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Methoden der qualitativen Sozialforschung Blockseminar TU Chemnitz Professur Soziologie des Raumes Sommersemester 2008 Durchführung: Dipl.-Soz. Ronny Reißmüller

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Methoden der qualitativen Sozialforschung

BlockseminarTU Chemnitz Professur Soziologie des RaumesSommersemester 2008

Durchführung: Dipl.-Soz. Ronny Reißmüller

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kurzer Rückblick

Was wissen wir von gestern ? wer wir sind was unter einer Methode zu verstehen ist wie ein Forschungsprozess in der empirischen SF

idealtypisch abläuft welche Grundannahmen & Merkmale die qualitative

Forschungspraxis auszeichnen was ein qualitatives Interview ist warum Interviews besondere Anforderungen an die

Rolle des Interviewers stellt

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Programm für heute

Fs. Referat Interviewen als Tätigkeit kurze Einführung in die lokale Ökonomie Anwendungsbeispiel I: Das leitfadengestützte Interview Leitfragen für diese Sitzung: - Was ist das Anliegen leitfadengest. Interviews ? - Wie stelle ich mein Sample zusammen ? - Wie stelle ich den Feldzugang/Kontakt her ? - Was ist und wie erstelle ich einen Leitfaden ?

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Einführung lokale Ökonomie I

hier verstanden als lokal verankerte Ökonomie (Läpple 2005) = Stadtteil- und Quartiersbetriebe

v. a. Einzelhandel, Gastronomie, einfache DL, HW

Ausgangspunkt: Globalisierung vs. Lokalisierung Schwerpunkt kommunale Wirtschaftsförderung:

weltmarkt-/technologieorientierte Wirtschaftsfelder lokale Ökonomie schafft die meisten Arbeitsplätze lokale Ökonomie hat die engste Standortbindung

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Einführung lokale Ökonomie II

Einrichtungen der lokalen Ökonomie als Ressource der Stadtteilentwicklung

kann entscheidend zur Stabilisierung gerade benachteiligter Stadtteile beitragen

Stärkung wichtiger Bestandteil lokal orientierter Förderprogramme (z.B. ‚Soziale Stadt‘; EFRE)

soll Beiträge liefern, als ‚endogenes Potential‘ die Position benachteiligter Stadtteile zu verbessern

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Einführung lokale Ökonomie III

Funktionen der lokalen Ökonomie in den Stadtteilen bzw. Quartieren:

Beschäftigungsfunktion (Arbeitsplätze) Ausbildungsfunktion (Ausbildungsplätze) Versorgungsfunktion (wohnungsnah !) Aufwertungsfunktion (Investitionen) Kommunikationsfunktion (Begegnung) …

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Das leitfadengestützte Interview

Was ist das ?

- häufig praktizierte Form des qualitativen

Interviews

- Erhebungsinstrument: Leitfaden

- Beschränkung auf wenige Leitfragen statt

Durchgehen eines vollstandardisierten

Frage-Antwort-Kataloges !

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leitfadengestütztes Interview: Kernidee

der Interviewpartner kann und soll in selbst gewählten Formulierungen antworten

der Interviewpartner kann seine – auch widersprüchlichen - Meinungen, Erfahrungen, Gedanken… frei artikulieren

der Interviewpartner kann weitgehend selbst darüber entscheiden, wie ausführlich er auf einzelne Aspekte eingehen will

(vgl. Hopf 2004)

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leitfadengestütztes Interview: Anwendungsbereiche

bei explorativ ausgerichteten Studien

(Theoriebildung & -entdeckung) bei komplexen Fragestellungen bei lebensweltbezogenen Fragestellungen

(persönliche Erfahrungen, Meinungen…) zur Vorbereitung quantitativer Untersuchungen (z.B.

standardisierter Befragungen mit großer Fallzahl) zur Begleitung quantitativer Untersuchungen

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leitfadengestütztes Interview: Etappen der Umsetzung

