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1 Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie Multiple Sklerose – Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie – Prof. Dr. Sven Schippling, UniversitätsSpital Zürich* Dr. Roland Opfer, UniversitätsSpital Zürich und jung diagnostics GmbH Hamburg *wissenschaftlicher Leiter VNR: 2760909008025250012 | Gültigkeitsdauer: 23.07.2018 – 23.07.2019 1. Einleitung Das Therapieziel bei der Behandlung der schubförmig-remit - tierenden Multiplen Sklerose (RRMS) ist das Eindämmen der Krankheitsaktivität. In retrospektiven Auswertungen klinischer Studien zur RRMS findet das „Fehlen von (messbaren) An- zeichen für Krankheitsaktivität“ (NEDA; No Evidence of Di- sease Activity) als Parameter zur Bewertung der Wirksamkeit einer Behandlung bereits Anwendung [Rotstein et al. 2015], auch wenn das Konzept teilweise kritisch diskutiert wird [Freedman 2016]. Bisher wurde NEDA definiert durch das Fehlen von Schüben, Behinderungsprogression und Gado- linium-aufnehmenden bzw. neuen oder sich vergrößernden T2-hyperintensen Läsionen im MRT [Rotstein et al. 2015, Stangel et al. 2015]. In jüngerer Zeit wurde jedoch diskutiert, dass diese drei Parameter gewisse klinische Aspekte der Krankheitsaktivität der MS unberücksichtigt lassen und zusätzlich neuropsychologische Aspekte wie Fatigue und kognitive Funktion integriert werden sollten [Stangel et al. 2015]. Da der Hirnvolumenverlust u. a. mit kognitiven Funktio- nen korreliert [Deloire et al. 2011], plädieren Experten dafür, auch die Messung der Hirnatrophie als NEDA-Parameter aufzunehmen [Giovannoni et al. 2015]. Zudem hat sich gezeigt, dass auf Gruppenebene der neuroaxonale Gewebeverlust mit der anhaltenden Behinderungsprogression korreliert [Popescu et al. 2013]. Ein über das altersnormale Maß hinausgehender Hirnvolu- menverlust (auch Atrophie genannt) tritt bereits in frühesten Stadien der MS auf und betrifft sowohl die weiße wie auch die graue Substanz [Chard et al. 2002]. Insbesondere der Verlust der grauen Substanz wirkt sich hierbei negativ auf den Verlauf der Erkrankung aus [Chard und Miller 2009]. Ungeklärt ist bisher die Frage, inwieweit vornehmlich primär entzündliche Prozesse – gemäß diesem Konzept – für dann sekundär neurodegenerative Veränderungen verantwortlich sind oder ob letztere auch primär vorkommen können [Losy 2013]. In aller Regel wird der Hirnvolumenverlust weder von den Patienten noch vom behandelnden Arzt/Neurologen frühzeitig „bemerkt“. Dies liegt u. a. vermutlich daran, dass das Gehirn zu Beginn oft noch ausreichend in der Lage ist, selbst höhergradige degenerative Veränderungen durch Kompensationsmechanismen, kognitive Reserve und Plas- tizität zumindest teilweise zu kompensieren [Amato et al. 2013]. Auch lässt sich der Hirnvolumenverlust am Anfang nur schwer durch eine rein visuelle Befundung der Magnet- resonanztomographie (MRT) erfassen, da Veränderungen zunächst recht subtil sind und nur durch eine detaillierte Vermessung oder Volumetrie des Hirngewebes erfasst werden können. Die Konsequenzen früher Hirnatrophie werden daher oft erst im weiteren Verlauf bemerkt, zu einem Zeitpunkt, zu dem ein wesentlicher Anteil der Schäden wahrscheinlich bereits irreparabel ist [De Stefano et al. 2014]. Vor diesem Hintergrund könnte es äußerst relevant sein, das Ausmaß atropher Veränderungen bereits frühzeitig systematisch und mit größtmöglicher Reliabilität zu erfassen, um dann Therapien einzusetzen, die dem Abbau der Hirnsubstanz entgegenwirken können. Diese CME gibt als drittes Modul einer Fortbildungsreihe zur MS einen Überblick über das Auftreten gesteigerter Hirnatrophieraten als Ausdruck von Krankheitsaktivität bei MS und beschreibt die Wirksamkeit der momentan beste- henden Therapieoptionen auf Hirnvolumenveränderungen.

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1Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie

Multiple Sklerose– Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie –

Prof. Dr. Sven Schippling, UniversitätsSpital Zürich* Dr. Roland Opfer, UniversitätsSpital Zürich und jung diagnostics GmbH Hamburg

*wissenschaftlicher Leiter

VNR: 2760909008025250012 | Gültigkeitsdauer: 23.07.2018 – 23.07.2019

1. Einleitung

Das Therapieziel bei der Behandlung der schubförmig-remit-tierenden Multiplen Sklerose (RRMS) ist das Eindämmen der Krankheitsaktivität. In retrospektiven Auswertungen klinischer Studien zur RRMS findet das „Fehlen von (messbaren) An-zeichen für Krankheitsaktivität“ (NEDA; No Evidence of Di-sease Activity) als Parameter zur Bewertung der Wirksamkeit einer Behandlung bereits Anwendung [Rotstein et al. 2015], auch wenn das Konzept teilweise kritisch diskutiert wird [Freedman 2016]. Bisher wurde NEDA definiert durch das Fehlen von Schüben, Behinderungsprogression und Gado-linium-aufnehmenden bzw. neuen oder sich vergrößernden T2-hyperintensen Läsionen im MRT [Rotstein et al. 2015, Stangel et al. 2015]. In jüngerer Zeit wurde jedoch diskutiert, dass diese drei Parameter gewisse klinische Aspekte der Krankheitsaktivität der MS unberücksichtigt lassen und zusätzlich neuropsychologische Aspekte wie Fatigue und kognitive Funktion integriert werden sollten [Stangel et al. 2015]. Da der Hirnvolumenverlust u. a. mit kognitiven Funktio-nen korreliert [Deloire et al. 2011], plädieren Experten dafür, auch die Messung der Hirnatrophie als NEDA-Parameter aufzunehmen [Giovannoni et al. 2015]. Zudem hat sich gezeigt, dass auf Gruppenebene der neuroaxonale Gewebeverlust mit der anhaltenden Behinderungsprogression korreliert [Popescu et al. 2013].

Ein über das altersnormale Maß hinausgehender Hirnvolu-menverlust (auch Atrophie genannt) tritt bereits in frühesten Stadien der MS auf und betrifft sowohl die weiße wie auch die graue Substanz [Chard et al. 2002]. Insbesondere der Verlust der grauen Sub stanz wirkt sich hierbei negativ auf den Verlauf der Erkrankung aus [Chard und Miller 2009].

Ungeklärt ist bisher die Frage, inwieweit vornehmlich primär entzündliche Prozesse – gemäß diesem Konzept – für dann sekundär neurodegenerative Veränderungen verantwortlich sind oder ob letztere auch primär vorkommen können [Losy 2013]. In aller Regel wird der Hirnvolumen verlust weder von den Patienten noch vom behandelnden Arzt/Neurologen frühzeitig „bemerkt“. Dies liegt u. a. vermutlich daran, dass das Gehirn zu Beginn oft noch ausreichend in der Lage ist, selbst höhergradige degenerative Veränderungen durch Kompensationsmechanismen, kognitive Reserve und Plas-tizität zumindest teilweise zu kompensieren [Amato et al. 2013]. Auch lässt sich der Hirnvolumenverlust am Anfang nur schwer durch eine rein visuelle Befundung der Magnet-resonanztomographie (MRT) erfassen, da Veränderungen zunächst recht subtil sind und nur durch eine detaillierte Vermessung oder Volumetrie des Hirngewebes erfasst werden können. Die Konsequenzen früher Hirnatrophie werden daher oft erst im weiteren Verlauf bemerkt, zu einem Zeitpunkt, zu dem ein wesentlicher Anteil der Schäden wahrscheinlich bereits irreparabel ist [De Stefano et al. 2014]. Vor diesem Hintergrund könnte es äußerst relevant sein, das Ausmaß atropher Veränderungen bereits frühzeitig systematisch und mit größtmöglicher Reliabilität zu erfassen, um dann Therapien einzusetzen, die dem Abbau der Hirnsubstanz entgegenwirken können.

