Minimal invasive modulare Hüftprothese · Minimal invasive modulare Hüftprothese Die individuelle...

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Minimal invasive modulare Hüftprothese Die individuelle Anpassung entscheidet über den Erfolg Seit rund fünfzig Jahren werden Hüftprothe- sen in Deutschland in ähnlicher Art und Weise eingesetzt. Dabei werden die Implantate zwar nach Größen unterschieden, eine Feinabstim- mung auf die Anatomie des Patienten bleibt jedoch weitgehend aus. In den letzten Jahren setzt jedoch bei einigen Ärzten ein Umdenken ein. ORTHOpress sprach in Krefeld mit dem Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. Günther Lange über die Vorteile einer modularen Hüft- prothese, die darüber hinaus auch noch mini- malinvasiv eingebracht werden kann. Herr Dr. Lange, heute hört man in Ver- bindung mit vielen Operationen oft das Wort „minimalinvasiv“. Was bedeutet dies bei einer Hüftgelenks-OP? Dr. Lange: Minimalinvasiv heißt, dass die Gewebsschädigung so gering wie mög- lich gehalten wird. Viele Menschen be- ziehen diesen Ausdruck hauptsächlich auf die Kosmetik und verstehen darunter, dass nach der Operation möglichst nur kleine sichtbare Narben zurückbleiben. Das ist aber nur ein Aspekt, und aus me- dizinischer Sicht meist nicht einmal der wichtigste. Viel bedeutsamer für eine ma- ximale Funktionalität und eine schnelle Rehabilitation ist nämlich, wie es unter der Haut aussieht. Bei den heute mög- lichen minimalinvasiven Zugängen ver- sucht man, ohne große Verletzungen, das heißt: das Durchtrennen oder Ablösen von Muskeln und Sehnen, auszukommen. Man bringt die Prothese deshalb durch vorhandene Muskellücken hindurch ein, so das Gewebsschädigungen weitgehend reduziert werden können. Natürlich wird man diese niemals ganz ausschließen können – dennoch ist es kein Vergleich zu den in konventioneller Technik durch- geführten Operationen. Mindestens genau so wichtig wie die Ope- rationstechnik ist natürlich die eingesetz- te Prothese selbst. Viele Kliniken setzen – auch aus Kostengründen – auf bewähr- te Standardmodelle, welche für beinahe jede Situation passend sind. Was ist der Nachteil dieses Vorgehens? Dr. Lange: Sie haben es gerade selbst gesagt: Es sind vielfach hauptsächlich ökonomische Gesichtspunkte, nach wel- chen große Krankenhäuser die verwendeten Implantate aussuchen. Eine Optimalver- sorgung ist das aber meist nicht, da die Anpassungs- möglichkeiten nicht so gut sind, wie man annehmen könnte. Denn es geht nicht al- lein um die Größe des Hüftschaftes. Jeder Patient hat eine individuelle Anatomie; so variieren etwa die verschiedenen Nei- gungswinkel des natürlichen Oberschen- kelhalses in mehreren Dimensionen, was das geometrische Verhältnis von Hüftkopf zu Hüftpfanne erheblich beeinflußt. Mit einer Standardprothese lassen sich diese Verhältnisse oftmals nicht optimal nach- bilden. Verwendet man sie dennoch, so kann unter Umständen – was sogar rela- tiv häufig der Fall ist – daraus eine Bein- längendifferenz oder sogar eine erhöhte Ausrenkungsgefahr (Luxationsneigung) resultieren. Das ist aber noch nicht alles. Man muss davon ausgehen, dass sich die optimale Anpassung an die bestehenden Verhältnisse günstig auf die Lebensdauer der Prothese auswirkt. Warum ist das der Fall? Die Materialien sind doch die gleichen wie bei anderen Prothesen auch? Dr. Lange: Das ist richtig, aber es sind nicht nur die Materialien, welche über Dr. Günther Lange (links) und Dr. Ludger Mackenschins aus Krefeld set- zen den modularen Profemur E-Hüftschaft von Wright Medical ein, der eine Feineinstellung der Prothese in vier Ebenen ermöglicht. MEDIZIN AKTUELL

