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[] enkma il Nachrichten der Initiative Denkmalschutz Nr. 09 / Oktober-November 2011 Die Initiative Denkmalschutz ist ein unabhängiger Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter in Österreich www.initiative-denkmalschutz.at – Streichergasse 5/12, 1030 Wien – Telefon: +43 (0)699 1024 4216 – eMail: [email protected] ISSN 2219-2417 | 8 € BIG Business 10 Jahre

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Nachrichten der Initiative Denkmalschutz

Nr. 09 / Oktober-November 2011

Die Initiative Denkmalschutz ist ein unabhängiger Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter in Österreich

www.initiative-denkmalschutz.at – Streichergasse 5/12, 1030 Wien – Telefon: +43 (0)699 1024 4216 – eMail: [email protected]

ISSN 2219-2417 | 8 €

BIG

Business

10 Jahre

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Seite 2 Nr. 09 / 2011

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Inhalt

Seite 2 Impressum

Seite 3 Editorial: Zehn Jahre Bundesimmobiliengesetz

Seite 4 Die Generalsanierung des Bundesministeriumsfür Finanzen

Seite 6 Sanatorium und Agentenkeller –Die lange Geschichte des Sanatorium Fürth

Seite 8 Von der k.k. Kriegsschule zum Lehartrakt derTechnischen Universität Wien

Seite 9 Das „Storchenschlössel“ am Wienfluss

Seite 10 Ein gefährdetes Juwel des österreichischenArchitektur-Historismus: Das Arsenal in Wien

Seite 12 Der Invalidenhauspark in Wien-HietzingLebensareal – Erholungsraum –Spekulationsobjekt

Seite 14 Die Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ –Manifestation fortschrittlichen Denkens

Seite 16 Die Schieflagen auf dem Otto-Wagner-Gelände„Am Steinhof“

Seite 18 Die Moderne im Kasernenbau –Zur Architektur der ehemaligen Kaiser FranzJoseph Kavallerie-Kaserne in Wien-Breitensee

Seite 20 Der Domino-EffektEine ständige Bedrohung alter Bausubstanz amBeispiel der Speisinger Straße und dem Entwurfzum Plandokument 7734E

Seite 23 unvergessen - Das Haus der Musik, ehemalsPalais Erzherzog Carl in Wien

Seite 24 Die NS-Stollenanlage „Bergkristall“ beim KZGusen in Oberösterreich

Seite 27 Glaskomplex statt Villenstil: Der Abriss deralten Handelsakademie in Wiener Neustadt

Seite 28 Altstadtschutz in Salzburg: Ist das nicht dieHöhe?

Seite 31 Die ehemalige Struberkaserne in Salzburg

Seite 33 Universitätsgeschichte aus Glas –Die historischen Gewächshäuser im BotanischenGarten der Karl-Franzens-Universität Graz

Seite 36 iD-Hintergrund – „Bauernhöfe – HistorischeGehöfte in Oberösterreich“ von Gunter Dimt

Seite 39 Rekonstruktion – in Österreich (k)ein Thema?

Seite 40 kurzmeldungen

Seite 42 Vereinspost – Ein Refugium vergangener Pracht

Seite 43 Veranstaltungen / Termine

Impressum

Medieninhaber und Herausgeber:Verein Initiative Denkmalschutz(ZVR-Zl. 049832110)Streicherg. 5/12, 1030 Wien, Österreiche-Mail: [email protected]://www.initiative-denkmalschutz.at = http://idms.atTel. +43(0)699 1024 4216

Denkma[i]l | ISSN: 2219-2417Chefredakteur: Mag. Wolfgang BurghartRedaktion: Markus Landerer, Claus SüssLayout: Ing. Viktor Zdrachal, Wolfgang HolbaNachdruck nur mit Genehmigung der AutorenRedaktionsschluss: 15. November 2011Mitgliedsbeitrag: € 25, ermäßigt (Zusendung von Druckwer-ken als .PDF per email): € 20, Förderer: € 250Bankverbindung: BLZ 20111, Konto-Nr. 28938762500BIC: GIBAATWW, IBAN: AT86 20111 289 387 625 00

Grundlegende Richtung: Information der Vereinsmitglieder über Ak-tivitäten des Vereins und Problematiken im Bereich des Denkmalschut-zes in Österreich. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben dieMeinung der Autoren wieder und stimmen nicht unbedingt mit jenerder Redaktion überein.

Bildnachweis (Abb.): Sarah Andersson / Graz denkt!: 42; WolfgangBurghart: 43; Günter Dinhobl: 53; Jean Fonseca[https://en.wikipedia.org/wiki/File:Wien Parlament .jpg]: 49(Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported); Gryffindor[http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Winterpalais_Prinz_Eugen_Aug_2006_034.jpg&filetimestamp=20060908185207]: 4 /48 (beide: GNU Free Documentation License >=v1.2); Edgard Haider:24; ; Rudolf A. Haunschmied: 25-26; Gerhard Hertenberger: 5-6, 9;Josef Holzapfel: 20-22; Hans-Peter Jeschke: 36-40; Dieter Klein: 1a;Heinrich Kopecky: 12; Martin Kupf: 46; Robert Kuttig: 7; MarkusLanderer: 44; Franz Josef Maringer: Titelbild, 10-11, 51; StefanMastal: 8; Ines Müller: 52; Monumento Salzburg: 47; BezirksmuseumStrebersdorf: 45; Andreas Praefcke [http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Salzburg_Kollegienkirche_vom_M%C3%B6nchsberg.jpg]: 1 (Creative Commons Namensnennung 3.0 Unported);Mara Reissberger: 13-14; Stadt Salzburg: 28-29; Robert Schediwy:41; Gabriele Schlief: 27; Gerd Seidl: 30-32; Margit Stadlober: 33-35;Heinrich Strixner: 2-3; Claus Süss: 55; Carola Timmel: 15-17; ChristaVeigl: 18-19, 50; MA 13 / Lichtbildstelle Wien: 54; Stadt Wien: 23

Errata Denkma[i]l Nr. 08 / Juni-Juli 2011: Seite 20: „Krumböckgas-se 3“ soll richtig heißen „Krumpöckgasse 3“

Wir haben uns bemüht, sämtliche Inhaber von Bildrechten ausfindigzu machen. Sollte dennoch eine Urheberrechtsverletzung vorliegen,ersuchen wir um Meldung an obige Adresse.

http://www.abreisskalender.net

Abb. 1a Titelbild:DasArsenalinWien

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Seite 3Nr. 09 / 2011

Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

Editorial: Zehn Jahre Bundesimmobiliengesetz

Amtsgebäude, Schulen, Kasernen,aber auch Grenzstationen, Jagdhüt-ten, Gärten und die historischen Glas-häuser der Grazer Universität – es isteine breite Palette an Objekten undLiegenschaften, die von der Bunde-simmobiliengesellschaft (BIG) vermie-tet, verwaltet und – sofern nicht mehrbenötigt – verkauft werden sollen. Andie 3000 Objekte stehen unter derObhut der BIG, die 1992 als Nachfol-ger der Bundesgebäudeverwaltunggegründet wurde und sich als „Immo-bilien-Dienstleister für den Bund“ de-finiert.

Das zehnjährige Bestehen des aktu-ellen Bundesimmobiliengesetzes istAnlass, uns in dieser „Denkma[i]l“-Ausgabe vorrangig mit Projekten ausdem Umkreis der BIG zu beschäfti-gen. Der jüngst durch die Medien ge-gangene Versuch der BIG, zweiOsttiroler Berggipfel zu verkaufen, hatden in den letzten zehn Jahren regel-mäßig gehörten Vorwurf, die BIG be-treibe den „Ausverkauf der Heimat“,das „Verscherbeln des Staatsvermö-gens“, wieder laut werden lassen. EinVorwurf, der sich – genau betrachtet- direkt aus dem Gesetz herleitet, dasdie BIG beauftragt „das Immobilien-vermögen und den Immobilienbedarf

des Bundes nach wirtschaftlichen undmarktorientierten Grundsätzen neuzu organisieren“ (§ 1, Bundesimmo-biliengesetz). So unternahm die BIGeine „Bereinigung“ des Bestandes,darunter den skandalumtosten Ver-kauf der staatlichen Wohnungsimmo-bilien BUWOG und eine Konzentrationauf das „Kerngeschäft“. Ob ein sol-ches Agieren seitens der öffentlichenHand strategisch sinnvoll und nach-haltig ist, sei dahingestellt. Uns sollhier der Stand des Denkmalschutzesinteressieren, der bei nicht wenigenAktivitäten der BIG eine Rolle spielt.

Und wie unter marktwirtschaftlichenPrämissen üblich, wird Denkmalschutzhier in der Regel als Hemmschuh ge-sehen. Vielleicht war dies auch einGrund, warum rund 65 zumeist his-torische Gebäude, die besonders engmit der Republik verbunden sind, wei-ter im Eigentum der Republik bliebenund seitdem der Burghauptmann-schaft Österreich (vormals Wien) un-terstellt sind. Dazu zählen etwa dieWiener Hofburg, die Feste Hohensalz-burg, aber auch das ehemalige Klimt-Atelier in Wien-Hietzing. Auf der In-ternetseite der Burghauptmannschaftwird klar artikuliert, dass diese Ge-bäude „auf Grund der baulichen Ge-

gebenheiten einer marktkonformenBewirtschaftung nicht zugänglich“sind. Gilt der Umkehrschluss, dass diezahlreichen anderen Objekte dies oh-ne weiteres sind? Im Portfolio der BIGfinden sich nach wie vor zahlreichedenkmalgeschützte Bauwerke, darun-ter so bedeutende wie die SalzburgerKollegienkirche. In die Sanierung desFischer-von-Erlach-Baus investiertedie BIG 6 Millionen Euro und bekann-te damit, einen selbst gestellten kul-turellen Auftrag wahrzunehmen.Leider gilt dies in gleichem Maße nichtfür andere Denkmäler. Geht es etwa

um den bestehenden oder zu er-wartenden Denkmalschutz vonKasernen, so sorgt dies bei denVerkäufern der für militärischeObjekte zuständigen Unterorga-nisation, der SIVBEG, (Strategi-sche Immobilien Verwertungs-,Beratungs-, und Entwicklungs-GmbH) nur „für mäßige Begeis-terung“ – Denkmalschutz bedeu-tet hier Wertminderung. Geradeim Bereich der Kasernen, derenVerkauf sich eher schleppend ge-staltet, ist jedoch mit Blick auf dieZukunft der Liegenschaften demDenkmalschutz besonderes Au-genmerk zu widmen. Ein Opferhat die Kasernen-Privatisierungbereits gefordert, die an einen In-vestor verkaufte Waisenhauska-serne in Klagenfurt wurde,nachdem sie aus dem Denkmal-schutz entlassen worden war, vo-riges Jahr teilweise demoliert. ImZuge des geplanten Baus von Lu-xus-Wohnungen auf dem Arealsoll auch der dazugehörige Parkverkleinert werden.In Wien, wo etwa die denkmalge-

schützten Breitenseer Kasernen baldin den Besitz der Stadt Wien überge-hen könnten, droht vielleicht Ähnli-ches. Die großzügige Anlage derKaserne mit weiten Freiflächen könn-te dann mit Wohnbauten zugebautwerden – ein Vorgehen wie es aktu-ell bereits mit dem Gelände despsychiatrischen Krankenhauses Stein-hof geplant ist. Geschichte und Zu-kunft des einzigartigen Jugendstil-Ensembles bilden einen zweiten klei-nen Schwerpunkt der vorliegendenAusgabe. |

Mag. Wolfgang Burghart

Abb. 1: Die Kollegienkirche in Salzburg, Mai 2009

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Die Generalsanierung des Bundesministeriums fürFinanzen - Winterpalais Prinz Eugen

Die von der Bundesimmobilengesell-schaft veranlasste Generalsanierungdes Gebäudekomplexes des Finanz-ministeriums umfasst die vier Gebäu-de: Himmelpfortgasse 8 (WinterpalaisPrinz Eugen), Johannesgasse 5-5a(Palais Questenberg-Kaunitz), Him-melpfortgasse 8B und Himmelpfort-gasse 6. Das bedeutendste Gebäudeist dabei das Winterpalais des PrinzenEugen, welches in drei Bauphasen er-richtet wurde, wobei der Baubeginnmit 1697 dokumentiert ist. In rund 30Jahren Bauzeit wurde das Winterpa-

lais fertig gestellt, wobei namhafte Ar-chitekten, wie Johann BernhardFischer von Erlach und Lucas von Hil-debrandt an diesem Palais geplant ha-ben.Nach dem Tod des Prinzen Eugen 1736und unter der Regierung Maria The-resias veränderten sich die Besitzver-hältnisse sowie die Nutzung desWinterpalais, sodass 1752 das Stadt-palais zum Amtsgebäude wurde. Indieser Zeit wurden durch den Hofar-chitekten Nikolaus Pacassi umfangrei-

che Änderungen für die neue Nutzungals Amtsgebäude in der historischenBausubstanz vorgenommen. Aus die-ser Zeit gibt es aufschlussreiche Bau-pläne, die auch bei der General-sanierung für die Rückführung undstatische Sanierung der historischenGebäude von großem Nutzen waren.In der Zeit nach den Umbauten durchPacassi erfolgten nur kleinere Eingrif-fe, Restaurierungen und Sanierungen,sodass es an der Zeit war, eine nach-haltige Generalsanierung durchzufüh-ren, mit deren Planung nach einem

EU-weiten Wettbewerb Architekt DIHeinrich Strixner 2004 beauftragt wur-de.Natürlich gibt es bei der Betrachtungder genannten Gebäude, vor allembeim Winterpalais des Prinzen Eugen,bedeutende wertvolle, schon oft pu-blizierte Architekturdenkmäler undKunstschätze, wie das Vestibül, dasPrunkstiegenhaus sowie generell diePrunkräume im ersten Obergeschoß.Bei der weiteren Betrachtung soll je-doch nicht auf diese bekannten Denk-

mäler eingegangen werden, sondernspeziell auf jene denkmalpflegeri-schen Maßnahmen, die im Zuge derGeneralsanierung umgesetzt wurden.Generell war es schon im Wettbewerbeine große Herausforderung, die ba-rocken Palais als moderne Bürogebäu-de zu konzipieren und zu sanieren. Eswar jedoch aus architektonischerSicht klar, dass sämtliche neuen Ele-mente auch mit modernen, zeitgemä-ßen Materialien errichtet und gestaltetwerden und sich somit bewusst in Ma-terial, Form und Farbe von der histo-rischen, restaurierten Substanzabheben. Beispiele dafür sind die neu-en Hofüberdachungen in Stahl-Glas-Konstruktionen, sowie statisch erfor-derliche Massivbauteile in denHaupterschließungen, die in gestock-tem Sichtbeton ausgeführt wurden.Auch bei der Auswahl der Türen wur-de darauf geachtet, dass diese ent-weder in historischem Kontext zusehen sind oder als zeitgemäßes Me-tall-Glas-Element ablesbar bleiben.Dazu war es notwendig, das Winter-palais des Prinzen Eugen sowie dasPalais Questenberg-Kaunitz und dieangrenzenden, ebenfalls historischenGebäude Himmelpfortgasse 8B und 6zentral und mit möglichst kurzen We-gen zu erschließen. Wir entschiedenuns in Abstimmung mit dem Bundes-denkmalamt, bei den zwei neuenHaupterschließungen ganz klare bau-liche Schritte zu setzen und opfertenfür diese Klarheit einen kleinen Teil-bereich der historischen Substanz.Wurden in notwendigen Abbruchbe-reichen historisch wertvolle Gebäude-ausstattungen vorgefunden, sowurden diese dokumentiert, gesi-chert, demontiert und teilweise an an-derer Stelle wieder verwendet.

Palais Questenberg-Kaunitz

So wurde zum Beispiel im Zuge derUmsetzungsarbeiten im Palais Ques-tenberg-Kaunitz - hinter einer abge-hängten Decke versteckt - eine außer-ordentlich gut erhaltene Stuckdeckeaus der Errichtungszeit des Palais vor-gefunden. Um diese Stuckdecke alsDenkmal nicht zu verlieren, wurde siegenauestens dokumentiert, in Ele-mente samt Unterkonstruktion geteilt

Abb. 2: Das „Baderische Haus“ mit modernem Dachaufbau in derHimmelpfortgasse 6

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

und für die Wie-dermontage ineinem bestehendbleibenden histo-rischen Raumvorbereitet.Den richtigenRaum für dieWiedermontageder Stuckdeckezu finden gestal-tete sich schwie-rig. Einerseitsmusste dieGrundrissformdes Raumes derursprünglichenentsprechen, an-dererseits sollteauch die notwen-dige Raumhöhe für die historisch rich-tigen Blickwinkel auf die Stuckdeckevorhanden sein, und schließlich muss-te die Deckenkonstruktion auch nochdie zusätzliche Last der Stuckdeckesamt Unterkonstruktion aufnehmenkönnen.Es wurde ein Raum im Winterpalaisgefunden, der beinahe allen Vorga-ben entspricht, ausgenommen derTragfähigkeit der bestehenden De-ckenkonstruktionen (massiver Holz-Schädlingsbefall), die durch eine neueStahlbetondecke (oberste Geschoß-decke) ersetzt wurde. Im überwiegen-den Teil der Generalsanierungentschieden wir uns wo möglich diehistorischen Raumfigurationen wiederherzustellen und besonders bedeu-tende Gebäudeteile in ihre ursprüng-liche Form rückzuführen.

Winterpalais des Prinzen Eugen

Die Rückführung der Sala Terena imWinterpalais des Prinzen Eugen ist da-bei besonders hervorzuheben. In denzuletzt als Lager genützten Räumlich-keiten im Erdgeschoß und Mezzaninwurden bei der Untersuchung derWandflächen einzelne Wandfreskenvorgefunden. Bei den weiterführen-den Untersuchungen wurde die histo-rische Raumkonfiguration erkannt,Wände und Decken wurden entferntund die historischen Fresken wurdenfreigelegt.Damit dieser historisch besonderswertvolle Raum in Zukunft als Pres-sekonferenzraum genutzt werdenkann, werden sämtliche gebäudetech-nischen Ausstattungen ausschließlichüber den Fußboden geführt, um diehistorischen Wandflächen mit den

Fresken nicht zu stören.Im 1. Obergeschoß des Winterpalaiswurde das ehemalige Speisezimmerdes Prinzen Eugen baulich rückgeführtund im Deckenbereich ein ca. 1x1mgroßes Fresko freigelegt. Die Restflä-chen im Wand- und Deckenbereich er-scheinen sehr gut erhalten undwerden bis auf Weiteres restaurato-risch gesichert, das Deckengewölbeselbst zur Vermeidung von Rissbildun-gen mit einer Kohlefaserarmierung ander Gewölbeoberseite verstärkt.

Im ehemaligen Bankettsaal des Prin-zen Eugen, im Souterrain gegenüberder Prunkstiege, wurden die Wändezwischen der als Lagerraum genutz-ten Räumlichkeiten entfernt und sodie historische Raumkonfiguration desehemaligen Bankettsaales wieder her-

gestellt. Die Wand- und Deckenflä-chen wurden in einem durch die hoheFeuchtigkeit verursachten sehrschlechten Zustand vorgefunden, so-dass von der Wand- und Deckenma-lerei nur geringe Flächen erhalten sindund gezeigt werden können.Der beeindruckende Raum wird in Zu-kunft als Bibliothek genutzt und wur-de gebäudetechnisch hochwertigausgerüstet, sodass das Feuchtig-keitsproblem technisch in den Griff zubekommen ist. Auch hier wurden al-le gebäudetechnischen Installationenunter dem Fußboden geführt, sodassdie Wand und Deckenflächen mög-lichst frei von Einbauten bleiben.

Bergwerks-Hauptcasse

Wie aus den historischen Plänen von1752 ersichtlich war das ehemaligeAmtsgebäude in der Himmelpfortgas-se 8B schon damals an das Winterpa-lais angeschlossen. Im Feuermauer-bereich zwischen dem Stadtpalais unddem Amtsgebäude, der „Bergwerks-Hauptcasse“ waren schon 1752 Er-schließungen und Stiegenhäuser situ-iert.Um den neuen Erschließungsbereicherrichten zu können und die Zwei-geschoßigkeit des gewölbten Raum-es zu zeigen, wurden die Ein- undUmbauten der letzten Jahre entfernt.Da in diesen Bereichen im letztenJahrhundert historische Bauelementewie Gewölbe und Gurtbögen abgebro-chen wurden, mussten wir uns bei derRückführung der Räumlichkeiten mitder Kunst der Errichtung von baro-cken Gewölben auseinandersetzenund ergänzten diese dort, wo dies sta-tisch und raumbildend notwendig war.

Um die zahlreichen denkmalpflegeri-schen Maßnahmen im Zusammen-hang mit der Generalsanierung dervier genannten Gebäude umzusetzen,arbeitet unter meiner Führung ein Ge-neralplanerteam von bis zu vierzigPersonen an der Planung und Über-wachung. |

Dipl.-Ing. Heinrich Strixner

Architekt, Generalsanierung

Bundesfinanzministerium

Abb. 3: Restaurationsarbeiten im Winterpalais des PrinzenEugen, im August 2011

Abb. 4: Das Winterpalais des PrinzenEugen vor der Generalsanierung, 2006

iD-Baustellenführung durch das

Winterpalais des Prinzen Eugen

20.01.2012 (siehe S. 43)

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Seite 6 Nr. 09 / 2011

Sanatorium und Agentenkeller –Die lange Geschichte des Sanatorium Fürth

Das mächtige Bauwerk in der Schmid-gasse 12 - 14 im achten Wiener Ge-meindebezirk hat eine lange, schil-lernde Geschichte mit Licht undSchatten hinter sich, die von einemnoblen Sanatorium, von Agenten und

vom Kalten Krieg handelt. Derzeit wirddas Gebäude in Absprache mit demBundesdenkmalamt umgebaut, umdarin Luxuswohnungen unterzubrin-gen.1895 erwarb der 36jährige JuliusFürth das 1886 gegründete Sanatori-um. Er stammte aus der traditionsrei-chen jüdischen Familie Fürth und warArzt und Freund von Sigmund Freud,dem Begründer der Psychoanalyse.Bald war das Haus die führende Ge-burtsklinik desWiener jüdischen Groß-bürgertums, wie die Zeitschrift„David“ im Jahr 2009 (Heft 82) re-cherchierte. Babys der reichen Fami-lie Rothschild kamen hier ebenso zurWelt wie der Wiener OpernexperteMarcel Prawy. Als Julius Fürth 1923starb, soll Sigmund Freud persönlichdie Grabrede gehalten haben.Sein Sohn Lothar führte das Sanato-

rium bis 1938 weiter. Wenige Wochen,nachdem Adolf Hitler seine Truppenunter dem Jubel großer Teile der Be-völkerung in Österreich einmarschie-ren ließ, trieben NS-Polizisten undWiener Bürger viele Juden aus den

Häusern und zwangen sie, kniend in-mitten grölender Zuschauer mit Zahn-bürsten die Straßen zu „putzen“. AuchLothar Fürth und seiner Frau passier-te dies am 3. April 1938, sie nahmensich daraufhin im Operationssaal desGebäudes verzweifelt das Leben.

Agentenquartier

Im Zweiten Weltkrieg fungierte dasGebäude zeitweise als Lazarett undHotel für NS-Funktionäre, nach 1945wurde es von der amerikanischen Be-satzungsmacht beschlagnahmt. Ös-terreichs damalige Restitutionsge-setze waren beschämend, nur direkteNachfahren konnten eventuell Rück-erstattungsanträge stellen. Sofern die-se vom NS-Regime ermordet wordenwaren, hatten sonstige Verwandte kei-nen Anspruch auf das geraubte Erbe

oder irgendeine Entschädigung.Nach dem Staatsvertrag von 1955,als Österreich wieder unabhängigwurde, gelangte das Gebäude an dieRepublik, die es auch jetzt nicht zu-rück erstattete, sondern der Ameri-

kanischen Botschaft einenunbefristeten Mietvertrag ge-währte. Das Hauptgebäudeder Botschaft befindet sich bisheute in der Wiener Boltz-manngasse, das Haus in derSchmidgasse führte hingegenein Schattendasein. Inzwi-schen ist klar geworden, dasshier nicht einfach nur die„Presse- und Informationsab-teilung“ der Amerikaner un-tergebracht war, sondernJahrzehnte lang Agenten ausund ein gingen: Im Haus be-fand sich bis vor wenigenJahren die große Wiener Zen-trale des US-GeheimdienstesCIA. Auch für mich war dieseInformation im Winter 2010völlig neu, und es ist nach wievor schwierig, über diesenAspekt Genaueres herauszu-finden.Eine Amerikanerin, die vieleJahre nahe dem Gebäudewohnte, wusste zu berichten,dass die große, personalstar-ke Wien-Zentrale der CIAnach dem Ende des Kalten

Krieges drastisch verkleinert wurde.

Restitution

Erst 2001, als viele betrogene Erbender NS-Enteignungsopfer längst ver-storben waren, rang sich das Öster-reichische Parlament zu einem neuenRestitutionsgesetz durch. Noch imJahr 2000 hatte die Finanzprokuratureine Rückgabe des Hauses an die Er-ben mit dem Argument abgelehnt,dass eine Zahlung der Republik von700.000 Schilling an „Sammelstellen“für erbloses jüdisches Vermögen imJahr 1966 bereits alle Ansprüche ab-gegolten habe. Im November 2005wurde überraschend doch eine Rück-gabe an die Erben empfohlen. Die 39Erben von Lothar Fürth, die tatsäch-lich nie einen einzigen Schilling Ent-schädigung bekommen hatten, wur-

Abb. 5: Das Sanatorium Fürth in der Schmidgasse 12-14 in Wien-Josefstadt

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

den mühsam ausgeforscht, und dieUS-Botschaft, die bis dahin für riesi-ge 5000 Quadratmeter den Spottpreisvon monatlich 2500 Euro gezahlt hat-te, verließ im März 2007 das Gebäu-de.Unter den Erben herrschte jahrelangUneinigkeit, ob das Gebäude behal-ten oder verkauft werden sollte, daviele von ihnen mit Wien nichts mehrzu tun haben wollten. Beteiligte An-wälte verlangten für ihre Dienste einDrittel des Gebäudeerlöses, was eini-ge der Erben kritisierten. Noch vorAbschluss der Restitution veranstal-tete im Januar 2007 einer der Anwäl-te ein Bieterverfahren für einenVerkauf des Hauses. Eine Immobili-engesellschaft ersteigerte das Gebäu-de um 9,6 Millionen Euro.

Betreten verboten

Es dauerte Monate, bis der „Immobi-lien-Developer“ ein Betreten des Ge-bäudes zur fotografischenDokumenta-tion gestattete. Interessant waren imAtrium und Stiegenhaus einige Stel-len, an denen Restauratoren des Bun-desdenkmalamtes unter der weißenWandfarbe (die angeblich von denAmerikanern aufgebracht wurde) guterhaltene Spuren von Wandfreskenfanden.Das Atrium und das prachtvoll gestal-tete Stiegenhaus sollen unverändertrestauriert werden, im restlichen Be-reich des Gebäudes wird es größereUmbauten geben, um das einstige Sa-natorium in Wohnungen umzuwan-deln. Ob es sich bei den „Teilabrissen“(das Wort wurde mir gegenüber voneiner involvierten Person in einem in-offiziellen Gespräch erwähnt) um dieVersetzung einzelner Mauern handelt,oder aber um gravierende „Teilentker-nungen“, konnte bisher nicht eruiertwerden.Von dem Sanatorium der Zwischen-kriegszeit sahen wir kaum noch An-zeichen, hingegen hatte dieVerwendung des Baues als Wiens CIA-Hauptquartier noch einigewenige Spu-ren hinterlassen. Insbesondere imzweistöckigen Kellerbereich, derdurch einen eigenen schweren Las-tenaufzug und einen unauffälligen Ne-beneingang erreichbar war, ent-deckten wir bei der Begehung einigeungewöhnliche Dinge, etwa eine Artunterirdische Zelle mit Waschbecken,deren vergittertes Fenster auf einenfinsteren Gang führte. In einemSchutthaufen lagen alte „Parkverbots-

schilder“ aus der Besatzungszeit deralliierten Truppen (1945 bis 1955), u.a. ein Schild „Reserved for J. A.“ (JointAllies?) mit dem Wappen der „UnitedStates Forces in Austria“ (Rot-weiss-rot mit Schwert und Olivenzweig (sie-he Abb. 6 /siehe auch http://www.us-armygermany.com/USFA_MainFrame.htm). Eine Klappe mit einem direktenZugang zum Kanalsystem erinnerteein wenig an den Film „Der DritteMann“.

