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1 / 75 Morphologie und Syntax (BA) Morphologie und Syntax (BA) Fragesätze: Typologie, W-Bewegung, Bewegungs-Restriktionen PD Dr. Ralf Vogel Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft Universität Bielefeld [email protected]

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Morphologie und Syntax (BA)

Morphologie und Syntax (BA)Fragesätze: Typologie, W-Bewegung,

Bewegungs-Restriktionen

PD Dr. Ralf Vogel

Fakultät für Linguistik und LiteraturwissenschaftUniversität Bielefeld

[email protected]

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Morphologie und Syntax (BA)

Gliederung

1 Übungsaufgabe 7

2 Die Syntax von FragesätzenW-BewegungDie Typologie von Fragesätzen

3 Beschränkungen für W-BewegungExtraktionsbeschränkungenW-Bewegung

4 C-Kommando, Rektion, ECPC-KommandoM-KommandoRektionDas ‘Empty Category Principle’Zusammenfassung

5 Übungsaufgabe 8

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Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

• Für das Deutsche wird oft ein alternatives Modell dersyntaktischen Beschreibung verwendet, das Modell dertopologischen Felder.

• Hier wird der Satz aufgeteilt in . . .

das Vorfeld Hier steht im Hauptsatz genau eine Konstituente.die linke Satzklammer Hier steht im Hauptsatz das finite Verb

(Verb-Zweit) und im Nebensatz die Konjunktion.das Mittelfeld Hier stehen die nominalen Satzglieder, Adverbien

und manche satzwertige Konstituenten.die rechte Satzklammer Hier stehen Partizipien, infinite Verben

und Verb-Komplexe.das Nachfeld Hier stehen Nebensätze und andere

Konstituenten, die nach den infiniten Verbenstehen können.

(1) Der PeterVorfeld

hatl. Satzkl.

gestern ein BuchMittelf.

gelesen.r. Satzkl.

• Vergleichen Sie das topologische Modell mit demCP-IP-VP-Schema und prüfen Sie insbesondere, wie gut es mitder Variation in den germanischen Sprachen und innerhalb desDeutschen umgehen kann!

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Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

• Nebensätze werden so analysiert, dass der Komplementierer inder linken Satzklammer steht:

(2) Ich glaube dassl. Satzkl.

Hans Maria oftMittelfeld

besucht hatr. Satzkl.

• Das Englische lässt sich nur mit Schwierigkeiten durch dastopologische Modell beschreiben:

(3) a. JohnVorfeld

hasl. Satzkl.

oftenMittelf.

visitedr. Satzkl.

MaryNachfeld

b. I think thatl. Satzkl.

JohnMittelf.

has???

often???

visitedr.Satzkl.

MaryNachfeld

• Das Gerüst des topologischen Modells sind die beidenSatzklammern, in denen die Verbformen und im Nebensatz derKomplementierer stehen.

• Für Nebensätze im Englischen benötigten wir nun offensichtlichdrei Satzklammer-Positionen – im CP-IP-VP-Modell sind diesdie drei Kopf-Positionen.

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Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

• Das topologische Modell funktioniert für das Deutsche, weil hiervon den drei Kopf-Positionen V0, I0 und C0 immer nur maximalzwei besetzt sind – nach unserer jüngsten Analyse C0 und (beieinem Hilfsverb in I0/C0) V0.

• Eine Variante des Felder-Modells ist für das Dänische und dieanderen skandinavischen Sprachen gebräuchlich.

(4) atdassl. Satzkl.

Peter oftePeter oftMittelf.

har druckethat getrunkenr. Satzkl.

kaffeKaffeeNachfeld

• Die linke Satzklammer fasst die Verb-Zweit-Position imHauptsatz und die Komplementierer-Position im Nebensatzzusammen.

• Die rechte Satzklammer beinhaltet den verbalen Komplex.

• Schwierigkeiten bekommt dieses Modell immer dann, wennrechte Satzklammer und Mittelfeld einander zu durchdringenscheinen.

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Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

(5) Englisch:

I think thatl. Satzkl.

JohnMittelf.

has???

often???

visitedr.Satzkl.

MaryNachfeld

(6) Schweizer-Deutsch:

dasl. Satzkl.

erMittelf.

het???

wele???

en arie???

singer. Satzkl.

