Morphologische und biochemische Veränderungen in der Pars obliqua m. vastus medialis bei...

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Acta histochem. 80, 183-l!)() (198fi) VEB Gustav Fischel' Verlag Jena Wissenschaftsbereieh :-;portmedizin (Leiter: l\1H, Prof. Dr. se. med. K. GOTTSCHALK), AG :-;trukturwissensehaften (Leiter: Dr. G. WEISSE) del' Deutsehen Hoehsehule fUr K6rperkultur, Leipzig, DDlt Klinik fiir Orthopiidie (Direktor: OMR Prof. Dr. se. med. H. SEYFARTH) der Kari-Marx-lTniversitiit Leipzig, DDH Morphologische und biochemische Veranderungen in der Pars obliqua m. vastus medialis bei degenerativen Erkrankungen des Kniegelenkes Morphological and biochemical changes in the Pars obliqua of the vastus medialis muscle in degenerative disorders of the knee joint Yon KARL-SIEOFRIBD HEIDRUN SCHMIDT, BRIGITTE BAHR, MARIA BISK()P, CHRISTIANE GARTNER lind EDITH FORSTER Mit 3 Abbildungen (Eingegangen am 10. Miin 1986) Zusammenfassung An 34 Muskelproben aus der Pars obliqua des M. vastus medialis von Patienten mit einer kli- nisch manifesten Chondropathia patellae sowie von Patienten mit einer Gonarthrose in Varus- stellnng (Sehnittbiopsien unter der Operation) wurden histochemisch die slow-twitch (:-;'1')- une! fast-twitch (FT)-Fasern dargestellt sowie Illorphometrisch die Faserverteilung, die Fliichen der FT- lind ST-Fasern lind das relative Faservolumen cler FT-Fasern ermittelt. Biochemisch bestinlln- ten wir die Gesamtaktivitiit der Enzyme (PGK, LDH und der MDH nach BERGMEYER (1970). Mittels Elektrophorese wiesen wir die Isoenzyme der LDH aus :-;imultanschnittmaterial nach (Agar-Agarosetechnik). Die mathematische Bearbeitung des Datenmaterials nahmen wir Imter Verwendung der Cluster- lind Diskriminanzanalyse VOl'. Die Ergebnisse wei sen aus, daS das "He- gelglied" (Pars obliqua m. vast. llIed.) zur Aufrechterhaltung des orthograden Gleitlaufes der Patella im Verlallfe der Entwicklung del' degenerativen Gelenkerkrankungen extreme strllkturelle lind biochemisehe VeriLnderungen durch Anderungen im neuromuskuliiren Ansteuerungsllluster erfiihrL Dies wird dokumentiert durch die Wl'-Hypertrophie zu Beginn der intraarticuliLren :-;t6- rungen und die zunehmende AuspriLgung des "nellrogenen Gewebssymlroms" mit teilweise faszi- kul,irer FT-Atrophie bei fort schreitenden degenerativen Gelenkprozessen. Summary I T sing 34 muscle specinlens fronl the pars obliqua of the vastus merlialis nluscle of patients with a clinically manifest patellar chondropathy and of those suffering from a gonarthrosis in various positions (cut biopsies under operation), we depicted the slow-twitch (:-;'1') and the fast-twitch (FT) fibres histochemically and ascertained nlOrphometricaJiy the fibre distribution, the areas of the l) Meinelll hoehverehrten Lehrer', Herrn Prof. Dr. Dr. Dr'. h. c .. J .-H. SCHARF, ZUIJl 1;5. Gehurts- tag gewitilllPt. ...

