Mythos Merkantilismus: Die Geburt der Wirtschaftstheorie und ihre Entwicklung im Überblick

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Mohammad Sadeghi Esfahlani Matrikelnummer: 278063 1 Hausarbeit im Rahmen des Hauptseminars: „Europäische Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus“ RWTH Aachen Lehr- und Forschungsgebiet Wirtschafts- und Sozialgeschichte Sommersemester 2008 Dozent: Prof. Dr. Paul Thomes Mythos Merkantilismus Die Geburt der Wirtschaftstheorie und ihre Entwicklung im Überblick vorgelegt von: Mohammad Sadeghi Esfahlani Matrikelnummer: 278063 Rochusstraße. 32 52062 Aachen Abgabetermin:20.08.2008

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Hausarbeit im Rahmen des Hauptseminars:„Europäische Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus“RWTH Aachen Lehr- und Forschungsgebiet Wirtschafts- und Sozialgeschichte Sommersemester 2008 Dozent: Prof. Dr. Paul Thomes

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Mohammad Sadeghi Esfahlani Matrikelnummer: 278063

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Hausarbeit im Rahmen des Hauptseminars: „Europäische Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus“

RWTH Aachen

Lehr- und Forschungsgebiet Wirtschafts- und Sozialgeschichte Sommersemester 2008

Dozent: Prof. Dr. Paul Thomes

Mythos Merkantilismus

Die Geburt der Wirtschaftstheorie und ihre Entwicklung im Überblick

vorgelegt von:

Mohammad Sadeghi Esfahlani Matrikelnummer: 278063

Rochusstraße. 32 52062 Aachen

Abgabetermin:20.08.2008

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis………………………………………… ............................................. III

Einleitung……………………………………………………. .................................................. 1

A.Ideologische und gesellschaftliche Hintergründe des Merkantilismus .................................. 2

Die Rolle der Religion 2

Die absolutistische Ideologie 3

Profiteure des Nationalstaates 4

Die Preisrevolution und die Monetaristen 5

B.Das merkantilistische System und seine Ausprägungen ........................................................ 7

Der englische Merkantilismus 9

Der „Colbertismus“ 10

Kameralismus: Merkantilismus in Deutschland 12

Der Merkantilismus in Holland 13

Zwischenfazit 14

C.Die Wirtschaftstheorie nach dem Merkantilismus und ihre Entwicklung ............................ 15

Der Merkantilismus und die klassische Ökonomie 15

Von Monetarismus zu Monetarismus 17

D.Fazit………………………………………………………. ................................................. 20

Literaturverzeichnis…………………………………………… .............................................. IV

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Förderung der Entwicklung des inneren Marktes…………….…………………...8

Abb. 2: Förderung der aktiven Handelsbilanz……………………….……………………..8

Abb. 3: Der Merkantilismus im Überblick…………………………………………………9

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Einleitung

Es ist erstaunlich, wie sehr bei der Begriffssynthese, mit der verschiedenster Phäno-

menen verschiedener Disziplinen verbunden werden, die Meinungen auseinander gehen.

Dennoch gewährt die Aufdeckung der geschichtlich-politischen Struktur des Merkantilismus

den Zugang zur Geschichtlichkeit unserer Welt, da auch der weitere Verlauf der Geschichte

noch weitgehend von der damaligen Formung mitbedingt ist. Auch wenn die gängige Mei-

nung den Merkantilismus nicht als eine Wirtschaftstheorie anerkennt, gilt diese als eine wich-

tige Grundlage für einer der am spätesten entstandenen Wissenschaftsdisziplinen: Die Wirt-

schaftswissenschaften oder die Ökonomie.

Thomas von Aquino (1225-1274), der mittelalterliche Theologe, der den größten Ein-

fluss auf die Lehre der katholischen Kirche gehabt hat, versteht die Wirtschaft als ein „Feld

ethisch bestimmten Handelns“. Dabei sei „die Gerechtigkeit, diejenige Orientierung des Han-

delns, die dazu führt, dass die Wirtschaft ihrer Aufgabe voll entsprechen kann“.1 Ähnliche

Ansätze wie diese, welche als die ersten Gedanken über das Erkenntnisobjekt „Wirtschaft“ zu

werten sind, gelten als Vorläufer der eigentlichen Nationalökonomie. Die Entwicklung des

ökonomischen Denkens von der Antike bis zur Reformationszeit, in einer unaufgeklärten Ge-

sellschaft die in einer Welt von Göttern, Geistern und Dämonen existierte, beschränkte sich

lediglich auf die Lösung wirtschaftlicher Einzelprobleme, die sich im realen gesellschaftli-

chen Zusammenleben ergeben. Die Ergebnisse dieser Entwicklung waren ethische Normen.

Ob „Gemeinwohl“ oder „Gott“, gegenüber dem Privateigentum stand eine ethisch gerechtfer-

tigte „Verpflichtung“, die das Gleichgewicht des Zusammenlebens ausgleichen sollte.

Das die „Epoche des Merkantilismus“ im Kernzeitraum der Renaissanceepoche ein-

zuordnen ist, ist also alles andere als zufällig. Es war nicht nur die Wirtschaft in Europa, die

durch der Entstehung zentraler Nationalstaaten (Im Kontrast zu isolierten Feudalterritorien)

im Übergang war. Vielmehr riefen grundlegende gesellschaftliche Veränderungen, eine neue

Weltanschauung hervor.

1 Schinzinger, Francesca: Vorläufer der Nationalökonomie. o.j. In: Issing, Otmar (Hg.): Geschichte der

Nationalökonomie 4. Frankfurt 2001, S. 18

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Um diese komplexe Veränderungen, die in ihrer wirtschaftlichen Dimension mit

„Merkantilismus“ ihren Beginn erlebt, besser verstehen zu können, werden die theoretischen

Grundlagen sowie die Entstehungshintergründe des Merkantilismus, im ersten Teil dieser Ar-

beit diskutiert. Im zweiten Teil wird der Merkantilismus, erst zusammenfassend und darauf-

hin in seiner wichtigsten Auslegung und Praktizierung, dargestellt, um die Gemeinsamkeiten

und Unterschiede im Zusammenhang mit den Hintergründen diskutieren zu können. Der letz-

te Abschnitt widmet sich dem Fortentwicklungsprozess und der Identifizierung theoretischer

Parallelen und Gemeinsamkeiten der merkantilistischen Denkweise, und der folgenden Wirt-

schaftstheorien. Zum Schluss werden die Entwicklungen und Zusammenhänge der Ökonomie

im Kontext der gesamtwissenschaftlichen Entwicklung ausdiskutiert.

A. Ideologische und gesellschaftliche Hintergründe des Merkanti-

lismus

Die Rolle der Religion

In den Zeiten zwischen den 16. Und 17. J.h. bewegte sich die Herrschaftsstruktur in

Europa von dem bis dahin dominierenden Feudalsystem und dem mittelalterliche Klerikalis-

mus in Richtung zentraler Regierungen, die von aus eigener Machtvollkommenheit handeln-

den Herrschern, ohne politische Mitwirkung ständischer Institutionen, bestimmt waren. Ein

Verstaatlichungsprozess, der sich unter anderem in der Aufstellung stehender Heere, dem

Aufbau eines allein vom Herrscher abhängigen Beamtenapparats und der Einbindung der Kir-

che in das Staatswesen charakterisierte, zeichnete den Absolutismus (vor seiner Entwicklung

zu der aufgeklärten Form) aus. Sicherlich haben die Religionskriege den Absolutismus in sei-

ner Entstehung gehindert. Die eigentliche Entstehung des (Konstitutionellen) Absolutismus ist

auf die Zeit nach Heinrich IV, durch die Konzentration aller staatlichen Gewalt (Legislative,

Exekutive und Judikative) in den Händen des Königs, zurückzuführen. Jedoch ist in der abso-

lutistischen Ideologie, sowohl in seiner Anfangsphase als auch später und bis in die Neuzeit,

deutliche Züge der religiösen Weltanschauung zu erkennen. Die Stellung des Adels in der

damals vordefinierten Ständegesellschaft, ist ein weiterer Indiz für diese Behauptung. 2

Die Religion bot aber nicht nur auf konstitutioneller Ebene eine dominante Struktur-

ideologie an, sondern determinierte auch die damalige Wirtschaftsordnung, -die auf ein Ge-

2 Vgl. Kunisch, Johannes: Absolutismus, Europäische Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zur

Krise des Ancien Regime( 2. Aufl.), Stuttgart 1999, S. 179-200.