Stadt der Spione

Dass es in Wien im Kalten Krieg vorAgenten nur so wimmelte, beweist dieeinschlägige Fachliteratur, beispiels-weise das gut recherchierte Sachbuch„Der geheime Krieg der Agenten –Spionagedrehscheibe Wien“ von KidMöchel. Einer der größten Spionage-fälle des Kalten Kriegs war beispiels-weise die regelmäßige Übergabe derNachrichtenverschlüsselungs-Codesamerikanischer Atom-Unterseebootedurch den US-Marine-Offizier undAgenten John A. Walker an seinenKGB-Führungsoffizier zwischen 1978und 1985, die zweimal pro Jahr inWien Meidling im Bereich zwischenRuckergasse und Meidlinger Haupt-straße stattfand, wie wir seit der Ver-haftung Walkers wissen.Der Gegenpol zu den sowjetischenAgentenzentralen in der Reisnerstras-se (Botschaft) und in der Zschokke-

gasse in Wien Donaustadt war damalsdas Hauptquartier der US-Geheim-dienste in der Schmidgasse im eins-tigen Sanatorium Fürth. Expertensagen übrigens, dass die Agenten-dichte in Wien trotz Ende des KaltenKrieges noch immer sehr hoch sei, daSpionagetätigkeit in Österreich vielmilder geahndet wird als anderswo.Genaues wissen wohl nur die Herrenin einem verfallen aussehendenWohnhaus an der Ecke Hetzgas-se/Hintere Zollamtsstraße, dessen Tornur eine unbeschriftete Klingel undeinen Kameraspion besitzt, und demman nicht ansehen würde, dass sichhier die österreichische Spionageab-wehr (Heeresabwehramt) befindet.Nur zögernd gab uns das einstige Sa-natorium Fürth seine schillernde Ge-schichte preis – ohne Hintergrund-wissen hätte man kaum geahnt,welche lichten und dunklen Gescheh-nisse in diesen Mauern im Lauf derJahrzehnte stattgefunden haben.Draußen schien die Sonne hell undwarm vom Himmel, und aus den Kel-lerfenstern wehte ein kalter Hauchheraus, der ein wenig an die unsicht-bare Parallelwelt der Agenten denkenließ, deren Existenz den Wienernmeist verborgen bleibt. |

Dr. Gerhard Hertenberger

Journalist und Buchautor

Abb. 6: Im Keller: Ein Schild „Reserved for J. A.“ (Joint Allies?) mit dem Wappen der„United States Forces in Austria“

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Seite 8 Nr. 09 / 2011

Von der k.k. Kriegsschule zum Lehartrakt derTechnischen Universität Wien

Dort, wo sichheute der Le-hartrakt derTechnischenUniversitätWien (TUWien, Lehar-gasse 2-4)befindet,stand ur-sprünglich diek.k. Kriegs-schule. Siewurde 1865als vierge-schoßiger Baumit weit vor-springendenMittel- undSeitenrisali-ten sowie umlaufenden Gesimsen errich-tet. Die Kriegsschule war ein freistehendesGebäude und bildete gemeinsam mit demk.k. Hoftheater-Kulissendepot, heute Sem-perdepot, sowie der k.k. Geniedirektion,heute Chemisches Institut der TU Wien,ein Ensemble von Zweckbauten des 19.Jahrhunderts.

1Nach dem Ersten Weltkrieg

wurden Kriegsschule und Geniedirektiongemeinsam mit dem dazugehörenden Are-al der TU Wien zugesprochen. Teilweise imZweiten Weltkrieg stark in Mitleidenschaftgezogen, wurden die Trakte des Getreide-markts bis 1949 restauriert bzw. wieder-errichtet. Erste Planungen für größereUmbaumaßnahmen an diesem Standortder TU Wien wurden Ende der 1950er Jah-re von Architekt Karl Kupsky entwickelt.Alle Bestandsgebäude inklusive dem Che-mischen Institut am Getreidemarkt sowiedem Semperdepot sollten schrittweise ab-gebrochen und durch eine neue Bebauungfür die Chemie- und Maschinenbauinstitu-te ersetzt werden. Gegen den Abriss desSemperdepots gab es aber nicht zuletztauch von Seiten der TU Wien (ProfessorHiesmayr) Bedenken, schließlich wurde derbereits denkmalbehördlich bewilligte Ab-bruch wieder aufgehoben. Einen weiterenGrund dafür, dass Kupskys Pläne nur teil-weise umgesetzt wurden, stellte die Wid-mung der Freihausgründe für Zwecke derTU Wien dar. Die Bebauung des Freihaus-Areals wurde als vorrangig angesehen.Nach Kupskys Vorstellungen wurde aberneben anderen, kleineren Bauteilen im-merhin von 1965 bis1972 der erste, linkeTeil des Chemie-Hochhauses, etwas hin-ter dem Chemischen Institut, umgesetzt.

2

Aufgrund somit geänderter Rahmenbedin-gungen für eine Verdichtung des Stand-orts Getreidemarkt, wurde in den 80erJahren von den Professoren Anton Schweig-hofer und Ernst Hiesmayr ein neues Pro-jekt entwickelt. Aufgabe war es, einerseitsausreichend Raum für die Chemie- undMaschinenbaufakultät zu schaffen, ande-rerseits aber Teile der vorhandenen Bau-substanz – jedenfalls das Semperdepotund das relativ neue Chemiehochhaus - zuerhalten. Die Professoren stellten einenPlan vor, der das Konzept einer Randbe-bauung mit unterschiedlich ausgeformtenBaukörpern und eine Gebäudehöhe, diesich am Bestand der benachbarten Gebäu-de orientierte, vorsah. Das Semperdepotsowie das Chemie-Hochhaus sollten erhal-ten, zweiteres aber nach den ursprüngli-chen Plänen von Kupsky, durch einenAnbau, als zum Chemischen Institut par-allele Scheibe, nach Norden weiter gezo-gen werden. Nachdem am Ende der 80erJahre die räumliche Situation und dieschlechten, teilweise gefährlichen Arbeits-bedingungen schon sehr gravierend wa-ren, wurde 1992-1995 die Erweiterung desChemie-Hochhauses vorgenommen.

2Zu

Beginn des 21. Jahrhunderts wurde der al-te Lehartrakt abgebrochen und 2007-2010an dessen Stelle der neue Trakt errichtet.Dieser Trakt bietet nun auf 6000 m- Nutz-fläche Raum für 100 Wissenschafter und700 Studierende.

3

Bedauerlich ist sicher der Verlust des inWien nicht mehr oft existierenden Ensem-bles von frühgründerzeitlichen Zweckbau-ten. Allerdings war dieses Ensemble bereits

durch die Errichtung des Chemie-Hoch-hauses stark beeinträchtigt. Auch ist na-türlich der Wunsch der TU Wien, sich anihren zentrumsnahen Standorten zu ver-dichten, nachvollziehbar. Jedenfalls schafftder neue Lehartrakt einen verhältnismä-ßig angenehmen Übergang von Chemie-Hochhaus zu Semperdepot, da er sich inseiner Gebäudehöhe und Art der Bebau-ung am benachbarten, vorwiegend grün-derzeitlichen Bestand orientiert. Die An-sicht in der Lehargasse kann in diesemZusammenhang als durchaus gelungenbetrachtet werden. Nicht ganz so positivfällt aber der Blick von der Millöckergasseaus auf. In der Flucht dieser Gasse wirktdas Gebäude sehr unruhig, weil die zweiStaffelgeschoße des neuen Lehartrakts ge-nau hier abrupt enden. Zusätzlich er-scheint von diesem Standpunkt aus dieFassade des neuen Gebäudes viel grünerals von der Lehargasse. Leider harmoniertdieser grünliche Ton nicht besonders mitdem Gelb des Theaters an der Wien. Scha-de, dass auf diese wichtige Sichtachse of-fenbar nicht ausreichend geachtet wurde.Wäre das Staffelgeschoß innerhalb desBlicks von der Millöckergasse aus einfachdurchgezogen, würde sich der neue Lehar-trakt wesentlich besser in den benachbar-ten Bestand einfügen. |

DI Stefan MastalArchitekt

1Dehio Wien, II. bis IX. und XX. Bezirk, Anton

Schroll & Co, Wien, 19932Schübl, Elmar; Der Universitätsbau in der Zwei-

ten Republik, Berger, Horn/Wien, 20053http://www.big.at/

Abb. 7: ehem. k.k. Kriegsschule kurz vor dem Abriss 2001 Abb. 8: Neubau Lehartrakt der TU Wien

(2007-2010)

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Seite 9Nr. 09 / 2011

Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

Das „Storchenschlössel“ am Wienfluss

Ein verträumtes altes Haus musste einemgesichtslosen Bürokomplex weichen.Anfang 2009 wurde das angeblich ältesteWohnhaus des 15. Wiener Gemeindebe-zirks abgerissen. Das zuweilen „Storchen-schlössel“ genannte, freistehendeGebäude mit der Adresse Storchengasse6 nahe dem Wienflussufer stammte min-destens aus der Biedermeierzeit, wobeiTeile laut Auskunft des Bundesdenkmal-amts (BDA) möglicherweise schon im 18.Jahrhundert erbaut worden sein könnten.Derzeit errichtet die BIG Entwicklungs- undVerwertungs GmbH (BIG E&V) gemeinsammit der Storchengrund GmbH & Co KG aufdem Grundstück einen Büro- und Hotel-komplex.

Jahrelanger KampfDie Geschichte klingt vertraut: Das Ge-bäude war vor 10 bis 15 Jahren laut meh-reren Augenzeugen noch in sehr gutemZustand. Im Jahr 2008 jedoch war durchoffene Fenster undDachluken so viel Feuch-tigkeit eingedrungen, dass die Bausub-stanz schwer gelitten hatte. EinVorbesitzer, ein steirischer Anwalt, konn-te oder wollte mir über den Grund dieserrapiden Gebäudealterung nichts sagen undbrach das Telefongespräch grußlos ab.Sämtliche Bewohner wurden im Lauf derJahre abgesiedelt, nur eine damals 70jäh-rige Dame, die seit 48 Jahren im Hauswohnte, weigerte sich standhaft, ihr ge-liebtes Haus und den idyllischen Rosen-garten zu verlassen. Als ein „Vermittler“ihr gegenüber von Delogierung und Ein-weisung in ein Heim sprach, unterschriebFrau V. verzweifelt ein Dokument und er-fuhr später, dass sie soeben der Übersied-lung in eine moderne Wohnungzugestimmt hatte.In einem langen Gespräch erzählte sie mirim Herbst 2008, wie man ihr mehrmalsWasser und Strom abgedreht hatte, weilsie sich trotz ihrer Unterschrift weigerte,Haus und Rosengarten zu verlassen. ImSommer 2008 berichtete eine ORF-Repor-tage der Reihe „Schauplatz Gericht“ vondiesem Rechtsstreit. Als ich mit ihr sprach,hatte sie das Haus verlassen, kam abertäglich, um ihre Rosen zu schneiden undVögel im Garten zu füttern.

Unklare VergangenheitÜber die Geschichte des Gebäudes waren(auch im Bezirksmuseum) nur wenige kla-re Fakten zu erfahren. Frau V. behaupte-te, dass das Haus ursprünglich angeblichmit den sommerlichen Aufenthalten desKaisergefolges in Schönbrunn in irgendei-

nem Zusammenhang stand. Verifizierenließ sich diese Angabe bisher nicht.Von einer Mühle wusste Frau V. nichts (ge-legentlich wurde das Gebäude „Storchen-mühle“ genannt, und im Bereich der nahenUllmannstraße gab es einen Mühlbach),hingegen soll hier einst eine Sattlerei exis-tiert haben. Die Reste der angeblichen Pfer-deställe konnte ich 2008 noch sehen. Auchein Gerbereibetrieb war zeitweise vorhan-den, sagten mir mehrere Leute.

Denkmalschutz?Laut Frau V. stand das Gebäude in den1960er Jahren, als sie einzog, definitiv un-ter Denkmalschutz. Anhand der Compu-terlisten des BDA konnte diese Angabeweder belegt noch widerlegt werden. Te-lefonisch erfuhr ich vom BDA, dass schonHofrat Pötschner das Gebäude auf seineSchutzwürdigkeit geprüft habe. Es sei aberkeine barocke Substanz sichtbar und dasHaus in einem so schlechten Zustand, dasseine Erhaltung wirtschaftlich nicht zumut-bar sei. „Wir haben uns sehr schwer ge-tan, aber es ist kein Denkmal“, sagte manmir.Auch an diesem Objekt lässt sich wie sooft erkennen, dass die österreichische Ge-setzeslage betreffend der Erhaltungspflichtvon schützenswerten und denkmalge-schützten Gebäuden völlig unzureichendist. Ein schönes, altes Bauwerk kann „ver-sehentlich“ oder absichtlich vernachlässigtwerden, bis ein Abbruch und eine „Verwer-tung“ des Grundstücks durchgesetzt wer-den kann.

„Verwertung“ des ArealsDie BIG Entwicklungs- und VerwertungsGmbH (BIG E&V), eine hundertprozentigeTochter der Bundesimmobiliengesellschaft,wurde 2006 gegründet, um den Wert vonBIG Immobilien „durch professionelle Ent-wicklungstätigkeit zu erhöhen“,wie es auf ihrer Webseite heißt.Im Bereich Storchengasse 6 –10, also am Areal des einstigenStorchenschlössels, baut die BIGE&V gemeinsam mit der „Stor-chengrund GmbH & Co KG“ der-zeit einen laut Eigendefinition„richtungsweisenden Neubau“,ein monumentales zehngeschos-siges Bürogebäude mit Hotel, Su-permarkt und Tiefgarage für 200Kraftfahrzeuge. Ziel sei, lautWebseite, die „Optimierung dererzielbaren Flächen“. Im Vorder-grund stand demnach in erster Li-nie der erzielbare finanzielle

Gewinn. Tatsächlich handelt es sich beidem Gebäude um einen unstrukturiertenQuader mit langen gleichartigen Fenster-reihen, der sich in keiner Weise von tau-senden anderen Bürogebäuden unter-scheidet.Die Projektentwickler behaupten allerdingsauf ihrer Webseite, sich sehr wohl Gedan-ken über die Optik des zehnstöckigenBlocks gemacht zu haben. Am Eck LinkeWienzeile/Storchengasse lastet nämlichauf der Baukubatur im Dachbereich einschwerer, zweistöckiger Quader. Die Web-seite erklärt dazu: „Um die städtebaulicheSilhouette an der Linken Wienzeile nichtabrupt abzubrechen, soll, einer WienerTradition gemäß, die Gebäudeecke zurStorchengasse angepasst werden. Da-durch wird mit den gestalterischen Mittelnder Wiener Gründerzeitbauten, nämlichder oben beschriebenen Ecküberhöhung,ein homogenes Stadtbild erreicht, das vomBruno-Bittermann-Platz [sic!] erkennbarwird.“Abgesehen von der unkonventionellenSchreibweise des 1983 verstorbenen Vi-zekanzlers Bruno Pittermann wundert mansich über die Formulierung „homogenesStadtbild“. Wobei die Bezeichnung eigent-lich zutrifft: Nach dem Verschwinden desalten Storchenschlössels besteht das dor-tige Wienflussufer einheitlich aus gesichts-losen Bürobauten.Nach der „hundertprozentigen Vorverwer-tung der Flächen“ sei die Projektentwick-lung seitens der BIG E&V erfolgreichabgeschlossen worden, berichtet derenWebseite. Die BIG E&V verkaufte ihre Ge-sellschaftsanteile an den Projektpartner„Storchengrund GmbH & Co KG“. |

Dr. Gerhard Hertenberger

Journalist und Buchautor

Abb. 9: Das Störchenschlössl, kurz vor demAbriss, 2008

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Seite 10 Nr. 09 / 2011

Ein gefährdetes Juwel des österreichischenArchitektur-Historismus: Das Arsenal in Wien

Sind Sie schon einmal vom Belvede-re in den Schweizergarten über dieHeeresmuseumsstraße ins Wiener Ar-senal spaziert? Wenn nicht, dann soll-ten sie dies unbedingt nachholen.Beim Anblick der nordöstlichen, derInnenstadt zugekehrten Seite des Ar-senals vom Schweizergarten aus be-kommen Sie den besten Eindruck vondiesem architektonischen Juwel desWiener romantisierenden Historismusdes 19. Jahrhunderts. Am uto-pisch anmutenden, weithinsichtbaren Richtfunkturm derTelekom Austria, der über denhistorischen Gebäudenschwebt, erkennen Sie von die-sem Betrachtungswinkel ausgleichzeitig, dass die Zeit in derehemaligen militärischen Waf-fen- und Festungsanlage der K.K. Monarchie Kaiser Franz Jo-sefs nicht stehen geblieben ist.Heute wird das Wiener Arsenal– eines der größten städtebau-lich geschlossenen Gebiete inWien – vielfältig genutzt. Etwa1200 Personen – die sich „arse-nalintern“ als „Arsenalerinnen“und „Arsenaler“ bezeichnen –bewohnen rund 800 Wohnun-gen. Die großzügigen Grünan-lagen mit umfangreichemAltbaumbestand bieten – alsinnerstädtisches Parkschutzge-biet gewidmet – zahlreichenWienerinnen und Wienerneinen geschätzten Erholungs-raum für ihre freizeitlichen Ak-tivitäten. Im der Innenstadtzugewandten Teil des Arsenalsbefindet sich das Heeresge-schichtliche Museum. Denschönsten Eindruck vondermit pracht-vollen Ornamenten neobyzantinischgestalteten schmuckvollen Fassadedes Heeresmuseums bekommtder/die Besucher/in, wenn sie/erdurch das Objekt 1 (Eingang Ghega-straße) das Arsenalgelände betritt.Am Weg durch das Objekt 1 – vor-mals Kommandogebäude der Armee– liegt das infrastrukturelle Herz desArsenals mit Arzt, Feinkostladen mitPoststelle, Tabak-Trafik, Restaurant,Friseur, Hausverwaltung und Direkti-on des Heeresmuseums – also nahe-zu alles, was es den Arsenaler/innen

erlaubt zu überleben, ohne die „Au-ßenwelt“ betreten zu müssen.Das Architektenkonsortium des Arse-nals aus dem Jahr 1849 liest sich wiedas Who-is-Who des Ringstraßenhis-torismus: Siccardsburg, van der Nüll,Förster, Hansen und Rösner. Nach zü-giger Fertigstellung im Jahr 1856 wur-de die Anlage jahrzehntelang vielfältigmilitärisch genutzt – als Waffenpro-duktions- und Teststätte, Waffenlager,

Kadettenausbildungsstätte bis hin zurmilitärischen Ballon- und Luftschiff-herstellung. Seit Ende des zweitenWeltkrieges wird das Arsenal – abge-sehen von im nordöstlichen Bereichstationierten Bundesheereinheiten –nur noch zivil genutzt. In den 1960erJahren hat die damals noch staatlichePost ihr fernmeldetechnisches Zen-trum mit dem Fernmeldfunkturm imArsenal errichtet. Immerhin liegt dieeiszeitlich entstandene Arsenalterras-se auf rund 200 m Seehöhe – gleichhoch wie die Hohe Warte in Wien –und ist daher für eine Richtfunkstati-

on bestens geeignet. Die Bundesthea-ter haben ihre Kulissenwerkstättenund Depots im Arsenal eingerichtetund sind heute als privatisierte „Art-for-Art“ im Arsenal tätig. In den 1990-iger Jahren kamen die Probebühnenfür Burg- und Akademietheater hin-zu. Zurzeit wird die Anlage um eineProbebühne für die Wiener Staatso-per erweitert. Seit einigen Jahren fin-den im Sommer zahlreiche inter-nationale Tanzworkshops undVeranstaltungen im Rahmen desImpulstanz-Festivals Wien im Ar-senal statt. Dabei sind den gan-zen Tag junge, tanzbegeisterteMenschen aus aller Welt im Arse-nal zu beobachten, die in Grüpp-chen, zu Fuß oder auf städtischenLeih-Fahrrädern das sommerlicheArsenal beleben.Das Bundesdenkmalamt betreibt– ebenso wie das Heeresmuseum– international beachtete Restau-rierwerkstätten im Arsenal. Apro-pos Heeresmuseum: DiesesMuseum ist immer einen Besuchwert - schon alleine vom architek-tonischen Standpunkt, abgesehenvom hohen militärhistorischenWert der einmaligen Sammlun-gen. Thematisch ausgezeichnetaufbereitete Sonderausstellungensowie regelmäßig veranstaltete,mehrtägige Feste und Märkte –wie z.B. der mittelalterliche Ad-ventmarkt – locken ein vielfältigkulturell interessiertes Publikumins Arsenal.Die heutigen, vielseitigen Nut-zerinteressen haben dem Erhaltder historischen Wurzeln des Ar-senals nicht immer gut getan. Ins-

besondere der Verkauf der denkmal-geschützten Wohngebäude an privateImmobilienverwerter im Jahr 2004durch die BIG unter der Bundesregie-rung des Kabinetts Schüssel II unddem damaligen – auch durch andereImmobilien-Transaktionen (Stichwort„BUWOG“) allseits bekannten – Fi-nanzminister Dr. Grasser, haben demArsenal weit mehr geschadet als derweit unter dem tatsächlichen Ver-kehrswert erzielte Verkaufserlös derRepublik Österreich genutzt hat. Ein-zelne denkmalgeschützte Objekte ha-ben inzwischen schon mehrmals den

Abb. 10: Kapelle Maria vom Siege im Arsenal

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

(privaten) Eigentümer gewechselt undes ist zu fragen, ob nicht durch dieVeräußerung der vormals im Besitzder Allgemeinheit befindlichen kultur-historisch wertvollen Immobilienhauptsächlich profitorientierten Spe-kulanten Tür und Tor geöffnet wordenist. Derzeit wird das denkmalgeschütz-te Wohnobjekt 12 am östlichen Endedes Arsenals mit äußerster bautech-nischer und gegen die Bewohner/in-nen gerichteter Brutalität um zweivöllig deplatzierte Dachgeschoße er-weitert. Dabei zerstören offen verleg-te Infrastruktur- und Abwasser-leitungen den historisch wertvollenInnenbereich des Gebäudes, Fensterwerden zugemauert (gegen den Wil-len der Bewohner/innen), Dachbödenwurden geräumt ohne Einverständnisder Mieter/innen (mit der Folge vonBesitzstörungsklagen gegen die Haus-inhabung), unzählige Kamine wurdengeschliffen, obwohl sie benötigt wer-den und vieles andere schier Unglaub-liche ist geschehen. Ungelöst ist auch

die Parkplatzbewirtschaftung für diezusätzlichen Wohneinheiten, da eineursprünglich geplante Tiefgarage bau-technisch nicht realisierbar ist. Tragi-scherweise haben sowohl das Bundes-denkmalamt als auch die zuständigeBaubehörde dieses unfassbare Vorha-ben genehmigt.Aufgrund bereits abgehaltener groß-spuriger Ideenwettbewerbe zur mas-siven Erhöhung der Bebauungsdichteinnerhalb des Arsenals ist zu befürch-ten, dass es nicht bei der Zerstörungeines Objekts allein bleiben wird. An-gesichts dieser unseligen aktuellenEntwicklung kann man dem Arsenalund allen kulturell Interessierten nurwünschen, dass dem Beginn der Zer-störung eines der bedeutendsten Bau-denkmäler der Monarchie rasch einEnde gesetzt wird und die anderenkunsthistorisch wertvollen Objekte imArsenal nicht ebenfalls zugrunde ge-richtet werden!

Falls Sie mehr über das Arsenal – ins-

besondere über das historische – wis-sen möchten, kann ich Ihnen dasBuch „Das Wiener Arsenal“ von Peterund Wolfgang Schubert, erschienenin der Mayer & Comp. Verlagsgesell-schaft, empfehlen. Auf der Homepa-ge des Vereins Initiative Arsenalwww.vi-arsenal.at finden Sie darüberhinaus aktuelle Fotos vom Arsenal in-klusive einer Dokumentation der Zer-störung des historischen Objekts 12.

Aber am besten ist, Sie nehmen sichZeit für einen Spaziergang im Arse-nal und machen sich selbst ein um-fassendes Bild von diesem einmaligenWiener Architekturjuwel – Sie werdenes nicht bereuen! |

Dr. Franz Josef Maringer

Vorsitzender, Verein 'Initiative Arsenal'

www.vi-arsenal.at

Abb. 11: Das Heeresgeschichtliche Museum im Arsenal. Das frühe Hauptwerk Theophil Hansens ist das erste profanehistoristische Gesamtkunstwerk Wiens und eines der bedeutendsten Werke der Architektur des europäischen Historismus.

iD-Führung:

Das Wiener Arsenal, ein Frühlingsspaziergang

24.03.2012 (siehe S. 43)

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Seite 12 Nr. 09 / 2011

Der Invalidenhauspark in Wien-HietzingLebensareal – Erholungsraum – Spekulationsobjekt

Der folgende Beitrag befasst sich mitdem halböffentlichen Invalidenhaus-park im 13. Wiener Gemeindebezirk(Hietzing) auf dem südlichen Abhangdes Stranzenberges. Er umfasst über33.000 m2. Begrenzt wird er von derHochheim-, der Stranzenberg-, derFasangarten-, der Würzburg- und –über eine vorgelagerte Häuserzeile –der Opitzgasse.Dieses Grundstück erhielt im Jahre1908 gesellschaftliche und kulturhis-torische Bedeutung. In diesem Jahreerwarb die staatliche Stiftung, die sichder Versorgung und Pflege versehrterSoldaten widmete, dieses Areal. Aus-schlaggebend für die Wahl diesesGrundstückes war die südliche Lageim Grünen, die Nähe zum Lainzer Tier-garten und ein günstiges Klima, wel-ches Zeitgenossen mit jenem vonMeran verglichen.Die bisherigen Gebäude für Kriegsin-valide im 3.Wiener Bezirk wurden auf-gegeben. 1909 wurde das neubebaute Areal am Stranzenberg sei-ner Bestimmung übergeben. 1910 fan-den noch Nachbesserungen statt. Invielfach bewunderter Parklage befan-den sich zehn Objekte/“Pavillons“,und an zentraler Stelle die kuppelge-schmückte Anstaltskirche samt (sie-he Abb. 12) Nebenbauten. Die Anlagetrug die Bezeichnung „K.u.k. Militär-und Kriegsinvalidenhaus“.Die folgenden politischen und wirt-schaftlichen Krisen bestätigten dieNotwendigkeit der Weiterführung dersozialen Zielsetzung. Bis weit nachdem Zweiten Weltkrieg waren die Mie-ter überwiegend Nachkommen des ur-sprünglich angedachten Personenkrei-ses. Durch den zeitlichen Reifungs-prozess wurde diese Landschaft voneinem begrünten Wohnbereich zu ei-nem echten Park, mit dem sich dieBewohner, aber auch die benachbar-te Bevölkerung identifizierten – es war„ihr“ Invalidenhauspark!

