21_Report 19.04.2007 21:22 Uhr Seite 20

  • metall 5/2007

    Maschinenbau

    Als internationaler Technologieführer gilt derWerkzeugmaschinenbau mit regionalenSchwerpunkten in Baden Württemberg,Nordrheinwestfalen und Bayern. Viele Bran-chen, zuallererst die Automobilindustrie undihre Zulieferer sind die Hauptkunden desWerkzeugmaschinenbaus. Die Gesamtbran-che gliedert sich in 40 Teilbranchen. In 17Teilbranchen behauptet sich Deutschland aufdem ersten Platz, in weiteren sechs Teilbran-chen besetzt Deutschland Platz 2.

    Der größte Teil der Maschinenbauunter-nehmen befindet sich noch in Familienbesitz.Doch das Shareholder-Value-Denken sickertimmer mehr in den deutschen Maschinen-bau ein. Angelsächsische Privat-Equity-Gesellschaften machen sich in dieser Branchebreit und übernehmen Firmen wie beispiels-weise IWKA. Auch Verlagerungen ins Auslandaus Kostengründen haben bereits stattgefun-den. Nach Ansicht des VDMA ist der Trend insAusland jedoch vorerst gebremst. Der Stand-ort Deutschland mit seinen Vorteilen wird vonden Unternehmen wieder geschätzt.

    Ein großes Problem ist inzwischen derMangel an Ingenieuren und Facharbeitern.»Wir finden für unser Unternehmen keinenZerspaner mehr«, berichtet etwa NorbertSchulze, Gesamtbetriebsratsvorsitzender desPflugherstellers Lemken. Im Kraftwerksbauund fast allen anderen Teilbranchen werdenhänderingend Mitarbeiter gesucht. Dabeisinkt auch noch die betriebliche Ausbildung.Manche Unternehmen, die Kosten einsparenwollen, reduzieren ihre Ausbildungskapazitä-ten und schneiden sich so ins eigene Fleisch.Erst langsam setzt sich die Einsicht durch, dasswieder mehr betrieblich ausgebildet und dasMaschinenbaustudium attraktiver werdenmuss.

    Innovationsfeld UmweltZukunftschancen für den deutschen Ma-schinenbau liegen in der Bewältigung vonUmweltproblemen. Durch bessere Motoren,höhere Wirkungsgrade von Kraftwerkenund Recycling können Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. »Durcheffizienten Materialeinsatz und verbesserteProduktionsprozesse lassen sich Kosten spa-ren, ohne auf die Löhne zurückzugreifen«,sagt IG Metall-Vorstandsmitglied WolfgangRhode. Eine der Stellschrauben in diesemProzess ist die Qualifizierung der Beschäf-tigten. Denn nur mit gut ausgebildeten undmotivierten Belegschaften lässt sich dieTechnologieführerschaft deutscher Maschi-nenbauunternehmen auf Dauer halten.7

    Martina Helmerich

    metall: Welche Bedeutung hat der Energie-anlagenbau in Deutschland? Ralf Löckener: Rund 30 000 Beschäftigte arbeiten im Kraftwerksanlagenbau. Dazukommen die Zulieferer für Komponentenwie Armaturen, Pumpen und Steuerungen.Insgesamt dürfte der Kraftwerksbau rund100 000 Beschäftigte zählen. Die Aussich-ten sind sehr gut: Weltweit steigt derStrombedarf, in Deutschland müssen vielealte Kraftwerke ersetzt werden.

    metall: Was heißt das für Belegschaften?Löckener: Die Stammbelegschaften müs-sen derzeit ziemlich ranklotzen. Die Auf-tragsflut ist kaum zu bewältigen. DennFacharbeiter und gut ausgebildete Inge-nieure sind Mangelware. Im Moment kön-nen viele Stellen nicht besetzt werden. Sosind viele Betriebe augenblicklich überla-stet – Überstunden sind die Folge.

    metall: Wie bedeutend ist der Export?Löckener: Unsere Industrie ist neben denUSA und Japan weltweit führend in derKraftwerkstechnik, und ausländische Märk-te spielen eine sehr große Rolle. Das galt inden letzten Jahren umso mehr, als inDeutschland kaum neue Anlagen gebautwurden.