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sellschaftssystem von Rechten und Pflichten basierte- in der die Masse der europäischen Be-

völkerung lebte.3

Die wirtschaftlichen Verhaltensregeln, die in der orthodoxen Moralphilosophie des

Mittelalters (und auch lange Zeit danach!) verkörpert waren, standen im Missverhältnis zu

einer erfolgsorientierten, gewinnmotivierten Verhaltensweise in der Marktwirtschaft. Sie

taugten für eine Gesellschaft mit festen Gruppen.4

Somit dominierte zum Entstehungszeitpunkt des Absolutismus eine universalistische

und apokatastasistische Ideologie, und die absolutistische Ideologie lag dieser auch zu Grun-

de.

Die absolutistische Ideologie

Merkantilismus kann nicht als eine einheitliche Theorie bezeichnet werden. Nicht nur

weil es erstmals durch Adam Smith als Kampfbegriff verwendet worden ist, um eine eigene

Theorie aufzustellen, sondern auch weil es als abstrakte politische Idee traditionell politischer

und kommerzieller Interessen der damaligen Staaten zugrunde lag. Keiner der als merkantilis-

tischen Schriftsteller bekannten Autoren, stellen ein abstraktes, übergreifendes Schema für

eine Ideale Wirtschaft dar, wie es heute aus der Volkswirtschaftslehre bekannt ist. Später,

durch die Physiokraten in der „Tableau Économique,“ oder in Adam Smiths „ An Inquiry

into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ sind erste Modelle präsentiert worden.

Das im englischen (und durch Adam Smith) benutzte Wort für Merkantilismus „mer-

cantile system“ weist darauf hin, das es sich mehr um ein System handelt als eine Theorie.

Ein makroökonomisches System, für eine religiös beeinflusste Weltanschauung, deren Uni-

versum eine politische Einheit bildet, nämlich das Gebiet das der König beherrschte.5 Geprägt

durch die vorherrschende absolutistische Regierungsstruktur in Europa, wurde in den damali-

gen merkantilistischen Schriften, die Bereicherung der fürstlichen Schatzkammer als ein Zei-

chen der Mehrung des nationalen Reichtums, und somit auch des Volkswohlstandes interpre-

tiert.6

Sowie der allmächtige Gott über sein Volk herrscht, das Volk sich ihm vollkommen

unterwerfen muss, jene Leben darauf ausgerichtet sein sollten Gottes willen auf Erden auszu-

3 Vgl. Fusfeld, Daniel: Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien, vom Merkantilismus bis zur

Gegenwart, in: Nutzlinger, Hans G.: Campus Reihe Politische Ökonomie, Frankfurt 1975, S. 17f 4 Vgl. Fusfeld, Daniel: Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien, Vom Merkantilismus bis zur

Gegenwart, in: Nutzlinger, Hans G.: Campus Reihe Politische Ökonomie, Frankfurt 1975, S. 19-23 5 Drucker, Peter F.: Auf dem Weg zur nächsten Wirtschaftstheorie, in: Bell, Daniel, Kristol, Irving (Hg.)

Die Krise der Wirtschaftstheorie, Berlin 1984, S.4 6 Vgl. Hoffmann, Werner: Theorie der Wirtschaftsentwicklung, Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart

Bd.3, Berlin 1966, S. 21

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führen und er dafür aber schon irgendwie für das Wohlergehen des Volkes sorgt, spiegelte

sich diese Systematik in der wirtschaftlichen Logik der nationalen Herrscher wieder, die spä-

ter in Form wirtschaftspolitischer Maßnahmen der Merkantilisten manifestiert wurde. Diese

werden noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit präsentiert.

In diesem Zusammenhang wird der Merkantilismus von vielen Schriftstellern als die

staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik des Absolutismus, zur Finanzierung des Staates und nach

den Interessen des absoluten Herrschers orientiert, verstanden.

Profiteure des Nationalstaates

Obwohl die Stellung der Ideologie in der Geschichte der Menschheit eine durchaus ef-

fektive Rolle gespielt hat, und auch immer noch spielt, muss einer Herrschaftsstrukturände-

rung aber vielmehr zugrunde liegen als nur reine Ideologie. Ohne gesellschaftliche Kräfte je-

doch, können solche Veränderungen kaum zur Stande kommen. Die Akteure solcher Verän-

derungen, von denen die Kräfte ausgehen, sind die verschiedenen Interessensgruppen. Je nach

Gewicht und Einfluss solcher Gruppen, und bei parallelen Interessen unter effizienter Organi-

sation, können Herrschaftsstrukturen verändert oder gar ersetzt werden.

Die vorherrschende Feudalstruktur verstreute die Macht in verschiedene Regionen auf,

über den die jeweiligen Feudalherren die wirtschaftliche Kontrolle hatten und auch weiterhin

beanspruchten. Jedoch waren die Gegeninteressen nicht nur die des nationalen Herrschers.

In verschiedene Regionen herrschten verschiedene Münz- und Geldsysteme, Maß- und

Gewichtsysteme, Steuer und Abgabensysteme, sowie Zollsysteme. Diese Heterogenität hatte

eine wichtige wirtschaftliche Konsequenz: Hohe Transaktionskosten. Davon betroffen war

der Handel, und alle die davon profitierten: Händler und Kaufleute sowie die Handelsstädte.

Somit verbündeten sich Händler mit Monarchen, und Finanzierten die zur Nieder-

schlagung des Adels benötigte Armee mit. Auch profitierten sie von der Expansion des Au-

ßenhandels durch Erschließung neuer Märkte, von dem der König wiederum sowohl durch

Zunahme der heimischen Steuereinnahmen, als auch durch den allgemeines wirtschaftliches

Wachstum, die damit eine Garantie für die feste wirtschaftliche Grundlage der Staatsmacht

war, profitierte.7

Von einem durch den Nationalstaat geförderten Markt, profitierten aber noch weitere

Gruppen: Die kleinen Grundbesitzer oder der „niedrigen Adel“, Juristen und die öffentliche

7 Vgl. Fusfeld, Daniel: Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien, Vom Merkantilismus bis zur

Gegenwart, in: Nutzlinger, Hans G.: Campus Reihe Politische Ökonomie, Frankfurt 1975, S. 25

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Verwaltung. Die erste Gruppe erzielte durch die (relative) Entmachtung des höheren Adels

nicht nur stärkere gesellschaftliche Stellung und Macht im öffentlichen Bereich, sondern ge-

noss auch durch die Aufrechterhaltung und den Schutz der wachsenden Märkte kommerziel-

len Nutzen. Die Juristen waren auch mehr wie zuvor gefragt, schließlich brauchte Mann so-

wohl für die Änderung der Verwaltung, als auch für die Definition und Interpretation der neu-

en Regelungen, entsprechende Fachkräfte. Hinzu kam auch, dass die Verwaltung wuchs und

an Bedeutung gewann, was sowohl den Juristen, als auch den Verwaltungsleuten zugunsten

kam.8

Somit unterstützte eine multilaterale Kraft, ausgegangen von strategisch wichtigen In-

teressensgruppen, die nationale Herrschaftsstrukturänderung und half dem nationalen Herr-

scher bei der Zentralisierung der Macht der Wirtschaft. Eine Wirtschaft, bei der Mann zum

ersten Mal wegen seiner Einheit von einem „System“ sprechen konnte.