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Acta histochem. 80, 183-l!)() (198fi)

VEB Gustav Fischel' Verlag Jena

Wissenschaftsbereieh :-;portmedizin (Leiter: l\1H, Prof. Dr. se. med. K. GOTTSCHALK), AG :-;trukturwissensehaften (Leiter: Dr. G. WEISSE)

del' Deutsehen Hoehsehule fUr K6rperkultur, Leipzig, DDlt Klinik fiir Orthopiidie (Direktor: OMR Prof. Dr. se. med. H. SEYFARTH)

der Kari-Marx-lTniversitiit Leipzig, DDH

Morphologische und biochemische Veranderungen in der Pars obliqua m. vastus medialis

bei degenerativen Erkrankungen des Kniegelenkes

Morphological and biochemical changes in the Pars obliqua of the vastus medialis muscle in degenerative disorders of the knee joint

Yon KARL-SIEOFRIBD PH~PERl), HEIDRUN SCHMIDT, BRIGITTE BAHR, MARIA BISK()P,

CHRISTIANE GARTNER lind EDITH FORSTER

Mit 3 Abbildungen

(Eingegangen am 10. Miin 1986)

Zusammenfassung

An 34 Muskelproben aus der Pars obliqua des M. vastus medialis von Patienten mit einer kli­nisch manifesten Chondropathia patellae sowie von Patienten mit einer Gonarthrose in Varus­stellnng (Sehnittbiopsien unter der Operation) wurden histochemisch die slow-twitch (:-;'1')- une! fast-twitch (FT)-Fasern dargestellt sowie Illorphometrisch die Faserverteilung, die Fliichen der FT- lind ST-Fasern lind das relative Faservolumen cler FT-Fasern ermittelt. Biochemisch bestinlln­ten wir die Gesamtaktivitiit der Enzyme (PGK, LDH und der MDH nach BERGMEYER (1970). Mittels Elektrophorese wiesen wir die Isoenzyme der LDH aus :-;imultanschnittmaterial nach (Agar-Agarosetechnik). Die mathematische Bearbeitung des Datenmaterials nahmen wir Imter Verwendung der Cluster- lind Diskriminanzanalyse VOl'. Die Ergebnisse wei sen aus, daS das "He­gelglied" (Pars obliqua m. vast. llIed.) zur Aufrechterhaltung des orthograden Gleitlaufes der Patella im Verlallfe der Entwicklung del' degenerativen Gelenkerkrankungen extreme strllkturelle lind biochemisehe VeriLnderungen durch Anderungen im neuromuskuliiren Ansteuerungsllluster erfiihrL Dies wird dokumentiert durch die Wl'-Hypertrophie zu Beginn der intraarticuliLren :-;t6-rungen und die zunehmende AuspriLgung des "nellrogenen Gewebssymlroms" mit teilweise faszi­kul,irer FT-Atrophie bei fort schreitenden degenerativen Gelenkprozessen.

Summary

I T sing 34 muscle specinlens fronl the pars obliqua of the vastus merlialis nluscle of patients with a clinically manifest patellar chondropathy and of those suffering from a gonarthrosis in various positions (cut biopsies under operation), we depicted the slow-twitch (:-;'1') and the fast-twitch (FT) fibres histochemically and ascertained nlOrphometricaJiy the fibre distribution, the areas of the

l) Meinelll hoehverehrten Lehrer', Herrn Prof. Dr. Dr. Dr'. h. c .. J .-H. SCHARF, ZUIJl 1;5. Gehurts­tag gewitilllPt.

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184 K.·8. PIEPER et al.

FT· and the 8T·fibres as well as the relative fibre volume of the FT-fibres. Furthermore, we determined biochemically the total activity of the enzymes PGK and of the MDH, according to BERGMEYER (1970). By means of the electrophoresis, we determined the isoenzyme pattern of the LDH from simultaneously cut material (Agar-Agarosetechnique). The mathematical date proces­sing was made by means of the cluster- und discriminance analysis. The results show that the "rule member" (pars obliqua m. vast. med.) - in order to maintain the orthograde gliding motion of the patella in the course of the development of degenerative joint illness - experiences extreme structural and biochemical changes caused by modifications within the neuromuscular motor control pattern. This becomes evident by a FT-hypertrophy at the beginning of the intraarticular disorders and by the increasing development of the "neurogeneous tissue syndrome" with partly fascicular FT-atrophy in cases of progressive degenerative joint processes.