1. Spezifizierung der Forschungsfrage2. Fallauswahl (Sampling)3. Organisation Feldzugang; Kontaktaufnahme4. Erstellung eines LF

nächsten Freitag: 5. Erprobung & Anpassung des LF6. Durchführung der Interviews7. Dokumentation & Aufbereitung der verbalen Daten

für die Auswertung

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Spezifizieren der Forschungsfrage

bedeutet hier: Forschungsfrage für Interviewkontext entwickeln

sich vorher vergewissern: Was ist mein Untersuchungsgegenstand ? Was ist die zentrale Fragestellung meiner geplanten

Untersuchung ? Inwieweit sollen die LF-Interviews mir dabei helfen ? Welchen Stellenwert nehmen die LF-Interviews in meinem

Forschungsdesign ein ? In welcher Phase meines Forschungsprozesses verwende ich

LF-Interviews ?

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Spezifizieren der Forschungsfrage

- Voraussetzung: umfangreiches Vorwissen zum Untersuchungsgegenstand- Ziel: erarbeitetes Wissen in Interviewinhalte bzw. in die Gestaltung der Interviewsituation transformieren das heißt: Umwandlung allgemeiner Forschungs- Fragen in konkrete Interview-Fragen - unser Beispiel: Situation der Gewerbetreibenden im Stadtteil und ihre Verankerung im lokalen Kontext

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Zur Stichprobe

Wer soll befragt werden ?

Zahl der durchgeführten Interviews = Umfang der Stichprobe Ziel ist nicht statistische Repräsentativität, aber

Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse wird dennoch angestrebt

deshalb: Stichprobe sollte heterogen sein, aber v.a. typische/charakteristische Fälle umfassen

bewusste Auswahl, nicht nach Zufallsprinzip

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Auswahl der Fälle (Sampling) I

bedeutet hier: potentielle Interviewpartner auswählen

nicht große Fallzahlen, sondern Auswahl (zunächst unterstellter) typischer Fälle

enge Fassung der Stichprobe, aber breite Variation innerhalb der Gruppe

Zusammenstellung des Samples nach theoretischen Gesichtspunkten:

- theoretical sampling vs. statistical sampling - Sampling auch während des laufenden Forschungsprozesses bis zur theoretischen Sättigung = Stichprobe wird sukzessive aufgebaut !

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Auswahl der Fälle II

Auswahlverfahren: theoretical sampling Verzicht auf vorab definierten Auswahlplan Wahl der ersten Fälle aufgrund von

Vorkenntnissen/Erfahrungen weitere Auswahlentscheidungen finden während der

laufenden Datenerhebung statt Grund: empirisch begründete Theorie fehlt zu Beginn

– Analyse der ersten Fälle bringen klarere Auswahlkriterien – sukzessive Sample-Optimierung

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Auswahl der Fälle III

Bestimmung des Samples = wichtige Entscheidungen treffen

zu stellende Fragen: Wer soll interviewt werden (die Zielgruppe) ?hier: Vertreter der lokalen (Stadtteil-)ökonomie

Welchen Gruppen sollen diese Personen entstammen ? hier: Branchen (Einzelhandel, Gastronomie, Handwerk …) Wie reichhaltig werden die zu erwartenden Daten sein ?

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Wie geht es weiter ?

Organisation des Feldzuganges

= Zugang ins Untersuchungsgebiet bzw.

zur Zielgruppe Herstellen des persönlichen Kontaktes

= Ansprache konkreter Personen

(der möglichen Interviewpartner)

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Zugang zum Feld I: Varianten

bedeutet hier: Zielgruppe finden

Rekrutierung von Personen z.B. über: eigene soziale Kontakte (soziales Netzwerk) gate keeper Schneeballsystem Aufforderung zur Selbstmeldung Anbindung an quantitative Befragung >> Letztlich bestimmt die Zugänglichkeit die Auswahl ! (vgl. Helfferich 2005: 155)

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Zugang zum Feld II: gate keeper

wortwörtlich: Türwächter, -öffner Personen, die den Feldzugang ermöglichen und die