    metall: Wie führend sind deutsche Anlagen-bauer bei der Energieeffizienz? Löckener: Kraftwerke und Kraftwerkskompo-nenten aus Deutschland gehören zu den ef-fektivsten Anlagen weltweit. Auch bei der Ent-wicklung von CO2-armen Kohlekraftwerkenist Deutschland führend. Außerdem profitiertunsere Industrie heute von der Förderung, dieder Einsatz alternativer Energietechnologienbei uns bereits sehr früh erfahren hat.

    metall: Welche Zukunft hat ökologischeEnergietechnik »made in Germany«? Löckener: Alternative Technologien wieWindkraftanlagen und zukünftig auch Geo-thermie- und Solarthermie-Kraftwerke wer-den weltweit immer wichtiger. DeutscheHersteller sind bei diesen Technologienganz vorne. Wachsender Strombedarf, bes-serer Klimaschutz und heutige Kraftwerk-stechnik passen nicht zusammen. Deshalbsind Innovationen nötig – das ist gleichzei-tig Chance und Herausforderung.7

    Energieerzeugung ist ein Wachstums-markt mit großen Chancen für deutscheHersteller. metall sprach mit Ralf Löckener von Sustain Consult

    »Ziemlich ranklotzen«

    Teilbranche Energieanlagen

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    Konjunkturmotor

    Quelle:VDMA, Statistisches Bundesamt

    – Produktion in Milliarden Euro –

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    159,0

    Gesamtzahlen mit Exportanteil (rot)

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    Ralf Löckener, Sustain Consult,Beratungsgesellschaft für nach-haltige Wirtschaftsentwicklung

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    2003 2004 2005 2006

    5_20_21_neu_apm.qxp:10_20_21_Report 19.04.2007 21:22 Uhr Seite 21

  • In den 14 Jahren seitseinem Rücktritt hatteFranz Steinkühler, derfrühere Vorsitzendeder IG Metall, viel Zeitzum Nachdenken. Aufseine Memoiren wärenviele neugierig, aberstatt Bücher zu schrei-ben, liest er sie lieber.In der Rückschau aufsein bewegtes Lebenüberwiegt für ihn dasPositive: »Die IG Me-tall hat mir viel gege-ben, was ich sonst nieerreicht hätte.«

    metall 5/2007

    Leserbriefe

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    angeht. Sie fordern jedoch,wenn sie krank werden, dassdie Allgemeinheit für ihre Ge-nesung aufkommen muss. Diewirklich Leid tragenden in die-sem System sind wieder diechronisch Kranken.Martin B. Schwarz, Sindelsdorf

    Leser aktiv beteiligen metall 4/2007: Leserpost

    3Ich finde euren Wettbe-werb eine tolle Idee. Es istsehr schön, dass sichmetall-Leser aktiv an ihrer Zei-tung beteiligen können, auchwenn es »nur« ein paar Bildersind. Überhaupt sollte manprobieren unsere Mitgliederstärker in die Gestaltung miteinzubeziehen. Warum machtman nicht mal einen Schreib-,Mal- oder Bastelwettbewerb?Werner Rauch, Mossburg

    3Alle reden immer nur über dieRente mit 67, und die mit 70 wirdauch noch kommen. Ich weiß garnicht, wie das gehen soll. Ich warschon mit 60 so krank und kaputt,dass ich in Rente gehen musste. Heinz Wiechert, Goch

    3Die Stimme des Volkes wird ersthörbar, wenn das Volk etwassagt,und das nicht nur abends imFernsehsessel. Gehört werden wirerst, wenn alle die Arbeit hinlegenund auf die Straße gehen. So wie esLänder wie Frankreich, Spanienund Italien vormachen.Michael Leden. Fulda

    3Ich bin etwas enttäuscht. MeinerMeinung nach wurde zu wenigund zu spät was getan.Gerhard Schuster, Saarbrücken

