"Mythos Puch" (Zur Auftakt-Veranstaltung)

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Mythos Puch The Track: Axiom|2014

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Mythos PuchThe Track: Axiom|2014

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Vor etwa 150 Jahren waren Pferde den gut situierten Leuten

vorbehalten. In der Landwirt-schaft fuhr man hauptsächlich mit Ochsen, ging sonst zu Fuß.

Manche mußten zum Ochs sogar eine Kuh dazuspannen, um mit dem Wagen voranzukommen.Einer der ersten erschwinglichen kompakten Traktoren war für die Leute in der Oststeiermark nicht der handliche Fordson von 1917, sondern der Steyr Typ 80 von 1947. Es dauerte bis zur Zweiten Republik, daß Automo-bile so preiswert und allgemein erschwinglich wurden, um indi-viduelle Motorisierung auf eine Massenbasis zu stellen.Bis dahin dominierten Fahrrä-der als Vehikel im Privatbesitz. Motorräder waren den meisten Menschen zu teuer. Preiswerte Mopeds gab es erst nach dem Zweiten Weltkrieg.Amerika hatte mit dem Ford Model T und andere Typen schon ab 1908 günstige Autos aus der Serienproduktion verfügbar. In Österreich war diese Entwicklung aus vielen Gründen verzögert. Einer der markantesten war die mangelnde Kaufkraft großer Teile

des Bürgertums, welches im Ers-ten Weltkrieg etwa über Kriegs-anleihen seine Vermögen verloren hatte.Somit war den exquisiten Automo-bilen von Austro-Daimler, Puch und Steyr keine Zukunft beschert.Doch aus diesen Konzernen waren ohnehin keine „Volkswagen“ gekommen, also Autos, die für jene Arbeiterschaft, welche sie bauten, erschwinglich gewesen wären.Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Steyr-Daimler-Puch AG ein entsprechen-des Angebot entwickelte.Fahrräder von Steyr und Puch sowie Motorräder von Puch hatten da schon einen exzellenten Ruf. Die neue PKW-Geschichte begann mit Steyr-Fiat. Das „Puch-Scham-merl“ erwuchs daraus...

MobilitätsgeschichteThe Track: Axiom|2014

Individuelle Mobilität per Privatbesitzvon Fahrzeugen: Ein junges Phänomen

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Mythos PuchThe Track: Axiom|2014

Zum Kunstsymposion ● Gleisdorf

20. September 20149:00 bis 13:00 Uhr

WeizerstraßeGleisdorf

Kunst und Kunstfertigkeit

Wir verzweigen das 2014er Kunst-symposion kurz auf die Straße, in das Zentrum von Gleisdorf.

Dort wird ein Stück des Weges als „Geschichtsgasse“ markiert.

Wir laden Handwerker, Schrauber Sammler und Fans zur Zusammen-kunft ein.Es werden klassische Fahrzeuge gezeigt, es werden Gespräche geführt, es wird einige Raritäten zu sehen geben.Was hat das mit einem Kunstsym-posion zu tun? Warum wird das am Namen Johann Puch festge-macht? Wozu diese Querverbin-

dung zu den trivialen Seiten der Alltagskultur?Wir befassen uns schon eine Weile mit den möglichen Schnittstellen zwischen Handwerk und Kunst-praxis. Wir beschäftigen uns mit der Idee, Werkstatt und Atelier zu versöhnen.Vor uns liegt Arbeit unter dem Motto: „Die Ehre des Handwerks, das Gewicht der Kunst, der Geist in der Maschine“.Zu einigen Aspekten dessen bietet uns die Steiermark eine exempla-rische Biographie. Johann Puch, eigentlich Janez Puh, war ein Keuschlerbub aus der damaligen Untersteiermark (Sakuschak bei Pettau), ein Kind der agrarischen Welt.Puch wurde in Bad Radkersburg zum Handwerker ausgebildet. Er reüssierte in Graz als Fabrikant und starb am Vorabend des Gro-ßem Krieges, im Juli 1914.Seine Lebensgeschichte bezieht sich beispielhaft auf eine soziale Revolution, auf das Heraufdäm-mern individueller Mobilität mit Massenbasis, gestützt auf den privaten Besitz von Fahrzeugen.Unser Tun auf diesem Themenfeld macht die Begegnung und Ausein-andersetzung mit den Leuten des

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Handwerks, auch mit den lei-denschaftlichen Schraubern und Sammlern, unverzichtbar.Das ist einer der Aspekte, denen bei unserem Symposion übrigens ein eigener Round Table gewid-met wird. Andere Aspekte dieser Geschichte liegen in historischen Berührungspunkten, die uns auch im Kunstdiskurs beschäftigen.Um das 20. Jahrhundert zu begreifen, wie es durch den Großen Krieg geprägt wurde, ist ein Grundverständnis der Tech-nologiesprünge Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hilfreich.Das handelt von eigentümlichen Details. Etwa davon, daß der Generalstabschef des Hauses Habsburg, Franz Conrad von Höt-zendorf, als er endlich den lange ersehnten Krieg gegen Serbien bekam, von den Schlachten mo-derner Armeen keine Vorstellung hatte. Seine Kenntnisse eines Kriegsschauplatzes waren noch auf dem Niveau von Königgrätz (1866).Motorisierte Verbände, das neue Transportwesen, mächtige Waf-fensysteme, all das war innner-halb weniger Jahre verfügbar.Die revolutionäre Fahrzeugwelt durchdrang Krieg und Frieden.