Die Preisrevolution und die Monetaristen

Besonders stark ausgeprägt war diese Sichtweise im sogenannten „Monetarismus“.

Dieser Begriff ist auf Karl Marx zurückzuführen. Er fasste die ökonomischen Denker und

Schriftsteller des 16. Und 17. J.h., die sich mit den Fragen des Geldwesens und dem Handel

beschäftigten, im Rahmen seiner Untersuchung der „ursprünglichen Akkumulation des Kapi-

tals“, als Monetaristen zusammen.9

Der Entstehungshintergrund der Monetaristen war die im 16. Jh. zustande gekommene

Preisrevolution und die inflationistischen Entwicklungen im Geldwesen. Viele jedoch, ver-

suchten noch immer, geprägt durch die theologische jenseitsorientierte Weltanschauung, mit

metaphysischen Erklärungen die Gründe für dieses Phänomens, im Wucher und Habsucht,

und die Folgen als Gottes Strafe anzusehen. Spekulation und Monopolbestrebung der großen

Handelsgesellschaften, sowie eine Reihe von Missernten, waren weitere Gründe die zur Er-

klärung dieses Phänomens herangezogen worden sind.10

Die Preisrevolution wird auf das interne Problem der Einheit zurückgeführt. Die Ver-

einheitlichung des Münz- und Geldsystems, welche für den Aufbau nationaler Macht gegenü-

ber dem beschränkten und systematisch kollabierenden Horizont der mittelalterlichen Kirch-

8 Vgl. Rath, Klaus-Wilhelm: Der europäische Merkantilismus, eine Zusammenschau, in: Historische

Raumforschung Bd. XXI, Raumordnung in Renaissance und Merkantilismus, Hannover 1963, S.107-122. 9 Vgl. Hoffmann, Werner: Theorie der Wirtschaftsentwicklung, Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart

Bd.3, Berlin 1966, S. 21 10

Blaich, Fritz: Die Epoche des Merkantilismus, in: Pohl, Hans(Hg.): Wissenschaftliche Paperbacks 3,

Wirtschaft- und Sozialgeschichte, Wiesbaden 1973, S. 11

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turmpolitik aufgebaut werden musste, war der treibende Motor dieses Problems. Weitere

Maßnahmen waren die Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten, die Abschaffung von

Zöllen auf Straßen und Flüssen sowie ein nationales System von Steuern und Abgaben.11

Wie es auch heutzutage im Rahmen „monetaristischer“ Volkswirtschaftstheorie erklärt

wird, sorgt der Anstieg der Geldmenge für Inflation. Im 16. Jh. nahm auch der Bestand an

Münzmetallen in Europa rasch zu. Förderung bedeutend großer Mengen an Silber in den

Deutschen Bergwerken im 15. Jh. und dessen Umlauf aufgrund einheimischer Produktion,

aber auch die Einfuhr von Edelmetallen aus der neuen Welt, sowie die Verschlechterung der

Münzqualität sorgten nicht nur für den Anstieg der Geldmenge, sondern zusammen mit dem

Anstieg der Produktion, waren sie auch für eine höhere Umlaufgeschwindigkeit verantwort-

lich.

Hinzu kamen aber auch die demographischen Veränderungen, die von Historikern

ebenfalls als ein bedeutender Faktor für die Preisrevolution gesehen werden. John Munro er-

klärt den Zusammenhang zwischen den zwei monetären Einflussfaktoren, die aus Bevölke-

rungswachstum resultierenden abnehmenden Grenzerträge und der Inflation, folgenderma-

ßen:

„ Consequently any such historical analysis of inflation must observe the changing be-

havior of both monetary and real variables: i.e. the capacity of y to respond to increases in M

and/or V, or indeed to increase independently of them. Furthermore, if we were now to join

the majority of historians who consider demographic change to be the most important „real‟

variable, we might argue that, by c.1520, the impact of continuing population growth on rela-

tively inelastic resources, and a population growth that exceeded additions to capital stocks,

was now leading to such conditions of diminishing returns, rising marginal costs, and thus

rising prices.”12

Somit kam die sogenannte Preisrevolution zustande und besonders die Preise lebens-

notwendiger Nahrungsmittel wie Getreide stiegen um das Drei- bis Vierfache. 13

In einer Epoche, in der das Volk in Gestalt eines absoluten Monarchen, und die

Volkswirtschaft in der fürstlichen Schatzkammer personifiziert waren, forderten die Moneta-

risten eine stärkere Aufbewahrung der Edelmetalle im Inland, um somit das „nationale Reich-

11

Vgl. Fusfeld, Daniel: Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien, Vom Merkantilismus bis zur

Gegenwart, in: Nutzlinger, Hans G.: Campus Reihe Politische Ökonomie, Frankfurt 1975, S. 24 12

Munro, John: The Monetary Origins of the „Price Revolution‟, South German Silver Mining, Mer-

chant-

Banking, and Venetian Commerce, 1470-1540', Toronto 1999 , S.20 13

Blaich, Fritz: Die Epoche des Merkantilismus, in: Pohl, Hans(Hg.): Wissenschaftliche Paperbacks 3,

Wirtschaft- und Sozialgeschichte, Wiesbaden 1973, S. 12

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tum“ zu bewahren, und den Wohlstand zu sichern. Diese primitive Logik entwickelte sich im

merkantilistischen System zu einer praktisch anwendbaren Handelsbilanzpolitik.

B. Das merkantilistische System und seine Ausprägungen

Wie schon bereits erwähnt bezieht sich der Merkantilismus nicht auf eine Wirt-

schaftstheorie mit einem abstrakten Schema. Da schon die Definition des Untersuchungsob-

jektes eine durchaus verschwommene und teilweise widersprüchliche Definition zu sein

scheint und den Weg für verschiedenste Interpretationen freiräumt, erschwert dies nähere Un-

tersuchungen. Historisch waren es die verschiedenen „Ausprägungen“, welche auf die jewei-

ligen nationalen Gegebenheiten und die hierzu entstandenen Schriften der damaligen „Lehrer“

zurückzuführen sind, aus denen der Dachbegriff Merkantilismus abgeleitet wurde. Somit wei-

sen sie ein gemeinsames Muster auf. Dieser Muster ist auch die Entstehungsgrundlage dieses

Begriffs. Hierzu schreibt Heckscher:

„Der Merkantilismus hat niemals existiert im selben Sinne, wie etwa Colbert oder

Cromwell existiert haben. Es ist nur eine Hilfsvorstellung, die, wenn sie glücklich gewählt ist,

uns ermöglichen soll, einen Abschnitt der geschichtlichen Wirklichkeit besser zu verstehen,

als ohne ihre Hilfe möglich wäre.“14

Die bereits erklärten gesellschaftlichen Gegebenheiten und ideologischen Hintergrün-

de stellten jedoch Anforderungen und Rahmenbedingungen an das entstehende System. Die

absolutistischen Hintergründe förderten ein einheitliches und autoritäres System, der sowohl

nach innen als auch nach außen eine souveräne Position einnimmt. Außerdem forderte die

Preisrevolution starke und effektive monetäre Gegenmaßnahmen, ausgehend von den Mone-

taristen, den Lehrvätern der Merkantilisten.

