METTENHEIM TAFELT AUF · 2016-07-19 · heimer Schloßberg, dem Riesling Steins-weg und dem...

3
Dabei stand ›Casimir‹ für hochwertige, delikat-schwungvolle und geschmacklich trockene Weine, die ganz ausgezeichnete Essensbegleiter abgaben und in eine Schlegelflasche gefüllt waren. Eine beson- dere Spezialität waren auch die nach Champagnerart in traditioneller Flaschen- gärung und auf langem Hefelager hand- werklich hergestellten ›Casimir‹-Sekte. Ebenso bewiesen bei den feinfruchtigen, jahrelang im Holzfass gereiften Rieslingen die Mettenheimer Winzer früh innovati- ven Geist. Überregional bekannt war vor rund 25 Jahren aber auch die ›Rheinhes- sentafel‹, ein weinkulinarisches Fest der Superlative. Zum rheinhessischen Pen- dant der berühmten ›Steinberger Tafel- runde‹ im Rheingau reisten alljährlich rund 1.000 Gäste an, um sich mitten im Ortskern nach Herzenslust an regionalen Leckereien und den Weinen von den Rheinterrassen schadlos zu halten. Hier tischten sogar Spitzenköche ihre Speziali- täten auf. Keine Frage, Mettenheim war mal in aller Munde! Heute ist es um das Asterix-Weindorf ruhi- ger geworden, in dem man dereinst so vital gegen die Infantilisierung des Ge- schmacks Widerstand leistete, gegen das Verramschen der Region und den Bann hiesiger Weißweine. Streitbare Sturköpfe und findige Marketingstrategen braucht man heute nicht mehr, es hat sich längst rumgesprochen, welchen Ideenreichtum und Tatendrang das Land der tausend Hügel bietet. Vielleicht waren die 22 Met- tenheimer Winzer auch einfach zu früh dran. Denn letztendlich stand die Winzer- verschwörung recht allein auf weiter Flur, und auch der Rückhalt bröckelte peu à peu. In dem Maße, wie eine neue Winzergene- ration Rheinhessen allmählich aus der Eis- zeit führte, kamen die Pioniere in die Jahre – auch in Mettenheim, wo es ein paar Mal stehen sie in voller Montur in einem Schwimmbad – und prosten sich mit ›Casimir‹, den selbst gekürten, besten Rieslingen des Jahrgangs, zu. Mal flitzen sie effektvoll mit der Flasche in der Hand über die Tartanbahn. Auch im europäischen Ausland präsentierten sich die Mettenheimer Winzer mit 22 Mitgliedern seit 1988 als wohl einzige deutsche Weinerzeugergruppe – etwa auf der ›Vinitaly‹ und ›Concours Mondial de Bruxelles‹. Nun ist ihr stärkstes Event zurück. Manfred Lüer über die Rheinhessentafel METTENHEIM TAFELT AUF Jährchen länger brauchte, bis die Jungen gut genug in Form waren, um nach dem Vorbild der Väter durchzustarten. Pünkt- lich zur 200-Jahr-Feier ist es aber so weit: Die Rheinhessentafel lebt wieder auf! Am 7. August wird der längste Mittagstisch von Rheinhessen entlang der Hauptstraße von Mettenheim wieder eingedeckt. Ähn- lich wie in benachbarten Weingemeinden wie Bechtheim oder Westhofen wird auch hier das Wein-Profil eigenständiger und schärfer, hiesige Winzer wie Stefan Sander müssen auf überregionalen Veranstaltun- gen bald nicht mehr erklären, wo Metten- heim überhaupt liegt! Der kämpferische Geist von gestern und die Ideen der neuen Generation sorgen künftig für einen ganz neuen Kick: Neun Mettenheimer Winzer und der junge Ortsbürgermeister Maximi- lian Abstein ziehen für die Wiederauflage der Rheinhessentafel an einem Strang, wollen wieder ein echtes Zentrum für Wein-Afficionados sein. Herrlich unaufge- regt, unprätentiös, aber mit fulminanten Erlebnissen am Gaumen! Vor allem kommt hier vieles auch unverkrampft daher. Die rheinhessischen Frohnaturen von hier neh- men sich und die Welt gern mal auf die Schippe. Dirk Weißbach etwa ist gewiss kein Kind von Traurigkeit und kann gut austeilen, bekommt aber auch schnell sein Fett weg. »Wir haben uns schon früher gern und gut Paroli gegeben«, spielt er auf gemeinsame Proben von Jungweinen an, die nun wieder aufleben. Und die Kollegen kontern: »Der Dirk ist doch lustlos und ar- beitsscheu und glänzt immer wieder mit seinem profunden Halbwissen!« Doch so leicht lässt er sich nicht aus dem Konzept bringen: »Wir haben hier in Mettenheim und auch in Alsheim eine geologische Be- sonderheit, nämlich das wohl größte euro- päische Netz an Hohlwegen mit teils me- terhohen Lösswänden, wo sich laut Biolo- gen und Geologen kaum etwas verändert hat und rare Tier- und Pflanzenarten leben.« Recht hat er, diese unverbauten Kleinode sind ein echtes Faustpfand und laden auf rund 30 Kilometern Weglänge mit Schau- und Infotafeln zum Wandern in der herrlichen Natur ein! Kleine Orte haben manchmal eben eine stille Größe. Wenn morgens die über dem Odenwald aufge- hende Sonne alles in sanftes Gold taucht, beginnen auch die Rheinterrassen von Mettenheim zu schimmern. Mächtig fließt der Rhein in seinem Bett, strahlt alles Glit- zernde ab und speichert die Wärme. Die Landschaft hier hat Sinnlichkeit im Blut, schüttet ein ganzes Füllhorn aus. Die Bee- ren können den ganzen Tag auf der Son- nenbank auftanken. Vieles ist zeitig hier – auch beim Feiern war man schon vor Jah- ren eben ganz weit vorne. Dann fliegen die ersten Korken, die Winzer schenken ihre Weine aus. Das Weinhaus Weißbach & Straußwirtschaft von Dirk Weißbach ist eine feste Institution für Genießer, Ökobetrieb seit 2003, und mit genau der fruchtigen und duftigen Viel- falt, die diesen wunderschönen Flecken ausmacht. Der Silvaner ›Classic‹ changiert gekonnt zwischen gelben und grünen, aber nie unreifen Aromen. Ganz klar ein lokaler Clásico. Der trockene ›Casimir‹- Riesling ist alles andere als ein Fruchtzwerg, sondern er bringt reichlich Steinobst und Neue Lust auf Mettenheim: die Rheinhessentafel lebt wieder auf! Daniel Schmitt, Gernot und Amadeus Becker, Daniel Mattern und Eva Gießen Volker Schäfer, Bernd Seilheimer und Karl-Friedrich Best rein- gezeichnet KULINARIUM & WEIN METTENHEIM TAFELT AUF 19 18

