Mitteilungen des Vereins Sächsischer Ornithologen - Zur ......Ornis Saxonica " ( J .Orn. 70 : 1 -...

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FID Biodiversitätsforschung Mitteilungen des Vereins Sächsischer Ornithologen Zur Erinnerung an Dr. phil h.c. Richard Heyder Saemann, Dieter 1991 Digitalisiert durch die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main im Rahmen des DFG-geförderten Projekts FID Biodiversitätsforschung (BIOfid) Weitere Informationen Nähere Informationen zu diesem Werk finden Sie im: Suchportal der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main. Bitte benutzen Sie beim Zitieren des vorliegenden Digitalisats den folgenden persistenten Identifikator: urn:nbn:de:hebis:30:4-130046

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  • FID Biodiversitätsforschung

    Mitteilungen des Vereins Sächsischer OrnithologenZur Erinnerung an Dr. phil h.c. Richard Heyder

    Saemann, Dieter

    1991

    Digitalisiert durch die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main imRahmen des DFG-geförderten Projekts FID Biodiversitätsforschung (BIOfid)

    Weitere InformationenNähere Informationen zu diesem Werk finden Sie im:Suchportal der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main.

    Bitte benutzen Sie beim Zitieren des vorliegenden Digitalisats den folgenden persistentenIdentifikator:

    urn:nbn:de:hebis:30:4-130046

    http://www.ub.uni-frankfurt.de/https://www.biofid.de/de/https://hds.hebis.de/ubffm/Record/HEB433876182

  • Mitt. Ver. Sächs . Orn. 711991 : S. 3- 15

    Zur Erinnerung anDr . phil . h . c . Richard HEYDER

    von DIETER SAEMANN

    Am 17 . 12 . 1884 als erstes von fünfGeschwistern in Rochlitz geboren , wuchsRichard HEYDER in sehr bescheidenenVerhältnissen auf . Der Vater , Carl RichardHeyder , nannte sich zwar nach altem BrauchLeineweber , arbeitete aber seit etwa 1871 -1916 bei Winkler & Sohn in Rochlitz undwebte am mechanischen Webstuhl Tuche .Die Mutter , Agnes Selma geb . Pohlert warHausfrau , wußte sich jedoch überall in derUmgebung nützlich zu machen und so denFamilienetat aufzubessern . Reichtum kanntedie Familie Heyder nicht .Richard Heyder besuchte von 1891 - 1899die 1 . Bürgerschule in Rochlitz . Er selbstschätzte ein , kein schlechter Schüler gewesenzu sein , der rasch begriff , was ihn zu einergewissen Sorglosigkeit und „ Faulheit "verführte . Eifer entwickelte er besonders inden Lieblingsfächern Erdkunde , Geschichte ,in höheren Schuljahren auch Literatur undPhysik . Tiere und Pflanzen fand er jederzeitinteressant , las leidenschaftlich gernReiseschilderungen , Indianerbücher und die„ Gartenlaube " , wodurch er seinen Sprach -und Schreibstil schulen lernte . Ansonstenwar er außerhalb der Schule nicht besser alsdie anderen - eine Selbsteinschätzung.Ab 1899 erlernte er den Schlosserberuf , unddie Lehrzeit zog sich bis 1902 hin . Währenddieser Jahre gab es für Richard Heyder keinGeld zu verdienen . Dafür lernte er harteArbeitsbedingungen und üble Sitten kennen ,die heutigen Vorstellungen von einerLehrausbildung wenig entsprachen . Auchnach Abschluß der Lehre änderte sichzunächst nichts , bis Richard Heyder

    Abb . 1 . Richard Heyder in seinem letztenLebensjahrzehnt . Foto : D . Posselt

    schließlich auf seiner Wanderschaft durchWestsachsen Arbeit auf einerBrückenbaustelle im Vogtland fand . Er kehrtejedoch bald nach Rochlitz zurück , arbeitetehier bis 1907 und von 1907 - 1911 inMarkersdorf bei Burgstädt , wo er auch seinekünftige Lebensgefährtin Alma MildaFischer kennenlernte . Richard Heyder standwirtschaftlich längst auf eigenen Füßen , einZustand , den er schon während der Lehrzeitherbeigesehnt hatte . Nun konnte er sichendlich vom durchaus nicht üppigenVerdienst das kaufen , was er am meistenbegehrte : Bücher .Nach der Verheiratung am 10 . Juli 1911übersiedelte das Paar nach Oederan , um hierein von Richard Heyders Schwiegervater1910 gekauftes Gemischtwarengeschäft

  • Mitt . Ver . Sachs . Orn . 7 , 1991

    einschließlich Haus zu übernehmen und dasGeschäft zu führen , das bis zur Schließungam 15 . 2 . 1953 die materielle Grundlage derFamilie sicherte .1914 vergrößerte sich die Familie durch dieGeburt eines Sohnes am 21 . September . DieEltern konnten sich jedoch des kleinen KarlRichard Heyder nicht lange erfreuen , denneine „ bösartige Halsbräune " ließ dasLebenslicht des Knaben am 2 . 9 . 1915verlöschen .Kurz vorher , im August 1915 , war RichardHeyder zum Heeresdienst einberufen worden .Bis Anfang Mai 1916 verblieb er zunächst inDresden , mußte aber am 5 .5 . 1916 an dieFront ausrücken . Die schrecklichen Wirrendes 1 . Weltkrieges erlebte Richard Heyder inFrankreich , das er ohne Bedauern ein Jahrspäter am 3 .5 . 1917 verlassen konnte . DieFreistellung hatte er seinem früherenArbeitgeber G .SCHNEIDER in Rochlitz zuverdanken , in dessen Firma Richard Heyderim letzten Kriegsjahr arbeitete . Ein erneuterGestellungsbefehl im Oktober 1918 erreichteeinen schwer an Grippe erkrankten RichardHeyder ; bald darauf war der Krieg zu Ende .

    Richard Heyder kehrte nun unverzüglich nachOederan zurück . In den kommenden Jahrenforderten die wirtschaftliche Notlage ,Inflation und ein akuter Warenmangel auchdie Familie Heyder zu äußerster Sparsam¬keit heraus . Ab Ende 1923 , als sich dieWirtschaft allmählich zu erholen begann ,entspannte sich auch die häusliche Situationzusehends . Am 17 . 2 . 1926 kam die TochterAnnerose Erika zur Welt , und das Glück derFamilie mag vollkommen gewesen sein .