1

Als Naturraum war der Park auch fürdie Tierwelt von Bedeutung. NebenSingvögeln und Eichkätzchen wurdenauch schon Füchse gesichtet. Die hiermögliche reale Begegnung mit der Na-tur ist vor allem für Kinder und Ju-gendliche von hoher Bedeutung.In dieser geschützten Atmosphäreschuf der Verein „Balance“ Werkstät-

ten für behinderte Menschen.Schließlich trugen auch das Bundes-denkmalamt und die Stadt Wien die-ser besonderen Bedeutung Rechnung.Die Anlage steht als Ensemble unterDenkmalschutz und ist von der Stadt

Wien als für das Stadtbild wichtigeund erhaltungswürdige Schutzzoneausgewiesen.

Das bittere Erwachen aus diesemTraum erfolgte 2006. Ein nicht aus-reichend gepflegter Baum stürzte umund zertrümmerte ein parkendes Au-to. Wegen daraus entstehenderRechtsfragen forschte die Polizei nachdem Eigentümer. Die Erinnerung derBevölkerung, die Kenntnis der Spit-zenfunktionäre des Bezirks und derGrundbuchstand stimmten überein:Die Republik, die öffentliche Hand istes! Doch das war falsch: Nachfor-schungen ergaben, das das Grund-stück in der Zwischenzeit ein- odervielleicht mehrmals klammheimlichverkauft worden war, ohne dass derBevölkerung die Verscherbelung ihresParks zur Kenntnis gekommen wäre!Auch im Grundbuch war nichts ver-merkt!Was war geschehen? Kenner derGrau- und Schwarzbereiche der jün-geren politischen Geschichte Öster-

reichs erraten es leicht: Wir befindenuns im Aktionsbereich der vorgebli-chen Budgetsanierung, dem soge-nannten „Nulldefizit“ einer früherenBundesregierung (Kanzler Dr.Schüs-sel, Finanzminister Mag.Grasser).Im Zuge dieses der Bevölkerung alsnotwendige Haushaltssanierung ver-kauften „Ausverkaufs der Republik“verscherbelte die Republik neben denviel bekannteren BUWOG-Bauten undanderen Objekten eben auch den In-validenhauspark, ohne sich den Deutum den daraus entstehenden Verlustfür die lokale Bevölkerung zu scheren.Es wäre wünschenswert, wenn sichdie Korruptionsstaatsanwaltschaftnach den BUWOG-Bauten auch mitden Kaufvorgängen rund um den In-validenhauspark befasst, etwa mit derFrage, ob der Bund zu angemesse-nem Preis verkauft hat; ob sich dieneue Investorin die künftige Umwid-mung – und damit Wertsteigerung! –heimlich von der Wiener Rathausbü-rokratie und Funktionären zusichernließ, beim Bund aber billig einkaufteusw. Neben der Enttäuschung derMenschen geht es hier ja auch um un-ser gemeinsames Geld, das Staats-vermögen!Der Schutz der öffentlichen Hand fürdieses Areal war jedenfalls weg - dererste Schritt zur schrankenlosen Ver-marktung gesetzt.In dieser aufgeheizten Atmosphäreum politischen Verrat an den Men-schen, vor allem aber auch um mas-sive Korruptionsgerüchte wurdeplötzlich in groben Zügen der Plan des– damaligen – (Zwischen-)Eigentü-mers bekannt, im Eckbereich zwi-schen Stranzenberg- und Hochheim-gasse einen Supermarkt mit großemParkplatz entstehen zu lassen. DieEmpörung gegen derartige Pläne wargroß und einhellig. Die lokale Bevöl-kerung, aber auch viele andere Per-sonen organisierten sich überpar-teilich zu einer Bürgerinitiative gegendiese Pläne. Die ablehnenden Argu-mente waren im Wesentlichen die zuerwartende Verkehrslawine durch Lie-feranten und Kunden, die Beseitigungdes Parkcharakters und des Erho-lungsraumes für die Bevölkerung, derWegfall der sozialen und gesellschaft-lichen Funktion des Parks. Die Bür-

Abb. 12: Invalidenhauskirche imInvalidenhauspark

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Seite 13Nr. 09 / 2011

Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

gerinitiative (BI) hatte über tausendUnterschriften gegen die Umwidmungdieses Parkteiles gesammelt. Unter-stützung erhielt die BI von allen poli-tischen Gruppen Hietzings.Die Hietzinger Bezirksvertretung ließdie Muskeln spielen. Unter ungewöhn-lich lebhafter Beteilung der anwesen-den Bevölkerung fassten übergemeinsamen Antrag aller vier Frak-tionen die Damen und Herren Hietzin-ger Bezirksräte am 6.12.2006 deneinstimmigen Beschluss, in dem siesich dafür aussprachen, „dass die der-zeit gültigen Bauwidmungen im Be-reich des Invalidenhauses, Fasan-gartengasse 101 zwischen Stranzen-berggasse, Hochheimgasse, Würz-burggasse keine Veränderungenerfahren.“Das schien ein eindeutiges und unbe-dingtes Versprechen für die Zukunft!Wie für viele andere Schwüre galt aberauch für diesen: So schnell verspro-chen, so schnell gebrochen!Als es nämlich am 30.6.2010 zur Be-währungsprobe für diesen Mutbeweisder Bezirksfunktionäre kommen soll-te, vergaßen die roten und schwarzenBezirksräte ihre früheren Versprechenund fielen um wie Steine im Domino-spiel!

Was war passiert?

In der Folge war es durch eine neueInvestorin zu einem konkreten Bau-plan gekommen, der an dieser Stelleein mehrstöckiges Hochhaus mit ei-ner vierstöckigen (!) unterirdischenGarage für über 200 Abstellplätze vor-sah – dies bedeutet im Park eine 16m tiefe Baugrube auf der Fläche ei-nes Wohnhauses. Die bestehendenMietwohnungen sollen zu größerenLuxuswohnungen zusammengelegtund als Wohnungseigentum verkauftwerden. Dazu solle noch ein vierstö-ckiger Neubau kommen. Für die neueKlientel dieser Anlage werden Gara-genplätze benötigt. Um nichts demZufall oder dem Wunsch der Bürgerzu überlassen, wurde vor dem Kaufdes Grundstückes zwischen Gemein-de Wien (Magistrat, Funktionäre) undder Investorin alles fein „ausgeklün-gelt“, pardon abgeklärt, damit die Ge-meinde den gewünschten, von derInvestorin praktisch „in Auftrag“ ge-gebenen Umwidmungsbeschluss am30.6.2010 projektgemäß fassen konn-te. Der Sperrriegel vor diesem „Auf-tragssbeschluss“ war die HietzingerBezirksvertretung (BV), die sich zu

dem Umwidmungsantrag zu äußernhatte und deren Meinung – insbeson-dere damals vor den anstehenden Ge-meinderatswahlen – großes Gewichtzukam!In der entscheidenden Bezirksvertre-tungssitzung blieben Blaue und Grü-ne Bezirksräte strikt bei ihremablehnenden Beschluss vom6.12.2006. Da sich aber bei Rot undSchwarz bereits heftige Absetzbewe-gungen vom „Schwur“ des 6.12.2006abzeichneten, setzen Blau und Rot ei-ne namentliche Abstimmung zu die-sem Punkt durch. Erwartungsgemäßstimmten die Roten und SchwarzenVertreter für die Umwidmung des Park-teils in Bauland, aber manche offen-sichtlich mit erheblichem „Bauchweh“.Eine solche namentliche Abstimmunghatte es in der Hietzinger BV bishernoch nie gegeben! Jeder Bürger kannsich nun an Hand des Sitzungsproto-kolles überzeugen, wer die „Umfaller“sind.Nicht unerwähnt sei, dass die Inves-torin ihren Teil zu diesem erbärmli-chen politischen Sittenstück beitrug:Sie hatte nachweislich die Bezirksver-tretung, die Bevölkerung und die BImit wesentlich niedrigeren Zahlen dergeplanten Abstellplätze zu ködern ver-sucht, obwohl sie das wahre Ausmaßder geplanten Investition nachweis-lich bereits mit der Gemeindebehör-de vereinbart hatte.

2Die Gemeinde

hielt sich, abgesehen von einer win-zigen kosmetischen Korrektur, an dieAbsprache, dasgesetzlich vorgeschrie-bene Begutachtungsverfahren für An-rainer war eine reine Farce, da dasErgebnis in Wahrheit schon vorherfest gestanden hatte. Die Einsprüchezahlreicher Anrainer wurden ignoriert.Der Beschluss war politisches Thea-ter; das wirtschaftliche Ergebnis abereine sprunghafte Wertsteigerung fürdie Investorin!Weiters nicht unerwähnt sei, dass ca.40 Anrainer aus dem Bereich Würz-burg- / Opitzgasse sich zu Gunstendes Garagenprojektes ausgesprochenhatten, Ihnen war Angst gemacht wor-den, dass die künftigen Eigentümerder Luxuswohnungen mit ihren Zweit-und Drittautos die Straßenparkplätzeverstellen würden.Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben soll,dassdieangerufeneKorruptionsstaats-anwaltschaft bei all diesen Vorgängenkein Haar in der Suppe fand! Auch daszuständige Finanzamt antwortetenicht einmal auf die Sachverhaltsdar-stellung wegen möglicher Verkürzung

der Grundverkehrsabgaben und mög-licher Täuschung über den wahrenWert („Wertverschleierung“) beimGrundstücksverkauf durch die Repu-blik.NA JA, ALSO DOCH ALLES PALETTIRUND UM DEN INVALIDEN-HAUSPARK? |

DDr. Heinrich Kopecky

Bürgerinitiative Invalidenhauspark

1Zur Geschichte siehe insbesondere „Dr. Franz

Loidl, Invalidenhauskirche, St. Johann von Ne-

pomuk in Wien, 1947, und die dortigen umfang-

reichen Quellennachweise,

Öst. Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft

und Kunst, Hietzing Ein Heimatbuch des 13. Wie-

ner Gemeindebezirks, 1.Band, 1925

Christine Klusacek - Kurt Stimmer, Hietzing, Ein

Bezirk im Grünen, 19772Frau Mag. Bettina Breiteneder nannte der Öf-

fentlichkeit und den politischen Vertretern im Be-

zirk lange Zeit nur eine Zahl von 165/166

Garagenplätzen, so in der Sitzung der Hietzin-

ger Bezirksvertretung vom 19.10.2009, und im

einschlägigen Prospektmaterial. In einer Präsen-

tation vor Vertretern der Hietzinger Grünen am

8.2.2010 korrigierte die Genannte diese Zahl

auf 175. Am 13.3.2010, also im ersten Drittel der

Stellungnahmefrist für Einsprüche der Bürger

gegen die geplante Umwidmung, organisierte

der rote BVStV Reinhard Feistritzer eine soge-

nannte „Informationsveranstaltung“ zu Gunsten

der Umwidmungspläne – diese beinhalteten 210

Garagenplätze. Im Zuge, dessen erklärte der

Vertreter der MA21B, Herr Herbert Bucher, den

erschienenen Bürgern, was für seine Behörde

wirklich Sache ist: „Wir haben das Ansuchen der

Firma Breiteneder untersucht und haben keine

Einwände. Wir übermitteln diesen Vorschlag an

den Gemeinderat, der das Projekt schließlich

beschließt oder ablehnt“. Was das offizielle Be-

gutachtungsverfahren erbracht hat oder noch er-

bringen sollte, war für die Gemeinde Wien

uninteressant! Am 30.6.2010 behandelte der

Wiener Gemeinderat den Antrag. GR Dr. Her-

bert Madejski (FPÖ) hielt eine flammende Rede

gegen das Projekt und die beabsichtigte Umwid-

mung. Er verwies auf die dubiosen Zahlentricks

von Frau Mag.Breiteneder: „Im übrigen wundert

mich, dass Frau Breiteneder und die Projektbe-

treiber im Ausschuss nur von 165 Abstellplätzen

gesprochen haben, obwohl sie genau wussten,

und alle wussten es, dass es mindestens 210

werden“. Daran anschließend beschloss der Wie-

ner Gemeinderat mit den Stimmen von Rot und

Schwarz „auftragsgemäß“ die Umwidmung zu

Gunsten von 210 Garagenplätzen!

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Seite 14 Nr. 09 / 2011

Die Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ –Manifestation fortschrittlichen Denkens

Die „Niederösterreichischen Landes-Heil-und Pflegeanstalten für Geistes-und Nervenkranke ‚Am Steinhof‘“ stel-len die dritte allein für Geisteskrankevorbehaltene Institution in Wien dar.Verglichen mit dem 1784 im Bereichdes alten Allgemeinen Krankenhau-ses errichteten „Narrenturm“ und derum die Mitte des 19.Jhdts. erbautenNiederösterreichischen Landesirren-anstalt im 9. Bezirk am Brünnlfeld re-präsentiert die 1901 beschlossene„Steinhof“-Anlage einen – in jeder Hin-sicht – epochalen Schritt in RichtungFortschritt und Modernität – und diesnicht nur für das Wien der Jahrhun-dertwende. Nicht zuletzt dokumen-tiert die Namensgebung das sichverändernde Bewusstsein gegenüberdem Kranken.Mit fast 1 Million Quadratmeter Grund-areal, vorgesehen für die Zahl von2000 Betten, ist „Am Steinhof“ zu Be-ginn des 20.Jhdts. die größte Anstaltder Welt, ja – wie Zeitgenossen mei-nen – auch die schönste ihrer Art.Die Errichtung auf der BaumgartnerHöhe, nahe des Wienerwaldes: eineLage außerhalb der dicht verbautenQuartiere, mit reizvollem Panoramaund gesunder Luft – damit entspricht„Am Steinhof“ ganz den Forderungender zeitgenössischen, psychiatrieori-entierten Architekturtheorie, die derNatur besonders heilende Wirkung zu-schreibt. Zugleich ermöglicht derStandort aber auch die Anbindung an

städtische Versorgungseinrichtungensowie den leichteren Kontakt zwischenAngehörigen und Kranken.Von Anfang an entscheidet man sichfür das Pavillonsystem – und damitgegen einen großen, geschlossenenKrankenhauskomplex – um so in klei-neren, selbständigen Einheiten die Pa-tienten „zielgerichtet“ betreuen zukönnen. Demnach entstehen die Pa-villons der eigentlichen Heilanstalt,der angeschlossenen gleich großenPflegeanstalt, sowie jene des auch Sa-natorium genannten Pensionats. Dif-ferenziert wird bei der Unterbringungin ruhige, halbruhige und unruhigePatienten.In Vielem stößt man auf außerordent-lich fortschrittliches Denken. Wenn et-wa erwogen wird, außerhalb dereigentlichen Anstalt ein „Pflegerdörf-chen“ einzurichten, einen geschütz-ten Übergangsbereich zu schaffen fürentlassene, aber im Leben draußenmit Schwierigkeiten konfrontierte Pa-tienten – dann ist das Vorwegnahmedessen, was der italienische Reform-psychiater Franco Basaglia mehr alsein halbes Jahrhundert später propa-gieren wird.Oder die die Gesamtanlage umschlie-ßende Mauer: Sie soll nicht nur dieÖffentlichkeit vor den Geisteskrankenschützen, sondern auch die Geistes-kranken vor der Öffentlichkeit, vor derNeugier undBelästigungdurchPassan-ten. Diese Grenze zwischen Drinnen

und Draußen wird von gezielt ge-pflanzten Büschen und einer Weinhe-cke verdeckt, so verdeckt, dass sieeher wie eine „Vorgarteneinfriedung“wirkt, denn wie eine Ein-Mauerung.Eine autarke Enklave außerhalb derÖffentlichkeit der Stadt ist angestrebt– vergleichbar den Konzepten der So-zialutopisten des frühen 19.Jhdts., et-wa jenen eines Robert Owen oderCharles Fourier. Die Heil-und Pfle-geanstalt sieht ein „Beschäftigungs-haus“ mit einer Reihe von Werkstättenvor; von Anfang an sind Patienten ein-gebunden in gärtnerische bzw. land-wirtschaftliche Tätigkeiten, um denEigenbedarf der Anstalt so weit wiemöglich zu decken, also aus budget-entlastenden Gründen, aber auch –ja hauptsächlich – aus therapeuti-schen Überlegungen.„Am Steinhof“ ist mit allen jenen bau-lichen Einrichtungen versehen, die füreine Metropole charakteristisch sind:einem Gebäude für die Verwaltung,mehreren für die Ökonomie, sogarTheater, Kirche und – Kerker fehlennicht. Den „normalen“ Wohnviertelnin ihrer Differenziertheit lassen sichdie Pavillons für die verschiedenenGruppen von Patienten an die Seitestellen. Dem distanzierten und exklu-siven Villenviertel wiederum ent-spricht das Pensionat, das für eine„gehobene“ Schicht gedacht, abseitsliegt – abgehoben von der eigentli-chen Heil-und Pflegeanstalt.

Abb. 13: „Am Steinhof“, Vogelschau nach Aquarell von Erwin Pendel, 1907

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Seite 15Nr. 09 / 2011

Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

Insgesamt kommt es im Anstaltsbe-reich zu einer subtil-abgestuften Aus-bildung verschieden-strukturierteröffentlicher Sphären. Direktion, Thea-ter und Kirche gehören der Kategorierepräsentativer Öffentlichkeit an.Nicht mehr für den Fremden mit qua-si „touristischem“ Interesse gedacht,ist hingegen das innere Areal: die ei-gentliche Anstaltsöffentlichkeit. Ausihr wiederum grenzen sich die Gärtender Halbruhigen-Pavillons, von Gitternumfriedet, und – von Mauern um-schlossen – die Gärten der Unruhi-gen-Pavillons aus. Interessant, wiedifferenzierend dabei auch die Pflan-zen eingesetzt werden.Die Gesamtkonzeption ist dahinge-hend angelegt, dass sie vom Archi-tekturbetrachter als architektonischesDenkmal in Form eines Sakralbau-werks oder als monumentalisiertes

Verwaltungsgebäude rezipiert werdenkann. Die eigentliche Bestimmung von„Steinhof“, eine Anstalt für Geistes-kranke zu sein, soll optisch nicht zurWirkung kommen.Jemand, der sich Wien – etwa mit demZug – nähert, nimmt an der Stadtpe-ripherie mitten im Wienerwald eineKirche oder vielleicht nur deren Kup-

pel wahr. Ihm, dem in jeder Hinsichtdistanzierten Architekturbetrachterpräsentiert sich „Steinhof“ demnachvor allem als herausragende Kirchen-architektur; die Anstalt reduziert sichso zum ästhetischen Phänomen.Jener, welcher in einer bestimmtenAbsicht – etwa um einen Kranken zubesuchen – auf die Anstalt zukommt,sieht von ihr nur das Verwaltungsge-bäude, nur dieses tritt in sein Blick-feld. Ihm, dem involvierten oder garbetroffenen Architekturbetrachter er-schließt sich „Steinhof“ als Monumentdes „Verwaltetseins“, als Denkmal derRationalisierung der Irrationalität.Werden Verwaltungsgebäude und Ge-sellschaftshaus im eigenen Baudepar-tement entworfen, so engagiert manfür die Kirche mit Otto Wagner einender führenden Architekten Wiens um1900, der Garant ist für eine ästhe-

tisch-exquisite, moderne Lösung –prädestiniert als Wahrzeichen für diegesamte Anlage zu dienen.Wagner beschränkt sich freilich nichtauf das Entwerfen der Kirche, sondernlegt zugleich auch seine Vorstellun-gen vom Gesamtplan für „Steinhof“vor. Dabei übernimmt er die bereitsim „amtlichen Entwurf“ vorhandene,

betonte Mittelachse – gebildet aus Di-rektion, Gesellschaftshaus, Küche undKirche – verwendet sie aber zudemals Hauptkoordinate für die gesamteArrondierung des Areals. Die im ur-sprünglichen Entwurf noch – den Ter-raingegebenheiten entsprechend –unregelmäßig über das Gebiet ver-streuten Pavillons ordnet Wagner nunstreng symmetrisch an.Aus der „zufällig“ in die Natur gebet-teten Anlage wird eine streng durch-komponierte Anstalt; das ihr auf-erlegte Ordnungssystem versinnbild-licht gleichsam die Wunschvorstel-lung, der Geisteskrankheit – wie jederanderen Krankheit – Herr werden zukönnen.Wagners Kirche definiert den Mittel-punkt der Gesamtanlage von „Stein-hof“. Sie ist als Weiterführung dervom Architekten 1899 publizierten

Vorstellungen über„Die Moderne imKirchenbau“ zu ver-stehen. Ästhetikund Funktionalitätgehen hier einerichtungweisendeSymbiose ein. Mo-derne Zweckmäßig-keit, die aufsPraktische undNützliche zielt, istabsolutes Credo;wobei die spezifi-sche Funktion desBaus als Kirche fürKranke als beson-derer Katalysator inRichtung Modernegedient hat, wie –umgekehrt – einederart radikaleFunktionalität wohlnur bei einem Bauaußerhalb der„Norm“ umzusetzenwar.„Steinhof“ als Mani-festation fortschritt-lichen Denkens: Siezu bewahren und zuschützen, sollte unsallen Verpflichtung,

ja Bedürfnis sein. |

Dr. Mara Reissberger

Kunsthistorikerin

Abb.14: „Am Steinhof“, Kirche St. Leopold, erbaut 1904-1907, nach Aquarell von Erwin Pendel

iD-Führung: "Am Steinhof" -

Begegnung mit der "Moderne"

19.05.2012 (siehe S. 44)

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Seite 16 Nr. 09 / 2011

Die Schieflagen auf dem Otto-Wagner-Gelände„Am Steinhof“

Gerade Linien, wohin dasAuge reicht. Halt, stimmtnicht ganz: Im Osten desOtto-Wagner-Spitals, da„tanzt ein Pavillon aus derReihe“ und steht - so mangewillt ist, dies auch zusehen - für die einschnei-dendsten „Entwicklun-gen“, die das Gelände jeerfahren hat.Die Durchkomponiertheitdes Otto-Wagner-Spitalsist verblüffend: sogar dieWirtschaftsgebäude ganzim Osten des Areals fügensich dem System der ge-raden Linien und rechtenWinkeln. Die Struktur desGeländes auf der gesam-ten Fläche beizubehaltenwar dem Architekten OttoWagner offensichtlich eingroßes Anliegen: die Ge-ordnetheit der Anlagesollte sich auf die psy-chisch kranken Patientenübertragen.Unterhalb der geraden, L-förmig angelegten Wirt-schaftsgebäude – es han-delt sich um das Gebietganz im Osten – ist aberalles anders. Dort stehtein Gebäude (die patholo-gische Abteilung), wel-ches bereits rein optisch „anders“anmutet als alle anderen Pavillons.Verblüffend ist vor allem die Schräg-gestelltheit des düster wirkenden Hau-ses. Mit seinen 45 Grad bricht es dasSystem der geraden Linien und rech-ten Winkeln um sich auf das wichtigs-te Gebäude des Geländes auszu-richten: der Kirche. Die von OttoWagner vermittelte Botschaft ist ein-deutig: die Toten sollen durch dieseAchse mit Gott verbunden sein.Otto Wagner bricht also sein Systemund unterwirft sein architektonischesKonzept einem „noch höheren Plan“.Jetzt, hundert Jahre später findet rundum die ehemalige pathologische Ab-teilung abermals ein Bruch statt. Nurbeugt man sich dieses Mal nicht mehrvor Gott, sondern vor einem lukrati-ven Geschäft. Auf einer Fläche vonüber 60.000 m2 – nördlich der Patho-

logie - sollen in den kommenden Jah-ren rund 600 Wohnungen (Gesiba)und ein Rehab-Zentrum (Vamed) mitSchwimmbad entstehen. Auch wennsich das Gebiet am östlichsten Randdes Areals befindet und es sich eben„nur“ um den ehemaligen Wirtschafts-teil handelt: Ein Bauprojekt diesesAusmaßes zerstört den optischen Ge-samteindruck dieser europaweit ein-zigartigen Jugendstilanlage empfind-lich. Einen ersten Vorgeschmack aufdas, was noch kommen wird, gibt esbereits: seit Juni sind laute Bagger-maschinen am Werk: sie heben Ton-nen von Erde aus, um einen Teil desGeländes für die „Weiterentwicklung“(siehe KAV-Homepage) des Otto-Wag-ner-Geländes vorzubereiten. Manfragt sich nur: Hat es die perfekt durch-dachte Anlage des einstigen Star-Ar-chitekten Otto Wagner notwendig,

„weiterentwickelt“ zu wer-den?Zur „Weiterentwicklung“ ge-hören übrigens nicht nur dieNeubauten, sondern auchrund 100 neue Wohnungenin den denkmalgeschütztenPavillons des ehemaligenWirtschaftsgeländes.Zwar haben die für diesesProjekt beauftragten Archi-tekten bereits vor Jahren aneinem Pavillon im westlichenTeil des Spitals bewiesen, wieein sensibler Umbau funktio-nieren kann. Dennoch gibt eseinen gewaltigen Unter-schied zwischen den beidenProjekten: der damals um-gestaltete Pavillon blieb einSpitals-Gebäude, während inden Pavillons des Wirt-schafts-Areals Wohnungengebaut werden. Hier stelltsich eine ganz grundsätzlicheFrage: warum gestaltet mandie Pavillons für Wohnzweckeum? Gibt es keine andere,gesellschaftlich sinnvollereAdaptierung, wie etwa Ein-richtungen der Sozial- oderJugendwohlfahrt? Das einstfür das Spital geltende Cre-do „alles für den Patienten“wurde kurzerhand durch einneues - „alles für den zah-

lungskräftigen Mieter bzw. Woh-nungskäufer“ – ersetzt: das was annodazumal das Jugendstiltheater für diePatienten der Anlage war, ist morgender Swimmingpool des an die künfti-ge Wohnhausanlage angrenzendenRehab-Zentrums.

Und „was kommt dann?“

Ist der Stein einmal ins Rollen gera-ten, so lässt er sich nicht mehr auf-halten: dieses Phänomen konnte manbereits bei einem ähnlich bedeutsa-men und großen Areal, dem Augar-ten beobachten: Der von Josef II 1775der Allgemeinheit zur Verfügung ge-stellte Park überdauerte – mit Aus-nahme des Zweiten Weltkriegs(Flaktürme) – Jahrhunderte in seinerursprünglichen Form. Im Laufe derletzten 20 Jahre „nahm man es plötz-

Abb. 15: Die von Otto Wagner entworfene Kirche St. Leopold inSteinhof

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Seite 17Nr. 09 / 2011

Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

lich nicht mehr so genau“ mit demGeschenk an die Allgemeinheit. DerBau des Sängerknaben-Konzertsaalsist das letzte Zeugnis dieser besorg-niserregenden Entwicklung.Könnte ein derartiges Szenario auchdem Otto-Wagner-Spital-Gelände blü-hen? Weitere, begehrenswerte Flä-chen gibt es ja: Am nördlichsten Randdes Areals liegt – ähnlich erhaben wiedie Kirche in der Mitte der Anlage –eine große Gärtnerei, welche ihre un-tergeordnete Funktion als „Therapie-ort“ für die Psychiatrie-Patientenohnehin seit längerem nicht mehr er-füllt.Die Gärtnerei werde schon alleine aufGrund seiner „Spk-Widmung“ (Schutz-gebiet Park) nicht angetastet werden,heißt es zwar von offizieller Seite,doch vielleicht ist in zehn Jahren „al-les anders“.Und dann gibt es da noch die aus demRahmen fallenden, so genannten „wil-den“ Siedlungen, die von Spitals-Per-sonal und anderen Personen saisonalgenützt werden: Es ist ein schmalerin kleine Schrebergärten parzellierterStreifen, der sich entlang der Vorder-front des Areals zieht (also eine be-achtliche Strecke!). Da es sich mehroder weniger um eine illegale Sied-lung handelt, wird eine Bebauung des-selbigen vielleicht auch bald im Raumstehen. Dasselbe gilt für eine weite-re „wilde“ Siedlung im Norden desAreals.