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Minimal invasive modulare HüftprotheseDie individuelle Anpassung entscheidet über den Erfolg

Seit rund fünfzig Jahren werden Hüftprothe-sen in Deutschland in ähnlicher Art und Weise eingesetzt. Dabei werden die Implantate zwar nach Größen unterschieden, eine Feinabstim-mung auf die Anatomie des Patienten bleibt jedoch weitgehend aus. In den letzten Jahren setzt jedoch bei einigen Ärzten ein Umdenken ein. ORTHOpress sprach in Krefeld mit dem Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. Günther Lange über die Vorteile einer modularen Hüft-prothese, die darüber hinaus auch noch mini-malinvasiv eingebracht werden kann.

Herr Dr. Lange, heute hört man in Ver-bindung mit vielen Operationen oft das Wort „minimalinvasiv“. Was bedeutet dies bei einer Hüftgelenks-OP?Dr. Lange: Minimalinvasiv heißt, dass die Gewebsschädigung so gering wie mög-lich gehalten wird. Viele Menschen be-ziehen diesen Ausdruck hauptsächlich auf die Kosmetik und verstehen darunter, dass nach der Operation möglichst nur kleine sichtbare Narben zurückbleiben. Das ist aber nur ein Aspekt, und aus me-dizinischer Sicht meist nicht einmal der wichtigste. Viel bedeutsamer für eine ma-ximale Funktionalität und eine schnelle Rehabilitation ist nämlich, wie es unter der Haut aussieht. Bei den heute mög-lichen minimalinvasiven Zugängen ver-sucht man, ohne große Verletzungen, das

heißt: das Durchtrennen oder Ablösen von Muskeln und Sehnen, auszukommen. Man bringt die Prothese deshalb durch vorhandene Muskellücken hindurch ein, so das Gewebsschädigungen weitgehend reduziert werden können. Natürlich wird man diese niemals ganz ausschließen können – dennoch ist es kein Vergleich zu den in konventioneller Technik durch-geführten Operationen.

Mindestens genau so wichtig wie die Ope-rationstechnik ist natürlich die eingesetz-te Prothese selbst. Viele Kliniken setzen – auch aus Kostengründen – auf bewähr-te Standardmodelle, welche für beinahe jede Situation passend sind. Was ist der Nachteil dieses Vorgehens?Dr. Lange: Sie haben es gerade selbst

gesagt: Es sind vielfach hauptsächlich ökonomische Gesichtspunkte, nach wel-chen große Krankenhäuser die verwendeten Implantate aussuchen. Eine Optimalver-sorgung ist das aber meist nicht, da die Anpassungs-

möglichkeiten nicht so gut sind, wie man annehmen könnte. Denn es geht nicht al-lein um die Größe des Hüftschaftes. Jeder Patient hat eine individuelle Anatomie; so variieren etwa die verschiedenen Nei-gungswinkel des natürlichen Oberschen-kelhalses in mehreren Dimensionen, was das geometrische Verhältnis von Hüftkopf zu Hüftpfanne erheblich beeinflußt. Mit einer Standardprothese lassen sich diese Verhältnisse oftmals nicht optimal nach-bilden. Verwendet man sie dennoch, so kann unter Umständen – was sogar rela-tiv häufig der Fall ist – daraus eine Bein-längendifferenz oder sogar eine erhöhte Ausrenkungsgefahr (Luxationsneigung) resultieren. Das ist aber noch nicht alles. Man muss davon ausgehen, dass sich die optimale Anpassung an die bestehenden Verhältnisse günstig auf die Lebensdauer der Prothese auswirkt.

Warum ist das der Fall? Die Materialien sind doch die gleichen wie bei anderen Prothesen auch?Dr. Lange: Das ist richtig, aber es sind nicht nur die Materialien, welche über

Dr. Günther Lange (links) und Dr. Ludger Mackenschins aus Krefeld set-zen den modularen Profemur E-Hüftschaft von Wright Medical ein, der eine Feineinstellung der Prothese in vier Ebenen ermöglicht.

