Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5...

20
BERICHTE DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT DER OBERLAUSITZ Band 26 Görlitz 2018 Seite 133–151 133 Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 Zusammengestellt von OLAF TIETZ GEOLOGIE Ein temporärer Quartär-Aufschluss in der Neiße-Mittelterrasse am Mühlweg 15 in Görlitz (Von Olaf Tietz, Görlitz, [email protected]; Manuskripteingang 4.12.2017) Im Zuge der Erneuerung der Trink- und Abwas- serleitungen der Stadt Görlitz entstanden im August 2017 mehrere Baugruben im und west- lich des großen und kleinen Stadtparks. Eine der Baugruben befand sich im Straßenbereich am Mühlweg 15, ca. 15–20 m nordwestlich der Straßengabelung zum Grundstück Mühlweg 6 bzw. 70 m nordwestlich der Einmündung des Mühlweges in die Dr.-Kahlbaum-Allee (Gauß- Krüger Koordinaten, Deutsches Netz, Potsdam Datum: RW 5499721, HW 5668217). Am 10. und 11.8.17 konnte an der Nordost-Böschung der fast 2 m tiefen Baugrube unter einer 0,85 bis 1,2 m mächtigen Auffülle ein 1,05 m mächtiges und ungestörtes Sediment-Profil der Neiße-Mit- telterrasse aufgenommen werden (Abb. 1). Bei den Ablagerungen handelt es sich überwiegend um fein- bis grobkörnige Sande, denen schluf- fige Lagen oder Linsen eingeschaltet sind. Die Sandlagen wechseln im dm-Bereich, wohin- gegen die meist feinsandigen und dunkleren Schluffeinschaltungen nur 1–5 cm mächtig sind. Lediglich an der Basis einer 27 cm mächtigen Sandlage traten Grobsande mit vielen Feinkies- und einigen Mittelkiesgeröllen auf (Proben- punkt in Abb. 1). Diese Schicht, wie die darüber folgende, weist eine deutliche positive Gradie- rung auf, d.h. die Korngrößen werden von unten nach oben kontinuierlich kleiner. Zwei Schich- ten höher ist im Profil eine auffällig intensiv rostbraun gefärbte Mittelsandschicht einge- schaltet, die an der Unterseite deutliche, gravita- tiv bedingte Belastungsmarken zeigt (Abb. 1, 2). Die Geröllanalyse an zwei Proben der Fraktion 6,3–10 mm vom Probenpunkt (s. Abb. 1) ergab, Abb. 1: Geologisches Profil des Baugrubenanschnies im Straßenbereich am Mühlweg 15 in Görlitz mit Probennahmepunkt. Dokumentaon O. Tietz vom 10.8.17 © Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V. http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de ISSN 0941-0627

Transcript of Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5...

Page 1: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

BERICHTE DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT DER OBERLAUSITZ

Band 26 Görlitz 2018 Seite 133–151

133

Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017

Zusammengestellt von OLAF TIETZ

GEOLOGIE

Ein temporärer Quartär-Aufschluss in der Neiße-Mittelterrasse am Mühlweg 15 in Görlitz

(Von Olaf Tietz, Görlitz, [email protected]; Manuskripteingang 4.12.2017)

Im Zuge der Erneuerung der Trink- und Abwas-serleitungen der Stadt Görlitz entstanden im August 2017 mehrere Baugruben im und west-lich des großen und kleinen Stadtparks. Eine der Baugruben befand sich im Straßenbereich am Mühlweg 15, ca. 15–20 m nordwestlich der Straßengabelung zum Grundstück Mühlweg 6 bzw. 70 m nordwestlich der Einmündung des Mühlweges in die Dr.-Kahlbaum-Allee (Gauß-Krüger Koordinaten, Deutsches Netz, Potsdam Datum: RW 5499721, HW 5668217). Am 10. und 11.8.17 konnte an der Nordost-Böschung der fast 2 m tiefen Baugrube unter einer 0,85 bis 1,2 m mächtigen Auffülle ein 1,05 m mächtiges und ungestörtes Sediment-Profil der Neiße-Mit-telterrasse aufgenommen werden (Abb. 1). Bei den Ablagerungen handelt es sich überwiegend um fein- bis grobkörnige Sande, denen schluf-fige Lagen oder Linsen eingeschaltet sind. Die Sandlagen wechseln im dm-Bereich, wohin-gegen die meist feinsandigen und dunkleren Schluffeinschaltungen nur 1–5 cm mächtig sind. Lediglich an der Basis einer 27 cm mächtigen Sandlage traten Grobsande mit vielen Feinkies- und einigen Mittelkiesgeröllen auf (Proben-punkt in Abb. 1). Diese Schicht, wie die darüber folgende, weist eine deutliche positive Gradie-rung auf, d.h. die Korngrößen werden von unten nach oben kontinuierlich kleiner. Zwei Schich-ten höher ist im Profil eine auffällig intensiv rostbraun gefärbte Mittelsandschicht einge-

schaltet, die an der Unterseite deutliche, gravita-tiv bedingte Belastungsmarken zeigt (Abb. 1, 2).Die Geröllanalyse an zwei Proben der Fraktion 6,3–10 mm vom Probenpunkt (s. Abb. 1) ergab,

Abb. 1: Geologisches Profil des Baugrubenanschnittes im Straßenbereich am Mühlweg 15 in Görlitz mit Probennahmepunkt. Dokumentation O. Tietz vom 10.8.17

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 2: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

134

dass die Kiesfraktion 4 % bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert, denn Präger (1976a, S. 26) und Steding et al. (1991) geben für Neiße-schotter dieser Fraktion Feldspatgehalte von 17,9–36,6 %, im Durchschnitt 26,5 % (n = 8) an. Allerdings existiert auch eine Analyse 1 km südlich von Leuba, die nur 4 % Feldspat aufweist (Steding 1973; Tab. 1). Die Neiße-Feldspäte sind i.d.R. rosafarbig und besitzen eine Pertitstruktur (weiße parallele Albitla-mellen). Sie stammen vom Iser- und Riesenge-birgsgranit und stellen das charakteristischste Leitgeröll für fossile Neiße-Ablagerungen dar, da sie in allen anderen fossilen Flussablagerun-gen der Lausitz fehlen. Von neun Feldspäten waren nur vier Gerölle schwach rötlich, alle anderen hellgrau gefärbt. Allerdings zeigen viele Feldspäte eine deutliche Pertitstruktur, was sie als typische Riesengebirgsfeldspäte

ausweist, wahrscheinlich liegen sekundäre Farbbleichungen, z. B. durch Kaolinisierungs-prozesse vor. Nach den geologischen Karten (Steding 1973, 1998) beginnt ca. 100 m östlich des Untersuchungsgebietes die Verbreitung der Tieferen Neiße-Mittelterrasse (Früh-Saale-Kaltzeit, ca. 300.000 Jahre), die große Gebiete des kleinen und großen Stadtparkes von Görlitz einnimmt. Für das Untersuchungs-gebiet selbst ist in den Karten Biotitgranodi-orit eingetragen, was aber aufgrund der Aufschluss verhältnisse im Stadtgebiet und des Kartenmaßstabes im Toleranzbereich liegt. Die höchsten Erhebungen der Neiße-Terras-sen-Ablagerungen erreichen im Stadtpark zwi-schen Schützenweg und Dr.-Kahlbaum-Allee 203 m ü. NHN (alle Höhen ermittelt nach dem GIS-Geoportal des Landkreises Görlitz: http://gis-lkgr.de/(S(sikatf0xlmbx0twhjtgvyx2i))/lragr.aspx). Präger (1976b, S. 172) gibt für

Tab. 1: Modale Geröllanalyse einer grobsandig-feinkiesigen Basislage aus der Tieferen Neiße-Mittelterrasse vom Mühlweg 15 in Görlitz im Vergleich mit einer Probe aus der nördlichen Kopfböschung des Tagebaues Berzdorf (Steding et al. 1991) und zwei Proben aus Kies-Sandgruben südlich Leuba (Steding 1973). MT = Tiefere Mittelterrasse, Ki-Ho-Ko = Kieselschiefer-Hornstein-Konglomerat.