Diese CME gibt als drittes Modul einer Fortbildungsreihe zur MS einen Überblick über das Auftreten gesteigerter Hirnatrophie raten als Ausdruck von Krankheitsaktivität bei MS und beschreibt die Wirksamkeit der momentan beste-henden Therapieoptionen auf Hirnvolumenveränderungen.

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2. Messung der Hirnatrophie

Zur Messung von Hirnvolumen und von Hirnvolumenverlust stehen viele verschiedene Auswerteverfahren von MRT-Auf-nahmen zur Verfügung, die – abhängig von der Methode – zur Erfassung globaler wie auch regionaler oder segmentierter Hirnvolumina eingesetzt werden können. Hierbei wird un-terschieden zwischen manuellen und automatischen Mess-methoden. Bei der manuellen Messung werden anatomische Regionen (z. B. die graue Substanz) durch den Untersucher am Bildschirm markiert. Anschließend wird das Volumen der markierten Region durch die MRT-Befundungs-Workstations ermittelt. Ein Vorteil dieser Methoden ist, dass diese Art der Messung relativ einfach durchzuführen ist und auch bei nicht- digitalisierten MRT-Bildern angewendet werden kann. Allerdings sind die manuellen Methoden zum einen recht zeitaufwändig und zum anderen sehr Untersucher-abhängig (Erfahrung des Anwenders), sodass sie häufig schlecht re-produzierbar sind [De Stefano et al. 2007, Rocca et al. 2017]. Manche MRT-Befundungs-Workstations unterstützen die manuelle Messmethode durch den Einsatz von Computeral-gorithmen. Hier werden durch den Algorithmus z. B. Konturen vorgeschlagen, die dann noch manuell korrigiert werden müssen. Man spricht dabei auch von halbautomatisierten Verfahren. Der Zeitaufwand verringert sich durch den Einsatz dieser Hilfsmittel leicht [Miller et al. 2002], jedoch bleiben die prinzipiellen Nachteile der schlechten Reproduzierbarkeit [De Stefano et al. 2007] sowie des hohen Zeitaufwandes bestehen. Vollautomatisierte Techniken zur Bestimmung der Hirnatrophie, die ohne menschliche Interaktion auskommen, gewinnen daher immer mehr an Bedeutung. Sie können meist in kurzer Zeit durchgeführt werden und können den Hirnvolumenverlust mit hoher Genauigkeit erfassen. Auch hängt das Ergebnis dann nicht mehr von der Erfahrung des Arztes ab, sodass eine gute Reproduzierbarkeit gegeben ist. Allerdings ist die Anwendung dieser Methoden oftmals komplex und erfordert Software-erfahrene Anwender [De Stefano et al. 2007], da die Ergebnisse des Algorithmus kritisch überprüft werden müssen.

Generell lassen sich MRT-basierte, vollautomatisierte Ver-fahren in zwei Kategorien einteilen: • Das Volumen des Hirnparenchyms oder von Unterregionen

des Gehirns wird für einen Zeitpunkt abgeschätzt. Das Ergebnis wird meist in einer Volumeneinheit (z. B. in ml) angegeben

• Die Änderung des Hirnvolumens wird über zwei oder mehrere Zeitpunkte berechnet. Das Ergebnis wird oft als prozentuale Verlustrate (in %) angegeben.

Die erste Kategorie von Methoden wird oft für Querschnitts-untersuchungen verwendet, bei denen verschiedene Gruppen von Individuen volumetrisch verglichen werden sollen. Hier kommen meist Segmentierungs-basierte Methoden zum Einsatz, die es ermöglichen, vordefinierte Hirnstrukturen von ihrer Umgebung automatisch abzugrenzen. Das Hirnvolumen bzw. regionale Volumina werden anhand einer einzelnen MRT-Messung ermittelt. Durch diese Art der Untersuchung können Gruppenunterschiede zu einem bestimmten Zeit-punkt festgestellt werden. Querschnittsstudien ermöglichen eine relativ schnelle Datenerfassung, sind jedoch weniger sensitiv als Längsschnittuntersuchungen, da sie die Varianz der Messung nicht berücksichtigen [De Stefano et al. 2007]. Verfahren zur Messung von Volumenänderungen werden meist für Längsschnittuntersuchungen eingesetzt, bei denen Patienten über einen gewissen Zeitraum wiederholt mittels MRT untersucht werden, sodass eine Aussage über den relativen Hirnvolumenverlust getroffen werden kann. Bei Längsschnittuntersuchungen werden meist Registrierungs-ba-sierte Methoden eingesetzt. Zwei MRT-Scans eines Patienten werden durch eine geeignete (nicht lineare) Transformation zur Deckung gebracht (sie werden registriert). Die Transfor-mation zwischen den Bildern wird durch den Einsatz von Optimierungsmethoden automatisch berechnet. Vereinfacht gesprochen kann man aus der Art der berechneten Transfor-mation eine Volumenänderung zwischen den beiden Scans ableiten. Besteht die Transformation zum Beispiel nur aus einer Verschiebung oder einer Drehung (Patient liegt anders im Scanner), hat sich das Volumen nicht verändert. Besteht die Transformation aus einer Stauchung, bedeutet das eine Volumenabnahme. So kann die Entwicklung von Hirnvolumen-verlustraten über einen längeren Zeitraum verfolgt werden [De Stefano et al. 2007].

Häufig verwendete Messmethoden, die in klinischen Studien zu MS eingesetzt werden, sind in Tabelle 1 auf Seite 3 aufgeführt.

Hier noch einige Hinweise zu den oben erwähnten Verfahren, die bei der Anwendung sowie bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden müssen: • Ergebnisse, die mit unterschiedlichen Methoden erzielt

wurden, können in der Regel nicht miteinander verglichen werden [Giorgio et al. 2008]. Sowohl für Querschnittsunter-suchungen als auch für Längsschnittuntersuchungen ist es daher wichtig, nur eine Methode zu verwenden.

• Bedingt durch die Physik der MRT-Akquisition hat jeder Scanner ein eigenes Kontrastprofil. Ergebnisse (auch bei der gleichen Methode) können vom Scanner und vom angewand-ten Protokoll abhängen. Dieses kann zu Verschiebungen der Volumenwerte zwischen verschiedenen Scannern führen [Kruggel et al. 2010]. Bei Längsschnittuntersuchungen ist es

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3Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie

Tabelle 1:

Häufig angewandte Methoden zur Messung der Hirnatrophie in klinischen Studien bei MS; modifiziert nach [Radue et al. 2013].

Methode Eigenschaften Stärken Beschränkungen

BBSI [Fox et al. 2000]

Eingabe: Zwei T1-gewichtete MRT-Bilder eines Patienten

Ausgabe: prozentuale Volumenänderung zwischen den Aufnah-men in %

Methode: Registrierungs-basiert; Subtraktion eines Folge-Scans vom Baseline-Scan (Änderung der Intensität)

Keine Beeinflussung durch geringfügige Positionierungs- und Formveränderung

Kontrastunterschiede zwischen Scans können zu Fehlern führen; nicht geeignet für Querschnittsstudien

SIENA [Smith et al. 2001]

Eingabe: Zwei T1-gewichtete MRT-Bilder eines Patienten

Ausgabe: prozentuale Volumenänderung zwischen den Aufnah-men in %

Methode: Registrierungs-basiert; Zwei MRT-Scans werden aufei-nander ausgerichtet, Bestimmung von Hirngewebe/Nicht-Hirnge-webe-Eckpunkten; anhand der Verschiebung von Eckpunkten wird die prozentuale Hirnvolumenveränderung (PBVC) berechnet

Vollautomatisiert; robust; an-wendbar bei 2D-Bildern; enge Korrelation mit Behinderungs-progression; in vielen Studien bereits eingesetzt;

für Forschung frei verfügbar unter http://fsl.fmrib.ox.ac.uk/fsl/fslwiki/

Limitierte Analyse regionaler Hirnatro-phie; nicht geeignet für Querschnittsstudien

BPF [Rudick et al. 1999]

Eingabe: T1-gewichtetes MRT-Bild eines Patienten

Ausgabe: Brain Parenchymal Fraction (BPF); Verhältnis des Hirn-parenchyms zum intrakraniellen Gesamtvolumen

Methode: Segmentierungs-basiert

Sowohl Parenchymvolumen als auch Gesamtvolumen werden automatisch erfasst; berück-sichtigt unterschiedliche Schädelgrößen

Nicht gut geeignet für longitudinale Stu-dien; keine Analyse regionaler Hirnatrophie möglich

