Mikrofinanz als Alternative für konservative Investoren

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PERSPEKTIVEN Reuss Private | Perspektiven | 1 Für Kunden und Partner von Reuss Private Ausgabe 24 | Mai 2013 Spätestens seitdem die Finanz- und Bankenkrise in eine Verschuldungskrise der meisten Industrie- staaten mündete, wird Sicherheit für Geldanleger zu einem relativen Begriff. Staatsanleihen, einst der Inbegriff eines konservativen und sicheren Invest- ments, werden zu Spekulationsobjekten. Im Zuge dieser Entwicklung wurden die Kurse der schein- bar sicheren Schuldner auf Rekordhöhe getrieben, sodass sichere Renditen selbst im 10-Jahresbereich unterhalb der Inflationsraten liegen. In dieser Po- sition fühlen sich konservative Investoren zuneh- mend unwohl: Ob durch steigende Inflation, stei- gende Zinsen oder durch eine überstaatliche Schuldenvergemeinschaftung: jedes dieser Szena- rien führt z.B. bei deutschen Staatsanleihen zu Ver- lustgeschäften. Die Suche nach Alternativen treibt Versicherer mittlerweile sogar zu Investitionen in Staatsanleihen von Ghana oder Sambia.Wer nicht gerade den Investitionsdruck eines Milliarden- depots verspürt, findet in Mikrofinanzfonds ein wesentlich attraktiveres Nischeninvestment. Bei Mikrofinanz handelt es sich um breit gestreute Portfolien von Kleinkrediten, vergeben durch Mi- krofinanzbanken vor allem in Schwellen- und Ent- wicklungsländern. Diese Minidarlehen haben ein Volumen von unter 100 Euro bis hin zu wenigen Tausend Euro je Kreditnehmer und dienen dem Aufbau oder der Sicherung einer unternehmeri- schen oder Nebenerwerbsexistenz. Um die Kre- ditprüfung zu vereinfachen, greifen viele Mikrofi- nanzinstitute zum Instrument des Gruppenkredits. Hier trägt z.B. eine Dorfgenossenschaft das Risiko wenn in einzelnen Regionen immer wieder Fehl- entwicklungen bei der Umsetzung der Kreditprin- zipien von Mikrofinanz zu beobachten waren, ist diese Urform des genossenschaftlichen Bankge- schäfts weltweit aus der Entwicklungshilfe nicht mehr wegzudenken. Man schätzt, dass es weltweit mittlerweile weit über 70 000 Mikrofinanzinstitute gibt, wobei nur wenig mehr als 1000 davon die wirtschaftliche Reife haben, um als Geschäftspart- ner der rund 100 Mikrofinanzinvestmentvehikel (MIV) in Frage zu kommen (Microrate, 2012). Mikrofinanz als Alternative für konservative Investoren Nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch: Die Anlageklasse der Kleinstkredite bringt eine sichere Rendite und schützt Portfolios vor dem Platzen der Rentenblase. Andreas W. Korth, Leiter des Good Growth Instituts für globale Vermögensentwicklung mbH dafür, dass der Einzelne seine Darlehensanteile verantwortungsbewusst investiert und verein- barungsgemäss zurückzahlt. Die soziale Einbin- dung in die Gruppe sowie eine gute Kreditschu- lung sind die beste Gewähr dafür, dass es nicht zu Kreditausfällen kommt. Die Refinanzierung armer Bevölkerungsschichten durch diese Mikrofinanz- investments schafft nicht nur wirtschaftliches Einkommen und Selbstvertrauen für die Kredit- nehmer, sondern auch eine angemessene und sichere Verzinsung für die Geldgeber. Auch Tagesgeld (3-Monats-Libor) Anleihen (JPM Global Bonds USD hedged) Aktien (MSCI World) Mikrofinanz (SMX) Quelle: Roland Dominicé (2012) Grafik 1: Vergleich von Risiko und Rendite (2003–2011) 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1% Rendite Risiko 0% 2% 4% 6% 8% 10% 12% 14% 16% 18%

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Nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch: Die Anlageklasse der Kleinstkredite bringt eine sichere Rendite und schützt Portfolios vor dem Platzen der Rentenblase