Für die verschiedenen Interessengruppen, die in diesem Umwandlungsprozess eine

katalytische Rolle gespielt haben, war sowohl die Entwicklung des inneren Marktes von auße-

rordentlicher Bedeutung, als auch die Erschließung neuer Märkte, wovon sie ebenfalls profi-

tierten. Das Muster dieses Systems kann folgendermaßen dargestellt werden:

14

Heckscher, Eli F.: der Merkantilismus. Jena 1932.

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Abb. 1: Förderung der Entwicklung des Inneren Marktes

:

Abb. 2: Förderung der Aktiven Handelsbilanz

Aufgrund dieser Darstellung kann der Merkantilismus als eine angebotsorientierte

Wirtschaftstheorie verstanden werden, der den größtmöglichen Exportüberschuss zu erzielen

versucht. Eine Wirtschaftspolitik, die darauf ausgerichtet war die Nation unter einem starken

Herrscher zu einigen, die Land- und Seestreitkräfte auszubauen und das Reichtum durch hei-

mische Produktion, aber auch durch den Außenhandel zu vergrößern. Ein „systematisches

Gebäude modernen wirtschaftlichen Denkens“, wie es Fußfeld beschreibt.15

Um aber den Merkantilismus und sein Theoriebezug besser zu verstehen, muss auf die

jeweilige nationale Ausprägung eingegangen werden, die sich durch die verschiedenen zu-

grundeliegenden Umstände voneinander differenzieren. Um einen Überblick behalten zu kön-

nen, wird auf detailierte Darstellung verzichtet.

15

Vgl. Fusfeld, Daniel: Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien, Vom Merkantilismus bis zur

Gegenwart, in: Nutzlinger, Hans G.: Campus Reihe Politische Ökonomie, Frankfurt 1975, S. 26

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Abb.3: Der Merkantilismus im Überblick

Der englische Merkantilismus

Eines der wichtigsten Hintergründe des englischen Merkantilismus war der Handel,

der schnell zur Grundlage des zunehmenden Reichtums und staatlicher Macht wurde. Somit

musste auf den Geldumlauf Nachdruck verliehen werden, um das wirtschaftliche Wachstum

zu stimulieren. Andererseits musste die Inflation kontrolliert werden. Denn nicht nur das Zu-

rückbleiben der Löhne der Arbeiter, und die damit verbundenen politischen Unruhen, brach-

ten den Staat in Schwierigkeiten, sondern auch die sinkende Auslandsnachfrage nach heimi-

schen Fabrikanten ging auf Kosten der wirtschaftlichen Lage des Landes.

Wenn Mann sich Schriften der sogenannten englischen Merkantilisten und deren Fest-

stellungen näher betrachtet, erkennt Mann aufgrund der paradoxen Situation viel mehr als rei-

ne Wirtschaftspolitik. Vielmehr sind es wirtschafts“philosophische“ Fragen die aufgegriffen

und diskutiert werden.

Aus diesen Gründen wurde in den englischen Schriften dem Geld eine besonders

wichtige Stellung beigemessen. Darüberhinaus ist für eine Zeit, in der die Geldfrage eine

Existenzfrage für die europäischen Staaten verkörperte, diese Stellung durchaus zu verstehen.

Dass aber in Geld allein oder im Besitz von Edelmetallen einzig der Reichtum eines Landes

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liege, wurde von den meisten englischen, als Merkantilisten bekannten, Schriftsteller als völ-

lig inkorrekt hingestellt. In diesem Zusammenhang wird auch von einigen von ihnen als erste

Kritiker des Merkantilismus gesprochen16

Einer dieser Schriftsteller war Thomas Mun. Thomas Mun‟s Stellung innerhalb der

ostindischen Handelsgesellschaft (Direktor), hatte auf die Entstehung seiner Werke und seiner

wirtschaftspolitischen Ideen einen großen Einfluss. Er äußerte den Gedanken, es könne die

Geldmenge im Lande so anwachsen und eine solche Preissteigerung aller Waren hervorrufen,

dass dadurch der Absatz englischer Produkte im Ausland verhindert werde. Eine solche

Sichtweise kann eher als Kritik an der monetaristischen Sichtweisen verstanden werden und

zeigt somit den Unterschied des Englischen Merkantilismus, oder sein Stadium des Fort-

schritts gegenüber dem Monetarismus.

William Petty war einer der weitblickendsten Schriftsteller des Merkantilismus, der

sich von der Überschätzung einer absoluten Volkszahl (und seine volkswirtschaftliche Stel-

lung) frei hält. Bei ihm finden sich auf dem Gebiete der Preisbestimmung die Anfänge der

Produktionskostenlehre. In seinen Werken diskutiert er über die Vorteile der Arbeitsteilung

und Mechanisierung. Somit wird von ihm als dem theoretisch bedeutendsten Schriftsteller

gesprochen.17

Der englische Merkantilismus kann, trotz seiner Masse an theoretischen Punkten,

nicht als eine Theorie gesehen werden. Vielmehr war es eine praktische Lehre für den Praxis-

gebrauch. Dennoch war es in Summe seiner Gedankenansätze für die spätere Entwicklung der

Wirtschaftstheorie insofern ausschlaggebend, dass viele theoretische Sätze und Tatsachen der

Nationalökonomie, auf welche die spätere Entwicklung der Wirtschaftstheorie aufbaut, den

einzelnen Schriftsteller bekannt gewesen sind.18

Der „Colbertismus“

Der Name ist auf den damaligen französischen „Generalkontrolleur der Finanzen“ un-

ter Ludwig dem 14. zurückzuführen. Seine Auseinandersetzung mit den Herausforderung ei-

nes Bankrotten Staates, der nicht nur zahlreiche Kriege über sich hergehen lassen musste,

sondern auch unter der Gleichgültigkeit der Monarchen gegenüber der Wirtschaft des Landes

litt, konzentrierte sich hauptsächlich auf die Staatsfinanzen. Besonders die Landwirtschaft

16

Vgl. Blaug, Mark: Systematische Theoriegeschichte der Ökonomie. Bd. 1: Vom Merkantilismus zu

Ricardo. München 1971. S. 46 17

Vgl. Schacht, Hjalmar: Der theoretische Gehalt des englischen Merkantilismus., Diss. Frankfurt 1968,

S.100 18

Ebd. S.101

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blieb dabei auf dem Weg zur Zerrüttung, auf welchem er seit Heinrich dem IV und seinem

Wirtschaftsminister Sally gewesen ist.19

Darüber hinaus sorgte die mittelalterliche Zollzer-

splitterung lange Zeit für Behinderung des wirtschaftlichen Verkehrs.

Wo in England die Gesetzgebung im Parlament statt fand und von verschiedene

Interessen geprägt werden konnte, musste sich Frankreich unter einem absolutistischen König

keineswegs um die öffentlichen Meinungen kümmern. Stattdessen lag das Recht der Regle-

mentierung der Gewerbe, durch Colberts Instruktion 1669, in den Händen des Königs, und

der zentralen Anordnung wurde somit neue Geltung verschaffen. Bis in den einzelnen Pro-

duktionsvorgängen war das französische Gewerbe durch die Reglements des König und der

Zünfte, welche mittlerweile im Staatsdienst standen, reglementiert.

