Mittwoch, 14. April 2010 MZ Weisser Fleck bekommt Farbe … · 2011-03-28 · Trendsportarten in...

1
Mittwoch, 14. April 2010 MZ 22 KANTON SOLOTHURN INSERAT Weil der Zivilisationsdruck auf die Jagdreviere zunimmt, wol- len die Solothurner Jäger dem Kanton weniger Pachtzins ab- liefern. Regierungsrätin Esther Gassler nahm diese Forderung an der Generalversammlung von Revierjagd Solothurn ent- gegen und wird sie prüfen. Präsident Bruno Born nahm vor 350 Solothurner Jägerinnen und Jä- ger in Subingen die Kantonsregie- rung ins Visier. Im Hinblick auf die 2012 nach acht Jahren stattfinden- de Neuverpachtung der Jagdreviere habe Revierjagd Solothurn eine sechs Punkte umfassende Eingabe an den Regierungsrat gemacht, be- richtete Born. So soll wie im Jahr 2004 erneut eine Neubewertung der Jagdreviere vorgenommen wer- den. Auch die 50-prozentige Beteili- gung der Jagdgesellschaften an Schwarzwildschäden soll entfallen. Die Hauptforderung der Solothur- ner Jäger lautet jedoch: Die Gesamt- pachtsumme von jährlich rund 550 000 Franken muss um mindes- tens 20 Prozent gesenkt werden. Forderung wird zum Traktandum «Wir können eine lange Liste von Faktoren ins Feld führen, die den Wert unserer Reviere vermin- dert», argumentierte Born. Er er- wähnte Biker, Kletterer und weitere Trendsportarten in Wald und Flur, von den Jägern «Zivilisationsdruck» auf Wild und Natur genannt. Dieser habe in den letzten Jahren enorm zugenommen. Das Wild versteckt sich mehr, was die Jagd erschwert. Ein Solothurner Jäger bezahlt im Durchschnitt rund 800 Franken an den Kanton, damit er jagen darf. Im Gegenzug reguliert er im Auf- trag des Kantons die Wildbestände. Die an der Generalversammlung anwesende Volkswirtschaftsdirek- torin Esther Gassler nahm die For- derungen der Jäger entgegen. An- fang Juni wird sich die Gesamtre- gierung mit den Anliegen der Jäger vertieft auseinandersetzen. Gassler berichtete im Rahmen ihrer Grussadresse über weitere Entwicklungen, welche die Solo- thurner Jäger betreffen. «Der im Raum Kestenholz/Neuendorf von der Autobahn A1 durchschnittene überregionale Wildtierkorridor stellt über kurz oder lang eine Ge- fahr dar», erklärte die Regierungsrä- tin. Schon zweimal hätten aus östli- cher Richtung in den Jurabogen einwandernde Hirsche die Abzäu- nung der Autobahn übersprungen. Die Solothurner Regierung werde sich für eine möglichst rasche Er- stellung der dort geplanten Wild- brücke über die A1 einsetzen. «Das Projekt steht aber in alleiniger Kompetenz des Bundes; es ist kaum mit einem Baubeginn in den nächs- ten zehn Jahren zu rechnen.» Wildschweine halten sich zurück In Sachen Luchs ist gemäss Re- gierungsrätin Gassler eine Entspan- nung feststellbar. Sie dankte den Jä- gern für die Mitarbeit beim Luchs- monitoring, das 2007 begann. Da- durch sollen bald noch präzisere In- formationen über Anzahl, Verhal- ten und Wanderung des Luchses im Solothurner Jura vorliegen. Aus der Rede Gasslers war zu- dem zu entnehmen, dass die Schä- den an landwirtschaftlichen Kultu- ren durch Wildschweine zurückge- gangen sind. «Unerfreulich hinge- gen sind die Ausbreitung der Fuchs- räude und die sich aus Osten nä- hernde Staupe, die ebenfalls den Fuchs sowie ungeimpfte Hunde an- greift.» Krankheiten in freier Wild- bahn seien allerdings natürlich. Eine der wichtigen Aufgaben der Jagd ist das Erlegen von krankem Wild, so Regierungsrätin Gassler. Vom zurücktretenden Delegier- ten für jagdliches Standschiessen, Joseph Laffer, wurden die beson- ders guten Schützen ausgezeichnet. Laffers Nachfolger heisst Serge Alle- mann (Laupersdorf). Gassler über- reichte Martin Eggenschwiler den Preis des Regierungsrats für Jagd- aufseher für das beste Resultat im Standschiessen. (MGT/SFF) Revierjagd