Görlitz, Mühlweg 15Berzdorf (Steding et al. 1991)

Leuba (Steding 1973)

17/08/10-1 17/08/11-1 17/08/10+11-1 Neiße-MT Neiße-MT (N)

Neiße-MT (S)

Anzahl  % Anzahl  % Anzahl  %  %  % %

Quarz (inkl. Quarz-Brekzie) 31 58 98 65 129 64

35,7 44,0 52,0 Quarz, polykristallin 2 4 9 6 11 5

Feldspat 2 4 7 5 9 4 28,8 24,0 4,0

Granitoide, rot 1 2 1 1 2 1 10,7

19,0 26,0 Granitoide, grau 4 8 7 5 11 5 6,8

Vulkanite 0 0 2 1 2 1 0,8

Schiefer, diverse 5 9 10 7 15 7 13,0

10,0 10,0 Sandstein, verkieselt 2 4 0 0 2 1 2,3

Feuerstein 1 2 5 3 6 3 0,2 1,0 1,0

Kieselschiefer + Ki-Ho-Ko 5 9 11 7 16 8 1,5 1,0 2,0

Nord. Granit/Sonstige 0 0 0 0 0 0 0,2 1,0 5,0

gesamt 53 100 150 100 203 100 100,0 100,0 100,0

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 3: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

135

die drenthezeitliche (= frühsaalezeitliche) Neiße-Mittelter rasse generelle Mächtigkeiten von 12–20 m an, nach Steding (1973) betra-gen sie am Nord rand von Görlitz im Bereich Hirschwinkel-Königshufen-Klingewalde 5 m, 9 m bzw. > 8 m und nach Steding et al. (1991) südlich Görlitz im Bereich des Tagebaues Berzdorf 10–15 m. Damit kann die Basis der Terrasse im Bereich des Stadtparkes Görlitz zwischen 188 m und 198 m ü. NHN tief rei-chen. Das bestätigt auch der tiefste Ausbiss der Neißeschotter nach Steding (1998) im Stra-ßenbereich bei der Parkstraße 1 mit einer Höhe von 188,5 m NHN. Das am Mühlweg 15 unter-suchte Profil liegt zwischen 195,5 und 196,5 m ü. NHN und damit im mittleren Bereich der Tieferen Neiße-Mittelterrasse. Diese stra-tigraphische Zuordnung ist daher auch für das beschriebene Sedimentprofil die wahr-scheinlichste. Die niedrigen Feldspatgehalte können eventuell dadurch erklärt werden, dass im Untersuchungsraum ein lokaler west-licher Zufluss der Ur-Neiße die Neißefluss-ablagerungen verdünnt hat.

Bei der bereits erwähnten, rostbraun gefärb-ten, mittelkörnigen Sandlage mit den auf-fälligen basalen Belastungsmarken (Abb. 2)

handelt es sich um gravitativ in den feinsan-dig-schluffigen Untergrund eingesunkene Kissenstrukturen (Füchtbauer 1988, S. 833). Diese turbaten Gefüge entstehen unmittel-bar oder kurz nach der Ablagerung, wenn die Sedimente noch nicht verfestigt sind und die Schichten zusätzlich eine Dichteinversion aufweisen. D. h., die untere schluffige Lage enthält mehr Wasser als die darüber liegende Sandlage, weshalb letztere schwerer ist und einsinkt. Bemerkenswert ist, dass dieser Pro-zess von Osten nach Westen über eine Ent-fernung von fast 2 m an Intensität bis 10 cm Höhe und 30 cm Länge zunimmt und dass alle Marken eine deutliche und einheitliche Schräglage aufweisen. Aufgrund der Neigung und des diapirartigen, schlanken, zungen-förmigen Aufstiegs der unteren Schlufflage spricht man auch von einem Flammengefüge. Belastungsmarken entstehen meistens durch einen Impuls, so z. B. durch Erschütterungen. Bei Flammengefügen wird dieser Impuls oft durch eine starke Wasserströmung ausgelöst, die auf den frisch sedimentierten Untergrund einwirkt, wodurch es während des Einsin-kens zu einer lateralen Verschleppung und Neigung der Strukturen in Fließrichtung

Abb. 2: Sandlage (rostbraun) mit basalen Belastungsmarken. Die gravitativ in den geschichteten Feinsand-Schluff-Lagen (hellgrau) eingesunkenen Sande sind seitlich nach WSW verschleppt, was wahrscheinlich durch eine plötzliche, starke Strömung verursacht wurde. Münze = 2 cm. Foto: O. Tietz

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 4: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

136

kommt. Daraus kann sogar die Paläofließrich-tung abgelesen werden. Im vorliegenden Fall konnte durch 18 Messungen der Längsachsen an 5 Ballenstrukturen eine westsüdwestliche Kipprichtung ermittelt werden (257°/27°), die Richtungen der Einzelmessungen schwanken zwischen WNW (300°) und SW (230°) und die Kippwinkel zwischen 10° und 45°. Das bedeu-tet eine Fließrichtung aus ostnordöstlicher Richtung. Diese Richtung passt allerdings nicht in die regionale Situation, da die saale-kaltzeitliche Neiße von Süden nach Norden floss (Steding et al. 1991, Abb. III/2) und, falls hier ein westlicher Zufluss vorlag, sogar nach Osten in die Ur-Neiße geflossen wäre. Diese Abweichung kann nur durch lokale Besonder-heiten erklärt werden. Diese finden sich z. B. in mäandrierenden Flusssystemen oder auch, wenn Flüsse schlagartig über die Ufer treten und die trockenen Flussauen seitlich überflu-ten. Letzteres passiert besonders schlagartig, wenn die Flüsse durch natürliche Uferdämme geschient sind, wie es in Deltaebenen, aber auch bei mäandrierenden Flüssen häufig der Fall ist. Bei derartigen Dammbruchereignis-sen lagern sich über den feinkörnigen Aue-sedimenten sandige Durchbruchsfächer ab, die als Besonderheit eine Korngrößenverfei-nerung nach oben aufweisen (SchäFer 2005, S. 92–94). Genau solche Sohlbankprofile wurden in der Baugrube am Mühlweg auch zweimal beobachtet (s. o.). Weiterhin typisch sind für diese sandigen Durchbruchsfächer, dass diese zum feinkörnigen Untergrund der Aueablagerungen eine inverse Dichte-schichtung aufweisen, weshalb, gekoppelt an die plötzliche Sedimentationsauf last und die starke Wasserströmung, häufig geneigte

Belastungsmarken (Flammengefüge) auftre-ten. Vermutlich kann so ein Szenario für die beschriebene Fundstelle angenommen wer-den. Aber für eine sichere Bestätigung wären weitere Beobachtungen nötig.

Literatur

Füchtbauer, h. (1988): Sedimente und Sedimentge-steine. – Schweizerbart; Stuttgart: 1141 S.

Präger, F. (1976a): Engtal von Hirschfelde – Ostritz – Zur Flußgeschichte der Neiße. – In: F. Präger (Hrsg.): Exkursionsführer „Die glazigenen Bildungen im Südosten der DDR und ihre Bezie-hungen zum angrenzenden periglaziären Gebiet im Norden der ČSSR“. – Gesellschaft für Geologische Wissenschaften der DDR, Berlin: 25–33

Präger, F. (1976b): Quartäre Bildungen in Ost -sachsen. – Abhandlungen des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden 25: 125–217

SchäFer, a. (2005): Klastische Sedimente. Fazies und Sequenzstratigraphie. – Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag; München: 414 S.

Steding, d. (1973): Lithofazieskarten Quartär 1 : 50000, Blatt 2670 Görlitz. – Zentrales Geologi-sches Institut Berlin; Berlin/Freiberg: 4 Karten-blätter und 1 Legende

Steding, D. (1998): Geologische Karte der eiszeitlich bedeckten Gebiete von Sachsen 1 : 50.000, Blatt Görlitz. – Freiberg

Steding, d., d. hirSch, h. Schulze & K. bartuSch (1991): Das Deckgebirge im Tagebau Berzdorf/OL. – Tagungsmaterial, Kurzfassungen und Ex kur-sionsführer der 38. Jahrestagung der Gesellschaft für Geologische Wissenschaften in Cottbus, 19.-22. Oktober 1991; Berlin, Freiberg: 140–147

MINERALOGIE

Mineralfunde beim Bau der Bahnstrecke im Industriegebiet „Sandberg“ bei Kodersdorf (Ortslage Rengersdorf)

(Von Thomas Giesler, Görlitz, [email protected] und Thomas Witzke, Almelo/Nieder-lande; Manuskripteingang 10.2.2017, Nachtrag 1.6.2018)

Mit Bescheid vom 22.7. 2005 stellte das Regie-rungspräsidium Dresden das Baurecht für den Gleisanschluss des Industriegebietes „Sand-

berg“ an die Bahnlinie Cottbus–Görlitz her (landeSdireKtion SachSen 2005). Die Bau-maßnahmen an der Trasse umfassten Flächen-

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 5: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

137

graugrünen Metadiabas, der von 1–2 mm mächtigen Quarz- und Calcitgängchen durch-trümert wird. Außerdem enthält er längliche, bis 3,0 × 0,5 cm große, weiße Einschlüsse von Calcit, CaCO3. Nachdem einige davon mit HCl ausgeätzt wurden, zeigten sich auf der Wan-dung eines Hohlraums glänzende, bis 0,1 mm messende Kristalle von Pyrit, FeS2 in Form des Pentagondodekaeders. Weiterhin konnte ein sehr dünnes Schnürchen von körnigem Pyrit im Metadiabas beobachtet werden.