SIENAX [Smith et al. 2002]

Eingabe: T1-gewichtetes MRT-Bild eines Patienten

Ausgabe: Hirnvolumen normalisiert auf das intrakranielle Gesamt-volumen; ähnlich zum BPF; Angabe ist aber in ml und nicht in %

Methode: Segmentierungs-basiert; Erweiterung von SIENA für Querschnittsuntersuchungen

Vollautomatisiert; robust; anwendbar bei 2D-Bildern;

für Forschung frei verfügbar unter http://fsl.fmrib.ox.ac.uk/fsl/fslwiki/

Nicht gut geeignet für longitudinale Studien; limitierte Analyse regi-onaler Hirnatrophie

Unified Seg-mentationSPM12[Ashburner und Friston 2005]

Eingabe: T1-gewichtetes MRT-Bild eines Patienten

Ausgabe: Volumen der grauen und weißen Substanz in ml

Methode: Beinhaltet sowohl Segmentierungs- als auch Regist-rierungs-basierte Schritte; Unterschiede zwischen MRT-Scans werden durch einen direkten Vergleich einzelner Voxel bestimmt

Vollautomatisiert; erlaubt re-gionale Analyse des gesamten Gehirns;

frei verfügbar unter http://www.fil.ion.ucl.ac.uk/spm/ software/spm12/

Benötigt 3D-Bilder; As-pekte des Algorithmus können die Sensitivität gegenüber longitudi-nalen Veränderungen abschwächen

Freesurfer[Fischl 2012]

Eingabe: T1-gewichtetes MRT-Bild eines Patienten

Ausgabe: Volumen subkortikaler Strukturen in ml

Methode: Beinhaltet sowohl Segmentierungs- als auch Registrierungs-basierte Schritte

Vollautomatisiert; erlaubt regionale Analyse des gesam-ten Gehirns; für longitudinale Studien gibt es ein spezielles Berechnungsverfahren;

für Forschung frei verfügbar unter http://freesurfer.net/

Benötigt 3D-Bilder; sehr lange Rechenzeit

BBSI = Brain Boundary Shift Integral; BPF = Brain Parenchymal Fraction; PBVC = Percentage Brain Volume Change; SIENA = Structural Image Evaluation using Normalisation of Atrophy

daher zwingend erforderlich, die MRT-Daten mit demselben Scanner und Protokoll zu akquirieren [Rocca 2017]. Sollten bei einer Querschnittsuntersuchung verschiedene Scanner verwendet worden sein, ist das bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen (möglicher Scannerbias).

• Das Gehirnvolumen korreliert stark mit dem gesamten intra kraniellen Volumen (Menschen mit großen Köpfen haben auch mehr Hirnvolumen) [Pell et al. 2008]. Bei Querschnittsuntersuchungen muss für diese Störgröße korrigiert werden. Durch die Normierung auf das gesamte intrakranielle Volumen (wie beim BPF; Brain Parenchymal Fraction) wird dieses teilweise gewährleistet. Alternativ kann das intrakranielle Volumen als Kovariate im Statis-tikprogramm angegeben werden.

• Ebenso muss das Alter der Patienten bei Querschnittsunter-suchungen berücksichtigt werden. Ältere Menschen haben

im Allgemeinen weniger Hirnvolumen als junge Menschen. So muss die mit dem Alter zunehmende Volumenreduzierung bei gesunden Menschen [Resnick et al. 2003; Schippling et al. 2017] deutlich von einer krankheitsinduzierten Atrophie abgegrenzt werden.

• Auch technische Gegebenheiten (z. B. Bewegungsartefakte, Patientenpositionierung im Scanner oder Änderungen der Magnetfeldinhomogenität) können bei der Messung von Hirnvolumen eine Rolle spielen [Rocca 2017]. Aber auch Änderungen im Wasserhaushalt (Dehydrierung) [Duning et al. 2005], eine Steroidtherapie [Zivadinov 2005], krank-heitsbedingte Effekte (z. B. entzündliche Ödeme) und an-dere Parameter können Volumenänderungen hervorrufen und dadurch die Bestimmung der „echten“ Hirnatrophie kontaminieren [Pelletier et al. 2004].

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Zurzeit erfordert eine routinemäßige Messung der Hirnatro-phie ein hohes Maß an Anwendungswissen. Auch erfordert die technologische Umsetzung immer noch eine fachliche Überprüfung durch einen erfahrenen Experten. Derzeit sind die systematische Erfassung und Analyse der Hirnatrophie vorwiegend akademischen Zentren vorbehalten. Eine Reihe teils akademischer, teils kommerzieller Anbieter bemüht sich gegenwärtig jedoch darum, derartige Analysen einer breite-ren neurologischen Anwenderschaft zugänglich zu machen. Hierfür ist die Entwicklung eines weltweit standardisierten Protokolls eine wichtige Voraussetzung [Rocca et al. 2017].

3. Multiple Sklerose und Hirnatrophie

Traditionell wird die MS als eine immunmediierte, entzündliche Erkrankung betrachtet. In jüngerer Zeit wird jedoch auch der Neuro degeneration vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Während lange Zeit angenommen wurde, dass ein substan-zielles Ausmaß atropher Prozesse vornehmlich die späteren, fortgeschrittenen MS-Stadien kennzeichnet, zeigen neuere Arbeiten recht klar, dass Patienten bereits in frühesten Stadien der Erkrankung eine Hirnatrophie aufweisen [De Stefano et al. 2010]. So zeigt sich bereits bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (KIS) ein über das altersnormale Maß hinausgehender Hirnvolumen verlust und Studienergebnisse weisen darauf hin, dass eine höhere Hirnatrophierate den Übergang vom KIS zur MS prognostizieren kann [Dalton et al. 2004, Kalincik et al. 2012, Perez-Miralles et al. 2013]. Auch scheint die Hirnatrophie sowohl Patienten mit RRMS – auf die sich dieses Modul hauptsächlich bezieht – als auch pro-grediente Formen der MS zu betreffen. Hierbei scheint das Ausmaß der Progression des Hirnvolumenverlustes unabhängig vom MS-Subtyp zu sein [De Stefano et al. 2010, Kalkers et al. 2002]. Zusammenfassend zeigen die bisherigen Arbeiten, dass die MS mit einem Verlust an Hirnvolumen, welches über das altersnormale Maß hinausgeht, verbunden ist. Es scheinen aber große Unterschiede zwischen Patienten zu bestehen.

3.1. Schwellenwerte der HirnatrophieIm Vergleich zu gesunden Individuen, deren Hirnvolumenver-lustrate bei etwa 0,1 bis 0,3 %/Jahr liegt [Anderson et al. 2007, Scahill et al. 2003, Takao et al. 2012], weisen Patienten mit MS eine jährliche Verlustrate von ca. 0,5 bis 1,35 % auf [De Stefano et al. 2014, Vollmer et al. 2015]. In einer Studie von De Stefano und Mitarbeitern wurde anhand der Analyse longitudinaler MRT-Daten geprüft, ob ein Schwellenwert der jährlichen Verlustrate ermittelt werden kann, der mit ausreichender Sensitivität und Spezifität bei naturgemäßer Überlappung beider Kollektive eine Unterscheidung zwischen Patienten mit MS und gesunden Individuen erlaubt. Verlustraten wurden