Solothurn Die zunehmende Störung des Wilds mindere den Wert der Jagdreviere Die Jäger wollen weniger Pacht zahlen JAGD Der Regierungsrat wird im Juni entscheiden, ob er auf die finanziellen Forderungen der Jäger eingehen will. SAT Seit Generationen gilt Schweizer Qualität als Inbe- griff für hochstehende Produkte. Insbesondere bei industriellen Fabrikaten ist in den letzten Jahrzehn- ten die Störungsanfälligkeit weiter gesunken, ob- wohl die Nutzungsmöglichkeiten massiv angestie- gen und die Verkaufspreise gefallen sind. Gutes wur- de noch besser. Aufgrund dieser Entwicklung gilt die Qualitätsförderung heute praktisch in allen Firmen und Institutionen als zentrale Aufgabe. Zumindest auf dem Papier. Teilweise taugen nämlich Kunden- dienste von Dienstleistern mit grossem Publikums- verkehr bestenfalls als schlechte Beispiele. Dazu ein kurzer Praxisbericht: Eine Schweizer Krankenversi- cherung, welche in den deutschen Markt expandie- ren will, wirbt im nördlichen Nachbarland mit dem Slogan: «Mit unserer Schweizer Historie sind uns Transparenz und Qualität ganz besonders wichtig». Abgesehen davon, dass der Begriff «Transparenz» in Bezug auf die Schweiz in Deutschland derzeit eher zynisch tönt, ist die Kasse in der Praxis nicht in der Lage, eine banale Adressmutation korrekt durchzu- führen. Die Abwicklung von Reklamationen spottet jeder Kritik. Auch von Transparenz kann keine Rede sein. Selbst der zuständige Agenturleiter musste ein- räumen, dass die Abrechnungsformulare dieser Ver- sicherung nur schwer verständlich seien. Einzig das Ausstellen von Rechnungen klappt tadellos. IM ÖFFENTLICHEN GESUNDHEITSWESEN wird den Mitarbeitenden der Unterschied von Basis-, Struktur- und Prozessqualität doziert. Manuals be- schreiben zahlreiche Qualitätsnormen. Ob sie ver- standen und angewendet werden, ist aber eine ande- re Frage. Vermutlich geht es bei zahlreichen Aktivitä- ten im Qualitätsbereich primär darum, die Füh- rungsebene vor Verantwortlichkeitsvorwürfen zu schützen und weniger um bessere Leistungen. Es ist mir übrigens völlig egal, ob ein Basis-, Struktur-, oder Prozessqualitätsmangel vorliegt, wenn meine Vene bei einer Blutentnahme nicht auf Anhieb getroffen wird. Die für mich zuständige Laborantin trifft glücklicherweise immer. Sie kann es halt einfach. AUCH IN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG hat das Modewort Qualität Einzug gehalten. Es ist höchst interessant, die verschiedenen Leitbilder der kantona- len Verwaltung mit der Praxis zu vergleichen. Die Einhaltungsquote der selbst verordneten Leitbildziele ist in etlichen Ämtern ziemlich armselig. Und nun der neuste Hit: Das Departement für Bildung und Kultur will in der Volksschule als neues Qualitätsele- ment Schulvereinbarungen zwischen Schulleitung, Eltern und den Schülerinnen und Schülern einfüh- ren. Weil ja eine Vereinbarung auf Gegenseitigkeit be- ruht bzw. beruhen sollte, müssen folglich im Kanton Solothurn rund 25 000 Verträge ausgehandelt und unterzeichnet werden. Ausser einem administrativen Riesenaufwand (einmal mehr vom Kanton befohlen und durch die Gemeinden zu bezahlen) wird dieses Vorhaben sehr wenig bis gar nichts bringen. Bedeu- tend wirkungsvoller wäre eine individuelle Überwa- chung und gegebenenfalls konsequente Sanktionie- rung der effektiven Problemfälle. Höchstwahrschein- lich geht es auch bei diesem Leerlauf mehr um die Absicherung der kantonalen Obrigkeit als um reale Optimierungen im Schulbetrieb. Papier statt konkre- te Taten ist einmal mehr das untaugliche Motto. Ulrich Bucher , Zuchwil, Geschäftsführer des Verbandes Solo- thurner Einwohnergemeinden (VSEG), SP-Kantonsrat und Dienstleister für den öffentlichen Sektor. ULRICH BUCHER