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PERSPEKTIVEN

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Für Kunden und Partner von Reuss Private Ausgabe 24 | Mai 2013

Spätestens seitdem die Finanz- und Bankenkrise in eine Verschuldungskrise der meisten Industrie-staaten mündete, wird Sicherheit für Geldanleger zu einem relativen Begriff. Staatsan leihen, einst der Inbegriff eines konservativen und sicheren Invest-ments, werden zu Speku lationsobjekten. Im Zuge dieser Entwicklung wurden die Kurse der schein-bar sicheren Schuldner auf Rekordhöhe getrieben, sodass sichere Renditen selbst im 10-Jahres bereich unterhalb der Inflationsraten liegen. In dieser Po-sition fühlen sich konservative Investoren zuneh-mend unwohl: Ob durch steigende Inflation, stei-gende Zinsen oder durch eine überstaatliche Schulden ver gemeinschaftung: jedes dieser Szena-rien führt z.B. bei deutschen Staatsan leihen zu Ver-lustgeschäften. Die Suche nach Alternativen treibt Versicherer mittlerweile sogar zu Investitionen in Staatsanleihen von Ghana oder Sambia. Wer nicht gerade den Investitionsdruck eines Milliarden-depots verspürt, findet in Mikrofinanzfonds ein wesentlich attraktiveres Nischeninvestment.

Bei Mikrofinanz handelt es sich um breit gestreute Portfolien von Kleinkrediten, vergeben durch Mi-krofinanzbanken vor allem in Schwellen- und Ent-wicklungsländern. Diese Minidarlehen haben ein Volumen von unter 100 Euro bis hin zu wenigen Tausend Euro je Kreditnehmer und dienen dem Aufbau oder der Sicherung einer unternehmeri-schen oder Nebenerwerbsexistenz. Um die Kre-ditprüfung zu vereinfachen, greifen viele Mikrofi-nanzinstitute zum Instrument des Gruppenkredits. Hier trägt z.B. eine Dorfgenossenschaft das Risiko

wenn in einzelnen Regionen immer wieder Fehl-entwicklungen bei der Umsetzung der Kreditprin-zipien von Mikrofinanz zu beobachten waren, ist diese Urform des genossenschaftlichen Bankge-schäfts weltweit aus der Entwicklungshilfe nicht mehr wegzudenken. Man schätzt, dass es weltweit mittlerweile weit über 70 000 Mikro finanz institute gibt, wobei nur wenig mehr als 1000 davon die wirtschaftliche Reife haben, um als Geschäftspart-ner der rund 100 Mikrofinanzinvestmentvehikel (MIV) in Frage zu kommen (Microrate, 2012).

Mikrofinanz als Alternative für konservative InvestorenNicht nur sozial, sondern auch ökonomisch: Die Anlageklasse der Kleinstkredite bringt eine sichere Rendite und schützt Portfolios vor dem Platzen der Rentenblase. Andreas W. Korth, Leiter des Good Growth Instituts für globale Vermögensentwicklung mbH

dafür, dass der Einzelne seine Darlehensanteile verantwortungsbewusst investiert und verein-barungs gemäss zurückzahlt. Die soziale Einbin-dung in die Gruppe sowie eine gute Kreditschu-lung sind die beste Gewähr dafür, dass es nicht zu Kreditausfällen kommt. Die Refinanzierung armer Bevölkerungsschichten durch diese Mikrofinanz-investments schafft nicht nur wirtschaftliches Einkommen und Selbstvertrauen für die Kredit-nehmer, sondern auch eine angemessene und sichere Verzinsung für die Geldgeber. Auch

Tagesgeld (3-Monats-Libor)

Anleihen (JPM Global Bonds USD hedged)

Aktien (MSCI World)

Mikrofinanz (SMX)

Quelle: Roland Dominicé (2012)

Grafik 1: Vergleich von Risiko und Rendite (2003–2011)