mittels der SIENA-Methode über einen durchschnittlichen Zeitraum von 7,5 bzw. 6,3 Jahren bei Patienten mit MS bzw. gesunden Kontrollpersonen berechnet und als prozentuale Hirnvolumenveränderung (PBVC)/Jahr dargestellt. In der Studie zeigte sich, dass das jährliche PBVC bei Patienten mit MS bei -0,51 % liegt, während gesunde Personen ein jährliches PBVC von lediglich -0,27 % aufweisen. Bei einem Schwellen-wert von -0,37 % liegt die Sensitivität bei 67 %, die Spezifität bei 80 %. Die Autoren schlossen hieraus, dass ein PBVC von -0,4 %/Jahr ausreichend gut zwischen dem Vorhandensein oder der Abwesenheit von pathologischem Hirnvolumenver-lust unterscheiden kann [De Stefano et al. 2016]. Allerdings scheint der Schwellenwert vom Alter abhängig zu sein, wie eine aktuelle Studie aufzeigt. So liegt der Schwellenwert für einen pathologischen Hirnvolumenverlust bei einer 45-jähri-gen Person bei einem jährlichen PBVC von -0,33 %, bei einer 70-jährigen Person jedoch erst bei -0,72 % (80 % Spezifität) [Opfer et al. 2018a]. Untersuchungen mit einem idealerweise höchsten Maß an Standardisierung hinsichtlich MRT-Protokoll, Scanner und Repositionierung sowie die genaue Kenntnis der Reliabilität der verschiedenen Prozessierungs-Tools könnten zukünftig helfen, Schwellwerte der Atrophiemessungen nicht nur in klinischen Studien, sondern auch in der klinischen Routine zur Beurteilung des Therapieerfolges miteinzube-ziehen. Es muss jedoch abgewartet werden, inwiefern sich die Studienbedingungen in die Praxis übertragen lassen, da Volumenmessungen durch verschiedenste Einflussfaktoren, z. B. genetische Faktoren, Alkohol- oder Zigarettenkonsum, beeinflusst werden können. So gibt es beispielsweise Hin-weise darauf, dass bei Patienten mit einem Apolipoprotein E-ε4-Genotyp ein beschleunigter Abbau der Hirnsubstanz stattfindet [Enzinger et al. 2004]. Andere Studien konnten dies wiederum nicht bestätigen [van der Walt et al. 2009]. Eine aktuelle Studie hat untersucht, wie die in Kohorten-studien erfassten Schwellenwerte für Hirnvolumenverlust bei individuellen Patienten interpretiert werden müssten, um methodische und biologische Fluktuationen auszuglei-chen. Damit bei einem individuellen Patienten ein jährlicher Hirnvolumenverlust von mindestens 0,4 % (Vorhandensein von pathologischem Hirnverlust) identifiziert werden kann, muss der gemessene Hirnvolumenverlust/Jahr aufgrund der Fluktuation nach einem Jahr mindestens 0,94 % betragen und nach zwei Jahren 0,64 % (Spezifität 95 %) [Opfer et al. 2018b].

3.2. Hirnatrophie in der grauen und weißen Substanz bei der MSDie Atrophie des Gehirns bei der MS betrifft sowohl die weiße als auch die graue Substanz, wobei vermutlich maßgeblich die Schädigung der grauen Substanz einen nachhaltigen Effekt auf das Fortschreiten der Behinderung hat. Inwiefern eine Korrelation zwischen der Atrophie der grauen Substanz und

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5Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie

der Läsionslast in der weißen Substanz besteht, ist bisher noch nicht konsistent geklärt. Vermutlich ist die Atrophie auf inflammatorische, demyelinisierende Prozesse in der weißen Substanz zurückzuführen, jedoch nicht vollständig hierdurch erklärbar. Zusätzlich findet – so ist zu vermuten – ein von der Entzündung unabhängiger neurodegenerativer Prozess statt [De Stefano et al. 2003, Zivadinov und Zorzon 2002]. Studien deuten darauf hin, dass ein Verlust der grauen, nicht aber der weißen Substanz, den Übergang vom KIS zu MS prognostizieren kann [Calabrese et al. 2011, Dalton et al. 2004]. Während in den ersten Jahren der Erkrankung laut Studien häufig keine signifikante Atrophie der weißen Sub-stanz zu messen ist, kommt es bereits innerhalb kurzer Zeit zu einem Verlust von grauer Substanz [Dalton et al. 2004, Tiberio et al. 2005]. Ein Grund hierfür könnten die oben ausführlich erläuterten Mechanismen sein, die das Rauschen in der Messung von Volumenänderungen besonders in der weißen Substanz erhöhen und eine zuverlässige Messung erschweren. Insbesondere der Thalamus scheint bereits früh von der Atrophie betroffen zu sein, während sich die korti-kale Atrophie möglicherweise später entwickelt – vermutlich jedoch immer noch in einem frühen Stadium der Erkrankung [Audoin et al. 2006]. Ein Volumenverlust der weißen Substanz wurde in Studien beobachtet, die RRMS-Patienten mit län-gerer Erkrankungsdauer einschlossen [Ge et al. 2001]. Eine Studie von Dalton und Mitarbeitern ergab hingegen, dass es in frühen Stadien der Erkrankung trotz oder gerade wegen einer Zunahme der Läsionslast zu einem Volumenzuwachs der weißen Substanz kommen kann [Dalton et al. 2004]. Auch diese Ergebnisse deuten auf einen „kontaminierenden“ Effekt entzündlicher Läsionen in der weißen Substanz hin, die durch eine Zunahme des inflammatorischen Ödems zu einer scheinbaren Volumenzunahme der weißen Substanz führen und eine möglicherweise unterliegende, fortschreitende Hirnatrophie verdecken können. Diese mechanistischen Aspekte sollten daher bei der Bewertung von Hirnvolu-menänderungen einbezogen werden. Analog kann es nach Initiierung einer Immuntherapie mit nachhaltigem Effekt auf die Läsionen in den folgenden Monaten zu einem Auswaschen des entzündlichen Ödems kommen, was zu einem scheinbaren Volumenverlust führt, welcher eben keiner echten Atrophie entspricht. Üblicherweise wird in diesem Zusammenhang von einer sogenannten „Pseudoatrophie“ gesprochen. So kann nach Therapiebeginn die Reduktion der Inflammation und die Abnahme des entzündungsbedingten Ödems zunächst zu einem Hirnvolumenverlust innerhalb des ersten Thera-piejahres führen [Zivadinov et al. 2008]. Erst nach längerer Therapiedauer (z. B. im zweiten und dritten Jahr) kann dann der „wahre“ Effekt auf die Hirnatrophierate beurteilt werden [Hardmeier et al. 2005].

3.3. Klinische Relevanz der HirnatrophieZahlreiche Studien konnten zeigen, dass der Hirnvolumen-verlust in der MS klinische Relevanz hat. Sowohl die Ab-nahme des globalen Hirnvolumens als auch insbesondere der kortikalen grauen Substanz korrelieren signifikant mit der Behinderungsprogression [De Stefano et al. 2018, Fisher et al. 2008, Fisniku et al. 2008, Popescu et al. 2013, Zivadinov et al. 2016]. So zeigen RRMS-Patienten, deren Behinderung weiter voranschreitet, eine höhere Atrophierate als klinisch stabile Patienten und hierbei ist eine Atrophie der grauen Substanz stärker mit der Behinderungsprogression asso-ziiert als die der weißen Substanz [Jacobsen et al. 2014, Rudick et al. 2000, Zivadinov et al. 2016]. Die Erfassung des Hirnvolumenverlusts im frühen Stadium der Erkran-kung könnte daher einen guten Prädiktor für die zukünftige Behinderung darstellen. So zeigten Fisher und Mitarbeiter in einer klinischen Studie bei Patienten mit RRMS, dass die Hirnatrophierate in den ersten zwei Jahren den einzigen signifikanten Faktor darstellte, der den Behinderungsgrad über acht Jahre prognostizieren konnte. Die Hirnatrophie war stärker mit der zukünftigen Behinderung korreliert als das T2-Läsionsvolumen [Fisher et al. 2002]. Auch hier ist die Atrophie der grauen Substanz besser für eine Prognose der zukünftigen Behinderung geeignet als die der weißen Substanz [Roosendaal et al. 2011, Tedeschi et al. 2005]. Die Differenz zwischen erwartetem normalisiertem Hirnvolumen und gemessenem normalisiertem Hirnvolumen kann ebenfalls genutzt werden, um eine zukünftige Progression der Behinde-rung abzuschätzen. So zeigen Patienten mit einem niedrigen normalisierten Hirnvolumen ein deutlich höheres Risiko für eine Verschlechterung ihrer Behinderung nach zwei Jahren als Patienten mit einem hohen normalisierten Hirnvolumen (Hazard Ratio: 1,75; p = 0,001) [Sormani et al. 2017].

