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Stefan Lentz

Schriftenreihe

Forschungsbeiträge zum Strategischen Managementherausgegeben von Prof. Dr. Michael Hülsmann

Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

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Stefan Lentz

Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Forschungsbeiträge zum Strategischen Management: Bd. 5

Schriftenreihe – Management Nachhaltiger Systementwicklung hrsg. von Prof. Dr. Michael Hülsmann - Universität Bremen

Bremen 2005

ISBN: 3-938786-05-1

ISSN: 1860-6628

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis V

1. Einleitung 7

1.1 PROBLEMZUSCHNITT UND ZIELSETZUNG 7 1.2 VORGEHEN UND GLIEDERUNG 12

2. Krisenmanagement und strategische Beschaffung 15

2.1 STRATEGISCHE PLANUNG ALS KRISENMANAGEMENT 15 2.2 FUNKTIONEN DER BESCHAFFUNG 18 2.3 ZIELE DER BESCHAFFUNG 23 2.4 KONZEPTE DER STRATEGISCHEN BESCHAFFUNG 25 2.4.1 KOMBINATIONSKONZEPTE 26 2.4.2 PORTFOLIO-KONZEPTE 30 2.5 KRISENURSACHEN IN DER BESCHAFFUNG 35

3. Organisationstheorien und Krisenpotenziale der Beschaffung 39

3.1 BEGRIFF UND INHALT VON ORGANISATIONSTHEORIEN 39 3.2 BEWERTUNGSKRITERIEN FÜR DIE RELEVANZ VON

ORGANISATIONSTHEORIEN FÜR DIE BESCHAFFUNG 43 3.3 THEORETISCHE BETRACHTUNGEN IN DER

BESCHAFFUNGSLITERATUR 45 3.4 RELEVANZ VON ORGANISATIONSTHEORIEN FÜR DIE BESCHAFFUNG 56 3.5 WEITERE ERKENNTNISSE BESCHAFFUNGSRELEVANTER

ORGANISATIONSTHEORIEN 60 3.6 KRISENPOTENZIALE BESTEHENDER

BESCHAFFUNGSSTRATEGIEN 64

4. Beschaffungsstrategien und Nachhaltiges Management 68

4.1 AUFFASSUNGEN EINER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG 68 4.2 NACHHALTIGES BESCHAFFUNGSMANAGEMENT 73 4.3 BEITRAG EINES NACHHALTIGEN MANAGEMENTS ZUR

VERMEIDUNG VON KRISEN IN DER BESCHAFFUNG 75

5. Abschließende Betrachtung 78

5.1 FAZIT 78 5.2 AUSBLICK 79

Literaturverzeichnis 80 Internetquellen 86

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Abbildungsverzeichnis

Darstellung 1-1: Zusammenhang von Grundstrategie, Geschäftsstrategie und funktionalen Strategien…………………………………………….. 5

Darstellung 1-2: Spannungsfeld der Beschaffungsentscheidung…………………..9 Darstellung 1-3: Gliederungsstruktur .................................................................. 12 Darstellung 2-1: Beschaffung als Funktion im Leistungsprozess......................... 19 Darstellung 2-2: Die Versorgungsfunktion in Unternehmen ................................. 21 Darstellung 2-3: Definitionen Beschaffung .......................................................... 22 Darstellung 2-4: Ziele in der Beschaffungsliteratur .............................................. 24 Darstellung 2-5: Sourcing-Toolbox nach ARNOLD................................................ 27 Darstellung 2-6: Sourcing-Würfel nach CORSTEN ................................................ 28 Darstellung 2-7: Einkaufsportfolio nach KRALJIC.................................................. 30 Darstellung 2-8: Beschaffungsmatrix nach MÜLLER............................................. 31 Darstellung 2-9: Portfolio nach WILDEMANN ......................................................... 32 Darstellung 2-10: Krisenursachen in der Beschaffung......................................... 38 Darstellung 3-1: Organisationstheorien ............................................................... 42 Darstellung 3-2: Beschaffungsprozesse.............................................................. 44 Darstellung 3-3: Transaktionskosten bei Markt-, Hybrid- oder Hierarchie als

Koordinationsform .................................................................... 46 Darstellung 3-4: Informationsverteilung im zeitlichen Ablauf einer Kontrakt-

güterbeschaffung ..................................................................... 48 Darstellung 3-5: Situative Determinanten einer relationalen Beschaffung ............ 53 Darstellung 3-6: Der vollständige Entscheidungszyklus....................................... 54 Darstellung 3-7: Bewertung der Relevanz von Organisationstheorien für die

Beschaffung ............................................................................. 59 Darstellung 3-8: Marktinformationsmatrix ........................................................... 61 Darstellung 3-9: Potentielle Krisensituationen ..................................................... 66 Darstellung 4-1: Primäre Nachhaltigkeitsprobleme auf den Systemebenen......... 72

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1. Einleitung

1.1 Problemzuschnitt und Zielsetzung

Die Beschaffung ist eine Grundfunktion von Unternehmen, die die Versor-

gung eines Unternehmens mit den benötigten Produktionsfaktoren, die nicht

selbst erzeugt werden, sicherstellt.1

Das Verständnis der Funktion Beschaffung und ihre Bedeutung für Unternehmen

hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Die Beschaffung wurde bis in die 1970er

Jahre auf das dispositive Problem der Materialbereitstellung und damit auf ihre

operativen Aufgaben beschränkt.2 Unter einer operativen Beschaffung soll die

reine Umsetzung einer Beschaffungsstrategie oder anderer Vorgaben durch den

Einkauf verstanden werden.3 Eine Aufwertung fand die Thematik der Beschaffung

nur in Kriegs- und Krisenzeiten und fokussierte sich bis in die 1980er Jahre auf die

Frage, ob und wie die Beschaffung in Unternehmen von speziellen Abteilungen

geleistet werden sollte.4

Ende der 1970er Jahre und Anfang der 1980er Jahre veränderte sich das

Verständnis der Beschaffung,5 es erschienen Publikationen, die eine strategisch

ausgerichtete Beschaffung thematisierten.6 GROCHLA sah die Gründe hierfür im

gewachsenen Problembewusstsein für die Bedeutung von Ressourcen nach der

Ölkrise in den 1970er Jahren, durch das Aufkommen der Systemtheorie und

damit eines holistischen Verständnisses in der Betriebswirtschaftslehre in den

1960er Jahren und einer Verschärfung der dispositiven Probleme, hervorgerufen

durch zunehmende Automatisierung. 7

Seit den 1990er Jahren hat sich die Bedeutung der Beschaffung durch eine

Verringerung der Fertigungstiefe großer Unternehmen weiter erhöht.8 Die Kosten

für Material und Fremdleistungen betragen bei großen deutschen Unternehmen

heute durchschnittlich 60 Prozent, die Beschaffung umfasst damit in den meisten

Branchen den größten Kostenteil.9

1 Vgl. hierzu z.B. die Auffassungen von ARNOLD (1997), S. 3; BOGASCHEWSKY (2004), S. 48 und

EßIG (2004), S. 54. 2 Vgl. KAUFMANN (1999), S. 2 ff.; GROCHLA (1977), S. 181 und ARNOLD / EßIG (2000), S. 122. 3 Der Umfang der operativen Aufgaben wird unterschiedlich weit gefasst. Zum hier gewählten

Verständnis vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 123 und KAUFMANN (1999), S. 6-10. Siehe auch Kapitel 2.1 und Darstellung 2-1.

4 Vgl. KAUFMANN (1999), S. 2. 5 So proklamiert z.B. KRALJIC (1977) die „Schwachstelle im Einkauf“ und den „Strategie-

Notstand“, vgl. ebd. 6 Vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 122. 7 Vgl. GROCHLA (1977), S. 183. 8 Vgl. BAIN & COMPANY GERMANY (2002), S. 1 und KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 46-49.

9 Den größten Anteil an Materialkosten und Fremdleistungen hat mit 81% der Handel, bei Auto-mobilherstellern liegt er bei 63% und im Maschinenbau bei 56%. Deutlich geringer ist er in der chemischen Industrie mit 47% und in der Konsumgüterindustrie mit 44%. Vgl. BAIN & COMPANY GERMANY (2002), S. 1.

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Der Wandel des Verständnisses und der Bedeutung der Beschaffung ist demnach

auf eine Verknappung der Ressourcen, Veränderungen in der Produktion und auf

einen Wandel der Beschaffungsmärkte zurückzuführen, die die Komplexität von

Beschaffungsentscheidungen erhöhten.

Die strategische Beschaffung ist als funktionale Strategie der Unternehmensstra-

tegie untergeordnet.10 Wie Darstellung 1-1 zeigt, sind funktionale Strategien Kon-

kretisierungen der Unternehmensstrategie für die einzelnen Funktionsbereiche.11

Darstellung 1-1: Zusammenhang von Grundstrategie, Geschäftsstrategie und funktionalen Strategien

Grundstrategie

Geschäfts-bereich-strategie

Geschäfts-bereich-strategie

Geschäfts-bereich-strategie

Erarbeitung der Strategie für funktionale Bereiche

MarketingF & E

ProduktionBeschaffung

Personal…

MarketingF & E

ProduktionBeschaffung

Personal…

MarketingF & E

ProduktionBeschaffung

Personal…

mittel- und kurzfristige Maßnahmen / Programme / Projekte

Quelle: WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 405

Die Unterordnung der Beschaffungsstrategien unter die Unternehmensstrategie

impliziert, dass auch die Ziele der Beschaffung aus den Unternehmenszielen

abgeleitet werden.12 Allerdings besteht in der Beschaffung, neben den Zielen, die

sich aus der Unternehmensstrategie ergeben, immer das zusätzliche Ziel der Ver-

sorgungssicherung.13 Die Versorgungssicherung bildet die Voraussetzung für eine

planvolle Leistungserstellung und ist neben den möglichen Unternehmens-

strategien unverzichtbar.14

Beschaffung befindet sich somit, wie Darstellung 1-2 zeigt, in einem „Spannungs-

feld“15 zwischen Unternehmensstrategie und Versorgungssicherung bzw. Ver-

sorgungsverbesserung.16

10 Vgl. z.B. ARNOLD (1997), S. 9-12; KOPPELMANN (2000), S. 114 und

WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 405. 11 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 403 f. und BEA / HAAS (2001), S. 181f. 12 Explizit formulieren dies z.B. HAMMANN / LOHRBERG (1986), vgl. ebd. S. 47-49. 13 Vgl. ARNOLD (1997), S. 9-12 und KOPPELMANN (2000), S. 106. 14 Vgl. ARNOLD (1997), S. 12. 15 GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980), S. 34. HAMMANN / LOHRBERG (1986) sprechen in diesem Zu-

sammenhang von einem Abstimmungsprozess, an dessen Ende ein Zielkompromiss stehe (vgl. ebd. S. 47-49).

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Darstellung 1-1: Spannungsfeld der Beschaffungsentscheidung

Beschaffungs-entscheidung

KostenreduzierungQualitäts- und Leistungsverbesserung

Autonomieerhaltung

Versorgungssicherung

Grundstrategie

(z.B. Kostenführerschaft, Differenzierung, Konzentration auf Schwerpunkte)

Sicherung strategischer Wettbewerbs vorteile für ein Unternehmen

Sicherung der Versorgung eines Unternehmens

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980), S. 34

Es wird im Folgenden angenommen, dass die Verlagerung der Wertschöpfung auf

Zulieferer grundsätzlich zu einer Verringerung der direkten Kontrolle über die

bezogenen Objekte führt und damit die beschaffungsseitigen Gefahren für Unter-

nehmen erhöht. Diese können sich als Ausfall benötigter Materialien oder

mangelnde Qualität zeigen, die durch Fertigungsprobleme, administrative

Schwierigkeiten der Lieferanten oder Probleme auf dem Transportweg vom Liefe-

ranten zum Unternehmen entstehen und sich der Kontrolle der kaufenden Unter-

nehmen entziehen.17 Aber auch auf deren Seite können durch Bedarfs-

schwankungen Fertigungs- oder Lieferprobleme entstehen,18 die sich über die

einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette noch verstärken können.19

Neben den Gefahren für die Versorgung der Produktion können Probleme mit

Zulieferern in zunehmendem Maße auch Gefahren für den Absatz bedeuten.

Fehlende soziale oder ökologische Standards bei Zulieferern können an die Öffent-

lichkeit gebracht werden20 und zu einer Schädigung des Images und des

Vertrauens in Marken und Unternehmen führen. Der „gute Ruf“, der in diesem

Zusammenhang Teil des Images eines Unternehmens oder einer Marke ist, stellt

immaterielles Kapital21 oder anders ausgedrückt eine immaterielle unternehmens-

16 Vgl. ARNOLD (1997), S.10-12. 17 Zu Risiken in der Beschaffung vgl. z.B. MELZER-RIDINGER (2000). 18 Vgl. MELZER-RIDINGER (2000). 19 Dieses Problem ist als Bullwhip-Effekt bekannt geworden. Es entsteht dadurch, dass Lieferan-

ten oft keine Informationen über die Absatzmärkte ihrer Kunden haben. Bedarfsveränderungen erreichen dadurch die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette mit einer zeitlichen Verzöge-rung. Vgl. hierzu z.B. KELLER / KROLL (2004).

20 Vgl. KLUGE (2003), S. 928 oder beispielhaft BERGIUS (2004).

21 Zum hier dargelegten Zusammenhang zwischen dem guten Ruf, dem Markennamen und dem Unternehmenserfolg vgl. z.B. RALL (2003).

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spezifische Ressource dar.22 Eine Gefährdung des Unternehmens- oder Marken-

images kann somit direkt den Unternehmenswert gefährden23 und zu einer Unter-

nehmenskrise führen.

Diese in der Beschaffung verursachten Gefahren können in unterschiedlicher

Intensität, das heißt als Störung oder Krise, in Erscheinung treten. Störungen sind

Abweichungen von geplanten Zielen, die das Problembewältigungspotenzial eines

Unternehmens nicht überfordern. Krisen beinhalten im Gegensatz dazu eine

Gefährdung der Unternehmensexistenz.24 Störungen können jedoch zu Krisen

werden.

Krisen werden im Weiteren als existenzielle Gefährdung des gesamten Unter-

nehmens durch die Gefährdung dominanter Ziele betrachtet.25 Ferner sollen Krisen

als Prozesse verstanden werden, die sich von potentiellen Krisen zu akuten, nicht

beherrschbaren Krisen steigern können.26 Durch ihren Verlauf, in dessen Folge die

Gefährdung eines Unternehmens immer stärker zunimmt und die Handlungsmög-

lichkeiten im gleichen Maße abnehmen, kommt der Vermeidung von Krisen und

der Betrachtung der frühen Krisenphasen besondere Bedeutung zu.27 Die

Beschaffung sieht KRYSTEK hierbei als einen hochrangigen, potentiellen Gefähr-

dungsbereich für Unternehmenskrisen.28

Die Überprüfung der Prämissen der Unternehmensplanung und in ihrem Rahmen

besonders die Überprüfung der strategischen Planung als Ansatz zur Vermeidung

von Unternehmenskrisen,29 sieht KRYSTEK als Grundlage für daran anschließende

Absicherungen gegen Krisen. Auch WILDEN führt an, dass bereits aus der Unter-

nehmensplanung große Gefahren für Unternehmenskrisen resultieren und stellt die

Analyse der Unternehmensstrategie zur Krisenfrüherkennung neben die Analyse

des wirtschaftlichen Umfeldes und der Managementqualifikationen.30 SIEGLER

kommt in Bezug auf Krisen im Beschaffungsmanagement auf drei Problemfelder.

Diese sind Mängel beim Personal, beim Management und bei der Führung. Als

Mängel des Managements und der Führung nennt SIEGLER explizit mangelnde

Zielvorgaben, mangelnde Umsetzung bestehender Möglichkeiten und mangelnde

Kontrolle von Maßnahmen.31 Diese Problemfelder entsprechen in dieser Reihen-

folge wiederum der Konzeption des strategischen Managements.32

22 Vgl. BURMANN (2003), S. 903. Zu einer vertiefenden Erläuterung des Zusammenhangs von

Wettbewerbsvorteilen und Ressourcen vgl. z.B. RASCHE / WOLFRUM (1994). 23 Vgl. MEFFERT (2003). MEFFERT bezeichnet Marken als zentrale strategische Entscheidungspa-

rameter der Unternehmensführung (vgl. ebd., S. 777). 24 Vgl. hierzu KRYSTEK (1987), S. 8 f. 25 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 6 f. und WILDEN (1998), S. 1. SCHREYÖGG (2004) spricht in diesem

Zusammenhang von gewünschten Zuständen und führt als Beispiele Liquidität, Umsatz und Rohstoffversorgung an (vgl. ebd., S. 14). Ausführlicher erläutert werden die Begriffe Krise und Krisenmanagement in Kapitel 2.1.

26 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 29-32. Zu einer ausführlichen Darstellung von Phasenmodellen vgl. KRYSTEK (1987), S.10-29.

27 Vgl. PROBST / RAISCH (2004), S. 44; SCHREYÖGG (2004), S. 27 und HAUSCHILDT (2003), S. 62. 28 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 122 f. Siehe auch SIEGLER (1998), S. 176. 29 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 124. 30 Vgl. WILDEN (1998), S. 20-22. 31 Vgl. SIEGLER (1998), S. 176. 32 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 94-97.

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Somit lässt sich zusammenfassend feststellen, dass Strategien als Plan zur

Erreichung der Unternehmensziele bereits potentiell Krisen als Gefährdung der

Zielerreichung enthalten und der erste Ansatzpunkt eines Krisenmanagements

sein sollten. Die Gefahren für das Unternehmen, die in der Beschaffung verursacht

werden, liegen hierbei wie ausgeführt auf ökonomischer, aber auch auf öko-

logischer und sozialer Ebene.

Mit dem Konzept der Nachhaltigen Entwicklung existiert in der Management-

forschung ein Ansatz, der die ökonomischen, ökologischen und sozialen

Dimensionen der Unternehmens-Umwelt-Beziehungen umfasst.33 Nachhaltigkeit

ist ursprünglich ein Begriff, der aus der Forstwirtschaft stammt und bedeutet, dass

langfristig nur soviel Holz geschlagen werden kann, wie im gleichen Zeitraum

nachwächst. Diese Grundregel wurde als zukunftsfähiges Wirtschaften auf andere

nachwachsende Ressourcen übertragen.34 In den 1980er Jahren wurde der

Begriff der Nachhaltigen Entwicklung geprägt, der als inter- und intragenerative

Gerechtigkeit definiert wurde.35 Damit umfasst er zusätzlich zur ökologischen und

ökonomischen eine soziale Dimension und ist umfangreicher als der Begriff Nach-

haltigkeit.36 Der im Weiteren verwendete Begriff des Nachhaltigen Managements

meint Managementfunktionen zur Erreichung einer Nachhaltigen Entwicklung.

Darüber wie diese erreicht werden kann, existieren in der Betriebswirtschaft ver-

schiedene Auffassungen.37 Eine Nachhaltige Entwicklung wird entweder als

gesellschaftliches Problem aufgefasst, dass durch Politik, Gesetze und öffent-

lichen Druck an die Unternehmen weitergegeben wird38 oder als rationales

Konzept, das im eigenen Interesse der Unternehmen liegt.39 Im ersten Fall bietet

Nachhaltiges Management die Möglichkeiten eines aktiven oder eines passiven

Vorgehens. Unternehmen können gesetzliche Auflagen zu sozialen und öko-

logischen Standards erfüllen oder aktiv eigene Standards zur Realisierung von

Wettbewerbsvorteilen durch nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien

erzielen.40 Im zweiten Fall wird Nachhaltiges Management als rational definiert.

Diese Rationalität entsteht durch absolut knappe Ressourcen und zwingt Unter-

nehmen zu Substanzerhaltung, um überleben zu können.41 In diesem Verständnis

werden Vertrauen oder Legitimation als immaterielle soziale Ressourcen auf-

gefasst, die für Unternehmen absolut knapp sind.42 In beiden Fällen können aus

dem jeweiligen Nachhaltigkeitsverständnis Anknüpfungspunkte für Strategien zur 33 Vgl. z.B. HÜLSMANN (2004), S. 51. 34 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 39 f. und PITTEL (2004), S. 537. 35 Vgl. WORLD COMMISSION ON ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT (1987). Initiiert wurde diese Kom-

mission 1980 auf der Konferenz der INTERNATIONAL UNION FOR THE CONSERVATION OF NATURE AND NATURAL RESOURCES.

36 Vgl. PITTEL (2004), S. 537 und SCHMID (1999), S. 285 f. 37 Zu einer ausführlicheren Darstellung vgl. MÜLLER-CHRIST / HÜLSMANN (2003), S. 266 f. 38 Vgl. DYLLICK / BELZ / SCHNEIDEWIND (1997), S. 7. Diese Arbeit bezieht sich ausschließlich auf

den Bereich Ökologie. DYLLICK (2004) hat diesen Ansatz aber auf Nachhaltigkeit übertragen (vgl. ebd.).

39 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003a), S. 69. 40 Vgl. MEFFERT / KIRCHGEORG (1993) und DYLLICK / BELZ / SCHNEIDEWIND (1997) 41 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003a).

42 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2004), S. 20 f.

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Absicherung gegen Unternehmensrisiken43 oder Sicherung der Überlebens-

fähigkeit44 entwickelt werden.45

Somit stellt sich die Frage, die im Folgenden untersucht werden soll: Kann Nach-

haltiges Management im Bereich der Beschaffung die Gefährdung durch Unter-

nehmenskrisen reduzieren? Hierbei wird unterstellt, dass sich die Bedeutung der

Beschaffung für Unternehmen gewandelt hat und sowohl zu einer Zunahme von

bestehenden Unternehmenskrisen, als auch zu neuen Formen von Unter-

nehmenskrisen geführt hat. Ersteres ist in der rein quantitativen Zunahme des

Beschaffungsvolumens und der Beschaffungstiefe zu sehen. Letzteres ist in der

veränderten Umwelt der Unternehmen begründet. Fehlverhalten von Unternehmen

können direkt zu Imageschäden und damit zu Umsatzeinbußen und in deren

Folge zu Ertrags- und Liquiditätsgefährdung führen. Vor diesem Hintergrund soll

die Überprüfung der strategischen Planung, als Ansatz zur Vermeidung von

Unternehmenskrisen, betrachtet und der mögliche Beitrag des Nachhaltigen

Managements als Konzept zur Vermeidung von Unternehmenskrisen untersucht

werden.

1.2 Vorgehen und Gliederung

Darstellung 1-3 zeigt die Gliederungsstruktur der vorliegenden Arbeit und

die kausalen Zusammenhänge zwischen den Inhalten der Kapitel.

Darstellung 1-2: Gliederungsstruktur

EinleitungKrisen und

strategische Beschaffung

Theoretische Erkenntnisse

Nachhaltiges Beschaffungs-

management

Abschließende Betrachtung

Problemzuschnitt und Zielsetzung

Vorgehen und Gliederung

Funktionen der Beschaffung

Ziele der Beschaffung

Konzepte der strategischen Beschaffung

Kriterien Beschaf-fungsrelevanz

Beschaffungsrelevante Organisationstheorien

Betrachtungen in der Beschaffungsliteratur

Erkenntnisse weiterer Organisationstheorien

Krisenpotentiale bestehender Beschaffungsstrategien

Auffassungen von Nachhaltigkeit

Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Fazit

Ausblick

Beitrag zur Vermeidung von Krisen in der Beschaffung

Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5

Krisen-management

Krisen-management in der strategischen Beschaffung

Quelle: Eigene Darstellung

43 Vgl. DYLLICK (2004), S. 96 f. 44 MÜLLER-CHRIST (2003b), S. 121. 45 Zu Anknüpfungspunkten zwischen strategischem Management und Nachhaltigkeit vgl.

HÜLSMANN (2004).

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Entsprechend der dargelegten Problemstellung wird nach der Einführung (1. Kapi-

tel) die strategische Beschaffung als Ansatzpunkt zur Vermeidung von Unter-

nehmenskrisen behandelt (2. Kapitel). Hierzu wird näher auf das Konzept des

Krisenmanagements und die strategische Beschaffung eingegangen. Ent-

sprechend dem Vorgehen präskriptiver strategischer Managementansätze werden

zunächst die Ziele der Beschaffung dargestellt. Hierbei werden Beschaffungs-

strategien als funktionale Strategien mit Bezug zur Unternehmensstrategie

betrachtet.46 Präskriptiv sind solche Ansätze, die verbindliche Handlungs-

empfehlungen zur Entwicklung und Implementierung von Strategien geben,

wohingegen deskriptive Ansätze entwickelte und implementierte Strategien unter-

suchen und beschreiben.47 Deskriptive Modelle sind somit lediglich beschreibend

und erklärend und obwohl sie aufgezeigt haben, dass Strategieentwicklung in der

Praxis nicht den rationalen präskriptiven Modellen entspricht,48 sind präskriptive

Ansätze besser geeignet den strategischen Planungsprozess zu systematisieren49

und werden daher hier als Systematisierung verwendet.

Schließlich werden Konzepte der strategischen Beschaffung vorgestellt, Strategien

für eine weitere Betrachtung ausgewählt und die Krisenpotenziale in der

Beschaffung identifiziert.

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich hierbei auf die Funktion der Beschaffung in

Unternehmen und abstrahiert von Fragen, die Beschaffung als Institution betreffen.

Dies geschieht, da die veränderte Bedeutung der Funktion Beschaffung der

Ausgangspunkt der hier behandelten Fragestellung ist und eine zusätzliche

Berücksichtigung der Beschaffung als Institution diese Arbeit zu umfangreich

gestallten würde.

Da Theorien die Grundlage für den strategischen Planungsprozess bilden, wird im

3. Kapitel auf Organisationstheorien eingegangen. Theorien sichern ein systemati-

sches Vorgehen und Nachvollziehbarkeit.50 Sie beinhalten empirisch als hin-

reichend bestätigt erachtete Erklärungsmodelle und können somit vom Einzelfall

abstrahieren.51 Eine einheitliche Theorie für die strategische Unternehmensführung

ist jedoch nicht gegeben. Es existiert vielmehr eine Vielzahl an Theorien,52 so dass

zunächst Bewertungskriterien für die Relevanz einzelner Organisationstheorien im

Hinblick auf die betrachtete Unternehmensfunktion Beschaffung gebildet und

daran anschließend die beschaffungsrelevanten Theorien ermittelt werden.

46 Siehe Darstellung 1-1. 47 Vgl. JAHNS (2001), S. 593. 48 Vgl. hierzu z.B. MINZBERG (1988). 49 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 95 und BEA / HAAS (2001), S. 52 f. Die gleichzeitige Berück-

sichtigung von Präskription und Deskription hat zu einer Weiterführung des strategischen Ma-nagements hin zu einer prozessualen Betrachtung geführt (vgl. SCHREYÖGG (1999), S. 387-390). Zu einer ausführlicheren kritischen Darstellung präskriptiver und deskriptiver Ansätze vgl. JAHNS (2001).

50 Vgl. SCHERER (2002), S. 2. 51 Vgl. HILL / FEHLBAUM / ULRICH (1994), S. 44.

52 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 95 und BEA / GÖBEL (2002), S. 36.

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Für die Bewertung der Organisationstheorien wird in Anlehnung an WOLF eine

Bewertung anhand von Bewertungskriterien durchgeführt.53 Als Bewertungs-

kriterien dienen die charakteristischen Merkmale der Funktion Beschaffung, die in

Abgrenzung von anderen Unternehmens-funktionen im 2. Kapitel erarbeitet

wurden. Im Anschluss hieran werden organisationstheoretische Erkenntnisse aus

der Beschaffungsliteratur dargestellt und zusätzlich Erkenntnisse weiterer als

relevant eingestuften Organisationstheorien herausgearbeitet. Hierauf aufbauend

werden schließlich die gewählten Normstrategien, im Hinblick auf die identifizier-

ten Krisenpotenziale mittels der betrachteten Theorien kritisch reflektiert. Die

Untersuchung der Strategien auf Potenziale für Unternehmenskrisen stellt die

Grundlage für eine mögliche Absicherung gegen diese dar.54 Ausgehend von der

veränderten Gefährdungssituation der Unternehmen, bedingt durch die zu-

nehmende Verlagerung der Wertschöpfung auf Zulieferer,55 steht im 3. Kapitel die

Frage nach den Gefährdungspotenzialen für die Unternehmen im Vordergrund, die

sich aus den einzelnen Beschaffungsstrategien ergeben können.

Abschließend wird im 4. Kapitel untersucht, ob Nachhaltiges Management in der

Beschaffung einen Beitrag zur Vermeidung von Unternehmenskrisen leisten kann.

Es soll vor allem überprüft werden, ob Nachhaltigkeit Impulse und Bezugspunkte

zur Weiterentwicklung des strategischen Beschaffungsmanagements liefern kann.