7%

6%

5%

4%

3%

2%

1%

Rendite

Risiko

0% 2% 4% 6% 8% 10% 12% 14% 16% 18%

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Angesichts der teilweise hohen lokalen Zinszah-lungen der Kreditnehmer könnte man erwarten, dass sich Mikrofinanz auch durch hohe Risiko-prämien und Zinsniveaus für den Investor aus-zeichnet. Das ist bei seriösen Angeboten jedoch nicht der Fall. Denn angesichts der niedrigen Kreditsummen entsteht ein erheblicher Betreu-ungsaufwand, der durch das Mikrofinanzinstitut vor Ort getragen werden muss. Über die Mik-rofinanzfonds erfolgt lediglich eine Refinanzie-rung von Kreditportfolios, meist mit Tranchen von jährlicher Laufzeit, basierend auf dem 6-Mo-nats-Libor plus einer Marge von 3 bis 5% p.a. Nach den Kosten der Kreditverwaltung durch die Mikrofinanzfonds verblieb den Anlegern da-mit 2012 eine Performance von rund 3,6% p.a. (Symbiotics Microfinance Index SMX).

Was macht Mikrofinanz nun gerade auch in der aktuellen Marktsituation finanziell attraktiv? Wie die Grafik 1 zeigt, ist das Risiko/Rendite-Verhält-nis von Mikrofinanz seit 2003 ohnehin ausge-sprochen attraktiv. Gegenüber dem Tagesgeld beträgt der Mehrertrag rund 1,5% pro Jahr, ohne dass dafür ein höheres Risiko zu tragen war. Im Vergleich zu den Anleihen ist die Rendite zwar um 1% geringer, doch dafür müssen Anleihen-gläubiger aufgrund fester Zinscoupons das fünf-fache Risiko tragen. Das Sharpe Ratio drückt das Risiko/Rendite-Verhältnis in einer Kennzahl aus. Danach war Mikrofinanz in der Zeit von 2003 bis 2011 dreimal so attraktiv wie Anleihen (Roland Dominicé, 2012.). Das Marktrisiko ist für Anleihen dabei gerade in der aktuellen Marktphase besonders bedrohlich: Steigen die Zinsen, dann fallen die Kurse der Anleihen und damit drohen den Anlegern schmerzliche Ver-luste. Da Mikrofinanzfonds die einzelnen Darle-henstranchen an die MFI laufend zu jeweils ak-tuellen Konditionen prolongieren oder neu vergeben, passt sich das Mikrofinanzportfolio anders als die Anleihen an steigende Zinsen an. Der Mikrofinanzinvestor profitiert damit voll von der höheren Rendite, ohne dabei Kursverluste hinnehmen zu müssen. Ein ideales Investment also, wenn man von gleichbleibenden oder so-gar steigenden Zinsen ausgeht.

Instrument BN&P Good Growth Fund Dual Return Fund SICAV – Vision Micro- finance Sub-Fund

Prism Fund

Strategie Vermögensverwaltender Mischfonds, der Mikrofinanz aktiv als Anlageklasse mit ca. 30% Anteil gewichtet. Das Mikrofinanzportfolio wird über ver-schiedene Fonds und alternative An-lageinstrumente sehr breit gestreut.

Reiner Mikrofinanzfonds ohne regionalen Fokus, Investment-entscheidungen durch ein renommiertes externes Analystenteam (Symbiotics).

Mikrofinanzfonds mit Fokus auf Afrika, aktuell investiert in den Ländern Ghana, Kenia, Tansania, Sambia und Uganda

Rechtsform SuperOGAV (Luxemburg) SICAV–Part II (Luxemburg) Protected Cell Company (Mauritius)

Währung EUR EUR USD/EUR

Auflage Mai 08 April 06 August 09

Kauf Täglich Monatlich Monatlich

Verkauf Täglich Monatlich Quartalsweise mit Lock-up für die ersten 6 Monate

Mindestanlage-summe

EUR 50 (Retail)EUR 70 000 (Institutionelle)

EUR 1 000 USD 20 000

Diversifizierung Rund 50 Länder und über 400 MFI.