    Richard Heyder ' s Lebenserinnerungensparten die Jahre bis zum Ausbruch des 2 .Weltkrieges aus . Vielleicht waren diese Jahreso normal und glücklich verlaufen , daß esnichts zu berichten gab . Den schrecklichenKrieg mußte Richard Heyder zum Glück

    nicht mehr als Soldat erleben . Unmittelbarnach Kriegsende kehrte die Tochter in daselterliche Haus zurück und blieb auch nachihrer Verheiratung im Hause wohnen . Sieerwies sich mehr und mehr als unentbehrlicheHilfe , führte weitgehend das Geschäft , denndie Mutter war an Diabetes erkrankt und inihrer Leistungsfähigkeit periodisch starkbeeinträchtigt . Am 27 . 10 . 1955 erlag sie ihrerKrankheit .Eine Pension im Gefolge der Ehrenpromotionversetzte Richard Heyder in die Lage , auf dieSchließung des Geschäftes hinzuarbeiten .Ohne materielle Sorgen lebte Richard Heydernach dem Tode seiner Ehefrau fast 30 Jahrein der Geborgenheit der Tochterfamilie . Erstarb am 19 . Juli 1984 in Oederan .

    Vor dem Hintergrund dieses kurzenLebensabrisses mutet der Werdegang desOrnithologen und Wissenschaftlers RichardHEYDER geradezu phantastisch an , dennRichard HEYDER war Autodidakt in desWortes reinster und schönster Bedeutung .Eine höhere Schulbildung blieb ihmzeitlebens ebenso versagt wie einewissenschaftliche Ausbildung . Dievielfältigen Kenntnisse , über die er verfügte ,hatte er sich in zäher und beharrlicherKleinarbeit selbst angeeignet und war seinganzes Leben lang bemüht , sein Wissen zuvervollkommnen .Schon in seiner frühen Kindheit führte dasInteresse an Tieren und Pflanzen zumBeobachten und Sammeln . Seine ersteSammlung bestand aus handschriftlichnotierten wissenschaftlichen Tiernamen ,deren Sinn und Bedeutung dem Jungen garnicht recht bekannt waren , zumal ihn dieVielfalt der damals gebräuchlichenSynonyme zunehmend verwirrte . Als Knabefing Richard HEYDER Kohlmeisen mit demStellholz , markierte die Vögel durchStempeln der Steuerfedern und sammeltespäter , im Alter von 17/18 Jahren , auch

  • SAEMANN : Zur Erinnerung an Richard Heyder

    Vogeleier , wie es in jener Zeit allgemeinMode war . Diese Beschäftigung ermöglichteihm tiefere Einblicke in die Brutbiologievieler Vogelarten , doch gab er sich demEiersammeln wie vorher vielen anderenBeschäftigungen nicht sehr lange hin .Belesenheit und vor allem die Bekanntschaftmit dem 6 Jahre älteren , vielseitigbeschlagenen Rudolf ZIMMERMANN( 8 .9 . 1878 Rochlitz , 28 . 8 . 1943 Dresden ) ,mit dem ihn später eine tiefe Freundschaftverband , hatten offenbar schon in frühenJugendjahren alle Bestrebungen RichardHEYDERs in ein wissenschaftlichesFahrwasser geleitet .So konnte es nicht ausbleiben , daß RichardHEYDER wissenschaftliche Erkenntnissegewann und seine ersten vergleichsweisebescheiden anmutenden Entdeckungen ihnzum Schreiben drängten , wozu ihn Freundeschon lange ermuntert hatten . Der Fund einesintakten Eies in einer Singdrosselrupfungwar unmittelbarer Anlaß zur erstenvogelkundlichen Publikation ( 1905 ) , der vonnun an in steter Folge weit mehr als 200ornithologische Arbeiten folgten ; die letzteerschien Jkurz vor seinem Tode im Jahre1984 .Exkursionen in entferntere Gebiete - z . B . andie Frohburger und an die WermsdorferTeiche - sowie die mehr oder weniger engeBekanntschaft mit namhaften Ornithologenjener Zeit - u . a . R .BERGE , EU . REY , B .HANTZSCH , A . VOIGT - gestalteten dieJugendjahre in Rochlitz bis 1907 zuwahrhaften Studienjahren . In dieser Zeitstartete Richard HEYDER bei denForstverwaltungen eine Umfrage betreffsBestandsveränderungen des Schwarz¬spechtes und legte die Ergebnisse 1906 ineiner gehaltvollen Studie vor . Bereits 1908trat er der Deutschen Ornithologen -Gesellschaft bei , der er , später zumEhrenmitglied gewählt , bis zu seinem Todeangehörte .

    Als Richard HEYDER 1911 den für seinweiteres Leben entscheidendenWohnungswechsel nach Oederan vollzog ,hatte sich sein Bekanntenkreis erheblicherweitert , und mit allen Fachfreundenverband ihn stets ein äußerst reger brieflicherund persönlicher Austausch von Erfahrungenund Anregungen . Es blieb ihm daher nichtverborgen , daß B .HANTZSCH ( 12 . 1 . 1875Dresden , Anfang Juni 1911 Baffinland ) imAuftrage des Ornithologischen VereinsDresden ein Buch über die Vögel Sachsensschaffen sollte . B .HANTZSCH ließ diesenPlan jedoch fallen , den Richard HEYDERdaraufhin insgeheim zu seinem eigenengemacht hatte , und zog sich ins arktischeNordamerika zurück , aus dem er nichtwiederkehren sollte .In die Jahre bis 1910/11 fielen auch RichardHEYDER ' s große Auseinandersetzungen ingeistigen und weltanschaulichen Fragen jenerZeit . Er selbst bekannte sich offen zu denLehren E . HAECKEL ' s , dessen ThesenRichard HEYDER leidenschaftlichgegenüber Zweiflern verteidigte und inVorträgen dem Publikum erläuterte .Richard HEYDER ' s Wahlheimat Oederan ,unmittelbar am Fuße des Erzgebirgesgelegen , ermöglichte ihm die Erschließungneuer Beobachtungsgebiete , von denen ihnder Großteich Großhartmannsdorf in 500 mNN ( heute ein bedeutsamesNaturschutzgebiet ) besonders fesselte ,während das ganz unerforschte Erzgebirgewohl mehr die faunistische Neugier anregte .Im Frühjahr 1911 , kurz vor seinerVerheiratung , unternahm er mitR .ZIMMERMANN auch jene berühmt¬berüchtigte Karpatenfahrt , deren noch vieleJahre später von Richard HEYDER oft undunnachahmlich humorvoll erzählte Episodendie grotesken Unterschiede im Charakter derbeiden Freunde ahnen ließen .Nach HANTZSCH ' s Tod zeigte keiner dersächsischen Ornithologen Neigung , den Plan