Die Hirnatrophie korreliert nicht nur mit der Behinderungs-progression, sondern es besteht auch ein Zusammenhang mit kognitiven Beeinträchtigungen. Kognitive Dysfunktion kann bereits frühzeitig im Verlauf der Erkrankung auftreten [Glanz et al. 2007] und bis zu 70 % der Patienten mit MS sind im Laufe ihrer Erkrankung von kognitiven Einschränkungen betroffen, die unter anderem Gedächtnisleistungen, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit beeinflussen können [Chiaravalloti und DeLuca 2008]. Patienten mit RRMS weisen sowohl ein niedrigeres Hirnvolumen als auch ein geringeres Volumen der neokortikalen grauen Substanz auf, wenn bei ihnen kognitive Defizite nachweisbar sind verglichen mit Patienten mit unauffälliger kognitiver Perfor-mance [Calabrese et al. 2009]. Die kortikale Atrophie lässt sich bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen frühzeitig nachweisen [Amato et al. 2004] und stellt wahrscheinlich einen guten Prädiktor für zukünftige kognitive Störungen

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dar [Calabrese et al. 2009]. Der Einfluss der Hirnatrophie auf die kognitive Funktion hängt jedoch vermutlich auch von der sogenannten „kognitiven Reserve“ von Patienten mit MS ab. So zeigen Patienten mit einem höheren kognitiven Leistungsniveau (entsprechend der „kognitiven Reserve“) – erworben durch Bildung und intellektuell stimulierende Beschäftigungen – trotz des negativen Einflusses der Hirna-trophie weniger kognitive Einschränkungen als Patienten mit einer geringen kognitiven Reserve [Sumowski et al. 2009]. Dieser Kompensationsmechanismus scheint jedoch nicht dauer haft zu schützen, sondern verschiebt vermutlich lediglich den Zeitpunkt, zu dem kognitive Störungen klinisch manifest bzw. messbar werden.

Inwiefern die Hirnatrophie mit der Schubrate korreliert, wurde bisher nur in wenigen Studien untersucht. Studienergebnisse deuten jedoch an, dass Patienten mit einer höheren Anzahl von Schüben unter einer schnelleren Akkumulation von Hirnatrophie leiden können [Horakova et al. 2009].

4. Therapie – milde/moderate RRMS

Die aktuelle Leitlinie der DGN unterscheidet zwischen der Therapie der milden/moderaten und der Therapie der aktiven bzw. hochaktiven Verlaufsform der RRMS. Im Folgenden wer-den Daten zu den verfügbaren Therapieoptionen zur Wirkung auf die Hirnatrophieraten dargestellt. Bei der Betrachtung der Daten sollte jedoch beachtet werden, dass eine Ver-gleichbarkeit über Studiengrenzen hinweg allein schon wegen der unterschiedlichen zum Einsatz kommenden Verfahren hinsichtlich relativer Volumenverlustraten nicht möglich ist.

4.1. GlatirameracetatGlatirameracetat ist für die Behandlung des KIS sowie der RRMS zugelassen und wird entweder einmal täglich als 20 mg-Do-sis subkutan (s.c.) injiziert [DGN/KKNMS 2014] oder – wie unlängst zugelassen – dreimal wöchentlich als 40 mg-Dosis [Khan et al. 2013].

In einer kleinen Studie mit 27 an RRMS erkrankten Patienten wurde eine etwa 24-monatige Behandlung mit 20 mg Glatira-meracetat/Tag gegenüber Plazebo verglichen und es konnte unter Glatirameracetat eine signifikant geringere Rate des jährlichen Hirnvolumenverlusts beobachtet werden (-0,6 % vs. -1,8 %; p = 0,0078) [Ge et al. 2000]. Während in der initialen Analyse einer europäisch-kanadischen Studie zu Glatiramer-acetat während der 18-monatigen Studiendauer kein Vorteil gegenüber Plazebo bezüglich der Hirnatrophierate (ermittelt mittels halbautomatisierter Methode) [Rovaris et al. 2001] gezeigt werden konnte, zeigte sich in einer Re-Analyse der

Daten mittels der vollautomatisierten SIENA-Methode (s. o.) ein positiver Effekt von Glatirameracetat auf die Hirnatrophie [Sormani et al. 2004], der jedoch nicht über eine längere Beobachtungsdauer von fünf Jahren beibehalten werden konnte [Rovaris et al. 2007].

4.2. Interferon-beta-1a / Interferon-beta-1b / Peginterferon-beta-1a

Interferon-beta-1a intramuskulär (i.m.), Interferon-beta-1a (s.c.) und Interferon-beta-1b (s.c.) sind ebenfalls zur Anwendung beim KIS sowie der RRMS zugelassen. Als neuere Option steht seit Juli 2014 auch ein pegyliertes Interferon (Pegin-terferon-beta-1a) zur Verfügung, das nur alle zwei Wochen s.c. appliziert werden muss [EMA 2014].

In einer Analyse der Phase-III-Zulassungsstudie, in der Pati-enten mit RRMS wöchentlich appliziertes Interferon-beta-1a (30 µg i.m.) oder Plazebo erhielten, wurden die Hirnatrophie-raten von 140 Patienten ausgewertet. Während im ersten Behandlungsjahr kein Effekt von Interferon-beta-1a auf die Hirnatrophie festgestellt werden konnte, zeigten Interfe-ron-beta-1a-behandelte Patienten im zweiten Jahr signifikant weniger Hirnvolumenverlust als Patienten, die Plazebo erhal-ten hatten (-0,23 % vs. -0,52 %; p = 0,03) [Rudick et al. 2000]. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer Subgruppenanalyse der europäischen Dosisvergleichs studie gefunden: Auch hier zeigte sich erst im zweiten und dritten Behandlungsjahr eine Reduktion der Hirnatrophie [Hardmeier et al. 2005]. Der verzögerte Wirksamkeitseinsatz der Therapie auf die Hirnvolumenverlustrate ist möglicherweise auf Pseudo-atrophie-Effekte im ersten Jahr der Therapie zurückzuführen [Hardmeier et al. 2005, Rudick et al. 2000].

In der Zulassungsstudie ADVANCE, einer zweijährigen, dop-pelt-verblindeten, Plazebo-kontrollierten Phase-III-Studie, erhielten 1.512 Patienten entweder Plazebo oder s.c. applizier-tes Peginterferon-beta-1a in einer Dosis von 125 μg alle zwei oder alle vier Wochen. Im zweiten Jahr der ADVANCE-Studie wurde das Dosierungsschema der Peginterferon-Probanden beibehalten. Die ursprünglich in die Plazebo-Gruppe rando-misierten Patienten erhielten im zweiten Jahr ebenfalls 125 μg Peginterferon-beta-1a (alle zwei oder vier Wochen). 1.332 bzw. 1.198 Patienten schlossen das erste bzw. zweite Jahr der Studie ab. In den ersten sechs Monaten der Behandlung mit Peginterferon-beta-1a wurde gegenüber der Plazebo-Gruppe eine stärkere Hirnvolumenminderung beobachtet. In der sich anschließenden Zeit bis zur Woche 96 kehrte sich dieser Effekt jedoch um und es konnte bei Patienten, die bereits im ersten Jahr Peginterferon-beta-1 erhielten, eine geringere Hirnatrophierate erzielt werden als bei Patienten, die im ersten Jahr mit Plazebo behandelt wurden. Die Autoren

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7Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie

folgerten aus den Daten, dass in den ersten sechs Monaten unter Peginterferon-beta-1a vermutlich eine Pseudoatrophie aufgetreten ist [Arnold et al. 2017].

Plazebo-kontrollierte, klinische Studien zur Wirksamkeit von In-terferon-beta-1b in Bezug auf die Reduktion von Hirnvolumen-verlust sind bislang nicht vorhanden.

4.3. DimethylfumaratDimethylfumarat (BG-12) erhielt 2014 die Zulassung für die Behandlung von Patienten mit RRMS und wird zweimal täglich zu je 240 mg oral angewendet.

In der randomisierten, Plazebo-kontrollierten Phase-III-Stu-die DEFINE erhielten die 540 Studienteilnehmer 240 mg Dimethylfumarat zweimal bzw. dreimal (nicht zugelassene Dosis) täglich. Die zweimal tägliche Dosis reduzierte über einen Zeitraum von zwei Jahren signifikant die Hirnvolu-menverlustrate im Vergleich zu Plazebo (p = 0,045). Für die dreimal täglich verabreichte Dosis konnte hingegen kein Effekt bezüglich der Reduktion der Hirnatrophie gezeigt werden [Arnold et al. 2014]. In der zweiten Phase-III-Studie (CONFIRM) wurde die Wirksamkeit von Dimethylfumarat (240 mg zweimal bzw. dreimal täglich) gegenüber Plazebo untersucht, zusammen mit einem nicht für einen statistischen Vergleich gepowerten Vergleichsarm mit Glatirameracetat. Über einen Zeitraum von zwei Jahren zeigte sich unter der zweimal täglichen Dosis eine numerische Reduktion der Volumenverlustrate um ca. 30 %, die statistisch jedoch nicht signifikant war (p = 0,0645) [Miller et al. 2015].