25 Länder, ca. 62 verschiedene MFI

5 Länder

Handelbarkeit Alle Banken und Depotstellen Einzelfallprüfung Einzelfallprüfung

Volumen (in Mio. EUR)

12,5 93 26

Neg. Domino-effekt EmMa-Krise

Gering (breit diversiviziert) Mittel Mittel

Konzentration Institute

Gering (breit diversiviziert) Gering (breit diversiviziert) Höher (konzentriertes Portfolio)

Länderrisiko Gering (breit diversiviziert) Gering (breit diversiviziert) Höher

Durationsrisiko Gering Gering Gering

Aktienmarkt risiko Moderat (Teilexposure) Kein Risiko Kein Risiko

Tabelle 1: Exemplarische Auswahl für unterschiedliche Risikokonzepte

Der Prism-Fund

Dieser Fonds bietet den Investoren die Gelegen-heit, von Afrikas starkem Wachstum zu profitie-ren, indem sie direkt in die Entwicklung der Finanzmärkte investieren. Der Fonds erreicht dies mittels einer sorgfältigen Auswahl von Part-nern, welche sich auf die direkte Kreditvergabe auf dem ganzen Kontinent spezialisieren. Diese Partner verfügen über sachkundige Teams, ge-paart mit soliden Vergabe- und Inkasso-Prozes-sen. Bei den letzteren handelt es sich um stark automatisierte Abläufe, welche sich über viele Jahre in ganz Afrika bewährt haben.

Der momentane Fokus von Prism liegt auf di-rekten Lohnabzügen innerhalb der öffentlichen Ver waltung, welche über 3 Mio. Beamte mit einer jährlichen Lohnsumme von mehr als USD 4 Mrd.

umfasst. Derzeit investiert der Fonds in Ghana, Kenia, Tansania, Sambia und Uganda.

Durch seine Partner deckt der Fonds 2 bis 4% der gesamten Staatsangestellten und halbstaatli-chen Lohnbezüger in den genannten Regionen Afrikas ab – wie zum Beispiel Schulen, Spitäler, Polizei, Telekommunikationsunternehmen und nichtstaatliche Organisationen (NGOs). Die kre-ditgebenden Partnerorganisationen beschäftigen derzeit über 500 Vollzeitangestellte und die Rück-zahlungsrate beträgt im Schnitt 92%. Die durch-schnittliche Darlehenshöhe liegt bei USD 1100 mit einer mittleren Laufzeit von 36 bis 42 Mo-naten. Die Mehrheit der Darlehen wird für Ausbildung, die Überbrückung finanzieller Eng-pässe sowie Wohnraumbeschaffung verwendet.

Der Prism-Fund wird von Skybound Capital verwaltet und ist als eine in Mauritius registrierte «Protected Cell Company» aufgesetzt. Die verwal-teten Vermögen aller Fondsanlage klassen (USD, EUR und GBP) betragen über USD 35 Mio. Der Kurs wird monatlich festgesetzt und auch Zeich-nung und Rückzahlung erfolgen monatlich (die Kündigung kann nach einer anfänglichen Sperrfrist von 6 Monaten auf 3 Kalendermonate hinaus erfolgen). Der Fonds wird auf Bloomberg ge-führ t (unter den Kürzeln SKYPRUS, SKYPRGP, SKYPREU). Er wurde im August 2009 gegründet und hat seither eine konsistente Jahresrendite, abzüglich aller Gebühren, von 8% in der USD- resp. 7% in der EUR-Anlageklasse generiert.

Conrad Amm, Skybound Capital

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass informierte Investoren mittlerweile unter mehr als 30 Mikrofinanzfonds in Europa auswählen können. Die Investitionsmöglichkeiten reduzie-ren sich nach der Analyse auf 14 Produkte, wenn man nur offene Fonds in Betracht zieht (Good Growth Institut, 2010). Dabei handelt es sich um die Produkte, die mindestens auf monatlicher Basis eine Wert feststellung haben und welche die Anleger mindestens halbjährlich kaufen oder verkaufen können. Wer erwartet, innerhalb dieses überschaubaren Marktangebots weitest-

Quellennachweis:– The State of Microfinance Investment 2012

Microrate, November 2012.– Microfinance at a glance, A. Gonzalez

MIX Market, 12/2009.– Marktübersicht Mikrofinanzfonds, Good

Growth Institut, August 2010.– Microfinance Banana Skins 2012 ,The

CSFI survey of microfinance risk, Juli 2012.– CGAP Monitoring 9/2010.– Symbiotics Monthly Report, 11/2012.– Microfinance Investments, R. Dominicé, 2012.