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    einer „ Sächsischen Vogelfauna "weiterführend zu realisieren , doch vielenamhafte Vertreter der Zunft redetenanläßlich der Jahrestagungen der DOG 1912und 1913 dem schon recht bekannten RichardHEYDER kräftig zu , das von ihm bereitsbegonnene Werk zielstrebig fortzuführen .Die Arbeit war zwar von vornherein auflange Sicht angelegt , doch zwang derAusbruch deg 1. Weltkrieges , das bis dahingesammelte Material - Auswertung desvorhandenen Schrifttums , Sichtung derSammlungsbelege und die vorliegendenBeobachtungen - möglichst rasch für eineVeröffentlichung vorzubereiten . Das geschahin der „ Ornis Saxonica " genanntenPublikation , die 1916 im „ Journal fürOrnithologie " , der führenden deutsch¬sprachigen Fachzeitschrift , erschien .Die Arbeit war ein voller Erfolg , im Nuvergriffen , und sie machte Richard HEYDERmit einem Schlage weit über dieLandesgrenzen hinaus bekannt .Den Gefahren des Krieges glücklichentronnen , nahm Richard HEYDER gleichnach seiner Rückkehr in die Heimat( Oederan ) die faunistischen Studien wiederauf und veröffentlichte 1922 „ Nachträge zurOrnis Saxonica " ( J .Orn . 70 : 1 - 38 und 137 -172 ) . Im gleichen Jahr gelang es auf Drän¬gen R . ZIMMERMANNS , den „ Vereinsächsischer Ornithologen " zu gründen , undmit ausländischer Hilfe konnten erstmals die„ Mitteilungen des Vereins sächsischerOrnithologen " ( 1922 - 1941 - sechs Bände )erscheinen . Damit waren auchorganisatorisch die Grundlagen für eine nochwirkungsvollere avifaunistische ErforschungSachsens geschaffen ( siehe auch HEYDER ,R . ( 1963 ) : Aus der Geschichte des „ Vereinssächsischer Ornithologen " . Beitr .Vogelk . 8 :293 - 305 ) .Ab 1923 konnte Richard HEYDER , der bisdahin rund 60 eigene Veröffentlichungenaufzuweisen hatte , als weithin bekannter

    Ornithologe gelten , was sich in zahlreichenEhrungen seiner Person ausdrückte . Von R .ZIMMERMANN bereits in die Redaktionder „ Mitteilungen " einbezogen , wurdeRichard HEYDER schließlich 1926 alsNachfolger Prof . A . JACOBI ' s 1 .Vorsitzender des „ Vereins sächsischerOrnithologen " , 1927 wählte man ihn demAusschuß der DOG zu , 1929 ernannte ihnder „ Verein Schlesischer Ornithologen " zuseinem Ehrenmitglied , desgleichen der„ Ornithologische Verein Leipzig " im Jahre1931 u .a .m .1929 folgte Richard HEYDER einerEinladung von E . SCHÜZ nach Rossitten ,und bereits 1927 hatte ihn eine Vereinsfahrtnach Oberbayern und Tirol geführt . 1937besuchte Richard HEYDER die Schorfheideund nutzte 1939 eine Fahrt an die Donau zuBesuchen des Bayrischen Waldes . All dieseFahrten dienten nicht nur der Erweiterungder Artenkenntnisse , sondern auch demAusbau und der Vertiefung von Kontaktenzu Fachkollegen und Freunden .Bei Beginn des 2 . Weltkrieges gesellte sichzur Angst vor den kommenden Ereignissendie Gewißheit Richard HEYDER ' s , mit derMaterialsammlung und Aufbereitung desStoffes für das Buchprojekt „ Vögel desLandes Sachsen " noch längst nicht fertig zusein . Dennoch verspürte Richard HEYDERkeine Reue darüber , daß sich in den 20er und30er Jahren anderweitige Aufgaben - z .B .eingehende Amselstudien , Mitarbeit am„ Handbuch der deutschen Vogelkunde " vonG . NIETHAMMER - immer wiederdazwischengedrängt hatten und denAbschluß der großangelegtenlandesfaunistischen Arbeit verzögerten .Der allgemein zunehmenden Not , damitzusammenhängenden Erschwernissenhinsichtlich Reisen und Vereinstätigkeit ,Beschränkung der Druckmöglichkeiten undmannigfachen anderen Restriktionen fielenschließlich 1941 neben zahlreichen anderen

  • SAEMANN : Zur Erinnerung an Richard Heyder

    Zeitschriften auch die „ Mitteilungen desVereins sächsischer Ornithologen " zumOpfer . Im gleichen Jahr raffte sich RichardHEYDER trotz aller Schwierigkeiten auf ,R .ZIMMERMANN am Neusiedler See zubesuchen . Er fand den Freund gealtert undreizbar . Seine Befürchtungen , anR . ZIMMERMANN zehre ein Leiden ,bewahrheiteten sich schon bald . Todkrankkehrte der Tierphotograph und Schriftstellernach Dresden zurück , wo er bald darauf imKrankenhaus verstarb . Richard HEYDERhatte den treuesten seiner Freunde für immerverloren .Die Begleiterscheinungen des schrecklichenWeltkrieges lähmten jede Freizeit¬beschäftigung . In der Not der erstenNachkriegsjahre widmete sich RichardHEYDER nun endgültig den jahrelangbrachgelegenen landesfaunistischenVorarbeiten und betrieb zielstrebig derenAbschluß , zumal die Verbindung zu denmeisten Fachfreunden abgerissen war unddeshalb nur wenig Aussicht bestand , neuesergänzendes Material zu erhalten . Auch seineExkursionstätigkeit , vor allem gemeinsammit dem Oederaner Botaniker J .UHLIG ,setzte 1946 allmählich wieder ein . Treffenmit E . MAYR ( November 1946 ) , E . SCHÜZ( 1 . 8 . 1947 ) sowie H .DATHE ( 6 . 3 . 1948 )beflügelten Richard HEYDER , das Buchendlich zum Abschluß zu bringen . H . DATHEsetzte sich bei GEEST & PORTIG für dieÜbernahme des Werkes in dasVerlagsprogramm ein , und am 18 . 6 . 1948erfolgte der offizielle Vertragsabschluß ,nachdem Richard HEYDER bereits am22 .4 . 1948 eine verbindliche Zusage erhaltenhatte .Wie schwierig es in jener Zeit war , einwissenschaftliches bzw . überhaupt ein Buchzu veröffentlichen , mögen folgende von R .HEYDER festgehaltenen Daten desErscheinens seiner „ Vögel des Landes

    Sachsen bezeugen :18 . 6 . 1948Vertragsabschluß mit GEEST & PORTIG24 . 10 . 1949Einsendung des Rohmanuskriptes20 . 3 . 1950Erteilung der Drucklizenz25 . 3 . - 9 . 8 . 1950schubweise Einsendung der Reinschrift25 . 7 . 1951Papierfrage endlich geklärt !15 . 1 . 1952Abschluß der Korrekturen31 . 1 . 1952Erscheinen des Buches .