Transcript of METTENHEIM TAFELT AUF · 2016-07-19 · heimer Schloßberg, dem Riesling Steins-weg und dem...

Page 1: METTENHEIM TAFELT AUF · 2016-07-19 · heimer Schloßberg, dem Riesling Steins-weg und dem Chardonnay Mettenheimer wagt der junge Winzer den ganz tollküh-nen Ritt mit extrem langem

Dabei stand ›Casimir‹ für hochwertige, delikat-schwungvolle und geschmacklich trockene Weine, die ganz ausgezeichnete Essensbegleiter abgaben und in eine Schlegelflasche gefüllt waren. Eine beson-dere Spezialität waren auch die nach Champagnerart in traditioneller Flaschen-gärung und auf langem Hefelager hand-werklich hergestellten ›Casimir‹-Sekte. Ebenso bewiesen bei den feinfruchtigen, jahrelang im Holzfass gereiften Rieslingen die Mettenheimer Winzer früh innovati-ven Geist. Überregional bekannt war vorrund 25 Jahren aber auch die ›Rheinhes-sentafel‹, ein weinkulinarisches Fest der

Superlative. Zum rheinhessischen Pen-dant der berühmten ›Steinberger Tafel-runde‹ im Rheingau reisten alljährlich rund 1.000 Gäste an, um sich mitten im Ortskern nach Herzenslust an regionalen Leckereien und den Weinen von den Rheinterrassen schadlos zu halten. Hier tischten sogar Spitzenköche ihre Speziali-täten auf. Keine Frage, Mettenheim war mal in aller Munde!

