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Minisymposium Gesundheitsschutz: Hepatitis B und C in der Ansthesiologie: Risiken fr Patienten und rzte

S44 I SONDERBEITRGE / SPECIAL ARTICLES

Ansth Intensivmed 2006;47:S37-S66 DIOmed Gesellschaft mit beschrnkter Haftung

Zusammenfassung: In Deutschland sind ca. 1 Million Menschen von einer chronischen Virus-hepatitis betroffen. Dabei reicht das klinischeSpektrum vom scheinbar gesunden Virustrger biszum Leberzirrhotiker mit eingeschrnkter Leber-funktion. Neue Therapieoptionen sind in den letztenfnf Jahren etabliert worden, die in 50-80% der Fllebei einer chronischen HCV-Infektion zu einer kom-pletten Viruseliminierung fhren (Peg-Interferon plusRibavirin) und bei der Hepatitis B in den meistenFllen eine Hemmung der Virusreplikation bewirken(Nukelos(t)idanaloga Lamivudin und Adefovir sowiePeg-Interferon). Whrend fr die Hepatitis B eine effektive Impfungzur Verfgung steht, gibt es nach wie vor keine pro-phylaktische Impfung gegen Hepatitis C. Bei prim-ren HBV-Impfversagern sollten Wiederholungs-impfungen in hherer Dosis und gegebenenfalls mitanderen Adjuvantien erfolgen, womit hufig dochnoch die Induktion von protektiven Anti-HBs-Anti-krpern erreicht wird. Bei einer Verletzung mit HCV-kontaminierten Nadeln ist aufgrund des geringerenInfektionsrisikos von 0,3-3% keine Postexpositions-prophylaxe erforderlich. Vielmehr ist entscheidend,dass der direkte HCV-Virusnachweis mittels PCRnach 2-4 Wochen erfolgt. Im Falle einer akutenInfektion kann durch eine frhzeitige Therapie mitInterferon alpha in >90% eine Ausheilung erreichtwerden. Das Kompetenznetz Hepatitis (www.Kompetenznetz-Hepatitis.de) koordiniert diebundesweite Studie zur akuten Hepatitis C und gibtweitere Informationen zum Verhalten nach potentiel-ler Exposition mit HBV oder HCV.Arbeitsrechtlich ist von Bedeutung, dass HCV- undHBV-bertragungen von medizinischem Personal(inklusive Ansthesie-Personal) auf Patienten doku-mentiert sind. Bei ca. 30% aller Neuinfektionen mitHepatitis C ist ein medizinsicher Eingriff (unabhngigvon Bluttransfusionen!) der einzige Risikofaktor.Wenn Hygienerichtlinien beachtet werden, gibt eskeine Einschrnkung der beruflichen Ttigkeit frAnsthesisten.

Schlsselwrter: Hepatitis B und C Risiken Prophylaxe.

Summary: In Germany, approximately 1 millionpeople suffer from chronic virus hepatitis, and pre-sent a clinical spectrum ranging from apparent healthto cirrhosis of the liver with diminished hepatic func-tion. Over the last five years, new therapeutic optionshave been introduced which, in 50-80% of chronicHCV infections can completely eliminate the virus(peginterferon plus ribavirin), and in the majority ofhepatitis B cases inhibit viral replication(nucleos(t)ide analogues lamivudine and adefovir asalso peginterferon). While effective vaccination isavailable for hepatitis B, no prophylactic immuniza-tion is available for hepatitis C. In the case of prima-ry HBV failures, repeat vaccinations at a higher dose,and possibly with other adjuvants, should be given,and in many cases this can often bring about induc-tion of protective antiHBs antibodies. In view of thesmall infection risk of only 0.3-3%, post-exposureprophylaxis following a needlestick injury with aneedle contaminated with HCV is not mandatory. Farmore important is the direct detection of HCV byPCR after 2-4 weeks. In the event of an acute infec-tion, early treatment with interferon alpha is curativein more than 90% of the cases. The CompetenceNetwork Hepatitis (www.Kompetenznetz-Hepatitis.de) coordinates the Germany-wide studyon acute hepatitis C, and provides further informa-tion on what to do after potential exposure to HBC orHCV. An important aspect of labour legislation requiresthat HCV and HBV transmissions from medical staff(including anaesthesiology personnel) to patients bedocumented. In approximately 30% of all new infec-tions with hepatitis C, a medical intervention (inde-pendently of blood transfusions!) is the sole risk fac-tor. Provided that hygiene guidelines are compliedwith, anaesthetists are not subject to occupationalrestrictions.