Bangen darf man auch um das Arealöstlich der zwischen Theater und Kir-che verlaufenden Mittelachse: Das Ge-biet mit seinen zwölf Pavillons sollebenfalls privatisiert werden. Warnoch vor einigen Jahren seitens desBundesdenkmalamtes ein eindeutiges„Nein“ zu vernehmen, was die Bebau-ung zwischen den Pavillons betrifft,so hört man heute andere Töne: DerLandeskonservator für Wien, FriedrichDahm, schließt eine Bebauung – ins-besondere was die hinteren Pavillon-

Reihen angeht – jedenfalls nicht aus.Die Vorstellung einer teilweisen Ver-bauung zwischen den Pavillons lässteinen angst und bange werden. Dieswäre unter den großen baulichen Nie-derlagen mit Sicherheit die größte.Ganz gleich wie man zu den Entwick-lungen auf dem Areal steht, so kanneines mit Sicherheit gesagt werden:Mit dem Auffahren der Bagger MitteJuni wurde das Otto-Wagner-Gelän-de nach über hundert Jahren zum ers-ten Mal zutiefst „verletzt“: das großeErdloch gleicht einer Wunde, von deranzunehmen ist, dass sie niemals hei-len wird: Die Struktur der Anlagescheint sich aufzulösen, die von Wag-ner gezeichneten Linien beginnen zubrechen. Selbst jene atemberauben-de Achse zwischen Pathologie und Kir-che wird es bald nicht mehr geben.Denn sie, die sich elegant durchs Are-al bewegende Gerade wird – so derProtest der Bürger nichts ausrichtenkann - an der Betonmauer einer mo-dernen Wohnanlage halt machenmüssen. |

Mag. Carola Timmel

freie Journalistin

Nachtrag: Nach heftigen Bürgerprotestenstoppt Bürgermeister Häupl im Oktober2011 den Steinhof-Ausbau. Nun sollen auchdie Bürger bei den weiteren Planungen „mit-reden“ dürfen.

Abb. 17: Die Gärtnerei in der Steinhof-Anlage

Abb. 16: Das Gebäude der Pathologie im Otto-Wagner-Spital Steinhof

iD-Führung: "Am Steinhof" -

Begegnung mit der "Moderne"

19.05.2012 (siehe S. 44)

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Seite 18 Nr. 09 / 2011

Nachdem „die Moderne“ - wie sie sichunter Otto Wagners Führung selbstnannte - in Wien um 1900 mit Wohn-

bauten und Verkehrsbauten reüssierthatte, war es nur eine Frage der Zeit,bis sich in weiteren Sparten der Utili-tätsarchitektur wie Bank- und Kaser-nengebäuden, oder auch imMonumentalbau Anwendungsmöglich-keiten boten. Baugelegenheit für Ka-sernen generell hatte sich im Gefolgeder zweiten Stadterweiterung(1890/92) und der aus diesem Anlassbeschlossenen Kasernentransaktionergeben. Die von 1901 bis 1903 er-richtete Kaiser Franz Joseph-Kavalle-rie-Kaserne in Breitensee bestand undbesteht aus zwei durch die Breiten-seer Straße getrennten Baugruppen,deren südliche heute als Vega-Payer-Weyprecht-Kaserne (Breitenseer Str.61) geführt wird, deren nördliche alsBiedermann-Huth-Raschke-Kaserne(Montleartstr. 1). Wie alle Transakti-onsbauten ersetzte sie einen im mitt-lerweile dicht verbauten und aufgrundder vorausgegangenen Erweiterung

nun zentrumsnäher liegenden Kaser-nenbau durch einen an der damalsneuen Peripherie Wiens.

Die nach wie vor periphere Lage hatdazu beigetragen, dass die nach zeit-genössischem Urteil in moderaten For-men der „Moderne“ (Der Bau-techniker, 1904, S. 464) gehalteneKasernenanlage ein allseits wenig be-achtetes Dasein führte. In die Schlag-zeilen kam sie zunächst 2009 und2010 wegen Verfalls der Bausubstanz,anschließend und bis zuletzt als einerder Verkaufskandidaten aus dem Im-mobilienpool des ÖsterreichischenBundesheeres. Dass letzteres das Im-mobilienerbe der k. u. k. Armee imLauf von bald 100 Jahren nicht aufeinen dem Bundesheer der Republikangemessenen Bestand reduzierenkonnte, hat viele Gründe. Im Rahmendieses Redimensionierungsprozessesund der seit längerem diskutiertenHeeresreform könnte auch das Arealder ehemaligen Kavallerie-Kaserne inBreitensee verkauft und einer zivilenNutzung - geförderter Wohnbau ist da

immer im Gespräch - zugeführt wer-den. Spätestens dann wird der perVerordnung erlassene Denkmalschutz

zur Diskussion stehen und ei-ne Bestandsaufnahme desnoch Vorhandenen hilfreichsein. Sei es um Nachnutzun-gen auszuloten, sei es um imFall eines weitgehenden Abris-ses immerhin eine umfassen-de Dokumentation dieserbeeindruckenden und vermut-lich einzigartigen Anlage für dieWiener Architekturgeschichtezu haben. Eine passende Nach-nutzung des einst für die k. u.k. Kavallerie maßgeschneider-ten Ensembles, bestehend ausStallungen und Reitschulen,Hufbeschlagsschmiede, Stabs-gebäude, Mannschafts- undOffizierswohngebäuden, Remi-sen, Wach- und Eingangsge-bäuden, Formierungsplätzen u.a. Einrichtungen, wird sichnicht ohne weiteres finden las-sen. Die folgenden Beobach-tungen verstehen sich alsAufforderung zu einer detail-lierten Bearbeitung, vielleichtals Semesterarbeit an einer derWiener Universitäten mit ent-

sprechendem Lehr- und Forschungs-angebot.

2

Das äußere Erscheinungsbild einesBauwerkes sowie die verwendetenMaterialien und Konstruktionsmetho-den sind maßgeblich für seine histo-rische Einordnung, insbesondereDetails des Bauschmucks geben überseinen „Stil“ Auskunft. Über die archi-tektonische Qualität ist damit nochnicht viel gesagt, weil daraus wederein Gelingen der - wie es damals hieß- schönheitlichen Gestaltung, noch dieErfüllung der funktionalen Anforde-rungen ableitbar ist. Soweit sich daseruieren lässt, war der Bau in der ur-sprünglichen Nutzung ein Vorzeige-objekt auf dem Stand der Zeit um1900 und funktional gelungen. Auchdie Schönheitsfrage lässt sich nurnoch retrospektiv beantworten. Wersich für Details Zeit nimmt, die Volu-mina der Gebäude oder die wohlge-ordnete Gesamtanlage auf sich wirken

Die Moderne im Kasernenbau

Zur Architektur der ehemaligen Kaiser Franz Joseph-Kavallerie-Kaserne in Wien-Breitensee

1

Abb. 18: Das Offiziers-Casino der ehem. Kaiser-Franz-Joseph-Kaserneim 14. Wiener Bezirk

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Seite 19Nr. 09 / 2011

Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

lässt und etwa auch mithilfe einer zeit-genössischen Abbildung aus der Zeit-schrift „Der Architekt“ (1904, Tafel 85)einen restaurierenden Blickwinkel ein-stellt, Verfallserscheinungen und nichteben sensible Instandhaltungen aus-blendet, wird sie vermutlich positivbeantworten.Die Stilmerkmale der „Moderne“ las-sen sich bei einem Vergleich mit Mili-tärbauten, die noch im Stil der WienerNeurenaissancen verfasst sind, aufeinen Blick erkennen. Beinahe vor Ortbietet sich dazu der ehemalige Kadet-tenschulkomplex(heute Komman-dogebäude Gene-ral Körner, Hüttel-dorfer Str. 126 –128; erbaut 1897bis 1898) an, auchdie Radetzky-Ka-serne (Gablenz-gasse 62; erbaut1894 bis 1896)liegt in der Nähe.So zeigt sich diebei der Kavallerie-kaserne vorherr-schende „moder-ne“ Architektur-auffassung in derVermeidung oderReduktion derGliederungen undSchmuckformender historistischenNeostile, beson-ders der aus demSteinbau abgelei-teten plastischenFormen, die nichtnur in Wien tradi-tionell aus Kalk- oder Zementmörtelhergestellt wurden. Der strenge Blickder Secession und Frühmoderne be-anstandete dies als „Lüge“ und for-derte „Materialgemäßheit“ und„Materialwahrheit“, das hieß u. a. denPutzmörtel nur für flächige Schmuck-formen einzusetzen, zum BeispielRau-, Quetsch-, Riffel-, Rillen-, oderWellputzfelder. Letztere sind an vie-len Gebäuden der Breitenseer Anla-ge, vom Stabsgebäude über dieOffiziers- und Mannschaftswohnge-bäude bis zu den Remisen und Reit-schulen oder auch dem Casinovertreten. Ausgeprägte Sockelquade-rungen und Stockwerksgesimse, reichprofilierte, geschoßweise deutlich dif-ferenzierte Fensterformen und -rah-mungen oder Riesenordnungen wer-den zugunsten von Nutungen und

Bänderungen, Fensterfaschen und an-deren flacheren Gliederungselemen-ten vermieden.Klassische Kapitäle, Voluten, Festons,voll- und halbplastische Löwenköpfe,Greife oder Maskarons, waffentragen-de Putti, bauchige Baluster, etc. feh-len. Dafür gibt es jalousieartigaufgetragene Putzstreifen, Wellenlini-enornamente, etwas Lorbeer- und Ei-chenlaub, Rosen- und andereBlumenornamente, die schon erwähn-ten Rau-, Riffel-, Quetsch- und Well-putzfelder oder an den Reitschulge-

bäuden flache Reliefs mit langhalsigenPferdebüsten.Viele dieser zumeist nicht um 1900neu erfundenen, sondern wiederbe-lebten Schmuckformen finden sich aufden zwischen 1898 und 1901 fertiggestellten Stadtbahnstationen undauch an anderen Gebäuden, die OttoWagner und seine Mitarbeiter entwar-fen. Die Giebelumrisse an Reitschu-len, Remisen und Stallungen oderDetails der eisernen Tor- und Fenster-gitter, Stiegengeländer und Vordach-stützen spiegeln ebenfalls das baldüber Wagners Kreis hinaus typischeFormenvokabular der Zeit um 1900wider. Das Besondere daran ist, dassman es in Breitensee mit der erstenWiener Kasernenanlage im Stil der„Moderne“ zu tun hat und diese eini-germaßen komplett mehr als 100 Jah-

re überlebt hat. Das ehemaligeOffiziers-Schul- und Menage-Gebäu-de (Maroltingergasse 2), kurz Casinogenannt, und das ehemalige Offiziers-wohngebäude (Breitenseer Straße 82-82A) sind zwar nicht mehr Kasernen-bestandteil, aber in Privatbesitzerhalten. |

Dr. Christa Veigl

Kunsthistorikerin

1Dieser Artikel ist die Kurzfassung eines in den

Wiener Geschichtsblättern, 65. Jg., Heft 4/2010,

S. 281-293 erschienen Beitrages. Für ausführ-

liche Quellenhinweise, Diskussion der ungeklär-

ten Frage des/der entwerfenden Architekten und

weitere Abbildungen sei darauf verwiesen. Der

im Folgenden erwähnte Jahrgang 1904 von „Der

Architekt“ nennt den Wagner-Schüler István

Benkó als Architekten, wobei nicht klar hervor-

geht, in welchem Ausmaß Benkó für die Ent-

wurfsarbeiten zuständig war.2Eine Dokumentation des historischen Fassa-

dendekors liegt zum ehemaligen Casino, genau-

er Offiziers-Schul- und Menage-Gebäude, in der

Maroltingergasse (heute Bahá'í Center Austria)

vor: Günther Rath - Untersuchungen zur Denk-

malpflege. 3420 Kritzendorf.

Abb. 19: Die Reitschule der ehem. Kaiser-Franz-Joseph-Kaserne in Wien-Penzing

iD-Führung: Besichtigung der Kaiser-Franz-Joseph-Kaserne

19.05.2012 (siehe S. 44)

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Seite 20 Nr. 09 / 2011

Die historische Entwicklung Spei-sings

Zur Zeit der Entstehung Speisings im11. oder 12. Jahrhundert standen hierkleine Wohnsiedlungen von Holzfäl-lern und Bauern. Die heutige Speisin-ger Straße zwischen Verbindungsbahnund Feldkellergasse und ein Stück derheutigen Gallgasse bilden den histo-risch gewachsenen Ortskern des al-ten Dorfes. Die heutige Gallgasse lagmit ihrer Häuserzeile und den dazu-gehörigen kleinen Hofäckern direktam Lainzerbach.Speising war bis zur Eingemeindungnach Wien eine selbständige Ortsge-meinde, besaß aber nie eine eigeneKirche. Im Jahr 1590 zählte Speising27 Häuser, 1826 45 Häuser und 1890,knapp vor der Eingemeindung, gab esbereits 203 Häuser auf Speisinger Bo-den.Die Holzschlägerung und die Holzver-arbeitung sowie Kohlenbrennerei undPechsiederei blieben bis in die ersteHälfte des 19. Jahrhunderts die Haupt-erwerbszweige für die Bewohner die-ser Region. Dann gewannen derAcker- und Weinbau, die Milchwirt-schaft und eine Anzahl an Gärtnerei-betrieben an Bedeutung.Teile des alten Milchmeier- und Ge-müsebauerndorfes sind noch heutevom Straßenraum aus erkennbar (ins-besondere die Nr. 13 und 15, sowie19 bis 25). Auf ca. 17–18 Meter brei-ten Parzellen stehen ebenerdige, trau-fenständige, ca. 8–11 Meter tiefeStraßentrakte mit Giebeldächern undin der Regel fünf Fensterachsen sowieeiner Einfahrt.Charakteristisch für die alte dörflicheStruktur sind auch die an den seitli-chen Grundstücksgrenzen anschlie-ßenden ebenfalls ebenerdigenFlügelbauten unter Pultdächern. Die-se hofseitigen Bauteile sind von derStraße nicht zu sehen.Die Schutzwürdigkeit dieses Berei-ches, im Konkreten der SpeisingerStraße Nr. 7–31 wurde natürlich schonlängst erkannt und des Öfteren dieErrichtung einer Schutzzone vorge-schlagen. Auch für die gegenüberlie-

gende Seite wurde dies angeregt.Doch in der Realität geht auch heutenoch Stück für Stück der historischenSubstanz verloren. Das hat die ver-schiedensten Gründe. Manche Häusersind nach langer Vernachlässigung inso schlechtem Zustand, dass nurmehr ein Abriss möglich ist, anderefallen den bestehenden Flächenwid-mungen zum Opfer, die mit einer Bau-höhe von 7,5 Meter in vielen Fälleneine höhere Verbauung zulassen. Aufder Seite mit den ungeraden Ord-nungsnummern sind die festgelegtenBauhöhen nur für die ebenerdigenHäuser Nr. 19–25 mit 4,5 Meter demhistorischen Bestand angepasst. Man-gels Schutzzone besteht kein Abbruch-verbot und die MA 19 (Stadtbild) istin ihren Einschätzungen oft sehr groß-zügig, obwohl die heutige dichte undeffiziente Bauweise jedes historischeEnsemble zerstört.

Die Ursache des Domino-Effek-tes

Ein immer wieder und auch jüngst inder Speisinger Straße zu beobachten-der Substanzraub folgt einem gewis-sen Domino-Effekt, der von einembestehenden hohen Gebäude aus-geht. Von der Gründerzeit an war esAllgemeinverständnis, alte Häuser oh-

ne jegliche Würdigung des histori-schen Altbestands durch hoheZinshäuser zu ersetzen. Dem folgteauch der Generalregulierungs- undGeneralbaulinienplan 1927 und diePlandokumente 4186 aus dem Jahre1964 und 4935 aus dem Jahr 1970,die straßenseitig eine dreigeschoßigeVerbauung ermöglichten. Erst mit PD6300 aus dem Jahre 1992 wurde diederzeit gültige Rechtslage zum größ-ten Teil vorweggenommen und diehistorische Bebauung entlang derSpeisinger Straße durch entsprechen-de Bestimmungen in ihrer Strukturals erhaltenswert eingestuft. Demfolgte dann das derzeit gültige Plan-dokument PD 7734 aus dem Jahr2006.Dass den früheren Regelungen nichtdie gesamte alte Bausubstanz zumOpfer fiel, ist in erster Linie dem all-gemeinen Geldmangel in der wieder-holt von Wirtschaftseinbrüchen undKriegen gezeichneten Zeit geschuldet.Mit dem Aufschwung nach dem Zwei-ten Weltkrieg änderte sich dann all-mählich die Einstellung zur Schutz-würdigkeit alter Baustrukturen, demin den 1970er-Jahren auch die Wie-ner Bauordnungen zu folgen began-nen. Heute herrscht ein ständigesTauziehen um diese alten Häuser. Dieeinen sehen darin schützenswerte

Der Domino-Effekt

Eine ständige Bedrohung alter Bausubstanz am Beispiel derSpeisinger Straße und dem Entwurf zum Plandokument7734E

Abb. 20: Alte Ansicht von Speising in Wien-Hietzing

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

Strukturen, die anderen eine stören-de Baulücke.

Das aktuelle Beispiel

Eine markante und aktuell diskutier-te „Erbschaft“ ist das dreigeschoßigeHaus Speisinger Straße Nr. 27. Bereitsvor 1900 gebaut überragt es die be-nachbarten Häuser, insbesondere dieebenerdigen Häuser Nr. 19–25 (vgl.Abb. 21)Seine hohen Feuermauern entlang derseitlichen Grundstücksgrenze stehensüdlich dieser historischen Häuserzei-le und rauben einen erheblichen Teilder Sonneneinstrahlung. Das mindertnatürlich auch den Wert der einzelnenHäuser dieser Zeile, insbesondere desdirekt an das Haus Nr. 27 angrenzen-den Hauses Nr. 25 (siehe Abb. 22).Dessen wohnliche Nutzbarkeit ist da-mit beeinträchtig, eine gewerblicheNutzung wegen der geringen Flächeund des rückläufigen Kleingewerbesebenfalls. Es war damit nur eine Fra-ge der Zeit, bis der Eigentümer dasInteresse daran verlor und eine mög-lichst günstige Verwertung suchte.Spätestens hier tritt der spekulativeInvestor auf.An der Chronologie der Ereignisse, dieletztendlich zum Planentwurf 7734Efür diesen Bereich führten, kann diesveranschaulicht werden:28.6.2006 - Die im Gemeinderat be-schlossene Flächenwidmung folgt inder Bauhöhe für die Nr. 19-27 weit-gehend dem Bestand, verlegt aber dieBaulinien um bis zu 5 Meter nach Os-ten.20.12.2006 - Die Liegenschaft Spei-singer Straße 25 wird an die Park Im-mobilien AG verkauft.25.6.2008 - Die MA37 erstellt für denArchitekten Stelzhammer eine Män-gelliste zu seinem Planentwurf für eindie Liegenschaften Speisinger Straße25-27 umfassendes Neubauprojekt(Überschreitung der zulässigen Bau-höhe etc.)10.7.2008 - Trotz Bauhöhenüber-schreitung wird die Baubewilligung fürein Wohnhaus in der Speisingerstra-ße 25–27 mit 14 Wohnungen und ei-ner Tiefgarage bei der MA 37beantragt.20.8.2008 - Es findet eine turbulentemündliche Verhandlung in derMA37/13, Spetterbrücke, statt. DieMA 37 vermittelt den Eindruck, aufSeiten der Bauwerberin Park Immo-bilien AG zu stehen.22.9.2008 - Wegen Überschreitung

der zulässigen Bauhöhe und einem 2.DachgeschoßundoffensichtlicherOrts-bildzerstörung werden 24 Protestun-terschriften (alle Anrainer habenunterschrieben) an den HietzingerBauausschuss übergeben.24.3.2009 - Der Hietzinger Bauaus-schuss erachtet das Bauvorhaben we-gen der Abweichung von den

Bebauungsvorschriften als nicht zu-lässig (Höhenüberschreitungen).27.3.2009 - Die Baubewilligung wirdmit Bescheid der MA 37 versagt.22.6.2009 - Da die Park ImmobilienAG während des von ihr angestreng-ten Berufungsverfahren vor der Bauo-berbehörde für Wien den ursprüng-lichen Antrag um Baubewilligungzurückzieht, muss die Bauoberbehör-de den angefochtenen erstinstanzli-chen Bescheid ohne Ansehung desVorbringens aufheben.2.2.2010 - Die Park Immobilien AGerstellt einen neuen Einreichplan, mitreduzierter Bauhöhe auf Nr. 25 undnur 11 Wohnungen.10.5.2010 - Die mündliche Verhand-lung auf Basis des neuen Einreich-plans vom 2.2.2010 ist im Ablaufgemäßigter als die erste. Die Anrai-ner glauben wesentliche Wünsche be-rücksichtigt. Weitere Anregungenihrerseits betreffen u. a. die nochma-lige Begutachtung der Fassade durchdie MA 19, da sie in der geplantenWeise nicht ins Ortsbild passt. Die ge-planten Bauten werden von vielen alsklobig und hässlich empfunden. Wei-ters wird die Schonung des Baumbe-standes, die Sanierung der Ein-friedung, und der Abbruch eineswiderrechtlich errichteten Nebenge-

bäudes gefordert.19.8.2010 - Die Baubewilligung wirddem Einreichplan konform erteilt.1.2.2011 - Mit Plan Nr. 7734E wird ei-ne Abänderung des Flächenwid-mungsplanes und desBebauungsplanes für das betreffendeGebiet zur Begutachtung vorgelegt.Vordergründig wird darin die „Be-

dachtnahme auf das Stadtbild undVorsorge für die Erhaltung von histo-risch gewachsenen Strukturen“ rekla-miert. Während dieses Ziel für denhistorisch viel unbedeutenderen undmit vielen Neubauten durchsetztenBereich der Hofwiesengasse erkenn-bar ist, wird der für diese Darstellungrelevante Teil des alten Ortskernesvon Speising bewusst der Zerstörungpreisgegeben. („Aufgrund der Inho-mogenität der Höhenentwicklung (...)soll nun eine Überarbeitung in Teilbe-reichen erfolgen, um im Neubaufall[!]die Ausbildung von zu abrupten Hö-hensprüngen innerhalb von Gebäu-den zu vermeiden“). Es handelt sichdamit offensichtlich um eine „Anlass-widmung“ für eine konkrete neue Pla-nungsabsicht der Park Immobilien AG.Dafür spricht, dass das derzeit gülti-ge Plandokument 7734 erst 2006 be-schlossen wurde und Hinweise imErläuterungsbericht des neuen Ent-wurfes konkret die Speisinger Straße25–27 betreffen. Es ist also zu ver-muten, dass im Falle der Genehmi-gung dieses Entwurfes um eineneuerliche Baubewilligung für ein an-gepasstes Wohnbauprojekt auf derLiegenschaft Speisinger Straße 25–27eingereicht werden wird.Konkret werden straßenseitig eine

Abb. 21: Die ebenerdigen Häuser Speisinger Straße 19-25 und das dreigeschoßigeHaus Nr. 27

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einheitliche Gebäudehöhe von 7,5 mvorgesehen, bei Bauten im Hof solldie Form von Flügelbauten beibehal-ten werden, doch soll nun deren ma-ximale Höhe (= oberster Punkt desGebäudes) 6 m betragen dürfen. Dar-über hinaus wird die bebaubare Flä-

che vergrößert und die Baufluchtlinieabermals nach Osten verlegt.26.5.2011 - Der Verein Initiative Denk-malschutz übt heftige Kritik an demEntwurf, moniert die längst fällige Ein-richtung einer Schutzzone auf beidenSeiten der historischen SpeisingerStraße und lehnt die Aufzonungen indiesem Gebiet ab.17.6.2011 - Der Hietzinger Bauaus-schuss beantragt in seiner Stellung-

nahme zum Planentwurf 7734E wieschon 2006 die Errichtung einerSchutzzone für die Speisinger StraßeONr. 5 bis 35. Die Änderung der Bau-klasse für die ONr. 19–25 und die Aus-dehnung der hinteren Baufluchtliniefür die ONr. 17–33 lehnt er ab. Be-

schlüsse der Bezirksvertretungen sindfür den Gemeinderat nicht bindend.14.9.2011 - An diesem Tag beabsich-tigt der für die Stadtplanung zustän-dige Gemeinderatsausschuss überden Entwurf zu entscheiden.21.10.2011 - Zu diesem Termin sollder Wiener Gemeinderat endgültigüber die neue Flächenwidmung ent-scheiden.

Zu erwartende Auswirkungen

Die Genehmigung des vorliegendenEntwurfes würde eine wesentlichdichtere Bebauung ermöglichen. Stattdem ebenerdigen Haus Nr. 25 könn-te dann ein zweigeschoßiger Straßen-trakt plus eingeschoßigem Dach-

bodenausbau er-richtet werden.Dem können sichdann Hoftraktemit zwei Vollge-schoßen an-schließen. BeiAusnutzung derMöglichkeitenbedeutet das Ab-bruch der vor-handenen Be-bauung unddamit verbundendie weitere Zer-störung des andas alte SpeisingerinnerndenOrtsbildes.Im Sinne des Do-mino-Effektesbedeutet diesaber auch, dassdie hohe Mauerentlang der seit-lichen Grund-

stücksgrenze um eine Parzelle näherzu den gepflegten ebenerdigen Häu-sern rückt und außerdem um mehre-re Meter nach Osten verlängert wird.Das mindert natürlich die Lebensqua-lität vor allem des unmittelbar be-nachbarten Hauses Nr. 23, da diesehohe Mauer – von ihrer Hässlichkeitabgesehen – genau im Süden liegtund einen wesentlichen Teil der Son-neneinstrahlung abdeckt. Damit istdas Schicksal des Hauses Nr. 25 auchfür das Haus Nr. 23 abzusehen, undin weiterer Folge auch für alle ande-ren ebenerdigen Häuser.Die Aufzonung im jüngsten Planent-wurf wirkt daher wie ein gezielter An-schlag auf die restlichen ebenerdigenHäuser im Planungsbereich. Statt derbeteuerten „Bedachtnahme auf dasStadtbild und Vorsorge für die Erhal-tung von historisch gewachsenenStrukturen“ wird offensichtlich wegeneines Partikularinteresses dessen Ver-nichtung in Kauf genommen. |

Dr. Josef Holzapfel

Buchautor, Chronist Ober St. Veits (www.1133.at)

Abb. 22: Speisinger Straße 27, Feuermauer zum Nachbargrundstück Nr. 25

Abb. 23: Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Planentwurf 7734E (Ausschnitt)

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Nr. 09 / Oktober-November 2011

unvergessen

„Klänge hören, spüren und sinnlich er-leben“: Damit wirbt das Haus der Mu-sik als erstes österreichisches Musik-und Klangmuseum. Seit seiner Eröff-nung im Juni 2000 sind mehr als 1,8Millionen Besucher hierher gekom-men. Die interessante Vorgeschichtedes Hauses ist darob aber in den Hin-tergrund geraten.

Vor dem Fall der Stadtmauern lag dasHaus knapp hinter der Wasserkunst-bastei. Ein barockes Hauptportal mitSprenggiebel, ein gequaderter So-ckel, Knickgiebel in der Beletage undein unregelmäßiger Rhythmus derFensterachsen sind dieHauptmerkmale. Die beidenGitterbalkone zur Annagassewurden um 1872 angebracht.