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Übungsaufgabe 7

Übungsaufgabe 7

• Aber auch für das Standard-Deutsche fördert eineGoogle-Suche im WWW problematische Beispiele zutage:

(7) a. „es geht einzig und allein darum,dass er hätte Champ bleiben sollen!“(http://www.chattalk.de/f101/beitrag-14203.html)

b. „Hätte Rudi die Geschwindigkeit der Situation angepasstund soweit herabgesetzt, dass er hätte problemlosbremsen können, . . . “(http://www.plitt.net/master.php?wahl=./skripte/skriptzeigen.php&sk_id=34)

c. „Brian weiß jedoch, dass er hätte die Finger von Kipplassen sollen“(www.qafgermany.de/episode114.html)

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Die Syntax von Fragesätzen

Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen

• Fragesätze sind einer der Fälle, bei denen sich das generativeKonzept der syntaktischen Bewegung besonders gut bewährthat.

• Wir unterscheiden Entscheidungsfragen und Ergänzungsfragen:

(8) Karl holt Milch.

a. Holt Karl Milch? (Entscheidungsfrage)

b. Wer holt Milch? (Ergänzungsfrage)

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Die Syntax von Fragesätzen

Übungsaufgabe 7

• Entscheidungsfragen kann man nur mit „ja“ oder „nein“beantworten. Sie haben die syntaktische Besonderheit, dass siemit dem finiten Verb beginnen.

• Bei Ergänzungsfragen (oder W-Fragen, engl. wh-questions)werden eine oder mehrere Konstituenten (Ergänzungen) durchein Fragepronomen (Interrogativ-Pronomen, W-Pronomen,W-Phrase, engl. wh-phrase) ersetzt. Sie beginnen im Deutschenmit einer W-Phrase.

• Wir beschäftigen uns zunächst mit Ergänzungsfragen.

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Die Syntax von Fragesätzen

Ergänzungsfragen(9)

CPhhhhhhh

VVVVVVV

NPi C′

hhhhhhhVVVVVVV

Wer C0k IP

hhhhhhhVVVVVVV

holt ONMLHIJKti

UU

I′

hhhhhhhVVVVVVV

VPhhhhhhh

VVVVVVV I0k

uu

IN

RW[`dhl

..̂i§À(

NOMww

@G

NTZ`ejo

NP V0k

Milch

• Nach unserer bisherigenAnalyse ist ein deutscherHauptsatz eine CP, wobei

• das Subjekt imSpezifikator von IPKasus bekommt unddann in denSpezifikator der CPbewegt wird und

• das Verb von V0 überI0 nach C0 bewegtwird.

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Die Syntax von Fragesätzen

Ergänzungsfragen

• Eine Objektfrage hat eine entsprechende syntaktische Analyse.

• Hier bekommt das Objekt Kasus von V0 und wird dann in denCP-Spezifikator bewegt.

(10) Was holt Peter?

CPhhhhhhh

VVVVVVV

NPi C′

hhhhhhhVVVVVVV

Was C0k IP

hhhhhhhVVVVVVV

holt NP I′

hhhhhhhVVVVVVV

Peter VPhhhhhhh

VVVVVVV I0k

uu

..

ONMLHIJKti

LL

oo AKK ____ V0k

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Bewegung

• Nicht nur mit Fragepronomen wie „wer, was . . . “ werdenErgänzungsfragen gebildet, sondern auch mit komplexenNominalphrasen wie bspw. „welches Auto“:

(11) Welches Auto fährt Sonja?

• Der Begriff „W-Phrase“ fasst Frage-Pronomen und komplexeinterrogative Nominalphrasen wie in (11) zusammen.

• Die Bewegung einer W-Phrase in die satz-initiale Position wirdals W-Bewegung (engl. wh-movement) bezeichnet.

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Bewegung

• W-Bewegung finden wir auch in interrogativen Nebensätzen:

(12) Ich möchte gerne wissen, [CP wasi Peter [VP ti gekauft] hat ]

• Der einzige Unterschied zum Hauptsatz ist die Stellung desfiniten Verbs, das wie bei anderen Nebensätzen am Satzendesteht, die W-Bewegung ist aber die gleiche wie im Hauptsatz.

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Nebensätze

• Interrogative Nebensätze (13-a) und Relativsätze (13-b) sindsyntaktisch äquivalent:

(13) a. Ich möchte gerne wissen, [CP wasi Peter [VP ti gekauft]hat ]

b. Das ist das Auto, [CP dasi Peter [VP ti gekauft] hat ]

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Bewegung

• Interrogative Nebensätze werden von Verben wie ‘wissen, sichfragen, herausfinden . . . ’ selegiert.