Keywords: Hepatitis B and C Risks -Prophylaxis.

Hepatitis B und C in der Ansthesiologie: Risiken fr Patienten und rzte*Hepatitis B and C in anaesthesiology: risks for patients and physiciansH. WedemeyerAbteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Zentrum Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover (Direktor: Prof. Dr. M. P. Manns)

* Rechte vorbehalten

MINISYMPOSIUM GESUNDHEITSSCHUTZ / HEALTH PROTECTION I S45

Ansth Intensivmed 2006;47:S37-S66 DIOmed Gesellschaft mit beschrnkter Haftung

Einleitung

Ca. 500 Millionen Menschen weltweit und etwa 1Millionen Menschen in Deutschland sind von einerchronischen Virushepatitis betroffen. Dabei ist vonBedeutung, dass in Deutschland bei der Mehrzahlder Patienten die Diagnose bisher nicht gestellt wor-den ist. Erschwerend kommt hinzu, dass bei bis zueinem Drittel der Patienten mit chronischer HepatitisC oder B komplett normale Lebertransaminasen vor-liegen knnen. Die Mehrzahl dieser Patienten ist voll-kommen gesund bei allerdings bestehender In-fektisitt mit hoher Virmie. Screening-Unter-suchungen fr virale Hepatitiden mssen damit obli-gat serologische und ggf. molekularbiologischeMarker fr HBV und HCV beinhalten und drfen nichtauf Patienten mit erhhten Leberwerten be-schrnkt werden. Die Prvalenz viraler Hepatitidenvariiert sehr in verschiedenen Regionen weltweit.Das Hepatitis-B-Virus ist insbesondere in Ostasienendemisch mit Prvalenzen von bis zu 10% [1] wh-rend HCV in einigen Lndern Afrikas und Osteuropassehr hufig zu finden ist [2]. In Deutschland geht dasRobert-Koch-Institut aktuell von ca. 400.000 Hepa-titis C und 500.000 Hepatitis-B-Fllen aus [3, 4]. Zubeachten ist, dass in Mittelasien und Lndern derehemaligen Sowjetunion sowohl HBV als auch HCVgehuft vorkommen und somit die Prvalenz viralerHepatitiden bei Migranten gegenber in Deutschlandgeborenen Personen deutlich erhht ist. Medizinisches Personal ist stndig der potentiellenGefahr ausgesetzt, mit Hepatitisviren infiziert zu wer-den. Dementsprechend stellt die Virushepatitis einehufige Berufskrankheit fr rzte und Pflegepersonaldar [5]. Fr den Arbeitsbereich Ansthesie ist zu ver-merken, dass die Prvalenz von Markern fr eineandauernde oder ausgeheilte Hepatitis B im Jahre1995 in sterreich noch 18,5% betrug und damithher als bei den meisten anderen medizinischenBerufen lag [6]. Das relative Risiko, an einer Virus-hepatitis zu sterben, war in den neunziger Jahren in