Erreichbarkeit (z.B. von Experten) vereinfachen übernehmen aufgrund ihrer Schlüsselposition in

best. Institutionen für den Interviewer die Rekrutierung von Gesprächspartnern

Mittel: persönliche, telefonische oder schriftliche Anfrage

sind häufig Vertrauenspersonen der gewünschten Gesprächspartner

Problem: Selektion durch den gate keeper

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Zugang zum Feld III: Schneeballsystem

es werden Personen gefragt, die man persönlich kennt, ob sie wiederum jemanden kennen, der … = Multiplikatoren

Mittel: persönliche Ansprache Auswahl nach bestimmten Kriterien gezielt

möglich Problem: sehr homogene, eng gefasste

Stichprobe

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Zugang zum Feld IV: Selbstmelder

Aufforderung zur Selbstmeldung Mittel: Annoncen & Anzeigen (in Zeitungen,

Internetportalen…); Aushänge & Flyer in entsprechenden Einrichtungen; Artikel in Regionalausgaben von Tageszeitungen …

garantiert relativ hohe Teilnahme-Motivation Problem: sehr spezifische Stichprobe

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Kontaktaufnahme I

bedeutet: Aufbau einer persönlichen Beziehung zum späteren Interviewpartner > entscheidend für Interview-Erfolg <

„Wie Sie diese Beziehung vor dem Interview gestalten, entscheidet mit darüber, was er Ihnen im Interview sagen wird.“

(Gläser & Laudel 2004: 153)

Aufgabe 1: von der Teilnahme überzeugenAufgabe 2: Informationen geben Aufgabe 3: Verständnis bzw. sogar Interesse wecken Aufgabe 4: gewisses Maß an Vertrautheit herstellen

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Kontaktaufnahme II

Ablauf einer Kontakt-Aufnahme (vgl. Kitzer 2003)

1. sich persönlich vorstellen (Name & Institution nennen; sich autorisieren)2. Anliegen des Aufsuchens/des Anrufes

(Forschungsanliegen bzw. U-Gegenstand/Thema)3. um die Teilnahme des (gewünschten)

Interviewpartners bitten (Vertrauen erzeugen; Anonymität zusichern; Bedeutung herausstellen)

4. den Interviewpartner prüfen (Person; Funktion; erwartbares Wissen…)

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Ablehnung ?

heraushören, welche Ursachen für Teilnahme-Verweigerung dahinter stecken

flexible Reaktionen des Interviewers nötig Ziel: Person doch noch zur Mitarbeit überzeugen, aber freundlich bleiben

die häufigsten Ablehnungen/Einwände: - keine Zeit ? R: anderen Termin vorschlagen - kein Interesse ? R: Teilnahme ist ein Gewinn - Warum gerade ich ? R: durch niemanden zu ersetzen

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kurze Bestandsaufnahme

folgende Voraussetzungen für Umsetzungeines Leitfaden-Interviews wurden schon erfüllt:

die Forschungsfrage wurde präzisiert die Stichprobe eingegrenzt das Sample bestimmt der Feldzugang hergestellt der persönliche Kontakt erfolgreich aufgenommen

… es ist Zeit für den Leitfaden !

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Was ist ein Interview-Leitfaden ?

= je nach Forschungsinteresse mehr oder weniger grob vorstrukturierte, schriftlich fixierte Fragenpalette, die dem Interviewer als Gedächtnisstütze dient (vgl. Mieg & Näf 2005)

strukturiert das Gespräch idealtypisch in einzelne thematische Blöcke und Hauptfragen

gibt Orientierung für den mutmaßlichen Gesprächs-Verlauf ermöglicht flexible Handhabung in Abhängigkeit vom

Gesprächsverlauf umfasst wenige Fragen unterschiedlichen Ranges enthält keine vorformulierten Antwort-Vorgaben gewährt Vergleichbarkeit zwischen versch. Interviews

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Bestandteile eines Leitfadens

enthält wenige Leit-Fragen unterschiedlichen Typs:

Einstiegsfragen (‚Eisbrecher-/Warm up-Fragen‘) Schlüsselfragen (Hauptfragen): immer stellen ! Eventualfragen, Detailfragen: vielleicht stellen ! evtl. Fragen zur Person