4.4. TeriflunomidTeriflunomid ist der aktive Metabolit des zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassenen Wirkstoffes Leflunomid und erhielt im August 2013 die Zulassung für die Therapie der RRMS. Es wird oral in einer einmal täglichen Dosierung von 14 mg eingesetzt.

In der randomisierten, Plazebo-kontrollierten TEMSO-Studie wurden insgesamt 1.088 Patienten über einen Zeitraum von 108 Wochen beobachtet. Weder unter der nicht zugelassenen Dosierung von 7 mg noch einer Dosis von 14 mg konnte in der primären Analyse der Daten eine signifikante Reduktion des globalen Hirnvolumenverlusts im Vergleich zu Plazebo gezeigt werden [O‘Connor et al. 2011]. Eine Re-Analyse der TEMSO-Studiendaten mittels SIENA ergab, dass Teriflunomid sich vermutlich doch positiv auf die Hirnatrophierate aus-wirkt. So wurde in der Analyse gezeigt, dass die prozentuale Änderung des Hirnvolumens im Vergleich zur Baseline unter 14 mg Teriflunomid im Vergleich zu Plazebo geringer ausfällt (Jahr 1: 0,39 % vs. 0,61 %; Jahr 2: 0,90 % vs. 1,29 %; jeweils

p = 0,0001) [Radue et al. 2017]. Eine Post-hoc-Auswertung der segmentierten MRT-Daten ergab für die 14 mg-Dosis eine signifikante Reduktion der Atrophierate der weißen Substanz (7 mg: p = 0,0609; 14 mg: p = 0,0002), nicht jedoch der grauen Substanz [Wolinsky et al. 2013]. Die zweite Phase-III-Studie mit Teriflunomid in der RRMS (TOWER) sah keine MRT- Unter-suchungen vor [Confavreux et al. 2014].

5. Verlaufsmodifizierende Behandlung – aktive und hochaktive RRMS

5.1. FingolimodFingolimod ist in einer Dosis von 0,5 mg zur Behandlung der RRMS zugelassen.

Für Fingolimod existieren systematische Daten bezüglich der Wirksamkeit auf die Hirnatrophierate. So konnte ein positiver Effekt von Fingolimod im gesamten Phase-III-Pro-gramm (FREEDOMS, FREEDOMS II und TRANSFORMS) sowie deren Verlängerungsstudien nachgewiesen werden. In der doppelblinden, randomisierten, Plazebo-kontrollier-ten Studie FREEDOMS zeigte sich über den 24-monatigen Zeitraum unter 0,5 mg Fingolimod bzw. 1,25 mg Fingolimod (nicht zugelassene Dosis) ein signifikant geringerer globaler Hirnvolumenverlust als unter Plazebo (PBVC: -0,84 % bzw. -0,89 % vs. -1,31 %; jeweils p < 0,001) (Abbildung 1).

0

-0,4

-0,8

-1,2

-1,6

-2,0

0 6 12 24

Dur

chsc

hnit

tlic

he V

erän

deru

ng z

ur B

asel

ine

%

Zeit (Monate)

Fingolimod 0,5 mg

Plazebo

Abbildung 1: Durchschnittliche prozentuale Hirnvolumenveränderung ge-

genüber dem Ausgangswert bei Patienten mit RRMS, die entweder 0,5 mg

Fingolimod oder Plazebo erhalten hatte; modifiziert nach [Radue et al. 2012].

Dieser Effekt war bereits nach sechs Monaten Behandlungs-dauer auf Gruppenebene nachweisbar und blieb über die Monate 0 bis 12 und Monate 12 bis 24 konsistent [Kappos et al. 2010, Radue et al. 2012]. In der zweijährigen Verlängerung

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8

der FREEDOMS-Studie konnten Patienten, die zuvor Plazebo erhalten hatten, auf Fingolimod wechseln. Auch hier zeigte sich nach dem Wechsel ein positiver Effekt von Fingolimod. Während in den ersten beiden Jahren der FREEDOMS-Studie (Plazebo-Behandlung) der PBVC bei -1,42 % lag, konnte in den Monaten 24 bis 48 (0,5 mg Fingolimod) eine Reduktion des PBVC auf -0,9 % erreicht werden. Patienten, die kontinuier-lich über die gesamte Studiendauer (vier Jahre) mit 0,5 mg Fingolimod behandelt wurden, wiesen insgesamt einen nied-rigeren Verlust an Hirnvolumen auf (-1,7 %) als Patienten, die erst nach zwei Jahren wechselten (-2,2 %) [Kappos et al. 2015].

Vergleichbare Ergebnisse wie in der FREEDOMS-Studie wurden für die doppelblinde, randomisierte, Plazebo-kont-rollierte Studie FREEDOMS II berichtet. Auch hier zeigte sich über einen Zeitraum von 24 Monaten unter einer Therapie mit 0,5 mg Fingolimod im Vergleich zu Plazebo ein signifikant geringerer PBVC (-0,86 % vs. -1,28 %; p = 0,0002) [Calabresi et al. 2014].

In der TRANSFORMS-Studie, in der Fingolimod (0,5 mg und 1,25 mg) über zwölf Monate mit einer Interferon-beta- 1a- Therapie (einmal wöchentlich 30 µg i.m.) verglichen wurde, zeigte sich für Fingolimod ein signifikant niedrigerer Hirn-volumenverlust als für Inteferon-beta-1a (p < 0,001 für beide Dosierungen). So lag die jährliche Hirnatrophierate unter Fingolimod bei -0,31 % (0,5 mg) bzw. -0,30 % (1,25 mg; nicht zugelassen) und unter Interferon-beta-1a bei -0,45 % [Cohen et al. 2010]. Diese Raten wurden unter der Therapie mit 0,5 mg Fingolimod über einen Zeitraum von bis zu 4,5 Jahren aufrechterhalten. Patienten, die während der Verlängerung der TRANSFORMS-Studie von Interferon-beta-1a auf Fin-golimod umstellten, profitierten ebenso und zeigten über den folgenden Studienzeitraum eine Verlangsamung der Hirnatrophierate gegenüber der Kernstudie [Cohen et al. 2016]. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Fingolimod gegenüber Plazebo den Verlust der tiefen grauen Substanz (inklusive Thalamus) signifikant um 15 % (Thalamus: 27 %) reduziert [Gaetano et al. 2018].

5.2. NatalizumabDer humanisierte Antikörper Natalizumab ist für die Therapie der RRMS zugelassen und wird in einer Dosis von 300 mg intravenös (i.v.) alle vier Wochen verabreicht.

Die klinische Wirksamkeit von Natalizumab wurde in der randomisierten, Plazebo-kontrollierten Phase-III-Studie AFFIRM untersucht. 942 Patienten mit RRMS erhielten über einen Zeitraum von zwei Jahren entweder Natalizumab oder Plazebo und es zeigte sich am Ende der Studienzeit kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen bezüglich

des Hirnvolumenverlusts. Bei der Betrachtung der einzelnen Jahre wurde jedoch festgestellt, dass das Hirnvolumen im ersten Behandlungsjahr unter Natalizumab signifikant mehr reduziert wurde als unter Plazebo (-0,56 % vs. -0,40 %; p = 0,002), während es im zweiten Jahr zu einer deutlichen Verminderung des Hirnvolumenverlusts unter Natalizumab (-0,24 %) gegenüber Plazebo (-0,43 %; p = 0,004) kam [Miller et al. 2007]. Vergleichbare Ergebnisse wurden in einer weiteren Phase-III-Studie erzielt. Auch hier wurde im ersten Jahr der Natalizumab-Behandlung eine Hirnvolumenminderung beob-achtet, während sich im zweiten Jahr die Volumenverlustrate signifikant verlangsamte [Radue et al. 2010]. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass im ersten Behandlungsjahr mit Natalizumab aufgrund der starken antiinflammatorischen Effekte eine Pseudoatrophie auftritt. So zeigte sich die hohe Hirnatrophierate im ersten Jahr vor allem bei Patienten mit Gadolinium-aufnehmenden Läsionen, während bei Patienten ohne starke Inflammation die Hirnatrophierate niedriger ausfiel. Dieser Pseudoatrophie-Effekt ist vermutlich haupt-sächlich auf Volumenveränderungen in der weißen Substanz zurückzuführen. Der langfristige Effekt von Natalizumab, d. h. eine Reduktion der Hirnatrophie, wurde schließlich im zweiten Behandlungsjahr beobachtet (Abbildung 2) [Vidal-Jordana et al. 2013]. Dieser Effekt der Pseudoatrophie sollte daher, wie auch bei Interferon-beta, beachtet werden, wenn eine Einschätzung der klinischen Wirksamkeit von Natalizumab basierend auf MRT-Untersuchungen erfolgt.