Für die Durchsetzung wirtschaftspolitischer Maßnahmen waren in Frankreich keine

theoretische Fundierung und Rechtfertigungen notwendig. Und deswegen spricht man im

Vergleich zu England nicht von einem theoretischen Schriftentum. Die somit entstandene

merkantilistische Literatur, war im Grunde nur eine empirische Zusammensetzung von Ad-

ministrativen Maßnahmen, Reglements und Erlassen, mit dem Ziel die Entwicklung des inne-

ren Marktes zu fördern, und die Handelsbilanz zu „aktivieren“.20

Im Gegenzug zur England und Preußen wurde in Frankreich die Luxusindustrie geför-

dert, was zunächst im Zeitalter des sogenannten Frühkapitalismus der Antriebsmoment der

modernen Wirtschaft werden konnte. Die Vernachlässigung des Bedarfs der breiten Masse

erwies die angegebene Zielrichtung der Regierung in Frankreich jedoch als falsch, und trotz

erfolgreicher Durchsetzung der merkantilistischen Maßnahmen gab Frankreich die Führung

an England ab.21

Letztendlich führten die merkantilistischen Maßnahmen, zusammen mit den Handels-

kriegen mit den anderen Seehandelssaaten, dazu, dass in Frankreich der Merkantilismus größ-

tenteils scheiterte, und den Weg für die Physiokraten -Kritiker des Merkantilismus, große Be-

fürworter und Prediger der Landwirtschaft und die ersten Theoretiker der Wirtschaftstheorie-

geschichte- freiräumte.

19

Vgl. Hoffmann, Werner: Theorie der Wirtschaftsentwicklung, Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart

Bd.3, Berlin 1966, S. 33 20

Vgl. Blaich, Fritz: Die Epoche des Merkantilismus, in: Pohl, Hans(Hg.): Wissenschaftliche Paperbacks

3, Wirtschaft- und Sozialgeschichte, Wiesbaden 1973, S. 18f 21

Vgl. Rath, Klaus-Wilhelm: Der europäische Merkantilismus, eine Zusammenschau, in: Historische

Raumforschung Bd. XXI, Raumordnung in Renaissance und Merkantilismus, Hannover 1963, S.119f

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Kameralismus: Merkantilismus in Deutschland

Als wichtigster Hintergrund für den Kameralismus in Brandenburg-Preußen-

Deutschland wird der Dreißigjährige Krieg genannt. Die großen Menschen- und Sachverluste

sorgten für eine geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Geprägt durch die damals domi-

nierende merkantilistische Ideologie, galt es die Entwicklung und das Wachstum aller wirt-

schaftlichen Zweige zu fördern. Nach der theoretischen Konzeption der Kameralwissenschaft

(Staatswirtschaftslehre) war der wesentliche Zweck eines Staates, durch eine fähige Zentral-

verwaltung, das Wohl aller Bürger zu garantieren, was wiederum ein Wirtschaftswachstum

voraussetzt. Um den Zweck erfüllen zu können, bedurfte es gut ausgebildeter Beamte, die

Recht oder Kameralwissenschaften studiert hatten und mit ihrer geschulten Vernunft, klaren

Methoden und unter Kenntnis der herrschenden Regeln in der Lage waren den Staat, die

Wirtschaft, das Rechtssystem und den Alltag der Bürger zweckmäßig zu organisieren. Somit

ist einer der wichtigsten Unterschiede, welche eine alternative Entwicklung des Kameralis-

mus verdeutlicht, der Unterschied bezogen auf die Rolle des unteren Stands der Gesellschaft.

Allein anhand der Entstehung des neuen Kammers, welche auf eine „Bürgerliche Amtskarrie-

re“ basierte und als ein recht frühe Erscheinungsform der Bourgeoisie gesehen werden kann,

ist diese alternative Entwicklung erkennbar und grundsätzliche Unterschiede zum Colbertis-

mus sind festzustellen.22

Ein anderer wichtiger Unterschied zum Colbertismus, der auch als Gemeinsamkeit mit

dem englischen Merkantilismus gelten kann, ist die bereits genannte theoretische Konzeption

der Staatswirtschaftslehre.23

Darüber hinaus hatten die „Kameralisten“ in ihrer Wirtschaftspolitik ein starkes Au-

genmerk auf die Agrarwirtschaft, was für ein angestrebtes Wirtschaftswachstum einen hohen

Stellenwert hat. 24

Wie auch in der Literatur zurückzuverfolgen ist, sind diese wesentlichen Unterschiede

des Kameralismus gegenüber den anderen Ausprägungen des Merkantilismus auch auf die

damals existierende Kleinstaaterei in Deutschland zurückzuführen. 25

Wie bereits diskutiert,

war der Absolutismus, also ein zentralisierter Nationalstaat, eine wichtige Grundlage für die

Entstehung eines merkantilistischen Systems, welcher jedoch in den damaligen Deutschen

22

Vgl. Zielenziger, Kurt: Die alten deutschen Kameralisten. Ein Beitrag zur Geschichte der Nationalöko-

nomie und zum Problem des Merkantilismus in: Diehl, Karl: Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie Bd.

2. Frankfurt/Main 1966 23

Vgl. Blaich, Fritz: Die Epoche des Merkantilismus, in: Pohl, Hans(Hg.): Wissenschaftliche Paperbacks

3, Wirtschaft- und Sozialgeschichte, Wiesbaden 1973, S. 17 24

Vgl. Ebd. S.16f 25

Vgl. Skopp, Hanns Robby: Theorie und Praxis der Staatsverschuldung im Merkantilismus, erläutert am

Beispiel Kurbayerns, Diss. Marburg 1990, S. 6- 16

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Kleinstaaten fehlte. Diese Tatsache erschwerte die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Klein-

saaten gegenüber anderen regionalen Nationalstaaten, und somit nahm der Kameralismus,

trotz der ideologischen Prägungen, eine andere Entwicklung.

In diesem Zusammenhang ist zu lesen „The Cameralists“ : „ The Salient fact about

the cameralistic civic theory was its fundamental assumption of the paramount value of the

collective interests, or in other words the subordination of the interests of the individual to the

interest of the community.“26

Trotz fehlender diskreter Trennung zwischen der Privat- und Staatswirtschaft auf der

theoretischen Ebene, war der Kameralismus durch seine alternative Ausgangsposition in der

Lage eine umfangreiche Sichtweise für das Verständnis der Rolle der Privatwirtschaft und

ihre Wichtigkeit für die Staatswirtschaft zu entwickeln.

Zusammengefasst wird folgendes festgestellt: „Brandenburg Preußen-Deutschland er-

hielt die Ansätze industrieller Eigenkräfte, die dann mit Erstarken des deutschen Reiches auch

zu eigenem Wirtschaftspotenzial moderner Massenproduktion ausgestaltet werden konn-

ten.“27

Der Merkantilismus in Holland

Während des 17. Jh. gelang es der Niederlande durch auswärtigen Handel und durch die Ko-

lonien zur großen Blüte. Infolgedessen wurden sie zum Vorbild sämtlicher europäischer Kon-

kurrenten. So sind es auch die englischen Schriftsteller, die holländische Handelsgröße als ein

Vorbild aufzustellen versuchen, dem England nacheifern müsse.28

Als Ursache für die Blüte

Hollands wird der umfangreiche holländische Zwischenhandel durch die VOC in Asien, die

niedrigen Zölle sowie die liberale Verwaltung gesehen.