Im 16. Jahrhundert stand hierdas kaiserliche Gießhaus. AlsJosef I. 1707 ein „Versatzamt“(Pfandleihe) und ein „Frag-amt“ (Dienststellenvermitt-lung) einrichtete, wählte mandiesen Gebäudekomplex, derGraf Weltz gehört hatte, alsAmtssitz aus. Dazu warenumfangreiche Umbauten nö-tig, die ein Architekt aus derSchule des Lucas von Hilde-brandt plante. Das Versatz-amt blieb bis 1788 an der´Seilerspinnstatt´, dort, wodie Seiler einst ihre Seile ´ge-sponnen´ haben. Das Frag-amt wurde schon viel früherverlegt. Legendär wurde der ´unan-gesagte´ (inkognito) Besuch JosefsII. und seines Sekretärs Günther imVersatzamt. Hier machte sich der Kai-ser persönlich ein Bild, wie hochfah-rende Beamte mit Not leidendenBürgern umgingen. Sein Zweispitzwurde als zu minderwertig abgewie-sen. Das folgende Donnerwetter ver-gaßen die Beamten ihr Lebtag langnicht. Bald darauf wurde das Versatz-amt in das aufgelassene Dorotheer-kloster verlegt und ging alsDorotheum in die Stadtgeschichte ein.

Um 1800 erwarb Erzherzog Carl das

Haus von Daniel von Zepharovich,und beauftragte Louis Montoyer mitdem Umbau. Montoyer, dem Wien denZeremoniensaal der Hofburg, die Aus-gestaltung der heutigen Albertina unddas Palais Rasumofsky auf der Land-straße verdankt, stammte aus den ös-terreichischen Niederlanden (heuteBelgien). Er war zusammen mit CarlsAdoptivvater Herzog Albert von Sach-sen Teschen und dessen Frau MariaChristina auf der Flucht vor den Fran-zosen nach Wien gekommen.

Das Haus diente Carl als Winterresi-denz, die Sommer verbrachte er in sei-

nem Schlösschen auf der Landstraße(danach Arenberg-Schlössl) und spä-ter auf der Weilburg bei Baden (beideexistieren nicht mehr). Freudensze-nen spielten sich hier ab, als 1809 derSieg Carls bei Aspern über Napoleonbekannt wurde. Untrennbar ist dasHaus auch mit dem späten Eheglückdes Erzherzogs mit Prinzessin Henri-ette von Nassau Weilburg verbunden.Hier kam sein ältester Sohn, der spä-tere Feldmarschall Erzherzog Albrechtzur Welt. Und auch kulturhistorisch istdas Palais an der Seilerstätte hoch in-teressant. Hier erstrahlte zu Weih-nachten 1816 der erste Christbaum

der Hofgesellschaft. Der von Henriet-te eingeführte protestantische Braucherfreute sich in höchsten Kreisengrößter Beliebtheit. Es dauerte abernoch lange, bis der Christbaum auchin den Wohnstuben des ´kleinen Man-nes´ Einzug hielt.

Nach dem Umzug Carls in das Palaisauf der Augustinerbastei (heute Al-bertina) wechselte das Haus nochmehrmals den Besitzer. Zu ihnenzählte der griechische Millionär BaronSimon von Sina. In der Ersten Repu-blik war hier die Gesandtschaft desKönigreiches Jugoslawien unterge-

bracht. 1958 bis 1960 wurde dasPalais nach Plänen von Josef Kra-wina für den Caritasverband derErzdiözese Wien in ein Kulturzen-trum mit eigenem Theater undein Studentenheim umgebaut.Wie dabei vorgegangen wurde,verrät ein Artikel in der Architek-turzeitschrift „Der Aufbau“(1973, 5/6, Seite 196): „Dasnach Stichen rekonstruierte Ba-rockportal wurde zum neuen Ge-bäudehaupteingang. An Stelleder ehemaligen Torflügel wurde –zirka 2 m zurückversetzt undparallel zur ebenfalls großzügigverglasten Hoföffnung – ein ge-strichenes Stahlportal mit maxi-malen Glasflächen gesetzt. Woes die Adaptierung verlangte,wurden ganz allgemein in Sicht-beton oder Stahl zeitgemäßeKonstruktionen ausgeführt.“

1998 bis 2000 erfolgte der neuerlicheUmbau des Hauses. Im Inneren lässtnur das Stiegenhaus und der Ge-denkraum an den einstigen Hausbe-wohner Otto Nicolai, Begründer derPhilharmonischen Konzerte, etwasvon einstmals herrschaftlichem Woh-nen erahnen. |

Dr. Edgard Haider

Buchautor

Das Haus der Musik, ehemals Palais Erzherzog Carl

Wien I, Seilerstätte 30 / Annagasse 20 / Krugerstraße 19

Abb. 24: Das 'Haus der Musik' in der Wiener Innen-stadt

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Die NS-Stollenanlage „Bergkristall“ beim KZ Gusen inOberösterreich

Ab Anfang 1944 ließ die SS bei St. Ge-orgen an der Gusen/Langenstein (zwi-schen Linz und Mauthausen) dasKonzentrationslager „Gusen II“ errich-ten. Bis zu 16.000 dort untergebrach-te KZ-Häftlinge mussten in denfolgenden Monaten unter furchtbarenBedingungen im Sandstein zwei Stol-lensysteme errichten: In dem größe-ren, vom Büro Fiebinger in der WienerMarokkanergasse 22 konzipierten,mehr als neun Kilometer langen,streng geheimen Stollen wurde eineunterirdische Fabrik mit dem Deckna-men „B8 Bergkristall“ eingerichtet,wo, geschützt vor Bombenangriffen,düsengetriebene Kampfflugzeuge fürdas NS-Regime hergestellt werdensollten.Von den mindestens 71.000 KZ-Häft-lingen, die im Lauf der Monate in denbeiden Gusen-KZs interniert waren,wurden mehr als 35.000 ertränkt,dem Hungertod überlassen, wegennichtiger Anlässe erschossen oder er-schlagen oder starben an Entkräftung.Obwohl in den beiden Lagern von Gu-sen mehr KZ-Häftlinge interniert wa-ren als in Mauthausen, geriet diesehistorische Stätte bei den meisten Ös-terreichern in Vergessenheit.

Rüstungsfabrik

Die Stollenanlage Bergkristall ist an-geblich das größte Bauwerk der NS-Diktatur auf österreichischem Boden.Im Herbst 1944 begann dort die Pro-duktion von Rümpfen des weltweitersten in Serie hergestellten Düsen-flugzeugs der Welt, der MesserschmittMe 262. An drei Stellen konnten Gü-terzüge mit Baumaterial in den Bergeinfahren, um dann unterirdisch mitfertigen Rümpfen beladen zu werden.Bis Kriegsende sollen im Stollensys-tem 987 Kampfflugzeugrümpfe pro-duziert worden sein.Als sich die alliierten Truppen der Re-gion näherten, konnten zwei Männernur knapp verhindern, dass tausendeKZ-Häftlinge auf Befehl der SS-Füh-rung in die Stollen getrieben und zuTode gesprengt wurden. Die Rote Ar-meebrachtenachKriegsendediemeis-ten Maschinen in die Sowjetunion undversuchte im November 1947, Teile

der Stollen zu sprengen.

„Nachnutzung“

Ein riesiger, von KZ-Häftlingen aufge-häufter Sandhaufen wurde bald nachKriegsende verkauft und ab 1952 teil-weise für den Bau des Donaukraft-werks Jochenstein verwendet. 1956,nach Abzug der sowjetischen Truppenund der Einstellung des USIA-Granit-werkes Gusen, wurde auch das ver-bliebene Gelände des ehemaligenKonzentrationslagers Gusen I durchdie Republik Österreich abverkauftund von der Gemeinde Langensteinals Bauland gewidmet. Die Granitstei-ne der KZ-Lagermauern und Wachtür-me bildeten vielfach das Fundamentvon Einfamilienhäusern in der ganzenRegion. SS-Baracken wurden schonvor dieser Zeit durch die Sowjets zuWohnungen für Steinbrucharbeiterumfunktioniert. Aus dem KZ-Bordellwurde schließlich ein „adrettes Zwei-familienhaus“, wie der Journalist Wolf-gang Freitag in der „Presse“ vom27.1.2007 fassungslos recherchierte.Häftlingsgebäude wurden zur Cham-pignonzucht verwendet, und in dermonumentalen SS-Kommandatur soll-te ursprünglich der Gemeindekinder-garten untergebracht werden, jedochmutierte das Bauwerk schließlich zumFirmengebäude des Champignoner-zeugers und wurde Anfang der 1990erJahre schließlich Wohnhaus der Fami-lie des Firmeninhabers. Weder die Re-publik, noch die Denkmalschützerschien es zu stören, dass ein zentra-les Monument der Nazi-Herrschaft inÖsterreich zur „putzigen Landvilla“(Wolfgang Freitag) verniedlicht wur-de.Eine Gastwirtin wollte, im Sinne derdamals gängigen österreichischen Ge-denkstättenpolitik, auch das Grund-stück mit dem Krematoriumsofen, indem tausende Leichen verbrannt wor-den waren, kaufen und die Reste desOfens wegreißen lassen. Ein dort be-findlicher polnischer und ein franzö-sischer Gedenkstein sollten nachMauthausen verlagert werden, woman das Gedenken der NS-Zeit sozu-sagen„zentralisieren“wollte.Derober-österreichische

Landeshauptmann-Stellvertreter Lud-wig Bernaschek empfahl dem Innen-ministerium 1958 einen „still-schweigenden Abtransport“ derGedenksteine, um Aufsehen zu ver-meiden.Überlebende italienische und franzö-sische KZ-Häftlinge kauften das Kre-matoriumsgrundstück jedoch im Jahr1961, um es für die Errichtung einerGedenkstätte durch die überlebendenHäftlinge der Gemeinde Langensteinzu übertragen. Das Memorial Gusenwurde daraufhin vom Comité Inter-national de Souvenir de Camp de Gu-sen errichtet und 1965 seinerBestimmung übergeben. Der Langen-steiner Bürgermeister betonte als Re-präsentant der Bevölkerung anfäng-lich, dass eine Gedenkstätte in derSiedlung störe – und hinterfragtenicht etwa umgekehrt, ob es korrektsei, am KZ-Lagergelände eine Wohn-siedlung zu bauen. Während im be-nachbarten KZ Mauthausen eineNutzung des Areals als Einfamilien-haussiedlung völlig undenkbar gewe-sen wäre, passierte genau das im nurwenige Kilometer entfernten Langen-stein mit der anderen Hälfte des ehe-maligen KZ-Doppellagers Mauthau-sen-Gusen.Beim Hausbau kam so mancher Kno-chen und auch verrostetes Essbesteckvon KZ-Häftlingen zutage, erzählte ei-ne Gusener Siedlerin dem erwähntenPresse-Redakteur, und man habe dieÜberreste in einen Brunnen geworfen.

Über dem Stollensystem

Jahrelang vermietete der kürzlich ver-storbene Grundbesitzer des Eingangs-bereichs, Rudolf P., Teile desStollensystems an den Champignon-züchter. 1971 kaufte er Grundstückeüber dem Stollensystem und ließ1984 durch ein Gutachten belegen,dass es bei einer Bebauung „keinestatischen Probleme“ gäbe. 1994 er-teilte der damalige Bürgermeister vonSt. Georgen, Rudolf Honeder, einenBescheid zur Bewilligung der Grund-stücke als Bauplatz. Die Parzellenwurden rasch verkauft und einige vonihnen auch bebaut. 40 Meter unter ih-

Vergessen, verhüttelt und schließlich mit Beton aufgefüllt

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

nen befanden sich die einstigen Tun-nel der NS-Rüstungsfabrik.Erst 1998 wurde klar, dass die Repu-blik Österreich die Hinterlassenschaf-

ten des Dritten Reichs juristischübernehmen muss, wenn auch eherungern. Am 1. Januar 2001 übertrugdie Republik deshalb die Stollen, ge-meinsam mit diversen Schulen, Amts-gebäuden und vielen weiteren„Luftschutzstollen“, der mehr oder we-niger privatwirtschaftlich agierendenBundesimmobiliengesellschaft (BIG),die über den Besitz dieses Objekts,ab nun „Luftschutzstollen OÖ 020“ ge-nannt, nicht gerade erfreut war, wiemir erzählt wurde.Der Grundbesitzer des Eingangsbe-reichs, Rudolf P., ließ die BIG-Leutemehr als ein Jahr lang nicht in die Stol-len. Erst nach monatelangem Rechts-streit und einem Stollenversturz imMai 2002 gab er den Zugang frei, undes wurde klar, dass die Häuser auf in-

stabilem Grund stehen. Angeblich ver-sickerte oben am Hügel schon malüber Nacht ein Gartenteich, oder einGartenstuhl versank ein Stück im Bo-

den. Der Untergrund gab an manchenStellen nach – die scheinbar verges-sene dunkle Vergangenheit rief sichbuchstäblich wieder in Erinnerung.

„Die Vergangenheit wird mit Be-ton aufgefüllt“

Um acht Millionen Euro leitete die BIGals Notmaßnahme in sämtliche unterHäusern gelegene Stollen riesige Men-gen an Flüssigbeton ein, um sie biszur Decke anzufüllen. 2004 versicher-te die BIG, dass zwei Drittel der un-terirdischen NS-Rüstungsfabrikdauerhaft erhalten bleiben würden,nur ein Drittel sei verfüllt worden.2004 eröffnete das Innenministeriumunter Mitwirkung des Landes Oberös-terreich, der Gemeinde Langenstein,

der Republik Polen und des Gedenk-dienstkomitees Gusen ein kleines Be-sucherzentrum in Gusen.2009 flammte die Diskussion jedoch

wieder auf. Im Juli dieses Jahres teil-te mir der zuständige Experte der BIGtelefonisch mit, dass man bisher nur40 Prozent der Stollen mit Beton auf-gefüllt habe, nämlich das Areal, überdem acht Häuser stehen. Gutachtenhätten jedoch gezeigt, dass auch je-ne Tunnelbereiche, über denen Felderund Wiesen liegen, langfristig gefähr-det seien, weil zum Beispiel Traktorenirgendwann einmal einbrechen könn-ten. Daher werde man so lange vonoben Beton in die Stollen pumpen, bisnur mehr rund 20 Prozent übrig blei-ben, nämlich etwa 1,9 Kilometer. Auchdiese würden großteils innen mit Be-ton verschalt werden, sodass man imEingangsbereich etwa 200 Meterdurch eine neue Betonröhre gehenwürde, wo ein letztes im Originalzu-

Abb. 25: Stollen der unterirdischen NS-Flugzeugproduktion - beim Bau starben tausende Menschen

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stand verbliebenes, 500 Meter langesStollenstück zu sehen sei.

Heftige Kritik an der BIG

Martha Gammer vom Gedenkdienst-kommitee Gusen warnte jahrelangüber die Medien, dass durch die Be-tonverfüllungen der BIG historischeSpuren vernichtet werden. Man wer-de nichts mehr von der tödlichen Häft-lingsarbeit tausender europäischerJuden sehen. Sie befürchtete, dassder eigentliche Grund für die neuerli-chen Verfüllungen die Gewinnung vonneuem Bauland sei. Ein BIG-Sprechersagte dazu, was mit dem darüber lie-genden Grund geschähe, sei für die

BIG irrelevant. Man müsse die Stol-len sichern, wissenschaftliche Unter-suchungen hätten da keine Priorität.Auch der Wiener Historiker BertrandPerz, der sich seit Jahren mit öster-reichischen KZ-Lagern befasst, hieltim Gespräch mit dem Standard am29. Juni 2009 das Auffüllen der Stol-len durch die BIG angesichts zehntau-sender dort ermordeter Menschen fürproblematisch. 2004 habe die BIG ver-sichert, dass zwei Drittel der Stollen-anlage erhalten bleiben würden.Davon sei nun keine Rede mehr.Das Gedenkdienstkomitee Gusen kri-tisierte im Juni 2009, dass die BIG dievielen in- und ausländischen Gusen-KZ-Opferorganisationen und das zu-ständige Innenministerium nicht kon-taktiert und in den Planungsprozesseingebunden habe. Es erreichte da-mals bei Wirtschaftsminister Mitter-lehner einen teilweisen Baustopp undeine geringfügige Abänderung der Ver-

füllungspläne. Schon im Herbst 2009wurde darauf hin unter Einbeziehungaller Interessenspartner und unterFührung des Innenministeriums einNutzungskonzept erarbeitet, das aucheine öffentliche Zugänglichmachungder verbliebenen Stollen als Memori-al oder Museum beinhaltet.

Lösungsvorschläge

Man hatte der BIG anfangs reduzier-te, punktuelle Verfüllungen von weni-gen exponierten Tunnelbereichenvorgeschlagen, was die BIG jedochabgelehnt habe. Überdies sei auchschwierig gewesen, beimBundesdenk-malamt Verständnis zu erwecken,

dass die Stol-lenanlage unddie Spuren desKZs wegen ih-rer historischenBedeutung un-ter Schutz ge-stellt werdensollten. (Siesind es bis heu-te nicht.)Die BIG hätte,erfuhr ich 2009,die Stollenanla-ge gerne demInnenministeri-um geschenkt,doch dieses ha-be abgelehnt.Der Amtsleiterder GemeindeSt. Georgen be-

richtete mir im Juli 2009 telefonisch,man habe im Innenministerium an-gefragt, ob den Grundbesitzern, dienoch nicht Häuser gebaut haben, derGrund über den Stollen abgekauft wer-den könne. Weder das Ministerium,noch die meisten Grundbesitzer woll-ten dieser Lösung zustimmen, sodasssich die BIG für die komplette Auffül-lung von 80 bis 90 Prozent der Stol-len mit Beton entschieden habe. Diese„Sanierung“ lief über die Firma S-Con-sult Management, die im Auftrag derBIG auch in weiteren 280 Stollenan-lagen tätig ist.

Besuch von KZ-Häftlingen

Am 65. Jahrestag der Befreiung imMai 2010 konnten dann erstmals dut-zende, großteils gebrechliche ehema-lige Gusen-Häftlinge den vorderen,verbliebenen Stollenbereich betreten.Die ORF-Journalistin Julia Kovarik

drehte damals eine einfühlsame Re-portage über den Umgang der Guse-ner Bevölkerung mit dem dunklenhistorischen Erbe. Sie berichtete mir,dass von den originalen Stollen tat-sächlich fast nichts mehr zu sehen sei.

Die BIG erklärte Anfang 2011, manhabe 12 Millionen Euro in die Beton-auffüllung des Stollensystems inves-tiert, der Besuch der Gusen-Überlebenden sei eine Ausnahme ge-wesen. Eine Erschließung als zugäng-liches Mahnmal sei zu teuer, die BIGwerde das sicher nicht finanzieren. Al-le Hoffnung für die Umsetzung desbereits verabschiedeten Nutzungs-konzeptes liegt also einmal mehr beidem für Gedenkstätten zuständigenInnenministerium und der die ver-schiedenen Ministerien koordinieren-den österreichischen Bundesregie-rung.An diesem Beispiel wird sichtbar, dasses problematisch ist, wenn historischeStätten einer auf privatwirtschaftlicheBetriebsführung ausgelegten Institu-tion wie der BIG allein übertragenwerden. Der (noch nicht vorhandene)Auftrag zur Erhaltung als Gedenkmo-nument, die fehlenden Entscheidun-gen des BDA und die finanziellenZielvorgaben der BIG widersprecheneinander diametral. Noch immer wirdin den Köpfen vieler Menschen die NS-Erinnerung in Mauthausen „zentrali-siert“, wodurch andere, bedeutendeObjekte des NS-Terrors dem Verges-sen anheim fallen würden.Eine ähnlich große Anlage beiMelk/Roggendorf, ein etwa 7 Kilome-ter großes, unfertiges Stollensystemmit dem Decknamen „B9 Quarz“, daszur Aufnahme der Rüstungsprodukti-on von Steyr-Daimler-Puch und an-derer Firmen errichtet wurde, wurdeim November 2010 vom Grundeigen-tümer, einer Agrargenossenschaft,komplett verschlossen. Die Anlagewurde nie gründlich erforscht, es gibtrund um die Anlage keinerlei Mahn-mal oder Erinnerung an die tausen-den Menschen, die dort gestorbensind. Weder die historischen Spurenin Gusen, noch jene bei Roggendorf,besitzen irgendeinen Schutzstatus alshistorisches Denkmal. Sie alle schrei-en förmlich nach einer längst überfäl-ligen Gedenkstätten-Initiative derösterreichischen Bundesregierung. |

Dr. Gerhard Hertenberger

Journalist und Buchautor

Abb 26: Zugangsröhre zur Stollenanlage

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

Glaskomplex statt Villenstil: Der Abriss der altenHandelsakademie in Wiener Neustadt

Es fehlte am Mut zu einer Architektur,die „Historisches und Modernes ver-eint“ und an der Verantwortung fürein Stadtdenkmal. Das alte Schulge-bäude der Bundeshandelsakademieund Bundeshandelsschule WienerNeustadt wurde im Sommer 2010 ab-gerissen, um einem neuen Bau Platzzu machen.Das geschichtsträchtige und über 100Jahre alte Haus in der Ungargasse Nr.29 war seit mehr als 50 Jahren Han-delsschule und Handelsakademie. ImLaufe der Zeit waren die Räumlichkei-ten der ältesten Handelsakademie Nie-derösterreichs mehrmals zu kleingeworden, und es entstanden einigeZubauten an der Hof- sowie Rücksei-te. Nun waren eine weitere Vergröße-rung und vor allem eine umfassendeRenovierung erforderlich. Obwohlmehrere Architektenpläne auf demTisch lagen, die einen neuen Bau mitdem alten Kerngebäude verknüpften,entschied sich der Bund für einen Ab-bruch des historischen Traktes. Sei-tens der Stadtverwaltung gab es dazukeine Einwände, die Ära des altenHAK-Schulgebäudes ging damit zu En-de.Der letzte Zubau von 1981 allerdings,dessen baulicher Zustand augen-scheinlich desolater war, als der Alt-bau in der Ungargasse, wird nacheiner Renovierung in die neue Schu-le integriert. Ab Herbst 2012 werdendie HAK-Schüler bereits im modernenGlaskomplex die Schulbank drücken.(Generalplaner: Architekturbüro Del-ta, 1030 Wien, Errichtungskosten €10.079.000,- netto). Die Bundesim-mobilien-Gesellschaft hält in ihrer Pro-jektbeschreibung fest, dass „das 30Jahre alte Haus funktionell und archi-tektonisch an den Neubau, der denrepräsentativen Teil des Bauvorha-bens darstellt, angebunden wird“.

Durchaus repräsentativ, stilvoll undvor allem ihrer Tradition und Geschich-te bewusst, zeigt sich z. B das Bun-desgymnasium Wiener Neustadt amBabenbergerring 10 (errichtet 1909-10) auch noch nach mehreren undumfangreichen Zu- und Umbauten wieRenovierungen. Es veranschaulicht,wie eine Verschmelzung von Alt undNeu in der Architektur gelingt undauch ein historischer Schulbau denheutigen Anforderungen gerecht wird.

Errichtet zum KaiserjubiläumDas 50jährige Regierungsjubiläumdes Kaisers war für die „Allzeit Ge-treue“ der Anlass, ein k. und k. Trup-penspital zu errichten. 1898 wurdemit dem Bau des einstöckigen Gebäu-des unmittelbar vor dem ehemaligenUngartor begonnen. Den Baugrunderwarb die Stadt vom nahe gelege-nen Neukloster, das hier einen Gartenhatte. Die Ungargasse zählt zu denvier wichtigsten vom Hauptplatz aus-strahlenden Verkehrswegen der 1192planmäßig angelegten Babenberger-stadt. In diesem Viertel am östlichenStadtrand konzentrierten sich im 19.Jahrhundert bereits mehrere sozialeund karitative Einrichtungen, wie dasStädtische Krankenhaus, ein Armen-und Waisenhaus und die öffentlicheBadeanstalt. Am 2. Dezember 1903wurde das Hauptgebäude des KaiserFranz-Joseph-Truppenspitals samt ei-nem Pavillon für Infektionskranke fei-erlich eröffnet. Bis 1918 wurde es alsMilitärspital genutzt, danach als Müt-terheim des Krankenhauses. 1938 zogdie Reichsdeutsche Bezirkskomman-datur ein und nach dem Krieg dientees als Amtshaus der Bezirkshaupt-mannschaft. 1958 übersiedelteschließlich die Handelsschule und Han-delsakademie in die Ungargasse. ImJahre 1961 übernahm der Bund Schu-

le, Grundstück und Gebäude, welches1964 einen ersten größeren Zubaubekam.

Berühmter ArchitektDas äußere Erscheinungsbild der al-ten HAK war an der Straßenseite imGroßen und Ganzen über ein Jahrhun-dert lang unverändert geblieben. Derschlichte Baustil mit dem Flachdachund dem kleinen Vorgarten repräsen-tierte den kleinstädtischen Villenstilder auslaufenden Gründerzeit. Der re-nommierte Architekt Franz Ritter vonGruber (1837-1918) hatte, wie schonbei der Planung des Rudolfinerhausesin Wien (1882-84), sehr einfühlsamden Baustil des Spitals an den Villen-vorort angepasst. Bis zuletzt warenSpuren des ehemaligen Truppenspi-tals erkennbar, wie z.B. die Medika-mentennischen in einigen Klassen-räumen. Und kaum ein Schüler wus-ste wohl, dass das Konferenzzimmereinst als Operationssaal fungierte hat-te.Die Handelsakademie Wiener. Neu-stadt wurde 1945 gegründet. Damalslag die Stadt in Schutt und Asche. Inden Geschichtsbüchern liest man,dass nur 17 der rund 4000 Gebäudedie schweren Bombardierungen ohneSchaden überstanden haben. Beina-he die Hälfte der Häuser war völligzerstört. Das ehemalige k. und k.Truppenspital kam glimpflich davon.Angesichts dieser geschichtlichenBürde ist es kaum verständlich, dassunnötige Verluste historischer Bau-substanz in Wiener Neustadt heutezugelassen werden und dem Denk-malschutz eine so geringe Bedeutungbeigemessen wird. |

Gabriele Schlief, MAS

iD-Bezirksobservatorin Wiener Neustadt

Abb. 27: Aus Alt mach Neu: Der Standort der Handelsakademie früher und heute, Ungargasse 29 in Wiener Neustadt

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Altstadtschutz in Salzburg: Ist das nicht die Höhe?

Könnte man die Zeit zurückdrehen,so würde das Salzburger Unfallkran-kenhaus in dieser Größe niemals wie-der an derselben Stelle genehmigt.Dieser Riesenbau fügt sich aus Sichtder Stadt-Architektur weder in seineUmgebung ein, noch war die vorherals Garten bzw. landwirtschaftlich ge-nutzte Fläche jemalsfür einen solchen Bau-Komplex geeignet.