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Zusammenstellung eines Mikrofinanzportfolios

Andreas W. Korth

Ein Direktinvestment in ein einzelnes Mikrofi-nanzinstitut wird nur für wenige Investoren eine greifbare Alternative darstellen. Nur eine Hand-voll dieser Kleinstkreditbanken sind börsenno-tiert oder haben liquide Anleihen am Kapital-markt emittiert.

Auf der Plattform Microfinance Information Ex-change (MIX) findet man die Daten von welt-weit über 1300 Mikrofinanzinstituten (MFI), die sich um bilaterale Darlehensmittel zur Refinan-zierung bemühen. Auch wenn sich die MFI in Bezug auf Geschäftsmodell, Kapitalausstattung und ethische Haltung deutlich unterscheiden, ist die Qualität der Kreditportfolios der erfahrenen Mikrofinanzierer im Durchschnitt erstaunlich hoch: So liegt das Ausfallrisiko in den Kreditport-folios der bei MIX registrierten Mikrofinanzban-ken im Durchschnitt deutlich unter 5%, ein Wert, der die konventionellen Banken unserer Wohl-standsgesellschaft neidisch werden lässt. Die Kreditausfälle der Top 50 MFI des Symbiotics Mi-crofinance Index liegen im Schnitt unter 3,5% (Symbiotics, 2012).

Die Auswahl der richtigen MFI, die über die not-wendige Erfahrung, finanzielle Stärke und ein nachhaltiges Geschäftsmodell verfügen, ist so-mit Expertenarbeit. Bei genauerer Betrachtung gibt es etwa 5 Analystenhäuser (Microrate, 2012), die etwa 58% aller Investitionsentschei-dungen in MFI verantworten. Experten wie Symbiotics oder Blue Orchard beraten diverse Mikrofinanzfonds und ebnen so den interessier-ten Investoren den Weg in ein diversifiziertes Mikrofinanzportfolio. Die Mikrofinanzfonds in-vestieren je nach Struktur und Größe in 10 bis ca. 200 verschiedene MFIs und haben dabei meist auch unterschiedliche regionale Schwer-punkte (Good Growth Institut, 2010). Um ein weltweit breit diversifiziertes Portfolio zusam-menzustellen, ist die Kombination mehrerer Mi-krofinanzfonds aus der Hand verschiedener Analystenhäuser zu empfehlen. Durch eine breite Streuung ist gewährleistet, dass weder Naturkatastrophen noch politische Verwer-fungen oder Kriege zu einem nennenswerten Ausfallrisiko für die Investoren werden können.

Neben der Diversifizierung erfordert auch die Beachtung sozialer Nachhaltigkeit in den Ge-schäftsmodellen der Mikrofinanzinstitute zuneh-mende Aufmerksamkeit. Spätestens seit dem bekanntwerden skandalöser Fehlentwicklungen in der indischen Region Andhra Pradesh im Herbst 2011 steht die Vermeidung von Über-schuldungen bei den ohnehin armen Kredit-nehmern ganz oben auf der Agenda der Mikro-finanzinvestoren (CSFI, 2012). Eine möglichst konsequente Vermeidung von Konsumkrediten ist hierfür eine wesentliche Stellschraube. Da sich die leichtfertige und unethische Kreditver-gabe letztlich auch in den Ausfallrisiken wider-spiegelt, haben kompetente Fondsmanager schon seit Jahren auch soziale Kriterien in der Auswahl der Mikrofinanzinstitute berücksichtigt.

Drei Fragen an den MikrofinanzexpertenMichael P. Sommer

Welches Volumen haben üblicherweise die einzelnen Mikrokredite?

