Neue Funktionen für glasige Oberflächen

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_____ Da glasige Oberflächen, insbeson- dere Emails, keramische Glasuren und Glas, nicht immer die gewünschten Oberflächeneigenschaften aufweisen ist häufig eine zusätzliche Behandlung der Oberfläche erforderlich. Diese kann mittels CVD- (Chemical Vapour Deposi- tion), PVD- (Physical Vapour Deposition) oder Sol-Gel-Beschichtung erfolgen. Ins- besondere die Sol-Gel-Beschichtung bie- tet vielfältige Möglichkeiten für Obeflä- chen mit speziellen Funktionen. Ein Graffiti-Sprayer ist schnell ent- mutigt, wenn er versucht, seine Kunst- werke zum Beispiel auf Keramik oder Naturstein aufzutragen, welche mit Hilfe eines organisch modifizierten SiO 2- Gels hydrophobiert wurden. Auf der behandelten Oberfläche ziehen sich die Farben zusammen, so dass eine Zeich- nung nicht möglich ist. Die Hydropho- bierung vereinfacht auch die Reinigung der beschmutzten Oberflächen. Emailoberflächen weisen nach der Beschichtung mit einem SiO2-Gel einen erheblich höheren Säurewiderstand auf. Auf Glas führt die SiO2-Gel-Schicht mit Nanosilber-Partikeln zu antibakteriel- len Eigenschaften. Und auf einer Glas- scheibe oder einem Spiegel vermeidet eine TiO2-Sol-Gel-Schicht das Beschla- gen (Anti-Fogging). TiO2-basierte Sol- Gel-Schichten können in bestimmten Fällen einen selbst reinigenden Effekt durch Photokatalyse aufweisen. Email- lierte Oberflächen, die mit einem orga- 68 JOT 11.2006 dünne schichten Die Sol-Gel-Technologie ermöglicht es, glasige Oberflächen mit spezifischen funktionellen Eigenschaften auszustatten. Sol-Gel-Schichten auf Emaillierungen können zum Beispiel die Kratz- und Abriebbeständigkeit deutlich erhöhen. Auch dauerhafte Anti-Haft-Eigenschaften sind einstellbar. Chemische Nanotechnologie Neue Funktionen für glasige Oberflächen Das Sol-Gel-Verfahren Das Sol-Gel-Verfahren beinhaltet die Umwandlung von molekularen oder kolloidalen Ausgangssubstanzen in einem Lösemittel (Sol) zu einem polymeren Netzwerk (Gel). Das Sol besteht meist aus siliciumorganischen Verbindungen, die unter dem Einfluss von Wasser und Katalysator zuerst hydrolysieren und danach zu immer größeren Aggregaten kondensieren, bis alle gelösten Monomere in einem amorphen Polymer vernetzt vorliegen. Der Ablauf dieser Reaktionen ist im Allgemeinen sehr komplex und von zahlreichen Parametern abhängig, zum Beispiel: _ Typ und Konzentration der Ausgangssubstanzen _ Katalysator (Säure/Base) _ pH-Wert _ Lösemittel _ Temperatur _ Zusätze Die Haftung der Sol-Gel-Schichten auf einer glasigen Oberfläche basiert auf chemi- schen Bindungen und ist auf die Anwesenheit von OH-Gruppen auf der Oberfläche zurückzuführen. Das heißt: je hydrophiler eine glasige Oberfläche ist, desto stärker ist die Haftung auf dieser Oberfläche. Die Applikationsmöglichkeiten der Sol-Gel-Schichten sind sehr vielfältig; sie können durch: _ Sprühen, _ Tauchen, _ Fluten, _ Aufwalzen _ und Siebdruck aufgetragen werden. In Abhängigkeit mit der gewählten Auftragsmethode werden von dem Produkt 10 bis 15 ml/m 2 aufgetragen. Die nano-teiligen Additive können organischer oder mineralischer Natur sein. Im Fall organischer Substanzen spricht man von hybriden Materialien. Die „Porosität“ der Gele ist sehr wichtig. Gele können in ihren Zwischenräumen bestimmte nano-teilige Additive aufnehmen, die chemisch oder physikalisch mit dem Gel verbunden sind und so das „Gel“ verändern.Die Sol-Gel- Schichten können verdichtet werden durch einfache thermische Behandlung (400-500 °C), auch „annealing“ genannt.

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_____ Da glasige Oberflächen, insbeson-dere Emails, keramische Glasuren undGlas, nicht immer die gewünschtenOberflächeneigenschaften aufweisen isthäufig eine zusätzliche Behandlung derOberfläche erforderlich. Diese kannmittels CVD- (Chemical Vapour Deposi-tion), PVD- (Physical Vapour Deposition)oder Sol-Gel-Beschichtung erfolgen. Ins-besondere die Sol-Gel-Beschichtung bie-tet vielfältige Möglichkeiten für Obeflä-chen mit speziellen Funktionen.