    3Was ist das für eine verkehrteWelt. Da gehen hunderttausendMetaller gemeinsam mit anderenGewerkschaftskollegen auf dieStraße, um gegen die Rente mit 67zu demonstrieren. Während Ar-beitnehmerinnen u nd Arbeitneh-mer um ihre Rechte kämpfen, ge-stalten und verantworten haupt-amtliche Gewerkschaftssekretärein ihrer zweiten bezahlten Funkti-on als Abgeordnete des DeutschenBundestags an vorderster Stelle dieRentenkürzungen und setzen siein ihren Fraktionen durch. Das

    heißt, Tausende riskieren ihren Ar-beitsplatz, während sich anderedoppelt und dreifach auf Kostender Gewerkschaftsmitglieder ab-sichern.Jürgen Jentsch, Gütersloh

    Leidtragende des Systemsmetall 4/2007: Wahltarife bei Kran-kenkassen

    3Es gibt Leute, die sich nicht ge-sundheitsbewusst verhalten, zu-viel oder das Falsche essen, über-mäßig Alkohol trinken, rauchenoder gefährliche Sportarten un-vernünftig ausüben. Die meistendieser Leute sind auch noch derMeinung, dass das niemand was

    Gehört werden wir erst, wennalle die Arbeit hinlegen

    Metaller bei der Abstimmung im Bundestag: Verkehrte Welt

    metall 4/2007: Rente mit 67 – Sowurde abgestimmt

    Herausgeber: Jürgen Peters, BertholdHuber, Bertin Eichler

    Anschrift: metall-RedaktionWilhelm-Leuschner-Straße 7960329 Frankfurt am MainTelefon 069–66 93-24 45, Fax 0 69–66 93-80-2000E-Mail: [email protected]

    Redaktionsleiter: Werner Hoffmann(verantwortlich im Sinne des Presserechts)

    Chefin vom Dienst: Susanne Rohmund

    Redaktion: Fritz Arndt, Martina Helme-rich, Sylvia Koppelberg, Fabienne Mel-zer, Antonela Pelivan, Gabriele Prein

    Gestaltung: Gudrun WichelhausBildredaktion: Michael Schinke

    Sekretariat: Birgit Büchner

    Internet: www.igmetall.de/metall

    Anzeigen: Patricia SchledzTelefon 061 51–81 27-0,Fax 0 61 51–89 30 98 E-Mail: [email protected]

    Vertrieb: Reinhold WeißmannTelefon 069–66 93-22 24, Fax 0 69–66 93-25 38E-Mail: [email protected]

    metall erscheint monatlich (zehnMal im Jahr). Für Mitglieder derIG Metall ist der Bezug imBeitrag enthalten.Druck: apm AG,Darmstadt.

    Für SehbehinderteAngebot für sehbehinderte und blinde Mitglieder: metall gibt es als Word- oderpdf-Datei. Bestellung an: [email protected]

    metall Das Monatsmagazin der IG Metall

    E-Mail: [email protected] Redaktion behält sich vor, Leser -briefe zu kürzen. Leserbriefe können nur bei Angabe der Adresse veröffentlicht werden. Die vollständige metall-Ausgabe stehtauch im Internet.

    Impressum

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    5_22_23_apm.qxp:22_23 19.04.2007 21:06 Uhr Seite 22

  • 23

    »Ich werde immer einer bleiben, dessenPulsschlag ein ganz klein wenig schnel-ler geht, wenn er den Satz sagt: Ich binein Metaller.«

    wird Arbeitsvorbereiter, und findet sich baldauf einer »schwarzen Liste« der GöppingerArbeitgeber: Sie wollen den aufmüpfigenjungen Mann nicht in ihrem Betrieb. WillyBleicher, der legendäre Bezirksleiter in Stutt-gart, der Nazi-Verfolgung und KZ überlebthatte, ebnet ihm da den Weg als hauptamtli-cher Metaller. Bleichers Lehre ist hart. Bei ei-ner großen Versammlung etwa angelt er sei-nem jungen Tarifsekretär das gut vorbereite-te Redemanuskript vom Pult – ein Gewerk-schafter muss frei reden können. Nach einpaar Schrecksekunden fängt sich Steinkühlerund spricht ohne Vorlage – so wie er es spä-ter fast immer tun wird.