Einleitung und Problemstellung

Die muskuliire Sirherung von groBen Gelenken des mensrhliehen Korpers basiert auf einer sich illl Laufe der Ontogenese einstellenden Uleiehgewichtslage zwischen Agonisten und Antagonisten bzw. synergistisch wirksamen Muskeln. Fiir die Funktion des Kniegelenkes ist das koordinierte Znsammenspiel der Kopfe des M. quadriceps femoris und hierbei besonders das des Synergistenpaares M. vastus lateralis und M. vastus medialis von besonderer Bedeutung. Storungen des nervalen Ansteuerungs­musters zwischen beiden Muskeln sind eng mit der Entwirklung einer Chondropathia patellae verbunden (I}JPPOLlI 1980).

Funktionell-anatomisch zeigen die Verliiufe der beiden genannten Muskeln Beson­derheiten, die die Anfalligkeit dieses, die orthogonale Fiihrung der Patella regulieren­den Systems, erkliiren. Wiihrend der M. vastus lateralis Illit einer ausgepragten Apo­neurose in den Insertionshereirh einstrahlt, lassen sieh fUr den M. vastus medialis zwei (Trsprungs- nnd zwei Ansatzorte naehweisen. Wiihrend der mit einer mittleren Ab­weiehung von 17° ± 1,2° von der ~Fel1lursrhaftarhse langsverlaufende Anteil von einem Bereieh nahe der Linea aspera entspringt lind an der Basis der Patella ansetzt, findet der srhrag verlaufende Anteil des M. vastus medialis seinen Ursprung an den Knoehenfiaehen hinter dem Condylns medialis femoris sowie an der Sehne des M. addudor magnlls und setzt nahezu direkt, d. h. ohne Sehneniibergang am medialen Kniesrheihenrand an. Die Ahweiehung des Verlaufs ;von der Femllrsehaftaehse hetragt 49° ± 1,60 (WAla'ER lilld SCHABes 1980; SCllAR], et al. 1985). Der als M. vastus llledialiR ohliquns bezeirhnete Muskelanteil nil1llllt funktionell eine Sonderstellung ein, da er zu einem groBen Teil selbst von einer Sehne entspringt und sOlllit als "Regel­glied" zwisrhen der Patella lind der Spannungsentwieklung des M. adductor magnus wirksalll wird. ZIElL\N und DIPPOLD (1985) konnten am M. vastus medialis von Pa­tienten mit Gonarthrosen aiR typisrhes ,,1:khadigungsl1luster" ein "neurogenes Ge­webssyndrolll", dessen auffiilligstes Merkmal eine faszikulare oder disseminierte FT­.Faseratrophie ist, naehweisen, wiihrend illl M. vast us lateralis ein "myopathisches Uewebssyndrom" vordergriindig en;eheint (PIEPl'JR et al. 1985, im Druck). Ziel der vorliegenden Arbeit iRt eR, die Dynamik der Illorphologischen und biochemisehen Veranderungen des M. vastus medialis bei Patienten mit einer kliniseh manifesten Chondropathia patellae sowie einer Gonarthrose (in Varusstellung) im Veri auf der Entwil"klung der intraartikuliiren degenerativen Zustande zu erfassen.

Material und Methoden

In Zusammenarbeit wit der Klinik fUr Orthopadie der Karl-Marx-lTniversitiit erfolgte bei 34 Patienten, die sich wegen einer klinisch Illanifesten Chondropathia patellae oder einer Gonarthrose

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Veriinderungen in der Pars obliqua m. vast us medialis 185

in Varusstellung einer Operation unterzogen (Op-Technik nach ELMSLIE; Tibiakopfosteotomie) eine Schnittbiopsie aus dem M. vastus medialis, Pars obliqua. Entnahme eines Muskelstreifens von 3 - 3 . 5 mm Kantenliinge. Zur Vermeidung von Artefaktbildungen wurde das Material un­mittelbar nach der Entnahme parallel Zllm Faserverlauf in 2 gleiche Teile aufgetrennt (Material fUr morphologische und biochemische Untersuchungen) und hiingen<l in flussigem Nz tiefgefroren. Der makroskopisch sichtbare Knorpeldefekt wurde subjektiv nach der Stadieneinteilung von FRUND (1926) bewertet.