Sommer: Im weltweiten Mittel spricht man von etwa 500 Dollar – aber diese Feststellung hat keine große Aussagekraft. Denn erstens ent-scheidet nicht die Höhe des Kredites über den wirtschaftlichen und sozialen Erfolg des Kredit-nehmers, sondern die Frage, ob der Kredit mit-hilft, Menschen den Zugang zu den Basisfinanz-dienstleistungen zu verschaffen. Und zweitens sind die Rahmenbedingungen zu unterschiedlich: In Bangladesch oder in Subsahara-Afrika kann man möglicherweise bereits mit 50 Dollar den Schritt in die wirtschaftliche Selbstständigkeit wagen. In Osteuropa oder Zentralasien sind deutlich höhere Geldbeträge nötig. Das Ver hältnis des Kredits zum durchschnittlichen Jahres-einkommen im jeweiligen Land liefert einen Hin-weis darauf, an welcher Stelle der Einkommens-pyramide eine Mikrofinanz-Institution ansetzt.

Bringen Mikrokredite die Menschen nachhaltig aus der Armutsfalle heraus?

Sommer: Richtig ist, dass sich Mikrofinanz zu einem erheblichen Teil im informellen Sektor ab-spielt, also in der Schattenwirtschaft, die in der offiziellen volkswirtschaftlichen Statistik nicht erfasst ist. Das ist nicht zu beanstanden, solange die Menschen dadurch die Möglichkeit erhalten, sich in den formalen Volkswirtschaftskreislauf

einzugliedern. Denn erst dann sind regionale Wirtschaftsentwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen erfolgreich, messbar und nach-haltig erkennbar. Deswegen ist auch der Bereich der KMU-Unternehmen, das heißt die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen, neben der Kleinstunternehmer- Förderung ein bedeutender und wichtiger Faktor im Bereich nachhaltiger Entwicklung. Noch einmal: Mikro-finanz endet nicht an einer wie auch immer zu definierenden absoluten Kredithöhe. Sie hat ihre Bedeutung, weil sie ein selbstbestimmtes Leben ökonomisch armer, aber wirtschaftlich aktiver Menschen ermöglicht. Erst diese (Inklusion ge-nannte) Einbeziehung des Menschen in gesell-schaftliche Entwicklung kann zu nachhaltigen Ergebnissen führen.

Häufig vernimmt man auch Kritik an Mikrofinanz, da die Kreditnehmer vor Ort häufig Zinsen von weit über 20% zahlen müssen. Wie sehen Sie den Spagat zwischen Ökonomie und Entwicklungshilfe?

Sommer: Mikrofinanzen – und damit auch Mikrokredite – sind erfolgreich, wenn der be-triebswirtschaftliche Ertrag einhergeht mit wirt-schaftlicher Entwicklung, die soziale Entwicklung ermöglicht. Ein «zuerst» und «danach» gibt es nicht. Es ist notwendig, sehr kostenintensiv und zeitaufwendig die Endkunden zu begleiten. Wenn ein Mikrokredit-Sachbearbeiter für einen 100-Euro-Kredit mit seinem Moped über Land fährt, den Kunden bei der Erstellung des Busi-ness-Plans berät, seine Glaubwürdigkeit über-prüft, zurückfährt, eine Kreditakte anlegt, nach positiver Entscheidung den Kredit auszahlt und in vierwöchentlichen Raten wieder einsammelt (mit einer Mopedfahrt pro Rate), dann ist nach-vollziehbar, dass das höhere Kosten und damit auch Zinsen bedingt als bei einem Kredit einer Bank hier in Deutschland. Natürlich, die Zinsge-staltung muss fair sein – aber dazu gehört auch, dass sie kostendeckend ist. Wir überprüfen das regelmäßig bei den Mikrofinanz-Institutionen, die unsere Geschäftspartner sind.

Michael P. Sommer ist als Direktor bei der Bank im Bistum Essen eG für den Aufbau des Mikrofinan-zengagements verantwortlich. Er war zuvor u.a. Ge-schäftsführer der Auslandshandelskammer in Gua-temala und Mitglied der Geschäftsleitung eines großen Hilfswerks.

den Übersicht werden exemplarisch ein regio-nales Investment, ein überregionaler Fonds und ein Dachfondskonzept vorgestellt.