Gastautor Modewort Qualität Die Jugendförderung im Kan- ton Solothurn wird für weitere vier Jahre an den Berner Ver- ein Infoklick.ch ausgelagert. Dieser baut das Angebot aus und gibt eine Empfehlung ab: Der Kanton soll die Gemein- den finanziell unterstützen, da- mit sie in der offenen Jugend- arbeit aktiver werden. STEFAN FRECH «Als wir angefangen haben, war der Kanton Solothurn bei der Jugend- förderung ein weisser Fleck», sagt Marcus Casutt. Er ist seit Januar 2006 Leiter der Fachstelle «Jugend- förderung Kanton Solothurn», die im Auftrag des Regierungsrats durch den Verein Infoklick.ch be- trieben wird. Heute präsentiert sich der Kanton bereits deutlich bunter: Die von der Fachstelle lancierten Projekte wie Mädchenwoche, Ju- gendpolittag, Infocard oder Jugend- projektwettbewerb sind zu Institu- tionen geworden, und immer mehr Gemeinden engagieren sich in der offenen Jugendarbeit (Treffs, Bera- tung usw.). «Mittlerweile hat rund ein Drittel der Gemeinden einen Ju- gendarbeiter angestellt», berichtet Casutt. Eine Umfrage hat gezeigt, dass nicht nur die ratsuchenden Ge- meinden, sondern auch die Jugend- lichen selber und die Eltern mit dem Angebot der Fachstelle sehr zu- frieden sind. Regierung verlängert den Vertrag Der Verein Infoklick.ch hat mit seiner Arbeit auch die Solothurner Regierung überzeugt: Ende März wurde die Leistungsvereinbarung um weitere vier Jahre verlängert. Damit verbunden sind auch einige Neuerungen. So wird die Mädchen- woche ab nächstem Jahr auch in Ol- ten durchgeführt. «Ohnehin sind wir bestrebt, unsere Projekte und Veranstaltungen geografisch noch besser zu verteilen», erklärt Casutt. Im Schwarzbubenland etwa wer- den die Aktivitäten in Zusammen- arbeit mit dem Wirtschaftsförde- rungsverein Forum Regio Plus ver- stärkt. Präsenter will die Fachstelle auch in der Region Olten sein und im Bucheggberg, wo noch keine of- fene Jugendarbeit existiert. Kanton Bern als positives Vorbild In diesem Bereich sieht Marcus Casutt denn auch am meisten Handlungsbedarf. Gemäss kantona- lem Sozialgesetz liegt die Jugend- förderung im Aufgabenbereich der Gemeinden. «Sie können, müssen aber nicht aktiv werden.» So hat nur eine Minderheit der Gemein- den Jugendarbeiter angestellt. «Oft scheitert ein Engagement an den Kosten.» Einige Gemeinden, etwa im Thal, haben sich zur Abhilfe zu- sammengeschlossen und beschäfti- gen gemeinsam einen Jugendarbei- ter. Casutt verweist auf den Kanton Bern, der seine Gemeinden über den Lastenausgleich entschädigt, wenn sie in die offene Jugendarbeit investieren. Etwas Ähnliches er- hofft sich Casutt für den Kanton So- lothurn. Geplant ist, dass der noch junge kantonale Verband für offene Arbeit mit Kindern und Jugendli- chen (VOAKJ) bei den Kantonsräten lobbyiert – mit dem Ziel, dass die Gemeinden vermehrt unterstützt werden. Erstmals wird dieses Jahr die kantonale Jugendförderung mit 175 000 Franken aus der ordentli- chen Staatsrechnung unterstützt. Der Rest (19 5000 Franken) wird über den Lotteriefonds finanziert. Mittel im Kampf gegen Gewalt Mehr Geld wäre gut investiertes Geld, ist Marcus Casutt überzeugt. «Unsere Arbeit trägt zur Integration der Jugendlichen in die Gesell- schaft bei.» Casutt nennt als Bei- spiel den Jugendmitwirkungstag, den bis jetzt neun Gemeinden durchgeführt haben. «Wenn sich Ju- gendliche ernst genommen fühlen und ihre Ideen verwirklichen kön- nen, hat das für alle eine positive Wirkung.» Solche Projekte können auch präventiv, etwa gegen Jugend- gewalt, wirken. Jugendförderung Immer mehr, aber längst nicht alle Gemeinden engagieren sich Weisser Fleck bekommt Farbe JUGENDPOLITTAG Jedes Jahr können Jugendliche den Kantonsrätinnen und Kantonsräten ihre Anliegen mitteilen. URS LINDT