Heute ist es um das Asterix-Weindorf ruhi-ger geworden, in dem man dereinst so vital gegen die Infantilisierung des Ge-schmacks Widerstand leistete, gegen das

Verramschen der Region und den Bann hiesiger Weißweine. Streitbare Sturköpfe und findige Marketingstrategen braucht man heute nicht mehr, es hat sich längst rumgesprochen, welchen Ideenreichtum und Tatendrang das Land der tausend Hügel bietet. Vielleicht waren die 22 Met-tenheimer Winzer auch einfach zu früh dran. Denn letztendlich stand die Winzer-verschwörung recht allein auf weiter Flur, und auch der Rückhalt bröckelte peu à peu. In dem Maße, wie eine neue Winzergene-ration Rheinhessen allmählich aus der Eis-zeit führte, kamen die Pioniere in die Jahre – auch in Mettenheim, wo es ein paar

Mal stehen sie in voller Montur in einem Schwimmbad – und prosten sich mit ›Casimir‹, den selbst gekürten,besten Rieslingen des Jahrgangs, zu. Mal flitzen sie effektvoll mit der Flasche in der Hand über die Tartanbahn.

Auch im europäischen Ausland präsentierten sich die Mettenheimer Winzer mit 22 Mitgliedern seit 1988 als wohl einzige deutsche Weinerzeugergruppe – etwa auf der ›Vinitaly‹ und ›Concours Mondial de Bruxelles‹. Nun ist ihr

stärkstes Event zurück. Manfred Lüer über die Rheinhessentafel

METTENHEIM TAFELT AUF Jährchen länger brauchte, bis die Jungen gut genug in Form waren, um nach dem Vorbild der Väter durchzustarten. Pünkt-lich zur 200-Jahr-Feier ist es aber so weit: Die Rheinhessentafel lebt wieder auf! Am7. August wird der längste Mittagstisch von Rheinhessen entlang der Hauptstraße von Mettenheim wieder eingedeckt. Ähn-lich wie in benachbarten Weingemeinden wie Bechtheim oder Westhofen wird auch hier das Wein-Profil eigenständiger und schärfer, hiesige Winzer wie Stefan Sander müssen auf überregionalen Veranstaltun-gen bald nicht mehr erklären, wo Metten-heim überhaupt liegt! Der kämpferische Geist von gestern und die Ideen der neuen Generation sorgen künftig für einen ganz neuen Kick: Neun Mettenheimer Winzer und der junge Ortsbürgermeister Maximi-lian Abstein ziehen für die Wiederauflage der Rheinhessentafel an einem Strang, wollen wieder ein echtes Zentrum für Wein-Afficionados sein. Herrlich unaufge-regt, unprätentiös, aber mit fulminanten Erlebnissen am Gaumen! Vor allem kommt hier vieles auch unverkrampft daher. Die

rheinhessischen Frohnaturen von hier neh-men sich und die Welt gern mal auf die Schippe. Dirk Weißbach etwa ist gewiss kein Kind von Traurigkeit und kann gut austeilen, bekommt aber auch schnell sein Fett weg. »Wir haben uns schon früher gern und gut Paroli gegeben«, spielt er auf gemeinsame Proben von Jungweinen an, die nun wieder aufleben. Und die Kollegen kontern: »Der Dirk ist doch lustlos und ar-beitsscheu und glänzt immer wieder mit seinem profunden Halbwissen!« Doch so leicht lässt er sich nicht aus dem Konzept bringen: »Wir haben hier in Mettenheim und auch in Alsheim eine geologische Be-sonderheit, nämlich das wohl größte euro-päische Netz an Hohlwegen mit teils me-terhohen Lösswänden, wo sich laut Biolo-gen und Geologen kaum etwas verändert hat und rare Tier- und Pflanzenarten leben.« Recht hat er, diese unverbauten Kleinode sind ein echtes Faustpfand und laden auf rund 30 Kilometern Weglänge mit Schau- und Infotafeln zum Wandern in der herrlichen Natur ein! Kleine Orte haben manchmal eben eine stille Größe. Wenn

morgens die über dem Odenwald aufge-hende Sonne alles in sanftes Gold taucht, beginnen auch die Rheinterrassen von Mettenheim zu schimmern. Mächtig fließt der Rhein in seinem Bett, strahlt alles Glit-zernde ab und speichert die Wärme. Die Landschaft hier hat Sinnlichkeit im Blut, schüttet ein ganzes Füllhorn aus. Die Bee-ren können den ganzen Tag auf der Son-nenbank auftanken. Vieles ist zeitig hier – auch beim Feiern war man schon vor Jah-ren eben ganz weit vorne.