MEDizin AktuEll

die Standzeit einer Prothese entschei-den. Ein ganz wichtiges Kriterium ist der durch den Kontakt zwischen Prothe-senkopf und –pfanne entstehende Ab-rieb, der über Jahre gerechnet zu einer Gewebsreaktion und damit einer so genannten aseptischen Lockerung der Prothese führen kann.

Mit einem modularen Hüftschaft – zum Beispiel dem von Ihnen verwende-ten Profemur E des Herstellers Wright Medical – können viele Nachteile her-kömmlicher Prothesen reduziert wer-den. Woran liegt das?Dr. Lange: Bei der von uns eingesetzten Prothese handelt es sich um eine anatomi-

sche Prothese, das heißt es wird versucht, durch den Schaft den anatomischen Ver-lauf des ursprünglichen Oberschenkel-knochens so genau wie möglich nachzu-empfinden. Dies wird durch verschiedene Module erreicht, mit welchen sich bis ins Detail die Größen- und Winkelverhältnisse anpassen lassen. Zwölf Steckhälse, wel-che auf verschiedene Art und Weise mit den zur Verfügung stehenden Schaftfor-men kombinieren lassen, schaffen insge-samt 66 Optionen und erlauben die Fein-einstellung der Prothese in vier Ebenen. So können die ursprünglichen biomecha-nischen Verhältnisse weitgehend wieder hergestellt werden. Ein ähnliches Konzept verfolgen wir übrigens in der Knieprothe-tik: Hier setzen wir auch modulare Implan-tate computernavigiert ein, um eine opti-male Anpassung an die Gegebenheiten der Anatomie zu erreichen.

Neben der Kombination verschiedener Schaft- und Steckhalsvariationen spielt auch die Größe des Hüftkopfes eine Rolle, welche ebenfalls individuell ausgewählt werden kann. Welchen Grund hat das?Dr. Lange: Ein größerer Hüftkopf führt auch wiederum zu einer größeren Lu-xationssicherheit. Besonders für aktive Patienten hat der mit der Prothese noch mögliche Bewegungsumfang, die so ge-nannte „Range of Motion“, oft einen ho-hen Stellenwert. Gleichzeitig ist bei einem größeren Prothesenkopf auch wieder der Abrieb geringer, weil der bei jeder Bewe-gung zurückgelegte Weg des Hüftkopfs, die Kontaktstrecke mit der Pfanne sowie die Flächenbelastung geringer sind.

Wird die Prothese zementiert oder un-zementiert eingesetzt?Dr. Lange: Noch vor etwa zehn bis fünf-zehn Jahren Jahren wurde dies kontrovers diskutiert – heute werden in der Regel alle Prothesen primär zementfrei eingebracht. Dies hat den großen Vorteil, dass man fle-xibel auf alle Situationen reagieren kann, welche sich während der Implantation er-geben könnten. Eigentlich wird heute nur noch bei komplizierten Brüchen, schlech-ter Knochenqualität oder Revisionseingrif-fen auf Knochenzement zurückgegriffen.

Herr Dr. Lange, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!

Weitere informationen

Tel.: 02151 - 63 35 0 www.orthopaede-krefeld.de

Profemur E-Hüftschaft

In der jüngsten Vergangenheit haben zahlreiche Neuerungen bei den verwendeten Werkstof-fen und den Implantationstech-niken von sich reden gemacht, und sie alle verfolgen ein Ziel: Dem Patienten für eine mög-lichst lange Zeit möglichst viel von Ihrer Lebensqualität zu erhalten. In der Praxis von Dr. Ludger Mackenschins und Dr. Günther Lange in Krefeld wird der modulare Profemur E-Hüft-schaft des Herstellers Wright Medical eingesetzt. Mit diesem System lassen sich die individu-ellen anatomischen Besonder-heiten beinahe jedes Patienten berücksichtigen und so die na-türlichen biomechanischen Ver-hältnisse wieder herstellen.

Modularer Hüftschaft im Röntgenbild

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