Die führende Rolle der VOC innerhalb Asiens ist auf den beiden einzigen Monopolen zu-

rückzuführen. Zum einen auf die Kontrolle des Gewürzhandels der Molukken und zum ande-

ren auf die hervorragenden Position im Japan-Handel. Die Niederländer hatten erkannt, dass

durch die Teilnahme am traditionellen intra-asiatischen Handel auf dem indischen Ozean, sich

26

Vgl Small, Albion W.: The Cameralists, o.O., 1909 S.10, zitiert nach: Zielenziger, Kurt: Die alten deut-

schen Kameralisten. Ein Beitrag zur Geschichte der Nationalökonomie und zum Problem des Merkantilismus,

in:Diehl, Karl: Beiträge zur Geschichte der Nationalökonomie Bd.2. Frankfurt 1966. 27

Vgl. Rath, Klaus-Wilhelm: Der europäische Merkantilismus, eine Zusammenschau, in: Historische

Raumforschung Bd. XXI, Raumordnung in Renaissance und Merkantilismus, Hannover 1963, S.124 28

Vgl. Schacht, Hjalmar: Der theoretische Gehalt des englischen Merkantilismus., Diss. Frankfurt 1968,

S. 17

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Gewinne erwirtschaften ließen und zudem sie den gewaltigen Silberabfluss von Europa nach

Asien reduzieren konnten. 29

Dem niederländische Erfolg des 17.Jahrhunderts also lagen zwei wesentliche Faktoren zu-

grunde: dem Gewürzmonopol, und dem exklusiven Zugang zu den Silbervorkommen Japans

als einzige europäische Macht.

Zeitgenössische holländische Ökonomen wie Pieter de la Court sind schwer in das merkanti-

listische Denkschema einzuordnen, da Abweichungen von der typisch merkantilistischen

Wirtschaftspolitik in dieser Epoche zu beobachten waren. Zum Beispiel wurden keine Aus-

fuhrverbote für Rohstoffe verhängt. Auch der Handel war, im Gegensatz zu den anderen eu-

ropäischen Ländern, reiner Gesellschaftshandel, was wiederum nicht mit dem absolutistischen

Hintergrund und der Basis des Merkantilismus in diesen Ländern konform war. Dennoch sind

andere Maßnahmen wie Einfuhrverbote für ausländische Fertigwaren typisch merkantilis-

tisch.

Wenn auch der holländischen Merkantilismus als „Gelegenheitsmerkantilismus“ bezeichnet

wird30

, so gab aber Holland die Richtung für den Wohlstandskampf an, und erstellte anhand

eines erfolgreichen Beispiels die Basis für eine theoretische Diskussion und Auseinanderset-

zung der Konkurrenten. Somit gab Holland den nötigen Schwung für den Ansatz des moder-

nen wirtschaftlichen Denkens.

Diese Aussage wird bestätigt durch die mehrfachen Auseinandersetzungen der englischen

Merkantilisten des 17. Jh. mit dem holländischen Beispiel, wobei die englischen Merkantilis-

ten als die Väter der modernen Wirtschaft gelten und als diejenigen, die den Merkantilismus

am konkretesten manifestierten.

Zwischenfazit

Nach der Skizzierung allgemeiner Grundlagen für die Herrschaftsstrukturänderung in Europa,

wurde in diesem Abschnitt beschrieben, was allgemein als ein merkantilistisches System ver-

standen wird, um dann die länderspezifischen Ausprägungen, anhand der unterschiedlichen

nationalen Gegebenheiten und Situationen zu untersuchen.

29

Vgl. Krieger, Martin: Konkurrenz und Kooperation in Ostindien: Der europäische country-trade auf

dem Indischen Ozean zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschafts-

geschichte , 84/3 (1997), S.322-356. 30

Vgl. Blaich, Fritz: Die Epoche des Merkantilismus, in: Pohl, Hans(Hg.): Wissenschaftliche Paperbacks

3, Wirtschaft- und Sozialgeschichte, Wiesbaden 1973, S. 182f

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4 verschiedene Länder, 4 Ausgangssituationen und 4 verschiedene Formen eines Systems zei-

gen uns einerseits wie sehr der Merkantilismus sich aus der Praxis der wirtschaftspolitischen

Observationen, Erfahrungen und Maßnahmen ableitete, und wieso er so ungern in der Litera-

tur als eine Theorie bezeichnet wird. Andererseits wird anhand grober Skizzierung der Aus-

wirkung merkantilistischer Maßnahmen in Europa eine „Trial-Error“ Epoche sichtbar, in wel-

cher Europa in seinem Strukturwandel die Richtung für eine neue, für das neue Zeitalter not-

wendige Disziplin anschlug. Später manifestierten „Kritiker“ dieser Epoche, wie Quesnay und

Smith, die ersten Wirtschaftstheorien.

C. Die Wirtschaftstheorie nach dem Merkantilismus und ihre Ent-

wicklung

Der Merkantilismus und die klassische Ökonomie

1776 brachte Adam Smith das berühmte ökonomische Hauptwerk „Wohlstand der Nationen –

Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen“, an dem er zwölf Jahre lang zurückge-

zogen gearbeitet hatte, heraus. Das Erscheinen dieses Buches wird als Geburtsstunde der Na-

tionalökonomie und auch allgemein als die Geburtsstunde der Wirtschaftstheorie angesehen.

Zentrale Erkenntnisse des Smith‟schen Wirtschaftssystems:

1. Individualismus: Alle Marktakteure handeln individuell gewinnmaximierend.

2. Das Wettbewerbsprinzip: Angebot und Nachfrage regeln den Preis und somit wird die

Produktion auf natürliche Weise reguliert.

3. Das Prinzip der Unsichtbaren Hand: Der Markt wird „durch eine unsichtbare Hand“ sozi-

alverträglich reguliert.

4. Staatstheorie: Der Staat wirkt nur indirekt am Markt, indem er für die Bereitstellung der

öffentlichen Güter zuständig ist und die Rahmenbedingungen und Rechtsordnung schafft.31

Nach Smith wird das allgemeine, gesellschaftliche Glück maximiert, indem jedes Individuum

im Rahmen seines ethischen Verständnisses versucht sein persönliches Glück zu erhöhen.

Somit wird durch die Funktion der unsichtbaren Hands gleichzeitig auch das allgemeine, ge-

31

Vgl. Fusfeld, Daniel: Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien, Vom Merkantilismus bis zur

Gegenwart, in: Nutzlinger, Hans G.: Campus Reihe Politische Ökonomie, Frankfurt 1975, S. 45-53

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sellschaftliche Glück erhöht. Im Sinne der Ethik ist diese Schlussfolgerung praktisch und trifft

in bestimmten Aspekten auch zu. Die Allgemeingültigkeit der Aussage und die Ableitung ei-

nes universalen Leitprinzips sind jedoch umstritten.

Zu berücksichtigen ist hierbei aber, was Smith unter „Gemeinwohl“ versteht. Im „Wohlstand

der Nationen“ definiert er den Reichtum eines Staates über die „Summe aus dem Ertrag von

Boden und Arbeit“. Der Wohlstand eines Staates steigt also mit der (arbeitsfähigen) Einwoh-

nerzahl. Um den Faktor Arbeit zu vermehren, muss die Nachfrage nach Arbeit (und damit die

Lohnhöhe) so weit steigen, dass die unteren Schichten mehr Kinder aufziehen können. Steigt

der Lohn über die zur Aufzucht ausreichender Arbeitskräfte nötige Höhe, so wird ihn die

übermäßige Vermehrung bald wieder auf die nötige Höhe herabdrücken. Dies funktioniert

auch umgekehrt: Vermehrt sich die „Spezies Mensch“ zu stark, so wird ihr durch Nahrungs-

mittelknappheit eine Grenze gesetzt. Dies geschieht dadurch, dass die meisten der in den

fruchtbaren Familien der unteren Schichten geborenen Kinder sterben.32

Nach Smith sorgt die unsichtbare Hand dafür, dass immer genau die richtige Menge an Ar-

beitskraft reproduziert wird. In der Arbeit fand der Liberalismus auch die Quelle des Reich-

tums.