• Sie werden deshalb als Schwesterknoten des selegierendenVerbs repräsentiert.

(14) VPhhhhhhh

VVVVVVV

V0 CPhhhhhhh

VVVVVVV

wissen was Petergekauft hat

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Nebensätze

• Relativsätze sind attributive Nebensätze, die ähnlich wieAdjektive ein Nomen ergänzen.

• Sie sind an ihre Nominalphrase adjungiert:

(15) NPhhhhhhh

VVVVVVV

NP CPhhhhhhh

VVVVVVV

das Auto das Petergekauft hat

• Da Relativsätze wie interrogative Nebensätze gebildet werden,wird auch die Bewegung des Relativpronomens an dieSatzspitze als W-Bewegung aufgefasst.

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Die Syntax von Fragesätzen

W-Bewegung

W-Nebensätze

• Ein Unterschied zwischen Relativsätzen undFrage-Nebensätzen besteht darin, dass in einer Frage mehr alsnur ein W-Pronomen möglich ist, nicht aber in einem Relativsatz:

(16) a. Ich möchte wissen, [CP wer gestern was gekauft hat]

b. *Das sind der Lehrer und das Auto,[CP der gestern das gekauft hat]

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen

• Im Deutschen und Englischen ist W-Bewegung obligatorisch:

(17) Englisch:

a. What did John buy?

b. *John bought what?

(18) Deutsch:

a. Was kaufte Hans?

b. *Hans kaufte was?

• Die Sätze in (17-b) und (18-b) sind als Echo-Fragen unterspeziellen kontextuellen Bedingungen legitim, aber nicht alseinfache Ergänzungsfragen.

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Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen — Chinesisch

• Im Chinesischen findet bei Ergänzungsfragen keineW-Bewegung statt.

(19) Chinesisch:

a. hufeiHufei

mai-lekauf-PERF

yi-ben-shuein-CL-Buch

“Hufei kaufte ein Buch”

b. sheiWer

mai-lekauf-PERF

yi-ben-shuein-CL-Buch

“Wer kaufte ein Buch?”

c. hufeiHufei

mai-lekauf-PERF

shemewas

“Was kaufte Hufei?”(PERF=perfektiver Aspekt, abgeschlossene Handlung;CL=Classifier)

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Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen — Chinesisch

• Chinesisch ist eine SVO-Sprache.

• Japanisch und Hindi sind SOV-Sprachen ohne W-Bewegung.

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Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen — Japanisch und Hindi

(20) Japanisch:

a. John-gaJ.-NOM

nani-owas-AKK

kattakaufte

no?Frage-Partikel

b. John-gaJ.-NOM

nani-owas-AKK

nazewarum

kattakaufte

no?Frage-Partikel

(21) Hindi/Urdu:

a. Naadyaa-neNadya-ERG

kyaawas-NOM

paRhaagelesen-PERF

haihat

?

b. kis-newer-ERG

kyaawas-NOM

paRhaagelesen

haihat

??

(ERG=Ergativ-Kasus; PERF=perfektiver Aspekt)

• Im Chinesischen, Japanischen und Hindi (und vielen anderenSprachen) steht das Fragewort an derselben Position, an der einNicht-Fragewort stehen würde.In der generativen Syntaxtheorie nennt man Sprachen dieses

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Die Syntax von Fragesätzen

Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Türkisch

• Eine dritte Strategie der Platzierung von Fragewörternbeobachten wir im Türkischen (und einigen anderen Sprachenwie bspw. Kaschmiri)

• Hier steht das Fragewort normalerweise in der Position im Satz,die das Wort einnimt, das den Hauptakzent trägt.

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Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Türkisch

• Türkisch ist eine SOV-Sprache.

• Bei einer Subjektfrage rückt aber das Subjekt unmittelbar vordas Verb, da hier der Akzentträger (Fokusexponent) des Satzessteht:

(22) Türkisch:

a. budieses

kitab-ıBuch-AKK

kimwer

oku-du?lesen-VERG.

„Wer hat dieses Buch gelesen?“

b. kimwer

budieses

kitab-ıBuch-AKK

oku-du?lesen-VERG.

„Und wer hat jetzt DIESES Buch gelesen?“(VERG.=Vergangenheit)

• Der Unterschied zwischen den beiden Beispielen besteht in derkontextuellen Einbindung der beiden Fragen.