Hierzu werden ausgehend von den verschiedenen Auffassungen von Nachhaltig-

keit die Konsequenzen nachhaltigkeitsorientierter Handlungsempfehlungen für die

Beschaffung betrachtet und herausgestellt, ob und gegebenenfalls welchen

Beitrag Nachhaltiges Management zur Vermeidung in der Beschaffung ver-

ursachter Unternehmenskrisen leisten kann.

53 Vgl. WOLF (2003), S. 441-445. 54 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 126. Zu Möglichkeiten und Vorgehen bei der Absicherung von Unter-

nehmenskrisen vgl. auch MELZER-RIDINGER (2000). 55 Siehe Kapitel 1.1 Problemzuschnitt und Zielsetzung.

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2. Krisenmanagement und strategische

Beschaffung

Das zweite Kapitel betrachtet Krisen in der Beschaffung. Da zum Umfang

und der Bedeutung der Begriffe Krise, Krisenmanagement und Beschaffung keine

einheitlichen Auffassungen existieren, werden zunächst Krise und Krisen-

management, sowie die Funktion der Beschaffung in Unternehmen dargestellt und

abgegrenzt. Danach wird erst ein Überblick über Ziele in der Beschaffung

gegeben und darauf aufbauend Strategien in der Beschaffung abgeleitet und

systematisiert, um später die Überprüfung der strategischen Planung als Ansatz

zur Vermeidung von Unternehmenskrisen durchführen zu können.56 Aus den

Funktionen der Beschaffung werden abschließend die möglichen Krisenursachen

in der Beschaffung abgeleitet.

2.1 Strategische Planung als Krisenmanagement

Der Begriff der Unternehmenskrise ist schwierig zu fassen, da verschiedene

Autoren der Auffassung sind, dass es kein einheitliches Kriteriensystem für eine

Unternehmenskrise gibt, aus dem man ableiten könnte, wann eine Krisensituation

vorliegt.57 KRYSTEK und SCHREYÖGG haben jeweils aus einer Vielzahl von Krisen-

definitionen der betriebswirtschaftlichen Literatur Kernelemente des Krisenbegriffs

erarbeitet. Beide beschreiben in diesem Zusammenhang eine Unternehmenskrise

als unerwartet und ungeplant bzw. ungewollt.58 Darüber hinaus ist eine Unterneh-

menskrise ein sich entwickelnder Prozess mit begrenzter Dauer,59 der die Ziele

bzw. erwünschten Zustände des betroffenen Unternehmens und letztlich seine

Existenz gefährdet.60 KRYSTEK und SCHREYÖGG kommen auch darin zu einem ein-

heitlichen Ergebnis, dass Krisen eine Eigendynamik aufweisen. Sie sind zwar

beeinflussbar, das Ergebnis der Beeinflussung ist jedoch nicht vorherzusagen61

und entgleitet mit Fortschreiten der Krise der organisatorischen Kontrolle.62 Explizit

nennt SCHREYÖGG außerdem Zeitdruck als Kernelement von Unternehmenskrisen,

der, wie auch KRYSTEK einräumt, als Krisenmerkmal weit verbreitet ist. Für

KRYSTEK ist dieser jedoch stark vom Stadium der Unternehmenskrise abhängig

56 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 124 und STAEHLE (1993), Sp. 2458. 57 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 13 f. 58 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 14 und KRYSTEK (1987), S. 6 f. Siehe auch STAEHLE (1993),

Sp. 2452. 59 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 14 und S. 21, sowie KRYSTEK (1987), S. 6 f. 60 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 14 und KRYSTEK (1987), S. 6 f. Siehe auch STAEHLE (1993),

Sp. 2452. 61 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 6.

62 Vgl. SCHREYÖGG (1999), S. 21.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

und daher kein allgemeines Krisenmerkmal.63 KRYSTEK wiederum nennt explizit die

Ambivalenz des Krisenausgangs als Krisenmerkmal,64 was bei SCHREYÖGG nur

impliziert ist. SCHREYÖGG betont darüber hinaus die Ambiguität von Krisen, d.h.,

dass sie in ihrer Kausalität von den Betroffenen nur sehr begrenzt verstanden

werden.65

Da die beiden Autoren in ihrer Beschreibung der Kernelemente von Unterneh-

menskrisen stark übereinstimmen und beide Beschreibungen auf einer Vielzahl

von Krisendefinitionen basieren, werden Unternehmenskrisen in Anlehnung hieran

im Weiteren als ungewollte und unerwartete Entwicklungen betrachtet, die als

Gefährdung von Unternehmenszielen und damit im Extremfall als Gefährdung der

Unternehmensexistenz in Erscheinung treten. Krisen sollen weiter als zeitlich

begrenzt und als mit einem prozesshaften, sich steigernden Charakter ausgestat-

tet, verstanden werden.

Krisenmanagement kann als Management der Vermeidung oder Bewältigung von

Krisen verstanden werden.66 Damit lässt es sich in zwei große Gruppen von

Ansätzen untergliedern, die der Krisenvermeidung und die der Krisenbewältigung.

Analog zum Verständnis des Managementbegriffs67 kann zwischen Management

als Institution und Management als Funktion unterschieden werden.68 Mögliche

Institutionen des Krisenmanagements können die Führungskräfte, der Vorstand

oder die Aufsichtsgremien eines Unternehmens sein, aber auch externe Berater,

Vergleichs- bzw. Konkursverwalter oder eine Kombination hieraus. Faktisch ist die

Person oder Personengruppe Krisenmanager, die Maßnahmen zur Vermeidung

oder Bewältigung von Krisen durchführt.69 Die vorliegende Arbeit betrachtet die

Funktion der Beschaffung in Unternehmen, so dass die institutionelle Betrachtung

des Krisenmanagements in dem hier angestrebten Bezug keine weitere Relevanz

hat.70

Die Funktion des Krisenmanagements umfasst den Managementregelkreis von

Planung, Durchführung, Organisation und Kontrolle von Prozessen71 sowie die

Werkzeuge ihrer Beeinflussung.72 Eine Besonderheit des Krisenmanagements ist

das Erkennen von Unternehmenskrisen. Da Krisensituationen einerseits zeitlich

begrenzt sind und damit nicht permanent vorliegen und andererseits durch ihren

sich steigernden, prozesshaften Verlauf die Bewältigungschance einer Krise steigt,

je eher sie erkannt wird, kommt der Krisenfrüherkennung eine besondere Bedeu-

tung zu.73 Unternehmenskrisen führen, wenn sie nicht bewältigt werden können,

63 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 14 und KRYSTEK (1987), S. 6. 64 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 6. 65 Vgl. SCHREYÖGG (1999), S. 14. 66 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 90; SCHREYÖGG (2004), S. 13; HAUSCHILDT (2003), S. 65 und STAEHLE

(1993), Sp. 2456. 67 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 91. 68 Zum Verständnis von Management vgl. z.B. STAEHLE (1999), S. 71. 69 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 97-105. 70 Siehe Kapitel 1.2. 71 Zum Managementprozess bzw. Regelkreis vgl. z.B. STAEHLE (1999), S. 81 f. 72 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 91-97 und STAEHLE (1993), Sp. 2456. 73 Vgl. PROBST / RAISCH (2004), S. 44; SCHREYÖGG (2004), S. 27 und HAUSCHILDT (2003), S. 62.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

meist zu Liquiditätsproblemen, Insolvenz und letztlich zum Konkurs.74 Die

Bewältigung von Unternehmenskrisen erfordert Sanierungs- bzw. Restrukturie-

rungsmaßnahmen75 und die Grundlage der Sanierung bzw. Restrukturierung liegt

in der Bewältigung der Krisenursachen.76 Somit ist Betrachtung der Krisen-

ursachen in der Beschaffung auch die Grundlage für die Bewältigung der in der

Beschaffung verursachten Unternehmenskrisen. Grundsätzlich kann, bezogen auf

Krisenmanagement als Bewältigung von Unternehmenskrisen, die Beschaffung,

als für einen großen Kostenbereich verantwortliche Abteilung, zur Bewältigung

bestehender Unternehmenskrisen meist eine Reduzierung der Kosten beitragen.77

Konkrete Krisenbewältigungsmaßnahmen, wie Verhandlungen mit Lieferanten zur

Ausweitung der Kreditlinien oder die Mitwirkung in unternehmensübergreifenden

Restrukturierungsmaßnahmen, wie z.B. der Verringerung der Fertigungstiefe, wer-

den im Folgenden nicht betrachtet, da sie in einen größeren, das gesamte Unter-

nehmen betreffenden Kontext gehören.78

Es bleiben somit die Fragen, welche Krisen durch die Beschaffung entstehen und

wie diese vermieden werden können. Damit liegt der Fokus in der hier vorliegen-

den Arbeit auf einem aktiven, antizipativen und präventiven Krisenmanagement im

Bereich der Beschaffung. Dies hat zum Ziel, Ursachen von Krisen gedanklich vor-

wegzunehmen, alternative Planungen für Krisensituationen zu bilden und Krisen

früh zu erkennen bzw. möglichst zu vermeiden.79 Hierzu ist eine Betrachtung der

Ursachen von Unternehmenskrisen notwendig.80 Ein Beitrag der Beschaffung zur

Bewältigung von Unternehmenskrisen wird somit nur insofern thematisiert, wie die

Untersuchung der Krisenursachen die Grundlage für ihre Bewältigung darstellt.

Die Ursachen für Unternehmenskrisen können in endogene, vom jeweiligen Unter-

nehmen erzeugte, und exogene, in der Umwelt des Unternehmens liegende

Ursachen, unterteilt werden.81 Die Erforschung von Krisenursachen hat heraus-

gearbeitet, dass es eine Vielzahl möglicher exogener und endogener Krisenursa-

chen gibt82 und dass diese in allen Unternehmensbereichen verursacht werden

können.83 Um im Speziellen die möglichen Krisenursachen in der Beschaffung

betrachten zu können, wird zunächst der Bereich der Beschaffung abgegrenzt,

um am Ende dieses Kapitels das Krisenpotenzial in der Beschaffung aufzuzeigen.

74 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 29-32 und HAUSCHILDT (2003), S. 65. 75 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 213 und SIEGLER (1998), S. 176. 76 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 22. 77 Vgl. SIEGLER (1998), S. 176. 78 Vgl. hierzu beispielhaft SIEGLER (1998). 79 Die Begriffe antizipatives bzw. präventives Krisenmanagement werden in Anlehnung an

KRYSTEK verwendet. Antizipatives Krisenmanagement meint die gedankliche Vorwegnahme und die Entwicklung von Alternativplänen für potenzielle Unternehmenskrisen. Unter präventi-vem Krisenmanagement wird die Früherkennung verdeckter, bereits vorhandener Unterneh-menskrisen und deren Vermeidung verstanden. HAUSCHILDT nennt dies: vorausschauendes und prophylaktisches Krisenmanagement. Vgl. KRYSTEK (1987), S. 105-107 und HAUSCHILDT (2003), S. 65.

80 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 32 f. 81 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 68-72; WILDEN (1998), S. 2 und KRAUS / GLESS (1998),

S. 98. 82 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 67 f.

83 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 22.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

2.2 Funktionen der Beschaffung

Der Begriff Beschaffung wird synonym für die Funktion der Beschaffung

und die entsprechenden Institutionen im Unternehmen verwendet. Im Folgenden

werden jedoch keine Fragestellungen der Organisation von Beschaffung betrach-

tet, so dass von Beschaffung als einer Unternehmensfunktion die Rede ist.

Bei der Definition des Begriffs Beschaffung kann eine Differenzierung in ver-

schiedenen Dimensionen vorgenommen werden. Zum einen unterscheiden sich

die Auffassungen von Beschaffung in ihrem Objektumfang, zum anderen in ihrem

Tätigkeitsumfang.84

Die Differenzierung nach Objektumfang zielt darauf ab, welche der von Unterneh-

men benötigten Objekte in den Aufgabenbereich der Beschaffung fallen sollen.

Grundsätzlich benötigen Unternehmen aus ihrer Umwelt Produktionsgüter, Investi-

tionsgüter, Rechte, Dienstleistungen, Arbeitskräfte, Informationen und Kapital.85

Für die Entscheidung in welchem Umfang diese Objekte Aufgabe der Beschaffung

sein sollen, werden in der Literatur zwei gegensätzliche Argumente vertreten. Auf

der einen Seite wird angeführt, dass zwischen den einzelnen Objekten Interaktio-

nen bestehen. Werden z.B. Maschinen beschafft, die Arbeitskräfte substituieren,

so hat diese Entscheidung Einfluss auf Personal und Investitionsgüter.86 Daher

wird von Vertretern dieser Meinung gefordert, alle von Unternehmen eingesetzten

Faktoren in den Verantwortungsbereich der Beschaffung zu legen.87 Auf der ande-

ren Seite wird angeführt, dass die einzelnen Objekte jeweils eine hohe Spezifität

aufweisen und somit von spezialisierten Bereichen betreut werden sollten, wie z.B.

dem Finanzwesen für die Kapitalbeschaffung.88 Es wird hierbei auch von Beschaf-

fung in der engeren und Beschaffung in der weiteren Begriffsfassung

gesprochen.89 Beschaffung im engeren Sinn umfasst lediglich Produktionsgüter,

d.h. Roh-, Halb- und Fertigerzeugnisse, die direkt in die Produktionserzeugnisse

eingehen oder Hilfs- und Betriebsstoffe, die von der Produktion verbraucht wer-

den.90 Beschaffung im weiteren Sinn umfasst zusätzlich Investitionsgüter, Dienst-

leistungen, Kapital, Arbeitskräfte, Informationen und Rechte.91

In der Literatur und der betrieblichen Praxis überwiegt die Begrenzung der

Beschaffung auf Produktionsgüter und teilweise zusätzlich auf Investitionsgüter,

Dienstleistungen, Informationen und Rechte, nicht jedoch auf Personal und

Kapital.92

84 Vgl. GROCHLA / KUBICEK (1976), S. 258-263. 85 Vgl. ARNOLD (1997), S. 3; GROCHLA / KUBICEK (1976), S. 258-263 und KOPPELMANN (2000),

S. 1-3. 86 Vgl. GROCHLA / KUBICEK (1976), S. 258-263. 87 Diese Auffassung vertritt vor allem GROCHLA. Vgl. GROCHLA / KUBICEK (1976); GROCHLA (1977)

und GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980). 88 Vgl. ARNOLD (1997), S. 5; BOGASCHEWSKY (2004), S. 48 und KOPPELMANN (2000), S. 1-3. 89 Vgl. MIKUS (1997), S. 64. 90 Zur Definition von Produktionsgütern vgl. ARNOLD (1997), S. 3 f. 91 Zur Beschaffung im engeren bzw. weiteren Sinn vgl. MIKUS (1997), S. 64. 92 Vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 64; ARNOLD (1997), S. 5; KOPPELMANN (2000), S. 3-5 und

HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 7. Siehe auch die Definitionen in Darstellung 2-3.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Die zweite wichtige Differenzierung des Begriffs Beschaffung wird am Tätigkeits-

umfang vorgenommen.93 In diesem Zusammenhang ist es für das Verständnis

sinnvoll die Begriffe Materialwirtschaft, Logistik, Supply-Chain-Management,

Einkauf und Beschaffung gegeneinander abzugrenzen, da Überschneidungen

zwischen diesen Begriffen existieren.94 Darstellung 2-1 visualisiert die folgende

Begriffsabgrenzung.

Darstellung 2-1: Beschaffung als Funktion im Leistungsprozess

AbsatzmarktBeschaffungsmarktVersorgung

Leistungs-erstellung AbsatzLieferanten Kunden

strategisch: Beschaffung

operativ:Einkauf

Logistik

Supply Chain Management

Leistungsprozess

Material Informationen

interne Funktion

externe Funktion

Materialwirtschaft

Quelle: Eigene Darstellung

Neben anderen Unternehmensfunktionen wie z.B. Finanzwirtschaft oder

Personalwirtschaft, lässt sich der Leistungsprozess eines Unternehmens in die drei

Grundfunktionen Versorgung, Leistungserstellung und Absatz einteilen.95 Im

Zentrum der Unternehmenstätigkeit steht der Prozess der Leistungserstellung,

dem die Versorgung vorgelagert ist.96 Die Versorgung ist eine Schnittstelle

zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt. Sie hat eine interne auf das Unter-

nehmen gerichtete und eine externe auf die Beschaffungsmärkte und Lieferanten

gerichtete Funktion.97

Zur Unterscheidung zwischen Einkauf und Beschaffung wird letzteres als über-

geordnete Aufgabe verstanden, die auch strategische Entscheidungen zur Er-

füllung der Versorgungsfunktion umfasst. Ersteres hingegen ist der operative Teil

der Beschaffung, der nur die Ausführung getroffener Beschaffungsentscheidungen

beinhaltet.98 Er ist gekennzeichnet durch kurzfristige, leicht korrigierbare, schnell

wirksame Routineentscheidungen.99

93 Vgl. GROCHLA / KUBICEK (1976), S. 258-263 und MIKUS (1997), S. 64. 94 Die Notwendigkeit einer solchen Begriffsabgrenzung zeigt sich auch an ähnlichen Abgrenzun-

gen bei ARNOLD (1997), S. 1-10; KOPPELMANN (2000), S. 1-5; KAUFMANN (1999), S. 6-10; ARNOLD / EßIG (2000), S. 122 f. und SEURING / MÜLLER (2004), S. 120-124.

95 Vgl. z.B. BEA / HAAS (2001), S. 182 und KISTNER / STEVEN (1999), S. 18-22. 96 Vgl. z.B. BEA / HAAS (2001), S. 507 und KISTNER / STEVEN (1999), S. 18 f. 97 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 101. 98 KAUFMANN (1999), S. 6-10 und ARNOLD / EßIG (2000), S. 122.

99 Vgl. EßIG / WAGNER (2003), S. 281.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Zwischen Beschaffung, Logistik, Supply-Chain-Management und Material-

wirtschaft besteht eine enge Verflechtung.100 Die Begriffe überschneiden sich und

werden unterschiedlich voneinander abgegrenzt. Logistik wird definiert, als die

Gestaltung des Material- und Informationsflusses in Unternehmen und zwischen

Unternehmen und dessen Lieferanten bzw. Kunden.101 Logistik ist damit die fluss-

orientierte Gestaltung des Leistungssystems von Unternehmen102 zur Über-

brückung von Raum und Zeit sowie zur Ordnung der Güterflüsse.103

Supply-Chain-Management ist eine Verlängerung des Logistikbegriffs, der

Material- und Informationsflüsse ganzheitlich betrachtet, also eine Vielzahl von

Stufen bzw. die komplette Wertschöpfungskette in allen dazugehörenden

Institutionen umfasst.104

PFOHL definiert Materialwirtschaft als Oberbegriff für die Aufgaben der Versorgung.

Beschaffung ist dann der Teil der Materialwirtschaft, der die rechtliche Verfügbar-

keit sicherstellt, d.h. Lieferkapazitäten von Lieferanten erschließt und pflegt.

Logistik wiederum nutzt diese von der Beschaffung erworbenen Lieferkapazitäten

und erzeugt Güter und Informationsflüsse zur Bereitstellung der benötigten

Objekte.105 Diese Sicht entspricht auch der Auffassung von FIETEN, der Be-

schaffung, Bevorratung, Bereitstellung und, mit Einschränkung, Recycling und

Entsorgung als Verrichtungen der Materialwirtschaft zusammenfasst.106

Entsprechend der oben dargelegten Unterscheidung der Beschaffung nach Ob-

jektumfang kann man, bei einer Auffassung der Beschaffung im weiteren Sinne,

diese nicht als Teil der Materialwirtschaft definieren, so dass TEMPELMEIER zu einer

genau gegenteiligen Definition von Beschaffung und Materialwirtschaft kommt. Da

Beschaffung im weiteren Sinne auch z.B. Personal und Kapital beinhaltet, ist

Materialwirtschaft der Teil der Beschaffung, der Produktionsgüter betrifft. Dieser

Unterschied ist jedoch nur oberflächlich, da auch bei dieser Definition die

Materialwirtschaft die Gestaltung der logistischen Aktivitäten und der vertrags-

mäßigen Beziehungen zu Lieferanten bzw. den Einkauf umfasst.107 Dies entspricht

der oben angeführten Definition von Materialwirtschaft und Beschaffung nach

PHOHL und FIETEN, so dass der definitorische Unterschied nur begrifflich existiert.

Nach der begrifflichen Abgrenzung von ARNOLD ist Materialwirtschaft objekt-

bezogen und versucht ein materialwirtschaftliches Optimum zu erreichen.

Beschaffung hingegen betrachte die gleichen Aufgaben eher funktions- und

marktbezogen und ziele auf das Erlangen von Eigentums- und Verfügungsrechten

an den Beschaffungsobjekten ab.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Materialwirtschaft, Logistik, Supply-

Chain-Management und Beschaffung, wie Darstellung 2-2 verdeutlicht, unter-

100 Vgl. ARNOLD (1997), S. 8. 101 Vgl. ARNOLD (1997), S. 6. 102 Vgl. WEBER (1994), S. 21. 103 Vgl. IDHE (1997a), S. 549. 104 Vgl. IHDE (1997b), S. 1046. 105 Vgl. PFOHL (1996), S. 174 f. 106 Vgl. FIETEN (1997), S. 707. 107 Vgl. TEMPELMEIER (1993), Sp. 312 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

schiedliche Sichtweisen der Versorgungsfunktion von Unternehmen darstellen.108

Logistik und Supply-Chain-Management sind hierbei eher auf den Material- und

Informationsfluss gerichtet. Materialwirtschaft ist die objektbezogene Betrachtung

der Versorgung, die als ganzheitliche Betrachtung versucht, ein wirtschaftliches

Optimum der Materialien zu erreichen.

Darstellung 2-2: Die Versorgungsfunktion in Unternehmen

Quelle: Eigene Darstellung

Schließlich kann Beschaffung, in Abgrenzung von den übrigen Begriffen, als Teil

der Versorgungsfunktion definiert werden, der auf die Erlangung der Verfügungs-

gewalt über zur Versorgung benötigte Objekte abzielt, sich hierzu sowohl am

Markt als auch am Unternehmen orientiert und eine Vielzahl an Objekten beinhal-

tet. Die Versorgungsfunktion betrifft die Sicherung der Verfügbarkeit der benötig-

ten Einsatzfaktoren im Leistungserstellungsprozess des Unternehmens. Die Funk-

tion der Beschaffung beinhaltet in diesem Zusammenhang alle notwendigen

Tätigkeiten zur Erlangung der Verfügungsgewalt über Versorgungsobjekte, wie

z.B. Lieferantenauswahl, Vertragsgestaltung, sowie Disposition und Bereitstellung

der Objekte in dem Maße wie hierfür Kontakt und Kommunikation mit Lieferanten

notwendig sind.

Bei der Differenzierung nach Objektumfang wird das Verständnis der oben darge-

stellten Beschaffung im engeren Sinne verwendet und ausgeweitet auf

Investitionsgüter, Dienstleistungen, Informationen und Rechte, nicht jedoch auf

Personal und Kapital.

Eine Übersicht über Definitionen von Beschaffung zeigt Darstellung 2-3.

108 Vgl. ARNOLD (1997), S. 8.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Darstellung 2-3: Definitionen Beschaffung

Definition Beschaffung Autor „Beschaffung umfaßt somit sämtliche unternehmens- und/oder marktbezogene Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, einem Unter-nehmen die benötigten, aber nicht selbst hergestellten Objekte ver-fügbar zu machen."

ARNOLD (1997), S. 3.

„Beschaffung (Procurement) kann als Oberbegriff für alle Tätigkeiten verstanden werden, die der Versorgung einer Organisation mit Materi-al, Dienstleistungen, Betriebs- und Arbeitsmitteln aus betriebsexternen Quellen (Güter- und Dienstleistungsmärkte) und teilweise auch mit Rechten und Informationen dienen." [Ausgenommen: Kapital und Mitarbeiter - Anm. d. Verf.]

BOGASCHEWSKY (2004), S. 48.

„Der Funktionsbereich Beschaffung umfaßt alle diejenigen Tätigkeiten, die auf die Bereitstellung (d. h. die Erlangung der Verfügungsgewalt und die nachfolgende innerbetriebliche Behandlung) der Produktions-faktoren Sachgüter und Dienstleistungen gerichtet ist.“

HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 8.

„Somit können wir Beschaffung als Teil der Unternehmensfremdver-sorgung verstehen. Sie konzentriert sich auf die Versorgung mit Sach-, Dienstleistungs-, Energieprodukten und Rechten. Ihre Hauptaufgabe liegt in der zielgerichteten Planung und Realisation von Vertragsab-schlüssen mit Lieferanten."

KOPPELMANN (2000), S. 5.

„[Beschaffung ist] eine der Grundfunktionen des Unternehmens. Ihre Aufgabe besteht darin, die wirtschaftliche Versorgung des Unterneh-mens mit den benötigten betrieblichen Produktionsfaktoren sicherzu-stellen, die nicht selbst erzeugt werden. Sie dient somit der Gestaltung der rechtlichen, materiellen, finanziellen, räumlichen, zeitlichen und informationellen Beziehung zwischen den externen Anbietern und den Bedarfsträgern im Unternehmen."

MIKUS (1997), S. 64.

Quelle: Eigene Darstellung

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

2.3 Ziele der Beschaffung

Die Ziele der Beschaffung sollen an dieser Stelle betrachtet werden, da sie

die Grundlage der Strategiebildung sind.109

Ziele geben die Möglichkeit sich in Handlungs- und Entscheidungssituationen zu

orientieren, zwischen Alternativen zu selektieren, Handlungen zu steuern und zu

bewerten.110 Darüber hinaus ermöglichen sie es die funktionalen Unternehmens-

bereiche untereinander und mit hierarchisch über- und untergeordneten Unter-

nehmenseinheiten in ihren Handlungen zu koordinieren.111

Wie bereits oben dargestellt wurde, ist die Beschaffung Teil der Grundfunktion der

Versorgung eines Unternehmens und leitet seine Ziele hierarchisch aus den über-

geordneten Zielen der Geschäftseinheiten eines Unternehmens bzw. den Unter-

nehmenszielen ab.112

Ziele und Strategien von Unternehmen werden nachstehend in die unterschied-

lichen Ebenen Gesamtunternehmen, Geschäftsbereiche und Funktionalbereiche

differenziert.113 Auf der Ebene des gesamten Unternehmens werden hierbei Ent-

scheidungen über die generelle Stoßrichtung von Unternehmen getroffen, d.h. ob

ein Unternehmen wachsen, konsolidieren oder desinvestieren soll und in welchen

Geschäftsfeldern hierzu agiert wird.114 Das oberste Ziel von Unternehmen ist die

Sicherung der langfristigen Überlebensfähigkeit. Diese drückt sich im Aufbau, der

Erhaltung und der Nutzung von Erfolgspotenzialen aus.115 Unter Erfolgspotenzialen

sind alle Ausprägungen eines Unternehmens zu verstehen, die Wettbewerbs-

vorteile erzeugen und damit die Existenz des Unternehmens sichern.116 In diesen

Bereich fallen auch Entscheidungen über Produkt- und Marktziele.