Smith sah den gesellschaftlichen Wohlstand in einem System der natürlichen Freiheit am bes-

ten verwirklicht. Als Grundprinzip wird davon ausgegangen, dass durch die Verfolgung pri-

vater Interessen, immer zugleich auch die öffentlichen Interessen erfüllt sein werden. Auch

die Restriktionen des internationalen Handels, sowie Abgaben und wirtschaftliche Monopole

schränken letztendlich den Nutzen der ganzen Gesellschaft ein. 33

Die von Smith ausgehende liberalistische Sichtweise förderte nicht nur die Trennung zwi-

schen Kirche und Staat, sondern auch die Teilung zwischen Wirtschaft und Politik als auto-

nome Tätigkeitsbereiche der Individuen.34

Die zentrale Funktion des Staates bleibe aber, das

Privateigentum vor Übergriffen zu schützen. Der von den Merkantilisten praktizierte Inter-

ventionismus, sowie die Vormachtstellung des Staates und der Absolutismus wurden von

Smith indirekt kritisiert.

Zusammengefasst kann behauptet werden, dass die klassische Wirtschaftstheorie das Interesse

am Angebot und die mikroökonomische Weltanschauung übernahm. Jedoch wurde in ihrer

32

Smith, Adam: An Inquiry to the Nature and Causes of the Wealth of Nations, in: Google Books S.53 33

Vgl. Fusfeld, Daniel: Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien, Vom Merkantilismus bis zur

Gegenwart, in: Nutzlinger, Hans G.: Campus Reihe Politische Ökonomie, Frankfurt 1975, S. 33 34

Vgl. Bell, Daniel: Modelle und Realität im wirtschaftlichen Denken, in: Bell, Daniel, Kristol, Irving

(Hg.)

Die Krise der Wirtschaftstheorie, Berlin 1984, S.93

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Wertetheorie die Betonung auf den Menschen, statt auf die von den Physiokraten benutzte

„Natur“ gelegt. Die Wirtschaft, eine Einordnung in die „Moralwissenschaften“ und damit in

die Geisteswissenschaften.35

Von Monetarismus zu Monetarismus

Die Entwicklung der Nationalökonomie setzte sich nach Adam Smith fort, die folgenden

Theoretiker bis vor Karl Marx, wie David Ricardo (komparativen Kostenvorteile, Außenhan-

delstheorie), John Steward Mill (Utilitarismus, Wachstumsstillstand), Thomas Malthus (Be-

völkerungstheorie), Jean-Baptist Say (Say‟sche Theorem, Angebotstheorie) werden noch der

klassischen Nationalökonomie zugewiesen. Erst mit Karl Marx erlebte die Wirtschaftstheorie

einen Umschwung. Marx„ zentrale Kritik basierte auf den „kommunistischen“ Gedanken ei-

ner klassenlosen Gesellschaft. Revolutionär ist hierbei die Bedingung der Aufhebung des Pri-

vateigentums an Produktionsmittel.36

Der weitere Entwicklungsverlauf der Wirtschafttheorie setzte sich aber nicht entlang der von

Marx präsentierte Konzeption fort. Die neoklassische Theorie basierte vielmehr auf die klas-

sische Theorie, mit neuen fundamentalen Ansätzen, wie der „Homo oeconomicus“, die erste

theoretische Definition eines Wirtschaftssubjektes, und die darauf aufbauende Grenznutzen-

schule, welche heute als Mikroökonomie bezeichnet wird. Die Mikroökonomie gilt als erste

reine Wirtschaftstheorie, welche politischen Fragen und Diskussionen ausschließt. Vertreten-

de Theoretiker dieser Schule waren Carl Menger (Wert- & Preistheorie), Irving Fischer, Vilf-

redo Pareto (Pareto Optimum, Pareto Verteilung). Die Neoklassik und die neue Wertetheorie

setzten den von der klassischen Ökonomie hervorgebrachten Gedanken des Individualismus

fort. Jedoch ändern sie die Sichtweise insofern, dass sie nun den Gesamtwohlstand als Aggre-

gat individueller Wohlstände sehen (Bottom-Up), anstatt den individuellen Wohlstand als

Bruchstück des Gesamtwohlstandes (Top-Down). Das Maximum des individuellen Wohl-

stand wird durch eine freie Marktwirtschaft erzielt, welche mit den Mechanismen dreier

35

Vgl. Drucker, Peter F.: Auf dem Weg zur nächsten Wirtschaftstheorie, in: Bell, Daniel, Kristol, Irving

(Hg.)

Die Krise der Wirtschaftstheorie, Berlin 1984, S.5 36

Vgl. Hoffmann, Werner: Theorie der Wirtschaftsentwicklung, Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart

Bd.3, Berlin 1966, S. 152f

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Theorien Funktionieren: Grenznutzentheorie, Grenzproduktivitätstheorie und die Geldtheorie

der Konjunkturzyklen.37

Es wird behauptet dass John Maynard Keynes durch seine makroökonomische Sicht auf den

Merkantilismus zurückgriff.38

Tatsächlich lassen sich theoretische Parallelen mit dem Mer-

kantilismus in der keynesianischen Sichtweise feststellen. Die wichtigste Perspektive hierzu

ist jene, die zur Lösung des Unterbeschäftigungsproblems vorgeschlagen wird. Dieses Prob-

lem wird auch zum ersten Mal, statt durch das Angebot, durch die Nachfrage charakterisiert.

Nach Keynes ist das Angebot selbst eine Funktion der Nachfrage, und somit wird zum ersten

Mal diese nicht-angebotsorientierte Sichtweise aufgenommen. Für die Lösung des Unterbe-

schäftigungsproblems (was an sich auch umstritten ist) wird auf die neue Deutung der wirt-

schaftlichen Realität zurückgegriffen, welcher anstelle der real-physikalischen „Dinge“ (War-

en, Dienstleistungen, Arbeit) auf Symbole Bezug nimmt: Geld und Kredit !

Der Besitz von Edelmetallen rückt also damit wieder in den theoretischen Vordergrund, mit

deren Besitz Mann sich positive Wirkungen auf die Beschäftigung verspricht.39

Dem Keynesianismus folgte ein revolutionäres Phänomen: Die Globalisierung. Die nationals-

taatlichen Grenzen fingen an sich aufzulösen. Die Informationsrevolution schließt die Welt

kurz und die Welt schrumpft zu einem „global village“ zusammen. Wirtschaftssubjekte stehen

in einer derart intensiven Interaktion miteinander wie nie zuvor. Die wirtschaftlichen Interak-

tionen ändern sich Grundlegend. Finanzmärkte wachsen zusammen und lassen Wirtschafts-

subjekte verschiedener Gesellschaften, über die nationalen Grenzen hinaus, eine neue globale

„Wirtschaftsgesellschaft“ bilden. In diesem Zusammenhang entstand der Neoliberalismus. Es

gilt als eine Neubelebung des Liberalismus in der Mitte des 20. Jh.

Der Neoliberalen Sichtweise liegt der wechselseitige Zusammenhang politischer und wirt-

schaftlicher Freiheiten, sowie die Notwendigkeit einer wettbewerbsfördernden Rechtsord-

nung, zwecks Verhinderung privater Machtpositionen, zugrunde. Der Neoliberalismus grenzt

sich vom Liberalismus des 19. Jahrhunderts insofern ab, das nach Auffassung des Neolibera-

lismus der Markt nicht naturwüchsig ist, wie es der Liberalismus behauptet, sondern muss

durch den Staat gewährleistet werden. Die Eingriffe des Staates sollen, durch Wettbewerbs-

37

Vgl. Fusfeld, Daniel: Geschichte und Aktualität ökonomischer Theorien, Vom Merkantilismus bis zur

Gegenwart, in: Nutzlinger, Hans G.: Campus Reihe Politische Ökonomie, Frankfurt 1975, S. 123f 38

Vgl. Drucker, Peter F.: Auf dem Wege zur nächsten Wirtschaftstheorie, in: Bell, Daniel, Kristol, Irving

(Hg.)