Ein Graffiti-Sprayer ist schnell ent-mutigt, wenn er versucht, seine Kunst-werke zum Beispiel auf Keramik oderNaturstein aufzutragen, welche mit Hilfe eines organisch modifizierten SiO2-Gels hydrophobiert wurden. Auf derbehandelten Oberfläche ziehen sich dieFarben zusammen, so dass eine Zeich-nung nicht möglich ist. Die Hydropho-bierung vereinfacht auch die Reinigungder beschmutzten Oberflächen.

Emailoberflächen weisen nach derBeschichtung mit einem SiO2-Gel einenerheblich höheren Säurewiderstand auf.Auf Glas führt die SiO2-Gel-Schicht mitNanosilber-Partikeln zu antibakteriel-len Eigenschaften. Und auf einer Glas-scheibe oder einem Spiegel vermeideteine TiO2-Sol-Gel-Schicht das Beschla-gen (Anti-Fogging). TiO2-basierte Sol-Gel-Schichten können in bestimmtenFällen einen selbst reinigenden Effektdurch Photokatalyse aufweisen. Email-lierte Oberflächen, die mit einem orga-

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dünne schichten

Die Sol-Gel-Technologie ermöglicht es, glasige Oberflächen mit spezifischenfunktionellen Eigenschaften auszustatten. Sol-Gel-Schichten auf Emaillierungenkönnen zum Beispiel die Kratz- und Abriebbeständigkeit deutlich erhöhen. Auch dauerhafte Anti-Haft-Eigenschaften sind einstellbar.

Chemische Nanotechnologie

Neue Funktionen für glasige Oberflächen

Das Sol-Gel-Verfahren

Das Sol-Gel-Verfahren beinhaltet die Umwandlung von molekularen oder kolloidalenAusgangssubstanzen in einem Lösemittel (Sol) zu einem polymeren Netzwerk (Gel).Das Sol besteht meist aus siliciumorganischen Verbindungen, die unter dem Einfluss von Wasser und Katalysator zuerst hydrolysieren und danach zu immer größeren Aggregaten kondensieren, bis alle gelösten Monomere in einem amorphenPolymer vernetzt vorliegen.Der Ablauf dieser Reaktionen ist im Allgemeinen sehr komplex und von zahlreichenParametern abhängig, zum Beispiel:_ Typ und Konzentration der Ausgangssubstanzen_ Katalysator (Säure/Base)_ pH-Wert_ Lösemittel_ Temperatur_ Zusätze

Die Haftung der Sol-Gel-Schichten auf einer glasigen Oberfläche basiert auf chemi-schen Bindungen und ist auf die Anwesenheit von OH-Gruppen auf der Oberflächezurückzuführen. Das heißt: je hydrophiler eine glasige Oberfläche ist, desto stärkerist die Haftung auf dieser Oberfläche. Die Applikationsmöglichkeiten der Sol-Gel-Schichten sind sehr vielfältig; sie könnendurch:_ Sprühen,_ Tauchen,_ Fluten,_ Aufwalzen_ und Siebdruckaufgetragen werden.In Abhängigkeit mit der gewählten Auftragsmethode werden von dem Produkt 10bis 15 ml/m2 aufgetragen. Die nano-teiligen Additive können organischer odermineralischer Natur sein. Im Fall organischer Substanzen spricht man von hybridenMaterialien. Die „Porosität“ der Gele ist sehr wichtig. Gele können in ihrenZwischenräumen bestimmte nano-teilige Additive aufnehmen, die chemisch oderphysikalisch mit dem Gel verbunden sind und so das „Gel“ verändern.Die Sol-Gel-Schichten können verdichtet werden durch einfache thermische Behandlung (400-500 °C), auch „annealing“ genannt.

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nisch modifizierten SiO2-Gel beschichtetwurden, sind leicht zu reinigen. In die-sem Fall liegt eine hybride Sol-Gel-Schicht (mineralisch/organisch) vor.Mit Hilfe von nanometrischen Pigmen-ten modifizierte Sol-Gel-Schichten er-möglichen die Entwicklung transparen-ter Farben (Majolika-Effekt).

Hervorragende Easy-to-clean-Eigenschaften

Bei NanoClean handelt es sich um einmodifiziertes SiO2-Gel, dessen aktiveKomponenten sich während der Poly-merisationsphase ausrichten. Dadurcherhält NanoClean seine hervorragendeEasy-to-clean-Eigenschaft und eine sehrhohe Abriebbeständigkeit.

NanoClean bewirkt folgende Ände-rungen der Oberflächeneigenschaften:_ die hydrophile Oberfläche wird

hydrophob/oliophob,_ die Oberflächenenergie wird

reduziert und_ die glatte Oberfläche wird nano-rau.

Diese Änderungen bewirken, dass diean der glasigen Oberfläche befindlichenOH--Gruppen mit den Schmutzrückstän-den reagieren und zu einem fest anhaf-tenden Belag führen. Die OH--Gruppenreagieren zudem mit der Sol-Gel-Schicht,die alle vorhandenen OH--Gruppen bin-det und damit eine Barriere gegen Rück-standsbelag darstellt (Easy-to-clean-Effekt). Die Nano-Rauigkeit ist wedersichtbar noch tastbar.