Auf der Ebene der Geschäftsfelder wird festgelegt, wie die Wettbewerbsvorteile

aus den Erfolgspotenzialen des Unternehmens erreicht werden117 oder anders

ausgedrückt, wie das Verhalten in einem der festgelegten Produkt-Markt-Bereiche

gestaltet werden soll.118

Hier wird in Anlehnung an BEA / HAAS, WELGE / AL-LAHAM und ARNOLD119 die Un-

terscheidung in generische Wettbewerbsstrategien nach PORTER verwendet.120 Die

grundlegenden Möglichkeiten sich Wettbewerbsvorteile zu erschließen, sind nach

PORTER Kostenführerschaft, Differenzierung oder das Besetzen von Nischen. Hier-

109 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 95 und BEA / HAAS (2001), S. 52 f. Siehe auch die Ausfüh-

rungen in Kapitel 1.2. 110 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 109 f. und BEA / HAAS (2001), S. 72 f. 111 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 109 f. und BEA / HAAS (2001), S. 72 f. 112 siehe Kapitel 1.1, insbesondere Darstellung 1-1. 113 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 324 und BEA / HAAS (2001), S. 163-165. 114 Vgl. BEA / HAAS (2001), S.165-176 und WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 324-326. 115 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 121. 116 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 121. 117 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 176 f. 118 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 377. 119 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 177; WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 377 f. und ARNOLD (1997),

S. 10-12.

120 Zu einer Übersicht anderer Geschäftsfeldstrategien vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 378.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

aus ergeben sich grundsätzlich die möglichen Ziele der preisgünstigste Wettbe-

werber am Markt zu sein, sich über Qualitäten und Leistungen von Wettbewerbern

zu unterscheiden oder spezielle Bedürfnisse zu befriedigen, die andere Unterneh-

men nicht befriedigen können oder wollen.121

Da die Ziele der Beschaffung sich aus den übergeordneten Zielen des Unter-

nehmens und der Geschäftsbereiche ergeben, sind die Ziele der Beschaffung die

Versorgungssicherung, die Reduktion von Kosten und die Sicherung und Ver-

besserung von Qualität und Leistungen.122 Einige Autoren nennen zusätzlich das

Ziel der Unabhängigkeits- bzw. Autonomiesicherung und Flexibilität. Dies bezieht

sich zum einen auf die Unabhängigkeit von Lieferanten, womit die Möglichkeit

erhalten werden soll auf Änderungen am Markt, wie z.B. Preisschwankungen, zu

reagieren.123 Zum anderen ist ein Handlungsspielraum gemeint, der z.B. die

Anpassung von bestellten Mengen bei einem geänderten Bedarf erlaubt.124 Letzte-

res überschneidet sich mit dem Ziel der Versorgungssicherung, Ersteres mit dem

Ziel der Sicherung von möglichen Wettbewerbsvorteilen. Eine Übersicht der

Beschaffungsziele in der zitierten Literatur gibt Darstellung 2-4.125

Darstellung 2-4: Ziele in der Beschaffungsliteratur

WettbewerbsvorteileSicherung der Langfristigen Überlebensfähigkeit

VersorgungssicherungUnabhängigkeit / Kosten- Qualitäts- bzw. Sonstige

Leistungssteigerung reduktionFlexibilität Autor / Quelle

ARNOLD (1997), S.10-12. x x xBOGAS HEWSKY (2004a),CS. 50. x x x

GROCHLA / SCHÖNBOHM xx x x(1980), S. 32-37.HAMANN / LOHRBERG (1986),S. 47-49. x x x Firmenimage

KOPPELMANN 2000), (S. 106-124. xx x x Gemeinwohl

Ziele

Quelle: Eigene Darstellung

Die rechte Spalte der Tabelle zeigt besondere Ziele, die sich nicht einfach in die

Sicherung der Vorsorgung oder der Wettbewerbsvorteile einordnen lassen. So

nennt KOPPELMANN das Ziel des Gemeinwohls,126 bei HAMANN / LOHRBERG findet

sich eine Verbindung von Beschaffung und Firmenimage.127 Das gemeinwohl-

orientierte Beschaffungsziel leitet KOPPELMANN aus der Vermeidung eines un-

günstigen Images, z.B. als Tropenholzverarbeiter, das ökonomisch relevante

Auswirkungen auf den Absatz haben kann, ab.128 HAMANN / LOHRBERG führen als

Beschaffungsziel ein gutes Firmenimage an, da dies Einfluss auf die Be-

schaffungsmärkte haben kann. Ein schlechter Ruf bei Lieferanten, z.B. durch

121 Vgl. PORTER (1997), S. 62-77. 122 Vgl. ARNOLD (1997), S. 10-12; BOGASCHEWSKY (2004), S. 50; GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980),

S. 33-35; HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 48 f. und KOPPELMANN (2000), S. 115-119. 123 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 119 f. und GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980), S. 34 f. 124 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 119 f. 125 Zu einer weiterführenden Darstellung der Beschaffungsziele in der Literatur vgl. MEYER (1986). 126 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 120-122. 127 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 49. 128 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 120-122.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Störungen in der Kommunikation eines Unternehmens mit seinen Lieferanten,

kann negative Auswirkungen auf die Umsetzung der Unternehmensziele haben, so

dass das Firmenimage neben den übrigen Zielen als Ziel der Beschaffung betrach-

tet wird.129

Wie oben bereits angeführt, haben Ziele unter anderem die Funktion die Hand-

lungen funktionaler Unternehmensbereiche untereinander und mit hierarchisch

über- und untergeordneten Unternehmenseinheiten in ihren Handlungen zu

koordinieren. Die dargestellten Ziele der Beschaffung sind unterschiedlich und

nicht immer zueinander kompatibel und verlangen daher einen Abstimmungs-

prozess, an dessen Ende ein Zielkompromiss steht. Dieser ergibt sich aus der

Abstimmung der Unternehmens- und Geschäftsbereichsziele mit der Situation und

voraussichtlichen Entwicklung der Beschaffungsmärkte. Dies entspricht der unter-

schiedlichen Betrachtung des Unternehmens in seinem Gesamtzusammenhang

auf der einen und der spezifischen Informationen des funktionalen Bereichs Be-

schaffung auf der anderen Seite.130 Schließlich ist es Aufgabe der Beschaffungs-

strategie, die Beschaffungsziele zu realisieren.131

2.4 Konzepte der strategischen Beschaffung

Strategien sind nach ihren Zielerträgen ausgewählte Handlungsalternativen.

Sie sollen die Lücke, die sich als Differenz zwischen den Zielen eines Unter-

nehmens und seinem Status-quo ergibt, schließen.132 Grundsätzlich hat die Be-

schaffung als Schnittstelle zwischen den Unternehmen und ihren Beschaffungs-

märkten die Möglichkeiten, entweder den jeweiligen Beschaffungsmarkt oder den

Prozess der Leistungserstellung im eigenen Unternehmen zu beeinflussen.133 Da

die Einflussnahme für beide Möglichkeiten aktiv und passiv sein kann, entstehen

vier beschaffungsstrategische Verhaltensweisen.134 Die Beschaffung kann sich

erstens passiv an die Gegebenheiten des Unternehmens und des Beschaffungs-

marktes anpassen. Zweitens und drittens kann sie sich entweder passiv an die

Gegebenheiten des Unternehmens anpassen und aktiv den Beschaffungsmarkt

beeinflussen oder umgekehrt. Schließlich kann sie viertens sowohl die Gegeben-

heiten des Unternehmens als auch des Beschaffungsmarktes aktiv beeinflus-

sen.135 Welche Verhaltensweise angebracht ist, kann durch eine Bewertung der

möglichen Handlungsalternativen und der gegebenen Situation entschieden

werden.

129 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 169-171. 130 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 48. 131 Vgl. WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 409. 132 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 162. 133 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 101-104. Siehe auch GROCHLA (1977), S. 188; GROCHLA

/ KUBICEK (1976), S. 270 f. und GROCHLA / SCHÖNBOHM (1980), S. 39-42. GROCHLA spricht bei dieser Unterscheidung von Markt- und Betriebspolitik.

134 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 101 f.

135 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 102-104.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Zur Systematisierung der existierenden Strategiekonzepte in der Beschaffung wird

in Anlehnung an BEA / HAAS die Kategorisierung in typologische Vorgehensweisen

und Planungsmodelle verwendet.136 Als typologische Vorgehensweisen oder auch

Normstrategien werden strategische Konzepte bezeichnet, die für bestimmte

Situationen der Umwelt und des Unternehmens, in Verbindung mit bestimmten

Zielkonstellationen, typische Strategien als aussichtsreich bewerten und zur

Umsetzung empfehlen.137 Planungsmodelle wiederum liefern Entscheidungs-

systeme oder mathematische Modelle für die Bewertung strategischer Hand-

lungsalternativen. Planungsmodelle können entweder analytisch oder heuristisch

sein. Analytische und heuristische Planungsmodelle unterscheiden sich dadurch,

dass analytische Modelle durch Algorithmen optimale Lösungen ermitteln, wohin-

gegen heuristische Modelle zu Näherungslösungen auf der Basis von Erfahrungen

aus der Vergangenheit führen.138

Entsprechend dieser Systematisierungen werden einige strategische Konzepte der

Beschaffung dargestellt, die einen Überblick über den aktuellen Stand der wissen-

schaftlichen Literatur geben sollen. Dies sind bei der Darstellung der Planungsmo-

delle die Sourcing-Konzepte nach ARNOLD (1996), CORSTEN (1995) und

KOPPELMANN (2000) und bei den typologischen Vorgehensweisen die Portfolio-

Konzepte nach KRALJIC (1988), MÜLLER (1990) und WILDEMANN (1999). 139

2.4.1 Kombinationskonzepte

Planungsmodelle werden in der Beschaffung oft separat für einzelne Teil-

strategien durchgeführt. Es existieren mathematische Modelle, beispielsweise zur

Berechnung optimaler Bestellmengen oder für die Berechnung des optimalen

Bestellzeitpunktes.140 Teilstrategien, z.B. zur Anzahl der Lieferanten oder Gestal-

tung der Beziehung zu Lieferanten werden auch als Sourcing-Konzepte be-

zeichnet.141 Sourcing-Konzepte sind in diesem Zusammenhang die kleinsten

Elemente einer Beschaffungsstrategie.142

Kombinationsmodelle sind Strategiekonzepte mit dem Ziel, alle wesentlichen

Elemente der Beschaffungsstruktur und der Beschaffungsprozesse zu umfassen

und eine strategische Typenbildung durch eine Kombination der einzelnen

Elemente durchzuführen.143 Beschaffungsstrategien werden bei Kombinationskon-

136 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 182-187. 137 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 182 f. 138 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 184-186. 139 Die Auswahl der Strategiekonzepte erfolgte nach subjektivem Vergleich einer Vielzahl an Kon-

zepten. Ähnliche Darstellungen von Portfolio-Konzepten finden sich bei ARNOLD (1997), S.85-93 und WELGE / AL-LAHAM (2001), S. 411-418. Zur Auswahl der Sourcing-Konzepte vgl. auch ARNOLD / EßIG (2000).

140 Vgl. beispielhaft die Modelle bei HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 105-193. 141 Vgl. ARNOLD (1996), S. 125. 142 Vgl. EßIG / WAGNER (2003), S. 283. 143 Vgl. ARNOLD (1996), S. 126.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

zepten somit als Kombination von unterschiedlichen Teilstrategien verstanden.144

Die Kombination von Teilstrategien zu Maßnahmenbündeln soll bei ihnen so

gestaltet werden, dass eine synergetische Wirkung entsteht.145

Ein solches Kombinationsmodell ist die Sourcing-Toolbox nach ARNOLD (Darstel-

lung 2-5). Die Sourcing-Toolbox ist ein morphologischer Kasten, mit dem sich die

optimale Beschaffungsstrategie (BSopt) als Funktion der Ausprägungen der

einzelnen Teilstrategien ergibt: BSopt = f (L, O, A, Z, S, W).146 Die einzelnen

Ausprägungen sind Lieferantenstrategie (L), Objektstrategie (O), Arealstrategie (A),

Zeitstrategie (Z), Subjektstrategie (S) und Wertschöpfungsstrategie (W).

Darstellung 2-5: Sourcing-Toolbox nach ARNOLD

Lieferant (L) Sole Single Dual Multiple

Stock Demand Tailored Just-in-Time

Local Domestic Global

Unit Modular SystemBeschaffungsobjekt (O)

Beschaffungsareal (A)

Beschaffungszeit (Z)

Beschaffungssubjekt (S)

Wertschöpfungsort (W)

Individual Cooperative

External Internal

Lieferant (L) Sole Single Dual Multiple

Stock Demand Tailored Just-in-Time

Local Domestic Global

Unit Modular SystemBeschaffungsobjekt (O)

Beschaffungsareal (A)

Beschaffungszeit (Z)

Beschaffungssubjekt (S)

Wertschöpfungsort (W)

Individual Cooperative

External Internal Quelle: ARNOLD (1996), S. 1872

Bei der Lieferantenstrategie wird festgelegt, ob das Beschaffungsobjekt von

einem, zwei oder mehr Lieferanten bezogen wird. Die Unterscheidung zwischen

Sole- und Single-Sourcing liegt in der Marktsituation begründet. Bei Sole-Sourcing

handelt es sich beim Lieferanten um einen Monopolisten, wohingegen Single-

Sourcing eine gewählte Beschränkung auf einen Lieferanten darstellt. Objektstra-

tegien unterscheidet ARNOLD nach der Komplexität der Beschaffungsobjekte in

einfache Materialeinheiten, Module und Systeme. Module sind hierbei Liefer-

einheiten aus mehreren Teilen, die komplett integriert werden und sich aus ferti-

gungstechnischen Überlegungen ergeben. Systeme sind hingegen funktionale

Einheiten, die als solche auch entwickelt wurden. Ein System kann dement-

sprechend mehrere Module umfassen. Arealstrategien unterscheiden sich nach

dem Umfang des betrachteten Beschaffungsmarktes. Bei Zeitstrategien können

nach ARNOLD Wareneingangslager als Puffer verwendet werden (Stock-Sourcing),

Einzelbeschaffungen im Bedarfsfall (Demand Tailored-Sourcing) oder fertigungs-

synchrone Anlieferungen eingesetzt werden (Just-in-Time). Bei Beschaffungssub-

jektstrategien wird hier zwischen der Möglichkeit einer individuellen Beschaffung

und der Möglichkeit einer Beschaffung in Einkaufskooperationen unter-

schieden.147 Bei Strategien des Wertschöpfungsortes existieren nach ARNOLD die

Alternativen, den Ort der Wertschöpfung des Lieferanten räumlich in den Wert-

schöpfungsort des nachfragenden Unternehmens zu integrieren (Internal-

144 Vgl. ARNOLD (1996), S. 126 und EßIG / WAGNER (2003), S. 283. 145 Vgl. KOPPELMANN (2000), S.124. 146 Vgl. ARNOLD (1996), S. 128.

147 Vgl. ARNOLD (1996), S. 126 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Sourcing) oder beide räumlich voneinander zu trennen (External-Sourcing).148 Der

Sourcing-Würfel nach CORSTEN (Darstellung 2-6) betrachtet drei Teilstrategien. Er

umfasst die Sourcing-Konzepte Komplexität der Objekte, Ausdehnung der Märkte

und Bezugsquellenzahl.149 Dies entspricht den Komponenten Beschaffungsobjekt,

Beschaffungsareal und Lieferant der Sourcing-Toolbox nach ARNOLD.

Darstellung 2-6: Sourcing-Würfel nach CORSTEN

Modular (System)

Element

Global

Local

Single Dual Multi

Bezugsquellenzahl

Ausdehnung der Märkte

Komplexität der Objekte

Quelle: CORSTEN (1995), S. 575

Damit ist die systematische Erfassung der Sourcing-Konzepte bei CORSTEN im

Vergleich zu ARNOLD weniger umfangreich. Dieses wird von ARNOLD auch explizit

kritisiert und als zu eng bezeichnet.150 Lässt man diese Kritik jedoch gelten, kann

man sie auch auf ARNOLDS Sourcing-Toolbox anwenden. Auch bei ihr werden

nicht alle strategischen Gestaltungsmöglichkeiten der Beschaffung ausgearbeitet,

als Beispiel sei hier nur auf die Teilstrategie der Preisgestaltung verwiesen.151

KOPPELMANN kommt zu einer Differenzierung der Beschaffungsstrategie in

Produktstrategie, Bezugsstrategie, Kommunikationsstrategie, Servicestrategie und

Preisstrategie.152 Er versteht dies als Maßnahmenkatalog, dessen Ausgestaltung

so umfangreich ist, dass an dieser Stelle lediglich das Vorgehen dargestellt wird.153

KOPPELMANN führt für die möglichen Variablen (z.B. kleine Bezugsmengen als Teil

der Bezugsstrategie) eine Expertenbewertung der einzelnen Ausprägungen durch.

Diese führt zur Unterscheidung in unverzichtbar, empfehlenswert oder möglich im

Hinblick auf den Einsatz in Billigprodukten, Normalprodukten, bewährten

148 Vgl. ARNOLD (1996), S. 127 f. 149 Vgl. CORSTEN (1995), S. 575. 150 Vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 125. 151 Vgl. hierzu z.B. KOPPELMANN (2000), S. 134. 152 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 124-134. 153 Vgl. die Variablenausprägungen bei KOPPELMANN (2000), S. 314-324.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Produkten, Spitzenprodukten, innovativen Produkten, Spezialprodukten und

Katalogprodukten. Damit kommt er schließlich, z.B. für ein Spitzenprodukt, zur

umfangreichsten (bezogen auf die hier vorgestellten Konzepte) Variablen-

ausprägung für die Gestaltung der Beschaffung.154

Problematisch sind bei dem Vorgehen der Kombinationskonzepte, von der Teil-

strategie zur Gesamtstrategie, immer die Vollständigkeit und die Strukturierung der

Teilstrategie zu einem stimmigen Gesamtkonzept.155 Mögliche Interdependenzen

müssen berücksichtigt werden, so schließt sich z.B. ein Internal-Sourcing in

Kombination mit einem Cooperativ-Sourcing, als Teile der Sourcing-Toolbox nach

ARNOLD, bereits definitionsgemäß gegenseitig aus.156

Strategien werden wie oben dargelegt als Handlungsalternativen verstanden, aus

denen im Laufe des strategischen Managementprozesses eine Strategie aus-

gewählt werden muss.157 Zu einer solchen Auswahl geben die Kombinations-

modelle keine Entscheidungshilfe, lediglich die mathematische Ermittlung der op-

timalen Strategie bei ARNOLD kann als Entscheidungshilfe verstanden werden.

Diese wird jedoch von ARNOLD nicht weiter ausgeführt. Zur mathematischen Be-

rechnung optimaler Beschaffungsentscheidungen, wie sie z.B. für optimale

Bestellmengen existieren, bleibt auch anzumerken, dass das Zusammenfassen zu

einer Funktion für eine Gesamtstrategie problematisch ist. Dies ist darin be-

gründet, dass hierfür eine Funktion für die Zusammenhänge einer Marktreaktion

benötigt wird. Diese konnte in der betrachteten Literatur nicht ermittelt werden,

HAMMAN / LOHRBERG gehen sogar davon aus, dass es keine Funktion für eine

Marktreaktionen gibt. Wirkungen könnten zeitlich verzögert und über einen

längeren Zeitraum verteilt auftreten.158

Zur Problematik, die richtigen Elemente für ein Kombinationsmodell auszuwählen,

kommt somit noch eine dynamische Komponente, da sich die Situation und die

Wirkung von Elementen verändern können.159

154 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 311-324. 155 Vgl. ARNOLD / EßIG (2000), S. 123-126. 156 Man kann den Lieferanten nicht räumlich in eine Einkaufskooperation integrieren, wenn diese

aus mehreren Unternehmen mit verschiedenen Standorten besteht. 157 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 162. 158 Vgl. HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 193-195.

159 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 310 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

2.4.2 Portfolio-Konzepte

Normstrategien sind in der Beschaffung eng mit der Portfolio-Methode

verbunden. Die Portfolio-Methode ist ein Visualisierungsinstrument, das aus zwei

strategisch bedeutsamen Dimensionen, die auf der Abszisse und Ordinate

gegeben sind, Normstrategien ableitet. Hierzu bedient sich das Portfolio eines

Rasters, das in der Regel vier oder neun Felder umfasst und mit dessen Hilfe die

Normstrategien abgeleitet werden (Darstellung 2-7 zeigt ein solches Portfolio mit

neun, Darstellung 2-8 ein Portfolio mit vier Feldern).160

Einer der Ersten, der die Portfolio-Methoden für Beschaffungsentscheidungen

einsetzte, war KRALJIC.161 Darstellung 2-7 zeigt das Einkaufsportfolio nach KRALJIC

in einer späteren Version, die jedoch bis auf die Reihenfolge der Achseneinteilung

mit seinem Konzept von 1977 übereinstimmt.

Darstellung 2-7: Einkaufsportfolio nach KRALJIC

Lieferantenmacht

Nachfragemacht

Hoch

Mittel

Niedrig

HochMittelNiedrig

DiversifizierenAbschöpfen Abwägen

Lieferantenmacht

Nachfragemacht

Hoch

Mittel

Niedrig

HochMittelNiedrig

DiversifizierenAbschöpfen Abwägen

Quelle: KRALJIC (1988), S. 491

Bei KRALJIC sind die Dimensionen aus denen sich die Beschaffungsstrategien

ableiten lassen, die Machtverhältnisse zwischen Lieferant und Abnehmer auf dem

Beschaffungsmarkt. KRALJIC führt als Grundlage seines Portfolios zunächst eine

Analyse der Beschaffungsobjekte und des Lieferantenmarktes durch. Er unter-

scheidet bei den Beschaffungsobjekten unkritische Güter, Hebelprodukte, Eng-

passgüter und strategische Produkte.162 Die Analyse der Beschaffungsobjekte

führt somit zu einer Erfassung ihrer Bedeutung für die Leistungserstellung eines

Unternehmens. Wichtige Faktoren sind hierfür das Einkaufsvolumen, die

160 Zu einer ausführlichen Darstellung der Portfolio-Methodik vgl. HINTERHUBER (1992), S. 106-

147. 161 Vgl. KRALJIC (1977). Siehe auch ARNOLD (1997), S. 85. 162 Vgl. KRALJIC (1988), S. 486 und ähnlich KRALJIC (1977), S.72 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Komplexität der Objekte, die Substituierbarkeit und die Lagerungseigenschaften,

die für ihn alle Teil des Beschaffungsrisikos einzelner Beschaffungsobjekte sind.163

Die Analyse des Lieferantenmarktes führt simultan zu unkritischen Lieferanten,

Hebellieferanten, kritischen Lieferanten und Kernlieferanten. Wichtige Faktoren

sind in diesem Fall z.B. Kostenstruktur, Kapazitätsauslastung, Logistik und Sub-

lieferanten, relativer Marktanteil und die Konkurrenten der einzelnen Lieferanten.164

Ziel der Lieferantenmarktanalyse ist es, die Lieferstabilität und die Verhandlungs-

stärke einzelner Lieferanten zu bewerten und damit Rückschlüsse auf mögliche

Beschaffungsrisiken und Verhandlungspotenziale zu ziehen. 165

Aus diesen Analysen wird die Positionierung der verschiedenen Beschaffungs-

objekte im Einkaufsportfolio (Darstellung 2-7) ermittelt und daraus die

entsprechende Beschaffungsstrategie als Richtung für Handlungsoptionen

abgeleitet.166

Bereits bei KRALJIC werden zur Bewertung der Dimensionen Nachfragemacht und

Lieferantenmacht auch Merkmale des Beschaffungsrisikos in der Material- und

Lieferantenanalyse berücksichtigt. MÜLLER kommt bei seinem Konzept direkt zu

einem Portfolio mit den Dimensionen Versorgungsrisiko und Ergebniseinfluss.

Darstellung 2-8 zeigt die Beschaffungsmatrix der Siemens AG nach MÜLLER.

Darstellung 2-8: Beschaffungsmatrix nach MÜLLER

III I

IV II

Technische Komplexität / Versorgungsrisiko

Einkaufsvolumen / Ergebniseinfluss

I = technische Zusammenarbeit

II = Marktpotential ausschöpfen

III = Verfügbarkeit gewährleisten

IV = effizient abwickeln

Hoch

Hoch

Niedrig

Niedrig

B- & C-Teile A-Teile

III I

IV II

Technische Komplexität / Versorgungsrisiko

Einkaufsvolumen / Ergebniseinfluss

I = technische Zusammenarbeit

II = Marktpotential ausschöpfen

III = Verfügbarkeit gewährleisten

IV = effizient abwickeln

Hoch

Hoch

Niedrig

Niedrig

B- & C-Teile A-Teile

Quelle: MÜLLER (1990), S. 52

Zur Bewertung des Versorgungsrisikos werden hier die Lieferfähigkeit und Liefer-

treue der Lieferanten im Bezug auf Preis, Qualität und technischem Know-how

betrachtet. Der Ergebniseinfluss des kaufenden Unternehmens hängt vom Auf-

tragsvolumen bezogen auf das Beschaffungsobjektes ab.

163 Vgl. KRALJIC (1977), S. 74-76. 164 Vgl. KRALJIC (1977), S. 76-78. 165 Vgl. KRALJIC (1977), S. 76-78.

166 Vgl. KRALJIC (1988), S. 490 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Bei einem in großen Mengen benötigten Beschaffungsobjekt, das auf Grund

seiner technischen Komplexität nicht unbegrenzt verfügbar ist, muss das kaufende

Unternehmen eine andere Beschaffungsstrategie wählen, als bei einem in großen

Mengen verfügbarem standardisierten Produkt.167

WILDEMANN wählt für sein Beschaffungsstrategieportfolio ebenfalls die Dimensio-

nen Versorgungsrisiko und Einkaufsvolumen. Er leitet seine Entscheidung jedoch,

wie bereits bei KRALJIC angedacht, aus zwei separaten Portfolios, dem Beschaf-

fungsgüter- und dem Beschaffungsquellenportfolio, ab. Darstelleung 2-9 zeigt,

dass diese direkt in das Beschaffungsgüter-/Beschaffungsquellenportfolio ein-

gehen. WILDEMANN betrachtet somit nicht nur das Beschaffungsvolumen als

Einflussfaktor, sondern berücksichtigt auch die Entwicklungsmöglichkeit der

Lieferanten, weil er dies explizit für Strategien einer partnerschaftlichen Beziehung

als relevant erachtet.168

Darstellung 2-9: Portfolio nach WILDEMANN

Beschaffungsgüterportfolio

Einkaufsvolumen

Hoch

A-Materialien

Niedrig

C-Materialien

Mittel

B-Materialien

Versorgungsrisiko Beschaffungsquellenportfolio

Lieferantenentwicklungspotential

Hoch

Niedrig

Mittel

Versorgungsrisiko

HochNiedrig Mittel

Beschaffungsgüter-/ Beschaffungsquellenportfolio

Strategische Materialien

Strategische Lieferanten

Kern-lieferanten

Bottelneck-Lieferanten

Standard-Lieferanten

Kern-materialien

Bottelneck-Materialien

Standard-materialien

Wertschöpfungs-partnerschaft

Martkpotentialnutzen, dann

partner-schaftlicheZusammenarbeit

Sicher-stellen der

Verfüg-barkeit

Effizient be-

schaffen

Bottelneck-Lieferanten

Strategische Lieferanten

Kern-Lieferanten

Standard-lieferanten

Bottelneck-Lieferanten

Strategische Lieferanten

Kern-Lieferanten

Standard-lieferanten

Beschaffungsgüterportfolio

Einkaufsvolumen

Hoch

A-Materialien

Niedrig

C-Materialien

Mittel

B-Materialien

Versorgungsrisiko Beschaffungsquellenportfolio

Lieferantenentwicklungspotential

Hoch

Niedrig

Mittel

Versorgungsrisiko

HochNiedrig Mittel

Beschaffungsgüter-/ Beschaffungsquellenportfolio

Strategische Materialien

Strategische Lieferanten

Kern-lieferanten

Bottelneck-Lieferanten

Standard-Lieferanten

Kern-materialien

Bottelneck-Materialien

Standard-materialien

Wertschöpfungs-partnerschaft

Martkpotentialnutzen, dann

partner-schaftlicheZusammenarbeit

Sicher-stellen der

Verfüg-barkeit

Effizient be-

schaffen

Bottelneck-Lieferanten

Strategische Lieferanten

Kern-Lieferanten

Standard-lieferanten

Bottelneck-Lieferanten

Strategische Lieferanten

Kern-Lieferanten

Standard-lieferanten

Bottelneck-Lieferanten

Strategische Lieferanten

Kern-Lieferanten

Standard-lieferanten

Bottelneck-Lieferanten

Strategische Lieferanten

Kern-Lieferanten

Standard-lieferanten

Quelle: WILDEMANN (1999), S. 442

KRALJIC kommt in seinem Einkaufsportfolio zu den drei Strategierichtungen: Ab-

schöpfen, Abwägen und Diversifizieren.169 Die Beschaffungsmatrix nach MÜLLER

führt zu vier Strategierichtungen: technische Zusammenarbeit, Marktpotenzial

ausschöpfen, Verfügbarkeit gewährleisten und effizient abwickeln.170 Diese groben

Strategierichtungen nach MÜLLER entsprechen denen nach WILDEMANN, der sie als

Wertschöpfungspartnerschaft (entspricht technischer Zusammenarbeit), Markt-

167 Vgl. MÜLLER (1990), S. 51 f. 168 Vgl. WILDEMANN (1999), S. 441-443. 169 Vgl. KRALJIC (1988), S. 490 f. 170 Vgl. MÜLLER (1990), S. 51-53.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

potenzial nutzen, Sicherstellen der Verfügbarkeit und effizient beschaffen bezeich-

net.171

Damit können die typologischen Vorgehensweisen in vier grundlegende Norm-

strategien, im Sinne von Strategierichtungen bzw. Grundrichtungen, bei der Aus-

wahl von Handlungsoptionen zusammengefasst werden. Die erste Strategie

Effizient beschaffen/abwickeln gilt für Beschaffungsobjekte, die unproblematisch

zu beschaffen sind und für Unternehmen ein geringes Einkaufsvolumen repräsen-

tieren. Dies sind bei WILDEMANN und MÜLLER z.B. standardisierte Beschaffungs-

objekte, die frei und unbegrenzt verfügbar sind und für den Leistungserstellungs-

prozess nur eine untergeordnete Rolle spielen.172 Ziel des Unternehmens sollte es

in diesem Fall sein, so wenige Ressourcen wie möglich für die Beschaffung dieser

Objekte zu verwenden, da selbst bei umfangreicher Suche nach alternativen

Bezugsquellen und intensiven Verhandlungen ein erreichbarer Nutzen, wie etwa

Qualitätssteigerungen oder Kostenreduzierungen, gering bleibt. Effizient be-

schaffen bedeutet also die Kosten des Beschaffungsprozesses zu optimieren,

gegebenenfalls Einkaufsgemeinschaften zu bilden und so den eigenen Ergebnis-

einfluss zu verbessern oder die Beschaffung dieser Objekte an Serviceunter-

nehmen auszulagern.173

Problematischer werden für Unternehmen Beschaffungsobjekte eingeschätzt, bei

denen die Unternehmen durch ihr geringes Nachfragevolumen wenig Einfluss-

möglichkeiten auf den Beschaffungsmarkt haben und gleichzeitig mit Ver-

sorgungsproblemen rechnen müssen, da z.B. Lieferantenkapazitäten eng, bzw.