    Sein Gesellenstück ist der Streik um denLohnrahmentarifvertrag II, der Akkordarbei-tern bessere Arbeitsbedingungen garantiert.Die »Steinkühler«-Pause – fünf Minuten Er-holzeit pro Stunde – ist den Arbeitgebernlängst ein Dorn im Auge, aber für Bandarbei-ter gilt sie noch immer. Als 1984 für die 35-Stunden-Woche gestreikt wird, ist er schonnicht mehr vor Ort in Baden-Württemberg.

    r war als gnadenloser Frühaufstehergefürchtet. Seine Bürobesprechun-gen wurden für 8 Uhr anberaumt,

    und das bedeutete, um 8 Uhr da zu sein,nicht erst anzukommen. Pünktlichkeit – ei-ne Marotte? »Das ist meine Einstellung zurArbeit«, sagt Franz Steinkühler. »Wenn icheinen Termin habe, rechne ich ein, dass es ei-nen Stau auf der Autobahn geben kann. Staussind keine Ausrede.« Pünktlichkeit gehörtnoch immer zu seinen Tugenden; in anderenDingen ist er nicht mehr so rigide, wie er esfrüher häufig war. Als Gewerkschaftssekretärin Schwäbisch-Gmünd, als Bezirksleiter inStuttgart, als Zweiter und schließlich ab1986 als Erster Vorsitzender der IG Metall. Inden Zeiten nahm er übel, als ein wichtigerMitarbeiter bat, zu Hause arbeiten zu kön-nen – der Familie zuliebe. Heute hat er mehrVerständnis für solche Lebensentwürfe.

    Sein Weg in der IG Metall: eine Bilder-buchkarriere. Während der Lehre als Werk-zeugmacher wird er Mitglied, bald Jugend-vertreter und Betriebsrat. Er bildet sich fort,

    Als Zweiter Vorsitzender setzt er seine Unter-schrift unter den abschließenden Tarifver-trag zur Arbeitszeitverkürzung. Es kommengute Jahre für die IG Metall. Die Mitglieder-kurve geht nach oben, die Arbeitslosigkeit istnoch nicht so drückend wie wenig später.Steinkühler sagt, nicht jeder neue Arbeits-platz müsse in Deutschland entstehen – undbekommt Beifall dafür. Er hat sich, aus derEnge der deutschen Provinz kommend, im-mer als Internationalist gefühlt. Südafrikaliegt ihm am Herzen. Die Arbeiter im dama-ligen Apartheidstaat sollen in deutschenKonzernen die gleichen Bedingungen habenwie ihre Kollegen hier. Steinkühler treibt dieEinführung von Mindeststandards im süd-afrikanischen Arbeitsrecht voran.

    Der Zusammenbruch der DDR bringtneue Herausforderungen und für die IG Me-tall ungeahnte Chancen und Risiken. Fast eine Million neue Mitglieder, aber auch denAufbau neuer Strukturen, das Erkunden völ-lig neuer Umstände. An »blühende Land-schaften« glaubt Steinkühler nie. Eher an ei-ne langsame, schwierige Angleichung derLebensverhältnisse. Eben darum geht es imStreik im Mai 1993 in Brandenburg undSachsen. Mittenhinein platzt der Vorwurf,Franz Steinkühler habe sein Insiderwissenals Aufsichtsratsmitglied bei Daimler ge-nutzt und sich durch Aktienkäufe bereichert.

    Was folgt, ist ein Drama – für die IG Metallund ihren Vorsitzenden, der so unangefoch-ten an der Spitze stand. Nach drei Tagen einsa-men Nachdenkens gibt er seine Ämter ab,»um weiteren Schaden abzuwenden«. Heutesieht er die Dinge anders: »Ich glaube, ichwürde nicht mehr zurücktreten.« Trotz seinesunbestrittenen Fehlverhaltens traf er nachkurzer Zeit auf viel Zuspruch – von Beleg-schaften, die ihn einladen, von Betriebsrätenund Hauptamtlichen, die ihn um Rat fragen.Noch immer ist er häufig unterwegs, kenntdie IG Metall wie seine Westentasche. Zur Ge-lassenheit von heute allerdings führtenschlaflose Nächte, Vorwürfe und Selbstzwei-fel. Der Fall vom höchsten Tempo zurück aufNull war fast mehr, als man verkraften kann.Viel Neues war zu lernen: vom Einkaufen undParkplatzsuchen ohne den gewohnten Fahrerbis zum Erkennen der richtigen und der fal-schen Freunde. Franz Steinkühler hat wie im-mer rasch gelernt. Am 20. Mai feiert der frü-here Erste Vorsitzende der IG Metall (»derbeste Job der Welt«) seinen 70. Geburtstag.7