Das Unfallkrankenhauswurde 1953 eröffnet,galt jedoch bis 1969als konsensloser Bau-zustand (Schwarzbau)und wurde erst nachBeendigung zweierAmtshaftungs-Verfah-ren durch nachträgli-che Änderung derSalzburger Baugesetzemehr als fünfzehn Jah-re später genehmigt.Umso verwunderlicherist es, dass die verant-wortlichen Politiker ei-nerseits den Fehler desUnfallkrankenhauseseinsehen, andererseitsjedoch auf dem Nach-bargrund eine Nach-verdichtungsflächeausweisen, die – gehtes nach dem neuen Ei-gentümer, der Bauträ-gergesellschaft Casscoaus Bayern – sogar ei-ne Geschoßflächenzahl von 1,33 er-halten soll, während das Negativbei-spiel Unfallkrankenhaus zirka dieselbeGeschoßflächenzahl aufweist.Dies ist umso unverständlicher, alsdiese Nachverdichtungsfläche in derAltstadt-Schutzzone I und damit inder Weltkulturerbezone liegt, währenddas Unfallkrankenhaus als „Ausreißer“extra von dieser ausgenommen wur-de, weil jedem Politiker klar war, dasses sich dabei um eine irreparable Bau-sünde handelt, die niemals wiederholtwerden sollte. Jetzt will man jedochmehr davon, um ausländischen Im-mobilien-Spekulanten das schnelleGeld zu ermöglichen.Auf einer Grundfläche von 5.655m-sollen laut Bauwerbern Tiefgaragen,Geschäfte, Büros und Luxuswohnun-

gen für 60 Millionen Euro entstehen.Pläne gibt es angeblich noch keine.Jedoch anscheinend eine Zusage sei-tens der Stadt Salzburg, dass eineBaumassenzahl von 5,0 möglich sei.Sollte diese gesetzwidrige Zusage tat-sächlich erfolgt sein, so könnte sichniemand darauf berufen. Denn: Bau-

massezahlen sind das gröbste Pla-nugsinstrument, welches nur inGewerbe- und Industriegebieten zu-lässig ist. ImGeltungsbereich desSalz-burger Altstadterhaltungsgesetzes1980 (SAEG) ist jedes Operieren mitBaumassezahlen eine dreiste Unge-setzlichkeit.Wie immer das auch gelaufen seinmag, derzeit wird Öffentlichkeitsar-beit in Richtung Rettung vor dem Ka-puzinerbergtunnel betrieben unterdem Motto: Wir treiben den Teufel mitBeelzebub aus. Statt Tunnel – den so-wieso keiner mehr will – kommt jetzteine Bautenwucht, die allen Kriteriender Altstadt-Erhaltung zuwiderläuftund in keiner Weise gesetzeskonformsein kann.

Vierzig Jahre Planungs-Chaosohne Stadtplanung

Dabei gibt es schon eine Reihe vongescheiterten Großprojekten auf die-sem Platz. Anfang der 1970er Jahrewollten die damaligen Eigentümer, dieSalzburger Sparkasse, ihr neues Ver-

waltungsgebäude auf diesem Grund-stück errichten. Es blieb damalsjedoch beim Modell.1994 wurde ein nächster Versuch ge-startet und ein Architekten-Wettbe-werb ausgeschrieben. Die Aus-schreibungsbedingungen wurden vomdamaligen Bauwerber SalzburgerSparkasse festgelegt und die StadtSalzburg verpflichtete sich, diese unddas Ergebnis des Wettbewerbs zu ge-nehmigen.Das Siegerprojekt fand jedoch bei denBauwerbern keinen Anklang, weil die-ses trotz einer Länge von 104! Metern(fünf Meter länger als der SalzburgerDom!) ihrer Meinung nach zu wenigRaum erhielt.Folglich kam es zu weiteren Umpla-nungen mit einem wenig verwunder-

Abb. 28: Das Unfallkrankenhaus am Dr.-Franz-Rehrl-Platz: der ursrpüngliche Schwarzbau undspätere Zubauten

Wie im Weltkulturerbe Salzburg Neubauten entstehen sollen

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

lichen Ergebnis: Das Verwaltungs-gebäude der Sparkasse erhielt zweiStockwerke mehr, die auf Stelzen ge-stellt die daraus resultierende verdop-pelte Bautenwucht noch etwaskaschieren sollten.Dieses Vorhaben wurde durch die Bür-gerinitiative „Schützt Salzburgs Le-bernsräume“ verhindert.Im Jahr 2001 gab es einen weiterenVorstoß des Immobilien-EntwicklersFranz Fürst, der jedoch an erforderli-chen Mindestabständen zum Nachbar-grund scheiterte.

Weltkulturerbe heute - Bauwer-ber noch immer planlos?

Um Planungskosten zu sparen, wol-len nun die Betreiber im Vorhinein wis-sen, mit welcher Kubatur sie rechnenkönnen. Hierbei geht es um städte-bauliche Entscheidungen, die mehre-re Parzellen betreffen. Deshalbbesuchten die derzeitigen BauwerberCassco Bauträger GmbH (www.cass-co.at) auch die Eigentümer des gleichgroßen Nachbargrundstücks mit der-selben Widmung „Erweiterter Wohn-bau“, die sich jedoch mangels einesvon Cassco vorgelegten Konzepts zukeiner gemeinsamen Planung ent-schließen konnten.Zentrum des Nachbargrundes ist eindenkmalgeschütztes Bauwerk desHof-baumeisters Georg Laschensky, derdieses 1785 als Lederfabrik errichte-te. Die Fassade wurde beim Umbauin ein Herrenhaus 1885 nur unwesent-lich verändert besteht heute noch.(www.neustein.at). Die Eigentümerdenken in Generationen und nicht inder Verwirklichung schnellen Profits.Man betreibt die Geschäftszeile Im-bergstraße, das kleine Lokal am Dr.-Franz-Rehrl-Platz 3 sowie einen Kul-turverein und vermietet die Re-präsentationsräume.Am 23.03.2011 wurden die Projekt-proponenten zu einer Gesprächsrun-de mit Planungs-Stadtrat JohannPadutsch dorthin eingeladen. Disku-tanten waren: Stadtrat Johann Pa-dutsch, die gesamte Stadtplanung,Arch. Peter Breitling, der internatio-nale Bedeutung durch die Entwicklungvon „Gestaltwert-Analysen“ erlangthat, sowie die Aktion „Schützt Salz-burgs Lebensräume“ mit deren Pro-ponenten Dr. Christian Walderdorffund Architekt Reinhard Schwab. AufSeiten des Bauwerbers nahmen Rein-hard Mozigemba von Cassco Immo-bilien sowie deren Architekt Wolfgang

Maul teil.Dr. Christian Walderdorff brachte sei-ne Forderungen auf den Punkt: „Aneinem so sensiblen Ort ist eine Euro-päische Musterplanung notwendig, diedem Weltkulturerbe 'Historisches Zen-trum der Stadt Salzburg' und den Vor-gaben des Salzburger Altstadter-haltungsgesetzes entspricht“.

Daher forderte die Aktion „SchütztSalzburgs Lebensräume“ einen drei-teiligen Ablauf der Planung:

1. Eine Gestaltwert-Analyse mitumfassender Erhebung des der-zeitigen Lebensgefüges um diestädtebaulichen Rahmenbedin-gungen abzustecken.

2. Einen Ideen-Wettbewerb unterEinbeziehung der Bevölkerungfür die Widmung der Gebäude.

3. Erst danach die Festlegung derAusschreibungsbedingungen fürden notwendigen internationa-len Architekten-Wettbewerb

In mehreren Folgegesprächen der Ak-tion „Schützt Salzburgs Lebensräu-me“ mit der Stadtplanung erhieltdiese von Planungs-Stadtrat Padutschdie Zusage, eine Gestaltwertanalysegemäß den allgemein anerkanntenRichtlinien

1durchzuführen.

Da in der großen Gesprächsrunde vom23. März deutlich wurde, dass dieStadtplanung dem Bauwerber unddessen Architekt die Definition derAusschreibungsbedingungen für dennotwendigen internationalen Archi-tekten-Wettbewerb überlassen woll-te, schaltete sich auch die InitiativeDenkmalschutz (iD) ein.In den Salzburger Nachrichten vom30.April 2011 wird Stadtrat Padutschim Bezug auf die Entwicklung der Flä-che beim Dr. Franz-Rehrl-Platz folgen-dermaßen zitiert (Seite 30, Leser-forum, Lokalbeilage) „Die Fläche isteine der größten Baulandreserven inder Altstadt. Wir stehen kurz davor,gemeinsam mit der deutschen Immo-bilienfirma Cassco ein ambitioniertesProjekt zu entwickeln“.Am 04.Mai 2011 fragte die InitiativeDenkmalschutz bei Stadtrat Padutschnach, ob über dieses Planungsgebietein Bebauungsplan festgelegt wird,oder ob im Wege einer „Bauplatzer-klärung“ ohne Einbeziehung der Öf-fentlichkeit gearbeitet werden soll.Die ID bat um Information zu der vonPadutsch zitierten Projektentwicklungund bekam folgende Antwort von Pa-

dutsch:„..zu Ihren Fragen darf ich mir erlau-ben, trotzdem nicht Stellung zu neh-men... Sie sind trotzdem zu allenöffentlichen Anlässen im Zusammen-hang mit der ProjektentwicklungRehrlplatz willkommen, verstehen Sieaber bitte, dass ich nicht bereit undauch zeitlich und energetisch nicht inder Lage bin, darüber hinaus eine ei-gene Kommunikationsschiene mit Ih-nen direkt aufzubauen“.Nach drei weiteren Urgenzen seitensder ID antwortete Padutsch: „wir ste-hen nach wie vor in der Vorbereitungdes Verfahrens, alle Aussagen, die wirbereits in der Anrainerinfo bei der Fa-milie Ferch getroffen haben sind auf-recht. Mit den Vertretern der Bürger-initiative gibt es Gespräche über Artund Umfang des Verfahrens und die-ses vorbereitende Analysen (z.B. Ge-staltwertanalyse). Ansonsten darf ichauf meine erste Antwort verweisen,wonach es mir aus zeitlichen undenergetischen Gründen nicht möglichist, in einen breiten Dialog mit Ihnenzu treten, Sie aber bei den zu erwar-tenden öffentlichen Veranstaltungenwillkommen sind“.Immerhin bestätigte Padutsch damitdie Gespräche mit der Aktion „SchütztSalzburgs Lebensräume“ über daswesentliche Thema vorbereitendeAnalysen wie zum Beispiel die von ihrgeforderte Gestaltwertanalyse „AlteStadt – heute und morgen“.Neben der Aktion „Schützt SalzburgsLebensräume“ und der InitiativeDenkmalschutz befasst sich auch die„Aktion 21 – Pro Bürgerbeteiligung“als österreichische Speerspitze fürpartizipative Demokratie mit diesemProjekt.Zwischenzeitlich gab es eine Erhe-bung seitens der Stadt Salzburg vonDr. Wilfried Schaber. Dieser kommtdarin zu folgendem Schluss: „Der ver-bleibende Bauplatz bietet die Chan-ce, die Vermittlung zwischen ver-schiedenen Bebauungsstrukturenwieder aufzunehmen, die Logik derBebauung 'am Stein' wieder sichtbarzu machen, in dem die hoch liegendeArenbergstraße, der Block des Unfall-krankenhauses und die Villenbebau-ung am Fluss, sowie das großzügigeGartengrundstück der 'Lederfabrik' –ein letzter Rest der 'Ebmad' – zeitge-mäße Antworten finden.“Richtigerweise hätte man in derSchlussfolgerung keinesfalls den Aus-reißer UKH als Referenz für das in derAltstadt-Schutzzone I liegende

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Grundstück der Bauwerber heranzie-hen dürfen! Das UKH liegt nämlichnicht mehr in der Altstadt-Schutzzo-ne I und scheidet daher gemäß Salz-burger Altstadterhaltungsgesetz alsReferenzobjekt aus. Wer dies trotz-dem fordert handelt gesetzwidrig!Interessanterweise wurden in einerStellungnahme der Sachverständi-gen-Kommission (SVK) vom26.09.2011 zum Architekturwettbe-werb unter anderem folgende Punk-te festgelegt:

„Die umgebenden charakteristischen,oben genannten Proportions- und Hö-henentwicklungen sind zu respektie-ren und besonders an der Schnittstellezum Unfallkrankenhaus zu beachten.

Die Sichtachsen von der Karolinen-brücke, dem südlichen Dr. Franz RehrlPlatz, von Gisela- und Rudolfskai so-wie von der Brücke zum Kapuziner-berg und zur Arenbergstraße hin sindzu beachten, die örtlichen Proportio-nen im Gebiet aufgrund der Struktur-vielfalt unter Beachtung der Refer-enzhöhen von Unfallkrankenhaus,Arenberstraße und Stadtvillen zu har-monisieren“.

Das SAEG verbietet jede angleichen-

de Bezugnahme auf städtebaulicheGegebenheiten außerhalb seines Gel-tungsbereichs in den Schutzzonen Iund II. Sogenannte Sachverständige,die das missachten, disqualifizieren

sich durch eine derartige Vorgangs-weise selbst.Für die Bebauungsrichtlinien ist dieSVK jedoch nicht zuständig sonderndie Stadt Salzburg. Bisher hat sie die-se noch nicht offengelegt. Kann essein, dass sie damit das SalzburgerAltstadterhaltungsgesetz umgehenwill?Mitglieder in Jurys von Architekten-wettbewerben zu entsenden ist jeden-falls nicht Aufgabe der SVK, sonderndie Bewertung vorgelegter fertigerProjekte.Wenn diese vorgelegt werden, wirddie SVK das Einfügungsgebot aus demAltstadterhaltungsgesetz ebenso be-rücksichtigen müssen, wie die von derAktion „Schützt Salzburgs Lebensräu-me“ vorgelegte Methodik der Gestalt-wert-Analyse, deren UmsetzungStadtrat Padutsch ausdrücklich zuge-sagt hat.Wie weit dieses Versprechen einge-halten wird, zeigt folgende Informa-tion: Padutsch soll schriftlich derInitiative „Schützt Salzburgs Lebens-räume“ geantwortet haben, dass einvon den Landschaftsarchitekten Allee42 in dieser Sache vorgelegtes Ange-bot als zu teuer und nicht rechtzeitigdurchführbar eingestuft worden sei.Unmittelbar danach beauftragte Cass-co die Landschaftsarchitekten Allee42 zu einer Kurz-Analyse und erhieltinnerhalb weniger Arbeitstage eine fürden Projektwerber vorteilhafte Ana-lyse, die jedoch nichts mit einer um-fassenden Gestaltwert-Analyse zu tunhat.Bleibt abzuwarten, wer es sich leistenkann so eklatant gegen das Gesetz zuverstoßen. Die Initiative Denkmal-schutz wird über den weiteren Verlaufdieses Projekts informieren. |

Gerd Seidl

iD-Landesobservator Salzburg

1Richtlinien „Alte Stadt – heute und morgen“(D,E – Anhang 1) in:

Alte Stadt - heute und morgen

Eine Dokumentation über Grundlagen und Merk-male der Stadtqualität

Herausgeber: Bayer. Staatsministerium des In-nern, Oberste Baubehörde

München 1975

Old Town - Today and Tomorrow

A documentation on basic principles and cha-racteristics of urbane quality

Published by the Bavarian State Minister of theInterior, Supreme Planning Commission

Munich 1975

Abb. 29: Das Projekt am Dr.-Franz-Rehrl-Platz aus dem Jahr 1994

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Die ehemalige Struberkaserne in Salzburg

In heutigen Zeiten, in denen Immo-bilien Geld bringen sollten und ver-marktet werden, müssen nebendenkmalwürdigen Bahnhöfen, Burgenund Schlössern auch Kasernen dar-unter leiden. So auch die von der Bun-desimmobiliengesellschaft verkaufteStruberkaserne in der Klessheimeral-lee in Salzburg. Obwohl ersichtlich ist,

dass nicht alle Gebäude dieselbe ar-chitektonische Qualität aufweisen,sind einige Details der Anlage sehr in-teressant, vor allem die große Pan-zerhalle, diese steht auch unter Denk-malschutz, aber näheres später dazu.

Kurze geschichtliche Zusammen-fassung

Die Struberkaserne wurde unter denNationalsozialisten im typischen Stilder Zeit errichtet. Ein eindeutiger Zeu-ge dieses Stils ist der große Pylon amEinfahrtstor, an dem bis vor einigenJahren noch - wie an den Autobahnenin Salzburg - ein Stein mit Reichsad-ler und Jahreszahl angebracht war.Dieser Stein wurde aber gestohlen.An der Spitze des Pylons saß eben-falls ein Adler, der heute anscheinendin den Werkstätten der Schwarzen-bergkaserne steht und von den Mit-arbeitern gerettet wurde.Nach dem Krieg war die amerikani-sche Kommandozentrale in der Kaser-ne untergebracht. Aus dieser Zeitstammen einige von Soldaten an dieWand gemalte Graffiti von Pinup-Girls,ein Wappen der amerikanischen Ein-

heit und ein Wandspruch über dieFreude, dass der Krieg vorbei war.Als 1955 die Besatzungsmächte ab-zogen übernahm das österreichischeBundesheer das Areal. Die Kasernediente hauptsächlich der Reparaturvon Panzern.Es muss jedoch berichtigt werden,was auf der offiziellen Internetseite

www.struber-kaserne.at geschriebenwird, dass die Kaserne 1985 geschlos-sen wurde und die Gebäude seitherbrach lagen, was nicht der Fall war.Denn erst als am 6. Juli 2001 der Neu-bau der Heeresversorgungsanstalt inder Schwarzenbergkaserne errichtetwurde und 2002/03 fertig gestellt war,erfolgte die Übersiedelung in das Neu-lager Schwarzenbergkaserne. Über-siedelt wurden HZA (Heereszeug-anstalt) und die HVA (Heeresver-sorgung und Fahrzeuglager) das bisdato in der Struberkaserne war.2007 war es dann soweit, das Arealder Struberkaserne wurde nach Mel-dungen der Medien an eine holländi-sche Immobilienfirma verkauft umrund 15,5 Millionen €. Das heißt dieFirma zahlte ca. 250 € pro m-. Anzu-merken ist, dass in dieser Lage in Salz-burg der Baugrund jedoch ca. 450 €pro m- kostet. Der Käufer war eineTochterfirma der „Holland JerusalemGruppe“ und wollte das ca. siebenHektar große Areal für 350 Wohnun-gen und Gewerbebetriebe nutzen.Die denkmalgeschützte Panzerhallesollte abgerissen werden, was vomBundesdenkmalamt genehmigt wur-

de, unter der Bedingung diese einzu-lagern. Von einem Wiederaufbau warjedoch nicht die Rede.Im März 2007 entflammte in Salzburgeine Diskussion zum Verkauf an dieHolländer. Die Salzburg Wohnbauwollte die Holländer noch überbieten,ein klarer Ablauf war nicht ersichtlich.Der Stand Ende März war, dass die

Holländer den Zuschlag bekommenhatten.Heute sind zu 25% Eigentümer dieBaufirma ALPINE und Steiner WannerWohnbau (Altenmarkt) und zu 75%Salzburger Siedlungswerk, Gswb,Heimat Österreich und die Genossen-schaft Salzburg.Im März 2011 wurde das Areal derPanzerhalle von der Struberkaserneabgesondert und extra verkauft anden Gusswerk-Betreiber Marco Sill-aber. Als neue Nutzung der Panzer-halle zeichnen sich ein Oldtimer-museum und Spezialwerkstatt ab.Nach dem Abriss des übrigen Arealswird das Gebiet noch archäologischbegutachtet, da es sich um ein ural-tes Siedlungsgebiet handelt.Danach entsteht auf einer 50.000m-großen Fläche eine autofreie Wohn-anlage mit rund 260 geförderten Woh-nungen, dazu kommt ein ca.14.000m- großer Stadtteilpark, derdie Stadtteile Maxglan und Taxhammiteinander verbindet. Dies wird ge-plant vom Architekturbüro „Ka-da/Wittfeld“ (Graz/ Aachen) und demArchitekten Schwarzenbacher (Salz-burg).

Abb. 30: Gebäude der Struberkaserne in Salzburg

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Zu den Gebäuden

Besonders hochwertig wurden die Of-fiziersgebäude ausgestattet mit Stein-portalen aus rotem Adneter Marmor,Parkettboden, Solnhofener Plattenund Terrazzoböden.Passierte man die Achse an den Offi-ziersgebäuden vorbei, gelangte manzu den Fahrzeughallen, die zweistö-ckig ausgeführt waren. In diesen Hal-len befanden sich DutzendeIndustriedesignlampen, die abgebautwurden und in der dritten Halle dieschon erwähnten Graffiti von Pinup-Girls und das eingeritzte Wappen deramerikanischen Besatzung. Dahinterbefand sich die große Werkstätte miteinem Uhrturm, der auf die Sichtach-

se gerichtet war.Diese Werkstät-te und eine wei-tere kleinereHalle wurdennicht verputzt,vermutlich ausKriegskosten-gründen.Weiters zu er-wähnen ist einbemerkenswer-ter Wasserturm,der Ähnlichkei-ten mit demWachturm einesKonzentrations-lagers aufweist.Dieser Turm

wird in den neuen Stadtpark inte-griert.Daneben befindet sich eine Tankstel-le über die es eine nette Geschichtezu erzählen gibt. Sie wurde nie be-nützt. Als die Bauarbeiten zu dieserTankstelle abgeschlossen waren, ent-deckte man den Fehler, sie stand inder falschen Kaserne, die Struberka-serne hatte bereits eine funktions-tüchtige Tankstelle.Ebenfalls waren noch kleinere Fahr-zeughallen aus den 1950er oder 60erJahren auf dem Areal vorhanden.An der hintersten Stelle des Arealsbefand sich die große Panzerhalle mitihrer prachtvollen Hallenkonstruktionaus Holz und Beton. Die Halle, errich-tet 1939, ist fast 200 Meter lang, 50Meter breit und 16 Meter hoch. 40große Holztore ermöglichten früherden Transport der Panzer in und ausder Halle.In dieser Halle wurden in den letztenJahren öfters größere Events gefeiertund das Gelände damit belebt. Damitbekamen auch viele Salzburger einenBezug zu Panzerhalle.

Kaserne als Lebensraum

In den letzten Jahren, als die Kaser-ne leer stand, war sie Begegnungsortfür viele Jugendliche, die hier einen„Spielplatz“ fanden, wo man fast al-les tun konnte was man wollte. Dasist nun vorbei, denn Salzburg benö-tigt Wohnraum und da bietet sich die-se Kaserne sprichwörtlich an. |

Gerd Seidl

iD-Landesobservator Salzburg

Abb. 31: Der bemerkenswerte Wasserturm in der Stuberkaserne

Abb. 32: Sgraffiti verschiedener Zeiten in der Struberkaserne

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Das Botanische Institut der Karl-Fran-zens-Universität erhielt in der zwei-ten Hälfte des 19. Jahrhunderts eineGartenanlage. Sie ersetzte den 1811angelegten und 1889 aufgelassenenJoanneum-Garten im Bereich des so-genannten „Alten Joanneums“ in derGrazer Innenstadt. 1874 wurde zudiesem Zweck eine an der Schubert-straße liegende Freifläche im Ausmaßvon 19.754 m

2angekauft. Das ist ei-

ne für eine Gartenanlage nicht allzugroße Parzelle, die raumtechnischsehr geschickt verwaltetwerdenmuss-te. An der Nordwestecke des Grund-stückes errichtete die führendeWiener k. k. Eisenconstructionswerk-stätte Schlosserei und Brückenbau-Anstalt Ignaz G. Gridl 1888/1889 diehistorischen Gewächshäuser nach Pla-nentwürfen von Ritter von Hochen-burger und des k. k. Ingenieurs

Johann Beyer. Nach der Bauratsent-scheidung erfolgte die Benützungsbe-willigung für das Gärtnerhaus und dieGewächshäuser mit 12. August 1889

1.

Die Anlage ist als mehrteiliges, sym-metrisch um eine Mittelachse ange-legtes Anlehngewächshaus konzipiert.Das Palmenhaus bildet als Mittelku-bus mit Laternenaufbau und Laufstegsamt schlanken Eisengeländern mitdünnen, geschwungenen Stäben undabschließenden Dekor-Schnecken dasZentrum dieser zur Mitte hin gestaf-felten Anlage. Dieser Mittelteil wirdvon einem großen und einem kleinenWarmhaus im SW und einem großenund einem kleinen Kalthaus im NO ingeradlinig schlichten Formen mit Pult-dächern gerahmt. Die Konstruktionenmit hochrechteckigen Glasfeldern leh-nen sich an eine massive, schmuck-lose Mauerscheibe im Norden an, die

an ihrer Rückseite Wirt-schaftsgebäude und einekleine Arbeiterwohnungbirgt. Erweiterungenwurden um 1950 mitdem vorgesetzten Victo-ria-Regia-Haus, demWarm-Sattelhaus unddem Kalt-Sattelhausdurchgeführt.

Weitere Architektu-ren im BotanischenGarten

Der Bau des ersten Bota-nischen Institutes in Neo-renaissance-Stilformenan der Südostecke desGrundstückes wurde erst1898 durch Einsparun-gen bei den gleichzeitigerrichteten medizini-schen und philosophi-schen Fakultätsgebäudenam Universitätsplatz er-möglicht.

2Es wurde der

in Wien lebende „tech-nisch-artistische Baulei-ter“ des k. k. Ministeriumdes Innern“ k. k. Oberin-genieur Wilhelm Edler

von Rezori, mit den Planungen beauf-tragt, der auch als Architekt u.a. fürdas Grazer Universitätshauptgebäu-de verantwortlich zeichnete.Die mit der Berufung von Karl Fritsch1905 und dem Abgang Gottlieb Ha-berlandts 1910 notwendig geworde-ne strukturelle Neuorganisation derBotanik in zwei Institute (Pflanzen-physiologie und Systematische Bota-nik) schlug sich im Bau eines weiterenInstitutsgebäudes im Jahre 1913 nie-der. Die architektonische Planungübernahm der in Köln geborene undin Graz tätige k. k. Oberingenieur Au-gust Carstanjen; die Bauleitung hat-te der ebenfalls in Graz tätige k. k.Ingenieur Rudolph Schneider inne.

3

Der florale Fassadenschmuck weistmöglicherweise sowohl auf die Funk-tion des Gebäudes als auch auf densecessionistischen Jugendstil hin.

Universitätsgeschichte aus Glas

Die historischen Gewächshäuser und weitere Architekturen im

Botanischen Garten der Karl-Franzens-Universität Graz –

Gründung und Geschichte

Ab. 33: Das historische Gewächshaus in Graz, erbaut 1888/89

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Die jüngsten maßgeblichen Bautendes Botanischen Gartens präsentie-ren die, in den Jahren 1990 bis 1995nach Plänen des Architekten VolkerGiencke geplanten neuen Gewächs-häuser. Ihr konstruktives Gerüst istvollkommen innovativ aus Parabelbö-gen erstellt. In Form und Funktionverleihen sie der Gewächshausarchi-tektur eine völlig neue Dimension.

Rettung – Abbruchverhinderung– Revitalisierung

Die im Juni 1995 erfolgte Inbetrieb-nahme dieser neuen Gewächshäusersollte 1997 den Abbruch der Histori-schen Gewächshausanlage zur Folgehaben. Mit den Neuen Gewächshäu-sern war das „Alte Glashaus“ ohneFunktion. Eine Renovierung des altenGlashauskomplexes (damaliger Eigen-tümer: Karl Franzens UniversitätGraz) kam wegen des schlechten Er-haltungszustandes nicht in Betracht.Die kulturhistorische Bedeutung standöffentlich nicht zur Diskussion. Im Auf-trag der Stadt Graz führten kunstto-pographische Recherchen 1996/97(Bearbeiterin: Astrid Wentner) im Gra-zer Stadtarchiv und im Steiermärki-schen Landesarchiv zu einergesicherten archivalischen Zuschrei-bung als „Gridl-Gewächshäuser“ mitgenauer Datierung. Ein darauf im No-vember 1997 gegründetes Glashaus-Aktionskomitee machte auf den Wertdes historischen Glashauses öffent-lich aufmerksam und gegen den Ab-bruch mobil. Durch Unterstützungenseitens des Steiermärkischen Landes-konservatorats des Bundesdenkmal-amtes, der Stadt Graz, des LandesSteiermark, des Institut für Kunstge-schichte der Universität Graz (GötzPochat, Margit Stadlober) und derTechnischen Universität Graz (RichardGreiner) und durch zahlreiche Aktio-nen (Unterschriftenliste, Pressemel-dungen, Fachartikel, Fernsehdoku-mentationen, Fachdiskussionen

4,

Gutachten des Bundesdenkmalamtes,Architekten, u.a. „Nutzungsstudie vonArch. Klaus Kada, 1999) konnte derAbbruch erfolgreich verhindert wer-den. Gutachterliche Stellungnahmenbescheinigten dem Glashaus noch1998 einen guten Zustand

5während

die Gutachten der Grazer Altstadt-sachverständigenkommission sowohlpositive als auch negative Bescheidezum Abbruchantrag erbrachten, demBundesdenkmalamt jedoch die letzteEntscheidung zum Erhalt und Verbleib

der Gewächshäuser in Situ offen ließ.Mittels wissenschaftlicher Archivre-cherche durch die Verfasserin (AstridM. Wentner) im Stadtarchiv Graz undmit Unterstützung durch das Steier-märkische Landesarchiv

6konnte die

tatsächliche Entstehungszeit von1888/89 für die ursprüngliche histo-rische Anlage erstmals archivalischbelegt werden. Zugleich beauftragtedas Bundesdenkmalamt eine bau- undgartenhistorische Begutachtung, diedie bautechnische Bedeutung und Er-haltungswürdigkeit feststellte.