Monate 0 bis 12 Monate 12 bis 24

0

-0,2

-0,4

-0,6

-0,8

-1

-1,2

-1,4

-1,6

-1,8Dur

chsc

hnit

tlic

he V

erän

deru

ng z

ur B

asel

ine

%

Gadolinium-positive Patienten Gadolinium-negative Patienten

p = 0,005

p = 0,026

-1,55

-0,53-0,41

-0,63

Abbildung 2: Veränderung des Hirnvolumens während des ersten und

zweiten Behandlungsjahres mit Natalizumab bei Patienten mit bzw. ohne

Gadolinium-aufnehmende Läsionen; modifiziert nach [Vidal-Jordana et

al. 2013].

5.3. AlemtuzumabDer monoklonale Antikörper Alemtuzumab ist seit September 2013 für die Therapie der RRMS mit einer einmal jährlichen Dosis von 60 mg (12 mg i.v. an jeweils fünf aufeinanderfolgen-

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9Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie

den Tagen) im ersten Jahr und 36 mg (12 mg i.v. an jeweils drei aufeinanderfolgenden Tagen) im zweiten Behandlungsjahr zugelassen.

In der randomisierten, zweijährigen Phase-III-Studie CA-RE-MS I zeigte sich, dass Alemtuzumab den Hirnvolumenver-lust bei 563 bisher unbehandelten Patienten mit RRMS im Vergleich zu Interferon beta 1a (44 μg s.c., dreimal wöchentlich) nach 24 Monaten um etwa 40 % senken konnte (Abbildung 3A) [Cohen et al. 2012]. Bei Patienten mit RRMS, die vor der Behandlung mit Alemtuzumab bereits mit Interferonen oder Glatirameracetat behandelt worden waren (Phase-III-Studie CARE-MS II), aber weiterhin Zeichen der Krankheitsaktivität hatten, wurde ebenfalls ein positiver Effekt auf die Hirnat-rophierate beobachtet, der jedoch schwächer ausfiel. So konnte Alemtuzumab den Hirnvolumenverlust im Vergleich zu Interferon-beta-1a nach 24 Monaten um etwa 25 % reduzieren (Abbildung 3B) [Coles et al. 2012]. Die Follow-Up-Daten der CARE-MS-II-Studie zeigen, dass die jährlichen Hirnvolumen-verlustraten unter Alemtuzumab über einen Zeitraum von fünf Jahren konstant niedrig bleiben (Jahr 1–5: -0,48 %, -0,22 %, -0,10 %, -0,19 %, -0,07 %) [Coles et al. 2017].

A) B)

0

-0,2

-0,4

-0,6

-0,8

-1

-1,2

-1,4

-1,6

-1,8

Med

iane

Ver

ände

rung

(%)

Interferon-beta-1a Alemtuzumab 12 mg

Abbildung 3: Veränderung des Hirnvolumens über einen Zeitraum von

zwei Jahren unter Behandlung mit Interferon-beta-1a oder Alemtuzumab

bei A) vorher unbehandelten und B) zuvor mit Interferonen- oder Glati-

rameracetat-behandelten Patienten mit RRMS; modifiziert nach [Cohen

et al. 2012, Coles et al. 2012].

5.4. CladribinSeit August 2017 ist der Wirkstoff Cladribin in Form von 10 mg-Tabletten zur Therapie der RMS zugelassen und wird in einer kumulativen Gesamtdosis von 3,5 mg/kg Körpergewicht über zwei Jahre angewendet.

Die Wirksamkeit von Cladribin wurde in der Phase-III-Studie CLARITY untersucht. In die randomisierte, doppelblinde

Multi zenter-Studie wurden 1.326 RRMS-Patienten einge-schlossen, die entweder Cladribin (kumulative Dosis: 3,5 oder 5,25 mg/kg Körpergewicht) oder Plazebo an jeweils mehreren Tagen zu Beginn des ersten sowie des zweiten Behandlungs-jahres erhielten. Bei 1.025 Patienten lagen die Daten für eine zusätzliche Analyse des Hirnvolumens vor. Es konnte gezeigt werden, dass unter Cladribin der jährliche Hirnvolumenverlust im Vergleich zu Plazebo signifikant reduziert werden kann (3,5 mg/kg: -0,56 %; 5,25 mg/kg: -0,57 % vs. Plazebo: -0,70 %; p = 0,010 bzw. p = 0,019). Patienten mit dem geringsten Hirn-volumenverlust hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, nach zwei Jahren frei von Behinderungsprogression zu bleiben als Patienten mit höheren Hirnvolumenverlustraten [De Stefano et al. 2018].

5.5. OcrelizumabSeit Januar 2018 ist der anti-CD20-Antikörper Ocrelizumab zur Behandlung der RMS zugelassen. Verabreicht wird Ocre-lizumab alle sechs Monate als i. v. Infusion. Die Wirksamkeit von Ocrelizumab in Bezug auf die Hirnatrophie wurde in den randomisierten Phase-III-Studien OPERA I und II untersucht. Während in der OPERA-I-Studie unter Ocrelizumab ein signifikant geringerer Hirnvolumenverlust als unter Interfe-ron-beta-1a beobachtet wurde (Volumenverlust zwischen Woche 24 und 96: -0,57 % Ocrelizumab vs. 0,74 % Interfe-ron-beta-1a; p=0,004), konnte dies in der OPERA-II-Studie nicht bestätigt werden [Hauser et al. 2017].

6. Fazit

Über viele Jahre lag der Fokus der MS-Behandlung auf der Vermeidung von Schüben bzw. der Reduzierung der Schubrate im Falle klinisch hochaktiver Patienten. Neue, teils hochpo-tente verlaufsmodifizierende Therapieoptionen haben dazu geführt, dass ehrgeizigere Behandlungsziele – wie das Fehlen jedweder Zeichen messbarer Krankheitsaktivität (sogenannte „No Evidence of Disease Activity“ NEDA) – angestrebt werden. Neben der Reduktion von Schüben, der Vermeidung einer Behinderungsprogression sowie entzündlicher MRT-Aktivität (Gadolinium-aufnehmende oder neue und neu sich vergrö-ßernde T2-Läsionen) wurde unlängst auch die Reduktion der MS-assoziierten Hirnatrophie als weiteres Therapieziel vorgeschlagen, das zunehmend Eingang in klinische Studien findet und teils auch als Parameter in das NEDA-Konzept aufgenommen wurde (sogenanntes NEDA-4). Eine Umset-zung eines derartigen Konzepts setzt aber voraus, dass dem Kliniker Atrophieparameter mit ausreichender Genauigkeit und Zuverlässigkeit zur Verfügung gestellt werden können. Auf diesem Gebiet wurden in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Die Atrophieparameter sind dann in der

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Praxis aussagekräftig, wenn die Störgrößen erkannt und bei der Berechnung mitberücksichtigt werden. Dies erfordert ein hohes Maß an Anwendungs- und technologischem Wissen, das bislang nur von spezialisierten Zentren zur Verfügung gestellt werden kann. Bislang gibt es zwar nur wenige klinische Studien, die systematisch die Hirnatrophieraten unter Therapie mit modernen Methoden untersucht haben. Auch ist eine Ver-gleichbarkeit über Studiengrenzen hinweg allein schon wegen der unterschiedlichen zum Einsatz kommenden Verfahren hinsichtlich relativer Volumenverlustraten nicht möglich, es deutet sich jedoch an, dass jüngere Therapieoptionen, wie z. B. Fingolimod oder der monoklonale Antikörper Alemtuzu-mab, robuste Effekte auf die Hirnatrophie zu haben scheinen. Inwieweit dies beispielsweise für die Behinderungsabnahme verantwortlich sein könnte, wie sie z. B. unter Alemtuzumab beobachtet wurde, müssen prospektive, MRT-basierte Studien zeigen. Auch für einige der First-Line-Substanzen existie-ren Daten, die einen gewissen Effekt auf die Hirnatrophie vermuten lassen. Retrospektive Auswertungen pivotaler MRT-Daten erlauben aufgrund methodischer Limitationen (Magnetfeldstärke der eingesetzten MRTs, MRT-Sequenzen etc.) allenfalls eingeschränkte Rückschlüsse auf Atrophie-ver-meidende Effekte dieser Substanzen.