Rohstoffe knapp sind oder Zollrestriktionen Lieferungen erschweren. Die in diesen

Situationen empfohlene Normstrategie Diversifizieren bzw. Verfügbarkeit gewähr-

leisten/sicherstellen, kann zu Sicherheitsbeständen im unternehmenseigenen

Lager führen, aber auch die Suche nach neuen Lieferanten und gegebenenfalls

die Substitution der Beschaffungsobjekte beinhalten.174

Die Strategie Abschöpfen bzw. Marktpotenzial nutzen/ausschöpfen wird immer

dann empfohlen, wenn die Marktsituation die nachfragenden Unternehmen be-

günstigt. Eine solche Situation liegt z.B. vor, wenn ein Unternehmen hohe Be-

schaffungsvolumina bei standardisierten Beschaffungsobjekten nachfragt und

somit zwischen einer Vielzahl vergleichbarer Lieferanten wählen kann. Unter-

nehmen wird in solchen Fällen empfohlen, die eigenen Interessen aggressiv am

Markt durchzusetzen.175 Anschließend können mit Lieferanten, die als besonders

geeignet erscheinen, weitere Optimierungen der Beschaffung partnerschaftlich

angestrebt werden und die Kosten- und Leistungssituation durch eine intensive

Abstimmung zwischen Unternehmen und Lieferanten verbessert werden.176 Dies

171 Vgl. WILDEMANN (1999), S. 441-443. 172 Vgl. MÜLLER (1990), S. 52 und WILDEMANN (1999), S. 444. 173 Vgl. ARNOLD (1997), S. 91. 174 Vgl. MÜLLER (1990), S. 52; WILDEMANN (1999), S. 444 und ARNOLD (1997), S. 92. 175 Vgl. MÜLLER (1990), S. 52; WILDEMANN (1999), S. 444; KRALJIC (1988), S. 490 und ARNOLD

(1997), S. 91.

176 Vgl. WILDEMANN (1999), S. 444 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

stellt aber bereits den Übergang zur Strategie der Wertschöpfungspartnerschaft

dar.

Wertschöpfungspartnerschaft bzw. technische Zusammenarbeit ist die

empfohlene Normstrategie, wenn Beschaffungsobjekte hohen Versorgungsrisiken

unterliegen, technisch komplex und für die Leistungserstellung des nachfragenden

Unternehmens essentiell sind. Wenn nun gleichzeitig das Unternehmen starken

Einfluss auf den Beschaffungsmarkt nehmen kann, weil es hohe Volumina nach-

fragt, können von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit das nachfragende

Unternehmen und der Lieferant profitieren.177

Diese Normstrategien sind als Grundausrichtung für detaillierte Aktionspläne zu

verstehen, die durch Teilstrategien umgesetzt werden können.178 Problematisch ist

bei der Anwendung der Portfolio-Methode immer die Aggregation der Ent-

scheidungseinflüsse auf zwei Dimensionen. Auch ist der unterstellte Ursache-

Wirkungszusammenhang, der die Grundlage der Auswahl der Dimensionen ist,

nicht operationalisierbar179 bzw. wird nicht berücksichtigt.180 Die Zuordnung von

Normstrategien fördert eine schematische Handhabung und die Portfolio-

Methodik ist statisch auf einen Zeitpunkt bezogen.181

Normstrategien liefern im Detail wenig konkrete und umsetzbare Erkenntnisse,

haben aber den Vorteil, dass sie grobe Richtungen vorgeben und durch die Port-

folio-Methodik eine Entscheidungshilfe geben.182 Kombinationsmodelle hingegen

leisten konkrete Teillösungen für die Beschaffung. Problematisch ist bei ihnen vor

allem die Zusammenführung zu einer Gesamtstrategie und die verbindende Aus-

richtung, die eine Bewertung und Auswahl von Kombinationen ermöglicht. Hierzu

benötigen die vorgestellten Kombinationsmodelle zusätzliche Analysen und Ent-

scheidungshilfen.183 Möglich wäre auch eine Kombination von Normstrategien mit

einer Konkretisierung mittels eines Sourcing-Kombinations-Modells.184

Im Weiteren werden die vier oben dargestellten grundlegenden Normstrategien als

Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen gewählt, da die vorliegende Arbeit

Strategien als Ansatzpunkt zur Vermeidung von Krisen, im Sinne einer Gefährdung

dominanter Ziele, betrachtet.185 Eine Betrachtung der einzelnen Teilstrategien wäre

nicht realisierbar, da es, wie oben ausgeführt, verschiedene Auffassungen zu Art

und Umfang der Teilstrategien gibt. Daher wären die sich aus den Kombinationen

der einzelnen Teilstrategien ergebenen Gesamtstrategien auch nicht vergleichbar.

Eine zusammenfassende Typenbildung würde schließlich wieder zu den Gemein-

samkeiten und damit zu Normstrategien führen.

177 MÜLLER (1990), S. 51f.; WILDEMANN (1999), S. 445; ARNOLD (1997), S. 92 und KRALJIC (1988),

S. 490. 178 Vgl. KRALJIC (1988), S. 490 f. 179 Vgl. ARNOLD (1997), S. 86. 180 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 183. 181 Vgl. ARNOLD (1997), S. 86. 182 Vgl. BEA / HAAS (2001), S. 184. 183 Siehe Kapitel 2.4.1. 184 Dies schlagen z.B. CORSTEN (1995) und KRALJIC (1988) vor. Auch bei KOPPELMANN (2000)

findet sich eine Kombination von Portfolio und Instrumentaltoolbox (vgl. ebd., S. 311-314). 185 Siehe Kapitel 1.1.

34

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

2.5 Krisenursachen in der Beschaffung

Wie oben ausgeführt, wird in dieser Arbeit der antizipative und präventive

Ansatz des Krisenmanagements verfolgt, der die Vermeidung von Unternehmens-

krisen zum Ziel hat. Dazu werden nun die beschaffungsspezifischen Ursachen von

Unternehmenskrisen erörtert.186

Die Ursachenforschung von Unternehmenskrisen versucht generell Ursache-

Wirkungs-Zusammenhänge zu ermitteln und so Ansatzpunkte für die Krisenfrüher-

kennung und Krisenbewältigung zu liefern.187 Zur Frage der Ursachen von Krisen

gibt es in der wissenschaftlichen Literatur sowohl theoretische Modelle188 als auch

empirische Studien. Hierbei sind die Aussagen für die Beschaffung aber nur be-

dingt verwertbar, da die Studien auf Unternehmen allgemein angelegt sind.189 Als

Krisenursachen werden z.B. die konjunkturelle Entwicklung, Veränderungen im

Umfeld von Unternehmen, Management- und Führungsfehler oder die zu geringe

Kapitalausstattung eines Unternehmens identifiziert.190 Teilweise werden auch

Indikatoren für die Gefährdung eines Unternehmens nach Alter, Größe oder

Rechtsform ermittelt, die ebenfalls keine Relevanz für einzelne Unternehmens-

funktionen wie die Beschaffung haben.191

Legt man die oben definierte Funktion der Beschaffung einerseits und die Nicht-

erreichung von Zielen und damit die Gefährdung des Fortbestehens von Unter-

nehmen als Krisenmerkmal andererseits zugrunde, können in der Beschaffung, als

Versorgungssicherung, als Sicherung von Wettbewerbsvorteilen oder als

Sicherung der Autonomie von Unternehmen, Ziele nicht erreicht werden. 192

In der Versorgungssicherung können prinzipiell zwei Arten von Krisenursachen

auftreten. Erstens sind dies Fehlmengen, also eine zu geringe oder fehlende

Versorgung mit Objekten, die für die Produktion benötigt werden, was zum Pro-

duktionsausfall und wiederum zu Fehlmengen auf den Absatzmärkten führt.

Zweitens kann eine mangelnde Qualität von beschafften Objekten auftreten. All-

gemein kann unter dem Begriff Qualität zum einen die Güte, als Wert, eines

Objektes zum anderen, aber auch seine Beschaffenheit verstanden werden.193

Qualität wird hier als bestimmte Ausprägung von Merkmalen verstanden, die für

die Produktion und die vom Kunden geforderten Eigenschaften des Endproduktes

notwendig sind und somit sowohl die Güte als auch die Beschaffenheit der

Beschaffungsobjekte umfasst. Somit wird unter Qualität z.B. auch die Herstellung

von Beschaffungsobjekten ohne Einsatz von Kinderarbeit, als spezifische Be- 186 Siehe Kapitel 2.1. 187 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 32 f. 188 Als besonders bedeutende Theorien z.B. geht SCHREYÖGG (2004) auf die Wachstumstheorie,

die Lebenszyklustheorie und die Theorie der unterbrochenen Gleichgewichte ein. Vgl. ebd. S. 24-27.

189 Vgl. die Übersicht von empirischen Studien bei KRYSTEK (1987), S. 33-67. 190 Vgl. KRYSTEK (1987), S. 68-71. 191 Vgl. HAUSCHILDT (2003), S. 62. 192 Siehe oben, insbesondere Kapitel 2.3 und Darstellung 2-4.

193 DUDENREDAKTION (1990).

35

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

schaffenheit, verstanden. Mangelnde Qualität führt entweder direkt zu Absatzaus-

fällen, da das Produkt nicht verkauft werden kann oder zunächst zu Produktions-

ausfällen, da gar nicht erst produziert werden kann. Führt das Qualitätsproblem

nur zu Absatzausfällen und nicht bereits vorher zu Produktionsausfällen, so ist es

kein Problem der Versorgungssicherung in der Beschaffung, sondern der

Sicherung von Wettbewerbsvorteilen.

Nimmt man einen kausalen Zusammenhang zwischen Qualitätsproblemen und

Fehlmengen mit Absatz- und Produktproblemen an, lässt sich zumindest einge-

schränkt die Relevanz dieser Krisenursachen mit der empirischen Studie von

HAUSCHILDT belegen. HAUSCHILDT hat eine Analyse von den Kreditprotokollen 142

insolvent gewordener Unternehmen durchgeführt und die statistische Häufigkeit

von dort genannten Insolvenzgründen ausgewertet. Er kommt so zu einer Liste

von strukturellen und betrieblichen Krisenursachen und nennt als strukturelle Prob-

leme unter anderem schlechte Materialwirtschaft und Produktpolitik. Anhand der

statistischen Häufigkeit einzelner Ursachen hat HAUSCHILDT vier Typen von krisen-

haften Unternehmen gebildet, wobei Unternehmen mit massiven Absatz-

problemen den ersten Typ bilden. 194

Bei der Übertragung der Studie von HAUSCHILDT auf die Beschaffung, können

allerdings keine Rückschlüsse mehr auf die Häufigkeit und damit auf die tatsäch-

liche Relevanz dieser Krisenursachen gezogen werden, da nicht alle Probleme in

Absatz, Produktion und Materialwirtschaft durch Qualitätsprobleme und Fehl-

mengen in der Beschaffung entstehen müssen. Die Studie von HAUSCHILDT wird

an dieser Stelle angeführt, da ihre Ergebnisse aktuell sind. Sie ist jedoch kritisch zu

betrachten, da sie eine Vielzahl von verschiedenen Krisenursachen rein statistisch

miteinander verknüpft. Auch beschränkt HAUSCHILDT sich auf insolvente Unter-

nehmen und vernachlässigt somit Krisen, die von Unternehmen bewältigt wurden

bevor es zu einer Insolvenz kam.

Eine Abwägung diverser empirischer Studien wird hier nicht durchgeführt, da eine

explizite Thematisierung von Krisenursachen in der Beschaffung benötigt würde.

Studien zu Unternehmenskrisen stellen statistische Auswertungen der Häufigkeit

von Krisenursachen dar195 und sind somit nicht ausschließlich auf die Beschaffung

gerichtet. Ohne dies wäre immer eine kausale Übertragung auf die Beschaffung

notwendig, die dazu führen würde, dass die Ergebnisse immer teilweise spekulativ

und nicht miteinander vergleichbar blieben. Beispielhaft sei hier noch eine weitere

aktuelle Studie von PROBST / RAISCH erwähnt.196 Diese kommen zu dem Ergebnis,

dass letztlich alle Krisen auf Managementfehlern beruhen. Dieses Ergebnis lässt

sich auch in anderen Studien finden, dort allerdings immer nur als eine von

mehreren Krisenursachen.197 Auch die Ergebnisse von PROST / RAISCH lassen sich

auf die Beschaffung übertragen, allerdings wiederum nur als Ableitung von Aussa-

194 Vgl. HAUSCHILD (2002). 195 Vgl. SCHREYÖGG (2004), S. 22. 196 Vgl. PROBST / RAISCH (2004). 197 Vgl. die Übersicht von empirischen Studien bei KRYSTEK (1987), S. 33-67.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

gen über Unternehmen zu Aussagen für den Unternehmensbereich Beschaffung.

Im Folgenden wird aufgrund der hier skizzierten Problematik mit empirischen

Studien ein Vorgehen anhand theoretischer Überlegungen zu Ursachen-

Wirkungs-Zusammenhängen von Krisen und ihren Ursachen verfolgt.

Neben den bereits dargelegten Krisenpotenzialen der Versorgungssicherung

bestehen noch weitere Krisenpotenziale im Nichterreichen von Wettbewerbs-

vorteilen, durch Kostenreduktion oder Qualität, sowie im Verlust von Autonomie.

Zum Autonomiebestreben kann ebenfalls die Studie von HAUSCHILDT angeführt

werden, da dort von Lieferanten oder Abnehmern abhängige Unternehmen als

zweiter von vier krisenanfälliger Unternehmenstyp gesehen werden.198 Hierbei

kann wiederum kein direkter Rückschluss auf die Beschaffung gezogen werden,

da die empirischen Daten neben der Abhängigkeit von Lieferanten auch die Ab-

hängigkeit von Abnehmern enthalten.

Übertragbar auf den Bereich der Beschaffung ist auch die Differenzierung in

endogene und exogene Krisenursachen.199 So können die genannten Fehl-

mengen- und Qualitätsprobleme durch Fehler in der Beschaffung oder Bedarfs-

planung, aber auch durch Fehler bei Lieferanten oder auf dem Transportweg ent-

stehen.200 Ersteres wären endogene Ursachen im Unternehmen, letzteres exogene

Ursachen, die jedoch in der Supply Chain liegen. Daneben können exogene

Krisenursachen auch die globale Verknappung von Ressourcen sein, hier sei bei-

spielhaft der Stahlpreis genannt, der 2003 durch eine Verknappung der benötigten

Rohstoffe wie z.B. Erz und Kohle um ca. 150% stieg.201 Weiterhin sind exogene

Ursachen auch Naturkatastrophen oder Streiks, wie z.B. 2003 beim Automobil-

zulieferer ZF in Brandenburg, der die Produktion gleich mehrerer namhafter Auto-

mobilzulieferer zum Erliegen brachte.202 Schließlich ist als exogene Krisenursache

noch die Veränderung der von Kunden geforderten Produktqualitäten zu nennen.

Beispielsweise gefährdeten die veränderten Ansprüche von Konsumenten an

soziale und ökologische Standards die Wachstumsziele von Unternehmen wie

Adidas, McDonald´s, Wal-Mart oder Starbucks und führten dazu, dass diese öko-

nomische, ökologische und soziale Standards auch bei ihren Lieferanten in

Niedriglohnländern etablieren mussten.203 Darstellung 2-10 zeigt eine Übersicht

der hier identifizierten Krisenpotenziale der Beschaffung, unterteilt in endogene

und exogene Ursachen. Bei dieser Unterteilung muss noch erwähnt werden, dass

einige im Bezug auf das jeweils betrachtete Unternehmen exogene Ursachen

gleichsam innerhalb der Supply Chain liegen und somit für das betrachtete Unter-

nehmen beeinflussbar sein können.

198 Vgl. HAUSCHILD (2002). 199 Siehe Kapitel 2.1. 200 Vgl. MELZER-RIDINGER (2000). 201 Vgl. AMELING (2004). 202 Vgl. beispielhaft SCHNEIDER (2003). 203 Zum Beispiel Adidas vgl. BERGIUS (2004). Zu den übrigen Beispielen vgl. SCHRAGE (2004),

S. 18.

37

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Darstellung 2-10: Krisenursachen in der Beschaffung

Endogene Krisenursachen Exogene Krisenursachen

• Fehler in der Auftrags-bearbeitung der Lieferanten

• Qualitätsmängel

• Verlust eines Lieferanten

• Insolvenz eines Lieferanten

• Veränderter Mengenbedarf auf den Absatzmärkten

• Neue Qualitätsanforderungen der Absatzmärkte

• Forderungen von Stakeholdern (Staat, Gesellschaft, NGO`s, Gewerkschaften)

z.B. Gesetze, Boykotte, Streiks

• Rohstoffverknappung

• Naturkatastrophen

• Fehler in der Bedarfsplanung oder Disposition

• Fehler in der Einschätzung der Marktanforderungen

• Fehler beim Transport von Beschaffungsobjekten

Quelle: Eigene Darstellung

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

3. Organisationstheorien und Krisen-

potenziale der Beschaffung

Das dritte Kapitel behandelt Organisationstheorien als Grundlage von Er-

kenntnissen zur Krisenprävention in der Beschaffung. Um im Weiteren die oben

dargestellten Beschaffungsstrategien anhand organisationstheoretischer Erkennt-

nisse im Hinblick auf die identifizierten Krisenpotenziale kritisch reflektieren zu

können, wird an dieser Stelle zunächst ein Überblick über die Vielzahl an Orga-

nisationstheorien gegeben. Daran anschließend werden Kriterien zur Relevanz für

die Beschaffung formuliert und anhand dieser eine Auswahl der relevanten Orga-

nisationstheorien zur weiteren Betrachtung vorgenommen. Es werden hierbei die

bereits in der Beschaffungsliteratur vorliegenden organisationstheoretischen

Betrachtungen dargestellt. Darüber hinaus werden die als relevant eingestuften

Organisationstheorien behandelt, die mit der Darstellung der Theorien in der

Beschaffungsliteratur nicht erfasst werden. Mittels der herausgearbeiteten Er-

kenntnisse werden abschließend die Krisenpotenziale der im zweiten Kapitel aus-

gewählten Beschaffungsstrategien erarbeitet.

3.1 Begriff und Inhalt von Organisationstheorien

Organisationstheorien werden in der Literatur sowohl als Theorien der

Unternehmensführung, als Managementtheorien oder als Organisationstheorien

bezeichnet.204 Vergleicht man verschiedene Veröffentlichungen, so stellt man fest,

dass eine starke Überschneidung zwischen den Theorien existiert, die z.B.

MACHARZINA unter der Bezeichnung Theorien der Unternehmensführung erläutert

und Theorien, die z.B. KIESER in seinem Buch über Organisationstheorien be-

handelt.205 Diese Überschneidungen sind nach WOLF darauf zurückzuführen, dass

sich die Theorien alle auf Organisationen als Objekt beziehen und alle die Ge-

staltung und die Einwirkung auf Organisationen zum Ziel haben.206

Trotz der Unterschiede zwischen Unternehmensführung, Management und Orga-

nisation, wird daher an dieser Stelle, in Anlehnung an WOLF, nicht zwischen

Theorien der Unternehmensführung, Management- und Organisationstheorien

unterschieden.207 Es wird vielmehr einheitlich der Begriff Organisationstheorien

204 Vgl. WOLF (2003), S. 37 ff. 205 Beide behandeln: Scientific Management bzw. Tayloristischen Ansatz, Verfügungsrechtean-

satz, Transaktionskostenansatz, Prinzipal-Agent-Ansatz, Evolutionstheoretischen Ansatz und den Kontingenzansatz bzw. Situativen Ansatz. Vgl. KIESER (2002) und MACHARZINA (2003).

206 Vgl. WOLF (2003), S. 39-41.

207 Vgl. WOLF (2003), S. 37-41. WOLF verwendet die Bezeichnung „Organisations-, Management- und Unternehmensführungstheorien (OMU-Theorien)“.

39

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

verwendet. Diese Bezeichnung wird gewählt, weil sie häufig verwendet wird208 und

Unternehmen als organisatorische Einheiten gesehen werden können.209 Somit

sind alle Theorien die sich auf Organisationen als Objekte beziehen auch auf Un-

ternehmen anwendbar.

Versucht man sich dem Begriff der Theorie zu nähern, lässt eine Theorie sich um-

schreiben, als ein System begründeter Aussagen zur Erklärung von Tatsachen.

Sie beinhaltet die Begriffe, Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien eines bestimmten

Bereiches.210 Theorien werden als Systeme von Hypothesen betrachtet, die

modellhaft die Wirklichkeit abbilden. Sie werden ferner als Hauptträger der wis-

senschaftlichen Erkenntnisbemühungen angesehen, in denen wissenschaft-liche

Einzelbefunde zusammengefasst werden.211 Sie beinhalten dabei empirisch als

hinreichend bestätigt erachtete Erklärungsmodelle und können somit vom Einzel-

fall abstrahieren.212

Schwierigkeiten bereitet bei der Betrachtung der verschiedenen Theorien jedoch,

dass in der Betriebswirtschaftslehre der Theoriebegriff unterschiedlich aufgefasst

wird. Die unterschiedlichen Auffassungen fußen bereits wissenschaftstheoretisch

in der Frage, ob das Vorgehen der Betriebswirtschaftslehre verstehend oder

erklärend gestaltet werden soll.213 Erklärend bedeutet in diesem Zusammenhang,

dass aus einzelnen Tatsachen mittels übergeordneten Gesetzen und logischer

Ableitung eine Erklärung für Sachverhalte ermittelt wird.214 Die Gegenposition des

verstehenden Vorgehens führt hierzu an, dass im Bereich sozialer Systeme keine

übergeordneten Gesetze, sondern lediglich statistische Regelmäßigkeiten existie-

ren. Handlungen von Individuen können darüber hinaus nicht nach ihrem

Ergebnis, sondern nur nach ihren intendierten subjektiven Absichten bewertet

werden.215 BEA / GÖBEL merken hierzu an, dass es das Ziel von Organisations-

theorien ist, Informationen für die zielgerichtete Gestaltung der Unternehmens-

struktur zu erbringen.216 Um Empfehlungen zur Gestaltung von Unternehmen be-

reitstellen zu können, muss eine Theorie jedoch zunächst einmal die Bildung ein-

heitlicher Begriffe und damit die Eindeutigkeit in der Beschäftigung mit einem Un-

tersuchungsfeld gewährleisten. Darauf aufbauend kann sie reale Sachverhalte

beschreiben und in einem weiteren Schritt erklären. Die höchste Stufe der Theo-

208 Vgl. WOLF (2003), S. 37 ff. 209 Vgl. KISTNER / STEVEN (1999), S. 24. 210 Vgl. DUDENREDAKTION (1990). 211 Vgl. WOLF (2003), S. 2-11. 212 Vgl. HILL / FEHLBAUM / ULRICH (1994), S. 44. 213 Vgl. KIESER (1993), S. 7; WOLF (2003), S. 14. 214 Dieses deduktiv-nomologische Vorgehen kann z.B. aus den Tatsachen, dass der Kühlwasser-

behälter eines Autos bis zum Rand gefüllt war, das entsprechende Auto im Freien stand und es gefroren hat, mittels des physikalisch übergeordneten Gesetzes, dass Wasser sich bei Frost ausdehnt die Erklärung für einen geplatzten Kühlwasserbehälter ableiten. Vgl. KIESER (1993), S. 7-16.

215 Vgl. KIESER (1993), S. 16-22 und WOLF (2003), S. 15. 216 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 22 und WOLF (2003), S. 3.

40

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

riebildung ist es, wenn eine Theorie schließlich zukünftige Phänomene prognosti-

zieren und Handlungsempfehlungen zu ihrer Beeinflussung geben kann.217

Im Folgenden werden Organisationstheorien als in sich konsistente Summe von

Erkenntnissen betrachtet. Diese haben das Ziel Sachverhalte in Organisationen zu

beschreiben, erklären, prognostizieren und Empfehlungen zur gestaltenden Be-

einflussung zu geben. Dies allerdings unter Berücksichtigung einer eingeschränk-

ten Gültigkeit von Erklärungen, Prognosen und Gestaltbarkeit in Bezug auf Indivi-

duen und damit auch auf Organisationen.

Es existiert eine Vielzahl an Organisationstheorien.218 Als Gründe hierfür werden

neben den angesprochenen grundlegenden Unterschieden im theoretischen Ver-

ständnis der Betriebswirtschaftslehre, unterschiedliche Einflüsse aus verschiede-

nen Disziplinen gesehen.219 An Fragestellungen der Organisation arbeiten nicht nur

Betriebswirte, sondern auch Soziologen, Psychologen und andere Disziplinen.220

Darüber hinaus wird vor allem die Komplexität von Organisationen als Grund für

die Vielzahl der Organisationstheorien angeführt.221 Die in ihnen untersuchten

Phänomene setzen sich aus verschiedenen Teilproblemen zusammen, was zu

einer Vielzahl von Theorien geführt hat, die jeweils Problemstellungen anderer

Teilprobleme betrachten. Die Vielzahl an Organisationstheorien wird schließlich

noch verstärkt durch das Fehlen einer einheitlichen Systematisierung und Begriff-

lichkeit der Theorien.222

Darstellung 3-1 zeigt Theorien und ihre Bezeichnungen aus vier aktuellen Publika-

tionen, die Organisationstheorien behandeln. Die Publikationen sind: „Organi-

sation, Management, Unternehmensführung“ von JOACHIM WOLF (2003), „Organi-

sationstheorien“ von ALFRED KIESER (2002), „Organisation" von FRANZ BEA und

ELISABETH GÖBEL (2002) und „Organisation. Grundlagen moderner Organisations-

gestaltung“ von GEORG SCHREYÖGG (2003). Die Auswahl der Organisationstheorien

für die weitere Betrachtung beruht auf einem Vergleich dieser Publikationen, da

eine vollständige Erfassung aller Organisationstheorien zu umfangreich wäre und

in diesem Rahmen nicht möglich ist.223 BEA / GÖBEL weisen sogar explizit darauf

hin, dass ihre Auswahl keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und subjektiv

ist.224 Um die Theorien bewerten zu können, sind die sich inhaltlich entsprechen-

den Theorien einander zugeordnet worden. Die linke Spalte von Darstellung 3-1

217 Vgl. WOLF (2003), S. 7-9 und BEA / GÖBEL (2002), S. 26. Zu einer ausführlichen Darstellung

siehe auch CHMIELEWICZ (1982). 218 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 36; WOLF (2003), S. 42 und KIESER (1993), S. 1. 219 Vgl. WOLF (2003), S. 43 und KIESER (1993), S. 2. 220 Z.B. beruht die Theorie der Selbstorganisation ursprünglich auf naturwissenschaftlichen Er-

kenntnissen. Vgl. GÖBEL (1998). 221 Vgl. WOLF (2003), S. 42; BEA / GÖBEL (2002), S. 36 f. und KIESER (1993), S. 1. 222 Die Unterschiede werden in Darstellung 3-1 deutlich. Bezeichnend ist, dass selbst bei dem

weitverbreiteten Ansatz des Scientific Management nach TAYLOR keine einheitliche Bezeich-nung existiert. Zur Vielzahl an Systematisierung vgl. auch WOLF (2003), S. 47 sowie S. 437-445.

223 Zum Problem der Diversifikation der Organisationstheorien und der damit verbundenen Prob-lematik der vollständigen Theorieerfassung vgl. KIESER (1998), S. 338 f. und WOLF (2003), S. 47.

224 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 40-42.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

enthält die Bezeichnungen, die im Folgenden für die jeweiligen Theorien verwendet

werden. Die Strukturierung der Organisationstheorien orientiert sich weitestgehend

an der Struktur von WOLF, da seine, in Bezug auf die Anzahl der Theorien, die

umfangreichste der betrachteten Publikationen ist. An einigen Stellen wurde diese

Strukturierung jedoch erweitert und von WOLF zusammengefasst betrachtete

Theorien einzeln aufgeführt. Auch wurde die ursprünglich chronologische Reihen-

folge, die bei WOLF vorliegt,225 aufgegeben um die verschiedenen Publikationen

vergleichen zu können.