2) In der Abbaugrube circa 300 m südsüdwest-lich des Gipfels vom Fiebigsberg stand graugrü-ner bis graurötlicher, verwitterter Metadiabas, eine grünlichgraue Brekzie aus Metadiabas und Quarz sowie ein graurötlicher, mittelkörni-ger, Karbonat-haltiger Quarzsandstein an. Den Metadiabas durchziehen bis 1,5 cm mächtige grauweiße oder graurote Gänge von Calcit. Weiterhin enthalten der Metadiabas und die Brekzie bis 2 cm mächtige Quarzgänge bzw. Quarzgangstücke mit kleinen unregelmäßig geformten Drusen. Darin kommen klare, glän-zende, nur wenige Zehntel mm große Kristalle von Quarz, SiO2, beigefarbene rhomboedrische, bis 1,5 mm große Kristalle von Fe- und Mn-haltigem Dolomit, CaMg(CO3)2 (Analyse EDX = energiedispersive Röntgenanalyse am Raster-elektronenmikroskop) und weiße, längliche, bis 0,2 mm messende Kristalle von Calcit (Analyse XRD = Röntgendiffraktometrie) vor. Auf einer graubraun überkrusteten Kluftfläche im Meta-diabas fielen vereinzelt hochglänzende, durch-sichtige, tafelige und bis 0,2 mm große Kristalle von Baryt, BaSO4 (EDX) neben Relikten eines

begradigungen nahe dem Sägewerk Klausner, die Anlage eines Hangeinschnittes am Fie-bigsberg und Dammschüttungen im weiteren Verlauf der Strecke. Für letztere wurden die Aushubmassen des Einschnittes am Fiebigs-berg verwendet. Weiteres Gesteinsmaterial kam im Februar 2006, für etwa 2–3 Wochen, aus einer neu angelegten Grube (Fläche etwa 20 × 20 m, Tiefe 6–7 m) circa 300 m südsüd-westlich vom Fiebigsberg (Abb. 3), welche man danach mit Lockermassen verfüllte und später in die Erweiterung des Betriebsgeländes der Firma Klausner mit einbezog. Im Mai 2006 ging schließlich die neue, 2,7 km lange, Bahn-strecke vom Sägewerk Klausner bis zur Station Kodersdorf Bahnhof in Betrieb.

Den geologischen Untergrund der zwei fol-genden Fundstellen stellt ein Gesteinskomplex des Kambriums dar. Er besteht aus quarzitischen Sandsteinen mit Lagen von Kalkstein sowie aus Sandsteinen mit einem stärker chloritisierten Bindemittel, die Einlagerungen von Diabasen, Tuffen und Tuffiten führen. Die letztgenann-ten vulkanischen Gesteine kartierte lee (1938, Tafel 2) in zwei anstehenden Diabasvorkommen südlich und nordöstlich vom Fiebigsberg. Nach hirSchmann et al. (1972, S. 44) treten derartige Gesteine besonders nördlich, östlich und südlich vom Fiebigsberg bei Rengersdorf auf.

1) In Vorbereitung der Trasse wurden im September 2005 nahe einer Weggabelung, circa 100 m nordöstlich vom Fiebigsberg, Tief-bauarbeiten an einer Erdgasleitung durchge-führt (DHDN Gauß–Krüger 5, RW 5.495.081, HW 5.677.546). Dabei erschloss man einen

Abb. 3: Blick zum Fiebigsberg mit Abbaugrube zur Gesteinsgewinnung (Fundstelle 2, Februar 2006) circa 300 m südsüdwestlich des Gipfels. Foto: T. Giesler

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 6: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

138

Karbonates auf. Zudem sind undeutlich ausge-bildete, glänzende, nur 0,1 mm messende Kris-talle von Pyrit auf einer weiteren Kluftfläche vorhanden. Den graurötlichen Sandstein durch-zieht schließlich ein 1,5 cm mächtiger weißer Quarzgang mit Einschlüssen eines bis 10 × 5 mm großen, grauroten Karbonates.

3) Die dritte Fundstelle liegt am Fiebigsberg. Hier steht ein Quarzporphyr (Alterseinstufung Siles, wahrscheinlich Westphal/Oberkarbon hirSchmann et al. 1972, S. 84) an, den bereits gerSdorF (1781) als „Porphir“ vom Vieh-wegsberg (Viehweg = Fiebig, Weinhold 1855) beschrieb. Am Osthang des landwirtschaftlich genutzten Hügels wurde im Frühjahr 2006 ein ca. 200 m langer und bis zu 8 m tiefer Hang-einschnitt (RW 5.495.060, HW 5.677.413) für die im Bau befindliche Bahnstrecke geschaf-fen. Den dabei aufgeschlossenen Quarzporphyr durchziehen bereichsweise jüngere Quarz-gängchen, in deren Kontaktbereich verwitterte, schwarzbraune bis ockerfarbene Gesteinspar-tien auftraten. Hier fanden sich auf Kluftflächen bronzefarbene, glänzende, mehrere mm2 Fläche bedeckende, schuppige Aggregate von Todoro-kit, (Na,Ca,K,Ba,Sr)1-x(Mn,Mg,Al)6O12 · 3-4H2O (XRD) und graue, derbe, bis 5 × 1 mm große Aggregate von Ranciéit, (Ca,Mn2+)0,2(Mn4+,Mn3+)O2

. 0,6H2O (XRD, EDX).

Nachtrag

Das in gieSler & WitzKe (2017) auf S. 181 noch als „wahrscheinlich“ vorkommend eingestufte Mineral Ranciéit konnte nun mittels EDX bestä-tigt werden.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei Olaf Tietz, Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz für die petrographische Bestimmung mehrerer Gesteinsproben.

Literatur

gerSdorF, a. t. von (1781): Reisejournal VI. – Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften Görlitz: 7–8 [unveröffentlicht]

gieSler, t. & t. WitzKe (2017): Mineralfunde bei Tiefbauarbeiten im Industriegebiet „Sandberg“ bei Kodersdorf (Ortslage Rengersdorf). – In: Neues aus der Natur der Oberlausitz 2016. – Berichte der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz 25: 179–181

hirSchmann, g.; l. WolF & h. lorenz (1972): Erläuterungen zur Geologischen Spezialkarte der Deutschen Demokratischen Republik, Blatt Horka-Zodel 4775/4756. – Zentrales Geologisches Institut Berlin: 353 S.

landeSdireKtion SachSen (Hrsg., 2005): Baurecht für den Gleisanschluss ins Kodersdorfer Industrie-gebiet ist hergestellt. – Pressemitteilung 26.7.2005

lee, C.-S. (1938): Schichtenfolge und Bau des Oberlausitzer Schiefergebirges. – Geotektonische Forschungen 2: 1–55

Weinhold, K. (1855): Beiträge zu einem schlesischen Wörterbuche, Erste Abtheilung A-L. – Sitzungs-berichte der Kaiserlichen Akademie der Wissen-schaften. Philosophisch-Historische Classe 14, Anhang: 1–55

Zinkit aus der Oberlausitz

(Von Wolfram Lange, Zittau, [email protected]; Manuskripteingang 22.1.2018)

Im Jahre 1990 erwähnte naSdala erstmals das vermutliche Vorkommen des Zinkkarbonates Smithsonit aus einem Sideritgang in der Grau-wacke von Dubring. Das fragliche Mineral trat dort nicht selten als gelblichgrüner Überzug auf Sphalerit auf. Die geplanten genaueren Unter-suchungen an diesem Mineral unterblieben allerdings. Im Jahre 2016 konnte Verfasser aus

einer Münchner Sammlung eine Kleinststufe erwerben, welche mit „Smithsonit, Bernsdorf, Oberlausitz, DDR“ bezeichnet war (Abb. 4). Eine Zuordnung zu dem in der Nähe befind-lichen Steinbruch Dubring war naheliegend, zumal es in Bernsdorf keinen Steinbruch gibt. Zweifel kamen allerdings auf, als beim Ein-legen in warme Salzsäure keine Abgabe von

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 7: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

139

gebänderte, wulstige Kruste in gelbgrünen Farben ist eher ein Hinweis auf anthropogene Entstehung. In der Tat gab es in Bernsdorf bis in die 1990er Jahre eine Zinkweißhütte. Aus deren Ablagerungen dürfte also das betreffende Stück stammen. Zinkit als Kunstprodukt aus den oberschlesischen Zinkhütten ist zwar auf dem Mineralienmarkt relativ verbreitet, für die Oberlausitz aber ein Novum. Mineralogen sind keiner einheitlichen Meinung, ob man sol-che durch menschliches Zutun entstandenen Minerale als solche auffassen kann. Die Inter-netplattform „Mineralienatlas“ macht hierbei keinen Unterschied zwischen natürlich entstan-denem Zinkit und Zinkit als Schlackenmineral aus der Metallverhüttung. Verfasser neigt dazu, diesen die Mineraleigenschaften abzusprechen, da sie keiner natürlichen Entstehung sind.

Literatur

naSdala, L. (1990): Die Minerale der Oßlinger Berge. – Natur und Umwelt im Kreis Hoyerswerda 3: 44 S.

Kohlendioxid festzustellen war. Eine genauere Untersuchung mittels Röntgendiffraktion (XRD 2017 Mineralogisches Labor Prof. Dr. Dietbert Leusmann, Köln) ergab allerdings, dass es sich hier um das Zinkoxid Zinkit han-delt. Nun kommt das Mineral Zinkit weltweit in der Natur nur in ganz wenigen metamor-phen Zinklagerstätten vor, und zwar als rote oder orangegelbe Körner oder Kristalle. Diese genetischen Voraussetzungen sind in der Ober-lausitz nicht gegeben. Die hier vorliegende

Abb. 4: Zinkit, Bernsdorf, Sammlung Wolfram Lange (Samml.-Nr. L 126). Foto: O. Tietz

Stilbit (?) vom Steinbruch Scheibenberg Mittelherwigsdorf

(Von Wolfram Lange, Zittau, [email protected]; Manuskripteingang 7.2.2018)

Im September 2016 gelang auf der zweitober-sten Sohle des aktiven Basaltsteinbruches am Scheibenberg bei Mittelherwigsdorf der Fund eines kleinen Drusenteilstückes. Dieses bestand aus halbkugeligen, radialstrahligen Aggregaten gelblichen Calcites, der auf Basalt aufgewachsen ist.