Transcript of Mittwoch, 14. April 2010 MZ Weisser Fleck bekommt Farbe … · 2011-03-28 · Trendsportarten in...

Page 1: Mittwoch, 14. April 2010 MZ Weisser Fleck bekommt Farbe … · 2011-03-28 · Trendsportarten in Wald und Flur, von den Jägern «Zivilisationsdruck» auf Wild und Natur genannt.

Mittwoch, 14. April 2010 MZ 22KANTON SOLOTHURN

INSERAT

Weil der Zivilisationsdruck aufdie Jagdreviere zunimmt, wol-len die Solothurner Jäger demKanton weniger Pachtzins ab-liefern. Regierungsrätin EstherGassler nahm diese Forderungan der Generalversammlungvon Revierjagd Solothurn ent-gegen und wird sie prüfen.

Präsident Bruno Born nahm vor350 Solothurner Jägerinnen und Jä-ger in Subingen die Kantonsregie-rung ins Visier. Im Hinblick auf die2012 nach acht Jahren stattfinden-de Neuverpachtung der Jagdrevierehabe Revierjagd Solothurn einesechs Punkte umfassende Eingabean den Regierungsrat gemacht, be-richtete Born. So soll wie im Jahr2004 erneut eine Neubewertungder Jagdreviere vorgenommen wer-den. Auch die 50-prozentige Beteili-gung der Jagdgesellschaften anSchwarzwildschäden soll entfallen.Die Hauptforderung der Solothur-ner Jäger lautet jedoch: Die Gesamt-pachtsumme von jährlich rund550 000 Franken muss um mindes-tens 20 Prozent gesenkt werden.

Forderung wird zum Traktandum«Wir können eine lange Liste

von Faktoren ins Feld führen, dieden Wert unserer Reviere vermin-dert», argumentierte Born. Er er-wähnte Biker, Kletterer und weitereTrendsportarten in Wald und Flur,von den Jägern «Zivilisationsdruck»auf Wild und Natur genannt. Dieserhabe in den letzten Jahren enormzugenommen. Das Wild verstecktsich mehr, was die Jagd erschwert.