Darstellung 3-1: Organisationstheorien

WOLF (2003) KIESER (2002) BEA / HAAS (2002) SCHREYÖGG (2003)

Bürokratieansatz Bürokratieansatz Bürokratieansatz Bürokratieansatz Bürokratieansatz

Scientific Management Scientific Management Tayloristischer Ansatz Tayloristischer Ansatz Tayloristischer Ansatz

Administrativer Ansatz Administrativer Ansatz - - Administrativer Ansatz

Human-Relations- Human-Relat ns-ioAnsatz

Human-Relations-Human-Relations-

Ansatz Ansatz AnsatzVerhaltens-

Anreiz-Beitrags-wissenschaftliche Verhaltens- -TheorieTheorien wissenschaftliche

Entscheidungs- Entscheidungs-Entscheidungstheorie Empirischtheorien theoretischer A. Logisch-math.

PräskriptiveEntscheidungstheorien - - -

Spiel / TeamNeue Institutionen- Neue Institutionen- Institutionenöko- Institutionenöko- Entscheidungs-

ökonomische Ansätze ökonomische Theorien nomische Theorien nomischer Ansatz forschung (mikro)Machttheoretischer Machttheoretischer

- - -Ansatz Ansatz

Systemtheorie Systemtheorie - - Systemtheorie

Evolutionstheore- Evolutions-theor ischeretAnsatz

Evolutions-theoretischer-

tischer Ansatz Ansatz Evolutions-

Selbstorganisations- theoretischer AnsatzSelbstorganisations- Selbstorganisations-

theorie -theorie theorie

Ressourcenbasierter Human-RessourceRessource Based View - -

Ansatz AnsatzSituations- und

Situativer Ansatz Situativer Ansatz - -Interaktionstheorie

Strukturalistischer Strukturtechnischer StrukturalistischerGestaltansatz -

Ansatz Ansatz Ansatz

Informationsver- Informationsver-

arbeitungsansatz - - -arbeitungsansatz

Symbolischer AnsatzKonstruktivistischerInterpretativer Ansatz

Ansatz PostmoderneInterpretativer Ansatz Interpretativer AnsatzGiddeons Theorie

- -Struktur

Institutionalistischer InstitutionalistischeInstitutionalistischer- -

Ansatz Ansatz Ansatz

Quelle: Eigene Darstellung

225 Vgl. WOLF (2003), S. 47.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

3.2 Bewertungskriterien für die Relevanz von

Organisationstheorien für die Beschaffung

CHIEMLEWICZ unterscheidet in der Wissenschaft generell zwischen Theorie

und Technologie. Als Technologien versteht er wissenschaftliche Betrachtungen

die Ziele verfolgen. In den Wirtschaftswissenschaften und der Betriebswirtschaft

sei dies jedoch problematisch, da bereits im untersuchten Objekt Ziele enthalten

sind. Da soziale Realitäten Objekt dieser Wissenschaften sind, sehen sie sich da-

mit konfrontiert, dass die untersuchten sozialen Objekte Ziele verfolgen, die folglich

auch in Untersuchungen mit theoretischem Inhalt enthalten sind.226 Zwischen

Theorie und Technologie kann demnach in den Wirtschaftswissenschaften nicht

genau getrennt werden.227

Da mit der vorliegenden Arbeit das Ziel verfolgt werden soll einen Ansatz zur Ver-

meidung von Unternehmenskrisen in der Beschaffung zu untersuchen, geht die

vorliegende Betrachtung in die technologische Richtung der Wirtschaftswissen-

schaften. Die Technologie ist nach CHIEMLEWICZ der Theorie nicht überlegen,228

bietet aber die Vorteile anwendungs- und realitätsbezogener zu sein.229 Allerdings

muss die Technologie für jeden Anwendungsbereich ein gesondertes Ziel / Mittel-

Aussagensystem konzipieren.230 Hierzu werden Ursachen-Wirkungs-Aussagen

benötigt, die im Folgenden durch Organisationstheorien bereitgestellt werden

sollen. Allerdings werden nur solche Ursachen-Wirkungs-Aussagen benötigt, die

der Zielerreichung dienen. Darüber hinaus beinhaltet die oben erläuterte Speziali-

sierung einzelner Organisationstheorien aufgrund der Komplexität des

Forschungsobjektes bereits, dass verschiedene Organisationstheorien sich auch

mit verschiedenen Teilproblemen von Organisationen und Unternehmen be-

schäftigen. Somit ist eine Auswahl aus der Vielzahl der Theorien sinnvoll.231

Organisationstheorien haben, wie oben dargelegt, alle Organisationen und somit

auch Unternehmen als Objekt ihrer Betrachtung. Demzufolge können zunächst

einmal alle Theorien auf die Beschaffung als Teil von Unternehmen angewendet

werden. Im Folgenden sollen jedoch die Theorien gefunden werden, die für die

spezielle Funktion Beschaffung besonders relevant sind. Hierzu werden zunächst

Auswahlkriterien zur Bewertung der einzelnen Theorien gebildet, welche die Be-

sonderheiten der Beschaffung und des Beschaffungsprozesses in Abgrenzung zu

den übrigen Funktionen eines Unternehmens betrachten.

226 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 186 f. 227 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 191. 228 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 200 f. 229 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 192-201. 230 Vgl. CHIEMLEWICZ (1979), S. 199.

231 Siehe Kapitel 3.1.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Beschaffung wurde oben definiert als:232

B

s

N

d

B

i

d

A

D

Q

D

l

i

b

h

K

2

2

2

44

Marktorientierter Teil der Versorgung zur Erlangung der Verfügungsgewalt über

und Sicherung der Verfügbarkeit von benötigten und nicht selbst produzierten

Objekten.

eschaffungsrelevante Organisationstheorien sollten daher Informationen bereit-

tellen zu:

1. Märkten / Marktverhalten

2. Verträgen / Vertragsgestaltung

3. Beziehungen zwischen Unternehmen und Lieferanten

4. Verhalten von Lieferanten

5. Umgang mit Ressourcen

eben der Beschaffung als Funktion eines Unternehmens ist auch der Prozess

er Beschaffung für die Entstehung von Unternehmenskrisen und die strategische

eschaffung relevant. In der Literatur wird in der Regel explizit oder implizit als

nhaltliche Reihenfolge ein Beschaffungsprozess vorgegeben. Darstellung 3-2 zeigt

ie Beschaffungsprozesse der Autoren KOPPELMANN, HAMMANN / LOHRBERG UND

RNOLD.233

arstellung 3-2: Beschaffungsprozesse

HAMMANN / LOHRBERG (1986) KOPPELMANN (2000) ARNOLD (1995)Situationsanalyse RahmenbedingungenBedarfsanalyse Bedarfsanalyse BedarfsplanungMarktanalyse und -auswahl

Spezifikation der Bedarfs BestandsplanungLieferantenanalyse und -auswahl Lieferantenanalyse

Angebote einholenLieferantenverhandlungBewertung der Angeobte undAuswahl der Lieferanten

Bestellpolitik Beschaffungsabwicklung Objektrealisation und Überprüfungder Vertragserfüllung

LieferantenpolitikAbfallwirtschaft

uelle: Eigene Darstellung.

ie Beschaffungsprozesse aus Darstellung 3-2 unterscheiden sich sowohl inhalt-

ich, als auch in der Reihenfolge der einzelnen Prozessschritte. Gemeinsam ist

hnen jedoch, dass zunächst Analysen durchgeführt werden sollen, darauf auf-

auend Bewertungen stattfinden und Entscheidungen getroffen werden. Darüber

inaus wird ein Bedarf an stetigen Tätigkeiten, wie Informationsgewinnung,

ontrolle und Organisation der Beschaffung dargestellt.234

32 Siehe Kapitel 2.1. 33 Vgl. KOPPELMANN (2000); HAMMANN / LOHRBERG (1986) und ARNOLD (1997). 34 Einen guten Überblick hierzu bekommt man bereits beim Betrachten der Inhaltsverzeichnisse

der dargestellten Literatur. Vgl. KOPPELMANN (2000); HAMMANN / LOHRBERG (1986) und ARNOLD (1997).

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Da die Organisation bzw. Gestaltung von Unternehmen, bzw. der Beschaffung als

Institution in Unternehmen im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet werden soll235

und die Kontrolle der Beschaffung nicht für die Planung der Beschaffung, sondern

lediglich nachgelagert für ihre Überprüfung angewendet werden kann, ergeben

sich für die Beschaffungsrelevanz von Organisationstheorien noch zwei weitere

Kriterien:

3

L

z

l

B

i

a

D

W

d

i

g

s

I

K

E

b

o

e

W

T

V

w

w

2

2

2

2

6. Informationserlangung / -verarbeitung

7. Entscheidungsfindung

.3 Theoretische Betrachtungen in der

Beschaffungsliteratur

Unabhängig von den Kriterien zur Beschaffungsrelevanz gibt es in der

iteratur bereits theoretische Ausführungen zur Beschaffung. Diese sollen nun

unächst dargestellt werden, wobei die notwendige Relevanz der Theorien in An-

ehnung an die jeweiligen Autoren als gegeben betrachtet wird.

ereits auf beschaffungsspezifische Probleme übertragen worden, sind die neuen

nstitutionenökonomischen Ansätze im Allgemeinen und hierbei speziell der Trans-

ktionskosten-Ansatz und der Prinzipal-Agent-Ansatz.236

ie grundlegenden Annahmen des Transaktionskostenansatzes sind, dass in der

irtschaft Aufgaben, wie die Erstellung oder Verwertung von Gütern, existieren,

ie in Arbeitsteilung vollbracht werden müssen, da einzelne Wirtschaftssubjekte in

hrer Zeit, ihrem Wissen, ihrem Können oder ihren Kapazitäten anderweitig be-

renzt sind. Diese Arbeitsteilung muss koordiniert werden, wobei zu berück-

ichtigen ist, dass Wirtschaftssubjekte prinzipiell eigene, sich widersprechende

nteressen verfolgen können.237 Der Transaktionskostenansatz kennt für diese

oordination prinzipiell zwei Möglichkeiten, den Markt und die Hierarchie. Eine

rweiterung des Transaktionskostenansatzes, der auch als Netzwerktheorie

ekannt ist, führt zusätzlich eine dritte Koordinationsform, die der inter-

rganisationalen Netzwerke, als eine Hybridform zwischen Markt und Hierarchie,

in.238

elche Koordinationsform optimal ist, hängt in dieser Betrachtungsweise von den

ransaktionskosten ab. Transaktionskosten umfassen die Kosten der Klärung und

ereinbarung im Vorfeld bzw. der Kontrolle im Nachhinein eines Austausches

irtschaftlicher Güter. Sie kommen zu den eigentlichen Kosten des jeweiligen

irtschaftlichen Gutes hinzu. Transaktionskosten können Kosten für die Suche

35 Siehe Kapitel 1.2. 36 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 69-76; HOMBURG / WERNER (1998); KAAS (1992) und NOORDEWIER /

JOHN / NEVIN (1990). 37 Vgl. PICOT (1982), S. 269. 38 Zu einer detaillierten Darstellung vgl. beispielhaft SYDOW (1992).

45

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

nach Partnern sein, Kosten die durch die Verhandlung und die Vertragserstellung

entstehen, Kosten für die Kontrolle von Vereinbarungen oder Kosten für die An-

passung und Veränderung getroffener Vereinbarungen.239

Transaktionskosten steigen durch Informationsunvollkommenheiten in Bezug auf

die Umwelt bzw. zukünftige Umweltzustände und damit verbundenen An-

forderungen an Unternehmen. Dies gilt auch für Informationsunvollkommenheiten

in Bezug auf das Objekt der Transaktion. Ist das Objekt sehr spezifisch, so wird es

schwer vergleichbar und ist nicht objektiv zu bewerten. Dies ist auch der Fall,

wenn es in einer Austauschbeziehung keine Alternativen zu einem Partner bzw.

dem von ihm gestellten wirtschaftlichen Gut gibt. Darüber hinaus können auch das

Fehlen von Sachkenntnissen bei einer der beteiligten Parteien einer Austausch-

beziehung und Vertrauensprobleme die Transaktionskosten erhöhen. Einen

senkenden Einfluss auf die Transaktionskosten hat, durch Lerneffekte und Ver-

trauensbildung, schließlich die Transaktionshäufigkeit.240

Darstellung 3-3: Transaktionskosten bei Markt-, Hybrid- oder Hierarchie als Koordinationsform

Spot-Beschaffungrelationale Beschaffung

Austauschbeziehung Lieferant / Kunde

Marktaustausch Hybridform Hierarchie (Integration)

Markt

Hybridform

Hierarchie

Unsicherheit Komplexität Spezifität

Transaktions-kosten

Quelle: HOMBURG / WERNER (1998), S. 985.

Darstellung 3-3 zeigt die Zusammenhänge von Unsicherheit und Transaktions-

kosten für die Koordinationsformen Markt, Hierarchie und die Hybridform, die im

betrachteten Zusammenhang in langfristigen Lieferverträgen bzw. Kooperationen

besteht.241

Es ergeben sich für die Beschaffung zwei optimale Beschaffungsarten in Ab-

hängigkeit von Unsicherheit, Komplexität und Spezifität in Bezug auf die Unter- 239 Vgl. PICOT (1982), S.270 f. 240 Vgl. PICOT (1982), S. 271 f. PICOT führt darüber hinaus noch Einflüsse der Infrastruktur, wie z.B.

Kommunikationstechnologien oder rechtliche Rahmenbedingungen, auf Transaktionskosten an. Vgl. ebd.

241 Zu Umfang und Ausprägungen von Netzwerken bzw. der Hybridform vgl. SYDOW (1992), S. 248.

46

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

nehmensumwelt, das Verhalten der Lieferanten und der Beschaffungsobjekte.

Zum einen ist dies die Spot-Beschaffung und zum anderen die Relationale Be-

schaffung. Die Möglichkeit der hierarchischen Lösung ist eine Entscheidung gegen

den Fremdbezug einer Leistung zugunsten ihrer Integration in ein Unternehmen

und wird daher hier nicht betrachtet. Im Folgenden wird der Begriff Relationale

Beschaffung verwendet. In anderen Zusammenhängen wird eine solche

zwischenbetriebliche Verbindung auch als Netzwerk, Kollektiv oder Hybrid

bezeichnet.242

Eine Spot-Beschaffung ist in diesem Zusammenhang eine rein marktliche Koordi-

nation, wobei der Preis als Koordniationsinstrument dient.243

NOORDEWIER / JOHN / NEVIN haben in einer empirischen Untersuchung Unter-

nehmen zu ihrem Kaufverhalten bei Kugel- und Rollenlagern in Bezug auf den

jeweiligen Hauptlieferanten und die übrigen Lieferanten befragt.244 Sie konnten

hierbei mit einer Betrachtung der Kosten in der Beschaffung, als Summe der

Kosten des eigentlichen Objekts, der Akquisition und der Lagerhaltung, empirisch

belegen, dass das Ergebnis von Einkäufern sich verbesserte, wenn sie bei hoher

Unsicherheit die Beziehung zu Lieferanten intensivierten.245

Eine intensive Beziehung zu Lieferanten wurde hierbei an fünf Merkmalen festge-

macht. Erstens der prinzipiellen Bereitschaft des Lieferanten flexibel auf

Änderungen zu reagieren und zweitens in der eigenen Auftragsabwicklung früh-

zeitig auf Lieferprobleme hinzuweisen bzw. diese zu kompensieren oder vorsorg-

lich Lagerbestände aufzubauen. Drittens in der Bereitschaft des Käuferunter-

nehmens Informationen über eigene Absatzprognosen und langfristige Planungen

an den Lieferanten weiterzugeben. Viertens die erwartete Kontinuität der

Beziehung und schließlich fünftens einer Kontrolle des Lieferanten durch das

Käuferunternehmen, die untypisch ist für Transaktionen am Markt und eher bei

eigenen Abteilungen (Hierarchie) angewendet wird.246 Dies führt zu folgender

Erkenntnis:

E1: Komplexität der Umwelt, Unsicherheiten oder eine hohe Spezifität der

Beschaffungsobjekte steigern die Transaktionskosten und begünstigen

intensive Beziehungen zu Lieferanten.

Im Fall der relationalen Beschaffung kann von einer Prinzipal-Agent-Beziehung

ausgegangen werden.247 Eine Prinzipal-Agent-Beziehung ist eine Zusammenarbeit

von Wirtschaftssubjekten, bei der beide Parteien einen Nutzen aus der Zusam-

242 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 57. 243 Vgl. HOMBURG / WERNER (1998), S. 985. 244 Ausgangspunkt der Untersuchung waren 20 Branchen, die als Hauptverarbeiter von Kugel-

und Rollenlagern gelten. Über Branchenverzeichnisse wurden 483 Unternehmen ermittelt und befragt. Der Rücklauf der Fragebögen führte zu einer Datenbasis von n=140. Vgl. NOORDEWIER / JOHN / NEVIN (1990), S. 86 f.

245 Vgl. NOORDEWIER / JOHN / NEVIN (1990). 246 Vgl. NOORDEWIER / JOHN / NEVIN (1990), S. 83 f.

247 Vgl. KAAS (1992), S. 889.

47

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

menarbeit erwarten, aber jeweils im Eigeninteresse handeln.248 Die erste Partei ist

der Prinzipal. Er beauftragt den Agenten, da seine Kapazitäten beschränkt sind, in

seinem Interesse mit einer Aufgabe. Dabei geht er das Risiko ein, dass der Agent,

der durch das Detailwissen der Aufgabendurchführung einen Informations-

vorsprung hat, diesen gegen ihn nutzt oder im Auftrag des Prinzipals Maßnahmen

ergreift, die seinem eigenen Vorteil und nicht dem des Prinzipals dienen.249

Darstellung 3-4: Informationsverteilung im zeitlichen Ablauf einer Kontrakt-güterbeschaffung

Akquisitions-phase

Erstellungs-phase

Verwendungs-phase

Verkäufer

Käufer

Defizit

Vorsprung

Vorsprung

Defizit

Defizit

Vorsprung

(Informationsdefizit / -vorsprung)

Verkäufer

Käufer

Vorsprung

Defizit

Vorsprung

Defizit

Defizit

Vorsprung

1. Käufermärkte

2. Verkäufermärkte

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KAAS (1992), S.889-891.

Darstellung 3-4 zeigt einen Beschaffungsprozess, der in Anlehnung an KAAS in drei

Phasen unterteilt ist. KAAS zeigt auf, dass die prinzipielle Einteilung in das kaufende

Unternehmen als Prinzipal und das verkaufende Unternehmen bzw. der Lieferant

als Agent nicht ganz richtig ist, da die Informationsvorteile, die charakteristisch für

den Agenten sind im Laufe des Beschaffungsprozesse wechseln.

Während der Akquisitionsphase kann z.B. der Verkäufer Qualitäten und Eigen-

schaften versprechen, die er nicht hat. Das nachfragende Unternehmen bzw. der

potentielle Käufer kann hingegen sein Kaufinteresse vortäuschen, um an Informa-

tionen und Vorleistungen zu gelangen, die ihn in die Lage versetzen, das Kaufob-

jekt bei einem Konkurrenten des Verkäufers billiger zu erstehen. Wer in dieser

Phase einen Informationsvorsprung hat, hängt davon ab, ob die Marktsituation

Käufer oder Verkäufer begünstigt. In der Erstellungsphase hat der Lieferant bzw.

Verkäufer mehr Möglichkeiten opportunistisch zu seinen Gunsten zu agieren, da

seine Leistungen weniger transparent sind als die Gegenleistung des Käufers, der

in der Regel nur bezahlt.250 In der Verwendungsphase schließlich kann wiederum

der Käufer als Abnehmer der erbrachten Leistung durch falsche Garantie-

248 Vgl. KAAS (1992), S. 888. 249 Vgl. ELSCHEN (1991), S. 1004 und KAAS (1992), S. 888 f. 250 Vgl. KAAS (1992), S. 889 f.

48

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

ansprüche, Reklamationen oder zurückgehaltene Leistungen opportunistisch

agieren.251

KLEINALTENKAMP / WOLTERS stellen für dieses von KAAS skizzierte Problem oppor-

tunistischen Verhaltens spieltheoretische Überlegungen an und analysieren

Kooperationsprobleme von Automobilherstellern und Zulieferunternehmen.252 Da-

bei gehen sie entscheidungstheoretisch vor und charakterisieren die Ent-

scheidungssituation als Gefangenendilemma.253 Beide Parteien haben die Mög-

lichkeit, zusammenzuarbeiten oder auf Kosten der Gegenseite den eigenen

Nutzen zu erhöhen. Kooperieren beide Parteien, ist der Nutzen für beide höher als

eine separate Nutzenmaximierung. Kooperiert jedoch nur eine der Parteien und

nutzt die andere dieses aus, so erzielt die ausnutzende Partei den höchsten

Nutzen.254 Dies relativiert sich jedoch über die Zeit, wenn mehrere Entscheidungs-

situationen vorliegen, da bei zukünftigen Entscheidungen die Gegenseite dann

nicht mehr kooperieren wird. Langfristig ist daher ein beidseitiges kooperatives

Verhalten nutzenmaximal.255

Entscheidend für den Erfolg der relationalen Austauschbeziehungen bei der

Betrachtung als Gefangenendilemma ist zum einen der Zeithorizont und zum

anderen Reputation und Vertrauen. Ist das Ende der Beziehung nicht abzusehen,

ist kooperatives Verhalten und die daraus resultierende Nutzenmaximierung

plausibel. Der Nutzen für beide Parteien steigt sogar noch zusätzlich, da durch die

Häufigkeit der Transaktionen die Transaktionskosten sinken.256 Auch Reputation,

die aus Handlungen in der Vergangenheit entsteht, und Vertrauen in den Partner

der Austauschbeziehung müssen, gemäß der spieltheoretischen Überlegungen,

ebenfalls vorhanden sein, denn rechnet eine der beiden Parteien mit einem Ende

der Beziehung oder nicht kooperativem Verhalten des Gegenübers, so versucht

sie diesem zuvor zukommen und den eigenen Nutzen dadurch zu steigern.257

Somit würde die Kooperation von vornherein scheitern.

E2: Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens bestehen während eines Be-

schaffungsprozesses für Käufer und Lieferanten. Das Ausnutzen von Vortei-

len zu Lasten von Lieferanten führt zu ebenfalls opportunistischem Verhalten

der Lieferanten.

E3: Intensive Lieferantenbeziehungen und kooperierendes Vorgehen sind nur

plausibel, wenn die Beziehung langfristig bzw. potentiell unbefristet ist und

ein Vertrauensverhältnis existiert bzw. aufgebaut werden kann.

251 Vgl. KAAS (1992), S. 890. 252 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997). 253 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S.60. Zu einer detaillierten Darstellung des Gefange-

nendilemmas siehe HOLLER / ILLING (2003). 254 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 60-62. 255 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 64. 256 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 62 f.

257 Vgl. KLEINALTENKAMP / WOLTERS (1997), S. 64. Auch KAAS (1992) führt Vertrauen und Reputati-on als entscheidend an (vgl. ebd., S. 892-897).

49

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Diese Erkenntnisse für die relationale Beschaffung können prinzipiell auch für die

Spot-Beschaffung gelten, wenn man davon ausgeht, dass ein opportunistisches

Verhalten am Markt nicht anonym bliebe und die eigene Reputation und das Ver-

trauen bei zukünftigen Austauschpartnern beeinflusst. Die Auswirkungen des Ver-

haltens hingen jedoch von der Marktsituation ab und wären nicht so direkt zu

ermitteln, wie bei einer relationalen Beschaffung.

Ebenfalls Beachtung gefunden in der Beschaffungsliteratur haben der macht-

theoretische Ansatz258 und als besondere Ausprägung der machttheoretischen

Betrachtungen die Ressourcenabhängigkeitsbetrachtungen.259 Die macht-

theoretische Literatur geht davon aus, dass eine starke Machtposition auf der

Seite der kaufenden Unternehmen diesen ermöglicht, geringere Preise durchzu-

setzen und anders herum eine größere Macht auf der Seite der Lieferanten diesen

erlaubt höhere Preise zu verlangen. COOL / HENDERSON haben in einer Studie die

Bedeutung von verschiedenen Machteinflüssen, die in der Literatur diskutiert

werden, empirisch untersucht. Sie haben hierzu eine Auswertung anhand von

Unternehmensdaten durchgeführt, die 1994 von der BANQUE DE FRANCE unter

ihren Kunden erhoben worden waren.260

Die untersuchten Ursachen für unterschiedliche Machtverhältnisse aus der

wissenschaftlichen Literatur waren in der Struktur der Märkte, in Abhängigkeiten,

zugesprochener Macht oder dem Grad der vertikalen Integration in einer Wert-

schöpfungskette begründet. Die Struktur der Märkte, spiegelt hierbei vor allem die

Konzentration der kaufenden und verkaufenden Unternehmen. Macht resultiert

aus einer geringen Anzahl an Käufern bzw. Verkäufern, wie z.B. bei einem Mono-

pol bzw. Oligopol. Abhängigkeiten entstehen durch die Relevanz des Käufers oder

Verkäufers für die jeweils andere Partei. Dies kann z.B. darin begründet sein, dass

ein Lieferant ein für den Leistungserstellungsprozess des Käufers essentielles Gut

liefert oder der Käufer als Kunde einen erheblichen Anteil am Umsatz des Lieferan-

ten hat. Zugesprochene Macht entsteht aus der Fähigkeit den Nutzen der

Lieferanten zu verändern, bzw. die Wahrnehmung der Lieferanten über ihren

Nutzen. Dies kann durch Zugeständnisse und Drohungen entstehen und kann

auch als Verhandlungsgeschick umschrieben werden.

Die vertikale Integration in die Wertschöpfungskette steigert den Einfluss eines

Unternehmens auf die komplette Wertschöpfung und erhöht seine Informationen

über Details und Preise der erstellten Leistung. Sie erhöht somit die Macht des

Lieferanten aber auch die Macht des Käufers, wenn dieser in einer Partnerschaft in

die Wertschöpfung seiner Lieferanten integriert ist.261

258 Vgl. COOL / HENDERSON (1998), S. 909-913 und HOMBURG / WERNER (1998), S. 982 f. 259 Vgl. HOMBURG / WERNER (1998), S.983. 260 Die Banque de France hatte 1994 in einer Befragung ihre Kunden Daten über Unternehmen

und Branchen gesammelt. Diese umfasste kleine und mittelständische Unternehmen, bis 2000 Mitarbeiter aus der produzierenden Industrie in Frankreich. COOL / HENDERSON haben hieraus nach einer statistischen Bereinigung dieser Daten auf der Basis von n=187 Unternehmen aus sieben Branchen ihre Auswertungen durchgeführt. Vgl. COOL / HENDERSON (1998).

261 Vgl. COOL / HENDERSON (1998), S. 910-913.

50

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

COOL / HENDERSON untersuchten hierbei den Einfluss dieser vier Faktoren auf den

wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen, mit dem Ergebnis, dass sie die Einflüsse,

die auf Macht zurückzuführen sind, nicht eindeutig von solchen trennen konnten,

die gemäß dem Konzept des Ressource Based View aus Unternehmens-

ressourcen entstehen. Macht wurde aber dennoch als signifikante Einflussgröße

ermittelt, wobei alle vier in der Literatur ermittelten Dimensionen nachgewiesen

wurden. Die Struktur der Märkte und die vertikale Integration wurden als starke,

Abhängigkeit und zugesprochene Macht als schwache Einflussfaktoren auf den

wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ermittelt.262

E4: Hohe Marktkonzentration, Abhängigkeiten, Zugesprochene Macht und Ver-

tikale Integration in Wertschöpfungsprozesse bestimmen die Machtposition

von Käufern und Lieferanten.

HOMBURG / WERNER konnten hierzu in einer Befragung von deutschen Unter-

nehmen aus dem Bereich der Massen- und Serienfertigung zu situativen Faktoren

ihres Einkaufsverhaltens empirisch belegen, dass eine schwache Machtposition

von Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten eine relationale Beschaffung be-

günstigt.263 Dies ist darin begründet, dass es durch eine intensivere Zusammen-

arbeit möglich ist, bei Lieferanten die eigene Position zu verbessern. Die Alternati-

ve gemäß der Machttheorie wäre die Quelle der Abhängigkeit zu eliminieren, also

z.B. auf bestimmte Ressourcen zu verzichten, bzw. diese zu substituieren.

HOMBURG / WERNER ziehen aus ihrer Untersuchung die Schlussfolgerung, dass

eine solche Substitution nicht oder nur sehr schwer möglich ist.264

E5: Eine schwache Machtposition gegenüber Lieferanten steigert Kosten und

fördert intensive Beziehungen zu Lieferanten, um die fehlende Macht zu

kompensieren.