Bei genauerer Untersuchung fielen millimet-ergroße, glasglänzende, farblose Kriställchen auf, die auf den Calcit aufgewachsen sowie in diesen eingewachsen waren (Abb. 5). Visu-ell konnten diese kurz- bis langprismatischen Kris talle einem Mineral der Zeolithgruppe zugeordnet werden. Leider wurde seitdem trotz intensiver Bemühungen kein weiteres Material davon gefunden. Um dieses einzige Belegstück nicht völlig zu zerstören, wurden nur 2 Kristalle zwecks genauerer Bestim-mung herauspräpariert. Die Untersuchung mittels Röntgendiffraktion (XRD, Mineralo-

gisches Labor Prof. Dr. Diethart Leusmann, Köln 2018) ergab aufgrund der geringen Pro-benmenge leider kein eindeutiges Ergebnis.

Abb. 5: Stilbit-Ca (?) Kristall, 1 mm groß, auf Calcit. Sammlung Wolfram Lange (Samml.-Nr. L 124). Foto: M. Reinhardt, Drolshagen

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 8: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

140

Mit einem Score-Faktor von 50 % dürfte es sich um Stilbit-Ca handeln. Es bleibt nur zu hoffen, dass mit einem weiteren Fund einmal

MYKOLOGIE

Auf Pilzpirsch durch das Jahr 2017

(Von Steffen Hoeflich, Görlitz, Johannes-Wüsten-Straße 16; Manuskripteingang 2.3.2018)

Das Jahr 2017 erwies sich für Speisepilz-Sammler als nicht besonders ergiebig. Trotz anhaltender Regenperioden im Sommer blieb das Pilzwachstum unter aller Erwartung. Der Frühherbst gestaltete sich recht trocken, und selbst zur Hauptsaison zum wieder feuchte-ren Oktober-Beginn waren lediglich punktu-ell größere Pilzaufkommen zu verzeichnen (Raum Niesky). Charakteristisch für 2017 war das nur vereinzelte Auftreten von Mycor-rhiza-Pilzen bei gleichzeitig gehäuftem Vor-kommen vieler saprobiontischer Arten, wie etwa Wiesenstaubbecher (Vascellum pra­tense) oder Mehlpilz (Clitopilus prunulus), insbesondere aber der diffizilen Gattung Leucoagaricus (Egerlingsschirmpilz), mit schwierig voneinander abgrenzbaren Arten (u.a. im Uferpark).

(Sofern kein anderer Finder ausgewiesen ist, beziehen sich alle Fundangaben auf den Verfasser; HS = Herbert Schnabel, Biosphä-renreservat; Ri. = Richtung; PL = Polen; Zg. = Zgorcelec. Wenn nicht anders vermerkt, bezie-hen sich alle Ortsangaben auf Görlitz, wobei Rauschwalde, Ludwigsdorf, Weinhübel und Biesnitz Ortsteile von Görlitz sind.)

1. 1. Landeskrone, oberster Rundweg: 1) Orangeseitling (Phyllotopsios nidulans), an abgefallenem Linden-Ast (Tilia); 2) Winter-Helmling (Mycena tintinnabulum), an liegendem Laubholz-stamm, cf. Esche (Fraxinus).

19. 2. Winter-Trichterling (Clitocybe bruma­lis), Caroluspark, Rondell, im Laubhu-mus.

26. 2. PL, Zg.: 1) Robinien-Stachelkugelpilz (Diaporthe oncostoma), ehemaliger Moyser Weg Ri. Rothwasser, Höhe letzter Steinbruch, an abgefallenem Ast

der Robinie (Robinia); 2) Robinien-Nestkugelpilz (Cucurbitaria elongata); Fuß- und Radweg entlang der Neiße Ri. N, 4.3. ehemaliger GST-Hunde-Ausbil-dungsplatz bei Girbigsdorf und am 1.4. Berzdorfer See, Halde an der NW-Seite, jeweils an abgefallenen Ästen der Robi-nie; 3) Obstbaum-Büschelbecherling (Tympanis conspersa), ehemalige Baum-schule am NW-Hang des Töpferberges, an noch ansitzenden Ästen eines Apfel-baumes (Malus).

1. 4. Pappel-Punktfleckenpilz (Crypto­sphaeria lignyota), Berzdorfer See, Halden W/NW-Seite, an liegendem Stamm der Kanadischen Schwarzpappel (Populus canadensis).

10. 4. Gelbe Speisemorchel (Morchella escu­lenta var. rigida), Hinterhofgarten der Uferstraße, Wiese.

12. 4. Gekrümmtes Ahornfruchtkeulchen (Plagiostoma inclinatum), Nähe Blue Box, 13.4. Weinberg, 18.4. Landeskrone, 13.5. ehemaliger GST-Hundeausbil-dungsplatz bei Girbigsdorf und 18.6. Gutspark Girbigsdorf (Kästnergut) – jeweils an der Keimstelle von abgefal-lenen Früchten des Berg-Ahorns (Acer pseudoplatanus).

13. 4. Scheiben-Lorchel (Gyromitra ancilis), Wittichenau (HS).

18. 5. Grünender Wachsporling (Ceriporia viridans) und Purpurroter Wachspor-ling (Ceriporia purpurea), Ludwigsdorf NW: Birkenlache – jeweils an Totholz der Esche (Fraxinus); in der Nähe, Wegrand an der Bumbaslache: Becher-Lorchel (Paxina acetabulum), auf Erde und Gelbstieliger Dachpilz (Pluteus romellii) auf vergrabenen Holzresten.

genügend Untersuchungsmaterial zur Verfü-gung stehen wird, um einen gesicherten Nach-weis zu erbringen.

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 9: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

141

28. 5. Weißdorn-Fruchtbecherling (Moni­linia johnsonii), Berzdorfer See, Nähe Nordumfluter, an noch ansitzenden Früchten des Weißdorns (Crataegus).

2. 9. und 11.6. Pappelblatt-Wucherling (Taphrina populina), an verschiedenen Stellen der Ostseite des Berzdorfer Sees, an Blättern der Kanadischen Schwarz-pappel (Populus canadensis) und der Espe (Populus tremula).

8. 6. Pflaumen-Polsterbecherchen (Dermea prunastri), Ludwigsdorf, verwilderter Garten hinter der Gaststätte Gerichts-kretscham, Rothenburger Landstraße und 4.9. PL, Zg., ehemalige Baum-schule am Töpferberg, jeweils an noch ansitzenden Zweigen der Hauspflaume (Prunus domestica), mit Haupt- und Nebenfruchtform, in PL sehr zahlreich an mehreren Bäumen – flächendeckend! Gilt nach der aktuellen Roten Liste und Artenliste für Sachsen (hardtKe et al. 2015, S. 78) als ausgestorben! – letzte Sichtung 1885!

23. 7. Stachelschuppiger Wulstling (Amanita solitaria), Rauschwalde, Caroluspark, Eichenhain, bei Eiche (Quercus), einzeln – machte seinem wissenschaftlichen Epitheton alle Ehre, sehr eigentümlicher Geruch (erinnert etwas an besonders widerlich-süße Hustentinkturen für Kinder).

6. 8. Wurzelnder Bitterröhrling (Boletus radicans), Leutertsloch bei Kunners-dorf-Feldhäuser, nahe der S 127, bei Birke (Betula).

13. 8. Gelblicher Resupinatporling (Antrodia xantha), Weinberg, am Aufgang aus Ri. Volksbad, an Stumpf der Lärche (Larix).

15. 8. Schönfarbiger Resupinatstacheling (Steccherinum laeticolor), Hutberg bei Hilbersdorf, Aufstieg zum Hochstein, an stark bemoostem Stumpf der Buche (Fagus).

16. 8. Zitronenblättriger Schirmling (Lepiota citrophylla), interessantester aller zur Beratung gebrachten Pilze des Jahres! D. Wohlfahrt fand ihn büschelig in einem Blumentopf (Kakteenerde) in seiner Wohnung in Kunnerwitz. Die tödlich giftige Art stammt ursprünglich aus Sri Lanka (Ceylon). Nach Europa

gelangte sie durch den Handel mit Pflan-zen. Hier ist sie gelegentlich in Treib-häusern oder Blumentöpfen anzutreffen, insbesondere wenn letztere in Bade-zimmern stehen. Im Freiland wurde der Pilz bisher in der Schweiz, in England, Frankreich und Marokko angetroffen. Derzeit kursieren im Internet nur zwei Fundmeldungen aus Deutschland – wieder als Zierde von Blumentöpfen in Wohnungen. Einem Bericht des „Tint-ling“ zufolge ist hierzulande bislang ein einziges Todesopfer zu beklagen: ein Schäferhund, der im Wohnzimmer von den „Blumentopfpilzen“ probierte. Kein Wunder, denn sie riechen durchaus angenehm würzig; PL, Zg., Trockenrasen an der Neiße nach Norden hin: 1) Massenbefall des Rost-pilzes Puccinia oreoselinum am Berg-Haarstrang (Peucedanum oreoselini); 2) Zwerg-Bovist (Bovista pusilla), am 12.9. auch im Stadtpark gefunden.

17. 8. Löwengelber Dachpilz (Pluteus leoni­nus), Demianiplatz 35/36, am Eingang zur Kochwerkstatt, auf einem Laubholz-klotz.