Dann fliegen die ersten Korken, die Winzer schenken ihre Weine aus. Das Weinhaus Weißbach & Straußwirtschaft von Dirk Weißbach ist eine feste Institution fürGenießer, Ökobetrieb seit 2003, und mit genau der fruchtigen und duftigen Viel-falt, die diesen wunderschönen Flecken ausmacht. Der Silvaner ›Classic‹ changiert gekonnt zwischen gelben und grünen, aber nie unreifen Aromen. Ganz klar ein lokaler Clásico. Der trockene ›Casimir‹-Riesling ist alles andere als ein Fruchtzwerg, sondern er bringt reichlich Steinobst und

Neue Lust auf Mettenheim: die Rheinhessentafel lebt wieder auf! Daniel Schmitt, Gernot und Amadeus Becker, Daniel Mattern undEva Gießen

Volker Schäfer, Bernd Seilheimer und Karl-Friedrich Best

rein-gezeichnet

K U L I N A R I U M & W E I N M E T T E N H E I M TA F E LT A U F

1918

Page 2: METTENHEIM TAFELT AUF · 2016-07-19 · heimer Schloßberg, dem Riesling Steins-weg und dem Chardonnay Mettenheimer wagt der junge Winzer den ganz tollküh-nen Ritt mit extrem langem

alte Apfelsorten ins Glas. Gradlinig, sokühl wie reif und geschmeidig kommt der 2013-er Spätburgunder aus dem Schloss-berg daher: zart rauchig, mit spannenden Nuancen von Schwarzkirsche und Schat-tenmorellen, dazu Röstaromen von Scho-kolade und Vanille. Genau das Richtige für jeden Geschmack, zumal auch Winzerkü-che und ›Weinterrasse‹ mit Blick auf den Michels-berg hierher locken!

›Das Weingut in den Weingärten‹ nennt sich der Seilheimerhof derBrüder Erich und Bernd Seilheimer. Auch die Weine kommen so direkt zur Sache wie ihre Macher. Bernd und Erich haben den Betrieb 1989 von Ihrem Vater übernommen und wissen die wahre Weinkultur auch immer aufs Geselligste zu verbin-den: »Früher war jedes Wochenende Probe, oft mit über 80 Leuten,« sagt Bernd Seilheimer, »mein Vater spielte Ziehharmo-nika dazu und war alsder singende Winzer be-kannt.« So umtriebig geht es hier heute nicht mehr zu, dafür gibt es auf dem Weingut in den Weingär-ten einen schönen Wohn-mobilstellplatz. Seilhei-mer outet sich ganz klar als Liebhaber auch restsü-ßer Weine. Sein trockener Chardonnay ist ein fruchtiger Charmeur mit tropischen Aromen, während der Weißburgunder Classic erfrischend süffig schmeckt. Un-terschätzt Kerner und Kanzler Spätlese nicht! Sie zaubern ein Lächeln ins Gesicht. Ähnlich sieht es Karl-Friedrich Best, Wein-bautechniker in Weinsberg, der den elterli-chen Betrieb 1992 übernahm. Tut sich zwi-

schen Weinkritikern und Konsumenten eine Schere auf? Für ihn ist die Sache klar: »Wir kennen unsere Kunden noch persön-lich, fahren zu ihnen hin, machen aus-gedehnte Proben. Viele haben Probleme mit der Säure, schätzen die feinfruchtigen Tropfen heute mehr. Der Anteil der trock-enen Weine bei uns sinkt.« Wie zum

Beweis schenkt er die Scheurebe Kabinett aus, die nach Herzenslust Früchte spen-diert. Alte Reben vom Bechtheimer Gey-ersberg heißt der beste Riesling im Portfo-lio, der mit gelben Früchten, rosa Pampel-muse und kühler Mineralität immer etwas heraussticht, die in herrlicher Spannung zur zarten Fruchtsüße steht. Und dann zeigt Best, dass er gehaltvoll trocken auch

›kann‹. Sein 2015er-GrauburgunderKarsten ist für 4,50 Euro eine geradezuunverschämt süffige Empfehlung!