Fragen nach einzelnen Themenblöcken bzw. thematischen Schwerpunkten geordnet

unterschiedliche Rangordnung der Fragetypen Kernbestand vs. variabler Bestand

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Gliederung eines Leitfadens

Teil 1: Einstieg (Begrüßung; Eisbrecher-/Anwärmfrage)

Teil 2: Hauptteil mit einzelnen Themenblöcken,

dazu Fragen unterschiedlichen Ranges

(Hauptfragen; Unterfragen)

Teil 3: Abschluss

(evtl. Fragen zur Person; Abschlussfrage;

Fazit & Dank) vgl. Mieg & Näf 2005; Gläser & Laudel

2004

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Sinn eines Interview-Leitfadens I

ermöglicht eine offene Gesprächsführung dient als ‚roter Faden‘ für die logische Reihenfolge

der einzelnen Themenblöcke bzw. den Gesprächsverlauf

garantiert, dass alle forschungsrelevanten Themen wirklich angesprochen werden

Interviewer kann einzelne Themen des Gesprächs herausgreifen und vertiefend behandeln

Interviewer kann vorgegebenen Themenkatalog noch während des Gesprächs ergänzen

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Sinn eines Interview-Leitfadens II

das Wichtigste in Kürze (Gläser & Laudel 2004: 140):

ein aufgeschriebener Leitfaden gibt Sicherheit in der Interviewsituation

durch Erstellung eines Leitfadens bemüht man sich um die Frage-Formulierung

ein Leitfaden garantiert Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Interviews und erleichtert deren Auswertung

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Anspruch an einen Leitfaden I

„So offen und flexibel … wie möglich, so strukturiert wie aufgrund des Forschungsinteresses notwendig.“

(Helfferich 2005: 161)

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Anspruch an einen Leitfaden II

sollte dem Gesprächsverlauf einen Rahmen geben setzt relativ gute Kenntnisse des

Forschungsgegenstandes voraus >> Vorwissen aneignen - Themenblöcke ! << sollte einen geringen Abstraktionsgrad aufweisen sollte nicht zu lang sein sollte übersichtlich aufgebaut sein sollte offen gestaltet sein – Fragen (auch

Faktenfragen), die zum Erzählen stimulieren sollte keine Suggestivfragen enthalten

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Prinzip der Offenheit I

häufigster Fehler: Leitfaden wird dazu benutzt, die einzelnen Fragen/Themen der Reihe nach nur ‚abzuhaken‘

Hopf, 1978: Gefahr der „Leitfaden-Bürokratie“

> der LF ist kein Fragebogen !

es geht vielmehr darum: - offen sein für die Perspektive/den Horizont des Interviewpartners - offen sein für neue Aspekte

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Prinzip der Offenheit II

also: • Den Leitfaden dem Gesprächsverlauf anpassen !• Den Leitfaden nicht als unumstößliche Vorschrift

sehen !• Nicht alle Fragen des Leitfadens bis ins Detail

ausformulieren !• Fragen so gestalten, das vor allem ausführliche

Antworten erzeugt werden !

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Charakter von offenen Fragen

enthalten keine Antwort-Vorgaben lösen freie Rede aus sollen zum selbstständigen, ausführlichen

Berichten/Erzählen bestimmter Sachverhalte animieren bzw. gar provozieren

erfassen die tatsächlichen Wissensbestände bzw. Erfahrungshintergründe des Befragten

vermeiden weitgehend Formulierungen, denen Antwortrichtungen entnommen werden könnten

können auch nur eine Bitte sein, selbst erlebte Ereignisse/persönliche Meinungen zu schildern

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Hauptprobleme bei offenen Fragen

Zeitdauer schwer vorher abschätzbar !

Dilemma: begrenzte Zeit des Befragten vs. Antwortspielraum offener Fragen vs. Forschungsinteresse Interviewer

Der Interviewer … … muss den Überblick über das bereits Gesagte behalten … darf das Mitteilungsbedürfnis des Befragten nicht ‚abwürgen‘ … muss seine zentrale Fragestellung im Auge behalten … sollte sich an dem vorher vereinbarten Zeitrahmen orientieren. (vgl. Flick 2007: 223)

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Wie erstelle ich einen Leitfaden ?