19. 8. Wiesen-Ellerling (Camarophyllus pratensis), Caroluspark, grasig-moosige Stelle.

20. 8. Apfelbaum-Stachelschwamm (Sar­codontia crocea), Helmut-von-Gerlach-Straße, am Rande eines KGV, diesmal frisch vorgefunden (im Vorjahr nur gut erhalten); 21.8. Ludwigsdorf, verwil-derte Gärten hinter dem Gerichtskret-scham, jeweils an Stammwunden des Apfelbaumes (Malus).

28. 8. Blaublättriger Weißtäubling (Russula delica), Stadtpark, bei Birke (Betula).

8. 9. Birken-Knäuling (Panus conchatus), PL., Zg., Wegrand zwischen dem Denk-mal für den ermordeten Grenzer und der Autobahnbrücke, an Stumpf der Birke (Betula).

11. 9. Zweifarbiger Knorpelporling (Gloeo­porus dichrous), Groß Krauscha, Misch-wald am Fahrweg nach Kaltwasser, an abgefallenem Ast der Eiche (Quercus).

18. 9. Dorniger Stachelbart (Creolophus cirrhatus), Zeißholz, Waldrand an der Orchideenwiese, an Laubholz (HS).

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 10: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

142

20. 9. Igel-Stäubling (Lycoperdon echinatum), Landeskrone, Südaufstieg, Laubmisch-wald (leg. K. Voigtländer).

27. 9. Stadtpark: 1) Papageigrüner Saftling (Hygrocybe psittacina), Wiese am Toilet-tenhaus; 2) Stumpfer Saftling (Hygro­cybe chlorophana), zahlreich am Rande der Wiese gegenüber der Reifenschaukel.

2.10.Graubräunlicher Rötelritterling (Lepi­sta luscina), Rauschwalde, Ankergarten, einzeln auf der Wiese.

7.10. Kodersdorf: 1) Rötender Gabeling (Cantharellula umbonata), Kiefernwald, bei Kiefer (Pinus); 2) Geweihförmige Wiesenkoralle (Clavulinopsis cornicu­lata), Ortsflur, moosige Wiese bei einem einzelnen Anwesen (leg. jeweils Teilneh-mer der Pilzwanderung).

9.10.Graue Langfußlorchel (Helvella macro­pus), Mönauer Buchen (HS); Wollfilzige Lorchel (Helvella fibrosa), Kühnicht, Waldfriedhof (HS).

11.10. Stadtpark: 1) Fichten-Schneckling (Hygrophorus piceae), Gehölz am Ron-dell, bei Fichte (Picea); 2) Weichlicher Stäubling (Lycoperdon molle), Hang oberhalb des Parkhotels; 3) Goldgelbe Wiesenkoralle (Clavulinopsis helvola), im Moos auf der Wiese vor dem Gedenk-stein von 1813.

12.10. Erlen-Schüppling (Pholiota alnicola), Alter Friedhof, am Stammgrund der Birke (Betula).

13.10. Königshainer Berge: 1) Wäßriger Por-ling (Physisporinus vitreus), am Wurzel-anlauf von Buche (Fagus); 2) Brandiger Ritterling (Tricholoma ustale), in mehreren Gruppen bei Buche; 3) Graue Koralle (Clavulina cinerea), Wegrand oberhalb des Fahrweges aus Richtung Parkplatz, auf Humusboden.

14.10. Dottergelber Spateling (Spathulata flavida), Berzdorfer See, Halden zwi-schen Tauchritz und Schönau, zahlreich in Gruppen und Kreisen am Rande eines Lärchenforstes, bei Lärche (Larix).

14.10. Reichendorfer Polder: 1) Runzelige Koralle (Clavulina rugosa), am Boden; 2) Aderblättriger Schwindling (Maras­mius epiphyllus), auf abgefallenen Blät-tern der Espe (Populus tremula) (leg. jeweils U. Damm).

18.10. Schwarzweißer Duftstacheling (Phel­lodon connatus), Mischwald zwischen Biehain und Kaltwasser (leg. Frau Nicht).

19.10. Neuer Friedhof: 1) Weißliche Wiesen-koralle (Ramariopsis kunzei), im Moos, 2) Pinsel-Schüppling (Pholiota jahnii), an vielen Stellen, u.a. bei den Maulbeer-bäumen, meist scheinbar am Boden, doch immer in Verbindung mit Holz.

22.10. Rötender Saftwirrling (Abortiporus biennis), Wartha, auf Erde mit Holzresten (leg. K. Happatsch).

23.10. Gift-Schirmpilz (Macrolepiota vene­nata), am Kaisertrutz, Seite am Theater, im Gebüsch, einzeln auf Erde.

5.11. PL, Zg., lückiges Birkengehölz am NW-Ausläufer des Töpferberges: 1) Gezonter Adermoosling (Arrhenia spathulata), an Moos; 2) Moos-Stummelfüßchen (Crepidotus epibryus), an absterbenden Gräsern und noch lebenden Kräutern.

12.11. Fuchs-Zähling (Lentinellus vulpinus), Landeskrone, gipfelnaher Steilhang, an abgefallenem Ast der Hainbuche (Car­pinus), bislang nur aus Süddeutschland bekannt!

18.11. Treppenförmiger Steifporling (Oxyporus populinus), Rauschwalde, Elsternpark, Rundweg um den Teich, Gartenseite, in einer Stammwunde des Eschen-Ahorns (Acer negundo).

23.11. Orangeseitling (Phyllotopsis nidulans), N-Ende Neuer Friedhof, Wegrand, an gelagertem Laubholz.

28.11. Schwarzschuppiger Schirmling (Lepiota felina), Boxberg, OT Dürrbach, Blumentopf (draußen), (leg. P. Gebauer).

1 .12. Rosablättriger Trichterling (Clitocybe hougthoni), Weinhübel, ansteigender Weg vom Stadion zur Zittauer Straße, Gebüsch straßenseitig, im Laubhumus, vergesellschaftet mit Nebelkappen (Cli­tocybe nebularis).

8.12. Gelbstieliger Muschelseitling (Panel­lus serotinus), ehemaliges Gartenland des Dominiums Leontinenhof der Baro-nin Helene von Carnap, Nähe Sieben-börner, an liegender Kirsche (Cerasus) (massenhaft an einem Laubholzstamm im Kunnerwitzer Grund gefunden, zeitnah).

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 11: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

143

Nachtrag

Für 2016: Gift-Schirmpilz (Macrolepiota vene­nata): 28.7. Verbindungsweg zwischen Schüt-zenstraße und Mühlweg, Pflasterfuge und 3.10. Biesnitz, obere Promenadenstraße, Trupp auf grasiger Stelle.

Literatur

hardte, h.-J., F. dämmrich & F. KlenKe (2015): Rote Liste und Artenliste für Sachsen. Pilze. – Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie; Dresden: 580 S.

BOTANIK

Erstnachweise von zwei Samenpflanzenarten und einer Varietät einer heimischen Samenpflanze in der Oberlausitz im Jahre 2017

(Von Alexander E. Wünsche, Görlitz, [email protected]; Manuskripteingang 29.7.2018)

Sand-Esparsette (Onobrychis arenaria), Fami-lie Hülsenfruchtgewächse: Bautzen OT Nadelwitz, abgedeckte ehemalige Depo-nie (Friese, confirm. Gutte). Offenbar mit Grassamen ausgesät. In Deutschland kommt die kalkstete Art in kontinental geprägten Halbtrocken- und Trockenrasen sowie trockenen Kiefernwäldern in Bay-ern, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen vor.

Ardennen-Brombeere (Rubus arduennen­sis), Familie Rosengewächse: Gör-litz-Weinhübel, ca. 1 km südlich am Fahrradweg entlang der Neiße Richtung Hagenwerder in einer angepflanzten Brombeerhecke am Fahrradwegrand

(Sander, Jansen u. Kiesewetter). Die etwas wärmeliebende Art ist bisher aus Westdeutschland bekannt, so in Rhein-land-Pfalz, Nord rhein-Westfalen, Hes-sen und Bayern.

Weinbergs-Lauch (Allium vineale var. capsu­liferum), Familie Lauchgewächse: Baut-zen W, Ödland/Wiese an Westtangente (Friese, confirm. Gutte). Die Blütendolde dieser Varietät trägt nur Blüten, aber keine Brutzwiebeln.

Weiteres siehe WünSche et al.: „Bemerkens-werte floristische Beobachtungen 2017 in Oberlausitz und Elbhügelland“ in die-sem Band.

ORNITHOLOGIE

Bemerkenswerte ornithologische Beobachtungen im Jahr 2017 in der Oberlausitz

(Von Joachim Ulbricht, Neschwitz, [email protected]; Manuskripteingang 5.3.2018)

Die Anzahl der in der Oberlausitz durchzie-henden Pfeifenten (Anas penelope) hat in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Insbesondere im Frühjahr zieht die Haupt-masse der Vögel oftmals innerhalb weniger Tage durch. Sie legen dann, bevorzugt auf größeren Gewässern, meist nur eine kurzzei-

tige Rast ein. Am 22. März konnten insge-samt fast 1600 Pfeifenten festgestellt werden (Tab. 2), wobei die größten Verbände auf dem Berzdorfer See, dem Stausee Bautzen und dem Bärwalder See rasteten. Ein so konzentriertes Vorkommen in dieser Größenordnung gab es bisher in unserer Region noch nicht. Die Vögel

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 12: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

144

befanden sich auf dem Heimzug in ihre weit nordöstlich (Russland) und nördlich (Skandi-navien) gelegenen Brutgebiete.