    Dem Erscheinen der „ Vögel des LandesSachsen " waren einige nicht nur für RichardHEYDER bedeutsame Ereignissevorausgeeilt , die auf keinen Fall unbeachtetbleiben dürfen . Anläßlich E . STRESE -MANN ' s 60 . Geburtstags hatten G .CREUTZ , H . DATHE und R . HEYDER eineJubiläumsschrift vorbereitet , die die dreisächsischen Ornithologen „ Beiträge zurVogelkunde " betitelt und dem Jubilar am22 . 11 . 1949 in Berlin überreicht hatten . 1952erschien unter gleichem Titel der nunmehr 2 .Band der sich rasch entwickelndenZeitschrift , welche die ehemaligen „ Mit¬teilungen des Vereins sächsischerOrnithologen " ersetzen sollte . Schriftleiterwurde nunmehr H . DATHE , von R .ZIMMERMANN schon lange vor dessenTod zum Nachfolger in der Schriftleitungder „ Vereinsmitteilungen " designiert ( sieheVorbemerkung zu Beitr .Vogelk . 2 ! ) . Vonden Mitherausgebern G . CREUTZ , E .STRESEMANN und R . HEYDER schiedendie beiden letzteren auf eigenen Wunsch abBand 8 aus .

    Zu Beginn der 50er Jahre hatte sich dasgesellschaftliche Leben so weit normalisiert ,daß auch ein ornithologisches Vereinsleben

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    langsam wieder erblühen konnte . Unter derSchirmherrschaft des „ Kulturbundes zurdemokratischen Erneuerung Deutschlands "fand vom 21 . - 23 . 10 . 1950 in Leipzig die 1 .Zentrale Ornithologentagung der DDR statt ,zu der sich Interessenten aus der gesamtenam 7 . 10 . 1949 gegründeten Republikeinfanden . 1951 hatte der „ Kulturbund " fürden 14 ./15 .4 . zu einer Landestagung nachRadebeul eingeladen , und Richard HEYDERfehlte auch auf dieser Tagung , auf der ereinen Vortrag hielt , nicht . Im gleichen Jahrging Richard HEYDER auf große Reise .Ziel war zunächst der Bodensee , um inRadolfzell an der 50 - Jahr - Feier derVogelwarte Rossitten teilzunehmen . EinerAnregung von R .KUHK folgend , reisteRichard HEYDER von Radolfzell zur DOG -Tagung nach Wilhelmshaven undanschließend nochmals zurück an denBodensee . Von der äußerst erlebnisreichenReise Ende Mai 1951 zurückgekehrt , wurdeRichard HEYDER von der Nachricht derPhilosophischen Fakultät der UniversitätLeipzig , er habe sich zwecks Entgegennahmedes Diploms eines „ Doktors der Philosophieehrenhalber " am 20 . 6 . 1951 pünktlich 15 .00Uhr im Dekanat der Fakultät einzufinden ,völlig überrascht . Sein Dankschreiben vom4 . 6 . 1951 mag das bezeugen :„ Sehr geehrter Herr Dekan ! Die mir mitSchreiben vom 29 . Mai 1951 übermittelteNachricht der Philosophischen Fakultät vonder Verleihung der Würde eines Doktorsehrenhalber erreicht mich völligüberraschend und in keiner Weise erwartet .Meine bescheidenen wissenschaftlichenBemühungen rechtfertigen in mir solcheErwartungen jedenfalls nicht . Wenn einehohe Fakultät sie günstiger einwertet , so istmir das eine große Ehre , die mir zu ganzbesonderer Freude gereicht . Ich nehme dieAuszeichnung mit tiefempfundenem Dankan . In größter Hochachtung Ihr sehr ergebenerR . H ."

    Welch beglückende Stunde mag dieFakultätssitzung am 20 . 6 . 1951 für dengelernten Schlosser gewesen sein ! Währendihn die Fachkollegen , Freunde und Bekanntenmit Glückwünschen überhäuften , fürchteteRichard HEYDER zugleich , nunmehr stärkerals ihm lieb sein konnte in ' s Rampenlichtgezogen zu werden , was sich denn auchnicht abwenden ließ . Von den ungezähltenEhrungen sei lediglich der„ Ehrenbürgerbrief " erwähnt , der ihm vomRat der Stadt Oederan am 11 . 2 . 1952überreicht wurde . Richard HEYDER standauf dem Höhepunkt seines Schaffens . Ergenoß die 50er Jahre jedoch nicht alsgefeierter und hochgeschätzter Ornithologe ,sondern zielstrebig und beharrlich setzte erseine Arbeiten fort und nahm neue in Angriff .Stärker als in früheren Jahrzehnten widmeteer sich nun historischen Themen undbeleuchtete teils kritisch , teilszusammenfassend unklare faunistischeFragestellungen . Richard HEYDER ' s Rufals Ornithologe und Wissenschaftler trugwesentlich dazu bei , daß ihm von allen SeitenFunktionen und Ehrenämter angetragenwurden . Der Bitte , den Vorsitz imfrischgebackenen BezirksfachausschußOrnithologie Karl - Marx - Stadt zuübernehmen , kam Richard HEYDER ohnelanges Zögern nach . Somit war seinAufgabenkreis noch größer geworden , derZeitfonds für die eigene wissenschaftlicheArbeit dagegen erheblich beschnitten . Esgalt Tagungen zu besuchen und mit Vorträgenzu bereichern und schließlich auch selbstZusammenkünfte der Ornithologen zuorganisieren , wie die 1 . Bezirkstagung imOktober 1954 in Zwickau , die großeResonanz fand . Ein reichliches Jahr zuvor ,im August 1953 , war Richard HEYDER zumEhrenmitglied der DOG ernannt worden ,was er selbst als „ zweiten Dr . h . c ." wertete .Reger Kontakt zu den örtlichen FachgruppenOrnithologie , häufige Sitzungsbesuche und

  • SAEMANN : Zur Erinnerung an Richard Heyder

    die Lösung organisatorischer Problemeblieben auch 1954 bestimmende Elementeseines Arbeitspensums . Nunmehr 70jähriglöste Richard HEYDER dennoch alleAufgaben zur größten Zufriedenheit seinerAuftraggeber , und eine feierliche Ehrung ,die ihm und seinem Freunde J .UHLIG durchden Kreisrat Flöha im August 1954 zuteilwurde , mag die Vielseitigkeit der Aktivitätenund deren Würdigung durch die Gesellschaftunterstreichen : beide Freunde hatten zweiRäume des Heimatmuseums in SchloßAugustusburg neu gestaltet .HEYDER ' s 70 . Geburtstag gestaltete sichzu einem grandiosen Festtag , an dem derJubilar Würdigungen und Gratulationenzahlreicher wissenschaftlicher undgesellschaftlicher Institutionen und nahezuder gesamten deutschsprachigen Fachweltentgegennehmen konnte . In einer Festschriftder „ Beiträge zur Vogelkunde " - Band 5 -brachten ihm die Vertreter derverschiedensten ornithologi sehenSpezialdisziplinen ihre Huldigung dar .E . STRESEMANN als Autor des etwasverspäteten Glückwunsches brachte inbrillanter Formulierung das zum Ausdruck ,was auch uns aus dem Herzen gesprochen zusein scheint und was allzeit gelten wird : „ DieVaterschaft an der sächsischen Ornithologieist ungeklärt geblieben . Ohne rechte Obhutist sie herangewachsen , bis sich ein wackererPflegevater des verwahrlosten undzerstreuten Geschöpfes annahm und ihm denNamen „ Ornis Saxonica " gab . Das war vorbald 40 Jahren . Mit unverdrossener Mühe ,durch gutes Beispiel und freundlichesZureden , hat er seitdem seinen Schützlingauf die Bahn von Zucht und Ordnung gelenkt ,ja er hat ' s sogar fertiggebracht , daß einMusterkind daraus geworden ist , das anderesich zum Vorbild nehmen . Jeder , der heute inSachsen Vogelkunde treibt , ist also ausRICHARD HEYDERs Pflegehervorgegangen . Allen hat er die Wege

    bereitet . Dafür will ihm heute , zu seinem 70 .Geburtstag , manch einer mit der Tat danken .Sie suchten für ihn das Schönste auf denFluren ( oder im Schreibtischfach ) . Anderehaben sich den sächsischen Fachgenossenmit Freuden hinzugesellt , denn alle sind wirstolz auf RICHARD HEYDER , dessenWirken uns noch lange bereichern möge ! „