Wichtigstes Kriterium für eine Easy-to-clean-Oberfläche ist deren Hydrophobieund Oleophobie. Die Qualität der Schich-ten lässt sich mit Hilfe des Kontaktwin-kels, gemessen an einem Wasser- undeinem Hexadecantropfen, aufzeigen.

Vor dem Auftrag muss die glasigeOberfläche sauber, also frei von Staub,Fett und Fingerabdrücken sein. Die Rei-nigung kann erfolgen durch _ Aufreiben mit einem mit Sol-Gel-

Lösung imprägnierten Tuch_ Tauchen_ Aerosol-Sprühen_ Roller-Coating oder _ Siebdruck.

¯ Mit Hilfe von nanometrischen Pig-menten modifizierte Sol-Gel-Schich-ten ermöglichen die Entwicklungtransparenter Farben, zum Beispielfür die Farbgebung von Gläsern

˚ So funktioniert die NanoClean-Schicht

˚ Herstellung und Eigenschaften einer NanoClean-Schicht

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Nachteilig zu werten sind die be-schränkten mechanischen Eigenschaf-ten durch die nanometrische Schicht-dicke sowie die erforderliche gründlicheVorreinigung.

Dennoch zählt die Sol-Gel-Technolo-gie zu den interessanten und zukunfts-gerichteten Verfahren, um glasige Ober-flächen und insbesondere Emails mitspezifischen funktionellen Eigenschaf-ten auszustatten. NanoClean illustriertdieses sehr gut durch die Umwandlungeiner einfachen Emailoberfläche in eineleicht zu reinigende Oberfläche. _____|

dabei jedoch keine Spuren auf derOberfläche. Sie kann zudem einfachwieder regeneriert werden.

_ optisch neutral (Schichtdicken unter 20 nm)

_ umweltfreundlich_ physiologisch unbedenklich (FDA-

Zertifikat).

Schlussfolgerungen

Wie alle anderen Schichten auf demMarkt, weisen die Sol-Gel-Schichten Vor-teile und Nachteile auf. Wesentliche Vor-teile sind die zahlreichen Möglichkeitender Funktionalisierung von Oberflächen– der einfache Auftrag der Beschichtung,der geringe Energieverbraucht für dasAushärten und die Möglichkeit zurRegeneration der Beschichtung.

Die anschließende Polymerisation er-folgt in zwei Schritten:_ Anfangspolymerisation: 10 Minuten

bei Raumtemperatur oder 2 Minutenbei 80 °C

_ Endpolymerisation: nach 24 Stunden

Eine Nachreinigung ist nur selten nötigund abhängig von den gewählten Auf-tragsverfahren und -bedingungen.

Zur Beurteilung der Beschichtungwird der Easy-to-Clean-Test/AHAM-Testherangezogen. Es handelt sich dabei umeinen Test aus den VS, der wie alle Easy-to-Clean-Tests nur in Bezug auf seineTeilsubjektivität in der Beurteilung derErgebnisse anfechtbar ist.

Bei dem Test wird auf einer email-lierten Oberfläche eine Mischung vonneun Nahrungsmitteln angebacken.Anschließend wird durch definierte Rei-nigungsvorgänge geprüft, ob sich dieRückstände entfernen lassen. Untersu-chungen haben ergeben, dass die Sol-Gel-NanoClean-Schicht in Bezug auf dieReinigungseigenschaften vergleichbarmit einer PTFE-Schicht ist, allerdingsmit dem großen Unterschied, dass siedurch Küchengeschirr nicht beschädigtwerden kann.

Eine NanoClean-Schicht ändert dieEigenschaften der glasigen Substratenicht; sie kann jedoch seine bestehen-den Eigenschaften verbessern oderzusätzliche Eigenschaften hervorrufen.Mit NanoClean beschichtete Oberflächenbesitzen folgende Eigenschaften:_ hohe Kratz- und Abrieb-Beständig-

keit (Hydrophobie-Verlust von 1 bis2 % nach 10 000 Schraubzyklen).

_ Verbesserung der Säure-Beständig-keit

_ mittlere Alkali-Beständigkeit_ gute UV-Beständigkeit_ gute Anti-Haft-Eigenschaften durch

einen hohen Hydrophobie- und Olio-phobie-Grad.

Darüber hinaus sind NanoClean-Beschichtungen_ temperaturbeständig bis maximal

300 °C. Bei höheren Temperaturenwird die Schicht zerstört, hinterlässt

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Der Autor:

Christian Schlegel, Pemco Brugge BVBA, B-Brugge,

Tel. +32 50 456532,[email protected],

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Jousten, Karl (Hrsg.)

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9., überarb. u. erw. Aufl. 2006.XXVI, 854 S. Mit 569 Abb. u. 109 Tab. Geb. EUR 69,90

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