Ein Solothurner Jäger bezahltim Durchschnitt rund 800 Franken

an den Kanton, damit er jagen darf.Im Gegenzug reguliert er im Auf-trag des Kantons die Wildbestände.Die an der Generalversammlunganwesende Volkswirtschaftsdirek-torin Esther Gassler nahm die For-derungen der Jäger entgegen. An-fang Juni wird sich die Gesamtre-gierung mit den Anliegen der Jägervertieft auseinandersetzen.

Gassler berichtete im Rahmenihrer Grussadresse über weitereEntwicklungen, welche die Solo-thurner Jäger betreffen. «Der imRaum Kestenholz/Neuendorf vonder Autobahn A1 durchschnitteneüberregionale Wildtierkorridorstellt über kurz oder lang eine Ge-fahr dar», erklärte die Regierungsrä-tin. Schon zweimal hätten aus östli-cher Richtung in den Jurabogeneinwandernde Hirsche die Abzäu-

nung der Autobahn übersprungen.Die Solothurner Regierung werdesich für eine möglichst rasche Er-stellung der dort geplanten Wild-brücke über die A1 einsetzen. «DasProjekt steht aber in alleinigerKompetenz des Bundes; es ist kaummit einem Baubeginn in den nächs-ten zehn Jahren zu rechnen.»

Wildschweine halten sich zurückIn Sachen Luchs ist gemäss Re-

gierungsrätin Gassler eine Entspan-nung feststellbar. Sie dankte den Jä-gern für die Mitarbeit beim Luchs-monitoring, das 2007 begann. Da-durch sollen bald noch präzisere In-formationen über Anzahl, Verhal-ten und Wanderung des Luchses imSolothurner Jura vorliegen.

Aus der Rede Gasslers war zu-dem zu entnehmen, dass die Schä-

den an landwirtschaftlichen Kultu-ren durch Wildschweine zurückge-gangen sind. «Unerfreulich hinge-gen sind die Ausbreitung der Fuchs-räude und die sich aus Osten nä-hernde Staupe, die ebenfalls denFuchs sowie ungeimpfte Hunde an-greift.» Krankheiten in freier Wild-bahn seien allerdings natürlich.Eine der wichtigen Aufgaben derJagd ist das Erlegen von krankemWild, so Regierungsrätin Gassler.

Vom zurücktretenden Delegier-ten für jagdliches Standschiessen,Joseph Laffer, wurden die beson-ders guten Schützen ausgezeichnet.Laffers Nachfolger heisst Serge Alle-mann (Laupersdorf). Gassler über-reichte Martin Eggenschwiler denPreis des Regierungsrats für Jagd-aufseher für das beste Resultat imStandschiessen. (MGT/SFF)

Revierjagd Solothurn Die zunehmende Störung des Wilds mindere den Wert der Jagdreviere

Die Jäger wollen weniger Pacht zahlen

JAGD Der Regierungsrat wird im Juni entscheiden, ob er auf die finanziellen Forderungen der Jäger eingehen will. SAT

Seit Generationen gilt Schweizer Qualität als Inbe-griff für hochstehende Produkte. Insbesondere beiindustriellen Fabrikaten ist in den letzten Jahrzehn-ten die Störungsanfälligkeit weiter gesunken, ob-wohl die Nutzungsmöglichkeiten massiv angestie-gen und die Verkaufspreise gefallen sind. Gutes wur-de noch besser. Aufgrund dieser Entwicklung gilt dieQualitätsförderung heute praktisch in allen Firmenund Institutionen als zentrale Aufgabe. Zumindestauf dem Papier. Teilweise taugen nämlich Kunden-dienste von Dienstleistern mit grossem Publikums-verkehr bestenfalls als schlechte Beispiele. Dazu einkurzer Praxisbericht: Eine Schweizer Krankenversi-cherung, welche in den deutschen Markt expandie-ren will, wirbt im nördlichen Nachbarland mit demSlogan: «Mit unserer Schweizer Historie sind unsTransparenz und Qualität ganz besonders wichtig».Abgesehen davon, dass der Begriff «Transparenz» inBezug auf die Schweiz in Deutschland derzeit eherzynisch tönt, ist die Kasse in der Praxis nicht in derLage, eine banale Adressmutation korrekt durchzu-führen. Die Abwicklung von Reklamationen spottetjeder Kritik. Auch von Transparenz kann keine Redesein. Selbst der zuständige Agenturleiter musste ein-räumen, dass die Abrechnungsformulare dieser Ver-sicherung nur schwer verständlich seien. Einzig dasAusstellen von Rechnungen klappt tadellos.