7Der

Abbruch bzw. eine geplante Neuauf-stellung anlässlich der Internationa-len Gartenschau 2000 in Unter-premstätten bei Graz konnte dankdieser gemeinsamen Bürgerinitiative

8,

in der Folge noch gefördert durch dieStadt Graz, das Bundesdenkmalamtund des Institutes für Kunstgeschich-te der Universität Graz verhindert wer-den. Zahlreiche Presse-Meldungensetzen sich seither immer stärker fürdie Revitalisierung der historischenGewächshäuser ein.Seit die Gewächshäuser in den Besitzder Bundesimmobiliengesellschaft(BIG) übergingen erschwerte sich dieRenovierungs-Situation immer mehr.Das Mietverhältnis zwischen BIG undUniversität hinsichtlich dieses Objek-tes begann am 1. Jänner 2001 und

wurde von Seiten der Universität per31. Dezember 2006 gekündigt.Einige Diplomarbeiten am Institut fürKunstgeschichte und der TechnischenUniversität Graz und der Fachhoch-schule Joanneum mit SchwerpunktGlashaus-Architektur

9eröffneten die

wissenschaftliche Erschließung. Seit2008 führt der Verein Denkmal-Stei-ermark dieses Objekt in seinem Pro-gramm. Mit dem gleichen Jahr datiertder rechtskräftige Unterschutzstel-lungs-Bescheid

10des Bundesdenk-

malamtes. Eine 2009 vom Bundes-denkmalamt in Auftrag gegebeneStudie

11zur Sanierung der histori-

schen Gewächshausanlage erarbeite-te mehrere preislich gestaffelteSanierungsvarianten. Seit 1997 gibtes also zahlreiche, intensive und zä-he Bemühungen das ’Alte Glashaus’zu erhalten und einer neuen Nutzungzuzuführen, darunter auch die jüngs-te Publikation zum Thema Gridl

12. Der

aktuell schlechte Bauzustand verlangtdringend eine Sanierung durch dieverantwortlichen Stellen. Im Früh-sommer 2011 finanzierte das Bundes-denkmalamt einen ersten Schritt indiese Richtung mit. Georg Kolma-nitsch nahm erfolgreich Probearbei-ten zur Oberflächeninstandsetzungder Metallkonstruktion am Glashausvor. Privatinitiativen zur Beschaffungvon Spendengeldern sind im Gange.Alles wartet nun auf ein positives Si-gnal von der Bundesimmobiliengesell-schaft.

Wertung

Die historischen Gewächshäuser zäh-len neben dem physikalischen undChemischen Institut der UniversitätGraz (noch vor dem 1891-1895 er-richteten Hauptgebäude) zu den äl-testen Gebäuden des GrazerUniversitäts-Campus.Sie bahnen in der typologischen Glas-hausentwicklung den Weg in die Mo-derne, indem sie mit ihrerfunktionsdefinierten Formensprachebereits zu ihrer Erbauungszeit im spä-ten Historismus die Neue Sachlichkeitdes 20. Jahrhunderts vorwegnehmen.Aufgrund der zahlreichen Musterbei-spiele (Varianten) in Eisenkonstrukti-ons-Katalogen, die sich sowohl imPrivatbesitz als auch in öffentlicherHand erhalten haben

13setzt auch das

serielle Bauen ein. Die Grazer Ge-wächshäuser sind in einem Schwarz-Weiß-Katalog

14mit einem Foto und

drei Rissen, heute in der TU Wien fest-gehalten. In der langen Reihe derGridl-Gewächshäuser, die bis weitnach Südosteuropa geliefert wurden,kann im Gegensatz zu den meistendieser Anlagen mit fehlenden Bauda-ten, die Errichtungszeit der GrazerAnlage archivalisch nachgewiesen

Abb. 34: Detail der Glashäuser

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Seite 35Nr. 09 / 2011

Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

werden. In Se"ana in Slowenien, des-sen botanischer Park als Gartendenk-mal geschützt ist, wurde einvermutlich 1890 erbautes Gewächs-haus des gleichen Typs 2005 komplettsaniert und wieder einer botanischenNutzung zugeführt. Ob es einemGridl- Konstruktionsbau zuzuordnenist, konnte noch nicht eruiert werden;die stilistische Affinität zu den Glas-haus-Anlagen Graz und Innsbruck istjedenfalls beeindruckend. Die 1909errichtete vergleichbare Glashausan-lage im Botanischen Garten der Uni-versität Innsbruck in Hötting wurdebereits 1977 abgerissen.

15

Die historischen Gewächshäuser inGraz sind aufgrund der noch weitest-gehenden Erhaltung der ursprüngli-chen Konstruktion als einzigartig inÖsterreich anzusehen. Gemeinsammit dem heute in das Kunsthaus Grazbaulich integriertem sog. ’EisernemHaus’, das 1847/48 nach Plänen vonJosef Benedikt Withalm in der ehema-ligen Murvorstadt in Gusseisen-Ske-lettbauweise errichtet wurde, bildendie historischen Gewächshäuser dieeinzigen und letzten in Eisen-StahlBauweise erhaltenen Architekturendes 19. Jahrhunderts in Graz vongroßem kultur- und technisch-histo-rischem Wert.

16Das Areal des Bota-

nischen Gartens in Graz kann eingewachsenes Architektur-Ensembledurch die Gegenüberstellung von his-torischen und neuen Gewächshäusernauf einer Achse mit den Gebäuden derAlten und Neuen Botanischen/Pflan-zenphysiologischen Institutsgebäudenbieten. |

Dr. Margit Stadlober

Kunsthistorikerin, Uni Graz

Dr. Astrid M. Wentner

Stadtbaudirektion Graz

1Stadtarchiv Graz, Hausakt Schubertstraße 51

und 53; Astrid M. Wentner, Der Botanische Gar-

ten und seine Bauten, in: Alois Kernbauer (Hg.),

Der Grazer „CAMPUS“ Universitätsarchitektur

aus vier Jahrhunderten, Graz 1995, S.12 f.,

S.181-185. Laut Plänen aus dem Archiv der Uni-

versität Graz waren hier Ritter von Hochenbur-

ger, Wilhelm Bücher und der k. k. Ingenieur

Johann Beyer maßgeblich verantwortlich.

Archiv der Universität Graz, Mappe Institut für

Botanik, Planmaterialien des Gärtnerhauses

(Fassade Schnitt und Grundriss) vom 30. März

1887.2Steiermärkisches Landesarchiv, Statth. 25-

10733/1898.

3Christoph Breser, Ursula Brosch, Margit Stad-

lober, Astrid M.Wentner, Die historischen Archi-

tekturen im Botanischen Garten der

Karl-Franzens-Universität Graz, in: Thomas Ster

(Hg.), Garten des Wissens, 200 Jahre

Botanischer Garten der Universität Graz, Graz

2011, S.138-146.41998: Diskussionsabend im Grazer Stadtmu-

seum unter dem Motto Stadtgeschichte Spezi-

al:„Historisches Glashaus in Scherben - oder

neuer Blütenzauber“?5„[…]Der Erhaltungszustand der tragenden Kon-

struktion ist gut. Eine Sanierung und Revitalisie-

rung des Gebäudes ist unter Verwendung der

Substanz möglich. […] Wenn auch das Glas-

haus in Graz deutlich kleiner ist als der Winter-

garten im Burggarten in Wien, so ist es doch

bezüglich seiner Stahlkonstruktion wesentlich

feingliedriger und eleganter und aus meiner Sicht

(als Stahlbaufachmann) ebenso erhaltenswert.

[…]“

Georg Schindler, (unveröffentl). Gutachterliche

Stellungnahme: Kosten und Möglichkeiten der

Sanierung des Gewächshauses im Botanischen

Garten in Graz aus bautechnischer Sicht, Kor-

neuburg 1998, S.19.6Mit besonderem Dank an Frau Mag. Cornelia

Olsacher; Steiermarkische Landesarchiv, Statth.

1. Geschäftsord. 25-760-1882-454.7„Begutachtung und Stellungnahme zur Erhal-

tungswürdigkeit der historischen Gewächshaus-

anlage im botanischen Garten der Universität

Graz“, erstellt von Thomas Baumgartner im Ok-

tober 1995 im Auftrag von Univ.-Doz. Geza Ha-

jós /Abt. Gartenarchitektur des BDA für das

Landeskonservat Stmk., unveröffentlicht, BDA /

Abt. Hist. Gartenanlagen und BDA / LK Stmk.81997 Gründung des Aktionskomitee „Zur Ret-

tung des Historischen Glashaues im Grazer Bo-

tanischen

Garten“ (Helga Denk, Dr. Anne-Marie Leb, Astrid

M. Wentner, u.a), Aktionen: etwa 2000 Unter-

schriften, zahlreiche Pressemeldungen, Diskus-

sionen, Fernsehdokumentationen (ORF /

Steiermark heute/Jänner 1998) unterstützt vom

BDA Graz, der Stadt Graz, der Landesbaudirek-

tion Steiermark und dem Institut für Kunstge-

schichte der Universität Graz.9Erwin Pilch, Revitalisierung des historischen

Gewächshauses im botanischen Garten der Karl-

Franzens-Universität, Graz, unveröffentl. Diplom-

arbeit, Technische Universität Graz, Graz 2006.

Verena Mißbrenner, Die Glashäuser des Insti-

tuts für Pflanzenwissenschaften im Botanischen

Garten der Karl-Franzens-Universität Graz, un-

veröffentl. phil. Diplomarbeit Universität Graz,

Graz 2007.

Stefan Siebenhofer, Revitalisierung der histori-

schen Gewächshäuser des botanischen Gar-

tens der Karl-Franzens-Universität Graz,

unveröffentl. Diplomarbeit Fachhochschule Graz,

Graz 2009.10Das Glashaus stand bis 2005 gemäß §2 Denk-

malschutzgesetz unter Schutz11Johann Kaltenegger, Udo Mössler, Sanierung

der historischen Gewächshausanlage im Bota-

nischen Garten der Universität Graz, Graz 2009.12Ignaz Gridl Eisenkonstruktionen. Ingenieur-

baukunst und Innovation im späten 19. Jahrhun-

dert, Wien 2011.13Vgl. Monika Faber, Firmengeschichte und Ver-

kaufsargument. Industriefotografie in Österreich

am Beispiel der Firma Ignaz Gridl, in: Ignaz Gridl,

Eisenkonstruktionen. Ingenieurbaukunst und In-

novation im späten 19. Jahrhundert (Fotografi-

en von Nora Schoeller. Hrsg. von Alfred

Fogarassy), Wien 2011, S. 157- 187.14JG. Gridl, k.k. Hof – Eisenconstructions - Werk-

stätte, Schlosserei und Brückenbau - Anstalt

Wien V. Bacherplatz 3, S. 24, Bibliothek der Tech-

nischen Universität Wien, Signatur 51,454 2. Bd,

lithografisch-fotografischer Katalog, nachträgl.

Händ. Bez. fälschl.Teil 1 (ausgeführte Arbeiten),

Blatt 24.15Georg Kohlmaier, Barna von Sartory, Das Glas-

haus - ein Bautypus der 19. Jhs., München 1988,

S. 361-362, 624-625.16Margit Stadlober, Astrid M. Wentner, Die his-

torischen Gewächshäuser des Botanischen Gar-

tens der Karl-Franzens-Universität Graz –

Geschichte und Ausblick, in: Historisches Jahr-

buch der Stadt Graz, hrsg. v. Friedrich Bouvier

und Nikolaus Reisinger 40 (2010), S. 202-223.

- Dies., Die historischen Gewächshäuser des

Botanischen Gartens der Karl- Franzens-Univer-

sität, in: Ignaz Gridl, Eisenkonstruktionen, Inge-

nieurbaukunst und Innovation im späten 19.

Jahrhundert (Fotografien von Nora Schoeller.

Hrsg. von Alfred Fogarassy), Wien 2011 S.134-

154

Abb. 35: Innenansicht desPalmenhauses

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Seite 36 Nr. 09 / 2011

Zur Position der oberösterreichi-schen Hausforschung und eineSpurensuche nach der Perzepti-on und Verwendung ihrer Ergeb-nisse im Rahmen derRaumordnung, Umwelt - undLandschaftsgestaltung

Einleitung

Gunter Dimt hat mit seiner Dokumen-tation „Bauernhöfe – Historische Ge-höfte in Oberösterreich“ einenherausragenden Meilenstein österrei-chischer und oberösterreichischerHausforschung vorgelegt, der nichtnur für den Fachbereich selbst vongroßer Bedeutung ist. Bis zur Mittedes vergangenen Jahrhunderts präg-ten neben den Städten, Märkten undgeschlossenen Dorfkernen Bauernhö-fe die Kulturlandschaft Oberöster-reichs in einem besonderem Maße.Angesichts der in den Fünfzigerjah-ren des 20. Jahrhunderts („Wieder-aufbauphase“) beginnende Überform-ung und Neubautätigkeit bzw. derdamit verbundenen großen Verluster-fahrung mit seinen komplexen Ursa-chen gehört diese Materialien-sammlung neben den Archiven von A.Klaar und G. Dimt selbst zu den wich-tigsten Unterlagen zur Erschließungdes authentischen Bildes der histori-schen Gehöftformen. Die Ursachen fürden großen Verlust sind in einem tief-greifenden Strukturwandel im länd-

lich geprägten Raum an sich sowie inder Globalisierung der Landwirtschaft,der Neuorientierung der Landwirt-schaftstechnik (Funktionsverlust fürganze Gebäudekomplexe!) und Bau-technologie im allgemeinen zu su-chen. Dazu kommt noch die bau-lich-gestalterische Trivialisierungdurch „nostalgische“ Übernahme vonGestaltungselementen der „Stadt“,des Kitsches sowie die Zerstörung undder Ausverkauf von Gebäudeteilenbzw. ganzer Gebäude im Rahmen desAntikbaumaterialienhandels etc. Den-noch ist die oö. Kulturlandschaft noch

immer, allerdings regionalin unterschiedlichem Ma-ße, von historischen Kul-turlandschaftselementengeprägt.

Das nunmehr in mehrjäh-riger Arbeit erstellte Ergeb-nis einer Grundlagen-forschung für das bäuer-liche Baukulturerbe eröff-net neue Perspektiven fürdenFachbereichselbst.An-dererseits ergibt sich dieFrage, inwieweit bisherigeMaterialien der Hausfor-schung bei der Umwelt-und Landschaftsgestal-tung integriert waren. Die-ser Beitrag soll daher auchzu einer Spurensuche

nach der Perzeption und Verwendungvon Grundlagenmaterialien und For-schungsergebnisse betreffend desbäuerlichen bau- und landschaftskul-turellen Erbes in Oberösterreich nach1945 einladen. Gleichzeitig wäre zuskizzieren, in welcher Weise diese Er-gebnisse eine weitere bewahrendeEntwicklung der oö. Kulturlandschaftim Rahmen der EU-Gesetzgebung undEU-Initiativen (Regional-, Agrar-,Landschafts- und Umweltpolitik etc.)unterstützen können.

1. Das Rudolf-Heckl-Archiv unddie Dokumentation der histo-rischen Gehöftformen

Das Rudolf-Heckl-ArchivDer Gmundner Architekt Rudolf Hecklentfaltete in den 1930er- und 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ei-ne umfangreiche Forschungstätigkeit(Erhebungen, Bauaufnahmen und Fo-todokumentation etc.). Seine wissen-schaftliche Hinterlassenschaft, das„Heckl-Archiv“ ist Teil der volkskund-lichen Abteilung der Oö. Landesmu-seen. Seine Einrichtung veranlassteder damalige Leiter der Volkskunde-abteilung Dr. Franz Lipp nach dem Ab-leben von Rudolf Heckl inZusammenfassung der Fotonegativ-Sammlung, Plankopien sowie ver-schiedener Ideenskizzen, unpublizier-ter und publizierte Arbeiten sowieBriefe.

Die Dokumentation „HistorischeGehöfte in Oberösterreich“ vonGunter DimtGunter Dimt begann in den letztenJahren mit der Neubewertung und Zu-sammenfassung der Arbeiten vonAdalbert Klaar und Rudolf Heckl, derwichtigsten Repräsentanten der oö.Hausforschung des 20. Jahrhunderts,die dem Fachbereich eine neue, his-torisch-technisch ausgerichtete Di-mension gaben. Aus der Sichtung derSammlung von ca. 2.500 Foto-Nega-tiven des „Heckl-Archivs“ und demRückgriff auf die überwiegend zeit-gleich entstandenen Aufnahmen vonMax Kislinger bzw. des Bauarchivs vonGunter Dimt selbst entstand erstmalseine annähernd flächendeckende Ge-

Die Dokumentation „Bauernhöfe - Historische Gehöftein Oberösterreich“ von Gunter Dimt

Abb. 36: Das Cover des Buches

Abb. 37: Ein Hof in Gosau

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

samtschau des Erscheinungsbildesder Bauernhöfe Oberösterreichs (vgl.die als erster kleiner Hinweis ausge-wählten Abbildungen 36, 37, 40) inder ersten Hälfte des 20. Jahrhun-derts. Vor dem Hintergrund einer wis-senschaftlichen Rahmenbildung fürdie Terminologie, die Voraussetzun-gen zur Gehöftbildung und Gestaltungdes Wohnhauses, die Markierung derVerbreitung der Gehöfte sowie einemGlossar, entstand auf der Basis vonca. 6.000 nunmehr digital vorliegen-den Negativen eine einzigartige Do-kumentation des bäuerlichen Bau-kulturerbes in unserem Bundesland.

Die gleichzeitig erschienene umfang-reiche Publikation (Studien zur Kul-turgeschichte von Oberösterreich.Folge 21) des genannten Autors miteinem Umfang von rd. 780 Seiten undbeinahe 2.000 Fotos ermöglicht nun-mehr einen Überblick über das ge-samte Material, die Gehöfttypen undihre Verbreitung, Gehöfte in situ in ih-rer Gesamtheit, Gehöftteile, Fassa-den- und anderen Baudetails,Innenräume etc. erfasst (vgl. Abb.36). Kurzerläuterungen mit den imGlossar erklärten Begriffen zu ausge-wählten Bildern und ein ausführlichesLiteraturverzeichnis erschließen dasbäuerliche Kulturerbe in einem weite-ren Schritt.

2. Eine Spurensuche

2.1 Initiativen der Nachkriegs-zeit

In den Jahren nach 1945, in denen esmehr um das „Überleben“ als um über-geordnete Strategien („Wiederaufbaudurch Landesplanung“) und Grundla-genforschung ging, setzte Alfred Sig-hartner (1882-1965), oö. Landesbau-direktor von 1945 bis 1950, exempla-rische Initiativen für eine bewahrendeEntwicklung der oberösterreichischenLandschaft (vgl. u.a. die „Salzkam-mergutplanung“ zur Sicherung des„Rohstoffs Landschaft“ als erste Re-gionalplanung Österreichs), neue In-strumente bzw. Richtlinien für Raum-ordnung, Städtebau und Bauge-staltung.

Oberösterreichische BaufibelUnter dem Vorsitz von A. Sighartnerentwickelte eine „Arbeitsgemein-schaft“ der Oö. Landesbaudirektion,die mit Zustimmung der Oö. Landes-regierung dem damaligen Planungs-

verständnis entsprechend, einedifferenzierte Strategie für die Erstel-lung einer Baufibel in mehreren „Bau-steinen“ entwarf. „Die Grundfibel wärenach Ansicht der Arbeitsgemeinschaftin zwei Hauptteile zu gliedern, undzwar in einen ersten, der das ländli-che Bauen in Oberösterreich zum Ge-genstand hat, und in einen zweiten,der sich mit dem städtischen Bauenin Oberösterreich befassen soll. Dererste Hauptteil, das ländliche Bauenin Oberösterreich, soll wieder in zweiTeilen erscheinen, von denen der ers-te die bestehenden Formen des länd-lichen Bauens, also gewissermaßendessen historische Grundlagen undihren Werdegang darzustellen hätte,während der zweite Teil die Brückevon diesen Grundformen der Vergan-genheit zu den Bauerfordernissen derGegenwart und der Zukunft schlagenund den Bedürfnissen der freien Ent-wicklung der künftigen BaugestaltungRechnung tragen soll“ (Sighartner1949, S. 10). 1949 erschien RudolfHeckls erster Band der Oö. Baufibel

(„Grundformen des ländlichen Bau-ens“). Die Erstellung der übrigen ge-planten (nicht realisierten) Teile derBaufibel sollte als Gemeinschaftsar-beit unter besonderer Mitarbeit derfreischaffenden Architekten erfolgen.Sighartner betonte daher, dass „dieBaufibel kein Normenbuch, kein Dog-ma und keine Sammlung bindenderVorschriften baugestalterischer Artdarstellt, sondern dass sie nur Anre-gungen und Hinweise bieten will“.

Bildarchiv der Oö. Landesbaudi-rektionIn der Landesbaudirektion wurde par-allel dazu ein Bildarchiv als Hilfestel-lung für Lichtbildvorträge der Sach-verständigen eingerichtet, das sichauch auf das Bildmaterial und die Pu-blikation von R. Heckl stützte.

„Grundlagenforschung für dieLandesplanung“ und der Atlas vonOberösterreichA. Sighartner richtete eine Arbeits-gruppe zur Herausgabe eines Landes-atlas für Oberösterreich („Grundla-genforschung für die Landesplanung“)ein. Das erst 1955 gegründete Lan-desinstitut für Landeskunde brachte4 Berichtsbände und 67 Karten (Lei-tung: F. Pfeffer und E. Burgstaller.Kartographie: H. Maurer) heraus. Dieerste umfassende historisch-geogra-phische Darstellung der historischenOrts-, Flur- und Gehöftformen von A.Klaar war als Teil der „Grundlagenfor-schung für die Landesplanung“ einge-bettet in die anderen Atlasthemen wieNaturraum (Geologie, Morphologie,Gewässer, Klima, Pflanzendecke), Ur-und Frühgeschichte, Siedlung, Volks-kunde, Kunsttopographie, Bevölke-rungsentwicklung, Landwirtschaft,Industrie und Gewerbe, Verkehr etc.

2.2 Das Rudolf-Heckl-Fotoar-chiv ein Bestandteil desraumrelevanten Informati-onsangebotes des Oö.Raumordnungskatastersbzw. Oö. Kulturgüterinfor-mationssystems

Mit der Beschlussfassung des erstenOö. Raumordnungsgesetzes 1972 er-folgte eine grundlegende Neupositio-nierung der Raumordnung undLandschaftsgestaltung in Oberöster-reich. 1972 wurde daher auf dieserGesetzesgrundlage der Oö. Raumord-nungskataster als Instrument einerflächenbezogenen Grundlagenfor-schung eingerichtet. Im Teilbereich„Umfassender Kulturgüter- und Orts-bildkataster“ bzw. im späteren„Oö.Kulturgüterinformationssystem“war eine in Kooperation mit dem Oö.Landesmuseen erstellte Kopie des Fo-toarchivs von R. Heckl integriert. Inden Jahren 1972-1994 wurden z.B.im Rahmen der Auskunftstätigkeitund Datenweitergabe des Oö. Raum-ordnungskatasters rund 57.000 (weit-gehend analoge!) Daten- undMaterialausgaben an Raumplaner, Ar-

Abb. 38: Das Standardwerk von RudolfHeckl

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Seite 38 Nr. 09 / 2011

chitekten, Heimatforscher, Ge-meinden etc. getätigt.

2.3 Umfassende Kulturgüterkar-ten und die Dorferneuerung– Aktivitäten der Erwachse-nenbildung zur Dorferneue-rung

Im Zusammenhang mit einer vorbe-reitenden exemplarischen Gemeinde-planung bzw. einer dazu gehörigenGrundlagenforschung des Amtes derOö. Landesregierung für die Gemein-de Attersee wurde eine „umfassendeKulturgüterkarte“ erstellt, die Grund-lage in gleicher Weise für die Gemein-deplanungen und Erwachsenen-bildungsaktivitäten in Oberösterreichwar. Das topographische Inventar ent-hielt schützenswerte Ortsgebiete, En-sembles, Einzelobjekte und Um-gebungszonen und wurde bei derEuroparat-Ausstellung „Eine Zukunftfür unsere Vergangenheit – das bau-liche Erbe Europas“ (1975) in Ams-terdam und anderen europäischenHauptstädten gezeigt.

Erste Initiativen zur Dorferneue-rungDie ersten Dorferneuerungsinitiativenim heutigen Sinn wurden in Österreichvon Einrichtungen der Erwachsenen-bildung gesetzt. In Niederösterreichwurde 1977 vom Nö. Bildungs- undHeimatwerk die Aktion „Mein Dorf“gestartet. In der Steiermark wurde1974 imRahmendes steirischenVolks-bildungswerkes eine „Aktion Ortsidee“eingeleitet. Über besondere Förde-rung von Hofrat Dr. A. Schiffkorn, Lei-ter der Oö. Erwachsenenbildung, Prof.Dr. K. Dobler und von Dr. D. Assmannwurde im Rahmen des Oö. Volksbil-dungswerkes die „ProjektgruppeRaumordnung“ 1973 mit dem Anlie-gen „Schutz des kulturellen Erbes unddes Naturerbes“ gegründet (Grün-

dungstagung inder Oö. Landes-baudirektionam 15.6.1973).

PGRO – ErsteAktivitätenzur Dorfer-neuerung inOberöster-reichIn Vertiefungder „umfassen-denKulturgüter-karte Attersee“

wurde in den Jahren 1976/1977 fürden Weiler Abtsdorf/Attersee das ers-te Dorferneuerungskonzept in Ober-österreich von den Autoren G. Dimt,H. P. Jeschke und H. Spielhofer er-stellt. G. Dimt legte mit seinem Bei-trag zur Genese des Weilers Palmsdorfund der bauhistorischen Entwicklungder Mittertenn-Einhöfe die Basis fürGestaltungs- und Entwicklungsvor-schläge.

2.4 Bauernhöfe erhalten und ge-stalten – Pilotprojekt des Eu-roparates im Zuge der„Kampagne für den ländli-chen Raum“

Die europäische „Kampagne fürden ländlichen Raum“Der Europarat hat die feierliche Pro-klamation (11./12.6.1987 in Lissabon/ Portugal) für die „Kampagne für denländlichen Raum“ mit umfassendenZielvorstellungen (Bohner, 1986) ver-bunden, die schlagwortartig umrissensind mit:

• Sicherung von würdigen Exis-tenzbedingungen im ländlichenRaum durch zielgerechte Raum-ordnung und Nutzung der wirt-schaftlichen Ressourcen,

• Neuorientierung der Land- undForstwirtschaft, Neuorientierungder Wirtschaftspolitik im Hin-blick auf eine breitere Auffäche-rung der wirtschaftlichenLebensgrundlagen,

• Schutz der Umwelt,• Schutz der Kulturlandschaft unddes kulturellen sowie architekto-nischen Erbes bzw.

• Verbesserung der sozialen Pro-bleme im ländlichen Raum (Exis-tenzbedingungen der Frau,Probleme mit Jugendlichen undÄlteren).