Die Krise der Wirtschaftstheorie, Berlin 1984, S.6 39

Vgl. Blaug, Mark: Systematische Theoriegeschichte der Ökonomie. Bd. 1: Vom Merkantilismus zu

Ricardo. München 1971. S.49ff

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politik für funktionsfähige Märkte sorgen, und der Bildung von Monopolmärkten vorbeugen.

Der Neoliberalismus gilt als wesentliche theoretische Grundlage der sozialen Marktwirt-

schaft.40

Die Theorie entfernt sich vom Interventionismus und Protektionismus, und somit

von der zentralen Wirtschaftslenkung. Dieses Muster ähnelt wiederum die der ursprünglichen

Liberalen, und weicht insofern vom merkantilistisch geprägten Keynesianismus ab.

Das Anstreben einer marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung mit den entsprechenden Gestal-

tungsmerkmalen wie privates Eigentum, Preisbildungs-, Vertrags- und Gewerbefreiheit, zeigt

dass der Markt für die Neoliberalen nicht nur für die Optimierung der Ressourcenallokation

eine wichtige Rolle spielt, sondern eine unentbehrliche Grundlage für Freiheit und Demokra-

tie darstellt. Zwei wichtige Komponenten einer utopischen Gesellschaft.

Der Punkt wo die Wirtschaftstheorie letztendlich angekommen ist, ist der Monetarismus. Der

(neue) Monetarismus ist nah an Milton Friedmanns Schriften angeschlossen und befürwortet

die Kontrolle über die Geldmenge als überlegene keynesianistische Steuermaßnahmen zur

Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.

Die unterschiedliche Sichtweise des Monetarismus im Vergleich zum Keynesianismus um-

fasst Themen wie die Abgrenzung des Geldbegriffs und der Erklärung der Geldschöpfung, die

Bestimmungsfaktoren des Geldwertes und den Prozessen der Geldwirkungen sowie in der

Geldpolitik, die Effektivität verschiedener Strategien und Effizienz verschiedener Instrumen-

te. 41

Der Monetarismus kann demnach auch als eine Erweiterung der Quantitätstheorie oder gar

des ursprünglichen Monetarismus Verstanden werden. Jedoch geht der Monetarismus davon

aus, dass Störungen des wirtschaftlichen Ablaufs im wesentlichen durch den intervenierenden

Staat hervorgerufen werden, und somit besteht die wesentliche Gemeinsamkeit (mit den urs-

prünglichen Monetaristen) lediglich in der „monetären“ Sichtweise.

40

Vgl. Hayek, Friedrich A. V.: Liberalismus, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Bd. 6, Stutt-

gart 1959 41

Vgl.. Cagan, Philip: Monetarism, in: The New Palgrave Dictionary of Economics², Online 2008

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D. Fazit

Der NYSE ist die größte Wertpapierbörse der Welt und zugleich das Schaufenster des moder-

nen Kapitalismus. Über 4000 Firmen listen über 200 Milliarden Aktien mit einem Gesamt-

marktwert von über 12 Billionen US$ auf. Milliarden menschlicher Hände am arbeiten, Mil-

lionen Köpfe am denken. Ein gewaltiges Netzwerk der nach „Leben“ schreit: Ein Organis-

mus, ein Werk der Globalisierung, der dabei ist sich zu vollenden.

Das Bewusstsein entstand mit „Leben“, und hat ihre komplexeste Form bei den Menschen ge-

funden; Eine Voraussetzung, mit der ein Mensch in der Lage ist das Universum zu verstehen.

Das Bewusstsein braucht Wissen(schaften) als Instrument um durch die Evolution durchzu-

gehen, und letztendlich zum „Verständnis“ zu transformieren.

Das Wissen, untergliedert sich in Disziplinen. Nach der „Legende“ (und nicht das „Mär-

chen“!) der Religionen, und zum Ende des Mittelalters, fing es an: Von der ausgeglichenen

Welt der Mathematik, leiteten sich die Regeln der Physik ab: Eine Wissenschaft, der die Ma-

terie grob charakterisiert. Daraus die Chemie, auf physische Mikromechanismen und Regeln

basiert, und den Weg zu den ersten „Organen“ findet, die wiederum in der Biologie ins „Le-

ben“ gerufen werden. Die „Medizin“ setzt sich mit den chemischen und biologischen Funk-

tionen eines „Lebens, mit einer kritischen Komplexität“, auseinander. Die Psychologie ist

dann der Versuch die „Seele“, das Eigentum einer höchstkomplizierten Form des Lebens,

empirisch zu beschreiben. Soziologie aggregiert diese „beschriebenen Seelen“, skizziert ihre

Interaktion grob auf, und versucht sie zu erklären. Und dann: die Ökonomie. Und wo schließt

die Ökonomie wieder an?

Nach der „Legendestunde“ des Mittelalters über „Gott“ kam der Monetarismus: Es gibt den

Staat und ganz wichtig: Geld. Der Merkantilismus befasst sich (wörtlich) systematisch näher

mit der groben These, entdeckt Subjekte, Zusammenhänge, Funktionen durch Trial-Error.

Daraus entdeckt die Klassik das „Individuum“. Somit korrigiert sie die These zu einer theore-

tischen Reife: Ökonomische Theorie. Aber schon kam der erste Schlag ins Gesicht: Marxis-

mus und die fundamentale Kritik, die trotz seiner Überholung, immer über die Entwicklung

wachen wird. Somit musste die Klassik neu definiert werden; tief in die mathematische Ta-

sche gegriffen, kam die Mikroökonomie auf und die Neoklassik entstand. Als die Neoklassik,

das neuentdeckte Objekt „Individuum“ besser zu verstehen versuchte, wendete der Keynesia-

nismus den Trend um, jetzt von Mikro ins Makro. Nun hatte neben dem „Individuum“ auch

das fiktive Objekt der Interaktion, also das Geld, seinen fiktiven Charakter und seine Rah-

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menbedingungen gefunden: die Mathematik. Diese Umkehr in die Makrowelt stellte die Key-

nesianer, den Merkantilisten, nahe.

Es ist noch zu früh um überblickend über den Monetarismus urteilen zu können, jedoch wei-

sen die grundcharakteristischen Ähnlichkeiten mit dem ursprünglichen Monetarismus darauf

hin, dass sich der Kreis der Ökonomischen Theorie schließt; Genauso wie der Kreis der Wis-

senschaften, über den Anschluss der Wirtschaft an die Mathematik.

Schaut Mann also über der Glaskugel des „Wissens“, ist nur ein Punkt zu sehen: Die Mathe-

matik. Verschärft Mann den Blick, ist es aber eine Spirale der Wissenschaften, mit der Öko-

nomie im Mittelpunkt, und dieser Punkt ist wiederum eine Spirale mit der Mathematik im

Mittelpunkt.

Die Spirale des Wissens sieht aus der Entfernung aus wie ein Punkt, deswegen mag sie rund,

apfelförmig (!), und zyklisch erscheinen.

Seitdem Adam in den Apfel gebissen, und den „Sündenfall“ erlebt hat, musste er nun sein

Weg in den Garten Eden selber wiederfinden. Vielleicht war dieses Ereignis der Punkt, wo

der weitere Verlauf der Evolution dem Adam überlassen worden ist. Das einzige Geschöpf,

der in den Apfel beißen konnte! Die Frucht vom Baume der Erkenntnis, die Seele des Teufels,

oder einfach nur die Störung ?

Wahrlich, hatte dieser Apfel die Funktion, Gleichgewicht und Störung in eins zu vereinen?

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IV

Literaturverzeichnis

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