    Die nun auf Hochtouren laufendenAktivitäten Richard HEYDERs erfuhrendurch den Tod seiner Ehefrau am 27 . 10 . 1955einen jähen Einschnitt . Es bemächtigte sichseinerein Gefühl der Ausweglosigkeit sowieder Gleichgültigkeit gegenüber Dingen , dieihn noch kurz zuvor begeistert hatten , undseine stete Reiselust wurde empfindlichgedämpft . Um sich selbst vom erlittenenSchicksalsschlag abzulenken , vertiefte sichRichard HEYDER nun in eigeneumfangreiche Arbeiten , allen voran wohl indie „ Nachträge zur sächsischen Vogelfauna " ,zu denen H .DATHE angeregt hatte . DieseNachträge schlössen von den Beobachtungenher und bibliographisch das Jahr 1958 ein ,erschienen aber erst 4 Jahre später ( Beitr .Vogelk . 8 ( 1962 ) : 1 - 106 ) . Auf der letztenSeite dieser für die sächsische Vogelkundewieder sehr bedeutsamen Arbeit ließ RichardHEYDER die Leser wissen , daß er nunmehrals „ Landesfaunist von der Bühne abtrete "und empfahl die künftige avifaunistischeArbeit in andere Hände . Gemessen amtrübsinnigen Ausgang des Jahres 1955 verliefdas Jahr 1956 für Richard HEYDER wiederin gewohnten Bahnen - er arbeitete fleißigund reiste . Ziele waren Stralsund( Ornithologentagung ) , Thüringen ,Osterzgebirge , seine alte HeimatstadtRochlitz , der neu entstandene StauseeWindischleuba , Kamenz und die Lausitz .Schließlich leitete er am 31 . 10 . 1956 erneuteine Bezirkstagung , diesmal in Karl - Marx -Stadt . Das aktionsreiche Leben setzte sich1957 fort , und Richard HEYDER besuchte

  • Mitt . Ver . Sachs . Orn . 7 , 1991

    mit Freunden viele Orte innerhalb der DDR .An bemerkenswerten Tagungen erlebte erdie DOG - Tagung in Erlangen sowie die ausAnlaß des 100 . Todestages J . F . NAUMANNSanberaumte Tagung in Halle und Kothenvom 9 . - 11 . 8 . 1957 . Es ist nicht möglich , alleStationen und Exkursionsziele jener Jahrelückenlos aufzuführen . Erwähnung verdientder Entschluß Richard HEYDERs , ausAltersgründen den Vorsitz im BFAOrnithologie KMStadt niederzulegen , undzwar mit Ende des Jahres 1958 . DemGremium blieb er jedoch als Mitglied nochviele Jahre treu . Auch in den Jahren 1959 bis1964 änderte sich am Arbeits - und Lebensstildes nun schon hochbetagten RichardHEYDER nur wenig . Der engereFreundeskreis hatte sich zwangsläufiggegenüber früheren Jahrzehnten geändert ;unverhohlene Wertschätzung brachteRichard HEYDER neben seinem bewährtenFreund J . UHLIG auch R . GERBER , U .BÄHRMANN , W . FISCHER und F .BÖHME entgegen , mit denen er wie mit W .SCHNEIDER regen Umgang pflegte . Nocheinmal erfuhr er höchste Ehrung , indem ihndie Deutsche Akademie der Wissenschaftenam 6 .Juli 1961 mit der „ Leibniz - Medaille "auszeichnete . Auch im 8 . Lebensjahrzehntwidmete sich Richard HEYDER mit der ihmeigenen Akribie weiteren großen Arbeitenkritisch - faunistischen und biographischenInhaltes . Seine unverminderte Reiselustwurde vorübergehend durch einenOberarmbruch beeinträchtigt , den er infolgeeines häuslichen Unfalls im Frühjahr 1960erlitten hatte . Ähnliches Pech verfolgte ihn1961/62 . Die schmerzhaften Folgen zweierStürze hemmten ihn lange , und einen amSchloß Augustusburg überwinterndenMauerläufer konnte Richard HEYDER nocham letzten Verweiltag des Vogels inAugenschein nehmen . 1964 erschien endlich ,von Richard HEYDER lange erwartet , L .GEBHARDTS Buch „ Die Ornithologen

    Mitteleuropas " , zu dessen Inhalt RichardHEYDER in 10 Jahre währender Arbeit ca .150 Biographien beigesteuert hatte ( auch fürdie später erscheinenden Nachträge brachteer weitere Biographien bei ) . Seit 1961 leisteteRichard HEYDER außerdem „ Zubrin¬gerdienste " für ein „ Wörterbuch derdeutschen Tiernamen " . Obwohl diese Arbeitthematisch so recht nach seinem Geschmackwar , kündigte er sie später trotz hoher bereitsabgeleisteter zeitlicher Aufwendungen auf .1967/68 wurde das Buchprojekt auch vonseinem Initiator , dem Akademieverlag ,verworfen .80 . Geburtstag ! Ein glücklicher Jubilar , einübervolles Haus ! Richard HEYDER erwiessich als blendend aufgelegter Gastgeber ,tatkräftig unterstützt von seiner Tochter . DerAutor des vorliegenden Beitrages erinnertsich an Berge von Post , ein Meer von Blumen ,an öfters klingelnde Telegrammboten sowiean ein ständiges Kommen und Gehen derGratulanten . Unvergessene Eindrücke ! AusFreude über den Verlauf des Tages lud

    Abb .2 : Dr . Richard Heyder mit seiner TochterFrau A . Uhlemann . Foto : D . POSSELT .