Beim Ressource Based View und damit verbundenen Ansätzen, wie dem

Competence Based View oder Knowledge Based View hingegen, geht es nicht

um die Abhängigkeit von Ressourcen (dies wäre eine machttheoretische Frage-

stellung) sondern um die Einzigartigkeit von Unternehmen, als Ursache von Profit

und wirtschaftlichem Erfolg. Die materiellen und immateriellen Ressourcen von

Unternehmen unterscheiden sich und sind das Alleinstellungsmerkmal aus

welchem sie ihre Wettbewerbsvorteile erlangen.265

Die Ressourcenorientierung gibt wie der Transaktionskostenansatz Empfehlungen

zur Inter- bzw. Externalisierung von Aufgaben. Wichtige Kernaufgaben sollen

integriert und eine Kapitalbindung in strategische irrelevante Bereiche vermieden

262 Vgl. COOL / HENDERSON (1998), S. 921 f. 263 HOMBURG / WERNER haben eine zufällige Stichprobe anhand des Einkaufsführers des Bundes-

verbandes der Deutschen Industrie e.V. befragt, die als Kriterium eine Serien- oder Massenfer-tigung aufweisen mussten. Die Studie basiert auf einem Rücklauf von n=350 Fragebögen. Vgl. ebd. S. 996 ff.

264 Vgl. HOMBURG / WERNER (1998), S. 1001.

265 Vgl. RASCHE / WOLFRUM (1994), S. 502 f.

51

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

werden. Dies führt zur Ausrichtung eines Unternehmens auf seine Kern-

kompetenzen, birgt aber auch das Risiko Synergieeffekte und Kompetenzen zu

verlieren, wenn Unternehmensbereiche der Kernkompetenzen synergetisch mit als

irrelevant eingestuften Bereichen verbunden sind.266

Kennzeichen von Ressourcen, die Wettbewerbsvorteile erzeugen, sind nicht

Imitierbarkeit, Unternehmensspezifität, nicht Substituierbarkeit und ihre Nutzen-

stiftung am Markt. Die ersten beiden Kennzeichen zielen auf die nicht Re-

produzierbarkeit durch Konkurrenten ab. Substituierbarkeit ist das Risiko, dass

ein Konkurrent eine andere Möglichkeit findet eine gleiche oder ähnliche Leistung

zu erbringen, die mit den Unternehmensspezifschen und nicht imitierbaren

Leistungen konkurrieren kann. Darüber hinaus muss eine Ressource einen markt-

lich verwertbaren Nutzen erzeugen, um zu einem Wettbewerbsvorteil führen zu

können.267

AMIT / SCHOEMAKER definieren Ressourcen als verfügbare Faktoren, die sich im

Besitz eines Unternehmens befinden oder von ihm kontrolliert werden.268 In

diesem Zusammenhang kann die Beschaffung eine Kompetenz sein, kann aber

auch Kompetenzen bzw. die Kontrolle über Kompetenzen für ein Unternehmen

erschließen und sichern.269 Ressourcen in der Beschaffung können also eine

besonders leistungsfähige Beschaffungsabteilung, die Beschaffungsobjekte selber

oder die Lieferanten mit ihren Fähigkeiten und Leistungsmöglichkeiten sein.270 Legt

man die vier Kriterien nicht Imitierbarkeit, Unternehmensspezifität, nicht Sub-

stituierbarkeit und Nutzenstiftung am Markt als Bewertungsmaßstab zugrunde, so

sind die Beschaffungsobjekte als Ressourcen irrelevant, da sie frei am Markt auch

für Konkurrenten erhältlich sind. Darüber hinaus entfallen die Fähigkeiten der Be-

schaffungsabteilung, da sie im Wesentlichen an die Personen der Beschaffungs-

abteilung und ihre Organisation gebunden sind. Dieser „wichtige Punkt“271 wird

hier nicht weitergeführt, da Fragen des Personals und der Organisation in der

Beschaffung im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet werden.272 Somit bleiben in

diesem Zusammenhang Lieferanten als Ressourcen von Unternehmen übrig.

E6: Schaffen Lieferanten zusammen mit dem kaufenden Unternehmen Res-

sourcen, die nicht imitierbar, nicht substituierbar, nutzenstiftend am Markt

und spezifisch sind, sind sie Quellen für Wettbewerbsvorteile.

In diesen ersten sechs Erkenntnissaussagen sind neben den neuen institutionen-

ökonomischen Ansätzen, dem Ressource Based View und machttheoretischen

Ansätzen bereits situative Aussagen und entscheidungstheoretische Über-

legungen spieltheoretischer Art enthalten, da sie sich inhaltlich ergänzt haben.

Diese sollen nun noch vervollständigt werden.

266 Vgl. RASCHE / WOLFRUM (1994), S. 509 f. 267 Vgl. RASCHE / WOLFRUM (1994), S. 503-507. 268 Vgl. AMIT / SCHOEMAKER (1993), S. 35. 269 Vgl. KRÜGER / ROHM / HOMP (1999). 270 Vgl. KRÜGER / ROHM / HOMP (1999), S. 661 f. 271 Zu dieser Wertung vgl. KRÜGER / ROHM / HOMP (1999). 272 Siehe Kapitel 1.2.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

HOMBURG / WERNER haben in der bereits oben erwähnten empirischen Studie,

ausgehend von den beiden Beschaffungsausprägungen Spot-Beschaffung und

relationaler Beschaffung, situative Faktoren für die Ausprägung einer relationalen

Beschaffung empirisch untersucht. Das Ergebnis dieser Studie, die auf Transakti-

onskostenüberlegungen und machttheoretischen Betrachtungen der Ressourcen-

abhängigkeit aufbaut, ist eine Bestätigung des situativen Zusammenhangs einer

relationalen Beschaffung zu Ressourcenabhängigkeit, Produktkomplexität, Be-

schaffungsfrequenz, Produktwichtigkeit und Umweltkomplexität.273 Intensive Liefe-

rantenbeziehungen und kooperierendes Verhalten resultieren demnach aus Ab-

hängigkeiten von Lieferanten bzw. dem Beschaffungsmarkt, hoher Produktkom-

plexität, hoher Beschaffungsfrequenz, hoher Produktwichtigkeit für die eigene

Leistungserstellung und hoher Umweltkomplexität.

Hieraus wird ein starker Bezug einiger der Erkenntnisse E1 bis E6 zum situativen

Ansatz deutlich. Darstellung 3-5 fasst die von HOMBURG empirisch nach-

gewiesenen Determinanten einer relationalen Beschaffung zusammen.

Darstellung 3-5: Situative Determinanten einer relationalen Beschaffung

Umweltkomplexität

Produktkomplexität

Ressourcen-abhängigkeit

Frequenz der Beschaffung

Produktwichtigkeit

E5

E1

E1

Relationale BeschaffungSteigert Effizienz der

Beschaffung

Situative Faktoren Verhalten Effizienz

Spot-BeschaffungE5

E2

Quelle: In Anlehnung an HOMBURG (1995).

Auf eine weitere Erläuterung der einzelnen situativen Determinanten kann an

dieser Stelle verzichtet werden, da ihre theoretischen Grundlagen bereits bei den

Betrachtungen der neuen institutionenökonomischen Ansätze und macht-

theoretischen Überlegungen erläutert worden sind. In welcher der Erkenntnisse E1

bis E6 diese behandelt wurden, ist in der Darstellung 3-5 gekennzeichnet.

Bei den Entscheidungstheorien handelt es sich um einen sehr umfangreichen

Theoriekomplex. Dies lässt sich bereits an der unterschiedlichen Abgrenzung der

Theorien in den vier Publikationen der Organisationstheorie aus Darstellung 3-1

erkennen. Es wird grundsätzlich zwischen präskriptiven Entscheidungsansätzen

und verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorien unterschieden.274 Zu

den präskriptiven Entscheidungsansätzen gehört die Spieltheorie, die in der Aus-

273 Vgl. HOMBURG / WERNER (1998), S. 1001-1005.

274 Vgl. WOLF (2003).

53

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

prägung des Gefangenendilemmas bereits weiter oben angesprochen wurde.275

Daneben existiert, wie der Entscheidungszyklus von MARCH / OLSEN in Darstellung

3-6 zeigt, in einigen Teilen der Entscheidungstheorie eine starke Überschneidung

mit dem Informationsverarbeitungsansatz und dem interpretativen Ansatz.276 Ent-

scheidungssituationen sind durch die begrenzte Rationalität der Entscheidenden

gekennzeichnet. Diesem Problem wird in den Ansätzen der Entscheidungstheorie

mit organisatorischen Maßnahmen, wie z.B. Standardisierungen, begegnet.277

Darstellung 3-6: Der vollständige Entscheidungszyklus

Individuelle Handlungen

Individuelle Wahrnehmung

OrganisationaleHandlungen

Umwelt-ereignisse

(1)

(3)

(2) (4)

Quelle: MARCH / OLSEN (1976), S. 13.

In diesem Zusammenhang werden hier Überlegungen des Beitrags der Anreiz-

Beitrags-Theorie, als Teil der Entscheidungstheorie, zur Beschaffung dargestellt.

Weitere Überlegungen werden in den Erläuterungen des Informationsver-

arbeitungsansatzes bzw. interpretativen Ansatzes weiter unten dargestellt.

Gemäß der Anreiz-Beitrags-Theorie sind Organisationen Systeme von Teilnehmern

mit wechselseitig abhängigen Verhaltensweisen. Die einzelnen Teilnehmer leisten

hierbei so lange einen Beitrag zur Organisationstätigkeit, wie der Anreiz, den sie

dafür erhalten angemessen ist. KOPPELMANN überträgt diesen Ansatz auf die Be-

ziehung zwischen Unternehmen und Lieferanten. Eine erfolgreiche Geschäfts-

beziehung bedeutet, dass einerseits das Unternehmen zufrieden sein muss mit

dem Beitrag des Lieferanten und andererseits ein Lieferant langfristig keine

bessere Möglichkeit hat, höhere Anreize für seine Leistungen zu erlangen.278 Die

Ziele in einer solchen Geschäftsbeziehung ergeben sich also aus den Erwartungen

aller Teilnehmer. Dies ist für eine Arbeitsteilung überlebensnotwendig.279

Versucht ein Unternehmen Kosten zu sparen, so darf dies nicht zu geringen An-

reizen bei den Lieferanten führen, denn diese müssen weiterhin zufrieden gestellt

werden. Vielmehr sollten Anreize geschaffen werden, die Lieferanten bei der Be-

275 Vgl. WOLF (2003), S. 99-126. 276 Siehe hierzu Kapitel 3.4 und 3.5. 277 Vgl. BERGER / BERNHARD-MEHLICH (2002), S. 144. 278 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 64 f. 279 Vgl. BERGER / BERNHARD-MEHLICH (2002), S. 147.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

lieferung von anderen Unternehmen entgehen. So können Unternehmen z.B. mit

den Lieferanten gemeinsam Kosteneinsparungen erzielen.280

E7: Die Ziele von Unternehmen müssen die Erwartungen der Teilnehmer und

somit auch der Lieferanten berücksichtigen, sonst sind Lieferanten nicht zu

einer Zusammenarbeit bereit.

Weiterhin stellt KOPPELMANN einen Bezug des Human-Relations-Ansatzes und der

Koalitionstheorie von CYERT / MARCH zur Beschaffung her. Der Human-Relations-

Ansatz hat zu der Erkenntnis geführt, dass die reale Organisation nicht der eigent-

lich geplanten Organisation entspricht, weil sie von der Bereitschaft der Mitarbeiter

zur Mitwirkung an ihrer Umsetzung abhängt. Menschen bilden in Unternehmen

neben den ihnen vorgegebenen Beziehungen auch private inoffizielle Kontakte zu

anderen Organisationsmitglieder heraus, so dass neben der formalen eine

informale Organisation besteht, die diese beeinflusst. Daneben werden die Ar-

beitszufriedenheit und ihre Auswirkung auf das Verhalten und die Effizienz der

Organisationsmitglieder thematisiert.281 Unternehmen können somit als Koalitionen

verschiedener Individuen und Gruppen mit unterschiedlichen Interessen und Zielen

verstanden werden. Als Mitglieder einer solchen Koalition gelten nicht nur Mit-

arbeiter, Kapital- und Kreditgeber, sondern auch Berater, Kunden und Liefer-

anten.282 Lieferanten sind somit Stakeholder eines Unternehmens.283 Ein Miss-

brauch der Partnerschaft zwischen Unternehmen und Lieferanten kann zu dem

führen, was bei Mitarbeitern als innere Kündigung bezeichnet wird und sich im Fall

des Lieferanten als Qualitätsverschlechterung und mangelnde Lieferzuverlässigkeit

zeigt.284

E8: Lieferanten sind Stakeholder von Unternehmen. Das Missachten von Liefe-

ranteninteressen bei Entscheidungen kann zu verringerter Leistung und Ab-

bruch von Geschäftsbeziehungen führen.

280 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 64-69. 281 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 65-68. 282 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 61 f. und STAHL (2001), S. 5 f. 283 Vgl. STAHL (2001), S. 5 f.

284 Vgl. KOPPELMANN (2000), S. 63 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

3.4 Relevanz von Organisationstheorien für die

Beschaffung

Nachdem bereits die beschaffungsspezifischen Erkenntnisse der neuen

institutionenökonomischen Ansätze, des Human-Relations-Ansatzes, der

Entscheidungstheorien, der machttheoretischen Ansätze, des Ressource Based

View und des situativen Ansatzes betrachtet wurden, soll nun anhand der

Relevanzkriterien aus Kapitel 3.2 dargelegt werden, welche weiteren Theorien aus

Darstellung 3-1 beschaffungsrelevant sind. Die betrachteten Theorien werden an

dieser Stelle nur sehr verkürzt dargestellt. Die Ausführungen erheben keinen

Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen lediglich die Beweggründe für die

Bewertung als relevant bzw. irrelevant, im Sinne der aufgestellten Auswahl-

kriterien, begründen. Die Auswahlkriterien gelten folgend als hinreichende Kriterien

für die Beschaffungsrelevanz von Organisationstheorien. Leisten Theorien zu

keinem der Kriterien Empfehlungen, so sind sie für die weitere Betrachtung ir-

relevant.

Der Bürokratieansatz thematisiert die Frage, wie Menschen geführt werden

können, mit dem Anspruch Organisationen rational zu gestalten.285 Bürokratie ist

hierbei eine Form der Herrschaft bzw. Führung. Sie wird anderen Herrschafts- und

Führungsformen gegenüber als überlegen angesehen, weil in einer Bürokratie

auch für die Führenden Regeln gelten und die Führungsrolle nicht personen-

gebunden ist.286

Das Scientific Management betrachtet Organisationen als Aufgabenerfüllungs-

systeme. Ordnung wird planvoll konstruiert und technisch durchdacht, mit dem

Ziel durch effizientere Abläufe Ressourcen zu schonen und die Leistung von

Produktionsstätten zu steigern.287

Bei der Administrationstheorie handelt es sich um eine Theorie, die auf der Er-

kenntnis aufbaut, dass in einem Unternehmen unterschiedliche Funktionen auf-

treten. Diese Funktionen werden von unterschiedlichen Mitgliedern einer Organisa-

tion ausgeführt und die Administration bzw. Verwaltung soll die Organisation

dieser Funktionen, also der Arbeitsteilung und ihrer Koordination, leisten. Hierfür

gibt die Administrationstheorie Optimierungsratschläge.288

Sowohl der Bürokratieansatz, als auch das Scientific Management und die Admi-

nistrationstheorie beschäftigen sich nicht mit den als beschaffungsrelevant

erarbeiteten Kriterien und sind somit für die weiteren Betrachtungen irrelevant.

Für die Systemtheorie sind Unternehmen Systeme, die aus Elementen und

Beziehungen zwischen ihren Elementen und der Umwelt bestehen. Die Struktur

eines Systems ist hierbei so komplex, dass keine einfachen Ursache-Wirkungs-

285 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 43 f.; WOLF (2003), S. 51 f. und KIESER (2002a), S.46-51. 286 Vgl. WOLF (2003), S. 53-54. 287 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 56-58 und WOLF (2003), S. 66 f. 288 Vgl. WOLF (2003), S. 78 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Beziehungen bestehen und Systeme holistisch als Ganzes betrachtet werden

müssen.289 Charakteristisch ist für die Systemtheorie auch das Denken in einer

hierarchischen Struktur. Unternehmen bestehen als Systeme aus Subsystemen,

wie z.B. Unternehmensbereichen oder Abteilungen. Andererseits ist ein System

Teil eines größeren Systems, seiner Umwelt.290 Damit werden Unternehmen nicht

isoliert betrachtet, wie im Bürokratieansatz oder strukturalistischen Ansatz,

sondern sind offen zu ihrer Umwelt und stehen mit dieser in einem dynamischen

Austauschverhältnis.291

Die Systemtheorie fordert durch ihren holistischen Ansatz die Berücksichtigung

unternehmensexterner Elemente, wie Lieferanten und Beschaffungsmärkte. Sie

gibt hierzu allerdings keine konkreten Ansätze, sondern verändert lediglich den

Blickwinkel auf und das Verständnis von Unternehmen.

Im evolutionstheoretischen Ansatz werden Organisationen nicht als rational ges-

taltet, sondern als von ihrer Umwelt geformt angesehen.292 Manager von Unter-

nehmen erzeugen, in Analogie zur biologischen Evolutionstheorie,293 Variationen

von Unternehmensgestaltungen. Die Umwelt erzeugt durch ihre Anforderungen an

Unternehmen einen selektiven Druck und fördert somit die Ausprägung von Un-

ternehmensstrukturen, die an diese Anforderungen angepasst sind.294

Geht man nun davon aus, dass Unternehmen sich nicht verändern, weil sie träge

sind, wohingegen sich ihre Umwelt schnell verändert, so versucht der evolutions-

theoretische Ansatz zu erklären, warum einige Unternehmen florieren und

wachsen, während andere zu Grunde gehen.295 Geht man von evolutionsfähigen

Unternehmen aus, geht der evolutionstheoretische Ansatz der Frage nach, warum

und wie Unternehmen sich verändern.

Wie Unternehmen sich in einer schnell wandelnden Umwelt anpassen können, ist

die Kernfrage der Selbstorganisationstheorie. Die Selbstorganisationstheorie geht

davon aus, dass sich in Unternehmen, wie in der Natur, unter bestimmten

Bedingungen eine Ordnung spontan bilden kann. Dies geschieht durch die Inter-

aktion zwischen Elementen in Systemen und muss genutzt, gefördert oder auch

kanalisiert werden.296 Die Theorie der Selbstorganisation und der evolutions-

theoretische Ansatz bauen auf der Systemtheorie auf und werden teilweise als ihre

Weiterentwicklung erachtet.297 Für die weiteren Betrachtungen sind jedoch alle

drei irrelevant, da sie keines der aufgestellten Kriterien explizit behandeln.

289 Vgl. WOLF (2003), S. 128-131. 290 Vgl. VAHS (2001), S. 35. 291 Vgl. WOLF (2003), S. 136. 292 Vgl. WOLF (2003), S. 287. 293 Die Theorie nach DARWIN wird an dieser Stelle nicht näher erläutert, vertiefend siehe DARWIN

(1859). Vgl. auch BEA / GÖBEL (2002), S. 150 f. 294 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 149-151. 295 Hierbei handelt es sich um den populationsökologischen Ansatz nach HANNAN und FREEMAN.

Vgl. z.B. HANNAN / FREEMAN (1984). 296 Vgl. GÖBEL (1998), S. 295 ff.

297 Vgl. KIESER (1998), S. 337. Wie in Darstellung 3-1 zu erkennen ist, fasst KIESER beide Theorien unter einer Überschrift als evolutionstheoretische Ansätze zusammen. Vgl. KIESER (2002b), S. 275-285.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Im strukturalistische Ansatz sind, wie im Ansatz des Scientific Managements,

Unternehmen Aufgabenerfüllungssysteme.298 Hierbei steht die Aufgabe eines

Unternehmens bereits fest.299 Es wird die optimale organisatorische Gestaltung im

Sinne der Unternehmensaufgabe angestrebt. Da bei diesem Ansatz nur die orga-

nisatorische Gestaltung angestrebt wird und er sich daher nur auf die innere

Struktur von Unternehmen bezieht, entspricht er keinem der aufgestellten Kriterien

und wird hier nicht weiter verfolgt.

Der Informationsverarbeitungsansatz geht davon aus, dass Unternehmen eine

Informationsverarbeitungskapazität benötigen, die ihrem Informationsver-

arbeitungsbedarf entspricht. Eine Information ist hierbei zweckorientiertes

Wissen aus der Fülle von zur Verfügung stehenden Daten. Menschen und Unter-

nehmen sind Informationsverarbeitungseinheiten, die die für ihre Ent-scheidungen

relevanten Informationen aus den vorhandenen Daten filtern und interpretieren

müssen. Ziel ist es für den Informationsverarbeitungsbedarf, der sich aus Unsi-

cherheiten der Entscheindungssituation und individuellen Wahr-

nehmungsunterschieden ergibt, eine Informationsverarbeitungskapazität in Form

von z.B. Aufgabeneingrenzungen, formellen Regelungen oder Kommunikation mit

anderen Personen zu schaffen.300 Der Informationsverarbeitungsansatz ist somit

entsprechend der Kriterien Informationserlangung und –verarbeitung sowie Ent-

scheidungsfindung für die Beschaffung relevant.

Der interpretative Ansatz geht davon aus, dass Menschen mit ihren Sinnen die

Realität nicht erfassen können, sondern sich lediglich Abbilder und Vorstellungen

der Realität konstruieren.301 Handlungen entstehen aus Bedeutungen und Inter-

pretationen. Die objektive organisatorische Wirklichkeit hat, aufgrund der

Subjektivität der handelnden Akteure, eine nur geringe Bedeutung bei der

Betrachtung von Organisationsprozessen.302 Da sich der interpretative Ansatz mit

der Subjektivität von Wahrnehmung und Handlung beschäftigt, kann er Erkennt-

nisbeiträge zur Entscheidungsfindung und Informationserlangung und -

verarbeitung geben und wird als relevant für die vorliegende Betrachtung einge-

schätzt.

Beim institutionalistischen Ansatz stehen Institutionen im Zentrum der Betrach-

tung. Eine Institution ist eine dauerhafte Ordnung bzw. Regelung und wird im Hin-

blick auf den Prozess der Institutionalisierung betrachtet. Der Institutionsbegriff

geht hierbei weiter als der Unternehmensbegriff, da auch Akteure aus dem Umfeld

von Unternehmen, die zu diesen in Beziehungen stehen oder Ansprüche an sie

stellen, zu ihm gehören. Institutionen werden als eingebettet in ein soziales Um-

feld verstanden, so dass die öffentliche Meinung Einfluss auf das Verhalten von

Institutionen hat. Unternehmen verhalten sich so, wie ihre Umwelt es erwartet, um

die eigenen Handlungen zu legitimieren. Dadurch wird nicht nur die ökonomische 298 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 74. 299 Vgl. BEA / GÖBEL (2002), S. 81. 300 Vgl. WOLF (2003), S. 235-247. 301 Vgl. WOLF (2003), S. 368-371. 302 Vgl. WOLF (2003), S. 377.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Notwendigkeit, sondern auch die Rechtmäßigkeit von Handlungen wichtig und die

reine Effizienzorientierung relativiert.303 Somit ist auch der institutionalistische An-

satz relevant, da er Hinweise über die Beziehung von Unternehmen zu ihren

Lieferanten und das Verhalten von Lieferanten geben kann.

Darstellung 3-7: Bewertung der Relevanz von Organisationstheorien für die Beschaffung

Bürokratieansatz - - - - - - -Scientific Management - - - - - - -Administrativer Ansatz - - - - - - -Human-Relations-Ansatz - - + + - - -Entscheidungstheorien - - - - - + +

Neue institutionenökonomische Ansätze + + + + + - -Machttheoretischer Ansatz - + + + + - -Systemtheorie - - - - - - -Evolutionstheoretischer Ansatz - - - - - - -Selbstorganisationstheorie - - - - - - -Ressource Based View + - - - + - -Situativer Ansatz - + + - - - -Strukturalistischer Ansatz - - - - - - -Informationsverarbeitungsansatz - - - - - + +

Interpretativer Ansatz - - - - - + +

Institutionalistischer Ansatz - - + + - - -

Kriterien der Beschaffungsrelevanz

Organisationstheorien Bez

iehu

ng U

nter

nehm

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Info

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Quelle: Eigene Darstellung.

Darstellung 3-7 zeigt eine Übersicht der betrachteten Theorien und der unter-

suchten Kriterien der Beschaffungsrelevanz. Die Theorien, die für ein oder mehrere

Merkmale als relevant eingestuft wurden, sind hervorgehoben. Dies sind der

Human-Relations-Ansatz, die Entscheidungstheorien, die neuen institutionen-

ökonomischen Ansätze, der machttheoretische Ansatz, der Ressource Based

View, der situative Ansatz, der Informationsverarbeitungsansatz, der interpretative

Ansatz und der institutionalistische Ansatz.

303 Vgl. WOLF (2003), S. 391-395.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

3.5 Weitere Erkenntnisse beschaffungsrelevanter

Organisationstheorien

In den vorausgegangenen Darstellungen der organisations-theoretischen

Aspekte in der Beschaffungsliteratur wurden neben Erkenntnissen der neuen

institutionenökonomischen Ansätze und der machttheoretischen Ansätze bereits

Informationen als Quelle von Macht oder als Teil opportunistischen Verhaltens

thematisiert. Daher werden zunächst noch einige Ergänzungen zum Informations-

verarbeitungsansatz angeführt.

Beim Kauf eines Objektes treten exogene und endogene Unsicherheiten bezüglich

der vorhandenen Informationen auf. Exogene Unsicherheiten betreffen z.B. mög-

liche Unglücke, das Wetter, neue Erfindungen und Moden, die alle die Voraus-

setzungen für einen Kauf beeinflussen können. Endogene Unsicherheiten sind z.B.

die Qualität, versteckte Kosten und die Gewinnspanne des Verkäufers bezogen

auf das Beschaffungsobjekt.304 Diese Informationsdefizite des Käufers können

durch Informationsübertragung oder Informationsbeschaffung verringert werden.

Die aktive Informationsbeschaffung eines Unternehmens wird als Screening be-

zeichnet. Werden bei der Informationsübertragung von einem Unternehmen, das

über Informationen verfügt, diese anderen zugänglich gemacht, so handelt es sich

um Signaling.305

Darstellung 3-8 zeigt die Marktinformationsmatrix nach KAAS, die die Möglich-

keiten eines Informationstransfers zwischen Nachfrager und Anbietern, zwischen

Anbietern und Anbietern sowie Nachfragern und Nachfragern abbildet. Bei den

Feldern eins, drei, fünf und sieben in Darstellung 3-8 handelt es sich um

Screening, bei den Feldern zwei, vier, sechs und acht um Signaling. Signaling wird

in diesem Zusammenhang als bewusste Ankündigung einer ungewissen Handlung

verstanden und beinhaltet somit immer die Möglichkeit eines Bluffs,306 wohingegen

dies beim Screening nicht möglich ist.307

304 Vgl. KAAS (1990), S. 541. 305 Vgl. KAAS (1991), S. 359. 306 Vgl. GRAUMANN (1994), S. 145. Voraussetzung hierbei ist eine asymmetrische Informationsver-

teilung, vgl. KAAS (1990), S. 543. 307 Vgl. KAAS (1990), S. 543.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Darstellung 3-8: Marktinformationsmatrix

beschafft Informationen über …

1 Marktforschung, Konsumenten-forschung

3 Konkurrenz- erforschung, Spionage, Kollusion

überträgt Informationen an …

2 Produktqualität, Werbung, Reputa-tion, Garantien

4Bluffen, falsche Signale, Kollusion

beschafft Informationen über …

5 Mitläufertum, Imitation, Referenzen

7 Preisvergleiche, Qualitätsvergleiche, Shopping

überträgt Informationen an …

6 Meinungsführung, demonstrativer Konsum

8 Signale der Zahlungsfähigkeit, Zuverlässigkeit

Nachfrager

Passive RolleNachfrager Anbieter

Aktive Rolle

Anbieter

Quelle: KAAS (1991), S. 360.

Prinzipiell ist alles, was von Marktteilnehmern auf Märkten wahrgenommen werden

kann, eine potentielle Information und hängt als solche von der jeweiligen Inter-

pretation ab. So kann z.B. einer Werbung unterstellt werden, dass der Werbende

nur positive Informationen betont, eine geplante Umstrukturierung eines Unter-

nehmens kann als positiv oder negativ interpretiert werden und ein Dementi einer

Information kann sogar als deren Bestätigung aufgefasst werden.308 Entscheidend

für die Beschaffung ist daher die Möglichkeit Informationen zu überprüfen, um

Unsicherheiten zu reduzieren. KAAS unterteilt hierbei die Beschaffungsobjekte in

Abhängigkeit von der Komplexität der vorliegenden Angebote in Such-,

Erfahrungs- und Vertrauensgüter. Bei Suchgütern kann der Nachfrager durch

Suchen am Markt und Inspektion die Eigenschaften eines Objekts vor dem Kauf

prüfen. Erfahrungsgüter enthüllen ihre Eigenschaften nur durch Ausprobieren und

bei Vertrauensgütern kann das nachfragende Unternehmen die Eigenschaften,

z. B. die biodynamische Aufzucht von Gemüse gar nicht überprüfen, weil die

Kosten des Überprüfens unendlich hoch sind.309 Somit kann im Fall einer

asymmetrischen Informationsverteilung auf einem Markt ein Unternehmen nicht in

jedem Fall die notwendigen Informationen über ein zu beschaffendes Objekt

erlangen und ist zum Teil auf die Ehrlichkeit der Anbieter angewiesen. Hier liegt

eine inhaltliche Nähe und teilweise Überschneidung mit dem interpretativen Ansatz

vor.