Schritt 1: Brainstorming zum Forschungsthema Vielfalt in Themenbereiche gliedernSchritt 2: mögliche Fragen & Stichworte zusammentragenSchritt 3: angefertigte Liste unter Aspekten des Vorwissens und der Offenheit durchgehenSchritt 4: Liste unter Aspekten der methodischen Eignung durchgehen (vgl. u.a. Mieg & Näf 2005; Helfferich 2005)

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Leitfaden erstellen: Schritt 1

Was interessiert mich wirklich ?

Untersuchungsgegenstand vergegenwärtigen theoretische Vorarbeiten leisten (Literatur, eigenes

Wissen/Erfahrungen…) mögliche Vorannahmen/Vorüberlegungen treffen Themenbereiche für LF festlegen

Ergebnis: schriftlich fixierte Bestandsaufnahme des Wissens

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Leitfaden erstellen: Schritt 2

Welche Fragen könnte ich stellen ?

Fragen sammeln, die zum U-Gegenstand bzw. zur zentralen Fragestellung passen

dabei viele Aspekte berücksichtigen Quellen: eigene Überlegungen bzw. Feld-

Erfahrungen; durchgeführte empirische Studien …

Ergebnis: umfangreiche Frageliste

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Leitfaden erstellen: Schritt 3

Wie ordne ich diese Fragen sinnvoll ?

Abfolge der Themenblöcke & Fragen muss logisch sein Einzelaspekte der zentralen Fragestellung meiner

Untersuchung müssen in eine sinnvolle Reihenfolge von Leitfragen transformiert werden

Offenheit der Fragen im Auge behalten = an Formulierung arbeiten

Ergebnis: reduzierte, strukturierte Fragenliste

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Leitfaden erstellen: Schritt 4

Eignen sich die Fragen für mein Thema ?

Inhalte modifizieren, Fragen tauschen bzw. weglassen … Anordnung der Fragen prüfen z.B.: die wichtigsten Themenblöcke/Fragen an den Anfang

(Gefahr des Abbruchs; Zeit…) Formulierung der Fragen prüfen auf inhaltliche Wiederholungen achten

Ergebnis: Leitfaden-Entwurf

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Der Weg zum Leitfaden – ein Vorschlag von Helfferich (2005)

SPSS-Prinzip bei der Erstellung von Leitfäden

schrittweises Vorgehen: Schritt 1: Sammeln von Fragen Schritt 2: Prüfen der Fragen-Liste Schritt 3: Sortieren der verbleibenden Fragen Schritt 4: Subsumieren von Fragentypen

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verwendete Literatur I

Flick, Uwe (2007): Leitfaden-Interviews. In: Ders.: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlts Enzyklopädie: 194-226.

Gläser, Jochen & Laudel, Grit (2004): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrument rekonstruierender Untersuchungen. Wiesbaden: VS. (v.a. S. 138-149)

Helfferich, Cornelia (2005): Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung von qualitativen Interviews. Wiesbaden: VS.

Hopf, Christel (1978): Die Pseudo-Exploration. Überlegungen zur Technik qualitativer Interviews in der Sozialforschung. In: Zeitschrift für Soziologie 7 (2): 97-115.

Läpple, Dieter (2005): Lokale Ökonomie. In: ARL Akademie für Raumforschung und Landesplanung Hannover (Hg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover: 616-619.

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verwendete Literatur II

Mieg, Harald & Näf, Matthias (2005): Experteninterviews. Institut für Mensch-Umwelt-Systeme (HES), ETH Zürich.

Kitzer, Hedwig (2003): Einführung in leitfadengestützte Befragungsmethoden. Präsentation zu einer Schulung vom

29.-31.05.2003 an der TU Chemnitz.Schmidt, Christiane (2007): Präsentation zum Seminar

Interviewtechniken/Leitfadeninterviews. Online in: URL: http://www.uni-hildesheim.de/~cschmidt/Seminare-Innsbruck/Interviewtechniken/LFI07-cschmidt.pdf

(Abruf 03.06.08)