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    SAEMANN : Zur Erinnerung an Richard Heyder

    Richard HEYDER im Januar des folgendenJahres 10 der aktivsten Heimatfreunde zueinem Bierabend ein - es fehlte keiner !Kurz vor Vollendung des 80 . Lebensjahreshatte sich Richard HEYDER zu dem ihnselbst „ heroisch dünkenden Entschluß "durchgerungen , seine Bücher in Händeabzugeben , die gewillt waren , mit derkostbaren Bibliothek zu arbeiten und derenAufbewahrung und Pflege zu gewährleisten .Der am 1 . 5 . 1964 geschlossene Vertragsicherte Richard HEYDER den Verbleib derBücher zu , solange er ihrer bedürfe . Das 9 .Lebensjahrzehnt merkte man RichardHEYDER kaum an . Er fehlte selten einerFachtagung , sofern solche im Bezirk Karl -Marx - Stadt stattfanden , und alljährlicherschienen in den verschiedenstenZeitschriften mehr oder wenigerumfangreiche Arbeiten aus seiner Hand .Während sich nun die Reihen der älterenMitstreiter sowie der Freunde aus früherenZeiten zu lichten begannen ( u . a . 1972 E .STRESEMANN gest . , 1974 G . NIET¬HAMMER gest . ) , suchten immer mehrjüngere Ornithologen bei Richard HEYDERRat und Hilfe , die er nie verwehrte , undvielen der Ratsuchenden brachte erunzweideutige Freundschaftsbeweiseentgegen , die leider nicht in jedem Falle vonden Empfängern gewürdigt wurden . Erstmalsseit fast 50 Jahren erkrankte RichardHEYDER 1967 , und die Diagnose( perniziöse Anämie ) bot Anlaß zu ernsthaftenBefürchtungen . Glücklicherweise erholtesich der Patient nach dreiwöchigemKrankenhausaufenthalt rasch und nahm dengewohnten Tagesablauf bald wieder auf . ImHerbst 1968 mußte sich sein liebwerterFreund J . UHLIG einer schweren Operationunterziehen , und es erfüllte RichardHEYDER mit großer Freude , den genesendenFreund bald wieder in seiner Nähe zu wissen .Die Mißhelligkeiten des Alters ließen sichnicht mehr hinwegleugnen , worüber sich

    Richard HEYDER selbst im Gegensatz zuseinen Freunden und Bekannten diewenigsten Illusionen machte . SeineReisewilligkeit ließ nun ebenfalls merklichnach , doch empfing er um so freudigerBesucher , die er stets auf ' s äußerstewillkommen hieß . Dank der Besucher , unterdenen sich klangvolle Namen befanden , unddank der umfangreichen Korrespondenz , dieRichard HEYDER ohne Abstriche auch indiesen Jahren pflegte , blieb er über alleEreignisse in Ornithologenkreisen bestensinformiert . Im Oktober 1969 stellten sicherneut anämische Beschwerden ein , die auchwieder erfolgreich behandelt werdenkonnten , so daß sich Richard HEYDERschnell erholte . Diese offenbar periodischwiederkehrende Erkrankung ( eineBefürchtung , die sich nicht bestätigen sollte !)führte zum unabänderlichen Entschluß , denVertragspartner zur Abholung des größtenTeiles der veräußerten Bibliothekaufzufordern . Schweren Herzens trennte sichder Altmeister von seinem wichtigstenHandwerkszeug . Aus dem zu gleicher Zeitgefaßten Entschluß , die Hände nunmehr inden Schoß zu legen , wurde jedoch nichts . Erbemühte jetzt wieder stärker die großenBibliotheken des Landes , wie er das schonöfters im Zuge seiner historischen undbiographischen Studien praktiziert hatte ,doch verdroß es ihn ungemein , daß dieBiobliotheken aufgrund veränderterFernleihbestimmungen seinen oftausgefallenen Literaturwünschen nur nochunzureichend nachkamen . FaunistischeEreignisse , wie den ersten Birkenzeisig -Brutnachweis in Annaberg 1970 , nahmRichard HEYDER noch immer mitunvermindertem Interesse wahr , ließ sich anden Ort des Geschehens führen undrecherchierte , falls nötig und Ergebnisseversprechend , in alten Quellen , die unsJungen häufig unbekannt und damit auchunzugänglich waren . Bei derartigen

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    Anlässen , wie sie gerade der Birkenzeisigbot , offenbarte sich uns mit aller Deutlichkeit ,über welch enormes Gedächtnis RichardHEYDER noch immer verfügte und mitwelcher Akribie und mit welchem Spürsinner auch die verborgensten Quellen erschloß .Und das war Zeit seines Lebens nie andersgewesen . Im November 1970 reiste RichardHEYDER noch einmal , um an derHundertjahrfeier zur Erinnerung an O .KLEINSCHMIDT in Wittenberg vom 11 . -13 . 11 . teilzunehmen . Er lernte hier eine Reihebedeutender Zoologen und Biologen des20 . Jahrhunderts kennen , u . a . auch denPräsidenten der „ Leopoldina " , Prof . H .MOTHES . Am 3 . 7 . 1970 ehrte derKulturbund den 86jährigen RichardHEYDER mit der „ Johannes - R . - Becher -Medaille in Gold " , der höchstenAuszeichnung , die die Massenorganisationzu vergeben hatte . Trotz Kränkeins vonFebruar bis April und trotz widrigen Wettersunternahm Richard HEYDER im Frühjahr1971 mehrere Exkursionen , u . a . in dieLausitz , an den Großhartmannsdorfer Teichund an den Horstsee Wermsdorf , desseninzwischen verlorene Unberührtheit RichardHEYDER arg enttäuschte . Seltene Besucherbezeugten die hohe Wertschätzung , der sichRichard HEYDER im In - und Auslanderfreute . So beehrte ihn am 10 . 10 . 1973 Prof .E . MAYR in Gefolgschaft G . MAUERS -BERGERs mit seinem Besuch , und am10 . 5 . 1974 H . RINGLEBEN , den RichardHEYDER 25 Jahre lang nicht gesehen hatte ,obwohl ein reger Briefwechsel die beidenOrnithologen freundschaftlich verband . Inseinem 90 . Lebensjahr fuhr RichardHEYDER gemeinsam mit Freunden in ' sLeipziger Trappengebiet , ohne der nahezuausgestorbenen Großvögel ansichtig zuwerden . Mehr Erfolg hatte er bei einer Fahrtin den tschechischen Teil des Erzgebirges ,wo er von Z . BARTA an ein unlängstentdecktes Vorkommen des Zwerg -