Histochemische Reaktionen zur Fnserdijjerenzierung: Zur Darstellung der Muskelfasertypen (slow-twitch-fibers = STF und fctst-twitch-fibers = FTF) verwendeten wir eine Kombination des Nachweises der SDH nach SEIDLER und KUNDE (1969) mit dem Nachweis der Myosin-ATPase nach saurer Vorinkubation (pH = 4,3, 5 min bei 21°C) nach GUTH und SAMAHA (1970).

Morphometrie: Die Anzahl der ST- und FT-Fasern wurde auf einer Einheitsfliiche von 0,6 mmz

(~ Blickfeld) bei einer Endvergro13erung von 160: 1 ermittelt. Pro Priiparat wurden 5 Blickfelder ausgezahlt. Die Verteilung wird in Prozent (x ± s) angegeben. Die Faserflachen bestimmten wir mittels eines halbautomatischen Planimeters.

Biochemie: Gesamtenzymaktivitiitsbestimmungen: Phosphoglyzeratkinase (PGK; E.C. 2.7.2.3.); Laktatdehydrogenase (LDH; E.C. 1.1.1.27.) und Malatdehydrogenase (MDH; E.C.1.1.1.37.) nach BERGMEYER (1970). Citratsynthetase (CS; E.C. 4.1.3.7.) nach SRERE (1969).

Die Isoenzymbestimmung nahmen wir an Schnittmaterial, das unmittelbar nach Herstellung der Schnitte fUr die Histochemie gewonnen wurde, vor. Homogenisierung und Eluierung der flchnitte in Aqua bidest. Elektrophoretische Trennung der LDH-Isoenzyme auf Agar-Agarose­Gel (WIEME 1965, modifiziert nach SEIDLER). Die quantitative Auswertung der Elektrophero­gramme erfolgte am ERI {i5 m (VEB Carl Zeiss JENA).

Da eine komplexe Betrachtung der Morphologie und Biochemie des M. vastus medialis vorge­nommen werden sollte, wendeten wir zur Klassifizierung die Clusteranalyse (Programm KMU­Leipzig) 11nd zur Berechnung der Diskriminanzfunktionen die Diskriminanzanalyse nach BEUTEL et al. (197{i) an. Nach diesem Programm konnten die Klassenbesetzungen in einem canonischen Koordinatensystem ausgedruckt und die Klassengrenzen eingezeichnet (p < 0,05) werden. Die graphische Darstellung wurde vom Computerausdruck tibertragen. Den Klassen wurden im Nach­hinein die subjektiv bewerteten Stadien der Chon drop at hie (1-3) und fiir die Gonarthrose das Stadium 4 7.llgeordnet. Die tabellarische Darstellung folgt der Stadieneinteilung.

Ergebnisse

In der Tabelle 1 ist die Parameterkombination wiedergegeben, die die wesentlich­sten strukturellen und hiochemiFlChen Merkmale der Pars obliqua (ST-Faservolumen­anteil, Faserflachen, Enzyme der Glykolyse sowie des oxydativen Abbauweges) zusammenfaBt. Besonders auffallig ist, daB im Stadium 1/2 eine groBe Differenz zwischen den ST- und FT-Faserflachen bei verhiiltnismaBig hohen Streuungen auf­tritt. Mit dem Uhergang ZlIIll Stadium 2 ist ein signifikanter Abfall aller MeBwerte zu heohachten. Die hiochemischen Werte zeigen ZUIll Stadium 3 hin eine steigende, die Illorphologischen Werte dagegen eine weiterhin sinkende Tendenz. 1m Stadium 4 (Gonarthrose) setzt sich die Verminderung der Faserflachenwerte fort. Die vorerst auffallige Differenz der Faserflachen der ST- lind FT-Fasern ist ausgeglichen. In die­sem Stadium faUt die Aktivitat der Glykolyseenzyme stark ab, wahrend die Enzyme des oxydativen Stoffwechsels in ihrer Aktivitiit ansteigen.