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    Porträt

    Zu Besuch bei

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    5_22_23_apm.qxp:22_23 19.04.2007 21:06 Uhr Seite 23

  • undesweit sind inzwischen rund600000 Menschen als Zeitarbeitneh-mer beschäftigt. Zwei Drittel davon

    alleine in der Metallindustrie. Die Begriffe,die im Zusammenhang mit der Arbeitneh-merüberlassung verwendet werden, sindoft irreführend. In der Regel spricht manvon Zeitarbeit oder Leiharbeit.

    In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wird esfür viele Menschen immer schwerer, einesozialversicherungspflichtige Beschäfti-gung zu finden. Die Lage am Arbeitsmarktzwingt mittlerweile auch Hochqualifiziertein die Leiharbeit. Über drei Viertel der Leih-arbeitnehmer haben heute eine abgeschlos-sene Berufsausbildung oder einen Hoch-schulabschluss. Ursprünglich war die so ge-nannte Zeitarbeit dazu gedacht, kurzfristigeAuftragsschwankungen in Betrieben flexibelauszugleichen. Heute verdrängt Leiharbeitzunehmend reguläre Jobs. In den Hambur-ger Werften beispielsweise sind rund 50 Pro-zent der Beschäftigten Leiharbeitnehmer.Die IG Metall verurteilt diese Entwicklung

    metall 5/2007

    Sie heißen Adecco, Randstad,Manpower oder anders. Gemeintsind Zeitarbeitsfirmen, die davonleben, Arbeitskräfte gegen Bezahlung einem anderen Betriebzu überlassen: Die so genanntenZeit- oder Leiharbeiter. Sie sindkeine Arbeitnehmer zweiterKlasse. Auch sie haben Rechte.

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    und warnt vor einer Spaltung der Belegschaf-ten in eine Zweiklassengesellschaft. Leihar-beitnehmer haben Rechte, von denen sie ent-weder gar nichts wissen oder aus Angst umden Arbeitsplatz keinen Gebrauch machen.

    Arbeitsverhältnis und -bedingungenEin Arbeitsverhältnis besteht nur zwischen derZeitarbeitsfirma (Verleiher) und dem Arbeit-nehmer. Die »Verleiher« überlassen vorüber-gehend einen Arbeitnehmer einem anderenUnternehmen (Entleiher) zu Arbeitsleistun-gen. Geschieht dies gewerbsmäßig, gelten dieRegelungen des Arbeitnehmerüberlassungs-gesetzes (AÜG). Der Entleiher muss Leihar-beitbehmerinnen und Leiharbeitnehmernüber die im Betrieb geltenden Arbeitsbedin-gungen unterrichten. Diese dürfen sich nichtvon den Bedingungen der Stammbelegschaftunterscheiden. Beschäftigte müssen über ihreArbeitsaufgaben und Verantwortung, Art derTätigkeit und Einordnung in den Betriebsab-lauf sowie über Veränderungen des Arbeitsbe-reichs unterrichtet werden. Das gilt auch für

    die Sicherheit und den Gesundheitsschutz beider Arbeit. Während eines Einsatzes ist nichtnur der Zeitarbeitgeber, sondern auch dieKundenfirma weisungsbefugt. Sie erteilt dieArbeitsaufträge. Seit 2003 sind Verleihfirmengesetzlich verpflichtet, ihren Beschäftigtenab dem ersten Tag das gleiche Entgelt zu zah-len, wie vergleichbaren Stammbeschäftig-ten. Es gilt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.Doch viele Zeitarbeitsfirmen halten sichnicht daran.