    Mi » . Ver . Sachs . Orn . 7 , 1991

    Schnäppers geführt wurde .90 . Geburtstag ! Wie allgemein erwartet ,gestaltete sich der Festtag traditionsgemäßzum Höhepunkt , doch sollte es einer derletzten in Richard HEYDERs Leben werden .Ausgerechnet eine der Festgaben botvollkommen unbeabsichtigt den Stoff , ausdem sich wenige Wochen nach dem JubeltagMeinungsverschiedenheiten mit undVorwürfe an den Jubilar konstruieren ließen .Aus nichtigem Anlaß war eine handfesteKontroverse entstanden , die RichardHEYDER bewog , „ zur Abwehr " einenArtikel zu verfassen ( Actitis 12 ( 1976 ) : 90 -93 ) , dessen unerfreuliche Hintergründe nurwenige eingeweihte Freunde genau kannten .Die von völlig unerwarteter Seite erlittenenSchmähungen griffen den alternden RichardHEYDER seelisch mehr an als er inGesprächen zugestand . Auch klagte er öftersund mit wachsendem Nachdruck überGedächtnisverluste , Sehschwäche undSchwerhörigkeit , was wir Jüngeren freilichnicht wahrhaben wollten . Dennoch versuchteRichard HEYDER auch in seinem 10 .Lebensjahrzehnt nach allen Seiten hingewissenhaft Kontakte zu pflegen und - nunin bescheidenerem Umfang - kniffligeProbleme zu lösen und sprachlich inVeröffentlichungen zu fixieren . Soentstanden bis in das letzte Lebensjahr hineinPublikationen , deren Aussage sichverständlicherweise nicht mehr um aktuellefaunistische Ereignisse drehte , sondern mehrum solche historischer und sprachkundlicherArt . Bedeutende Besucher stellten sich auchimmer seltener ein , denn die Zahl derAltersgenossen hatte sich inzwischenerheblich verringert . In jenen Jahren weilteE . SCHÜZ in Oederan , traf jedoch einen vonschwerer Krankheit ( Oberschenkel¬halsbruch ) zwar genesenen , aber dochgezeichneten Richard HEYDER an , für dengerade in jener Zeit derartige Besuche äußerstwichtig waren , denn sie belebten ihn

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    SAEMANN : Zur Erinnerung an Richard Heyder

    auffallend und gaben ihm für viele WochenAuftrieb . Gute Freunde hatten RichardHEYDER noch im Jahre 1975 zu den ebenerst entdeckten Brutvorkommen derAlpenringdrossel auf den Fichtelberg geleitet ,doch verwehrte widriges Wetter einenerfolgreichen Anblick . Die XIII . ZentraleOrnithologen - Tagung der DDR vom 12 .-14 . 4 . 1975 in Karl - Marx - Stadt besuchteRichard HEYDER ebenfalls und wurde vonden Teilnehmern stürmisch begrüßt . Wieviele der Tagungsteilnehmer mochten denAltmeister der sächsischen Vogelkunde inKarl - Marx - Stadt zum ersten und/oder letztenMal gesehen haben ? ! Eine der allerletztenExkursionen hatte als Ziel erneut denFichtelberg und stand unter einemglücklicheren Stern als jene zur Ringdrossel .Begleitet von mehreren Freunden überzeugtesich Richard HEYDER am 26 . 2 . 1977 , daßtatsächlich auf dem Gipfel des zweithöch¬sten Erzgebirgsberges eine Alpenbraunelleüberwinterte ; es war dies ein Ereignis , das zuerleben er während seines langen Lebens bisdahin kein Glück hatte . Aus der Freude überden Anblick resultierte die Zusage an denLeiter der Fachgruppe Ornithologie Karl -Marx - Stadt , am 21 .5 . 1977 vor eben dieserGruppe einen Vortrag zu halten . In diesemseinem letzten öffentlichen Vortrag schilderteRichard HEYDER den gespannt lauschendenZuhörern seinen Werdegang als Ornithologeund beantwortete anschließend sehrschlagfertig , sicher und humorvoll eine Füllean Fragen ( der Vortrag liegt als Tondokumentvor ) . Späterhin fesselten Richard HEYDERdie Folgen des Oberschenkelbruchesvollständig an das Haus . Es war ihm daherauch nicht möglich , die „ Johann - Friedrich -Naumann - Plakette " - vom Kulturbundgestiftet und erstmals anläßlich der„ Naumann - Tagung " in Kothen 1980vergeben - persönlich am Tagungsort inEmpfang zu nehmen . Der Autor , der sich gutder letzten Lebensjahre Richard HEYDERs

    erinnert und ihn in angemessenenZeitabständen öfters besucht hatte , schätztsich glücklich , daß ihm Richard HEYDERals Zeichen seiner Freundschaft eines Tagesvöllig unvermittelt - wie zuvor bereits H .HOLUPIREK in Annaberg - das vertraute„ DU " im persönlichen Umgang angebotenhatte . Dies geschah in einer Zeit , da wirjungen Ornithologen uns angeschickt hatten ,Richard HEYDER ' s Werk ergänzendfortzuführen . Das geplante und begonneneProjekt einer „ Vogelwelt Sachsens "beschäftigte Richard HEYDER stark .Schrankenlos diskutierten wir über dieanstehenden Probleme , und mancheEntscheidung fiel uns leichter , nachdemRichard HEYDER seine beratende Meinunggeäußert hatte . So erlebten wir ihn nie andersals geistig frisch , stets zu Gesprächenaufgelegt und niemals ohne Humor . Noch imletzten Lebensjahr schrieb Richard HEYDERseine zahllosen Briefe selbst auf derMaschine . Allein über den Briefschatz , denRichard HEYDER hinterließ , gäbe esunendlich viel zu berichten . Pfingsten 1984war sein letzter Brief datiert , den er mirschickte , und am 21 . 6 . 1984 weilte der Autorauf ausdrücklichen Wunsch RichardHEYDERs nochmals bei ihm . RichardHEYDER lag darnieder , regelte aber dennocheinige für ihn offenbar unaufschiebbareAngelegenheiten mit mir und erteilte letzteRatschläge betreffs der „ VogelweltSachsens " . Sein inniger Händedruck und sein„ Lebe wohl !" - ein Gruß , den er niemalsbenutzt hatte - sagten mir unmißverständlich ,daß Richard HEYDER sein erfülltes Lebenabgeschlossen hatte und ich ihn nicht mehrwiedersehen würde .Am 25 . 7 . 1984 nahm eine großeTrauergemeinde auf dem Friedhof OederanAbschied von Richard HEYDER . PfarrerGEISSLER , am 17 . Dezember oft gesehenerGast in Richard HEYDERs Haus , würdigtenoch einmal mit sinnreichen Worten Leben