Ab Mitte des Jahres 2017 wurde am Stau-see Bautzen wegen Bauarbeiten der Wasser-stand deutlich abgesenkt, sodass vom Sommer bis zum Herbst günstige Rastbedingungen für Watvögel (Limikolen) und einige weitere Vogelarten bestanden. Es konnten 29 Limiko-lenarten beobachtet werden, darunter seltene Arten wie Säbelschnäbler (Recurvirostra avo­

setta), Odinshühnchen (Phalaropus lobatus), Teichwasserläufer (Tringa stagnatilis) und Sumpfläufer (Limicola falcinellus). Einige Arten rasteten in relativ großer Zahl, z. B. maximal 68 Große Brachvögel (Numenius arquata), 90 Flussuferläufer (Actitis hypo­leucos) und 154 Alpenstrandläufer (Calidris alpina). Das Rastgeschehen am Stausee im Sommer/Herbst 2017 ist Gegenstand einer speziellen Publikation (reitz et al. in Vorbe-reitung).

Abb. 6: Adulter Nachtreiher (Nycticorax nycticorax) im Teichgebiet Niedergurig, 17.8.2017. Foto: A. Heiland/www.motivedernatur.de

Tab. 2: Massendurchzug der Pfeifente am 22.3.2017 in der Oberlausitz

Gewässer Anzahl Beobachter

Berzdorfer See 480 M. Ritz

Bärwalder See 310 J. Ulbricht

Tauerwiesenteich 61 B. Voigtländer

Sumperteich Dürrbach 48 J. Kasper

Weißes Lug Kreba 36 B. Voigtländer

Neuteich Niederspree 71 B. Voigtländer

Stausee Bautzen 420 J. Ulbricht

Dreiweiberner See 160 J. Ulbricht

Summe 1586

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 13: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

145

Ein bemerkenswertes Vorkommen des Nachtreihers (Nycticorax nycticorax) konnte von Mitte Juli bis Anfang September 2017 im Teichgebiet Niedergurig bei Bautzen festge-stellt werden. Erstmals wurden fünf Vögel am 18. Juli im Gebiet von R. Reitz gesehen. In den folgenden Wochen wurde das Gebiet von relativ vielen Beobachtern aufgesucht. Dabei konnten bis zu acht Nachtreiher gleichzeitig beobachtet werden (15.8., J. Ulbricht). Es handelte sich sowohl um adulte Vögel (Abb. 6) als auch um Jungvögel im ersten und zweiten Lebens-jahr. Dass die Reiher im Gebiet gebrütet haben bzw. erbrütet wurden, ist nicht anzunehmen. Die nächstgelegenen Brutvorkommen dieser Art befinden sich im südlichen Tschechien und Polen. Nähere Angaben zu den Beobachtungen 2017 und zum Vorkommen in der Oberlausitz allgemein siehe reitz & ulbricht (2017).

Am 29. September 2017 konnte in Heinrichs-walde bei Hähnichen ein ziehender Schlangen-adler (Circaetus gallicus) beobachtet werden (M. Mayer). Es gelangen einige Belegfotos (Abb. 7). Die Art wird in unserer Region nur ausnahmsweise festgestellt. Im 19. Jahrhundert war der Schlangenadler in der Oberlausitz ein sehr seltener Brutvogel (s. creutz 1967).

Am 7. November 2017 wurde ein für unsere Verhältnisse sehr starker Durchzug des Mittel-sägers (Mergus serrator) registriert. Auf meh-reren Großgewässern der Oberlausitz rasteten insgesamt 177 Vögel dieser Art. Die größte Ansammlung bildeten 92 Mittelsäger auf dem Bärwalder See (s. ulbricht 2017). Derartige Konzentrationen dieser u. a. im nördlichen Mit-teleuropa, Skandinavien und Russland behei-mateten Sägerart waren aus unserer Region bisher nicht bekannt.

Im Herbst 2017 fand ein Einflug größe-ren Ausmaßes von Fichtenkreuzschnäbeln (Loxia curvirostra) statt, in dessen Verlauf von September an vielerorts Trupps dieser Art beobachtet wurden. Als größte Zahlen, jeweils als Summen mehrerer Trupps, sind gemeldet worden: 27.9. 98 und 15.10. 107 Biehain sowie 9.12. mindestens 120 Oberwald Burkersdorf bei Zittau (S. Koschkar). Die konkreten Her-kunftsgebiete dieser Vögel sind nicht bekannt.

Von Ende Oktober/Anfang November an erfolgte auch ein Einflug des Birkenzeisigs (Carduelis flammea). Größere Trupps wurden beispielsweise beobachtet: 9.11. 68 Bärwalder See (S. Klasan), 1.12. mindestens 100 Teichgebiet Kreba-West (T. Zimmermann), 20.12. 90 Bär-

Abb. 7: Schlangenadler (Circaetus gallicus) ziehend bei Hähnichen, 29.9.2017. Foto: M. Mayer

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 14: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

146

walder See (J. Ulbricht). Überwiegend handelte es sich dabei um Angehörige der nordischen Unterart Carduelis f. flammea.

Im Zuge dieses Einfluges gelangen auch zwei Beobachtungen des sehr seltenen Polar-birkenzeisigs (Carduelis hornemanni): 3.12. einer am Bärwalder See (J. Ulbricht) und 4.12. mindestens zwei bei Steindörfel (R. Reitz). Zur letztgenannten Beobachtung liegen Belegfotos vor. In beiden Fällen waren die Vögel verge-sellschaftet mit Birkenzeisigen.

Allen Personen, die ihre Beobachtungen gemeldet haben, sei dafür herzlich gedankt. Die Herren Andreas Heiland und Michael Mayer stellten dankenswerterweise Fotos zur Verfügung.

Literatur

creutz, g. (1967): Zum Vorkommen der Adlerarten in der Oberlausitz. – Abhandlungen und Berichte des Naturkundemuseums Görlitz 42, 7: 1–16

reitz, r. & J. ulbricht (2017): Bemerkenswertes Vorkommen des Nachtreihers Nycticorax nycti­corax im Teichgebiet Niedergurig bei Bautzen. – Mitteilungen des Vereins Sächsischer Ornitho-logen 11: 563–567

ulbricht, J. (2017): Starker Einflug des Mittelsägers Mergus serrator im östlichen Sachsen. – Mittei-lungen des Vereins Sächsischer Ornithologen 11: 567–568

ENTOMOLOGIE

Erstnachweis des Purpureulchens, Eublemma purpurina (Denis & Schiffermüller, 1775), für die Oberlausitz (Lepidiptera, Noctuidae)

(Von Dieter Stöckel, Königswartha, [email protected] und Martina Görner, Hoyers-werda; Manuskripteingang 24.1.2018)

Der attraktive und auffällige Eulenfalter (Eublemma purpurina, Abb. 8), wird zumeist bei Reisen in südeuropäische Länder gefunden. Diese mediterran-asiatische Art hat ein weites Verbreitungsgebiet, welches von Südeuropa über Nordafrika bis Zentralasien und dem Kau-kasus reicht. Als nördliche Verbreitungsgrenze gelten Südfrankreich, die südliche Alpenregion, Österreich, die Slowakei und Südpolen (Fibin-ger et al. 2010). Nach dem Jahr 2000 nehmen Fundmeldungen aus Mittel- und Nordeuropa deutlich zu. So wurden nach dem Erstfund 2001 in Südengland bis 2010 20 Nachweise erbracht, und auch aus Südfinnland ist eine Meldung vorhanden (Fibinger et al. 2010). Für Deutsch-land nennen gaediKe et al. (2017) Nachweise für die Bundesländer Schleswig-Holstein, Baden-Würtemberg, Brandenburg und Sach-sen. Der Erstnachweis für das nördlich an die Oberlausitz angrenzende Brandenburg erfolgte bereits am 1.10.2000 (Schmachtenhagen, Kreis Oberhavel) durch Clemens (clemenS 2001) (Tab. 3). Später konnte Stuck (StucK 2008) am 15.8.2007 in Tschernitz (Südbrandenburg) ein weiteres Exemplar am Licht feststellen.

Die ersten sächsischen Funde erfolgten erst im Jahr 2010 (Tab. 3) durch Jacobasch (1 Fal-ter, NSG Gorischheide bei Zeithain, 25. 6.2010) und Wiesner (1 F., Dresden-Südvorstadt, 24.8.2010) (WieSner & JacobaSch 2010). Wei-tere Nachweise (FiScher, mündl. Mitteilung) kamen 2012 und 2015 durch Klemm (Klemm 2016) von Grumbach (Erzgebirge) hinzu. Erstaunlicherweise wurde trotz regelmäßiger Lichtfänge das Purpureulchen in der Oberlau-sitz bis 2016 nicht gefunden. Die leicht erkenn-bare Art kann auch tagsüber bei Sonnenschein in Ödlandgebieten oder Ruderalfluren nach-gewiesen werden. Im Jahr 2017 erfolgte dann endlich für die Oberlausitz der Erstnachweis von E. purpurina durch Görner (1 F., 5.8.2017, Klein Neida bei Hoyerswerda).