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Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Irisch und Tagalog

• Im Irischen und im Tagalog finden wir einen Konstruktionstyp fürFragesätze, den wir so ähnlich auch im Deutschen undEnglischen von sogenannten Spalt-Sätzen (engl. „cleftsentences“) kennen:

(23) a. Was war es, das Maria Pedro gab? (= „Was gab MariaPedro?“)

b. What was it that Maria gave Pedro? (=“What did M. giveP.?“)

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Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Irisch und Tagalog

(24) Tagalog:

AnoWas

[ angANG

[ ignigaygegeben

ni Mariavon M.

kay Pedro]]an P.

??

„Was war es, das von Maria an Pedro gegeben wurde?“ oder„Was gab die Maria dem Pedro?“

• Die Funktion des ANG-Morphems ist in der Literatur umstritten.

• Es scheint hier am ehesten die Funktion zu haben, die in derdeutschen Variante (23-a) von der Konstruktion „. . . war es, das. . . “ übernommen wird.

• In irischen Informationsfragen finden wir etwas sehr ähnliches.

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Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Irisch und Tagalog

(25) CéWer

aL

COMP

dhíolverkaufte

andie

domhanWelt

“Wer war es, der die Welt verkaufte“ oder „Wer verkaufte dieWelt?“ (Irisch)

• Wir beobachten (ähnlich auch im Tagalog) eine Parallelitätzwischen Fragesatz-Bildung und Relativsatz-Konstruktionen:

(26) an fearder Mann

aL

COMP

dhíolverkaufte

andie

domhanWelt

“Der Mann, der die Welt verkaufte“

• Die Struktur von (26) und (25) scheint abgesehen von der erstenKonstituente gleich zu sein.

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Die Typologie von Fragesätzen

Typologie von Fragesätzen – Irisch und Tagalog

• Wir finden hier also eine Strategie, bei der das Fragewortaußerhalb seines als Relativsatz realisierten Satzes steht, eineKonstruktionsweise wie bei Spalt-Sätzen:1. Peter verkaufte die Welt →2. Wer verkaufte die Welt →3. Wer der die Welt verkaufte

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Die Typologie von Fragesätzen

Spalt-Sätze

• In Spalt-Sätzen wird durch zwei Sätze ausgedrückt, was sonst ineinem Satz ausgedrückt wird.

• Spalt-Sätze haben im Deutschen die folgende Form:

Spalt-Satz Es(1) seinfinit (2) X(3) Relativsatz(4)

• Ein Beispiel:

(27) Es1

war2

Federer,3

der4

die Paris Open gewann.

• Die grammatischen Funktionen der vier Elemente dieserKonstruktion sind wie folgt:

Es Bezugsnomen des Relativsatzesseinfinit Haupt-Verb, hier als sogenanntes Kopula-Verb

X Das Subjekt der KonstruktionRelativsatz Das Prädikat der Konstruktion

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Spalt-Sätze

• Als Kopula-Verb selegiert ‘sein’ ein Subjekt und ein Prädikat:

(28) Roger ist gesund/Tennisspieler/auf dem Centre Court

• Der Fragesatz hat folgende Form:

(29) WerFragewort

warseinfinit

es,es

der die French Open gewann?Relativsatz

• Das Pronomen ‘es’ kann nur stehen, wenn der Relativsatz keinBezugsnomen hat:

(30) a. *Wer war es der Spieler, der die French Open gewann?

b. Wer war der Spieler, der die French Open gewann?

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Spalt-Sätze

• Deshalb nehmen wir an, dass ‘es’ in Fällen wie (29) genau dieseFunktion erfüllt.

• Die Fragesätze im Irischen und im Tagalog unterscheiden sichvon den deutschen dadurch, dass hier eine ‘es’ entsprechendeForm genauso fehlt wie das Kopula-Verb.

• Sie werden deshalb auch als reduzierte Spaltsätze („reducedclefts“) bezeichnet.

• Wesentlich ist für uns aber, dass im Irischen und im TagalogFragesätze quasi auf einem Umweg über die Relativsatzbildungkonstruiert werden.

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Die Typologie von Fragesätzen

Mehrfachfragen

• Eine Konsequenz aus der besonderen Konstruktionsweise vonFragesätzen im Irischen, Tagalog (und einigen anderenSprachen) ist, dass in diesen Sprachen immer nur eineSatzergänzung erfragt werden kann.

(31) a. Wer verkaufte was?

b. *Wer und was war es, der das verkaufte?

(32) a. Wer, der die Welt verkaufte?

b. Was, das der Mann verkaufte?

c. *Wer und was, der und das verkaufte?