Der interpretative Ansatz betont, dass Erkenntnisse nicht einzelfallübergreifend

sein sollen, sondern auf den Einzelfall gerichtet. Dementsprechend sollen

qualitative Aussagen angestrebt werden, die auf der Sicht der Organisations-

mitglieder und ihrer subjektiven Interpretation der Organisation beruhen. Hierzu ist

eine Berücksichtigung der historischen Entwicklung von Handlungen und die Ent-

308 Vgl. KAAS (1991), S. 358.

309 Vgl. KAAS (1990), S. 542 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

wicklung und Veränderung von Alltäglichem notwendig, wobei auch immer der

Einfluss des Betrachtenden auf die Erkenntnisse berücksichtigt werden muss.310

Hier sei auf die Untersuchung von Entscheidungsanomalien verwiesen. Diese

widerlegen die Annahme Menschen verhielten sich rein rational.311 So entscheiden

sich Menschen in zwei aufeinander folgenden Entscheidungssituationen, die un-

terschiedlich sind aber den gleichen zu erwartenden Nutzen repräsentierten, in

Versuchen mehrheitlich unterschiedlich. Das heißt, dass sie sich in unterschied-

lichen Situationen mal für und mal gegen eine Alternative entschieden, die für sie

stets den gleichen zu erwartenden Nutzen repräsentierte. Dies wäre bei einer rein

rationalen Entscheidung nicht möglich. Weiterhin hängen die Entscheidungen

auch davon ab, wie die Entscheidungssituation dargestellt wird. Das heißt, dass

die Art und der Zusammenhang in dem rational identische Informationen darge-

stellt werden die Entscheidung beeinflussen. Schließlich bewerten Menschen den

Preis für ein Objekt unterschiedlich in Abhängigkeit von der Frage, ob sie es

kaufen oder verkaufen. So forderten Menschen in Laborexperimenten deutlich

mehr Geld um sich von Gütern zu trennen, als sie für dessen Kauf bereit wären

auszugeben.312

E9: Auf Märkten mit unvollkommener Informationsverteilung kann ein Unterneh-

men keine Sicherheit über die Richtigkeit aller notwendigen Informationen

oder ihrer Bewertung erlangen. Informationen hängen von der Ehrlichkeit

der Lieferanten und der Interpretation des kaufenden Unternehmens ab.

Dies kann beim Vorliegen einseitiger Informationen und unter der Annahme einer

rationalen Entscheidung sogar zu einer Unmöglichkeit des Zustandekommens

einer Geschäftsbeziehung führen.313

Der institutionalistische Ansatz fasst den Begriff Institution im Hinblick auf den

Prozess der Institutionalisierung auf. Eine Institution ist eine dauerhafte Ordnung

bzw. Regelung. Somit sind alle formalen Regeln eines Unternehmens, also die

Unternehmensorganisation, Institutionen. Darüber hinaus werden aber auch alle

sozial bestimmten Verhaltensmuster als Institutionen begriffen.314 Diese aus dem

Umfeld bestimmten Verhaltensmuster beruhen z.B. auf der Meinung der Öffent-

lichkeit oder der Einflussnahme von Partnerunternehmen. Die Erwartungen der

Unternehmensumwelt werden hierbei berücksichtigt, um das Verhalten zu

legitimieren. Die Unternehmensumwelt steht in diesem Zusammenhang bei Unter-

nehmensentscheidungen als Einflussfaktor neben der Effizienzorientierung und

relativiert diese.315 Der institutionalistische Ansatz konnte zeigen, dass Verhalten

oft nicht von rationalen Überlegungen der Effizienz, sondern vielfach von Erwar-

310 Vgl. WOLF (2003), S. 377-380. 311 Vgl. EICHENBERGER / FREY (1990), S. 270. 312 Die genannten Anomalien sind das Alias-Paradox, der Framing-Effect und der Endowment-

Effect, vgl. EICHENBERGER / FREY (1990). Siehe auch HERRMANN / BAUER / HUBER (1997). 313 Die grundlegenden Annahmen die dieser Erkenntnis zu Grunde liegen, sollen in diesem Zu-

sammenhang nicht weiter vertieft werden. Weiterführend siehe SCHMITZ (2003). 314 Vgl. WOLF (2003), S. 389-391. 315 Vgl. GRANOVETTER (2000), S. 191 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

tungen gesteuert wird, die z.B. zu Isomorphismus führen. Isomorphismus bedeu-

tet, dass z.B. in einer Branche316 sich ein Verhalten, wie eine Qualitäts-

managementzertifierung durchsetzt, auch wenn dies mit rationaler Effizienz-

orientierung nicht erklärt werden kann. Die verschiedenen Unternehmen werden

sich hierbei immer ähnlicher (isomorph). Man müsste jedoch annehmen, dass

wenn Unternehmen sich unterscheiden, sich auch der effiziente Nutzen von Maß-

nahmen bei ihnen Unterscheidet und zu Unterschieden und nicht zu

Isomorphismus führen müsste.317 Wie stark der Einfluss aus der institutionellen

Umwelt ist, hängt nach SCOTT hierbei auch davon ab in welcher Branche und

damit welcher Umweltkonstellation ein Unternehmen agiert. So ist der Einfluss, der

aus dem Unternehmensumfeld, bzw. der Gesellschaft auf Unternehmen einwirkt,

bei Unternehmen der Versorgungsbranche, Schulen, Krankenhäusern und Phar-

mazie, stärker als bei Fitnessklubs oder Unternehmen des produzierenden Ge-

werbes.318 Schließlich sind Unternehmen so komplexe Gebilde, dass sich Verhal-

tensweisen nicht immer von der Unternehmensleitung durchsetzen lassen, son-

dern auf den einzelnen hierarchischen Ebenen durch den Handlungsspielraum der

Mitarbeiter verändert werden. 319 Hierbei wirken wiederum soziale Einflüsse auf die

Mitarbeiter, wie z.B. persönliche Überzeugungen oder persönlicher Kontakt zu

den Mitarbeitern von Lieferanten.320

Für den Bereich der Beschaffung ergeben sich hieraus folgende Implikationen:

E10: Entscheidungen können in der Beschaffung nicht rein nach Effizienzkriterien

getroffen werden, da sie dann im Unternehmen möglicherweise nicht

durchsetzbar wären. Entscheidungen unterliegen einem einflussnehmenden

Druck aus der Unternehmensumwelt.

Dies kann bedeuten, dass Aufträge aus Gewohnheit immer an gleiche Lieferanten

vergeben werden oder an Lieferanten deren Verkäufer besonders gute Beziehun-

gen zum verantwortlichen Einkäufer unterhalten.321 Aber auch Anforderungen von

Kunden, Mitarbeitervertretern, Umweltverbänden oder dem Gesetzgeber als

Stakeholder im Unternehmensumfeld können Einfluss auf das Beschaffungs-

verhalten haben.

316 Es wird in diesem Zusammenhang von organisationalem Feld gesprochen. Ein Organisations-

umfeld ist dadurch gekennzeichnet, dass in ihm ähnliche Kräfte, wie z.B. gleiche Lieferanten, Kunden, Ressourcen, Produkte oder Regulierungsbehörden, wirken. Vgl. DIMAGGIO / POWELL (2000), S. 149.

317 Vgl. DIMAGGIO / POWELL (2000), S. 151-161. 318 Vgl. SCOTT (1987). 319 DIMAGGIO / POWELL (2000), S. 168. 320 GRANOVETTER (2000), S. 191 f.

321 Vgl. GRANOVETTER (2000), S. 192 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

3.6 Krisenpotenziale bestehender

Beschaffungsstrategien

An dieser Stelle werden aus den gewonnenen theoretischen Erkenntnissen

Bezüge zu den Krisenpotenzialen der Beschaffung, die in Kapitel 2.5 dargestellt

wurden, hergestellt und auf die vier Normstrategien aus Kapitel 2.4 übertragen.

Es konnte in den dargestellten Erkenntnissen der Organisationstheorien nachge-

wiesen werden, dass ein aggressives Agieren am Beschaffungsmarkt, wie es die

Strategie des Abschöpfen bzw. Marktpotenzial nutzen/ausschöpfen ist,

opportunistische Reaktionen von Lieferanten fördert (E2) und Lieferanten aufgrund

von Informationsunvollkommenheiten auch die Möglichkeiten zu opportunisti-

schem Verhalten haben (E9). Es fördert darüber hinaus geringere Leistungs-

bereitschaft der Lieferanten und ggf. den Abbruch der Lieferbeziehungen (E7, E8).

Die so vorgehenden Unternehmen können die entsprechenden Ressourcen der

Lieferanten als Quelle möglicher Wettbewerbsvorteile verlieren (E6). Auch sind

Unternehmen, die ohne eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten agieren,

anfälliger gegen Veränderungen durch eine komplexe Umweltsituation, Un-

sicherheiten oder Probleme, die sich aus einer hohen Spezifität der Beschaffungs-

objekte ergeben (E1). Auch ist ein solches Verhalten nicht durchsetzbar, wenn es

von Lieferanten oder Stakeholdern aus der Unternehmensumwelt sanktioniert

wird (E10).

Unternehmen werden somit bei der Strategie des Abschöpfens besonders

krisenanfällig, wenn Fehler in der eigenen Bedarfsplanung, Disposition oder Ein-

schätzung der Marktanforderungen auftreten, die nur durch die Mithilfe der Liefe-

ranten bewältigt werden können. Auch ist es denkbar, dass ein Lieferant die

Qualität der Beschaffungsobjekte herabsetzt oder an der Grenze der eigenen

Leistungsbereitschaft produzieren muss, um rentabel zu sein. Dies erhöht die

Anfälligkeit für Fehlmengen und Qualitätsprobleme bei den Lieferanten. Im Extrem-

fall führt der Kostendruck auf die Lieferanten zur Insolvenz und somit zum Ausfall

der Beschaffungsobjekte. Die Gefährdung durch eine Lieferanteninsolvenz oder

den Verlust eines Lieferanten hängt hierbei jedoch von der Anzahl der Lieferanten

ab und wird dadurch relativiert, dass die Abschöpfungsstrategie auf standardisier-

te Beschaffungsobjekte angewendet werden soll und hier eine große Zahl an

Lieferanten zur Verfügung steht. Schließlich können Chancen die sich auf Absatz-

märkten ergeben gegebenenfalls nicht genutzt werden, weil die Lieferanten des

Unternehmens nicht zur Kooperation bereit sind.

Da Lieferanten zusammen mit dem kaufenden Unternehmen Ressourcen, die

nicht imitierbar, nicht substituierbar, nutzenstiftend am Markt und spezifisch sind,

erschaffen können (E6), verlieren Unternehmen, die die Normstrategie Diversifizie-

ren bzw. Verfügbarkeit gewährleisten/Sicherstellen verfolgen dieses Potenzial für

mögliche Wettbewerbsvorteile. Das Streben sich von Lieferanten unabhängig zu

machen führt dazu, dass das entsprechende Unternehmen bei der Schaffung von

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Ressourcen im Sinne des Ressource Based View alleine agiert und setzt in Ab-

hängigkeit vom beschafften Objekt die erreichbare Qualität herab. Unternehmen,

die ohne eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten agieren sind anfälliger gegen

Veränderungen durch eine komplexe Umweltsituation, Unsicherheiten oder Prob-

leme, die sich aus einer hohen Spezifität der Beschaffungsobjekte ergeben (E1).

Weiterhin konnte dargelegt werden, dass die Bereitschaft von Lieferanten zur

Erbringung einer Leistung sinkt und die Wahrscheinlichkeit opportunistischen Ver-

haltens steigt, wenn absehbar ist, dass eine Geschäftsbeziehung nicht auf Dauer

bestehen soll (E2, E7). Da Lieferanten auch die Möglichkeit opportunistischen Ver-

haltens haben (E9), birgt diese Strategie erhöhte Gefahren durch Fehler in der Be-

darfsplanung bzw. Disposition, Fehlern in der Einschätzung der Marktanforder-

ungen, Fehlern in der Auftragsbearbeitung des Lieferanten, bei Qualitäts-

problemen und bei verändertem Mengenbedarf auf den Absatzmärkten, da das

Unternehmen hierbei keine Unterstützung durch Lieferanten erfährt. Sie reduziert

jedoch die Gefährdung durch die Insolvenz eines Lieferanten oder Rohstoff-

verknappungen, da die Unternehmen in keiner Abhängigkeit zu den Lieferanten

stehen. Im Bezug auf eine globale Rohstoffverknappung ist diese Reduzierung der

Abhängigkeit jedoch nicht möglich.

Die Normstrategie Wertschöpfungspartnerschaft bzw. technische Zusamme-

narbeit beinhaltet nach den dargestellten theoretischen Erkenntnissen die

Problematik, dass sie langfristig angelegt sein muss (E3), da ein absehbares Ende

der Geschäftsbeziehung spieltheoretisch zu opportunistischem nutzen-

maximierendem Verhalten führen würde. Auch die Abhängigkeit von Lieferanten in

einer engen Zusammenarbeit, die durch starke vertikale Integration der Lieferanten

in die eigene Wertschöpfung entsteht (E4), kann zu Krisen führen. Generell kann

eine solche Strategie nur funktionieren, wenn die Unternehmen bereit sind die

Interessen der Lieferanten ausreichend zu berücksichtigen (E2, E7, E8). Somit birgt

diese Strategie durch die starke Bindung an die Lieferanten hohe Gefahren bei der

Insolvenz eines Lieferanten, reduziert jedoch die Gefahr einen Lieferanten ander-

weitig zu verlieren. Sie reduziert weiterhin die Gefährdung bei Fehlern in der Be-

darfsplanung bzw. Disposition, Fehlern in der Einschätzung der Marktanforderun-

gen, Fehlern in der Auftragsbearbeitung des Lieferanten, bei Qualitätsproblemen,

bei verändertem Mengenbedarf auf den Absatzmärkten und neuen Qualitätsan-

forderungen durch die Absatzmärkte, da Lieferanten die Unternehmen bei der

Lösung dieser Herausforderungen unterstützen.

Bei der Normastrategie Effizient beschaffen/abwickeln, können die entsprechen-

den Ressourcen der Lieferanten als Quelle möglicher Wettbewerbsvorteile nicht

genutzt werden (E6) und die Unternehmen sind anfälliger gegen Veränderungen,

die durch eine komplexe Umweltsituation, Unsicherheiten oder Probleme, die sich

aus einer hohen Spezifität der Beschaffungsobjekte ergeben, entstehen (E1). Somit

birgt diese Strategie hohe Gefahren bei Fehlern in der Bedarfsplanung bzw.

Disposition, Fehlern in der Einschätzung der Marktanforderungen, Fehlern in der

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Auftragsbearbeitung des Lieferanten, bei Qualitätsproblemen, durch den Verlust

eines Lieferanten oder eine Lieferanteninsolvenz, bei verändertem Mengenbedarf

auf den Absatzmärkten und neuen Qualitätsanforderungen durch die Absatz-

märkte, da die Unternehmen ohne die Hilfe von Lieferanten bei der Bewältigung

dieser Herausforderungen auskommen müssen. Dies ist im Desinteresse des

kaufenden Unternehmens an den Lieferanten und der übrigen Unternehmens-

umwelt begründet.

Darstellung 3-9 visualisiert die potentiellen Krisensituationen der betrachteten Be-

schaffungsstrategien.

Darstellung 3-9: Potentielle Krisensituationen

Krisenursache

Fehler in der Bedarfsplanung oder Disposition

Fehler in der Einschätzung der Marktanforderungen

Fehler in der Auftrags-bearbeitung der Lieferanten

Qualitätsmängel

Verlust eines Lieferanten

Insolvenz eines Lieferanten

Veränderter Mengenbedarf auf den Absatzmärkten

Neue Qualitätsanforderungen der Absatzmärkte

Forderungen von Stakeholdern (Staat, Gesellschaft, NGO`s, Gewerkschaften)

Rohstoffverknappung

Naturkatastrophen

Diversifi-zieren

Ab-schöpfen

Zusammen-arbeit

Effizient beschaffen

Krisenpotential: gering / neutral / hoch gering / neutral / hoch gering / neutral / hoch gering / neutral / hoch

Quelle: Eigene Darstellung.

Es zeigt sich, dass zum einen die Zusammenarbeit mit Lieferanten die Gefährdung

durch Änderungen der Bestellung, die auf Fehlern des bestellenden Unter-

nehmens oder des Lieferanten beruhen und Veränderungen in der Umwelt des

Unternehmens, die von Stakeholdern oder Kunden induziert werden, herabsetzten

kann. Die Strategie Diversifizieren wiederum reduziert die Gefährdung durch

Lieferantenausfälle insbesondere durch Lieferanteninsolvenzen. Eine besonders

hohe Gefährdung liegt bei den Strategien Effizient Beschaffen und Abschöpfen

vor. Beim Effizienten Beschaffen liegt dies im Desinteresse des Kunden begründet,

der das entsprechende Beschaffungsgut als so unerheblich für das eigene Unter-

nehmen bzw. die eigenen Kunden einstuft, dass diese Gefährdung hingenommen

werden kann um Verwaltungskosten zu sparen. Anders ist es beim Abschöpfen,

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

hierbei ist die Bedeutung der entsprechenden Beschaffungsobjekte gegeben, die

Gefährdung wird jedoch bewusst eingegangen, da die erwateten Kostenein-

sparungen entsprechend hoch sind.

Unternehmen können also in Abwägung des resultierenden Nutzens und der

potentiellen Gefährdungen für die identifizierten potentiellen Krisensituationen eine

entsprechende Strategie wählen. Ausgenommen sind hierbei die Gefährdung

durch Naturkatastrophen, globale Rohstoffverknappungen und Forderungen, die

von Stakeholdern, wie dem Staat, der Gesellschaft, Gewerkschaften und Non

Government Organisations (NGO`s), an die Unternehmen herangetragen werden.

Eine Ausnahme ist die Diversifikation, die eingeschränkt die Gefährdung durch

eine Rohstoffverknappung reduziert. Dies jedoch nur so weit die Rohstoffver-

knappung nicht global ist bzw. die Rohstoffe sich substituieren lassen.

Schließlich sei hierzu noch kritisch angemerkt, dass, wie im zweiten Kapitel ausge-

führt, keine empirischen Belege für Krisenursachen in der Beschaffung angeführt

werden konnten.322 Damit kann die Relevanz der einzelnen Krisenursachen nicht

ermittelt werden, die einzelne Krisenpotenziale in Relation zu den übrigen Krisen-

potenzialen stellen. Allerdings kann aus den ebenfalls im zweiten Kapitel darge-

stellten Zielen der Beschaffung teilweise ein Anhaltspunkt für die Bedeutung dieser

identifizierten Schwäche bestehender Beschaffungsstrategie abgeleitet werden,323

da hier eine Parallelen zu den beschaffungstheoretischen Überlegungen von

KOPPELMANN und HAMMANN / LOHRBERG besteht. Diese haben bereits vorge-

schlagen aus Ansprüchen an Unternehmen und deren Abhängigkeiten von Stake-

holdern das Gemeinwohl bzw. das Firmenimage als Beschaffungsziele in ihre je-

weiligen Zielsysteme integriert.324 Somit wird bei diesen Autoren implizit die Be-

deutung von Stakeholdern, wie dem Staat, der Gesellschaft, Gewerkschaften und

Non Government Organisations (NGO`s), für die Beschaffung als gegeben

gesehen.

322 Siehe Kapitel 2.5. 323 Siehe Kapitel 2.3. 324 Siehe Kapitel 2.3 und vgl. die Ausführungen bei KOPPELMANN (2000), S. 106-124

und HAMMANN / LOHRBERG (1986), S. 47-49.

67

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

4. Beschaffungsstrategien und

Nachhaltiges Management

Das vierte Kapitel stellt zunächst den Stand der wissenschaftlichen Diskus-

sion zur Nachhaltigen Entwicklung dar und leitet hieraus ab, welche Ansatzpunkte

eines Nachhaltigen Managements in der Beschaffung denkbar sind. Schließlich

wird aus den Möglichkeiten eines Nachhaltigen Managements in der Beschaffung

kritisch deren möglicher Beitrag zur Vermeidung von Unternehmenskrisen disku-

tiert.

4.1 Auffassungen einer Nachhaltigen Entwicklung

Der Begriff Nachhaltigkeit stammt, wie bereits in Kapitel 1.1 erwähnt, ur-

sprünglich aus der Forstwirtschaft. Er steht für eine zukunftsfähige Waldbewirt-

schaftung und bedeutet, dass dauerhaft in der Waldwirtschaft nur dann Erträge

erzielt werden können, wenn nicht mehr Bäume geschlagen werden als nach-

wachsen. Nachhaltigkeit bedeutet also den Wald als Kapitalstock für zukünftige

Erträge zu erhalten. Ausgehend von der Forstwirtschaft wurde die Nachhaltigkeit

auf andere nachwachsenden Ressourcen übertragen.325

Die Bezeichnung Nachhaltige Entwicklung bzw. sustainable Development wurde

erst in den 1980er von der WORLD COMMISSION ON ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT

geprägt.326 Diese definierte eine Nachhaltige Entwicklung als inter- und intra-

generative Gerechtigkeit.327 Damit hat der Begriff der Nachhaltigen Entwicklung,

zusätzlich zur bereits bei der Nachhaltigkeit vorhandenen ökonomischen und öko-

logischen, eine soziale Perspektive.328 Zum Begriff der Nachhaltigen Entwicklung

existieren allerdings eine Vielzahl an Definitionen und noch kein einheitlicher

Konsens.329 Ausgehend von der prägenden Definition der WORLD COMMISSION ON

ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT kann allerdings festgehalten werden, dass eine

Gleichsetzung von Nachhaltigkeit und Nachhaltiger Entwicklung, bzw. eine Redu-

zierung der Nachhaltigen Entwicklung auf ökologische Aspekte, nicht dem

ursprünglichen Gedanken der Nachhaltigen Entwicklung entspricht.

Die Frage, wie ökonomische, ökologische und soziale Ziele zu einer Nachhaltigen

Entwicklung zusammengefasst werden und ineinander integriert werden können,

hat zu verschiedenen Konzepten geführt. Ein Konzept versucht den Gedanken der

325 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 39 f. und PITTEL (2004), S. 537. 326 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 40; MÜLLER-CHRIST (2001), S.48; PITTEL (2004), S. 537 und SCHMID

(1999), S. 285. 327 Vgl. WORLD COMMISSION ON ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT (1987), S. 43. 328 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 42; MÜLLER-CHRIST (2001), S. 55; PITTEL (2004), S. 537 und SCHMID

(1999), S. 286. 329 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 38 und PITTEL (2004), S. 537. Siehe auch die Zusammenstellungen

verschiedener Definitionen bei MÜLLER-CHRIST (2001), S. 51 f. und SCHMID (1999), S. 285.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Nachhaltigen Entwicklung in ein neoklassisches Wirtschaftsmodell zu integrieren.

Bereits 1977 hatte HARTWICK mathematisch die langfristige Sicherung des

Pro-Kopf-Einkommens bei gleichzeitiger Ausbeutung von für die Produktion

essentiellen und nicht-erneuerbaren Ressourcen nachweisen können, wenn der

gesamte Ertrag, der aus der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen entsteht, in

den Aufbau eines reproduzierbaren Kapitalstocks investiert wird.330 Dies hat im

Zuge der Diskussion um eine Nachhaltige Entwicklung zu weiteren mathe-

matischen Modellen innerhalb des neoklassischen Wirtschaftsmodells geführt.

Diese auch als schwache Nachhaltigkeit331, Quasi-Nachhaltigkeit332 oder öko-

nomische Nachhaltigkeit333 bezeichneten Ansätze gehen davon aus, dass Natur-

kapital durch reproduzierbares Kapital substituiert werden kann. Demnach ist der

Abbau natürlicher Ressourcen nachhaltig, wenn diese durch einen von Menschen

geschaffenen Kapitalstock ersetzt werden können und die allgemeine Produkti-

onskapazität dabei erhalten bleibt. Problematisch werden hierbei von Vertretern

des als starker334 oder ökologischer bzw. strikter335 Nachhaltigkeit bezeichneten

Konzepts die Ungewissheit und Irreversibilität der Substitution natürlicher Res-

sourcen durch reproduzierbare Ressourcen gesehen.336 Diese führen an, dass

kritische, lebensnotwendige Ressourcen, wie z.B. das Klima oder die Ozonschicht

existieren. Da weiter die Zusammenhänge in der natürlichen Umwelt nicht eindeu-

tig bekannt sind und der Abbau von nicht regenerierbaren Ressourcen irreversibel

ist, fordern Vertreter dieses Konzepts einer Nachhaltigen Entwicklung, eine Sub-

stitutionrate natürlicher Ressourcen von Null.337

Die Diskussion um diese beiden Auffassungen hat zu Handlungsregeln einer

starken bzw. strikten Nachhaltigkeitsauffassung für den Umgang mit regenerativen

Ressourcen, nicht-regenerativen Ressourcen, der Aufnahmekapazität der Umwelt

für Stoffeinträge und der Eigengesetzlichkeit von Ökosystemen geführt.338 Darüber

hinaus wurden auch für die soziale Perspektive einer Nachhaltigen Entwicklung

Handlungsregeln entwickelt, wenn auch die Diskussion hierzu nicht so ausgeprägt

ist, wie das Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie.339

In der Summe fassen MÜLLER-CHRIST / HÜLSMANN diese Handlungsempfehlungen

als normatives Nachhaltigkeitsverständnis zusammen.340 Dieses diene als Leitbild,

auf welches andere Nachhaltigkeitsverständnisse als Konkretisierung und Operati-

onalisierung aufsetzten.341 Hierbei existieren ein Verständnis von Nachhaltigkeit als

330 Vgl. HARTWICK (1977), S. 973 f. 331 Vgl. PITTEL (2004), S. 538. 332 Vgl. SCHMID (1999), S. 286. 333 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 57-65. 334 Vgl. PITTEL (2004), S. 538. 335 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 64-67. 336 Vgl. PITTEL (2004), S. 538. 337 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 64 f.; PITTEL (2004), S. 538. 338 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 66 und SCHMID (1999), S. 286. Siehe auch ENQUETE-

KOMMISSION (1994), S. 42 f. 339 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2001), S. 67-70. Siehe auch ENQUETE-KOMMISSION (1998), S. 28. 340 Vgl. MÜLLER-CHRIST / HÜLSMANN (2003), S. 268. Siehe auch HÜLSMANN (2004), S. 42-46.

341 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 47-49.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Innovation, dass einer Orientierung an der ökonomischen Rationalität der Effizienz

entspricht und ein Verständnis von Nachhaltigkeit als Substanzerhaltung, das als

eigene Rationalität neben die Effizienzrationalität gestellt wird.342

Das Innovationsverständnis von Nachhaltigkeit strebt ein nachhaltigkeits-

orientiertes Wachstum der Wirtschaft an. Dabei wird angenommen, dass durch

technologischen Fortschritt der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem

Wachstum und Ressourcenverbrauch entkoppelt werden kann.343 Die Erde ist

bezogen auf Materie und natürliche Ressourcen ein geschlossenes System. Ihr

wird über die Zeit lediglich von der Sonne Energie zugefügt und durch diese zuge-

führte Energie kann Materie, die bereits genutzt wurde, wieder umgewandelt und

für einen erneuten Gebrauch nutzbar gemacht werden. Hierdurch sind dem

Wachstum feste Grenzen gesetzt. Das Risiko der Effizienzrationalität liegt somit in

der Unsicherheit über technologischen Fortschritt, Bevölkerungswachstum und

Konsumverhalten. So können Ressourceneinsparungen in der Produktion z.B.

durch eine Steigerung der Konsumrate oder gestiegener Geburtenrate überkom-

pensiert werden. Eine alleinige Steigerung der Ressourcen-Effizienz wirkt daher

möglicherweise nur zeitlich verzögernd auf die Verknappung von natürlichen Res-

sourcen.344 Zur Überwindung dieser Wachstumsgrenzen wird von Vertretern der

Effizienzrationalität eine Dematrialisierung des Wirtschaftswachstums diskutiert.