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    und Werk des Verstorbenen , an den G .CREUTZ auch im Namen der sächsischenOrnithologen letzte Dankesworte richtete .Das Lebenswerk Richard HEYDER ' swürdigen zu wollen hieße , Wasser in dieElbe zu tragen . Die sächsische Vogelkundewird so eindeutig von diesem überragendenGenius geprägt , daß das 20 . Jahrhundert -bezogen auf den eng umrissenenWissenschaftszweig - getrost als „ Richard -HEYDER - Ära " bezeichnet werden kann .Indem Richard HEYDER auch die ältestenverfügbaren Quellen , zurückreichend bis indas 16 . Jahrhundert , ausgewertet , gedeutetund damit uns sowie allen kommendenOrnithologengenerationen erschlossen hat ,kann nur Richard HEYDER als der Begründerder sächsischen Vogelkunde gelten . Wer sichje mit eben dieser Materie beschäftigen wird ,kann das Werk Richard HEYDERs nichtunberücksichtigt lassen . Sollte das jedocheines Tages versucht werden , so wird sichder Ignorant in den Augen der wissendenFachwelt tiefster Unwissenheit schuldigmachen . Bedenkt man weiterhin , daß RichardHEYDER mit unnachahmlicher Akribiegearbeitet hat , dann erkennt man , daß erdamit ein Fundament künftigerForschungsarbeit schuf , an dem es nichtsmehr zu werkeln gibt , das aber in jederHinsicht ausbaufähig ist und bleibt . RichardHEYDER selbst prägte ein solches Gleichnisvon der Wissenschaft als Bauwerk in einerDankesrede anläßlich einer „ Feierstunde derStädtischen Kollegien zu Oederan " am6 .7 . 1951 . Daß letztendlich Richard HEYDERauch sein eigenes Werk nur als Baustein sah ,hat er nicht nur öfters kundgetan , sonderngeht auch klar aus der Tatsache hervor , daßRichard HEYDER an weiterführendenProjekten stets interessiert gewesen ist undderartigen Vorhaben seine Hilfe undUnterstützung nie versagt hat . Damitbeeinflußte er nicht nur unser Wirken seitAbschluß seiner eigenen Studien , sondern

    Mitt . Ver . Sächs . Orn . 7 . 1991

    wies damit auch die Wege , die in derkünftigen Arbeit zu beschreiten sein werden ,damit wir Avifaunisten nicht eines schönenTages in der Stagnation resignieren müssen .Richard HEYDER kannte nicht nur dieMöglichkeiten und Grenzen seines Schaffensganz genau , sondern er vermochte auch wiekein anderer den Aussagewert und dieVerwendbarkeit ihm zugeflossenerMaterialien - ob publiziert oder nicht - zuprüfen und kritisch einzuschätzen . Er hatviele Zeugnisse dieser Fähigkeit hinterlassenund damit seinem Werk - vor allem aberseiner Landesfauna - den Nimbus absoluterZuverlässigkeit verliehen . Nur so ist es wohlauch zu erklären , weshalb so viele ihm fürdie „ Nachträge " zugesandte Fakten ( z .B .Gerfalke , Schlagschwirl ) keinen Eingang indie landesfaunistische Abschlußarbeitfanden . Neben anderen bewundernswertenWesenszügen , über die stundenlang debattiertwerden könnte , ohne das Thema jeerschöpfend zu behandeln , fällt RichardHEYDERs unnachahmlicher Sprachstil auf .Er selbst führte sein schon in der Kindheitund Schulzeit auffallendes Ausdrucks¬vermögen auf seinen Leseeifer zurück , dochdürfte das allein zur Erklärung kaum genügen .Tiefes Interesse an der deutschen Spracheselbst mag ihn bewogen haben , sich mit derSprache und ihrem Gebrauch eingehendbeschäftigt zu haben . Richard HEYDER warsich der sprachlichen Möglichkeiten inseltener Vollkommenheit bewußt undvermochte dadurch auch nüchternewissenschaftliche Fakten in wohlklingendenSätzen präzise und verständlich zu erläuternoder zu beschreiben . Und wer weiß schon ,daß Richard HEYDER auch in der Mundartseiner erzgebirgischen Wahlheimat Glossen ,Glückwünsche und Gedichte verfaßte ?Volksbräuche , Sprachwendungen und derenSinn fesselten ihn ebenso wie die Deutungalter Vogelnamen hinsichtlich ihrer Herkunftund ihres Gebrauches . Einige seiner letzten

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    SAEMANN : Zur Erinnerung an Richard Heyder

    Publikationen belegen das nachhaltig .Die in den bisher erschienenen WürdigungenRichard HEYDERs bibliographischverzeichneten ornithologischen Arbeiten ( esbefinden sich darunter auch einige wenigeandere Arbeiten ) reichen bis Nummer 202( 1974 ) . Ein von Richard HEYDER selbstverfaßtes Verzeichnis weist bis 1 978insgesamt 261 Publikationen aus , ließe sichjedoch um etwa zwei Dutzend Nummerneweitern . Einer von Richard HEYDER selbstvorgenommenen thematischen Einschätzungzufolge nehmen unter 250 Publikationen ( bis1972 ) die faunistisch - ökologisch aus¬gerichteten Arbeiten mit 94 den l .Rang ein .Zählt man Arbeiten über Fortpflanzung derVögel ( 29 ) , Wanderung ( 9 ) und Verhaltender Vögel ( 16 ) hinzu , ergeben sich 148Arbeiten rein ornithologischen Inhaltes . 39Arbeiten befassen sich mit historisch¬biographischen bzw . bibliographischenThemen , und ihre Zahl wäre noch wesentlichhöher , würden HEYDERs Zuarbeiten zuGEBHARDTS Nachschlagewerk als

    Einzelpublikationen zu Buche stehen . DerRest der Arbeiten kann unter „ Referate undVaria " eingeordnet werden . RichardHEYDER hinterließ uns ein Werk , daspubliziert und damit jedem Interessentenzugänglich ist . Wie schon seinem FreundeR . GERBER war es auch Richard HEYDERvergönnt , alle zu Lebzeiten begonnenenArbeiten auch selbst abschließen zu können .Solches Glück widerfährt durchaus nichtjedem Wissenschaftler ! Richard HEYDERsNachlaß enthält kostbare Schätze , jedochkeine angefangenen Manuskripte . Nachlaßund Bücherei sind nahezu komplett in einebewahrende Institution gelangt , so wie esRichard HEYDER selbst gewünscht hat .Damit sind alle Voraussetzungen gegeben ,Richard HEYDERs Werk in seinem Sinnefortzuführen und sein Vermächtnis zuerfüllen . Wir sind bescheiden genug zuwissen , daß wir niemals sein Niveau er¬reichen werden , auch wenn wir uns noch soviel Mühe geben , die Erwartungen , dieRichard HEYDER in uns gesetzt hat , zuerfüllen .Sein Andenken jedoch werden wir stets inEhren bewahren .

    Quellen

    Außer den im Text zitierten fanden Berücksichti¬gung :

    CREUTZ , G . ( 1964 ) : Dr .h .c . Richard Heyder , demSenior der sächsischen Ornithologen zum 80 .Geburtstag . - Falke 11 , 183 - 188 ( Bibliographie1905 - 1963 ) .

    DATHE , H . ( 1974 ) : Dr . Richard Heyder 90 Jahre . -Falke 21 , 400 -401 ( Bibliographie 1964 - 1974und Würdigungen ) .

    HEYDER , R . : (Lebenserinnerungen ) .- (Tonaufnahme eines öffentlichen Vortrages ,

    gehalten am 21 .5 . 1977 in Karl - Marx -Stadt ,heute Chemnitz ) .

    - ( Aus seinem Nachlaß ) .

    DIETER SAEMANN , Johannes - Dick - Straße31 , 9050 Chemnitz ,

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