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Die Typologie von Fragesätzen

Mehrfachfragen

• Dies geht einher mit der Beschränkung, dass auch Relativsätzenur ein Relativpronomen haben können:

(33) a. *Dies sind der Mann und die Frau, der die zum Esseneingeladen hat.

b. Dies sind der Mann und die Frau, bei denen es so ist,dass er sie zum Essen eingeladen hat.

• Diese Beschränkung für Mehrfachfragen gibt es in den anderenbesprochenen Typen nicht.

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Die Typologie von Fragesätzen

Mehrfachfragen

• Wir beobachten drei Varianten der Bildung von Mehrfachfragen:

1 alle Fragewörter stehen in situ (Japanisch u.a.):

(34) John-gaJ.-NOM

nani-owas-AKK

nazewarum

kattakaufte

no?Frage-Partikel

2 Ein Fragewort wird vorangestellt, die anderen stehen in situ(Deutsch, Englisch u.a.):

(35) a. Wer hat gestern wem was gegeben?

b. Who gave what to whom yesterday?

3 Alle Fragewörter werden vorangestellt (vor allem dieslawischen Sprachen):

(36) Bulgarisch (SVO-Sprache):kakvowas

na kogowem

eist

dalgegeben

IvanIvan

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Die Typologie von Fragesätzen

Fragesatztypologie – Zusammenfassung

• Wir finden bei der Fragesatzbildung vier Strategien:

1 ein Fragewort wird im Satz vorangestellt,2 ein Fragewort steht dort, wo ein Nicht-Fragewort steht (in

situ),3 ein Fragewort steht dort, wo der Akzentträger des Satzes

steht,4 ein Fragewort steht in einer Spalt-Konstruktion → keine

Mehrfachfragen möglich.

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Die Typologie von Fragesätzen

Fragesatztypologie – Zusammenfassung

• Die Bildung von Mehrfachfragen verläuft wiederum auf dreiverschiedene Weisen:

1 In-situ-Sprachen haben auch hier eine in-situ-Strategie,2 Sprachen mit Akzentplatzierung stellen maximal ein

Fragewort in Akzentposition, die anderen stehen in situ,3 Voranstellungssprachen stellen entweder nur ein Fragewort

voran (die anderen in situ),4 oder sie stellen alle Fragewörter voran.5 Sprachen mit Spaltsatz-Strategie können keine

Mehrfachfragen bilden.

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Beschränkungen für W-Bewegung

Extraktionsbeschränkungen

Insel-Phänomene

• Zentrales Thema der Transformationsgrammatik sind dieRestriktionen, denen syntaktische Bewegung, also die OperationMove α in der GB-Theorie, unterliegt.

• Wir wollen uns die Restriktionen für W-Bewegung genauerbetrachten.

• Seit der Dissertation von John R. Ross (1967), „Constraints onVariables in Syntax“, sind die folgenden Phänomene alsInsel-Phänomene bekannt.

• Dabei geht es darum, dass eine Fragesatz- oderRelativsatz-Bildung nicht aus einer bestimmten syntaktischenDomäne heraus erfolgen kann.

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

Extraktionsbeschränkungen

Typen von Extraktions-Inseln

(37) a. (i) *Was hat Peter [ein Fahrrad und t ] gekauft?(ii) *Dies ist das Auto, das Peter

[ein Fahrrad und t ] gekauft hat.(Koordinations-Insel)

b. (i) *Was kannst du [ die Behauptung, dass Peter tgekauft hat ], nicht nachvollziehen?

(ii) *Wen kennst du eine Frau, [ die t liebt ]?(Komplexe-NP-Insel)

c. (i) *Wen fragst du dich, [ wer t liebt ]?(ii) *Ist das der Typ, den du dich fragst, [ wer t liebt ]?(W-Insel)

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

Extraktionsbeschränkungen

Die Subjazenz-Bedingung

• Die syntaktischen Konfigurationen dieser ausgeschlossenenExtraktionen haben etwas gemeinsam:

(38) a. Koordination:W-Wort [IP . . . [NP [NP . . . ] und t ] . . . ]

b. Komplexe NP:W-Wort [IP . . . [NP . . . [CP [IP . . . t . . . ]] ] ]

c. W-Insel:W-Wort . . . [IP . . . [CP W-Wort [IP . . . t ] ] ]

• Zwischen dem bewegten Element und seiner Spur liegen jeweilsmindestens zwei NP- oder IP-Knoten.

