Mini Biosphäre - ein Flaschengarten-Experiment · 2018. 3. 23. · Das Modell Fachdidaktik...

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Das Modell Fachdidaktik Biologie März 2018 Rebecca Brogli Mini Biosphäre - ein Flaschengarten-Experiment „Aber sagen Sie mir, Miss Whittaker, was ist es, womit diese Moosgewächse Ihre Bewunderung erregen?“ „Ihre Würde“, erwiderte Alma, ohne zu zögern. „Und auch ihre Ruhe und Intelligenz. Als Forscherin schätze ich überdies das Unergründete an ihnen. Sie sind nicht wie andere, bedeutendere Pflanzen, über die bereits Horden von Botanikern hergefallen sind. Ich denke, ich bewundere auch ihre Bescheidenheit. Moospflanzen legen, was die eigene Schönheit betrifft, eine aussergewöhnlich elegante Zurückhaltung an den Tag. Verglichen mit dem Moos erweckt alles andere im Reich der Botanik einen so ungehobelten, geradezu aufdringlichen Eindruck.“ (Gilbert, 2013). Bauanleitung des Moos-Flaschengarten Material: Grosses Einmachglas, Blumenerde, Moos oder andere niedrig wachsende Pflanzen, Kieselsteine, Wasser Kosten: Je nach Einmachglas, Kiesel und Erde ist mit maximal 30 Franken zu rechnen. Zeitaufwand: ein halber Tag Bauanleitung: Das Einmachglas muss sehr gut gereinigt werden, am allerbesten mit kochendem Wasser, damit keine Krankheitserreger oder auch Schimmelsporen die Pflanzen gefährden. Das Glas wird mit etwa 2cm hoch mit Zierkies oder Blähton gefüllt. Diese Schicht sorgt für eine Drainage und verhindert, damit die Erde fault. Die Gartenerde wird in das Glas gefüllt, damit eine gleichmässige Schicht von 3-5 cm Erde entsteht. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Flasche schön sauber gehalten wird. Die gesammelten Pflanzen können nun in das Einmachglas gepflanzt werden. Die kleinwüchsigen Pflanzen innerhalb eines Glases sollten zum gleichen Ökosystem passen. In den ersten Tagen muss man die Wassermenge im Glas regulieren. Am Morgen sollte Tau auf dem Glas zu erkennen sein, welches jedoch im Verlaufe des Tages an den Wänden abtrocknen sollte. Ist das Biotop zu nass, sollte die Flasche geöffnet werden, damit sich die Feuchtigkeit anpassen kann. Danach kann das Glas verschlossen werden.

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Das Modell Fachdidaktik Biologie

März 2018 Rebecca Brogli

Mini Biosphäre - ein Flaschengarten-Experiment

„Aber sagen Sie mir, Miss Whittaker, was ist es, womit diese Moosgewächse Ihre Bewunderung erregen?“ „Ihre Würde“, erwiderte Alma, ohne zu zögern. „Und auch ihre Ruhe und Intelligenz. Als Forscherin schätze ich überdies das Unergründete an ihnen. Sie sind nicht wie andere, bedeutendere Pflanzen, über die bereits Horden von Botanikern hergefallen sind. Ich denke, ich bewundere auch ihre Bescheidenheit. Moospflanzen legen, was die eigene Schönheit betrifft, eine aussergewöhnlich elegante Zurückhaltung an den Tag. Verglichen mit dem Moos erweckt alles andere im Reich der Botanik einen so ungehobelten, geradezu aufdringlichen Eindruck.“ (Gilbert, 2013). Bauanleitung des Moos-Flaschengarten Material: Grosses Einmachglas, Blumenerde, Moos oder andere niedrig wachsende Pflanzen, Kieselsteine,