»Schwerpunkte setzen, heißt Persönlich-keit zeigen«, lautet das Credo von Volker Schäfer. Er führt einen typischen, generati-onenübergreifenden Familienbetrieb mit

rund 14 Hektar Rebfläche, der seit 2015 biozertifiziert ist. Der Jahrgang 2015 markiert aber auch aus anderen Gründen eine neue Ära: Seine feinher-ben und fruchtigen Ries-linge sind noch gewohnt stark. Mit ihrem Frische-kick schmecken sie leben-dig, aber auch trockener, als sie sind. Die eigentliche Überraschung ist der tro-ckene Riesling mit rund neun Gramm Säure, die aber derart gut gepuffert und von herrlichem Ex-trakt umhüllt sind, dass wir alle am Tisch begeis-tert sind, weil dieser Wein erfreulicherweise ohne die kurzlebige und auf zu-gängliche Exotik ge-trimmte Poppigkeit aus-kommt, die einem oft genug im Glas blubbert. Weiter so!

Auch Eva Gießen bringt Abwechslung ins Spiel,die Mettenheimer Wein-Amazone brachte in den

elterlichen Betrieb neuen Schwung. Ihr Faible sind eher reife, klar definierte und trinkfreudige Weine wie die gelbfruchtige Scheurebe, die anlässlich des 100-jährigen Jubiläums dieser Sorte mit Gießens Hand-schrift starke Akzente setzt. ›Eva’s Quali-täts- und Prädikatsweine‹ heißt ihre eige-ne Linie und darunter ist die spannende Weißweincuvée ›Magie‹ aus Riesling,

Malerisches Areal: ein typischer Hohlweg für Mettenheim

rein-gezeichnet

2120

L E B EDEINELIEBE.

108 Vivart Mainz.indd 1 08.04.16 08:52

Page 3: METTENHEIM TAFELT AUF · 2016-07-19 · heimer Schloßberg, dem Riesling Steins-weg und dem Chardonnay Mettenheimer wagt der junge Winzer den ganz tollküh-nen Ritt mit extrem langem

www.rheinhessentafel.de

SERVICE

Sauvignon blanc und Weißburgunder etwas für freie Menschen, deren Genuss-fähigkeit grenzenlos ist. Kreiert hat sie die-sen Wein wie auch den Sauvignon blanc mit ihrem Partner Daniel Mattern, der seine Weine etwa vom kühleren Klopp-berg in Dittelsheim-Heßloch bei Eva Gie-ßen ausbaut. Eine gelungene Liaison zwei-er Areale und Auffassungen, denn Daniel Mattern schätzt es noch rasanter und säu-refrischer, das macht neugierig: toller grünwürziger Kick beim Sauvignon mit Brennnessel, Stachelbeere, Paprika beiungemein animierender Länge.

Lucas Janneck, der bei Stefan Sander lern-te, setzt ganz klar auf Risiko-Vinifizierung mit Spontangärung, möglichst später und niedriger Schwefelung bei langem Hefela-ger. Er schiebt seine Weine betont lässig weg von der Frucht, fürchtet weder Hefe-

noch Gäraromen. Man schmeckt in sei-nem herrlich kalibrierten, unverblümttrockenen Riesling, dass hier eine neueGeneration von Wagemutigen in Metten-heim heranwächst, die der Widerstands-vitalität von einst das Wasser reicht. Auch wenn beim Mettenheimer Weißburgun-der das Spiel vielleicht zu weit getrieben wurde und dem Wein der Ausbau und Rückhalt vom passenden Holzfass fehlt - der Mettenheimer Spätburgunder bringt die kapriziöse Sorte wieder voll auf den Punkt. Schön rubinrot in der Farbe, trans-parent im Geschmack, weich, aber nicht kuschelig-warm im Holzfass gereift – und mit dem spannenden Wechselspiel von zarter, oxidativer und kühl-beleben-der Note. »Der am stärksten expandie-rende Betrieb in Mettenheim«, sagtStefan Sander über die Leistung seines früheren Schützlings.