IM ÖFFENTLICHEN GESUNDHEITSWESEN wirdden Mitarbeitenden der Unterschied von Basis-,Struktur- und Prozessqualität doziert. Manuals be-schreiben zahlreiche Qualitätsnormen. Ob sie ver-standen und angewendet werden, ist aber eine ande-re Frage. Vermutlich geht es bei zahlreichen Aktivitä-ten im Qualitätsbereich primär darum, die Füh-rungsebene vor Verantwortlichkeitsvorwürfen zuschützen und weniger um bessere Leistungen. Es istmir übrigens völlig egal, ob ein Basis-, Struktur-, oderProzessqualitätsmangel vorliegt, wenn meine Venebei einer Blutentnahme nicht auf Anhieb getroffenwird. Die für mich zuständige Laborantin trifftglücklicherweise immer. Sie kann es halt einfach.

AUCH IN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG hatdas Modewort Qualität Einzug gehalten. Es ist höchstinteressant, die verschiedenen Leitbilder der kantona-len Verwaltung mit der Praxis zu vergleichen. DieEinhaltungsquote der selbst verordneten Leitbildzieleist in etlichen Ämtern ziemlich armselig. Und nunder neuste Hit: Das Departement für Bildung undKultur will in der Volksschule als neues Qualitätsele-ment Schulvereinbarungen zwischen Schulleitung,Eltern und den Schülerinnen und Schülern einfüh-ren. Weil ja eine Vereinbarung auf Gegenseitigkeit be-ruht bzw. beruhen sollte, müssen folglich im KantonSolothurn rund 25 000 Verträge ausgehandelt undunterzeichnet werden. Ausser einem administrativenRiesenaufwand (einmal mehr vom Kanton befohlenund durch die Gemeinden zu bezahlen) wird diesesVorhaben sehr wenig bis gar nichts bringen. Bedeu-tend wirkungsvoller wäre eine individuelle Überwa-chung und gegebenenfalls konsequente Sanktionie-rung der effektiven Problemfälle. Höchstwahrschein-lich geht es auch bei diesem Leerlauf mehr um dieAbsicherung der kantonalen Obrigkeit als um realeOptimierungen im Schulbetrieb. Papier statt konkre-te Taten ist einmal mehr das untaugliche Motto.Ulrich Bucher , Zuchwil, Geschäftsführer des Verbandes Solo-

thurner Einwohnergemeinden (VSEG), SP-Kantonsrat und

Dienstleister für den öffentlichen Sektor.

ULRICH BUCHER

Gastautor

Modewort QualitätDie Jugendförderung im Kan-ton Solothurn wird für weiterevier Jahre an den Berner Ver-ein Infoklick.ch ausgelagert.Dieser baut das Angebot ausund gibt eine Empfehlung ab:Der Kanton soll die Gemein-den finanziell unterstützen, da-mit sie in der offenen Jugend-arbeit aktiver werden.