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

Extraktionsbeschränkungen

Die Subjazenz-Bedingung

• Chomsky hat in einem Aufsatz von 1973 diese Beobachtung zufolgender Wohlgeformtheitsbeschränkung für Bewegungskettenzusammengefasst:

Subjazenz-Prinzip In einer Konfiguration. . . X . . . [α . . . [β . . . Y . . . ] ]darf kein Bewegungsprozess die Positionen X und Yinvolvieren, wenn α, β ∈ {NP,IP} ]]

• NP und IP werden auch als Grenzknoten bezeichnet.

• Welche Knoten als Grenzknoten gelten, kann zwischenSprachen variieren. Für Italienisch wurde bspw. postuliert, dassnicht IP, sondern CP ein Grenzknoten ist.

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

W-Bewegung

Zyklizität

• So wie die Subjazenz-Bedingung formuliert ist, scheint sie auchfolgenden Satz fälschlicherweise auszuschließen:

(39) Wen [IP glaubst du, [CP dass [IP Maria t liebt ]]]?

• Der Lösungsvorschlag besteht in einer modifiziertenBewegungskette.

• Das W-Wort macht einen Zwischenschritt:

(40) Wen [IP glaubst du, [CP

¤

£

¡

¢t dass [IP Maria t liebt ]]]?

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

W-Bewegung

Zyklizität bei W-Bewegung

(41) Wen [IP glaubst du, [CP

¤

£

¡

¢t dass [IP Maria t liebt ]]]?

• Die Extraktion einer W-Phrase aus einem eingebetteten Satzerfolgt zyklisch,

• und zwar so, dass sie jeweils immer nur einen Grenzknoten proBewegungsschritt überspringt.

• Bei Extraktions-, Koordinations- und W-Inseln steht dieLandeposition für einen solchen Zwischenschritt nicht zurVerfügung.

• Manchmal kann man die Spuren auch sichtbar machen:

(42) [CP Wen meinst du [CP wen Peter glaubt [CP wen Mariabehauptete [CP t dass wir besucht t haben ]]]] ?

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Morphologie und Syntax (BA)

Beschränkungen für W-Bewegung

W-Bewegung

Subjazenz

• Ein bewegtes Element und seine Spur bilden eineBewegungskette.

• Subjazenz ist eine Wohlgeformtheitsbedingung für solcheKetten:

Subjazenz In einer Kette α1 . . . αn muss αi+1 zu αi subjazent sein.α ist subjazent zu β genau dann, wenn (gdw.) eshöchstens einen Grenzknoten γ gibt, der α, aber nichtβ dominiert.

• Weitere Wohlgeformtheitsbedingungen für Ketten folgen.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

C-Kommando

C-Kommando

• Eine strukturelle Relation, die in der generativen Syntax einezentrale Rolle spielt, ist das c-Kommando (constituentcommand).

• In einer Baum-Struktur kann man c-Kommando als die Relationzwischen einem Knoten und seiner „Nichte“ bzw. „Tante“bezeichnen.

C-Kommando α c-kommandiert β gdw.

(a) α 6= β,(b) jeder verzweigende Knoten γ, der α dominiert,

dominiert auch β,(c) α dominiert β nicht.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

C-Kommando

C-Kommando

A

qqqqqqqMMMMMMM

B C

qqqqqqqMMMMMMM

D E

Menge der c-kommandierten Kno-ten:A = ∅B = {C,D,E}C = {B}D = {E}E = {D}

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

C-Kommando

C-Kommando in Ketten

Ketten-Bedingung Für eine Bewegungskette α1 . . . αn giltasymmetrisches c-Kommando:jedes αi c-kommandiert jedes αj , für alle j > i ;kein αi c-kommandiert ein αj , für alle j < i .

(43) a. A

xxxx

xxFF

FFFF

Bi1 C

xxxx

xxFF

FFFF

ti2

CC

D

b. A

xxxx

xxRRRRRRRRRR

B

xxxx

xxFF

FFFF

ONMLHIJK C

xxxx

xxFF

FFFF

Di1 E F

xxxx

xxFF

FFFF

G

ti2×

NN

×ti3??

ee

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

M-Kommando

M-Kommando

• Eine liberalere Variante des C-Kommando ist das M-Kommando:

M-Kommando α m-kommandiert β gdw.

(a) α 6= β.(b) jeder maximale, i.e. phrasale Knoten γ, der α

dominiert, dominiert auch β.(c) α dominiert β nicht, und β α umgekehrt auch

nicht.