Die Spätburgunder sind auch ein Stecken-pferd von Daniel Schmitt, der mit seinem Lächeln der smarte Sonnyboy in dieser Runde ist. Doch hinter der sonnigen Mimik steckt harte Arbeit, seine Weine haben nichts Einstudiertes, sie folgen keinerkalkulierten Weinbau-Arithmetik. Geisen-heim-Absolvent Schmitt ist weit gereist, tauschte Südafrika und Neuseeland gegen sein Mettenheim – ein Praktiker durch und durch. 2011 war sein erster allein verant-wortlicher Jahrgang mit puristisch-elegan-ten Etiketten, schonendem Ausbau und einem straffen, dreigliedrigen Sortiment von klassischen Sorten: »Wenn es nach mir ginge, bräuchte ich keinen Rotwein, son-dern nur Spätburgunder.« Der Bechthei-mer Stein aus französischer Genetik schmeckt so geschliffen wie ungezähmt: kein schlanker Wein, aber ein flüssiges Naschkonfekt, das auf kühlen Steintafeln liegt und für Schmitt ganz klar »der bur-gundische Typ«. Das Pendant von älteren Klonen aus dem Mettenheimer Schloß-berg kommt noch mehr aus der Tiefe, zeigt aber weniger diesen seidig-fruchtwürzi-gen Schmelz. Wesentlich sind für viele Konsumenten aber auch Schmitts herrli-che Weiße: Grauburgunder und Chardon-nay kann man selbst dem anspruchsvolls-ten Gaumen ohne Zögern einschenken!

Ein guter Freund von Daniel Schmitt und auch kein Kind von Traurigkeit ist Amadeus Becker, der schon mit einer recht experi-mentellen Scheurebe für Aufsehen in der Szene sorgte. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt – das kann für ihn gewiss gelten. Leichtweine sind nicht seins. Dabei feilte schon sein Vater Gernot an der Vision, Mettenheim als Größe zu etablieren, mit der man zu rechnen hat. Unterstützte er doch die erste ›Rheinhessentafel‹ maß-geblich und davon zeugt der trockene ›Casimir‹-Riesling hier neben anderen un-gemein leckeren Weinen. Der 24-jährige Filius lernte bei Betrieben wie Knipser in Laumersheim und füllt die gewiss nicht kleinen Fußstapfen des Seniors aus, stei-gerte Stilistik und Ausdruckskraft bei den

2015ern. Bei der Scheurebe trocken von gut 30-jährigen Reben aus dem Metten-heimer Schloßberg, dem Riesling Steins-weg und dem Chardonnay Mettenheimer wagt der junge Winzer den ganz tollküh-nen Ritt mit extrem langem Hefelager,geringstmöglicher Schwefelung und enorm reifem Lesegut – volles Risiko! Das muss man probiert haben.

Und dann schenkt Stefan Sander seinen Sauvignon blanc aus, der ein echter Klassi-ker geworden ist. In der Tat sind die Viel-schichtigkeit und Vitalität ein Erlebnis: 2015 voll auf dem Punkt mit gelben und grünen Aromen, Reife und Frische, Delika-tesse und Fülle. Kein Wunder, ist Sander

doch das Zugpferd des südlichen Orts der Rheinterrassen: Das Weingut mit Öko-Pionier Ottoheinrich Sander und dem Ma-rienkäfer auf dem Etikett gilt als Deutsch-lands ältestes Bioweingut. Dabei sind die 60 Lenze an Erfahrung im naturnahen Anbau ebenso fesselnd wie die aktuelle Kollektion an biodynamischen Weinen von Stefan Sander. Er weiß um die Herausfor-derung in Mettenheim mit seinen eher warmen Lagen im Zeitalter der Klimaer-wärmung: Hier gilt es, Zug und Frische in die Weine zu bekommen, bei höchstmög-licher physiologischer Reife. Da spielte ihm der langjährige biodynamische Anbau in die Karten, der für eine gleichmäßige undharmonische Ausreifung der Beeren bürg-

te. Sein Gewürztraminer erinnert michan eine Tropfsteinhöhle: Je weiter man vordringt, desto wundersamer undverlockender glitzert es. Die Beerenauslese vom Riesling schließlich strahlt dieselbe Ruhe und Reinheit aus wie das unverbauteMichelsberg-Areal mit dem malerischen, verwunschenen Hohlweg, den urwüchsi-ge Robinien säumen, der Heilquelle,den alten, nicht flurbereinigten Rebstö-cken und der malerischen Kapelle. Genau das Richtige zur festlichen Tafel!

Stefan Sander, Lucas Janneck und Dirk Weißbach lieben Wein, Weib und Traktoren

rein-gezeichnet

2322

DAS WORMSERPROGRAMM 2016/17

—Theater, Konzerte, Kleinkunst und vieles mehr:

www.das-wormser.de

AB JUNIERHÄLTLICH!

RZ.01 DW.0943 DW Spielplan 2016/17 — Anzeige VivArt 82x120.indd 1 20.04.16 10:59