Das noch immer überschaubare Angebot erklär t, warum die großen institutionellen In-vestoren die Nische Mikrofinanz auf absehbare

Zeit nicht nutzen können. Eine attraktive Chance daher für private Anleger, sinnvolles Handeln und attraktives Investment miteinan-der zu kombinieren.

gehend identische Produkte vorzufinden, sieht sich bei der Detailbetrachtung überrascht. Sehr unterschiedlich sind die Schwerpunkte der Fonds im Hinblick auf die regionale Verteilung und Risikostreuung, aber auch im Hinblick auf formale Anlagekriterien wie Mindestanlage-summe und Handelbarkeit. In der nachstehen-

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Der BN&P Good Growth Fund

Die Mikrofinanzinvestments sind das Herzstück dieses vermögensverwaltenden Mischfonds. Im Rahmen einer ausgewogenen Anlagestrategie bewegen diese sich je nach Marktsituation in ei-nem Korridor von 20–30% des Fondsvolumens. Neben einer schwankungsarmen Rendite ober-halb der Geldmarktverzinsung erhalten die Anleger aus diesen Investitionen in unternehme-rische Kleinkredite in Schwellen- und Entwick-lungsländern eine soziale Rendite. Die Anlagen in Mikrofinanz erfolgen nach dem Fund-of-Fund Prinzip: Durch ein breit diversifiziertes Spektrum an Investmentvehikeln werden mit dem Mikro-finanzportfolio des Good Growth Fund über 400 Mikrofinanzinstitute in über 50 Ländern erreicht. Dabei wachen die besten Experten weltweit über die soziale und finanzielle Performance der einzelnen Mikrofinanzinstitute. Ein besonderer Fokus bei der Auswahl der Mikrofinanz- anlagen liegt auf Coinvestments gemeinsam mit Entwicklungshilfebanken und Nichtregierungs-

organisationen. So investieren die Anleger über den Good Growth Fund auch in den größten europäischen Mikrofinanzfonds EFSE, der von der deutschen KfW und vielen weiteren euro-päischen NGO gegründet wurde, um nach dem Balkankrieg in den 90er-Jahren die Region von Südosteuropa zu stabilisieren. Dieser Fonds hat seine Aktivitäten sehr erfolgreich bis in den Kau-kasus und nach Zentralasien ausgeweitet und trägt damit zur friedlichen Entwicklung vieler Armutsregionen bei. Viele dieser Mikrofinanzin-vestments sind für Privatanleger nur schwer zu-gänglich; so liegen beispielsweise die Mindestin-vestments beim EFSE Fund bei 1 Mio. Euro. Auch bei den Banklagerstellen gibt es viele Restriktio-nen, die es dem einzelnen Anleger erschweren, ein breit diversifiziertes Mikrofinanzportfolio auf-zubauen. Zusätzlich zu Anlagen in Mikrofinanz, Gesundheit und Bildung investiert der Fonds auch in einen breiten Korb von traditionellen Wertpapieren, um insgesamt eine angemessene

Rendite oberhalb der Inflationsrate zu erwirt-schaften. In Zusammenarbeit mit dem internati-onalen Prüfinstitut Sustainalytics erfolgen der Ausschluss von Atomkraft, Rüstung, Menschen-rechts- und Arbeitsrechtsverletzungen und die Vermeidung kontroverser Aktivitäten bei diesen Investments. Nicht zuletzt dank der Mikrofinanz-investments konnte die Volatilität des Fonds seit Auflage kontinuierlich gesenkt werden und liegt seit mehr als 3 Jahren deutlich unter 4%. Die Entscheidungen über die aktive Fonds-allokation stützen sich seit Juni letzten Jahres auf die Expertise von AO Demographics. Die B2-Tranche für Investments ab 70 000 Euro (LU0360706179) weist seit diesem Zeitraum eine Rendite von knapp 6% aus. Die Perfor-mance der Retail-Tranche (LU0360706096), die bereits ab 50 Euro investierbar ist und eine zusätzliche laufende Spendenkomponente für soziale Projekte enthält, lag in diesem Zeitraum rund 0,5% darunter.

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