• das M in M-Kommando steht für „maximal“, da hier nicht jederverzweigende Knoten in Betracht gezogen wird, sondern nur dieKnoten maximaler Projektionen.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

M-Kommando

M-Kommando

XP

qqqqqqqMMMMMMM

ONMLHIJK

YP X′

qqqqqqqMMMMMMM

X0 ZP

• X0, YP und ZPm-kommandiereneinander!

• M-Kommando dient vor allem dazu, die Relation zwischen demKopf einer Phrase und ihren weiteren Konstituenten zu erfassen.

• Der Kopf einer Phrase regiert ihre weiteren Bestandteile, alsoKomplement, Spezifikator und Adjunkte.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Rektion

Rektion – Definition

Rektion α regiert β gdw.(a) α m-kommandiert β,(b) α ist ein Kopf.

(44) CP

jjjjjjjTTTTTTT

Soll das Verbin die PP regieren?

NP C′

jjjjjjjYYYYYYYYYYYYY

Maria C0 VP

jjjjjjjTTTTTTT

ist PP

jjjjjjjTTTTTTT V0

P0 NP gegangen

ins Kino

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Rektion

Rektion

• Der Rektionsbereich eines Regenten wird durch den nächsttiefer eingebetteten Regenten beschränkt (siehe unten).

• Rektion ist bspw. Bedingung für Argument-Selektion undKasuszuweisung.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Rektion

Rektion, Selektion und Kasuszuweisung(45) CP

jjjjjjjTTTTTTT

NP C′

jjjjjjjYYYYYYYYYYYYY

Maria C0 VP

jjjjjjjTTTTTTT

ist PP

jjjjjjjTTTTTTT

ooSELEKTION

____ V0

P AKKUSATIV//____ NP gegangen

ins Kino

• Das Verb ‘gehen’ selegiert die direktionale PP ‘ins Kino’.

• Die Präposition ‘ins’ weist Kasus (Akkusativ) an die NP ‘Kino’ zu.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Rektion

Rektion in eine Kategorie hinein

(46) Ich glaube , dass Maria [VP [VP [NP die Kinder ] singen ] ließ ]

(47) VP

qqqqqqqMMMMMMM

VP

qqqqqqqMMMMMMM V0

+AKKUSATIV

ooNP V′ ließ

die Kinder V0

singen

• Hier wird Akkusativ von ‘ließ’ an die NP ‘die Kinder’ zugewiesen.

• Das Verb regiert also in den Spezifikator der eingebetteten VPhinein.

• Dies ist nur möglich, weil das Verb ‘singen’ an ‘die Kinder’ keinenKasus zuweist.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Spuren und Rektion – der ‘that trace’ Effekt

(48) a. Who do you think that Mary invited t?

b. *Who do you think that t invited Joe?

• Wir haben gelernt, dass die Extraktion in (48-a) möglich ist, weilwir eine wohlgeformte Bewegungskette bilden können.

• Warum ist dann aber (48-b) ungrammatisch?

• Man nennt das Problem in (48-b) den ‘that trace’-Effekt.

• Die Erklärung, die man für diesen Kontrast gefunden hat,bezieht sich auf die Art der Rektion für die Spuren.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

ECP – Definition

Empty Category Principle (ECP) Eine leere Kategorie (also: eineBewegungsspur) muss streng regiert sein.

Strenge Rektion α regiert β streng gdw.

α regiert β und α ist lexikalisch (V,N,A,P)

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Der ‘that’-trace-Effekt

(49) Who1i do you think [CP t2i that [IP Mary [VP invited t3i ]]] ?

• Beide Spuren sind lexikalisch regiert:‘think’ regiert ‘t2i ’, und ‘invited’ regiert ‘t3i ’.

(50) *Who1i do you think [CP t2i that [IP t3i I0 [VP invited Joe ]]] ?

• Spur t3i ist von I0, d.h. nicht-lexikalisch regiert, außerdem von‘that ’, ebenfalls nicht-lexikalisch.

• Das lexikalische Verb ‘think’ könnte aber ein lexikalischerRegent sein, wie in (51) zu sehen.

(51) Who1i do you think [IP t2i I0 [VP invited Joe ]]

• In (51) ist t2i von ‘think ’ lexikalisch regiert.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Minimalität

• Wie erklären wir nun den ‘that trace’-Effekt?

(52) *Who1i do you think [CP t2i that [IP t3i I0 [VP invited Joe ]]] ?

• Die lexikalische Rektion der Spur t3i durch ‘think’ wird durcheinen näheren Regenten blockiert. Das ist in diesem Fall derKomplementierer ‘that’.