Wird nun die Parameterkomhination auf den FT-Anteil und die Parameter der mykolYRe (pOK, LDH, I,DH-Isoenzyme) orientiert, so wird deutlich, daB der Volu­menanteil der FT-Fasern am Gesamtlllllskel yom Stadiulll 1/2 bis 4, die llIittlere Faserfliiche der FT-Fasern (FTA) und die Gesamtaktivitat der LDH ehenfalls eine fallende Tendenz wie in der ohen angegehenen Parameterkombination aufweisen. Das Zweiraumenzym MDH dagegen zeigt yom Stadiulll 1/2 ZI1I1l StadiullI 2 einen deutlichen AktivitiitRahfall, jedoch his Will Stadium 4 einen deutlichen Aktivitats-

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Tabelle 1. M. vast us medialis, pars obliqua (Parameterkombination: STF, Enzyme der Glykolyse und des oxydativen Stoffwechsels). Parameter von Patienten mit Chondropathia patellae und Gon. arthrose. Klassifizierung mittels Cluster· und Diskriminanzanalyse (p < 0,05). Stadieneinteilung: 1-3 Chondropathia patellae, 4 ~ Gonarthrose, slIbjektive Bewertung wurde den Klassen zuge-or(lnet

HtadiullI 1/2 2 3 4

Parameter (n ~- 7) (n = 11) (n = 9) (n = 7) (x ± s)

STA rei (%) 31,ti ± 12,1 42,8 ± 12,2 35,1 ± 13,2 50,1 ± 14,5

STA (W1l2 ) (i91i9 ± 2002 5850 ± 1093 4648 ± 12Hl 3583 ± 234

FT A (11m2) 9325 ± 1923 1;510 ± 1405 5155 ± 982 3747 ± 984

PGK (U/g FG) 351,0 ± 72,7 209,5 ± 49,2 323,8 ± 52,7 195,4 ± 64,9

LDH (U/g FG) 564,9 ± 135,1 253,0 ± 91,6 412,0 ± 105,9 207,3 ± 79,9

CS (U/g FG) 3ti,1 ± 7,9 25,5 ± 10,4 38,9 ± 11,1 44,1 ± 5,5

MDH :U/g FG) 439,1 ± 89,3 2M,1 ± H3,1 472,0 ± 108,8 421,1 ± 115,9

Tabelle 2. M. vasius medialis, pars obliqlla (Parameterkolllbination: FTF und Glykolyseenzyme). Morphometrische und biochemis"he Parameter von Patienten mit Chondropathia patellae und Gonarthrose. Klassifizierung mittels Cluster· und Diskriminanzanalyse (p < 0,(5). Htadieneinteilung: 1···3 Chondropathia patellae, 4 ~ Gonarthrose, subjektive Bewertung wllrde (len Klassen zugeordnet

Stadium 1/2 2 3 4

Paralllater (n -, 7) (n = X) (n c. 12) (n = 7) (x ± s)

FTA reI. (%) 71,1l ± 3,7 51l,1l ± 13,3 li2,0 ± l1,x 44,2 ± 13,1

FTA (,llrn2) 87x8 ± 1520 7558 ± 1230 4758 ± 1025 4346 ± 1478

PGK (U/g FG) 373,1; ± 70,4 211,3 ± 59,1 271,4 ± IHi,O 211,7 ± (i5,X

LDH (U/g FG) 572,6 ± 132,8 322,9 ± 109,8 321,3 ± 130,2 207,1 ± H4,1l

LOH·l ('\,) 0,0 ± 0,0 0,5 ± 0,5 0,2 ± 0,4 4,0 ± X,9

LDH·2 (~o) 0,1 ± 0,4 1,1; ± 2,4 0,9 ± 1,8 1l,4 ± 4,0

LDH·3 (';~) 2,1 ± 3,9 fi,l ± 5,3 7,3 ± (i,n ]9,6 ± 4,5

LDH·4 «;~) 18,8 ± 11,3 25,5 ± 7,4 11,n ± 7,ti 24,4 ± X,4 LDH-5 (0;,) 7X,7 ± 14,3 lifi,3 ± 12,5 80,0 ± 14,4 42,6 ± 7,3 I\f])H (Ujg FG) 41;4,4 ± ti1,5 281,1 ± 92,9 376,2 ± 122,4 439,0 ± 1ti9,9

anstieg. Die Isoenzyme der LDH (LDH-I-5) lassen besonders zwisehen den Stadien 2 lind 4 auffallige Veranderllngen der Anteile LDH-3, I~DH-4 und LDH-5 erkennen, die denen der PGK ahnlieh sind.