Diese soll durch eine Verlagerung auf Dienstleistungen und vor allem Wissen als

unbegrenzt verfügbare Ressource erreicht werden.345 Diese Überlegungen ent-

halten allerdings Annahmen, z.B. über die Substituierbarkeit natürlicher Res-

sourcen, wie sie bereits in der Darlegung der Kritik an der schwachen Nachhaltig-

keit weiter oben angeführt wurden, und zusätzlich Annahmen über Skalenerträge

von reproduzierbarem Kapital. Damit unterliegt dieses Konzept wiederum

Unsicherheiten.346

Nachhaltigkeit als eigenständige Substanzerhaltungsrationalität stellt nicht die

Frage, ob nachhaltigkeitsorientiertes Wirtschaften über technologischen Fortschritt

oder Verzicht erreicht werden kann, sondern legt fest, dass Nachhaltigkeit als

Erhaltung der betrieblichen Ressourcenbasis neben die betriebliche Effizienz-

rationalität gestellt werden muss.347 Bei einem solchen Nachhaltigkeitsverständnis

müssen Unternehmen auf einzelwirtschaftlicher Ebene ihre Entscheidungen nicht

nur nach Gesichtspunkten der Effizienz, sondern auch nach Gesichtspunkten der

Substanzerhaltung bewerten. Die Ziele der Effizienz und der Substanzerhaltung

können hierbei komplementär sein, wie z.B. bei Kosteneinsparungen durch die

Reduzierung des Ressourceneinsatzes, sie können aber auch widersprüchlich

sein, wie z.B. einem angestrebten Wachstum zur Rentabilitätssteigerung, eine

342 Vgl. MÜLLER-CHRIST / HÜLSMANN (2003), S. 266-271 und HÜLSMANN (2004), S. 38-49. 343 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 43 f. 344 Vgl. SCHMID (1999), S. 287. 345 Vgl. PITTEL (2004), S. 539-544. 346 Zu einer Übersicht über einzelne Modelle und deren Annahmen vgl. PITTEL (2004), S. 539-544. 347 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003a), S. 72 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

mangelnde Basis an Ressourcen wie z.B. Kapital entgegen stehen kann.348 Die

Effizienzrationalität und die Substanzerhaltungsrationalität sollen nach MÜLLER-

CHRIST allerdings nicht als Gegensätze verstanden werden, sondern seien beide

notwendig für ein nachhaltigkeitsorientiertes Wirtschaften.349

Das Problem der Substanzerhaltung ist die Bewertung von natürlichen Ressour-

cen und die Festlegung von Bedingungen für eine Nachhaltige Entwicklung.350

Wenn man nicht mehr Ressourcen nutzen darf als im gleichen Zeitraum regene-

riert werden, so kann es nicht ausreichen den Ressourcenverbrauch zu reduzie-

ren, vielmehr muss ein maximaler Verbrauch als Bedingung einer Nachhaltigen

Entwicklung festgelegt werden.351 Dadurch, dass alle Unternehmen eine gemein-

same globale Ressourcenbasis nutzen, ist es für einzelwirtschaftliche Entschei-

dungen in Unternehmen problematisch die Bedingungen einer Nachhaltigen Ent-

wicklung zu bestimmen. Die Reduzierung von CO2-Emmissionen ist ein globales

Problem, dass nicht in einem Unternehmen allein gelöst werden kann. Dies ist die

Kritik, die DYLLICK an der Substanzerhaltungsrationalität von MÜLLER-CHRIST

äußert.352 Er sieht diese vorrangig als gesellschaftliches und nicht als einzelwirt-

schaftliches Problem.

Verfolgt man die Kritik von DYLLICK weiter, dass Nachhaltigkeit vorrangig ein

Problem auf einer dem Unternehmen übergeordneten Ebene, wie dem Staat oder

anderen die öffentliche Meinung vertretenden Organisationen353 ist, dann ist Nach-

haltigkeit auf der Ebene der einzelnen Unternehmen eine Strategie, die Wettbe-

werbsvorteile aus den Nachhaltigkeitsproblemen der Gesellschaft generiert.354

Neben die Vorgabe Nachhaltigkeit auf der einzelwirtschaftlichen Ebene als Wett-

bewerbsstrategie und damit als Ausrichtung am Unternehmenswert umzusetzen,

stellt DYLLICK eine Ausrichtung an normativen Grundwerten. Diese lieferten in Ent-

scheidungssituationen die Basis für Entscheidungen und bildeten somit die

Grundlage für nachhaltigkeitsorientierte Wettbewerbsstrategien. Darüber hinaus

stellt er für ein allein strategisches Vorgehen die Akzeptanz der Strategie durch die

Öffentlichkeit und die Mitarbeiter in Frage.355

Damit ist Dyllick nicht weit von den Ausführungen MÜLLER-CHRISTs entfernt. Auch

dieser sieht natürliche Ressourcen als ein globales Problem, das auf einer dem

Unternehmen übergeordneten Ebene gelöst werden muss. Er fasst allerdings die

Akzeptanz der Öffentlichkeit und der Mitarbeit gegenüber den Unternehmens-

handlugen als immaterielle Ressourcen auf, die Unternehmen im Sinne der Sub-

stanzerhaltungsrationalität erhalten müssen. Darstellung 4-2 zeigt die primären

Nachhaltigkeitsprobleme der verschiedenen Systemebenen nach MÜLLER-CHRIST.

348 Vgl. HÜLSMANN (2003), S. 317 ff. 349 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 48 f. 350 Vgl. PITTEL (2004), S. 538. 351 Vgl. SCHMID (1999), S. 286. 352 Vgl. DYLLICK (2004), S. 82 f. 353 Gemeint sind Non Goverment Organisations (NGO’s) wie z.B. Greenpeace oder der WWF. 354 Zu den hier praktikablen Wettbewerbsstrategien nach DYLLICK siehe Kapitel 4.2.

355 Vgl. DYLLICK (2004), S. 98 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

Darstellung 4-1: Primäre Nachhaltigkeitsprobleme auf den Systemebenen

Weltgemeinschaft als wirtschaftende Einheit

Nationen als wirtschaftende

Einheit

Institutionen als wirtschaftende

Einheit

Individuen

Globale Regelungsorganisationen (WHO, IWF, Worldbank etc.)

gesetzliche Rahmen-

bedingungen

Markt

Systemebene primäre Nachhaltigkeitsprobleme

die natürlichen Ressourcen des Planeten Erde sind absolut begrenzt

die ökonomischen Ressourcen sind absolut begrenzt

die immateriellen sozialen Ressourcen sind absolut begrenzt

die ökonomischen und sozialen Ressourcen sind absolut begrenzt

Quelle: MÜLLER-CHRIST (2004), S. 17.

Es ist somit, auf der institutionellen Ebene der Unternehmen, rational nachhaltig zu

agieren, da immaterielle soziale Ressourcen für Unternehmen absolut begrenzt

sind. Natürliche Ressourcen wie z.B. fossile Brennstoffe sind global absolut be-

grenzt. Für Unternehmen stellt sich dieses Problem nicht, da für sie fossile Brenn-

stoffe zu einem bestimmten Preis, der von Angebot und Nachfrage abhängig ist,

verfügbar sind. Allerdings sind für sie Vertrauen und Legitimation absolut begrenzt.

Damit wird das Nachhaltigkeitsproblem der übergeordneten Systeme zum Nach-

haltigkeitsproblem der einzelnen Unternehmen als Teil der übergeordneten

Systeme, da sie sonst Vertrauen und Legitimation verlieren. Die sozialen immate-

riellen Ressourcen moderieren somit, nach diesem Verständnis, den Zugang zu

Kapital und natürlichen Ressourcen.356 Unternehmen müssen daher im Bezug auf

Ressourcen effizient und substanzerhaltend agieren. Effizient, da Ressourcen-

holder sonst nicht bereit sind Ressourcen zu überlassen, und substanzerhaltend,

da Ressourcenholder sonst, bei absolut begrenzten Ressourcen, nicht in der Lage

sind ihre Ressourcen zu überlassen.357

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Umsetzung einer Nachhaltigen Ent-

wicklung aus einem normativen Leitbild hervorgeht und hierbei entweder als nor-

mative Grundwerte oder als Rationalität Entscheidungsgrundlagen für Unter-

nehmensstrategien liefern kann.358

356 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2004), S. 21. 357 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 48 f. 358 Vgl. HÜLSMANN (2004), S. 53-57.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

4.2 Nachhaltiges Beschaffungsmanagement

Bei der Ableitung der Konzepte einer Nachhaltigen Entwicklung auf die ein-

zelwirtschaftliche Ebene können Unternehmen unterschiedlich vorgehen. In der

Umsetzung einer Nachhaltigen Entwicklung haben sich vier zentrale Ausprägun-

gen für Entscheidungen in Unternehmen herausgebildet. Diese sind das Kreislauf-

prinzip, das Verantwortungsprinzip, das Kooperationsprinzip und die Funktions-

orientierung.359

Das Kreislaufprinzip versucht, lineare Stoffströme zu schließen und Rohstoffe

mehrfach zu nutzen, wie z.B. bei Papier oder Glas. Damit wird der Ressourcen-

einsatz reduziert, was der ökologischen Perspektive einer Nachhaltigen Entwick-

lung entspricht. Beim Verantwortungsprinzip werden ganzheitliche Produktlebens-

zyklen, von der Ressourcengewinnung über die Produktion und Produktnutzung

bis zur Entsorgung, betrachtet. Dies ist wichtig, um ökologische und soziale

Kriterien einer Nachhaltigen Entwicklung im Sinne der normativen Leitlinien

bewerten zu können. Unter dem Kooperationsprinzip wird eine Unternehmens-

übergreifende Zusammenarbeit z.B. zwischen Lieferanten, Produzenten, Konsu-

menten und Destruenten verstanden, die es ermöglicht, ökologische oder soziale

Probleme über einzelne Wertschöpfungsstufen hinaus zu bewältigen. Kooperatio-

nen können aber auch Konkurrenten umfassen, so existiert z.B. zur Bewältigung

von sozialen und ökologischen Problemen bei Kaffeeerzeugern ein Netzwerk von

Kaffeeverarbeitern und Non Government Organisations, die auf den Absatz-

märkten konkurrieren, zur Realisierung einer Nachhaltigen Entwicklung auf den

Beschaffungsmärkten aber kooperieren.360

Die Funktionsorientierung ist das Prinzip nicht Produkte sondern deren Nutzen zu

betrachten und so zu versuchen Wertschöpfungen zu entmaterialisieren. Z.B.

kann eine Betrachtung des Nutzens Mobilität an Stelle des Produktes Auto zu

völlig neuen Lösung führen, die ökologisch und sozial im Sinne einer Nachhaltigen

Entwicklung günstiger sein können.

Betrachtet man Nachhaltigkeit primär als Problem einer übergeordneten System-

ebene wie DYLLICK es tut,361 so kann man hieraus fünf Strategietypen ableiten:

Risikoverminderung und Risikobeherrschung, Verbesserung von Image und

Reputation, Verbesserung von Produktivität und Effizienz, Differenzierung am

Markt und Marktentwicklung.362 Bezogen auf die Beschaffung bedeutet dies,

Risiken bestehender gesetzlicher Beschränkungen oder öffentlichen Imageverlust

zu vermeiden. Dies geschieht indem auf Objekte, die umweltgefährdend sind, wie

z.B. FCKW, gesundheitsgefährdend sind, wie z.B. krebserregende Stoffe, oder in

der Herstellung soziale Standards zur Kinderarbeit und Mindestlöhnen nicht erfül-

359 Vgl. SCHMID (1999), S. 288 f. 360 Vgl. COMMON CODE FOR THE COFFEE COMMUNITY. 361 Siehe Kapitel 4.1.

362 Vgl. DYLLICK (2004) S. 96.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

len, verzichtet wird. Dies kann vor allem durch die Prinzipien Kooperation und

Verantwortung363 umgesetzt werden und entspricht der Strategie der Risiko-

vermeidung und Risikobeherrschung aber auch der Verbesserung von Image und

Reputation. Bei den Strategien Verbesserung von Produktivität und Effizienz, Diffe-

renzierung am Markt und Marktentwicklung, kann Beschaffung nur teilweise mit-

wirken. Effizienz hebt hierbei auf den relativen Ressourceneinsatz pro Produkt ab.

Die Beschaffung kann hierzu lediglich Objekte mit geringem Ressourceneinsatz

von Lieferanten beschaffen, bzw. auf den Ressourceneinsatz der Lieferanten

durch Vorgaben Einfluss nehmen. Die Differenzierung am Markt bzw. Marktent-

wicklung sind Marketingstrategien, zu denen die Beschaffung ebenfalls nur die

Vorgabe von Eigenschaften für die Beschaffungsobjekte gegenüber Lieferanten

beitragen kann. Gemeint sind hiermit eine Differenzierung durch z.B. Fair Trade

Produkte oder Niedrigenergiehäuser, bzw. die Entwicklung von Standards wie

Biolabel oder Umweltzertifizierungen.364

Fasst man Nachhaltigkeit als rationale Notwendigkeit auf, die sich auf der System-

ebene des einzelnen Unternehmens als Abhängigkeit von der absolut begrenzten

gesellschaftlichen Ressource Legitimation ergibt, so müssen Unternehmen aktiv

an Nachhaltigkeitsproblemen anderer Systemgrenzen mitarbeiten, um nicht die

gesellschaftliche Legitimation und damit den Zugang zu benötigten Ressourcen zu

verlieren. Damit stellt sich auch für die Beschaffung die Herausforderung, im Sinne

der normativen Handlungsvorgaben, eine Nachhaltige Entwicklung umzusetzen

und so die Versorgung zu sichern bzw. das Risiko gesetzlicher Beschränkungen

oder öffentlicher Boykotte zu vermeiden, welches aus dem Legitimationsverlust

entstehen kann.365

Nachhaltiges Management in der Beschaffung umfasst somit vor allem die Be-

schaffung von nachhaltigen Beschaffungsobjekten. Hiermit findet eine Übertra-

gung von Bedingungen einer Nachhaltigen Entwicklung auf Lieferanten statt.

Daneben kann auch die Beschaffung selbst als nachhaltig verstanden werden. Da

neben dem Einsatz von Personal in der Beschaffung vor allem die Ressource Ka-

pital eingesetzt wird, ist im Sinne von Effizienz und Substanzerhaltung auch Nach-

haltigkeit bei der Kapitalentwicklung anzustreben, die sich bezogen auf die Be-

schaffung vor allem als Kostenreduzierung auf die Rate der Kapitalregenerierung

umsetzen lässt.

363 Vgl. SCHMID (1999), S. 288 f. 364 Vgl. DYLLICK (2004), S. 96-98. 365 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003b), S. 120 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

4.3 Beitrag eines Nachhaltigen Managements zur

Vermeidung von Krisen in der Beschaffung

In den vorausgegangenen Darstellungen zur Nachhaltigkeit und den Mög-

lichkeiten einer Nachhaltigen Entwicklung wurde immer angeführt, dass nachhal-

tigkeitsorientiertes Handeln potentielle Krisen der Versorgungssicherung mit

benötigten Ressourcen vermeidet. Dies kann zum einen sowohl durch eine Be-

rücksichtigung der Eigengesetzlichkeiten der natürlichen Ressourcen, als auch

durch Suffizienz oder technischem Fortschritt, der zumindest teilweise eine Substi-

tution von Ressourcen ermöglicht, geschehen, so dass dauerhaft die öko-

nomischen Funktionen der natürlichen und sozialen Umwelt, wie Assimilation von

Schadstoffen und Lieferung von Ressourcen, erhalten werden könnten.

Zum anderen kann dies geschehen, in dem Nachhaltiges Management durch die

Sicherung der gesellschaftlichen Legitimation oder Erfüllung der Forderungen von

Gesetzgebern und öffentlicher Interessensgruppen den Verlust von Image und

damit die Schwächung von Marken einerseits und die Einschränkung von Hand-

lungsmöglichkeiten andererseits vermeidet.

HÜLSMANN führt hierzu an, dass Nachhaltigkeit durch ihre Rekursivität, das heißt

durch das Abwägen von Entscheidungsalternativen, auch im Hinblick auf Andere

und die daraus entstehenden Implikationen für das entscheidende Unternehmen,

Krisenpräventionspotenziale hat.366

HÜLSMANN argumentiert, dass durch die Berücksichtigung normativer Handlungs-

vorgaben einer Nachhaltigen Entwicklung, sich die Bereitschaft der überge-

ordneten Systeme steigern lässt Ressourcen zu überlassen. Auch Nachhaltigkeit

als Steigerung der Effizienz im Umgang mit Ressourcen steigert diese Bereitschaft

und zusätzlich, zumindest zeitlich, die Fähigkeit der übergeordneten Systeme

Ressourcen zu überlassen. Die strikte Einhaltung der Substanzerhaltungs-

rationalität schließlich steigere die Fähigkeit der Ressourcenüberlassung sogar

dauerhaft.367

Dies entspricht der in Kapitel 3.6 identifizierten Schwäche bestehender Beschaf-

fungsstrategien im Hinblick auf das Krisenpotential, das aus Forderungen durch

Stakeholder wie Staat, Gesellschaft, Non Government Organisations und Gewerk-

schaften und dem Krisenpotenzial aus einer Verknappung absolut begrenzter

Ressourcen entsteht.

Hier können lediglich die bereits erwähnten Beispiele der Unternehmen Adidas,368

Wal-Mart, McDonalds und Starbucks369 angeführt werden, die auf Grund des

Risikos eines öffentlichen Boykotts Nachhaltiges Management in ihrer Beschaf-

fung eingeführt haben. Auch MÜLLER-CHRIST führt Beispiele wie das geplante Ver-

366 Vgl. HÜLSMANN (2005), S. 22. 367 Vgl. HÜLSMANN (2005), S. 21 f. 368 Vgl. BERGIUS (2004).

369 Vgl. SCHRAGE (2004), S. 18.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

senken der Ölplattform Brent Spar durch das Unternehmen Shell oder Störfälle

beim Chemieunternehmen Hoechst an, die durch die öffentliche Aufmerksamkeit

zu Verhaltensänderungen der Unternehmen geführt haben.370 Selbst wenn noch

weitere Beispiele aus der Unternehmenspraxis existieren, bleibt hier allerdings

anzumerken, dass dies keine fundierten Untersuchungen oder Erkenntnisse sind,

die einem wissenschaftlichen Anspruch genügen würden, sondern nur Einzel-

beispiele.

Kritisch bleibt auch anzumerken, dass der Beitrag der Nachhaltigkeit zur Ver-

meidung dieses Krisenpotenzials nur durch den öffentlichen Druck, der die Legiti-

mation der Unternehmen, ihr Image und ihre Marken bedroht, entsteht. Da natür-

liche Ressourcen absolut begrenzt sind, ist nicht damit zu rechnen, dass die

Nachhaltigkeitsprobleme irrelevant werden, es besteht jedoch die Möglichkeit,

dass das Interesse der Öffentlichkeit an Themen des Umweltschutzes und der

sozialen Gerechtigkeit abnimmt und damit auch die Gefährdung der Legitimation

für Unternehmen sinkt.

Zur Substanzerhaltung von Ressourcen ist kritisch festzustellen, dass die Ziele der

Substanzerhaltung widersprüchlich zu den übrigen Unternehmenszielen sein kön-

nen,371 da sie möglicherweise Kosten verursachen oder den Verzicht auf potentiel-

len Gewinnen implizieren. Dies senkt nicht nur das Risiko der Ressourcenver-

knappung, sondern kann in Bezug auf die Liquidität das Risiko einer Krise auch

erhöhen. Problematisch ist, dass die Substanzerhaltung nicht kurzfristig sondern

erst langfristig rational ist. Bezogen auf globale Ressourcen entsteht aber keine

direkte Wirkung aus der Substanzerhaltung auf das einzelne Unternehmen, sie

kann sich auf globalen Ressourcenmärkten vielmehr auch positiv auf die Ressour-

cenbasis der Konkurrenten auswirken.

HÜLSMANN führt darüber hinaus kritisch an, dass die Rekursivität in eine zu starke

Außenorientierung umschlagen und dann ebenfalls zu Systeminstabilitäten und

Krisen führen kann.372

Die dargelegte Vermeidung der Krisepotenziale aus Forderungen durch Stakehol-

der und einer Verknappung absolut begrenzter Ressourcen durch Nachhaltiges

Management in der Beschaffung ist somit kritisch zu betrachten. Die Zusammen-

hänge zwischen einer Nachhaltigen Entwicklung und der Reduzierung von Krisen-

potenzialen ist bisher nicht erwiesen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass ein Nachhaltiges Management sich

eignet, um Inhalte und Rationalitäten für strategische Entscheidungen zu liefern.

Auch kann aus praktischen Beispielen und den dargelegten theoretischen Überle-

gungen ein Zusammenhang zwischen Nachhaltigem Management und der Ver-

meidung von Krisen durch Verknappung absolut begrenzter Ressourcen und For-

derungen von Stakeholdern angenommen werden. Aus Nachhaltigem Manage-

ment in der Beschaffung können sich aber möglicherweise auch neue Krisen-

370 Vgl. MÜLLER-CHRIST (2003b), S. 121. 371 Vgl. HÜLSMANN (2003), S. 317 ff. 372 Vgl. HÜLSMANN (2005), S. 22 f.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

potenziale ergeben. Daher ist Nachhaltiges Management nicht für alle Unter-

nehmen von gleicher Relevanz. Vor allem Unternehmen die besonders sensible

Produkte herstellen, in besonderem Maße im Blick der Öffentlichkeit oder öffent-

licher Interessengruppen stehen oder direkt von der Verknappung nicht oder noch

nicht substituierbarer Ressourcen abhängen, dürften von einer Reduzierung der

Krisenpotenzial durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung profitieren.

Auf Grund der oben ausgeführten kritischen Betrachtung sollten nachhaltigkeits-

orientierte Entscheidungsrationalitäten allerdings nur ergänzend zu bestehenden

Beschaffungsstrategien verwendet werden, um Krisen, die durch eine Erhöhung

von Kosten oder andere mögliche Begleiterscheinungen entstehen können, zu

vermeiden.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

5. Abschließende Betrachtung

Im Folgenden fünften Kapitel sollen kurz die Ergebnisse der vorliegenden

Diplomarbeit im Hinblick auf die bearbeitete Fragenstellung noch einmal akzentu-

iert zusammengefasst werden. Schließlich wird ein kurzer Ausblick auf Unsicher-

heiten gegeben, die im Rahmen dieser Arbeit aufgekommen sind.

5.1 Fazit

Ausgangspunkt dieser Diplomarbeit war die Frage, wie und in welchem

Umfang ein Nachhaltiges Management in der Beschaffung Unternehmenskrisen

vermeiden kann. Hierbei wurden Krisen als Nichterreichung von Zielen, die zur

Existenzgefährdung eines Unternehmens führen können, betrachtet.

Es wurde erarbeitet, dass bezogen auf die Funktion der Beschaffung mögliche

Krisen aus der Gefährdung der Ziele der Unternehmensversorgung, der Autono-

mie von Lieferanten und der Kosten und Qualitätsanforderungen resultieren

können. Durch die Untersuchung von organisationstheoretischen Erkenntnissen

im Bezug auf die grundlegenden Strategierichtungen, die in der untersuchten Be-

schaffungsliteratur vertreten werden, konnten strategiespezifische Krisenprofile für

die Beschaffung erstellt werden. Diese konnten Schwächen der bestehenden

Strategien im Bezug auf Krisenpotenziale aufzeigen, die aus Naturkatastrophen,

der Verknappung von absolut endlichen Ressourcen und aus Forderungen, die

von Stakeholdern an Unternehmen herangetragen werden, entstehen.

Es konnten in diesem Zusammenhang aber keine empirischen Belege für Krisen-

ursachen in der Beschaffung angeführt werden. Damit konnte die Relevanz der

einzelnen Krisenursachen nicht ermittelt werden, die die Bedeutung der identifi-

zierten Schwächen der untersuchten Strategien in Relation zu den übrigen Krisen-

potenzialen gestellt hätten. Ein Indiz für die Relevanz der identifizierten Schwäche

konnte jedoch auch aus einer parallelen des herausgearbeiteten Ergebnisses zu

den beschaffungstheoretischen Überlegungen von KOPPELMANN und HAMMANN /

LOHRBERG abgeleitet werden.

Aufbauend hierauf wurden die Ansatzpunkte eines Nachhaltigen Managements

zur Vermeidung von Krisen betrachtet. Es wurde dargelegt, dass Nachhaltiges

Management einen Beitrag zur Vermeidung von Unternehmenskrisen in der Be-

schaffung leisten kann. Nachhaltiges Management vermeidet Krisen, die aus der

Verknappung von absolut endlichen Ressourcen und aus Forderungen von

Stakeholdern entstehen. Dieser Beitrag zur Krisenvermeidung ergibt sich zum

einen aus dem Verständnis einer Nachhaltigen Entwicklung als dauerhafte Erhal-

tung von Ressourcen bzw. Produktionskapazitäten. Zum anderen entsteht er aus

der Erfüllung von Forderungen, die aus einer Übertragung des Nachhaltigkeits-

problems von der Gesellschaft auf einzelne Unternehmen entstehen. Der Beitrag

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

eines Nachhaltigen Managements zur Krisenvermeidung ist jedoch nicht empirisch

belegt und gründet sich auf logische Argumentation und beispielhafte Belege aus

der unternehmerischen Praxis, so dass kritisch mit diesem Ergebnis umgegangen

werden muss.

Da die Beschaffung in Unternehmen durchschnittlich den größte Anteil der Unter-

nehmenskosten umfasst, ist hier die Reduzierung von Kosten und somit die Sub-

stanzerhaltung im Bezug auf die Ressource Kapital von großer Bedeutung. Dies

steht nicht im Widerspruch zur Anstrebung einer Nachhaltigen Entwicklung aller

Ressourcen, führt aber dazu, dass Unternehmen sich vermutlich deutlichen

Zwängen ausgesetzt sehen müssen, um Nachhaltigkeit als gleichwertiges Ziel in

der Beschaffung zu integrieren. Einen solchen Zwang könnte eine Krisensituation

und deren Vermeidung mittels Nachhaltigem Management darstellen. Das Vor-

handensein eines solchen Zwangs konnte hier aber nur für einzelne Unternehmen

beispielhaft belegt werden.

5.2 Ausblick

Anschließend an die Darlegungen des Fazits lässt sich anführen, dass

neben der Kritik an den fehlenden empirischen Belegen für den Beitrag eines

Nachhaltigen Managements zur Vermeidung von Krisen in der Beschaffung aus-

reichende Annahmen für einen solchen Beitrag vorliegen, die eine Begründung für

eine weitere Erforschung darstellen. Aus den vorliegenden Beispielen einzelner

Unternehmen oder ganzer Branchen373 ließen sich Hypothesen formulieren, die

einer empirische Überprüfung unterzogen werden könnten. Wenn ein Beitrag von

Nachhaltigem Management zur Vermeidung von Krisen in der Beschaffung empi-

risch belegt werden könnte, wäre dies ein Ergebnis, dass der Bedeutung und

Verbreitung von Nachhaltigkeit ein stärkeres Gewicht geben würde.

Neben empirischen Belegen für den Zusammenhang von Nachhaltigkeit und

Krisenvermeidung besteht auch ein Bedarf zur Erforschung von Krisenursachen in

der Beschaffung, die die ebenfalls im Fazit dargelegte Unsicherheit über die Be-

deutung der Krisenpotenziale, die aus der Verknappung von absolut endlichen

Ressourcen und aus Forderungen von Stakeholdern entstehen, belegen könnte.

373 MÜLLER-CHRIST (2004) führt bei seinen Ausführungen zur Substanzrationalität beispielhaft Entwicklungen in der fischverarbeitenden Industrie und bei Kaffeeröstern an. Vgl. ebd. S. 15.

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Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmenskrisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

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Das Verständnis und die Bedeutung der betriebs-wirtschaftlichen Funktion der Beschaffung für Unternehmen hat seit den 1970er Jahren eine Wandlung vollzogen. Heute steht nicht mehr lediglich die Materialbereitstellung im Vordergrund, sondern das Verständnis einer strategischen Beschaffung. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob bestehende strategische Ansätze des Beschaffungs-wesens in der Lage sind, Krisen in der Beschaffung zu vermeiden und welche potenziellen Krisensituationen die Schwachpunkte bestehender Beschaffungsstrategien darstellen. Es soll geprüft werden, ob im Sinne eines Krisenmanagements die bestehenden Beschaffungs-strategien der veränderten Umwelt von Unternehmen gerecht werden oder inwiefern ein Bedarf für ein »Nachhaltiges Management« in der Beschaffung bestehen könnte.

Schriftenreihe Forschungsbeiträge zum Strategischen Management hrsg. v. Prof. Dr. Michael HülsmannUniversität Bremen | Fachbereich Wirtschaftswissenschaft | Management Nachhaltiger Systementwicklun

Bd. 5: Stefan Lentz – Möglichkeiten und Grenzen der Vermeidung von Unternehmens-krisen durch Nachhaltiges Management in der Beschaffung

ISBN 3-938786-05-1 | ISSN 1860-6628