    Die BezahlungUnd: Viele haben mit den so genannten»christlichen« Gewerkschaften Tarifverträgeauf niedrigstem Niveau abgeschlossen. DieIG Metall spricht hier von »Schein-Tarifver-trägen«. Um dem entgegenzuwirken, habendie DGB-Gewerkschaften im Jahre 2004 mitdem Interessenverband Deutscher Zeitar-beitsunternehmen (iGZ) und dem Bundes-verband Zeitarbeit (BZA) einen Flächenta-rifvertrag abgeschlossen. Auf Basis einer 35-Stunden-Woche müssen im Westen mindes-

    B

    Leiharbeit

    Rechte kennen –Rechte nutzen

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    tens 7,15 Euro, im Osten 6,22 Euro Stun-denentgelt gezahlt werden. Facharbeit istmindestens 10,20 Euro (West) oder 8,82Euro (Ost) wert. Bei höheren Anforderun-gen gibt es mehr. Nach dem BZA-Tarifver-trag West bis zu 16,69 Euro die Stunde. Zu-schläge für Mehr-, Nacht- oder Wochenend-arbeit werden extra bezahlt.

    Nach sechs Monaten Beschäftigung bei derZeitarbeitsfirma besteht Anspruch auf zusätz-liches Urlaubs- und Weihnachtsgeld von je150 Euro. Die Jahressonderzahlungen erhö-hen sich im dritten und vierten Jahr auf je 200Euro und ab dem fünften Jahr auf je 300 Euro.

    Schutz- und ArbeitsmittelWenn Schutzmittel, wie Brille, Helm, Schu-he oder Ohrstöpsel erforderlich sind, müs-sen diese vom Leiharbeitsunternehmen ge-stellt werden. Üblicherweise werden dieseMittel aber vom Betrieb gestellt, in dem einLeiharbeitnehmer eingesetzt wird. Gleichesgilt für Arbeitsmittel, wie Werkzeug oder PC.Ob Schutz- oder Arbeitsmittel: Die anfallen-den Kosten müssen nicht vom Leiharbeit-nehmer getragen werden. Arbeitsverträgemit solchen Klauseln sind nicht zulässig.

    Die Einsatz- und ArbeitszeitenDer Einsatz im Kundenbetrieb darf seit 2003auf unbestimmte Dauer erfolgen. In der Regelmüssen die täglichen Arbeitszeiten auf einemStundenzettel aufgeschrieben und von derKundenfirma abgezeichnet werden. Wichtig:Bevor die Meldungen an den Arbeitgeberübermittelt werden, eine Kopie von dem un-terschriebenen Exemplar machen. So kannam Monatsende kontrolliert werden, ob dieZeit richtig abgerechnet wurde.

    Krankheit oder UrlaubKrankheit muss sofort gemeldet werden. DasBeste: sofort zum Arzt, um eine Arbeitsunfä-higkeitsbescheinigung vorlegen zu können.Parallel auch die Kundenfirma informieren.Sechs Wochen volle Lohnfortzahlung imKrankheitsfall gilt auch für Leiharbeitnehmer.

    Im ersten Beschäftigungsjahr gibt es 24Arbeitstage Urlaub. Dieser muss schriftlichbei der Zeitarbeitsfirma beantragt werden.Erst wenn dieser schriftlich bestätigt wird,darf man in Urlaub gehen.

    Betriebsrat, Warnstreik, StreikLeiharbeitnehmer dürfen die Sprechstundendes Betriebsrats aufsuchen und an Betriebs-versammlungen teilnehmen. Wer über dreiMonate in einem Betrieb eingesetzt ist, darfan Betriebsratswahlen teilnehmen und sichin den Betriebsrat wählen lassen.

    Und: Leiharbeitnehmer müssen sich nichtals Streikbrecher missbrauchen lassen. Siekönnen die Arbeit im bestreikten Betriebverweigern und bekommen Lohnfortzah-lung, und zwar solange, bis der Verleiher ei-ne Arbeit in einem anderen Betrieb anbie-tet.7

    Antonela Pelivan / Dirk Erb

    3www.igmetall-zoom.de ist ein Angebotder IG Metall, das Leiharbeitnehmerinnenund Leiharbeitnehmern die Möglichkeit zurVernetzung bieten soll. Unter dieser Adres-se gibt es Informationen zum Thema Leihar-beit, zum Beispiel über Arbeits- und Tarif-verträge oder Betriebsvereinbarungen. Ne-ben der Kommunikation steht das NetzwerkArbeitnehmern auch bei Fragen rund umZeitarbeit zur Verfügung. Einfach eine E-Mail an [email protected] senden.Zoom steht für »Zeitarb