den USA bei Ansthesisten 8-fach hher als beiInternisten, wenn auch auf einem sehr niedrigenNiveau von nur 8 Todesfllen bei 40.000 Ansthe-sisten, die von 1979 bis 1995 beobachtet wurden [7].Fr Deutschland liegen keine aktuellen Daten zurPrvalenz von HBV oder HCV bei rzten vor.Grundstzlich muss fr jeden Patienten mit einerVirushepatitis das Stadium der Erkrankung evaluiertwerden. Therapeutische Optionen und Notwendig-keiten unterscheiden sich erheblich zwischenPatienten mit akuter Infektion, Patienten mit chroni-scher Virmie ohne signifikante histologischeVernderungen, Patienten mit chronischer HepatitisB und C und fibrotischen Vernderungen sowiePatienten mit Leberzirrhose und mglicherweisebereits eingeschrnkter Leberfunktion. Darber hin-aus ist das jeweilige Risiko fr ein hepatozellulresKarzinom zu bercksichtigen, dass ebenfalls vomStadium der Infektion und dem Ausma der Virmieabhngig sein kann.

Hepatitis BDiagnose und natrlicher VerlaufDie Diagnose einer Hepatitis B wird durch dasVorhandensein von HBsAg im Serum gestellt [8].Anti-HBc-Antikrper sind ein Marker fr einenKontakt mit dem HBV und sowohl whrend einerakuten Hepatitis B (dann hufig vom IgM-Typ) alsauch einer chronischen Hepatitis B aber auch nachAusheilung bei HBsAg-negativen Patienten nachzu-weisen (Tab. 1). Im Gegensatz zu Anti-HBs-Anti-krpern bleiben nach Ausheilung einer Hepatitis BAnti-HBc-Antikrper lebenslang nachweisbar, wh-rend insbesondere bei Hepatitis C Koinfektionen undimmunsuppremierten Patienten Anti-HBs-Antikrperbis unter die Nachweisgrenze blicher Standard-assays abfallen knnen [9]. Das Fehlen von HBeAgmuss nicht notwendigerweise eine geringe In-fektisitt anzeigen, da bei sog. HBe-Ag-Minus-mutanten durchaus hohe HBV-DNA-Titer nach-

Tab. 1: Diagnostik der Hepatitis B.

Marker Akute Chronische Hepatitis B Chronische Hepatitis B AusgeheilteHepatitis B hochviraemisch Niedrig-viraemisch Hepatitis B

HBsAg + + + -anti-HBs - - - +anti-HBc + + + +Anti-HBc IgM + - (+) - -HBV-DNA + +++ +/- - (+)HBeAg + ++ (bei HBeAg-Minusmutante - -

neg)Anti-HBe - - (bei HBeAg-Minusmutante pos) + +GPT Bis zu 50-fach Normal bis 10-fach erhht, Normal /leicht erhht Normal

erhht fluktuierend

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weisbar sein knnen. Die Bestimmung des HBe-Antigens und der Anti-HBe-Antikrper hat insbeson-dere Bedeutung fr Therapieentscheidungen, da sichfr HBe-Ag-positive und negative Patienten dieTherapieempfehlungen signifikant unterscheiden[10]. Die Infektisitt und die Notwendigkeit antivira-ler Therapien kann nur durch die quantitative Be-stimmung der HBV-Viruslast bestimmt werden. Reinqualitative HBV-DNA PCRs haben keinen diagnosti-schen Wert. Die HBV-Viruslast kann von 1010 IU/ml bei immun-toleranten Kindern oder jungen Erwachsenen mitnormalen Transaminasen reichen. Zu beachten istschlielich, dass die HBV-DNA auch bei HBsAg-negativen Patienten mit serologisch ausgeheilterHepatitis B in einigen Fllen positiv sein kann. Manspricht von einer okkulten Hepatitis, die klinisch dannRelevanz bekommt, wenn der Patient immunsuppre-miert wird und es zu einer Reaktivierung der HepatitisB kommen kann. Das HBV ist hochinfektis mit einer bertragungs-wahrscheinlichkeit nach Nadelstichverletzung von >30% bei virmischen Indexpatienten und nicht-