Minimalitätsbedingung in einer Konfiguration. . . α. . . [γ . . . δ. . . β. . . ] kann α nicht β regieren, wennγ eine Projektion von δ ist, die α nicht dominiert, und γ

β dominiert.

(Chomsky 1986, nach Fanselow/Felix 1987, S. 180)

• Rektion durch einen weiter entfernten möglichen Regenten wirddurch einen näheren Regenten blockiert.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Minimalität

Minimalitätsbedingung in einer Konfiguration. . . α. . . [γ . . . δ. . . β. . . ] kann α nicht β regieren, wennγ eine Projektion von δ ist, die α nicht dominiert, und γ

β dominiert.

(53) VP

jjjjjjjTTTTTTT

V0 = α CP = γ

jjjjjjjTTTTTTT

think C0 = δ IP

jjjjjjjTTTTTTT

that ti = β I′

jjjjjjjTTTTTTT

I0 . . .

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

MinimalitätMinimalitätsbedingung in einer Konfiguration

. . . α. . . [γ . . . δ. . . β. . . ] kann α nicht β regieren, wennγ eine Projektion von δ ist, die α nicht dominiert, und γ

β dominiert.

(54) CP

jjjjjjjTTTTTTT

NP C′

jjjjjjjYYYYYYYYYYYYY

Maria C0 VP

jjjjjjjTTTTTTT

ist PP = γ

jjjjjjjTTTTTTT V0 = α

P = δ NP = β gegangen

ins Kino

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Das ‘Empty Category Principle’

Minimalität – schematisch

Minimalitätsbedingung in einer Konfiguration. . . α. . . [γ . . . δ. . . β. . . ] kann α nicht β regieren, wenn γ

eine Projektion von δ ist, die α nicht dominiert, und γ β

dominiert.

(55) XPddddddd ZZZZZZZ

β X′

ddddddd ZZZZZZZ

X0 = α YP = β oder γddddddd ZZZZZZZ

β Y′ = γddddddd ZZZZZZZ

Y0 = β oder δ β

• Alle blauen β können von α regiert werden, nicht aber das rote β

und alles, was darin enthalten ist.

• Ein Kopf (hier: X0) kann den Spezifikator und den Kopf seinesKomplementknotens (hier: YP) regieren, aber nicht dessenKomplement.

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Morphologie und Syntax (BA)

C-Kommando, Rektion, ECP

Zusammenfassung

Beschränkungen für Bewegung

• Syntaktische Bewegung ist durch Prinzipien beschränkt. Wirhaben folgende Prinzipien kennengelernt:

• Das Subjazenz-Prinzip• Das Ketten-Prinzip• Das Prinzip der leeren Kategorien (ECP)

• Das Subjazenz-Prinzip basiert auf dem Begriff desGrenzknotens.

• Für die Ketten-Bedingung ist asymmetrisches c-Kommandozentral.

• Wichtig für die Definition des ECP sind die Konzepte derRektion, der strengen Rektion und die Minimalitätsbedingung.

• Rektion ist m-Kommando durch einen Kopf.

• Als strenge Rektion fassen wir lexikalische Rektion auf.

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

1 Analysieren Sie die folgende Ergänzungsfrage aus demFranzösischen:

(56) Qu’estwas-ist

cees

quedas

JeanJean

ahat

vu?gesehen

Was hat Jean gesehen?

Der Ausdruck „Qu’est ce que“ ist phonetisch gesehen als einWort zu betrachten (‘[kEsk@]’).

• An seinen Bestandteilen kann man allerdings die Herkunft ausder „Spaltkonstruktion“ noch erkennen.

• Zeichnen Sie einen Strukturbaum für diesen Satz alsSpalt-Konstruktion!

• Zeichnen Sie einen weiteren Strukturbaum für diesen Satz, wo„Qu’est ce que“ als ein Wort behandelt wird, also als Synonymfür das Fragewort „was“.

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 8

Übungsaufgabe 8

2 Erklären Sie aufgrund der Bewegungsbeschränkungen, die Siekennengelernt haben, die Ungrammatikalität der folgendenSätze:

(57) a. *Ist das der Mann, deni meine Behauptung, dass Mariati mag, falsch ist?

b. *Wohini hat Maria Peter beschimpft, weil er ti gehenmöchte?

c. *Das ist das Haus, dasi Peter ti und meinen Bungalowrepariert hat.

d. *Weri hat Peter sich gewundert, was ti gesagt hat?