Die graphisehe Darstellung der Diskriminanzfunktionen fiir den allgemeinen An­satz ist in Abb. 1 und die des Ansatzes zllr Kennzeiehnung des Verhaltens des FT­Anteils sowie des glykolytisehen Stoffweehsels in Abb. 2 wiedergegeben.

Das morphologisehe Bild wird im Stadium 1/2 dureh ein "unruhiges" Zellbild, das hypertroJ-!hierte FT-Fasern nehen normotrophen FT- und ST-Fasern zeigt, gekennzeiehnet. Bis JlIIIII Stadium 4 tritt das "neurogene Gewehssyndrom" mit ver­einzelten, bis zllr faszikuliiren Atrophie reiehenden Muskelfaserveranderungen am FT­Anteil in den \Oordergrund (Abb. :~). Kaliherschwankllngen der ST-Fal'ern treten in allen Stadien auf.

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Veriin<ierungen in tier Pars obliqua 1lI. vastus medialis 187

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~ Parameier-OJ kombination

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'"' S'A,F~, S'A REi.' .!::! <:::

POIr; LOH, CS c:. § NDH <..)

0 f Canonische Oislrr/mifJanzfunktion 1

Abb.1. .1\1. vastus medialis, pars obliqua. Parameterkombination ZUf Kennzeichnung des morpho­logischen und biochemischen Verhaltens des Muskels im ~tadillm 1 CA); 2 (.); 3 (+ ) der Chondro­pathia patellae U1Hl bei Gonarthrosp (. ). Klassengrenzen IIl1sgezogpne Linieu (p < 0,05).

+ • •

+ +

Parameter­kombinat/on

F'A, F'A REL.> PGf(,LOH-r-·5, NDH

o Canon/sche IJis/rriminanzfunlrtiofJ !

f

Abb.2. M. vastus llIedialis, pars obliqua. Parameterkombination zur Kennzeichnung des Verhal­tens des FT-Anteils lind glykolytischer Enzyule sowie der MDH. Symbole wie Abb 1. Klassengren­zen ausgezogene Linien (p <: 0,(5).

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188 K.·S. PIEPER et a l.

Abb.3. M. vastus medialis, pars obliqua. Gonarthrose. Faszikulare Atrophie von FT· Fasern, "angular fibers" im FT·Faser anteil (helle Fasern) sowie Kaliberschwankungen im ST·Faseranteil (schwar~e Fasern). Vergr. 160: 1. Kombination: SDH- und ATPase-Nachweis.