Wasser Kosten: Je nach Einmachglas, Kiesel und Erde ist mit maximal 30 Franken zu rechnen. Zeitaufwand: ein halber Tag Bauanleitung: Das Einmachglas muss sehr gut gereinigt werden, am allerbesten mit kochendem Wasser,

damit keine Krankheitserreger oder auch Schimmelsporen die Pflanzen gefährden. Das Glas wird mit etwa 2cm hoch mit Zierkies oder Blähton gefüllt. Diese Schicht sorgt für eine Drainage und verhindert, damit die Erde fault. Die Gartenerde wird in das Glas gefüllt, damit eine gleichmässige Schicht von 3-5 cm Erde entsteht. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Flasche schön sauber gehalten wird. Die gesammelten Pflanzen können nun in das Einmachglas gepflanzt werden. Die kleinwüchsigen Pflanzen innerhalb eines Glases sollten zum gleichen Ökosystem passen. In den ersten Tagen muss man die Wassermenge im Glas regulieren. Am Morgen sollte Tau auf dem Glas zu erkennen sein, welches jedoch im Verlaufe des Tages an den Wänden abtrocknen sollte. Ist das Biotop zu nass, sollte die Flasche geöffnet werden, damit sich die Feuchtigkeit anpassen kann. Danach kann das Glas verschlossen werden.

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Hintergrund „Jedes Lebewesen – sei es pflanzlicher oder tierischer Herkunft – wird durch seinen Lebensraum beeinflusst und wirkt seinerseits auf seine Umwelt ein. Die Umwelt eines Lebewesens und die darin lebenden Individuen gehören zu einem Ökosystem.“ Ernst Haeckel Ein Ökosystem ist ein hochkomplexes und auf verschiedensten Ebenen reguliertes System. Unabhängig von der Grösse eines Ökosystems verdankt es seine Existenz zwei Prozessen, nämlich dem Energie- und dem Stofffluss. Energie tritt in den meisten Ökosystemen in Form von Solarstrahlung ein. Sie wird von photoautotrophen Organismen in chemische Energie umgewandelt, mit den organischen Verbindungen der Nahrung an heterotrophe Organismen weitergegeben (Stoffflüsse) und als Kohlendioxid und in Form von Wärme wieder freigesetzt. Der Mensch seit je her beeinflusste das Ökosystem. Oft hat der Mensch die ökologischen Zusammenhänge und die Vernetzungen nicht erkannt und so hatte das Eingreifen negative Auswirkungen. Der Mensch verändert die Natur, damit seine Lebensbedingungen qualitativ und quantitativ gesteigert werden. Dies tut er indem er Wälder rodet, Wüsten bewässert oder Sümpfe trockenlegt. Häufig leidet die Natur und das Ökosystem unter diesen Massnahmen. In der heutigen Welt scheint der technische Fortschritt oft nicht vereinbar mit dem Umwelt- und Ressourcenschutz und die Eingriffe in die Natur führen zu Einbussen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes. Der Wunsch des Menschen ein Ökosystem zu verstehen und selbst zu konzipieren besteht schon seit geraumer Zeit. Das Biosphäre 2 Projekt im Jahre 1991 veranschaulicht diesen Wunsch passend. Das Ziel war ein künstliches geschlossenes ökologisches System zu errichten indem Leben langfristig möglich ist im Blick auf künftige Siedlungen auf Mond und Mars. Das Experiment scheiterte zwei Mal erfolglos. Die Versuche demonstrieren wie schwierig es ist ein selbstregulierendes Ökosystem künstlich zu konstruieren. Nachhaltigkeit ist ein weiterer Leitbegriff der modernen Zeit. Dabei geht es um ein verantwortungsvolles Handeln im Umgang mit Ressourcen um ein beständiges Ökosystem und Naturressourcen für die nächsten Generationen zu schaffen Was soll das Modell visualisieren? Der Flaschengarten ist ein kleines Ökosystem in einer Flasche, bestehend aus einem Substrat, Pflanzen, Mikroorganismen, Luft und Wasser. Es soll die komplexen Vorgänge in einem Ökosystem verständlich machen, dadurch das die Prozesse und Kreisläufe eines solchen im Kleinen wiederspiegelt werden. Dabei sollen die drei Folgenden Leitpunkte veranschaulicht werden. Energie: Durch die Photosynthese wird Energie für das Ökosystem nutzbar und in Form von Biomasse

übertragen. Dabei geht Energie als Wärme für den Organismus/das Ökosystem verloren. System: Ökosystem sind offene Systeme, in denen Organismen untereinander und mit abiotischen

Faktoren in Wechselwirkung stehen. Ökosysteme reagieren auf Störung mit Selbstregulation. Dadurch verändert sich das System. Ein Ökosystem ist gegenüber Störungen umso stabiler, je mehr Arten in Wechselwirkung stehen.