Die weitverstreuten Funde in Sachsen und Brandenburg sowie auch die Funddaten spre-chen für eine zunehmende Einwanderung der Art, was möglicherweise durch die Klimaver-änderungen begünstigt wird. Die frischen und fransenreinen Falter aus Nachweisen im August und Oktober sind Hinweise für eine Repro-duktion der Tiere vor Ort. Die Ansprüche der

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 15: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

147

Art sind nach hacKer (1989) gering und die Wirtspflanzen der Raupen (Distelarten, auch Ackerkratzdistel) weit verbreitet. Inwieweit es dieser schönen Eulenart gelingt, sich dauerhaft zu etablieren, müssen weitere Nachweise in den nächsten Jahren erbringen.

Danksagung

Für die Informationen zu den Funden in Sach-sen und Brandenburg bedanken wir uns herz-lich bei U. Fischer und J. Gelbrecht.

Abb. 8: Eublemma purpurina (Denis & Schiffermüller, 1775). Fundort: Klein Neida (bei Hoyerswerda) MTB 4551/3; 9.8.2017; Lichtfang, leg. M. Görner. Foto: M. Görner

Tab. 3: Funddaten von E. purpurina aus Sachsen und Brandenburg. F – Falter; LF – Lichtfang.

MTB Fundort Datum legit

Brandenburg

3246 Schmachtenhagen (Oberhavel) 1 F ♀ LF 01.10.2000 Clemens, F.

4453 Tschernitz (Südbrandenburg) 1 F ♀ LF, 15.08.2007 Stuck, W.

Sachsen

4445/2 Jacobsthal (NSG Gorischheide) 1 F ♀ LF 25.06.2010 Jacobasch, J.

4948/3 Dresden (Südvorstadt) 1 F ♀ LF 24.08.2010 Wießner, S.

5444/3 Grumbach (mittl. Erzgebirge) 1 F LF 23.05.2012 Klemm, R.

5444/3 Grumbach (mittl. Erzgebirge) 1 F LF 23.05.2015 Klemm, R.

4840/2 Hochhalde Trages (bei Espenhain) 1 F August 2015 Garbe, B.

4442/1 Wöllnau (Gemeinde Doberschütz) 1 F LF 05.07.2016 Weisbach, P.

4551/3 Klein Neida (bei Hoyerswerda) 1 F LF 05.08.2017 Görner, M.

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 16: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

148

Literatur

clemenS, F. (2001): Eublemma purpurina (Denis & Schiffermüller, 1775) – erstmals in Brandenburg nachgewiesen (Lep. Noctuidae). – Entomologi-sche Nachrichten und Berichte 45, 1: 18

Fibiger, m., l. ronKay, J.-l. yela & a. zilli (2010): Noctuidae europaeae (Volume 12). – Rivulinae – Entelinae, and Micronoctuinae. – Entomological Press; Sorǿ: 73–74

gaediKe, r., m., nuSS, a. Steiner & R. truSch (2017): Verzeichnis der Schmetterlinge Deutsch-lands (Lepidoptera, 2. überarbeitete Ausgabe). – Entomologische Nachrichten und Berichte (Dresden), Beiheft 21: 1–362

hacKer, h. (1989): Die Noctuidae Griechenlands (Lep., Noctuidae). – In: eitSchberger, u. (hrSg.):

Herbipoliana, Buchreihe zur Lepidopterologie; Marktleuthen, Bd. 2: 589 S.

Klemm, R. (2016): Rückblick auf 12 Jahre Licht- und Köderfang in und um Grumbach (mittl. Erzge-birge). – Teil 1 (Lep., Noctuidae). – Mitteilungen Sächsischer Entomologen 35, 117: 204–211

StucK, W. (2008): Erneuter Nachweis von Eublemma purpurina (Denis & Schiffermüller, 1775) in Brandenburg (Lep., Noctuidae) – Märkische Entomologische Nachrichten 10, 1:131–132

WieSner, S. & J. JacobaSch (2010): Eublemma purpurina (Denis & Schiffermüller, 1775) im Jahre 2010 erstmals in Sachsen nachgewiesen (Lep., Noctuidae) – Mitteilungen Sächsischer Entomologen 93: 10–12

Rückgang des Zweipunktes, Adalia bipunctata (Linnaeus, 1758), in der Oberlausitz? (Coleoptera, Coccinellidae)

(Von Bernhard Klausnitzer, Dresden, [email protected]; Manuskripteingang 9.3.2018)

In der Reihe „Aus der Natur der Oberlausitz“ wird normalerweise von besonderen Funden berichtet: für die Oberlausitz neue Arten, Sel-tenheiten, Besonderes. Es ist aber vielleicht angebracht, auch auf Arten aufmerksam zu machen, die aus der Fauna der Oberlausitz zu verschwinden scheinen, besonders dann, wenn es sich um häufige und allgemein verbreitete Tiere handelt.

Gegenwärtig ist der drastische Schwund der Individuenzahlen von Insekten und damit deren Biomasse in vieler Munde. Die Auswirkun-gen sind gewaltig, auch auf andere Glieder der Fauna, z. B. viele Vogelarten und Fledermäuse. Die gesamte und sehr vielschichtige Problema-tik soll hier nicht erörtert werden, aber es wird ein Beispiel vorgestellt, das jedes Mitglied der Gesellschaft, jeder Naturfreund, selbst verfol-gen kann.

Es geht um den Zweipunkt, Adalia bipunc­tata (Linnaeus, 1758), neben dem Siebenpunkt, Coccinella septempunctata Linnaeus, 1758, und seit 2006 dem Asiatischen Marienkäfer, Harmonia axyridis (Pallas, 1773), in der Ober-lausitz die häufigste Marienkäferart und jeder-mann bekannt. Wir finden den Zweipunkt in zwei grundsätzlich verschiedenen Farbformen.

Sein Name bezieht sich auf jene Exemplare, die rote Flügeldecken haben mit je einem schwar-zen Punkt (Abb. 9). Die andere Farbform hat schwarze Elytren mit je zwei oder drei roten Flecken (Abb. 10). Diese Farbform kann eventuell mit anderen Marienkäfern verwech-selt werden, z. B. mit dem Zehnpunkt, Adalia decempunctata (Linnaeus, 1758) (Abb. 11), oder dem Vierfleckigen Schildlaus-Marienkä-fer, Exochomus quadripustulatus (Linnaeus, 1758) (Abb. 12). Der Zehnpunkt hat am Ende der Flügeldecken eine quere Bogenfalte, die beim Zweipunkt niemals ausgebildet ist. Die andere Art ist durch die etwas andere Färbung gekennzeichnet: der Halsschild ist meist völlig schwarz, die rote Schultermakel ist bogenförmig und lässt die Schulterbeule frei. Bei A. bipunc­tata ist die schwarze Form durch hell gerandete Vorderecken des Halsschildes und einen völlig roten Schulterfleck, der auch die Schulterbeule einschließt, gekennzeichnet. Hinzu kommt bei Exochomus die starke Erweiterung des Kopf-schildes vor den Augen.

Über das Vorkommen von A. bipunctata in der Oberlausitz schrieb KlauSnitzer (1958): „Der Zweipunkt ist im gesamten oben abge-grenzten Gebiete [Heide- und Teichgebiet]

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 17: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

149

häufig. Ich habe ihn auf Sonnenrosen, Klet-ten, Getreide, Kartoffeln, Holunder, Eichen, Birken, Kiefern, Pflaumen- und Apfelbäumen gefunden.“ Später heißt es: „Als eine der häu-figsten mitteleuropäischen Coccinellidenarten ist A. bipunctata (L.) auch in Ostsachsen über-all in Anzahl anzutreffen“ (KlauSnitzer 1961).

Die seither geführten Aufzeichnungen des Verfassers belegen ein regelmäßiges Vorkom-men des Zweipunktes. Diese Art war Untersu-chungsobjekt zur Variabilität der Larven und zum Vorkommen von Parasitoiden in der Ober-lausitz. Für die entsprechenden Zuchten stan-den hunderte von Exemplaren zur Verfügung. In der Oberlausitz durchgeführte Untersu-chungen in verschiedenen Lebensräumen, z. B. über Marienkäfer-Gesellschaften in Kiefern-wäldern (KlauSnitzer 1967), zur Bevorzugung bestimmter Baumarten (niSSle & KlauSnitzer

1969), zur Fauna von Teichufern (KlauSnitzer & Wendler 1971) oder zum Zahlenverhältnis der beiden Farbformen (KlauSnitzer & Schum-mer 1983) ergaben einen entsprechenden Anteil des Zweipunktes. Darüber hinaus ist die allge-meine Verbreitung dieser Art in Mitteleuropa vielfach belegt.

In den Jahren 2016 und 2017 war A. bipunc­tata im Norden der Oberlausitz nicht mehr zu finden (KlauSnitzer 2017). Es ist anzunehmen, dass dieser Rückgang nicht so plötzlich von-stattengegangen ist, wie es scheint. Es sollte eine Übergangsphase gegeben haben, die aber nicht beachtet wurde.