Wir werden bei der Gleisdorfer Veranstaltung am 20. Septem-ber 2014 eine Wiederaufführung des „Puch-Marsches“ von Eduard

Wagnes durch die Stadtkapelle Gleisdorf (Leitung: Siegfried Tel-le) erleben.Ein Zeitgenosse von Puch, der sich dessen Freund nannte. Wag-nes war Komponist und Kapell-meister einer Regimentsmusik der „Zweier-Bosniaken“.

Dieses Bosnisch-hercegovinische Infanterie Regiment Nr. 2, stati-oniert in Graz, war die im Ersten Weltkrieg am höchsten ausge-zeichnete Einheit des Kaisers.Es gibt in all dem also einen größeren historischen Zusammen-hang (1914/2014), der das Thema „Mythos Puch“ mit der Themen-stellung unseres Kunstsymposions teilweise verknüpft.Es gibt aber auch sehr viel greifbarere Bezüge. Wenn ich eingangs Handwerker, Schrauber und Sammler erwähnt habe, dann

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HistorischesEs begann vieles mit

den Fahrrädern

meint das unter anderem klas-sische Handwerker und Könner ihres Faches wie Bernhard Lagler oder Bernhard Naumann, die ihr Kommen zugesagt haben und uns außerdem rare Fahrzeuge zeigen werden. Sie repräsentieren eine Tradition, in der praktische Erfah-rung, Materialkenntnis, Handfer-tigkeit, Problemlösungskompe-tenzen, Visionen und individuelle ästhetische Konzepte ineinander gehen.Es ist nicht Kunst, sondern Kunstfertigkeit. Das schöpft ohne Zweifel teilweise aus den glei-chen Quellen. Es geht nun darum, zu überprüfen, was uns allenfalls verbindet.

Was ein Laufrad ist, wie es Drais um 1817 bekannt machte, sehen wir bis heute an Kinderfahrzeugen (li.o.), die dieses Prinzip veran-schaulichen: Im Sitzen laufen.Das Tretkurbelrad á la Michaux (li.u.) ergab ab 1861 den nächs-ten Technologiesprung. Der „Kno-chenschüttler“ wurde schießlich mit einem großen Vorderrad laufruhiger und flotter.Das Hochrad (re.o.) war ab den 1870er-Jahren zugleich eine Art Technologieträger, an dem aller-

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Pioniertage: Rund um 1900 war das moto-risierte Dreirad von DeDion-Bouton extrem erfolgreich und wurde auch von Puch nachgebaut. Der Albl Phönix von 1902 (r.o.) ist das derzeit älteste fahrbereite Auto aus Graz, wieder aufgebaut von Sepp Schnalzer. Unten: Franz Tantscher, vormals Werksmechaniker von Moto Cross-Welt-meister Harry Everts, bewegt die Puch Voiturette von 1906, das erste Serienau-tomobil des Puchwerks. Dahinter der Puch Alpenwagen. Rechts: Prototyp U3, eine Vorstudie zum Steyr-Puch 500 von 1957.

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Impressumkultur.at: verein für medienkultur

Florianiplatz 8, 8200 GleisdorfText und Redaktion: Martin Krusche

2014

Eine Kooperation des Kuratorium für triviale Mythen (Kunst Ost) mit dem

TIP Tourismusverband Gleisdorfund dem Johann Puch Museum Graz,

realisiert mit Unterstützung der Kulturabteilung des Landes Steiermark

hand technische Lösungen erprobt wurden, so auch Hebelmechanis-men und Tretkurbel-Kette-Rad-Verbindungen.Das Kreuzrahmenrad war der Vorläufer des modernen Niederra-des. Ab den späten 1890er-Jahren wurden robuste und elegante Fahrräder mit Dia-mantrahmen angeboten, wie wir sie heute noch fahren.In der kurzen Ära der Hochräder sind auch verschiedene zweispu-rige Varianten gebaut worden. Leichte Dreiräder wurden zur Jahrhundertwende motorisiert. Sie ergaben wegweisende Grund-lagen für kommenden Motorräder und Automobile.

Während des Zweiten Weltkriegs gab es schon kompakte Autos wie den Steyr Typ 50 „Baby“ oder den Fiat 500 „Topolino“, die als „Volkswagen“ konzipiert waren, also für die preiswerte Massen-produktion konstruiert.Doch erst in der Nachkriegszeit kam die Volksmotorisierung we-sentlich in Gang; etwa mit dem

„Puch-Schammerl“. Und mit den Mopeds. Die waren keine tech-nische, sondern eine gesetzliche Neuerung. Durch die Beschrän-kung auf 50 ccm Hubraum und 40 Km/h Höchstgeschwindigkeit durfte man auf einen Führer-schein verzichten.

Links oben: Puch MC 50 von Bernhard Lag-ler. Oben: Pianoforte-Noten zum „Puch-Marsch“ von Eduard Wagnes

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Mythos Puch20. September 20149:00 bis 13:00 UhrWeizerstraße, GleisdorfSchrauber, Sammler, Fans, Fahrzeuge Aufführung des Puch-Marsches(1900) von Eduard Wagneswww.van.at/flame/puch/myth/

Links: Steyr 680, das Blogmobil von Heimo Müller. Rechts: Puch 175, Puch Maxi, Puch 125 M und Puch MC 175.

Die letzte authentische Halle des Einser-Werkes von Johann Puch, heute der Stand-tort des Johann Puch Museum Graz.

Unten links: GOWI-Puch-Modelle. Mitte: Puch Mistral-Tattoo (Bernhard Kober). Rechts: Austro-Daimler Alpina.

KURATORIUM FÜR TRIVIALE MYTHEN