Entwicklung: Lebensräume sind sich entwickelnde Systeme. Menschliche Einflüsse können zu

unumkehrbaren Veränderungen von Ökosystemen führen. Didaktische Begründung Ganze Prozesse in einem Ökosystem lassen sich nur schwierig und kaum in einem kleinen Glas simulieren, aber es ist trotzdem ein anregendes Modell für ein Ökosystem, das hauptsächlich Fragen generieren sollte. Es ist passend für die Entwicklung der Kompetenzen, die auf Hypothesenbildung und das Entwickeln von Experimenten ausgerichtet sind. Besonders geeignet ist die Beobachtung des Wasserkreislaufs. Verschiedene Flaschengärten (tropische, wüsten) mit verschiedenen Pflanzen demonstrieren die ganz verschiedenen Umweltansprüche von Pflanzen. Die Flaschengärten eigenen sich gut für ökologische Themen in allen Altersstufen. Situierung im Unterricht Das Modell kann im ersten Zyklus (Gym1/Gym2) bei der Ökologie angesiedelt werden. Die Folgenden Lernziele können in den Lerneinheiten mit dem Flaschengarten bearbeitet und abgedeckt werden.

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Das Modell Fachdidaktik Biologie

März 2018 Rebecca Brogli

Allgemeine Bildungsziele: - Der Biologieunterricht vermittelt beispielhaft, dass die komplexe Wirklichkeit in Form von Modellen

abgebildet wird. - Der Mensch von heute hat sich als einflussreicher Teil der Natur zu verstehen und damit im

persönlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Bereich Verantwortung für sein Eingreifen in die Natur zu übernehmen.

Richtziele:

- Ökologie: Die grundlegenden Gesetzmässigkeiten eines Ökosystems begreifen und dabei die Bedeutung der Pflanzen in Ökosystemen erkennen. Stoffkreislauf, Energiefluss

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung:

- Ökologie: Einfluss des Menschen auf Ökosysteme und globale Zusammenhänge erkennen und verstehen.

Kompetenzen:

- Die SuS erschliessen die Komplexität von Ökosystemen mithilfe von Modellen - Die SuS stellen Wechselwirkungen im Ökosystem schematisch dar.

Fachbegriffe:

- Umweltfaktoren, Produzenten/Konsumenten/Destruenten, Stoffkreislauf, Energiefluss, Nachhaltigkeit, Ökosystem, Artenvielfalt

Funktion im Unterricht (Unterrichtsphase) Im Unterricht kann das Flaschengarten Modell zu verschiedensten Zwecken dienen. Einerseits können die SuS eine Modellvorstellung entwickeln und gegebenenfalls in eigenen Flaschengarten-Modellen modifizieren. Experimentelle Fragestellungen können generiert werden und ökologische Einflussfaktoren auf den Flaschengarten wie Temperatur, Wasserhaushalt und Sonnenenergie können experimentell verändert und getestet werden. Andererseits, bietet ein Flaschengarten eine hervorragende Möglichkeit verschiedene Pflanzenarten und ihre Lebensräume in einem Lebendmodell zu repräsentieren. In diesem Beispiel, ist es das Moos. Moose gehören in die Gruppe von gefässlosen Pflanzen, die kein Stützgewebe besitzen. Sie sind deshalb auf stark wechselfeuchte Umgebungen angewiesen, was im Flaschengarten stark zur Geltung kommt, wenn man den Wasserkreislauf begutachtet. Mithilfe des Flaschengartens können Moose aus dem Wald in das Klassenzimmer getragen werden und ihre Diversität was Farbe und Form angeht kann in dem einem kleinen Moosgarten wunderbar demonstriert werden und Faszination auslösen. Erkenntnisse und Lernzuwachs Unterschiedliche Flaschengärten sollen verschiedenste Ökosysteme veranschaulichen, die sich im zentralen Wasserhaushalt unterscheiden (Wüsten, Tropen, gemässigte Zone). Die Auswahl der Pflanze für diesen Flaschengarten gibt eine Fülle von Einsichten an, die Regulation der Wassermenge im Flaschengarten macht diesen Umweltfaktor sehr bewusst. Die SuS können ein komplexes System in einem Modell vereinfacht darstellen und abstrakt mit einem Schema darstellen. Zusätzlich sollen sich die SuS kritisch mit dem Flaschengarten auseinandersetzten. Die Frage nach der Bewertung des Modells, sollte schnell die Diskussion in Gang setzen, was an einem Ökosystem die unverzichtbaren Elemente sind und inwieweit der Flaschengarten diese abbildet. Kritische Reflexion Der Flaschengarten ist eine starke Vereinfachung als Ökologiemodells und kann zu falschen Vorstellungen verleiten. Im Gegenzug können falsche Vorstellungen über die Reflexion mit Hilfe des Flaschengartens gut überdenkt und revidiert werden. Mögliche Falschvorstellungen und Annahmen, welche der Flaschengarten generieren kann:

- Geschlossenheit: Ökosysteme sind nicht geschlossen. Auch die Stoffkreisläufe sind es nicht. Jedoch gibt es Stoffkreisläufe in Ökosysteme doch SuS assoziieren oft, dass ALLE Stoffe in vollen Umfang in diesem System eingeschlossen kreisen.

- Stoff vs Energie: Oft ist es schwierig den Unterschied zwischen Stoff und Energie zu verstehen. Der Flaschengarten kann diesen Unterschied jedoch schön veranschaulichen. Die Zufuhr von Energie geschieht über das Licht, welche über die scheinbar abgeschlossene Wand übertragen wird. Die Pflanze benötigt diese Energie zwingend für ihr Wachstum.

- Kohlenstoff und Sauerstoff: SuS stellen sich die Photosynthese als Art „Umwandlungsprozess“ von Kohlenstoffdioxid zu Sauerstoff vor. Diese Vorstellung ist inkorrekt. Der Sauerstoff, welche unter

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März 2018 Rebecca Brogli

Belichtung von der Pflanze freigesetzt wird stammt aus der Spaltung von Wasser. Das Kohlendioxid wird zur Bildung von Kohlenhydraten verwendet. Der Flaschengarten kann folgende Fragen generieren: Wo ist der Kohlenstoff in diesem Glas gespeichert? Was ist eine Kohlenstoffsenke?

- Stabilität: Der Flaschengarten kann über eine Zeit lang sich selbst erhalten. Genauso tun dies Ökosysteme, doch auf andere Art und Weise. Die Dynamik des Ökosystems erlaubt es, Störungen auszugleichen und das System entwickelt sich (Sukzession). Stabile, sich selbst erhaltende Ökosysteme sind Ausnahme wie bei Klimaxgesellschaften im Regenwald oder beim Rotbuchenwald. Diese Stabilität im Wandel der Zeit und Gegebenheiten kann der Flaschengarten nicht aufzeigen.

- Eingriffe: Gewisse Ökosysteme wie die Wiese und der Acker benötigen ständige Eingriffe und Pflege, um sie zu erhalten. Deshalb ist der Flaschengarten als Modell in diesem Fall sogar irreführend.

- Menschen und Ökosystem: Die Menschheit kann sich nur selbst erhalten, indem sie in Ökosysteme eingreift und so verändert, damit die Biomasseproduktion die Menschen ernähren kann. Das Nicht-Eingreifen ist kein zentrales Element für die Bildung von nachhaltiger Entwicklung. Die SuS müssen sich bewusstmachen, dass nachhaltiger Umgang mit unseren Ökosystemen vielmehr eine Frage ist, wie wir Ökosysteme nutzen müssen, damit wir das System nicht zerstören.

- Philosophische Auseinandersetzung: Ist es möglich und sinnvoll, Natur hinter Glas zu konservieren? Der Flaschengarten ist wohl eher Symbol als Modell, welches das Verhältnis des Menschen zur Natur in verschiedenster Hinsicht aufzeigt.

Quellenangaben

- Walter Krohn. Grüne Schule im Botanischen Garten der Universität Hamburg. https://www.biologie.uni-hamburg.de/loki-schmidt-garten/03gruene-schule/arbeitshilfen/pdfs/flaschengarten.pdf (2018-03-22).

- Projekt Biosphäre 2: Hölle im Glashaus. http://www.spiegel.de/einestages/projekt-biosphaere-2-a-947336.html. (22.09.2011).

- Elizabeth Gilbert. The Signature of All Things (2013). Viking, New York.