Hinweise für einen Rückgang finden sich auch außerhalb der Oberlausitz. nicKel & Schneider (2014) untersuchten die Marienkä-ferfauna eines Naturschutzgebietes in Halle. Obwohl das Gebiet von seiner Biotopstruktur

Abb. 9: Adalia bipunctata, rote Form. Foto: E. Wachmann

Abb. 10: Adalia bipunctata, schwarze Form. Foto: E. Wachmann

Abb. 11: Adalia decempunctata. Foto: E. Wachmann

Abb. 12: Exochomus quadripustulatus. Foto: E. Wachmann

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 18: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

150

her durchaus als Lebensraum des Zweipunktes geeignet erscheint, fanden die Autoren unter 851 Marienkäfern in 26 Arten keine einzige A. bipunctata, die aber 1998 aus demselben Gebiet durchaus bekannt war. hauSotte & däbritz (2017) schreiben zum Vorkommen auf dem Bienitz bei Leipzig, einem artenrei-chen Gebiet mit vielfältiger Biotopstruktur: „Während historische Funde von A. bipunc­tata auf dem Bienitz zahlreich belegt sind (laut Coccinellidae-Zettelkatalog von Alexander Reichert am Naturkundemuseum Leipzig z. B. für die Jahre 1904, 1912, 1913 und 1914) sind den Verfassern aktuellere Funde lediglich von Einzeltieren vom 10.II.2008 und vom 3.V.2017 bekannt. Auch wenn eine intensive Suche nach dieser Art nicht erfolgt ist, so dürfte die Ein-schätzung von KlauSnitzer (2017) zur rück-läufigen Bestandssituation von A. bipunctata für den Bienitz ebenso zutreffen.“ In diesem Zusammenhang verdient eine Notiz aus den „Sitzungs-Berichten der naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden“ vom 17. Sep tember 1874 Erwähnung. „Herr Lehrer Th. Reibisch [...] erwähnt die auffallende Häufigkeit der Cocci­nella bipunctata am heutigen Tage in Plauen bei Dresden.“

Natürlich stellt sich die Frage nach den Ursachen für einen solchen drastischen Rück-gang. Lebensraum und Nahrung scheinen unverändert vorhanden zu sein. A. bipunctata bewohnt vor allem die Baum- und Strauch-schicht und bevorzugt Laubgehölze, spezi-ell Birken. Entsprechende Biotope, in denen der Verfasser früher regelmäßig diese Art fand, gibt es nach wie vor. Eine grundsätzli-che Veränderung der Situation ist empirisch nicht nachweisbar. Ähnlich verhält es sich mit der Nahrung. A. bipunctata lebt von sehr unterschiedlichen Blattlausarten. Das Ange-bot scheint auch gegenwärtig ausreichend zu sein. Wie alle Marienkäferarten, die sich von Blattläusen ernähren, braucht auch der Zwei-punkt bestimmte Blattlausarten (essentielle Nahrung) zum Aufbau und Erhalt seiner Fort-pflanzungsfähigkeit bzw. zur erfolgreichen Entwicklung der Larven. Ob es in diesem Bereich Veränderungen gegeben hat, ist nicht bekannt und müsste untersucht werden.

Eine Ursache für den Rückgang könnte im Auftreten des Asiatischen Marienkäfers zu suchen sein. Beide Arten besiedeln gleiche

Lebensräume und scheinen sich auch in der Nahrung nicht zu unterscheiden (wenigstens nicht bei den für den Betriebsstoffwechsel von A. bipunctata möglichen Blattlaus-Arten). Har­monia axyridis hat ein größeres Nahrungsspek-trum, das auch andere Insekten einbezieht und nicht auf Blattläuse beschränkt ist. Weil H. axy­ridis die gleichen Ansprüche wie A. bipunctata hat, könnte vielleicht ein Mangel an essenti-eller Nahrung eine Rolle spielen. Es gibt also durchaus eine Konkurrenzsituation. Natürlich war A. bipunctata auch vor der Ankunft von H. axyridis nicht die einzige Marienkäferart der entsprechenden Biotope. Sie teilte sich ihren Lebensraum mit anderen Arten. Es gab (gibt) detaillierte Unterschiede, durch die Konkurrenz möglichst vermieden wurde. Deshalb haben sich Marienkäfer-Gesellschaften ausgebildet, die im Laufe des Jahres wechseln (KlauSnitzer & KlauSnitzer 1997).

Hinzu kommt aber ein Umstand, der in seinen Auswirkungen noch gar nicht völlig abzuschätzen ist. vilcinSKaS et al. (2013) und vilcinSKaS & Schmidtberg (2014) haben fest-gestellt, dass die Hämolymphe von H. axyridis (auch die der Eier und Larven) von Mikrospo-ridien (Gattung Nosema) befallen ist, gegen die diese Art aber weitgehend resistent ist. Sie produziert ein Antibiotikum mit Namen Harmonin sowie eine große Zahl antimikro-biell gegen Pilze und Bakterien wirksamer Peptide. Wenn aber die Larven oder Imagines von A. bipunctata (oder andere Coccinellidae) Eier oder Larven von H. axyridis aufneh-men, können sie sich infizieren. Da sie keine Abwehrstoffe besitzen, sterben sie an diesen Krankheitserregern. Der Asiatische Mari-enkäfer ist also gegen Krankheiten besser geschützt als die bisher näher untersuchten Coccinellidae der heimischen Fauna.

Allerdings bleibt es offen, ob der extrem starke Rückgang von A. bipunctata allein auf das Wirken von H. axyridis zurückgeführt wer-den kann. Für das „Insektensterben“ insgesamt wird eine Fülle von Ursachen in Betracht gezo-gen und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass A. bipunctata von allen nachgewiesenen oder vermuteten Faktoren – oder wenigstens einigen – nicht betroffen sein sollte. Nähere Untersuchungen liegen für A. bipunctata bisher nicht vor. Der drastische Rückgang des Zwei-punktes 2016/2017 ist aber eindeutig.

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 19: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

151

Es ergehen der Aufruf und die Bitte an die Leserinnen und Leser, auf Adalia bipunctata zu achten und sein Vorkommen zu notieren. Möglicherweise ist der vorgestellte Befund lokal begrenzt, und anderenorts sind die Ver-hältnisse anders. Dennoch bleiben die Beob-achtungen aus dem Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet alarmierend und verdienen unsere Aufmerksamkeit, gerade im Zusam-menhang mit dem oben erwähnten beson-deren Verhältnis der beiden betrachteten Marienkäferarten.

Literatur

hauSotte, m. & a. däbritz (2017): Aktuelle Marienkäfernachweise (Coleoptera: Coccinellidae) auf dem Bienitz bei Leipzig. – Mitteilungen Sächsi-scher Entomologen 36, 122: 117–122

KlauSnitzer, b. (1958): Coccinelliden des Oberlau-sitzer Wald- und Teichgebietes (Fortsetzung). – Nachrichtenblatt der Oberlausitzer Insektenfreunde 2, 2: 17–20

KlauSnitzer, b. (1961): Zur Verbreitung der Cocci-nelliden (Col.) in Ostsachsen. – Natura lusatica 5: 73–91

KlauSnitzer, b. (1967): Zur Kenntnis der Bezie-hungen der Coccinellidae zu Kiefernwäldern (Pinus silvestris L.). – Acta entomologica bohemoslovaca 64: 62–68

KlauSnitzer, b. (2017): Rückgang von Adalia bipunc­tata (linnaeuS, 1758) (Coleoptera, Coccinellidae)?

– Entomologische Nachrichten und Berichte 61, 2: 158–162

KlauSnitzer, b. & h. KlauSnitzer (1997): Marien-käfer (Coccinellidae). – Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 451, Westarp Wissenschaften; Magdeburg, 4. überarbeitete Auflage: 175 Seiten, 96 Abbildungen, 2 Farbtafeln

KlauSnitzer, b. & r. Schummer (1983): Zum Vorkommen der Formen von Adalia bipunctata L. in der DDR (Insecta, Coleoptera). – Entomologi-sche Nachrichten und Berichte 27, 4: 159–162

KlauSnitzer, b. & a. Wendler (1971): Zur Kenntnis der Coccinellidenfauna des NSG Lugteich bei Grüngräbchen (Oberlausitz). – Abhandlungen und Berichte des Naturkundemuseums Görlitz 46, 4: 1–6

nicKelS, v. & K. Schneider (2014): Erfassung der Marienkäferfauna (Coleoptera, Coccinellidae) im Naturschutzgebiet (NSG) „Brandberge“ in Halle (Saale). – Entomologische Nachrichten und Berichte 58, 3: 237–242

niSSle, i. & b. KlauSnitzer (1969): Zur Coccinelliden-fauna verschiedener Baumarten. – Abhandlungen und Berichte des Naturkundemuseums Görlitz 44, 13: 23–26

vilcinSKaS, a. & H. Schmidtberg (2014): Der Asiati-sche Marienkäfer als Modell – invasiv durch biolo-gische und chemische Waffen. – Biologie in unserer Zeit 44, 6: 386–391

VilcinSKaS, a., K. StoecKer, h. Schmidtberg, c. r. röhrich & H. vogel (2013): Invasive harlequin ladybird carires biological weapons against native competitors. – Science 340, 6134: 862–863

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627

Page 20: Neues aus der Natur der Oberlausitz für 2017 · 2020-02-26 · 134 dass die Kiesfraktion 4% bzw. 5 % Feldspäte führt (Tab. 1). Das ist für Neißeschotter ein sehr niedriger Wert,

152

© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de

ISSN 0941-0627