Gunter Dimts Beschreibung der

Hauslandschaften in den Broschü-ren des Europapilotprojektes„Bauernhöfe erhalten und gestal-ten“Ausgehend von und in Weiterführungdes ersten Oö. Dorferneuerungskon-zeptes für die Ortschaft Palmsdorfwurde eine landesweite Konzeptionzur bewahrenden Erneuerung der Ge-höfte und Ortschaften entwickelt. Ins-gesamt wurden 30 Broschüren undMaterialien (darunter Broschüren fürjede Hauslandschaft Oberösterreichs)mit einer Gesamtverteilung von rund70.000 Stück erstellt. Das Konzeptwar Pilotprojekt des Europarates un-ter persönlicher Patronanz des Gene-ralsekretärs Dr. M. Franz Karasek unddes Verbandes der EuropäischenLandschaft (CEA). Die Raiffeisenzen-tral-Kasse Linz (Mag. Josef Almesber-ger) sorgte für die organisatorischeAbwicklung bzw. finanzielle Absiche-rung.In allen genannten Broschüren (Band1-8) beschreibt G. Dimt für jedeHauslandschaft die Gehöfttypen, Flur-und Ortsformen als ein Bezugspunktfür Gestaltungsmaßnahmen im Be-reich des Gehöfts und der jeweils ty-pischen Siedlungsformen. EineKurzdarstellung der persistenten Kul-turlandschaftselemente in der jewei-ligen Hauslandschaft unterstützt dasAnliegen einer bewahrenden Entwick-lung (Konzept: H. P. Jeschke). |

DI Hans-Peter Jeschke

Johannes-Kepler-Universität Linz

Fortsetzung und ausführliche Literaturliste in

Denkma[i]l Nr. 10

Abb. 39: Gezeichnete Ortsansicht von Palmsdorf

Abb. 40: Ein Band der vom Europaratgeförderten Reihe

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

Rekonstruktion – in Österreich (k)ein Thema?Zum neuen Buch von RobertSchediwy „Rekonstruktion – Wie-dergewonnenes Erbe oder nutz-loser Kitsch?“

Ganz anders als in Österreich scheintder Denkmalschutz in unserem Nach-barland Deutschland derzeit an einemThema nicht vorbeizukommen: derRekonstruktion historischer Gebäude.Die Frage, ob und wenn ja, wie weitder möglichst originalgetreueWiederaufbau vornehmlich imKrieg zerstörter Monumente wieden Stadtschlössern von Berlinund Potsdam möglich sein darf,wird mit einiger Heftigkeit ge-führt - und mittlerweile auch voneiner theoretischen Diskussionbegleitet. 2010 fand in Münchendie Ausstellung „Geschichte derRekonstruktion / Konstruktionder Geschichte“ statt, deren er-klärtes Ziel es war, den Horizontder Diskussion über die bekann-ten Anlassfälle hinaus räumlichund zeitlich zu erweitern und zuvertiefen. Der gewichtige Katalogdazu listet Beispiele aus allenZeiten und Kulturen auf, von derAntike bis zur Gegenwart, vonJapan bis Kanada, um die zuGrunde liegenden Motivationendifferenziert zu beleuchten. Das-selbe Ziel in kompakter Formverfolgt auch Robert Schediwysjüngst erschienene Publikation„Rekonstruktion – Wiedergewon-nenes Erbe oder nutzloserKitsch?“Aus dem reichen Material, daszum wesentlichen Teil der mitt-lerweile ungemein reichhaltigenInternet-Enzyklopädie Wikipedia ent-stammt, destilliert der Autor, selbstein erklärter Wikipedia-Beiträger und-Fürsprecher, einen lesenswerten Ein-stieg ins Thema, der den oft verein-facht und ideologisch vorgebrachtenGegensatz zwischen Rekonstruktions-befürwortern (und das sind in der Re-gel breite Schichten der Bevölkerung)und -gegnern (eine „Experten-Elite“von Architekten und Denkmalschüt-zern) weit hinter sich lässt. Diese Geg-nerschaft besteht erst seit gut hundertJahren, als sich in der Architekten-schaft eine ideologisierte Modernedurchsetzte und Denkmalschützer aufdas Dehio-Ideal vom „Konservieren,nicht restaurieren“ einigten. Zuvorwaren Rekonstruktionen bzw. die Ver-

vollständigung von historischen Mo-numenten alltäglicher und allgemeinakzeptierter Teil der Baupraxis – ihrverdanken wir die Fertigstellung desKölner Doms und der Rheinburgen,oder – um ein österreichisches Bei-spiel zu nennen – der Burg Liechten-stein bei Mödling.Auch nach den massiven Zerstörun-gen deutscher und österreichischer

Städte im Zweiten Weltkrieg beruhteder rekonstruierende Wiederaufbauder zerstörten Wahrzeichen zumin-dest in Österreich auf einem breitengesellschaftlichen Konsens. InDeutschland war die Situation vorran-gig aufgrund der Teilung des Landesund einer wesentlich höher ausge-prägten Ideologisierung komplexer.DresdensWiederaufbauetwaerstreck-te sich praktisch über 40 Jahre DDR(und lief in dieser Zeit parallel zu Plat-tenbau und Kirchenabrissen), er er-fuhr schließlich nach der Wende eineimposante Beschleunigung und zei-tigte mit dem Wiederaufbau der Frau-enkirche ein strahlendes Erfolgs-beispiel. Dieses Vorbild machte dieimmer noch bestehenden Lücken des

Krieges, aber auch das Unbehagenmit dem vielerorts gescheiterten Wie-deraufbau nach 1945 deutlich – aller-dings nur in Deutschland.Wie Robert Schediwy schreibt, warendagegen in Österreich bzw. Wien „dieentsprechenden Bedürfnisse […] inden Jahren bis 1955 gestillt“ (S. 169)Stephansdom, Staatsoper und Burg-theater standen wieder, und obwohlprächtige und prägende Gebäude(wie etwa die Wiener Großbahn-höfe) abgerissen wurden, so schi-en ihr Verlust doch keinekollektiven Phantomschmerzenauszulösen. Rekonstruktion vonGebäuden war – von der Ausnah-me des Wiener „Palais“ Schwar-zenbergplatz Nr. 3 abgesehen - inÖsterreich kein Thema. Und dochwürde es der Diskussion gut tun,dem Thema auch hierzulande zumehr Ansehen zu verhelfen. Nichtum Großprojekte wie in Dresdengeht es dabei, sondern um diesinnvolle Wiederherstellung be-schädigter Stadtbildsequenzen.Zu denken ist an Fassadengestal-tung, Dachformen, Ecklösungen,aber auch den Bereich der Stadt-möblierung. In diesen Bereichensollten Rekonstruktion des einsti-gen Zustandes zumindest eine le-gitime Lösung sein und nichtlänger verpönt bzw. von Behör-denseite unerwünscht sein. DerVerweis auf die viel weiter fortge-schrittene deutsche Diskussionkann da hilfreich sein. In Frank-furt am Main musste das ungelieb-te Technische Rathaus, ein Baudes Brutalismus der 1960er Jah-

re, fallen, um dem projektierten Wie-deraufbau im Krieg zerstörterAltstadthäuser Platz zu machen. Auchin Österreich kommen „Problemhäu-ser“ aus der Nachkriegszeit in die Jah-re. Werden diese zu Sanierungsfällen,so stellt sich früher oder später wohlauch hierzulande die Rekonstrukti-onsfrage. |

Mag. Wolfgang Burghart

Das Buch:Robert Schediwy: Rekonstruktion –Wiedergewonnenes Erbe oder nutzlo-ser Kitsch?Wien Berlin: Lit-Verlag 2011208 S., ISBN: 978-3-643-502629

Abb. 41: Cover des Buches von Robert Schediwy

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Steiermark – Graz: Denkmal-schutzaufhebung derFeldzeugamtskaserne

Der Denkmalschutz für die im 19. Jahr-hundert errichtete Grazer Feldzeug-amtskaserne in der Oeverseegasse 16wurde vor kurzem aufgehoben, wiedie Grazer Bürgerinitiative „Grazdenkt“ herausgefunden hat. Grunddafür war ein ohne Zustimmung desDenkmalamtes errichteter zweistöcki-ger Dachausbau, der dem Gebäudeseine künstlerische Aussagekraft ge-nommen hat. Die Bürgerinitiativefragt sich nun, ob in diesem Zusam-menhang nicht § 36 des Denkmal-schutzgesetzes greifen hätte können,nach dem eine Wiederherstellung desursprünglichen Zustandes auf Kostendes Denkmal-Zerstörers verfügt hät-te werden müssen.

Steiermark – Wagna / Flavia Sol-va: Wird Römersiedlung zuge-schüttet?

Einsparungsmaßnahmen des steiri-schen Universalmuseums Joanneumbedrohen den Fortbestand der Prä-sentation der in den 1980er Jahrenfreigelegten Reste der RömersiedlungFlavia Solva in Wagna (Bezirk Leib-niz), einer Außenstelle des Museums.Wie die „Kleine Zeitung“ am 7.9. be-

richtete, ist die Verschüttung der rö-mischen Ruinen geplant – zu kost-spielig wäre die notwendige konser-vatorische Behandlung der Mauern.Außerdem soll der Posten des Muse-umsbetreuers für den 2004 errichte-ten Schauraum eingespart werden.

Dagegen hat sich bereits beträchtli-cher Widerstand formiert: Aktuell isteine Nachdenkpause bis Frühjahrnächsten Jahres eingelegt. Bis dahinist vor allem die Frage der Finanzie-rung der notwendigen Konservie-rungsmaßnahmen zu lösen

Wien I – „Weltstadthaus Peek &Cloppenburg“ eröffnet

Die Kärntnerstraße hat recht drama-tisch ihr Gesicht verändert – dominie-rend thront auf Nr. 29-33 das kürzlicheröffnete „Weltstadthaus“ des Mode-

handelskonzerns Peek & Cloppenburg,errichtet nach Plänen von David Chip-perfield in dessen typischer reduziert-minimalistischer Formensprache.Die architektonische Qualität desBaus an sich steht außer Frage, pro-blematisch ist jedoch der gänzlich feh-lende, in der Projektbeschreibungallerdings noch behauptete Bezugzum umgebenden Stadtbild – immer-hin befinden wir uns mitten im UNES-CO-Weltkulturerebe der WienerAltstadt. Die unmaßstäblichen Propor-tionen der gleichförmigen riesigenFenster stehen im denkbar größtenKontrast zur umgebenden Gründer-zeit-Bebauung – Ergebnis auch der„notorischen behördlichen Ignoranzder historischen Bausubstanz gegen-über“, wie Andreas Lehne in einemGastkommentar in der Presse treffend

kurzmeldungen

Abb. 42: Die Feldzeugamtskaserne in Graz

Abb. 43: Der Wasserturm am WienerNordbahnhof

Abb. 44: Das neue Kaufhaus von „Peek& Cloppenburg“ in der Wiener KärntnerStraße 29-33

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Nr. 09 / Oktober-November 2011kurzmeldungen

bemerkt. Die Stadt Wien verstößt da-mit überdies gegen die von ihr selbstbehaupteten Grundsätze des „WienerMemorandums“ zu Neubautätigkeitenim Welterbegebiet. Ob mit dem Bauein zweites „Loos-Haus“ geschaffenwurde – auch solche Ansichten warenzu hören – oder doch nur der Inves-toren-Großmannsucht eine sensibleStelle der Wiener Altstadt geopfertwurde – die Zukunft wird es weisen.

Wien II – Dach des Nordbahn -Wasserturms eingestürzt

Über den denkmalgeschützten Was-serturm auf dem Wiener Nordbahn-hofgelände haben wir bereits inDenkma[i]l Nr. 6 kurz berichtet. Nunist am 3. September 2011 das Dachdes leer stehenden Bauwerks einge-stürzt, kurz nachdem die ÖBB mit Sa-nierungsarbeiten am Turm begonnenhatten. Nachdem das Dach bereitsvorher schwer beschädigt war und oh-nehin ersetzt werden hätte müssen,hält sich der Schaden in Grenzen.Allerdings ist der Vorfall Anlass, er-neut auf die ungeklärte Zukunft die-ses wichtigen technischen Denkmalshinzuweisen. Im Zuge der Aktualisie-rung des Leitbildes für die künftigestädtebauliche Entwicklung des Nord-bahnhofgeländes ist der Nutzung desWasserturmes besondere Aufmerk-samkeit zu widmen – zahlreiche An-rainer wünschen sich eine öffentlicheNutzung, eine Initiative der „GrünenLeopoldstadt“ unterstützt sie dabei.Denkmalschutzrechtliche Beachtungverdient wohl auch die nahe gelege-ne Eisenbahnbrücke am Verbindungs-bogen zwischen Nordbahn undHandelskai, deren Widerlager nochaus der Anfangszeit des Bahnhofesum 1840 stammen dürften und diesomit als eines der ältesten Eisen-bahndenkmäler in Österreich erhal-tenswert wäre.

Wien XXI – Neuaufstellung des„Festmarterls“ geplant

1995 wurde das sog. „Halterhaus“ inder Rußbergstraße 89 in Wien – Stre-bersdorf durch den Eigentümer, denSP-nahen „Verband Wiener Arbeiter-heime“ abgerissen. Das Biedermeier-haus war nicht geschützt, wohl aberder an die Hausmauer gesetzte Bild-stock. Teile wurden gerettet und ins

Floridsdorfer Bezirksmuseum ver-bracht. Das damals gegebene Ver-sprechen, den Bildstock wieder zuerrichten, wurde jedoch bis heutenicht umgesetzt. Bestrebungen, diesnachzuholen, haben in den letztenWochen an Gestalt gewonnen. DerBildstock müsste dabei als freistehen-

des Objekt rekonstruiert werden, dadas Grundstück nach dem Abriss desHauses bis heute unverbaut ist. Un-geklärt ist auch noch die Frage der Fi-nanzierung, möglich scheint eineBeteiligung durch den Altstadterhal-tungsfonds, aber auch Sponsorenwerden gesucht.

Abb. 45: Das Festmarterl an seinem derzeitigen Standort im BezirksmuseumStrebersdorf

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VereinspostEin Refugium vergangener Pracht

Das Haus in der Ölzeltgasse im drit-ten Wiener Gemeindebezirk atmet diebürgerliche Behaglichkeit des Spät-biedermeier im Übergang zur frühenGründerzeit. In schlichter Eleganzschwingt die Treppe halbkreisförmigempor. Umso überraschter ist der Be-sucher, wenn er das Atelier unsereslangjährigen Vereinsmitglieds Prof.Martin Kupf, betritt. Hier umfängt ihndie dekorative Pracht des Historismusim Makart-Stil. Wie kommt man aufdie Idee, eine einst „normale“ Woh-nung in eine museal wirkende Raum-folge, die nicht alltagstauglich scheint,zu verwandeln? Wer denSchöpfer dieser wundersamenWelt von Gestern kennt, weißBescheid. Seit vielen Jahrzehn-ten ist Prof. Kupf überall dortanzutreffen, wo Modernisie-rungs-Vanadalismus und Pro-fitgier gnadenlos niederreißenoder zumindest „entkernt“wird. Ob Kaminsimse, Tafelpar-ketten, Supraporten, Türrah-men, Lusterrosetten etc.,diesen stummen Zeugen einerschwelgerischen Epoche, dieUnverstand als Gerümpel ein-stufte, fanden bei ihm ein ret-tendes Refugium. Der Gedankelag nahe, sie nicht bloß zu la-gern, sondern ihnen wiederWirkung in einem würdevollenRahmen zu geben.Für die Ausgestaltung des Salons wa-ren Türflügel aus dem Palais Henckel-Donnersmarck (heute SAS Hotel,Parkring 14) im Stil des Neo-Rokokostilistisch maßgebend. Mehr noch alsdie neuvergoldeten Schnitzauflagender Türen wird der Raumeindruck vonwandfüllenden Landschaftsmalereienmit Schäfer- und Landschaftsszenenvon Raja Schwahn-Reichmann be-stimmt. Der Hausherr sorgte für dieApplizierung von Boiserien, Rahmen,Gesimsen und Decken, z.t. vergoldetund marmoriert.Türdrücker und Schlüsselschilderstammen aus dem abgebrochenen Pa-lais Vanderstraten in Hacking. Idealins Ensemble fügt sich ein vergolde-ter Neo-Rokoko-Konsolwandspiegelaus Familienbesitz ein.Mit dem bisher größten Aufwand schufProf. Kupf die Bibliothek. Eine nachhistorischen Vorbildern geschaffene

Kassettendecke und ein wandfüllen-der Bücherschrank ziehen als erstedie Blicke auf sich. Kaum zu glauben,dass die Nussintarsien, in WahrheitMarketerien auf Eichengrund, auf demComputer gezeichnet, gedruckt undauf Platten kaschiert wurden. Durchdie räumliche Distanz kann der Be-schauer sie kaum von echtem Mate-rial unterscheiden. Das Deckenbildvon Andreas Groll (1850 – 1907) zier-te einst den großen Restaurationssaaldes Café Hoffellner in der Felderer-straße beim Rathaus: Zwei Putten miteinem Fisch und einem weit gespann-

ten Segel. Ebenso ein Blickfang ist eingrüner Fayence-Kamin um 1880 ausdem Palais Henckel-Donnersmarck.Der Bücherschrank, ohne reales Vor-bild ebenfalls auf dem Computer ent-worfen, ist aus massiver Eiche,Pilaster und Türfüllungen des Unter-baues auch als gedruckte Marketerieausgeführt. Die korinthischen Pilas-terkapitelle nehmen Anleihe aus demRanftl-Zimmer des Künstlerhauses.Ins Auge sticht ferner eine eicherneTürumrahmung mit auf Konsolen ru-hender Giebelverdachung , ein wert-voller Überrest aus dem 1978demolierten Palais Frankel in der Ka-rolinengasse 6, sowie ein gipsernesSupraportenrelief aus dem einstigenSpeisesaal des Palais Henckel-Don-nersmarck. Eine von der Firma Back-hausen nach alten Vorlagen nach-gewebte Stofftapete in dunkelm Grünund Parketttafeln aus einem Abbruch-haus in der Laudongasse vollenden

den Gesamteindruck des Raumes.Selbst das straßenseitige Kabinett hatBesonderes zu bieten: ein neobaro-cker Kaminverbau aus weißem Mar-mor ist in der Enfilade angeordnet.Das Hochbett über der Gästegardero-be ist durch ein Geländer gesichert,dessen Stäbe aus der ehemaligenFreihaus-Kapelle auf der Wiedenstammen, der Handlauf aus einemMausoleum im jüdischen Teil des Zen-tralfriedhofs. Nicht sonderlich über-rascht ist der Besucher sodann vonder Küche in gründerzeitlicher Manier.Tisch, Wandbord mit weiß-blauen Kü-

chenfayencen, z.T. orna-mentierte Wandfliesenvom Dachboden desSchlosses Esterhazy in Ei-senstadt.Ein echtes Unikat ver-spricht das Vorzimmer zuwerden. Der Hausherr ar-beitet daran, den großzü-gigen Empfangsraum alsGlyptothek zu gestalten.Hier soll seine bedeuten-de Sammlung an Gipsbo-zetti aus dem Nachlassdes Bildhauers Otto König(1838 – 1920) Aufstellungfinden. Die Wandbretter,auf denen die verschiede-nen Figuren platziert wer-den, sollen auf Konsolen

ruhen. Ihre Herkunft ist mitunter sehrinteressant: eine war im Lehrmittel-saal im früheren Amerling-Gymnasi-um (ehem. Palais Kaunitz-Esterházy,Amerlingstraße 6), eine andere vomHaupgesims des Musikvereinssaales(bei Reparatur von Kriegsschäden üb-rig geblieben). Ein alter Garderoben-schrank verdeckt den Gaszähler, aufund über dem Schrank sollen Porträt-büsten Aufstellung finden, in dieSchranktüren werden diverse Archi-tekturstiche und -zeichnungen einge-lassen werden. Marmorierte Wändeund ein Plafond mit Greifen- und Ran-kenfries sollen dem Ganzen in nichtso ferner Zukunft einen würdigenRahmen geben.Beeindruckt verlässt der Besucherdieses Refugium eines längst verklun-genen Wien, zu dem die Hektik unse-rer technisierten Schablonenweltkeinen Zutritt hat. |

Dr. Edgard Haider

Abb. 46: Der Salon im Atelier von Prof. Kupf

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Nachrichten der Init iat ive Denkmalschutz – Nr. 09 / Oktober-November 2011

Donnerstag-Samstag, 12. bis 14. Jänner 2012Monumento Salzburg, 1. Fachmesse für DenkmalpflegeMit der publikumsoffenen Fachmesse „Monumento Salzburg“ (www.mo-numento.at) wird eine internationale Plattform für Denkmalpflege, Denk-malschutz, Restaurierung und Bodendenkmalpflege in Österreichgeschaffen. Das Motto der erstmals stattfindenden Messe, die hinkünf-tig im 2-Jahres-Rhythmus abgehalten wird, lautet „Emotion & Material“.Als Schwerpunktthema wurde für 2012 das Thema „Holz“ gewählt.

Freitag, 20. Jänner 2012Baustellenführung durch das Winterpalais des Prinzen EugenMit dem 1697 errichteten Winterpalais des Prinzen Eugen hat das Finanz-ministerium einen Sitz mit langer Tradition. Das 1752 von Maria There-sia erworbene Palais war nach einigen Adaptierungen zuerst der Sitz derMünz- und Bergbehörde und seit 1848 das k. k. Finanzministerium. Nunist eine Generalsanierung des Finanzministeriums um ca. 80 Mio. Euroerforderlich. Dipl. Ing. Wolfgang Brenner wird uns als einer der verant-wortlichen Architekten durch die Baustelle führen.Ort: Himmelpfortgasse 8, 1010 Wien, Zeit: 15:30 UhrAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8,- Euro

Sonntag, 12. Feburar 2012Führung durch das ParlamentAnmeldung erforderlich. Genaue Details werden noch unterhttp://idms.at bekannt gegeben.

Samstag, 18. Februar 2012Kaiser Franz Joseph Kavallerie-KaserneBesichtigung der von 1901 bis 1903 errichteten Kaiser Franz JosephKavallerie-Kaserne in Wien-Breitensee. Sie ist die erste WienerKasernenanlage im Stil der "Moderne" und hat die letzten 100 Jahrenahezu unversehrt "überlebt", doch nun gilt sie als Verkaufskandidat desBundesheeres. Dr. Christa Veigl, Expertin für Architekturgeschichte um1900 wird uns durch das beeindruckende Ensemble aus Stallungen,Reitschulen, Hufbeschlagsschmiede, Stabsgebäude, Mannschafts- undOffizierswohngebäuden sowie Remisen führen und auf die Besonderheitendieser einzigartigen Anlage hinweisen.Treffpunkt: 10 Uhr, Gottfried-Alber-Gasse, Ecke Leyserstraße, 1140 WienAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8.- Euro

Samstag, 24. März 2012Das Wiener Arsenal, ein Frühlingsspaziergang: Vom architektonischherausragenden Militärkomplex der Monarchie zum mulitfunktionalenStadtteil der Gegenwart. Dauer ca. 2 Stunden. Es führt Dr. Franz J. Ma-ringer vom Verein Initiative Arsenal (www.vi-arsenal.at).Treffpunkt: 10 Uhr, Innenhof des Objekts 1, Eingang Ghegastra-ße/Schweizergartenstraße, 1030 (Autobuslinie 69A, Station "Arsenal").Anmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8.- Euro

Samstag, 14. April 2012Vollversammlung der Initiative Denkmalschutz im Festsaal des Pa-lais Klein, einem historistischen Ringstraßenpalais von Carl Tietz, unterEinfluss von Theophil Hansen). Die Fassade wurde 2010-11 in ihrer al-ten Farbenpracht wiederhergestellt. Vor der Vollversammlung Vortragüber das Palais Klein von Frau Mag. Ines Müller (Restauratorin/Kunst-historikerin), die bei der Restaurierung maßgeblich mitarbeitete und sichmit der Geschichte des Hauses und seines Architekten beschäftigt hat.Ort: Dr.-Karl-Lueger-Platz 2 (Prunkstiege in der Einfahrt links, 1. Stock),1010 Wien (U3-Station "Stubentor")Zeit: 10 Uhr, Vortrag; ab 10:30 Uhr Vollversammlung

Veranstaltungen / Termine

Abb. 47: Monumento Salzburg - 12.-14.1.2012

Abb. 48: Finanzministerium - 20.1.2012

Abb. 50: Kaiser-Franz-Joseph-Kaserne - 18.2.2012

Abb. 51: Wiener Arsenal - 24.3.2012

Abb. 49: Parlament - 12.2.2012

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Nr. 09 / 2011

Nr. 09 / Oktober-Dezember 2011

Samstag, 5. Mai 2012Tageswanderung entlang der SemmeringbahnDr. Günter Dinhobl hat sich als Autor von Büchern und Aufsätzen überdie Geschichte der Semmeringbahn umfangreiches Wissen über diesevon der UNESCO ausgezeichneten Bahnlinie angeeignet. Er wird uns ent-lang dem Bahnwanderweg vorbei an Aussichtspunkten, Viadukten undanderen Bahnbauten zwischen Payerbach und Semmering führen.Anmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 15.- Euro.Treffpunkt: 9:15 Uhr, Bahnhof SemmeringAnreise: individuell bzw. per Bahn ab Wien-Meidling (8:02 Uhr)

Samstag, 19. Mai 2012"Am Steinhof" - Begegnung mit der "Moderne"Dr. Mara Reissberger, als Kunsthistorikerin Spezialistin für die Zeit um1900, führt uns durch Steinhof, der größten und modernsten Heil- undPflegeanstalt für Geisteskranke seiner Zeit.Treffpunkt: 14:45 Uhr, Otto-Wagner-Spital, Haupteingang, Baumgart-ner Höhe 1, 1140 Wien (Autobus 48A, Station "Otto-Wagner-Spital")Anmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8.- Euro

Samstag, 8. September 2012Wiener NaschmarktDer Wiener Naschmarkt ist nicht nur der traditionsreichsteViktualienmarkt der Stadt, sondern ebenso beliebter "Spielplatz"abenteuerlicher Spekulationen. Richard Weihs, Künstler und engagierterBürger dieser Stadt, weiß um die vielen "Angriffe" auf den Markt, die erzum Teil mit Erfolg abwenden konnte. Doch was von dem einstmalsweltstädtischen Flair dieses Viertels der Wienzeile noch erhalten gebliebenist, wird er uns bei einem Spaziergang durch`s Grätzel zeigen, Mutationeninklusive.Treffpunkt: 10 Uhr, Vis á vis Haupteingang U4-Station Kettenbrücken-gasse, 1060 WienAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8.- Euro

MITGLIEDERTREFFEN23. Jänner, 5. März, 23. April und 4. Juni 2012Zeit: ab 18:30 Uhr (jeweils Montag) – Auch Nichtmitglieder sind herz-lich willkommen!Ort (wenn nicht anders angegeben): Gasthaus „Zur Reblaus“ (im Hofhinten), Obere Augartenstraße 72, 1020 Wien (U2-Station Taborstraße,Ausgang Taborstraße)

Hinweise:Die Teilnahme an Veranstaltungen ist (falls nicht anders angegeben) nurMitgliedern möglich, für Neumitglieder ist die erste Führung gratis!Bei Mitgliedertreffen sind Gäste und Interessenten immer willkommen.Allfällige Änderungen und nähere Informationen werden rechtzeitig perNewsletter (e-Mail) und auf http://idms.at bekannt gegeben.

Fortsetzung von Seite 43

Veranstaltungen / Termine

Abb. 52: Palais Klein - 14.4.2012

Abb. 54: Am Steinhof - 19.5.2012

Abb. 53: Semmeringbahn - 5.5.2012

Abb. 55: Wiener Naschmarkt - 8.9.2012

http://www.idms.at