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11Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie

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Multiple Sklerose– Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie –

Impressum

AutorenProf. Dr. Sven Schippling*UniversitätsSpital ZürichKlinik für NeurologieNeuroimmunologie und Multiple Sklerose ForschungFrauenklinikstrasse 26CH-8091 Zürich

Dr. Roland OpferUniversitätsSpital ZürichKlinik für NeurologieNeuroimmunologie und Multiple Sklerose ForschungFrauenklinikstrasse 26CH-8091 Zürich

jung diagnostics GmbHHIP- Health innovation portRöntgenstraße 2422335 Hamburg

RedaktionDr. Maren Klug KW medipoint, Bonn

SatzSusanna Mokroß KW medipoint, Bonn

VeranstalterCME medipoint, Neusäß

Mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg. Der Sponsor nimmt keinen Einfluss auf die zertifizierte Fortbildung.

*wissenschaftliche Leitung

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Lernkontrollfragen

Bitte kreuzen Sie jeweils nur eine Antwort an.

1. Welche Aussage zum Hirnvolumenverlust bei Multipler Sklerose (MS) ist richtig?

a) Der neuroaxonale Gewebeverlust korreliert nur schlecht mit der anhaltenden Behinderungsprogression.

b) Ein über das altersnormale Maß hinausgehender Hirnvolumenverlust tritt erst in späten Stadien der MS auf.

c) Der Hirnvolumenverlust betrifft die weiße und graue Substanz.

d) Insbesondere der Verlust der weißen Substanz wirkt sich negativ auf den Verlauf der Erkrankung aus.

e) In aller Regel wird der Hirnvolumenverlust von den Patienten bereits frühzeitig „bemerkt“.

2. Welche Aussage zu manuellen Messmethoden ist falsch?

a) Bei der manuellen Messung werden anatomische Regionen durch den Untersucher am Bildschirm markiert.

b) Das Volumen einer markierten Region wird durch MRT-Befundungs-Workstations ermittelt.

c) Diese Art der Methode kann auch bei nicht-digitalisierten MRT-Bildern angewendet werden.

d) Diese Art der Methode ist sehr zeitaufwändig.

e) Die manuelle Messung ist gut reproduzierbar.

3. Welche Aussage zur Anwendung von Messmethoden ist richtig?

a) Bei Querschnittstudien kommen meist Segmentierungs-basierte Methoden zum Einsatz.

b) Längsschnittuntersuchungen ermöglichen eine relativ schnelle Datenerfassung.

c) Querschnittsstudien berücksichtigen die Varianz der Messung.

d) Die SIENA-Methode ist für Querschnittsuntersuchungen am besten geeignet.

e) Die Freesurfer-Methode ist auch bei 2D-Bildern anwendbar.

4. Welche Aussage zu Ergebnissen von Messmethoden ist falsch?

a) Ergebnisse, die mit unterschiedlichen Methoden erzielt wurden, können in der Regel nicht miteinander verglichen werden.

b) Bei Längsschnittuntersuchungen ist es aufgrund individueller Kontrastprofile zwingend erforderlich, die MRT-Daten mit demselben Scanner und Protokoll zu akquirieren.

c) Das Alter spielt keine Rolle bei der Interpretation von Ergebnissen.

d) Änderungen im Wasserhaushalt können Volumenänderungen hervorrufen.

e) Eine Steroidtherapie kann die Bestimmung von Hirnvolumenverlustraten beeinflussen.

5. Ab welchem durchschnittlichen Wert einer jährlichen prozentualen Hirnvolumenveränderung (PBVC) kann laut einer Studie von einem pathologischen Hirnvolumenverlust ausgegangen werden?

a) -0,2 %

b) -0,4 %

c) -0,7 %

d) -1,5 %

e) -2,0 %

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13Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie

6. Welche Aussage zur Hirnatrophie bei MS ist falsch?

a) Der Verlust von weißer Substanz kann vermutlich den Übergang vom klinisch isolierten Syndrom (KIS) zu MS prognostizieren.

b) In den ersten Jahren der Erkrankung kommt es bereits innerhalb kürzester Zeit zu einem Verlust der grauen Substanz.

c) Der Thalamus ist vermutlich bereits früh von der Atrophie betroffen.

d) In frühen Stadien der Erkrankung kann es zu einem scheinbaren Volumenzuwachs der weißen Substanz kommen.

e) Im ersten Jahr einer Immuntherapie kann es aufgrund der Reduktion der Inflammation und Abnahme eines entzündungsbedingten Ödems zu dem Effekt der „Pseudoatrophie“ kommen.

7. Wie viele Patienten mit MS sind im Laufe der Erkrankung von kognitiven Einschränkungen betroffen?

a) Bis zu 10 %

b) Bis zu 20 %

c) Bis zu 40 %

d) Bis zu 50 %

e) Bis zu 70 %

8. Für welchen Wirkstoff liegt bislang noch keine Plazebo-kontrollierte Studie zur Wirksamkeit auf die Hirnatrophie bei milder/moderater RRMS vor?

a) Glatirameracetat

b) Interferon-beta-1a

c) Interferon-beta-1b

d) Dimethylfumarat

e) Teriflunomid

9. Welche Aussage zu dem Wirkstoff Fingolimod ist falsch?a) Fingolimod ist in einer Dosis von 0,5 mg zur Behandlung der RRMS zugelassen.

b) Für Fingolimod konnte im gesamten Phase-III-Programm (FREEDOMS, FREEDOMS II und TRANSFORMS) ein positiver Effekt auf die Hirnatrophie nachgewiesen werden.

c) Patienten, die über vier Jahre kontinuierlich mit 0,5 mg Fingolimod behandelt werden, weisen insgesamt einen nied-rigeren Verlust an Hirnvolumen auf als Patienten, die erst nach zwei Jahren von Plazebo auf Fingolimod wechseln.

d) Fingolimod ist Interferon-beta-1a hinsichtlich der Verlangsamung der Hirnatrophierate überlegen.

e) Fingolimod wirkt sich nicht auf den Verlust der tiefen grauen Substanz aus.

10. Welche Aussage zur Behandlung der aktiven bzw. hochaktiven RRMS mit Antikörpern ist richtig?

a) Natalizumab wird wöchentlich in einer Dosis von 300 mg intravenös verabreicht.

b) Unter Natalizumab kann im ersten Therapiejahr eine Pseudoatrophie auftreten.

c) In der Studie CARE-MS I zeigte sich unter Interferon-beta-1a ein deutlich geringerer Hirnvolumenverlust als unter Alemtuzumab.

d) Der anti-CD20-Antikörper Cladribin wird alle sechs Monate als Infusion verabreicht.

e) Ocrelizumab wird in Form von 10 mg-Tabletten zur Therapie der RMS angewandt.

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VNR: 2760909008025250012 | Gültigkeit: 23.07.2018-23.07.2019

Vergabe eines Teilnahme-Zertifikates der Landesärztekammer Bayern: Ab 7 richtig beantworteten Fragen erhalten Sie 4 Fortbildungspunkte.

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Erklärung: Ich versichere, dass ich die Beantwortung der Fragen selbstständig und ohne fremde Hilfe durchgeführt habe. Der Zustellung der Teilnahmebescheinigung durch den Sponsor stimme ich zu.

Lernerfolgskontrolle· a b c d e123456789

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Evaluation (freiwillig): Bitte bewerten Sie nach dem Schulnoten-System (1 = ja, sehr; 6 = gar nicht) 1 2 3 4 5 6

A Meine Erwartungen hinsichtlich der Fortbildung haben sich erfüllt.

B Während des Durcharbeitens habe ich fachlich gelernt.

C Der Text hat Relevanz für meine praktische Tätigkeit.

D Die Didaktik, die Eingängigkeit und die Qualität des Textes sind sehr gut.

E Der Aufwand für die Bearbeitung (zeitlich und organisatorisch) hat sich gelohnt.

F In der Fortbildung wurde die Firmen- und Produktneutralität gewahrt.

G Diese Form der Fortbildung möchte ich auch zukünftig erhalten.

Mutiple Sklerose– Modul 3: MS: Krankheitsaktivität und Hirnatrophie –

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