STEFAN FRECH

«Als wir angefangen haben, war derKanton Solothurn bei der Jugend-förderung ein weisser Fleck», sagtMarcus Casutt. Er ist seit Januar2006 Leiter der Fachstelle «Jugend-förderung Kanton Solothurn», dieim Auftrag des Regierungsratsdurch den Verein Infoklick.ch be-trieben wird. Heute präsentiert sichder Kanton bereits deutlich bunter:Die von der Fachstelle lanciertenProjekte wie Mädchenwoche, Ju-gendpolittag, Infocard oder Jugend-projektwettbewerb sind zu Institu-tionen geworden, und immer mehrGemeinden engagieren sich in deroffenen Jugendarbeit (Treffs, Bera-tung usw.). «Mittlerweile hat rundein Drittel der Gemeinden einen Ju-gendarbeiter angestellt», berichtetCasutt. Eine Umfrage hat gezeigt,dass nicht nur die ratsuchenden Ge-meinden, sondern auch die Jugend-lichen selber und die Eltern mitdem Angebot der Fachstelle sehr zu-frieden sind.

Regierung verlängert den VertragDer Verein Infoklick.ch hat mit

seiner Arbeit auch die SolothurnerRegierung überzeugt: Ende Märzwurde die Leistungsvereinbarungum weitere vier Jahre verlängert.Damit verbunden sind auch einigeNeuerungen. So wird die Mädchen-woche ab nächstem Jahr auch in Ol-ten durchgeführt. «Ohnehin sindwir bestrebt, unsere Projekte undVeranstaltungen geografisch noch

besser zu verteilen», erklärt Casutt.Im Schwarzbubenland etwa wer-den die Aktivitäten in Zusammen-arbeit mit dem Wirtschaftsförde-rungsverein Forum Regio Plus ver-stärkt. Präsenter will die Fachstelleauch in der Region Olten sein undim Bucheggberg, wo noch keine of-fene Jugendarbeit existiert.

Kanton Bern als positives VorbildIn diesem Bereich sieht Marcus

Casutt denn auch am meistenHandlungsbedarf. Gemäss kantona-lem Sozialgesetz liegt die Jugend-förderung im Aufgabenbereich derGemeinden. «Sie können, müssenaber nicht aktiv werden.» So hatnur eine Minderheit der Gemein-den Jugendarbeiter angestellt. «Oftscheitert ein Engagement an denKosten.» Einige Gemeinden, etwaim Thal, haben sich zur Abhilfe zu-sammengeschlossen und beschäfti-gen gemeinsam einen Jugendarbei-ter. Casutt verweist auf den KantonBern, der seine Gemeinden überden Lastenausgleich entschädigt,wenn sie in die offene Jugendarbeitinvestieren. Etwas Ähnliches er-hofft sich Casutt für den Kanton So-lothurn. Geplant ist, dass der nochjunge kantonale Verband für offeneArbeit mit Kindern und Jugendli-chen (VOAKJ) bei den Kantonsrätenlobbyiert – mit dem Ziel, dass dieGemeinden vermehrt unterstütztwerden. Erstmals wird dieses Jahrdie kantonale Jugendförderung mit175 000 Franken aus der ordentli-chen Staatsrechnung unterstützt.Der Rest (19 5000 Franken) wirdüber den Lotteriefonds finanziert.

Mittel im Kampf gegen GewaltMehr Geld wäre gut investiertes

Geld, ist Marcus Casutt überzeugt.«Unsere Arbeit trägt zur Integrationder Jugendlichen in die Gesell-schaft bei.» Casutt nennt als Bei-spiel den Jugendmitwirkungstag,

den bis jetzt neun Gemeindendurchgeführt haben. «Wenn sich Ju-gendliche ernst genommen fühlenund ihre Ideen verwirklichen kön-

nen, hat das für alle eine positiveWirkung.» Solche Projekte könnenauch präventiv, etwa gegen Jugend-gewalt, wirken.

Jugendförderung Immer mehr, aber längst nicht alle Gemeinden engagieren sich

Weisser Fleck bekommt Farbe

JUGENDPOLITTAG Jedes Jahr können Jugendliche den Kantonsrätinnen undKantonsräten ihre Anliegen mitteilen. URS LINDT