Diskussion

Funktionell·anatomische Studien zur Muskelfunktion sind durch die Entwicklung geeigneter Verfahren 7.11r histochemischen Darstellung der Muskelfasertypen (slow.twitch fibers; fast·twitch­oxidative; fast·twitch.glycolytic fibers) und parallele Untersuchungen des Muskels mittels bio· ehemischer Bestimmungsmethoden sowie durch die Anwendung mathematischer Verfahren (KPlffiWAY HIS1) sehr komplex moglich. Damit wird zugleich die bisherige Betrachtungsweise der Anatomie, e ine Muskelfunktion nach der Lage des punctum fixurn und des punctum mobile zu be· stimmen, wesentlich erweitert. Dies ist am Beispiel der Pars obliqua m. vast. med. gut demonstrier· har. Auf Grund des Verlaufs des Mllskelante ils sowie seiner Ursprnngs. und Ansatzverhitltnisse ist sein Funktionsbereich fast dem einer Muskelspindel gleichzusetzen. Der relativ hohe Anteil an schnellkontrahierenden Fasern sowie die ilberwiegend glykolytische Stoffwechsellage lassen an· haml cler hier verwendeten Parameterkornbinationen zur Verabfolgung der Dynamik der musku­bren Veriimlerungen illl Zuge degenerativer Erkrankungen, hier am Beispiel des Kniegelenks, erkennen, daB speziel! diese Faserpopulation einer neurogenen Fehlsteuerung unterliegt. Somit werden die Einstellbewegungen und Korrekturen des Gleitlaufs der Patella, wie das Funktionsbild des Muskels allsweist, verandert. l Tntersuchungen zur morphologischen Charakterisierung mus­knliirer Gleichgewichte haben ergeben, claf3 Synergisten eine gleichartige Faserverteilung und einen nahezu gleichen ::>toffwechsel aufweisen (PIEPER et al. 1982; MATZEN et a l. 1983). Das be­trifft auch das Fliichenverhii.!tnis (Ier FT- und ST·Fasern. Die vorliegenden Befunde lassen erken­nen, cl!tJ3 zu Beginn der intraartikuliiren Veriinclerungen in cler Pars obliq\1 a eine massivp intra· Illnskuliire KoorclinationsstOrung vorliegt, die sich im MiUverhiiltnis der Faserfliiohen der WI'· unll FT·Fast'rn nie(lersehliigt. Zu (Iieselll Zeitpunkt isL die Gleichgewichtslage 7.wischen der Funktion

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Veranuerungen in cler Pars obliqua Ill. vastus medialis 189

des M. vastus lateralis und M. vastlls medialis stark verandert (PIEPER et al. 1986). Die vermin· derte Zugwirkung des M. vastus lateralis sowie die insgesalllt auftretende Entspannung der seit· lichen Zuggurtung (OTTE 1983) bedingt, durch die damit verbundene Verschlechterung der mus· kuliiren Sicherung des Kniegelenkes, eine stiindige Gegenregulation durch den M. vastus medialis, insbesondere durch seine pars obliqua. Diese tiberwiegend auf glykolytischer Basis beruhende energetische Abforderung wird mit der Leistungslllinderung des FT·Systems beantwortet. Die sich anschlie13ende Kompensation der Glykolyse stelJt gewisserma13en den "Versuch" einer zumin· dest zeitweilig sich normalisierenden Muskelfunktion dar (Anstieg des Glykolyseenzyms PGK und des Anteil an LDH·5 im t;tadilllll 3. Die sich schlief3lich abzeichnende Depression sowohl des FT· Systems als auch des glykolytischen t;toffwechsels lii13t zusammen mit delll morphologischen Bild erkennen, da13 der trophische Einflu13 des Illotorischen Nerven weitgehend zuriickgegangen ist (MCCOMAS 1977). Die mit der Fliieheniinderung in Zusammenhang stehenden Verschiebungen des Isoenzymmusters kennzeichnen das "cell size principle", wonach Zellgrol.!e und glykolytischer Stoffwechsel in einem dire kt proportionalen Verhiiltnis stehen (SICKLES unrl LENDON 1983; BARR et al. 1985). Somit ist die Querschnittsminderung des FT·Anteils auf Grund des Ausfalls des schnell· kontrahierenden Regelgliedes innerhalb dieses Muskels als eine wesentliche KOlllponentp in der Pathogenese der degenerativen Erkrankungen anZllsehen. Sie ist, wie vergleichende Untersuchun· gen ergeben haben, auch ein Kennzeichen fUr Illuskuliire t;torungen bei Achsenabweichungen der Wirbelsaule.

Es kann davon ausgegangen werden, dal.! die Illakroskopisch fa13baren orthopiidischen Befunde am Skelettsystem <lurch die zellbiologischen Untersuchungen am Muskel eine weitere Aufkliirung erfahren. Somit ergibt sich tiber die Histochemie eine neue Betrachtungsweise des funktionellen Verhaltens des Skelettmuskels.

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Ansehrift del' Verfasser: Prof. Dr. se. meel. K.-S. PIEPER, Friedrieh-Ludwig-Jahn-Allee 59, DDR - 7010 Leipzig.